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Wie man es noch sagen kann

[Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Fragt mich bloß nicht, was mich bei diesem OS geritten hat! Ich habe vorher immer gedacht, dass der Prompt auf irgendeine witzige Episode mit Juvia als lausiger Fahrerin hinaus laufen würden, aber mit SOWAS habe ich nicht gerechnet^^'

Ich liebe Gavia. Als Broship einen winzigen Ticken mehr, aber auch als Pair finde ich sie einfach super! Sie bilden einfach einen besonderen Kontrast, der noch einmal eine andere Note hat als die Kontraste bei Gajeevy und Gruvia. Es ist einfach spannend!

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ha! Endlich kann ich eine WC mal wieder pünktlich abliefern!

Und gleichzeitig hatte ich mir dieses Mal zwei Ziele gesetzt: Erstens wollte ich eines meiner vielen Lyon-Pairings dran nehmen und zweitens wollte ich endlich mal ein Juvia-Pair mit Juvia-PoV schreiben - denn ich hatte mittlerweile schon ziemlich viele Pairs mit ihr, aber bisher nur ein einziges Mal auch eines mit ihrem PoV^^'

Das 'verse ist ziemlich Random, ich habe nichts weiter an Hintergründen. Aber ihr könnt ja mal raten, wem die jeweiligen Einzelgegenstände gehören, die im OS nebenbei erwähnt werden XD"

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LG
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach zwei Slash-Wochen geht es mit einem vergleichsweise harmlosen und wahrscheinlich auch etwas weiter verbreiteten Pairing weiter...
Ich maaaaaaaaaaaaaaag Lyredy! Es gab zwar nur einen itzibitziwinzigkleinen Hint für das Pair, aber zum Donnerdrummel noch mal, sie sind toll! Sie passen einfach so toll zusammen und gehören für mich persönlich einfach zum Canon. (Obwohl ich Beide in dieser Reihe hier - und vielleicht auch mal in anderen Projekten - auch mit anderen Charakteren shippe. Multi-Shipping ist etwas Feines :D)
Ich freue mich auch total darauf, mal etwas Größeres zu den Beiden zu schreiben! *~*

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LG
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Und wieder einer der Big 4! Ich habe mir vorgenommen, die Big 4 bis Ende diesen Jahres durch zu haben, weil sie in vielen meiner Fics doch eine größere Rolle spielen (Jerza nicht ganz so, dafür aber NaLu umso mehr, weil's ja eines meiner OTPs ist). Gajeevy als vollkommen eindeutiges Canon-Pair mit super schöner Entwicklung fand ich schon immer toll und benutze ich sehr gerne in Fics. Ich habe sogar ein paar kleinere Storys nur zu den Beiden geplant, auf die ich mich auch schon freue.

Bei dem Prompt habe ich zugegebenermaßen zuerst nur an "Reparieren" als Übersetzung gedacht, weshalb ich mich so lange schwer damit getan habe, aber dann ist mir das hier eingefallen.

Übrigens will ich keineswegs andeuten, dass Gajeel ein Idiot ist, er ist nur einfach absolut kein Theoretiker^^'

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Lg
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Mein allererster Threesome! Ist für mich völlig unbekanntes Terrain, aber ich wollte es unbedingt mal ausprobieren, weil ich Gruvia und Luvia super finde und auch GraLu sehr reizvoll finde - und dieses Projekt hier soll ja auch eine Experimentierstube werden. Das wird auch nicht der letzte Threesome gewesen sein, ich habe da noch ein paar in meiner Pairing-Liste :D

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich finde ja, dass man Grandine mit allen anderen Drachen sehr gut shippen kann (wohlbemerkt meine ich damit nur Igneel, Metallicana, Weißlogia und Skiadrum), aber Skandine ist in der Hinsicht mein Lieblingspair. Sie sind einfach irgendwie besonders harmonisch *~*
Ich habe sogar eine Fic in Planung, in der Skandine eines der Hauptpairs werden wird - und darauf freue ich mich schon wie blöde! (Obwohl echt in den Sternen steht, wann ich das jemals in Angriff nehmen können werde.)

Hier handelt es sich wieder einmal um einen OS im Lichtbrand-'verse, wo Skandine eines der wichtigsten Nebenpairs wird, also zumindest im ersten der vier OS, die für das 'verse geplant sind. Es hat übrigens einen Grund, warum das erste Kind von Skiadrum und Grandine hier eine Tochter ist, aber mehr sage ich dazu nicht. Das wird im zweiten OS des 'verses irgendwann verraten - und ist hier ja eigentlich auch gar nicht weiter wichtig.

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Für mich ist Luvia eines der niedlichsten Shojo Pairs, die FT hergibt. (Ich shippe bei weitem nicht alle Mädels bei FT wild durcheinander, aber gerade mit Lucy und Juvia habe ich mehrere Shojo Pair Varianten, die ich hier auch noch irgendwann unterbringen möchte. Dennoch sind sie in der Kombination absoluter Zucker! Da reicht kaum ein Pair heran!)

Dieses Mal ging es mir auch super schnell und in einem flüssigen Rutsch von der Hand und ich bin auch sehr zufrieden damit. Der Spruch steht dieses Mal ganz unklassisch gleich am Anfang des OS, aber das dürfte wohl niemanden stören. Er war einfach so ein guter Einstieg :D

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Es ist wirklich keine Absicht, dass mein liebstes Pair mit Natsu - und obendrein auch noch das dritte meiner OTPs - immer noch auf sich warten lässt, aber irgendwie überkommen mich immer wieder andere andere Pairs, wenn ich die Promptliste durchgehe. Aber ich habe mir fest vorgenommen, noch dieses Jahr NaLu durch zu nehmen! Und Jerza, um die Big Four voll zu kriegen.

Aber heute gibt es NaYu und ich liebe es! Es ist deutlich anders als NaLu und es hat auch einen anderen Touch als Navia, finde ich. Ich liebe es, es ist niedlich und lustig und bringt tolle Broships nebenher *~*

Dieser OS hier ist mein zweiter Versuch. Den ersten Versuch habe ich nach 150 Wörtern wieder gelöscht, weil er blöd war. Dabei war ich zuerst wirklich der Überzeugung, der OS würde Yukino-PoV brauchen, aber irgendwie hat es mit Natsu-PoV dann von Anfang an richtig geflutscht. Auch wenn ich unsicher bin, ob Natsus Flirttechnik nicht vielleicht etwas zu überzogen ist ID"

Und ja, NaLu-Broship am Anfang hat mir Spaß gemacht XD"

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Navia ist ein absolut niedliches Pair. Beide etwas verschroben, beide auf ihre Art impulsiv, aber Juvia ein wenig schüchtern, während Natsu voll der Draufgänger ist. Ich maaaag das Pair! Und es ist eines der drei einzigen Pairs, die ich mir mit Natsu vorstellen kann. (Und nein, die anderen Beiden sind NICHT Nerza und/oder NaLi *schauder*)

Ich habe das Gefühl, Natsu nicht wirklich gut getroffen zu haben, und das Ende ist irgendwie doof, aber ich weiß nicht mehr weiter, also lasse ich es so. Ich hoffe, es gefällt dennoch!

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Sorry für die Verspätung, aber ich habe meine Motivation überschätzt, nach der Heimkehr vom Urlaub und dem ganzen Trubel mit Katzeabholen etc. noch diesen OS hier editieren und hochladen zu können^^'

Fragt mich bitte nicht, warum dieser OS schon wieder so deprimierend ist. Der Prompt hat mir so verführerisch zugezwinkert und ich wollte das Pair sowieso schon länger mal ausprobieren.

GraLu ist für mich eigentlich eher ein Broship und als solches liiiiiebe ich es! Insbesondere mit NaLu-Pair und Gratsu-Broship macht das einfach echt was her! Aber ich finde GraLu auch als Pair sehr interessant. Sie bilden dann immer so einen schönen reifer anmutenden Gegenpart zu Navia oder NaYu - wird btw echt mal Zeit, dass ich zu einem dieser Pairs auch endlich etwas schreibe! >_<

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal ein Pair aus der Kategorie "Zarte/kindliche/unschuldige Liebe". Per se habe ich Lector und Frosch als Broship sehr viel lieber, zuweilen gerne auch mal in einem geschwisterlichen Verhältnis. In einem meiner Großprojekte sind die Beiden ja auch Adoptivgeschwister und ich liebe die Beiden in der Konstellation soooooo dermaßen!
Aber in Ausnahmefällen passt es tatsächlich auch, aus den Beiden ein richtiges Paar zu machen. Meistens sind sie bei mir ja gar nicht alt genug, um auch nur daran zu denken. Auch hier habe ich sie so mit 15/16 eigentlich fast beim Maximalalter, in dem ich sie gedanklich noch unterbringen kann.

Der OS spielt im selben 'verse wie der Romendy-OS. Weltbewegend viel kriegt man davon nicht mit, aber ich habe mich einfach der dort bereits angelegten Konstellationen bedient, das hat mir gut gepasst.

Ich habe während des Schreibens wahnsinnigen Appetit auf Kartoffelauflauf bekommen XD"

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Während wir im Manga von Kagura ja doch einiges erfahren, scheint Rufus' einzige Aufgabe im Manga zu sein, etwas á la "Soweit ich mich erinnern kann..." zu sagen. Dennoch mag ich ihn sehr gerne, insbesondere im Broship mit den anderen Sabertooth-Mitgliedern. Auf Rugura hat mich eine gute Fee gebracht und ich muss ehrlich sagen, dass die Beiden perfekt zusammen passen. Rufus ist so elegant und erwachsen, aber auch sehr aufmerksam und rücksichtsvoll. Und Kagura ist zwar auf der einen Seite so diszipliniert, aber hat auch sehr weiche, weibliche Seiten. Die Beiden ergänzen einander einfach wunderbar!

Es hat richtig Spaß gemacht, diesen OS zu schreiben, auch wenn der tatsächliche Rugura-Aspekt vielleicht ein kleines bisschen untergegangen ist. Sorry deswegen^^'

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Warum ist eigentlich ausgerechnet der OS mit einem meiner OTPs so mega deprimierend? >_>
Das Ding hat mal wieder echt ein Eigenleben entwickelt. Ursprünglich wollte ich die Problematik mit der Trennung, die Natsu und Lucy in diesem 'verse tatsächlich bevor steht (wenn auch nicht endgültig, ein paar Jahre später werden sie wieder zusammen kommen, wenn auch unter denkwürdigen Umständen, siehe NaLuYu-OS XD"), nur andeuten. Natsu und Lucy sollten einfach nur megamäßig ineinander verschossen sein und das Ganze noch ganz am Anfang von Natsus Wehrdienstzeit spielen...
Aber irgendwie klickte das Ganze ewig lange nicht und deshalb hat sich dieser OS leider auch so furchtbar verspätet. Tut mir echt Leid!
Jedenfalls habe ich dann doch einen Zugang zu der ganzen Sache gefunden, wenn auch einen etwas seltsamen. Ist wahrscheinlich das erste Mal in dieser Reihe, dass der OS in so eine Richtung schlägt, aber wie gesagt: Das hängt mit dem 'verse zusammen und ist durchdacht. (Auch wenn ich mich frage, ob Lucys Gedankengänge so tatsächlich passend? Hilfe!?^^')

Viel Spaß jedenfalls beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich liiiiiiebe LoYu! Von allen Kombination für die Beiden finde ich diese echt am besten - dabei finde ich LoLu und NaYu auch absolut super, aber LoYu toppt es einfach noch mal um einen kleinen Ticken. Ist eigentlich fast schon peinlich, dass ich das Pair so lange vernachlässigt habe^^'
Die Idee für dieses Pair ist mir vor anderthalb Jahren mal gekommen, als ich in einem anderen Projekt überlegt habe, was für eine Partie für Yukino gut wäre. Seitdem gehört es für mich zu meinen Lieblingspairs. Wenn ich mal wirklich mit allen Canon-Paarungen fahren will, passt LoYu wunderbar mit rein - denn, NEIN, für mich gelten die StiYu-Hints nicht, das sehe ich alles nur auf Broship-Ebene >_<

Das 'verse ist ziemlich random, da habe ich im Grunde gar kein weiteres Drumherum als das, was erwähnt wird. (Außer vielleicht, dass Minervas erwähnte Freundin Kagura ist? Was mich daran erinnert, dass ich Kagerva auch mal schreiben sollte!)
Sind Yukinos Freunde nicht herzallerliebst? Ich konnte einfach nicht widerstehen, sie zur Peanut Gallery zu machen XD"

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Und wieder ein Threesome! Da ich davon noch ein paar weitere in meiner Liste habe, finde ich, dass ich alle ein bis zwei Monate wenigstens ein Threesome einbringen sollte. Die Sammlung hier soll ja immer eine schöne bunte Mischung bleiben. Außerdem gerate ich dann nicht am Ende des Projekts in eine Krise, weil Threesomes eine so eigenwillige Dynamik haben. Ehrlich, ich finde sie ausgesprochen interessant und reizvoll, aber sie sind auch wirklich kompliziert >.<

Speziell zu diesem Threesome: Ich liebe Lyredy, ich finde Juredy und Lyvia toll wenn man alles auf einmal haben kann, muss es ja nur gut sein, oder? :D
Ich glaube, Lyon ist in dieser Kombination der Souveräne. Vielleicht, weil er vorher mehr Beziehungserfahrungen gesammelt hat, kA, aber es hat sich beim Schreiben so richtig angefühlt. Meredy verkrampft sich manchmal noch ein wenig in ihrem Bemühen, dass keiner auf der Strecke bleibt, und Juvia gibt sich sehr viel Mühe, beide Partner zu verwöhnen...
Irgendwie so halt ID"

Mit diesem OS hier verabschiede ich mich dann auch in den Urlaub. Ich werde erst am 9. Oktober wieder einen OS hochladen (den entsprechenden OS habe ich auch schon vorbereitet, der wird also definitiv pünktlich online kommen). Macht es gut bis dahin!

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie eine Freundin mir in Erinnerung gerufen hat, ist dieses Pair nur zustande gekommen, weil ich mich mal verschrieben habe, als ich eigentlich "Juredy" schreiben wollte XD"
Aber irgendwie finde ich es doch ganz spannend. Ich hoffe, ich habe hier die Charaktere der Beiden halbwegs gut getroffen^^'

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Nachdem ich letzten Montag einen unglaublich tollen Stingue-OS bekommen habe, der Kagukino als Sidedish hatte, MUSSTE ich einfach selbst etwas zu Kagukino schreiben! Das Pair ist in meinen Augen der reinste Zucker. Kagura ist zwar sonst so taff, aber in solchen Dingen ist sie eben doch sehr mädchenhaft, finde ich. Und Shy!Yukino ist sowieso Headcanon bei mir. Das ergibt einfach eine superniedliche Mischung und ich hoffe, ich konnte das hier ein bisschen einfangen!

Ich denke, es sollte eindeutig sein, was auf einmal mit Minerva & Co. los war, oder?

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal später als sonst - obwohl ich ja nie festgemacht habe, dass der wöchentlichen Upload immer schon am Mittwoch erfolgen soll -, aber eine grässliche Nierenbeckenentzündung hat mich aus den Latschen gehauen^^'

Das Pairing der Woche ist Laxerva. Weil ich Minerva lieben gelernt habe. Sie ist von einem Charakter, dem ich nach seiner Bekehrung eigentlich gar keine weitere Beachtung geschenkt habe, zu einem meiner Lieblinge heran gewachsen, der in beinahe allen meinen 'verses mindestens eine wichtige Nebenrolle, wenn nicht sogar eine Hauptrolle einnimmt. Und dank meiner guten Fee habe ich auch einige interessante Pairs für Minerva entdeckt. Obwohl Laxerva dabei nicht meine Nummer Eins ist, hatte es mich dieses Mal einfach gepackt, etwas dazu zu schreiben.
Die Beiden sind einander sehr ähnlich, finde ich, und in meiner Vorstellung führt gerade das dazu, dass sie zunächst einmal mächtig gegeneinander krachen, bevor sie Gefühle füreinander entwickeln. Das reinste Klischee, ich weiß, aber ich mag es einfach so :D

Eine kleine Warnung: Der OS ist deutlich düsterer als die bisherigen und enthält eine sehr unappetitliche Beschreibung, die ich jedoch bewusst vage gehalten habe. Dennoch ist es vielleicht nichts für zarte Gemüter? Ich denke wirklich nicht, dass eine Markierung vonnöten ist, aber ich wollte dennoch vorgewarnt haben.

Viel Spaß dennoch beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal geht es um ein wenig verbreitetes Pairing. Ich habe dazu mal ein Fanart gesehen und seitdem bin ich von dem Pairing irgendwie begeistert. Insbesondere Dobengal hat seitdem bei mir oft eine wichtige Nebenrolle und ich habe auch ein paar kleinere Sachen zu dem Pair geplant, die sich in meine Großprojekte einbetten. Daher war das hier mal eine gute Übung.

Dieser OS bettet sich auch mal wieder in ein bereits existierendes 'verse ein (hier bereits nachzulesen mit "Tür an Tür" in der OS-Sammlung "Lieder von Luft und Liebe") und gibt einen winzigen Einblick in die Vorgeschichte dieses 'verses. Ja, Flare und Laxus sind hier Halbgeschwister. Ich habe diese Kombination ziemlich gern, auch wenn ich Flare genauso gerne mit Atlas kombiniere :D

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich sollte aufhören, immer neue Sachen anzufangen... *drop*

Na ja, dafür habe ich mir fest vorgenommen, dass es dieses Mal wirklich nichts Großes werden soll! Große Sachen habe ich zur Genüge!

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im Voraus für jeden Kommentar!
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Leute, ich gebe mein Bestes, um weiterhin aufzuholen! >_<

Chappy ist nicht unbedingt das interessantes Pair für mich. Aus der jüngeren Generation ist Romendy mein Liebling, weil Beide einfach süß sind und sich furchtbar gut für eine niedliche Teenagerromanze eignen, während Charle definitiv zu taff dafür ist und Happy zu... Happy. You know? XD"
Aber wenn ich mal damit arbeite, die Exceed zu Menschen zu machen, ist Chappy oft automatisch ein Nebenpair. Oft nur angedeutet, aber zumindest ist es bei mir Headcanon genug, dass ich dem Pair auch mal ein bisschen Aufmerksamkeit gönnen musste.

Ich weiß, dass der OS sehr Charle-centric ist, aber aus der beschriebenen Situation heraus ist das wohl in Ordnung und ich denke, indirekt habe ich Happy doch präsent genug gemacht. Und die kleinen Romendy-Andeutungen und das Chendy (?) Broship konnte ich mir auch nicht verkneifen.
(Wenn ihr euch über den Begriff Schrödinger-Romanze wundert: Ich schwöre, dass mir das in den Sinn gekommen ist, bevor ich es zur Kontrolle noch mal gegoogelt habe. Es gibt nur eine englische Fic mit dem Namen, aber damit ihr den Sinn dahinter versteht, müsst ihr eigentlich nur wissen, was es mit Schrödingers Katze auf sich hat^^')

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LG
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Es wird Zeit, mal die Big Four in Angriff zu nehmen. Oder zumindest eines davon.
Gruvia ist für mich schon vor einiger Zeit Canon geworden und obwohl ich Juvia sehr gerne auch mit anderen Charakteren verpaire (tatsächlich ist sie der Charakter mit den meisten Pairs in meiner Liste, einfach weil das so viele tolle Kombinationen ergibt!), passt Gray immer noch am besten zu ihr. Und sie zu Gray, der in meiner Liste recht wenig Partner hat^^'
Das Pair hat einfach so etwas Besonderes: Er so ein Stoppel, sie eine kleine Träumerin, er so unterkühlt, sie absolut enthusiastisch. Jeder von ihnen hat so sein Päckchen zu tragen und Beide sind in verschiedenen 'verses ganz unterschiedlich einsetzbar. Perfekt wird es meiner Meinung nach, wenn man gleichzeitig Gratsu und Navia als Broships mit dran hat. Natsu als bester Freund für beide Parteien (Gajeel bei Juvia zählt nicht, weil er für mich immer eine Bruderrolle für Juvia einnimmt, selbst wenn ich sie mal nicht zu Blutsverwandten mache) und womöglich sogar Verkuppler ist einfach super!
Hier geht es allerdings auch mal ohne Natsu^^'

Und ich WEISS, dass man seine Kurse so nicht auswählen sollen, aber hey: Den Jungs traue ich das halt einfach zu^^'
Und diesen super fetten Psychologie-Schinken gibt es übrigens wirklich. Den hatte ich im Psychologieunterricht und er war blöd, die Texte waren unverständlich geschrieben und es hat immer fünf oder sechs Leute gebraucht, um diese Bücher aus dem Lehrmittelraum zu holen. (Und meine Psycho-Lehrerin war blöd, die hat uns einfach nur die Texte lesen und zusammen fassen lassen, wenn sie nicht irgendwelche komischen Vorträge verteilt hat... Egal, ich komme vom Thema ab, sorry!^^')

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LG
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich liiiiiebe Rakerva! Von allen Ships mit Minerva ist es mein liebstes. (Nicht dass Laxerva oder Kagerva doof wären, aber Rakerva ist einfach noch mal besser.) Das Pair hat einfach irgendwie einen ganz besonderen Touch.
Und ja, ich mag Rakheid. Im Manga kommt er leider nicht so gut weg, aber irgendwie hat er einfach was. In vielen meiner Fics hat er deswegen nun immer eine mehr oder weniger wichtige Nebenrolle und ein paar Sachen mit ihm in der Hauptrolle sind auch geplant. Er verdient es einfach :D

Dieser OS spielt übrigens im selben 'verse wie der OS zu Future!Rogue/Sting und ein paar Jahre vor eben diesem.
Und ich muss an dieser Stelle wahrscheinlich eine Warnung wegen unflätiger Sprache anbringen? kA, ich persönlich finde es nicht weiter schlimm und ich muss echt sagen, dass ich Minerva zutraue, die Dinge so direkt beim Namen zu nennen. Sie ist niemand, der um den heißen Brei herum redet.

Viel Spaß auf jeden Fall beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
Lg
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Stingue! Eines meiner beiden OTP für Fairy Tail! Ich liebe dieses Pair einfach abgöttisch und es macht unglaublichen Spaß, etwas dazu zu schreiben.
Dieses Mal ganz klein, aber hoffentlich dennoch fein.

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im Voraus für jeden Kommentar!
LG
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Es wurde mal wieder Zeit für ein Threesome! Von meinen ursprünglichen 14 habe ich jetzt nur noch 5 übrig, aber irgendwie habe ich immer noch das Gefühl, bei Threesomes echte Schwierigkeiten zu haben. Die sind so kompliziert! @_@

Hier habe ich Lucy mal in die Rolle derjenigen gesteckt, die mit der Situation noch völlig überfordert ist. Bisher ist sie damit ja meistens sehr souverän umgegangen, aber ich denke, dass es bei ihr genauso gut auch anders laufen kann. Insbesondere in der hiesigen Kombination. Allerdings hoffe ich, dass ich es nicht zu sehr übertrieben habe^^'

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
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Im Grunde sind ja alle Pairings mit Minerva kompliziert, aber ganz ehrlich: Rakerva und Laxerva sind mir aus irgendeinem Grund leichter gefallen^^' Vielleicht liegt es daran, weil Rakheid und Laxus Minerva insofern ähneln, dass sie sich auch nicht in die Karten gucken lassen. Kagura ist zwar auch sehr beherrscht, aber doch eindeutig empfänglicher für Gefühlsregungen. Bei gewissen Themen würde ich sie sogar als zart besaitet bezeichnen...

Wie auch immer, diese Gegensätzlichkeit hat diesen OS zu einer echten Herausforderung gemacht. Die Damen brauchten etwas mehr Platz als andere Pairs^^'

Und ich weiß, dass Minerva weniger tatsächliche Screentime bekommen hat und dass es sehr Kagura-centric war, aber ich hoffe, dass Minervas komplizierten Gefühle dennoch gut zur Geltung gekommen ist. So ein vollkommen ausgewogenes 50-50 Verhältnis beider Liebespartner ist in so kurzen OS sowieso schwierig bis unmöglich^^'

Und ein Hoch auf Arana und Lisley! :D
(Ja, ich weiß, dass ich Arana falsch schreibe, aber mein Word hat absolut keine Möglichkeit, dem N eine Tilde zu verpassen, und ich hatte, ehrlich gesagt, keine Lust, jedes Mal ein N mit Tilde aus dem Internet zu kopieren. Sorry^^')

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LG
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Dank eines kleinen Zeref-Doujinshis bin ich heute irgendwie in eine Zervis-Phase gekommen. Die Beiden sind für mich eindeutiger Canon und ich finde das auch gut so. Sie sind Beide sehr interessante Charaktere, die auch gut zueinander passen (Zerefs momentane Entgleisungen mal außer Acht gelassen).

Dieser kleine OS hier gehört in mein Katzen-'verse und spielt knapp zwölf Jahre vor der Hauptfic, in der Zeref und Mavis bereits verheiratet sind und eine gemeinsame Tochter haben. Mavis ist in dem 'verse die Tochter von Jude und Layla und ihre drei jüngeren Geschwister sind Rakheid, Lucy und Sting. Eine wilde Kombination, ich weiß, aber eine Freundin und ich haben da mal lustig herum gesponnen und im Katzen-'verse hat diese bunte Geschwistergruppe wunderbar rein gepasst. Im Übrigen gibt es da noch ein paar weitere kuriose Verwandtschaftsbeziehungen, die hier aber keine weitere Rolle spielen XD"

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LG
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Okay, gestern bin ich bei diesem OS irgendwie stecken geblieben. Vielleicht hatte ich nur zu viele andere Sachen im Kopf, aber heute lief es dann zum Glück besser, sodass ich den OS tatsächlich pünktlich hochladen kann^^'

Gajeel in einem Threesome ist wirklich sehr... merkwürdig? kA, die Art, wie ich ihn in so einer Konstellation interpretieren würde, habe ich im OS ja angedeutet. Anders kann ich es mir bei ihm kaum vorstellen. Und ich glaube, in der Hinsicht ist Juvia ihm dann sehr ähnlich - auch wenn sie es völlig anders auslebt. Das lässt Levy den Grübelpart in der Beziehung XD"
Keine Ahnung, ob das so Sinn ergibt. Threesomes sind immer noch kompliziert.

Totories als Sidedish mit Gemi und Mini als Kiddies, weil ich's toll finde XD"

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Wuhu! Es ist reiner Zufall, dass der 50. OS dieser Reihe mit dem Geburtstag des Projekts zusammen fällt, aber ich finde es cool XD"
(Bzw. es ist nicht komplett Zufall. Als ich in meinen Kalender geschaut und gesehen habe, dass Beides in dieselbe Woche fällt, dachte ich mir, dass ich den OS auch einfach zwei Tage hinaus zögern kann^^')

Wahrscheinlich ist es mega fies, dann ausgerechnet einen LANGEN traurigen NaLu-OS zu schreiben, aber ich denke immer noch, dass das hier keineswegs fehl am Platz ist. Es ist auch ein Teilaspekt der Liebe und ich hoffe sehr, dass das hier auch wirklich deutlich im OS geworden ist.
Außerdem... wird es ja ein Happy End für die Beiden geben? Ich habe ja schon im letzten NaLu-OS erwähnt, dass er zum selben 'verse gehört wie der NaLuYu-OS - und an selbigen möchte ich irgendwann mit einem ausführlichen Sequel in meiner Romance-Sammlung "Lieder von Luft und Liebe" anknüpfen.

Ansonsten... Grandine ist hier mal mit Igneel verheiratet, Wendy also Natsus kleine Schwester. Und in diesem 'verse habe ich mal wieder Bad Guy!Jude aus dem Hut gezogen. Hat besser so gepasst^^'

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Und natürlich vielen, vielen Dank für jeden Kommentar bis hierher!
LG
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Schon wieder ein OS im Mode-'verse. Keine Ahnung, irgendwie hat es einfach gut gepasst?^^'

Ich finde Juredy genau wie Luvia super niedlich und es gehört definitiv zu den Pairs, zu denen ich noch etwas schreiben möchte!
Natürlich funktionieren die Beiden auch hervorragend als Broship - und so habe ich sie auch oft genug mit drin, aber sie gehören auch eindeutig zu den interessantesten Slash-Pairings.

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia

PS: Danke an Arianrhod- für den Artikeltitel! :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Gerade beim Schreiben dieses OS ist mir deutlicher denn je bewusst geworden, was für einen wahnsinnig spannenden Kontrast Juvia und Yukino darstellen können. Meiner Meinung nach passen die Beiden wirklich ausgezeichnet zusammen und ergänzen einander sowohl charakterlich als auch optisch perfekt! Ich möchte unbedingt irgendwann mal etwa Längeres zu ihnen ausprobieren! :D

Was speziell diesen OS hier betrifft, habe ich das Gefühl, dass er ein bisschen merkwürdig geworden ist. Ist Juvia vielleicht ein bisschen zu forsch und/oder Yukino zu scheu? Ich hoffe, ich habe es nicht zu sehr verhunzt >_<

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LG
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Puh! Hiermit habe ich mich echt erst einmal schwer getan^^'
Irgendwie gingen mir die Beiden eine ganze Weile nicht so recht von der Hand und gerade bei Jenny bin ich unsicher, ob das jetzt wirklich alles so zusammen passt. Und sowieso ist der OS das reinste Klischee. Echt schlimm, das. ID"

Aber ich hoffe, es wird den Beiden dennoch irgendwie gerecht. Ich mag Hibiki und Jenny als suporting characters wirklich gerne und finde, dass sie ein gutes Paar abgeben.

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
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Okay, der OS hier ist eindeutig ein wenig aus dem Ruder gelaufen, aber nachdem ich dann endlich rein gefunden hatte - wenn der Anfang immer noch holprig klingt, tut es mir Leid, aber für die ersten drei, vier Absätze habe ich echt länger gebraucht als für den ganzen Rest >_> -, lief das Ding einfach so, wie es lief. Dann ist es eben ein längerer OS, verklagt mich^^'

Ich finde Threesome-Dynamik mit Natsu - selbst wenn er hier noch gar nicht direkt teilnimmt - immer noch ganz schön kompliziert, aber gleichzeitig glaube ich, dass das gerade mit ihm sehr gut funktionieren kann, eben weil er sich so überhaupt gar keinen Kopf darum macht, was Andere über ihn denken. Wenn er also tatsächlich auf den Trichter kommt, dass er zwei Frauen gleichzeitig liebt und dass diese seine Gefühle erwidern, wird er die ganze Situation wohl kaum noch hinterfragen. Da machen sich eher Lucy und Yukino einen Kopf XD"

Die ganze Szene ist furchtbar kompliziert, weil sie mittendrin in der Entwicklungsphase ist statt - wie ich es bisher hatte - zu einem Moment, wenn die Gefühle schon mehr oder weniger gefestigt sind. Das hat der Prompt irgendwie so provoziert und ich hoffe, dass ich es nicht zu sehr vermurkst habe >_<

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Nachdem ich im aktuellen SK-Kapitel endlich eine Gelegenheit gefunden habe, einen kleinen Hint auf EveChelia einzustreuen, hatte ich irgendwie Lust, das Pair mal tatsächlich auszuprobieren. Immerhin habe ich noch nie eine Szene geschrieben, in der Eve mal tatsächlich irgendwie interagiert hat. Es wurde Zeit, ihn mal ein wenig auszuloten!

Ich gestehe, dass weder Eve noch Chelia von sonderlich großem Interesse für mich sind, aber da ich WendyChelia-Broship sehr mag, kam eben auch irgendwann mal die Frage auf, wer zu Chelia passen könnte. Die Antwort war dann halt Eve und tatsächlich finde ich, dass sie eine ziemlich interessante Kombination sind. Als Nebenpair sind sie eindeutig gut zu gebrochen.

Wer die erwähnten Schulleiter sind, muss ich wahrscheinlich nicht erklären, oder? XD

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Es tut mir echt Leid, dass es dieses Mal so wahnsinnig lange gedauert hat, aber ich habe die letzten Tage bei meiner Familie verbracht und da bleibt mir immer wenig bis gar keine Zeit zum Schreiben u.u

Totories ist wahrscheinlich voll an den Haaren herbei gezogen, aber ich finde es echt süß. Ich habe Totomaru wirklich sehr gern und habe ihn in Fics immer wieder gerne als langjährigen Freund von Gajeel und als gebürtigen und traditionsbewussten Bosco (das bei mir btw. oft einen äthiopischen Touch hat). Da er dabei mitunter eine wirklich wichtige Nebenrolle einnimmt, hat er sich einfach eine gute Partnerin verdient. Und irgendwie passt Aries zu ihm. Ich mag's einfach >_<

Die Sache mit der Rune ist eine kleine Anspielung auf den FT-Wiki-Eintrag zu Bosco, auch wenn der Fan-Fiktion ist, aber es hat hier gut mit rein gepasst XD"
Und ja, das Café ist wahrscheinlich ein bisschen übertrieben, aber ich traue dem Stellar King sowas irgendwie zu, kA XD"
Und es ist das erste Mal, dass ich mich überhaupt an Totories versuche, also hoffe ich, die Dynamik ist so in Ordnung >_<

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
Lg
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Weiter geht es mit einem absoluten Crack-Pairing - und Teufel noch eins, ich liiiiiiebe es XD"
Meine gute Fee hat es nur mal so in den Raum geworfen und daraus wurde ein unglaublich faszinierendes Gedankenspiel - das überrascht mich immer noch selber!
Dieser OS gehört auch ausnahmsweise mal direkt zu einem meiner bereits existierenden 'verses, dem sogenannten Lichtbrand-'verse, in dem mindestens vier OS geplant sind, unter anderem auch ein sehr langer IgneelWeiß-OS. Das hier ist also ein klitzekleiner Vorgeschmack ;)

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß ganz genau, dass IgneelWeiß das reinste Crack-Pair ist, aber ich liebe es immer noch so abgöttisch und ich hatte echt viel Spaß daran, diesen OS hier zu schreiben!
Dass er so lang werden würde, hätte ich zugegebenermaßen auch nicht erwartet, aber hey, er darf das, ist ja immerhin ein Jubiliäums-OS!

75 OS! Ist das zu fassen?! Ich kann's nicht glauben. Wie habe ich das bloß hingekriegt?^^'
Dabei hatte ich - wie aufmerksame Abonnenten sicherlich mitgekriegt haben - in den letzten Wochen eine ziemliche Krise mit dem Projekt. Das lag nur zum Teil an mangelnder Inspiration, aber die war eben auch ein Problem. Zum Glück habe ich es doch irgendwie geschafft, das alles wieder aufzuholen!
Garantiert wird es auch während der nächsten Woche und Monate manchmal Verzögerungen geben, aber ich bin jetzt entschlossener denn je, das Projekt Anfang 2019 abzuschließen! >_<

Kurz ein paar Sachen zu diesem 'verse:
Weiß und Layla sind Geschwister - findet man häufiger bei mir^^'
Eine Verwandtschaft mit Grandine oder Skiadrum besteht allerdings nicht.
Außerdem gab es drei Dragneel-Brüder: Zerefs Vater war der Älteste, dann kam Igneel, dann Atlas. Letzterer macht sein eigenes Ding, auch wenn er Igneel natürlich unterstützt.
Natsu ist übrigens fünf Jahre älter als Sting.

Ich hoffe, der Gesprächsverlauf ist in Ordnung so und das Purple Prose ist nicht zu schlimm^^'

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich maaaaaaaaaaaag Lily! Nicht nur weil er sich so schön einfach in allen möglichen 'verses platzieren lässt, sondern weil er einfach immer irgendwie... toll ist XD" Er ist immer so eine Mischung als Vater und großer Bruder für die anderen Charaktere, ganz besonders natürlich für Gajeel. Ich bringe ihn einfach total gerne irgendwie unter. Und deshalb hat er meiner Meinung nach auch eine Partnerin verdient!

Shagotte auf der anderen Seite ist einfach... da ID"
Uh, das klingt so böse, aber na ja... im Manga macht sie einfach nicht so wahnsinnig viel her.
Dennoch passt sie meiner Meinung nach gut zu Lily. Die Beiden bilden einen schönen Kontrast, sowohl optisch als auch charakterlich, das gefällt mir einfach. In einigen Fics habe ich Lily sogar gerne als Charles Vater. So vermeidet man auch mal irgendwelche dramatischen Hintergrundgeschichten, um zu erklären, warum Charle ohne Vater aufgewachsen ist - OCs setze ich einfach nicht so gerne ein, selbst in solchen winzigen Rollen nicht.

Dieser OS hier ist mir ein bisschen entglitten. Er ist ziemlich düster geworden. Ich hoffe, ich habe die Thematik einigermaßen glaubwürdig getroffen u.u

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Orley ist süß. Punkt! :D

Wieder einmal etwas im Lichtbrand-'verse, aber ich verrate nicht, wie es mit den anderen Sachen zusammen hängt :P

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Wieder einmal etwas später als sonst. Ich habe die Osterfeiertage bei meiner Familie verbracht und dann komme ich immer kaum zum Schreiben. Obendrein hat mir das diesmalige Pair auch erst einmal ein bisschen Schwierigkeiten bereitet.

MacbethSorano ist für mich ein absolutes Sidedish. Etwas längeres zu ihnen zu schreiben, kann ich mir absolut nicht vorstellen. Schon alleine, weil die Beiden nun auch wieder nicht sooooo interessant für mich sind. Dennoch: In einigen meiner 'verses sind die Beiden ein Pair. Weil halt. Sorano kann ja nicht immer solo bleiben, während ich ihre Schwester munter verkuppel^^'
Und irgendwie passen sie zusammen. Kann ich nicht richtig erklären, aber es ist einfach so *shrug*

Dieser kleine OS siedelt sich in meinem SaniPress-'verse an, auch wenn das nur an zwei winzig kleinen Andeutungen festzumachen ist. Bis Erik & Co. in den eigentlichen Fics dieses 'verse mal einen Auftritt haben werden, dauert es noch eine Ewigkeit. Bisher weiß ich eigentlich nur, dass ich sie in Eulenblick auftauchen lassen will. Mal schauen, was daraus noch wird^^'

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich stecke gerade irgendwie in einer Krise? Keine Ahnung, bei mir sind ein paar Sachen zusammen gekommen und es herrscht leichte Umbruchsstimmung und streckenweise habe ich Schwierigkeiten, in irgendetwas rein zu kommen. Vor diesem Pair hier habe ich mich an zwei anderen versucht und irgendwie wollte keines von ihnen so richtig...
Ich hoffe, dass ich nächste Woche in meinem Urlaub aufholen kann, und wenn mir das nicht gelingt, dann mache ich halt normal weiter. Sorry! >__<


Zu diesem OS hier: Ja, er gehört in dasselbe 'verse wie die beiden NaLu-OS und der NaLuYu-OS. Weil halt^^'
Es sollte hoffentlich verständlich genug sein, was in dem Brief stand.

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Es tut mir echt Leid, dass ich mich mal wieder verspätet habe! >_<
Ich habe mich von etwas anderem ablenken lassen und bin dann mit allen Fics ins Hintertreffen geraten... >_>

Dafür ist der OS etwas länger? Und ein paar Leute haben sich das Pair vielleicht auch schon gewünscht?

Miraxus ist für mich jetzt nicht unbedingt DER Hit. Als Haupt-Pair kann ich bei weitem nicht so viel mit ihnen anfangen wie mit so manch anderem Pair, obwohl ich sie Beide doch schon gut leiden kann und sie gut zusammen passen. Umso spannender war es für mich, mich mal mit ihnen auseinander zu setzen. Ich habe echt ein bisschen Anlauf gebraucht, um in die Situation rein zu kommen - und konnte mir dabei die Hints auf ein paar andere Pairs nicht verkneifen^^'

Das ist übrigens dasselbe 'verse, in dem auch der NaLuYu-OS und die beiden NaLu-OS spielen. Der hier liegt so ein bis zwei Jahre vor dem NaLuYu-OS. Ich brauchte irgendwie ein schon bekanntes Setting, um rein zu finden^^'

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich glaube, Bixlow und Lisanna haben im Manga kein einziges Mal miteinander interagiert, aber im Internet kursieren erstaunlich viele Fanarts zu dem Pair - und sogar wirklich hübsche, durch die ich Bixlow irgendwie schätzen gelernt habe (ehrlich, auf diesen Bildern sieht er echt attraktiv aus!). In mehreren meiner 'verses ist Bixanna ein Sidedish und in einer Fic, die ich nächstes Jahr in Angriff nehmen möchte, ist Bixlow sogar ein wichtiger Nebencharakter. Von daher wollte ich mich mal ein bisschen an dem Pair probieren.

Mit Bixlow bin ich sogar ziemlich zufrieden, aber bei Lisanna bin ich unschlüssig, ob sie nicht ein bisschen zu ernst ist. Ich schiebe es einfach mal auf den Umstand, dass sie noch nicht so lange bei der Firma dabei ist^^'

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Vorwort zu diesem Kapitel:
ElfEver ist nun beileibe nicht das Pair, über das ich eine längere Geschichte schreiben könnte^^'
Keiner der Beiden ist außergewöhnlich interessant, aber so als Beilage haben sie dann doch was. Insbesondere in der Kombination.
Ich hoffe, ich habe hier das, was ich an den Beiden so witzig finde, einigermaßen rüber bringen zu können. Elfman scheint mir ein wenig OoC, aber an Evergreen hatte ich echt Spaß. XD"

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich fand, dass es an der Zeit war, noch eines meiner vielen Lyon-Pairs vom Tisch zu kriegen. Ich glaube, nämlich Lucy und Juvia ist er der Kandidat, der am häufigsten in meiner Pairing-Liste auftaucht XD
Aber wenn ich ein Ranking aufstellen müsste, wüsste ich nicht hundertpro, ob nun Lyanna, Lyredy oder Lyvia auf dem ersten Platz ist. Alle drei Pairs haben einen besonderen Touch - und Lyanna hier ist durch diesen starken Kontrast zwischen den Beiden besonders reizvoll, finde ich.

Ich bin KEIN Modefreak - nicht einmal ansatzweise -, von daher habe ich das Setting mehr oder minder nur zusammen geschustert. Ich hatte halt diese Idee mit der Rollenverteilung und dann musste halt so ein Setting her^^'

Und ja, ein bisschen LyLu-Broship musste auch sein - plus ein paar Hints für diverse andere Pairs, weil sich beim Schreiben einfach gleich ein paar Überlegungen aufgetan haben XD"

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich glaube, JudeLayla ist so ziemlich das vielseitigste Pair im gesamten Fandom bei mir. Schlicht und einfach deshalb, weil Jude so wunderbar variabel ist. Man kann aus ihm einen Good Guy oder einen Bad Guy machen, kann aus ihm und Layla eine Zweckehe, die Große Liebe, geschiedene Leute oder oder oder machen... Die Möglichkeiten sind bei den Beiden einfach unendlich groß. Das ist ungeheuer praktisch!
(Nur als Beispiel, um es besser zu verdeutlichen: Aus einem der fünf "Haupt"-Drachen könnte ich niemals einen Bad Guy machen, genauso wenig aus Silver oder Ur)

Diese Version hier der Beiden gefällt mir aber letztendlich am besten. Es tut mir nach dem Schreiben dieses OS hier fast noch mehr Leid, was ich den Beiden später in diesem 'verse zumute u.u

Und ich habe den Prompt dieses Mal etwas freier umgesetzt, weil ich den partout nicht in ein vernünftiges Deutsch zu übersetzen wusste^^'

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bin wieder im Lande! *tröt*
Und weil ich vernünftigerweise etwas vorbereitet hatte, kann ich auch gleich so früh diesen OS hochladen.

MariRandi gehört für mich definitiv nicht zu den interessantesten Pairs, aber für mich ist es Headcanon und kann als Sidedish ruhig auch mal erwähnt werden, vorrangig dann, wenn LucyBrandish-Broship ein Thema ist.

Dieser OS behandelt das Pair eher so hintenherum und es gibt Andeutungen auf ein großes Problem mit Rakheid, was daran liegt, dass der OS in mein Katzen-'verse gehört - irgendwann will ich wirklich mit der Story anfangen! >_<

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe immer noch viel zu wenig Erfahrung mit Ren und Sherry, ich bin mir nicht sicher, ob ich sie gut getroffen habe, sorry >_<

Random-'verse mit ein paar eingestreuten Broships, weil es das für mich einfacher gemacht hat, die Situation zu verorten. Und fragt mich nicht, warum ich Jenny und Sherry ausgerechnet Töpfern in die Hand gegeben habe. Ich weiß nicht mehr, wie ich drauf gekommen bin^^'
(Vielleicht alte Kindheitserinnerungen vom Töpferkurs??? ID")

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Öhm... Ich glaube, den OS habe ich verhunzt^^'

Ich habe keinen Plan, wie ich mit Bacchus umgehen soll, dabei passt er doch eigentlich perfekt zu Cana^^'
Deshalb hat sich wahrscheinlich zu viel Loke-Cana-Broship mit rein geschlichen. Sorry^^'

SaniPress-'verse mal wieder, weil ich zusätzlich zum ungewohnten Pair nicht auch noch Muße für ein neues 'verse hatte^^'

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe mich sehr schwer damit getan, mit LoLu warm zu werden. Nicht nur weil ich Loke bevorzugt mit Yukino verpaire - bei Lucy bin ich da relativ flexibel, auch wenn NaLu mein OTP ist -, sondern auch weil ich das Gefühl habe, dass NaLi dann meistens das Sidedish ist, wenn es an LoLu geht. Und mit NaLi kann ich als Pair überhaupt gar nichts anfangen, damit werde ich wahrscheinlich nie warm.
Nachdem ich für Natsu einige andere Partien aufgetan habe, die möglich sind, wenn Lucy an Loke geht, komme ich mit LoLu besser klar. Als Broship sind sie mir immer noch lieber - wobei ich gerne zwischen Geschwistern, Cousins und einfachen Freunden variiere -, aber als Pair haben sie auch einen gewissen Reiz.
In den OS hier hat sich etwas Sticy mit hinein gemogelt, eines meiner Lieblings-Broships. Sting wahr einfach der Meinung, auch etwas sagen zu müssen, ich hatte keine Chance^^'

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Ursprünglich hatte ich die Idee, dass die drei Mädels in diesem OS hier schon zusammen sind, aber irgendwie wäre das den anderen Threesome-OS zu ähnlich geworden, also habe ich noch mal ein bisschen umgeschwenkt.
Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass dieses Threesome übermäßig kompliziert verläuft. Nicht unter den hier gegebenen Bedingungen. Das wird sich wohl eher alles sehr harmonisch fügen.
Auch ohne die Ratschläge eines gewissen Beziehungsexperten XD" (Sorry, den Seitenhieb auf ihn konnte ich mir einfach nicht verkneifen XD")

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Ich habe mich diese Woche irgendwie schwer damit getan, einen OS für das Projekt zustande zu kriegen >_<
Zuerst habe ich mich an Jerza versucht, aber das Pair war einfach furchtbar störrisch, also habe ich das Pair gewechselt. Das hier ist jetzt mein erster Versucht eines Threesomes mit Natsu und während des Schreibens bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Natsu mit dieser Art von Beziehung - wenn er denn seine Gefühle durchschaut hat - ziemlich locker umgeht. Er ist eindeutig nicht der Typ, der sich Gedanken darum macht, was Andere über sein Liebesleben denken.
Bei Juvia sehe ich das irgendwie ähnlich. Wenn die Beziehung etabliert ist, kann ich mir gut vorstellen, dass sie sehr friegiebig mit Zuneigungsbekundungen ist - auch in der Öffentlichkeit.

Bezüglich der Übersetzung des Prompts hatte ich eine Weile herumgesucht und auf einer Übersetzungsseite unter anderem eben auch "Indianerehrenwort" gefunden. Das würde in den meisten Fällen eher unpassend klingen, aber zu Natsu hat es gepasst wie die Faust aufs Auge XD"

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Ursprünglich hatte ich für diesen Prompt eine bereits etablierte Triade im Kopf, aber irgendwie wurde das dann doch etwas anderes. Fragt mich nicht ID"
Ich hoffe, Lokes Gedankengänge und die Hints bei Lucy und Yukino passen so, Triaden sind so furchtbar kompliziert >_<

Und ein Yay für Cana als hemmungsloser supporting character XD"

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Hm... Ich hatte jetzt schon ganz schön viele Pairs mit Juvia und sollte wirklich mal mehr mit ihrem PoV machen, aber aus irgendeinem Grund passt es bei meinen Ideen immer besser, den PoV des anderen Partners zu verwenden. Na ja, ein paar Pairs mit ihr habe ich ja noch in petto XD"

Lavia hat irgendwie eine interessante Dynamik, eben weil Laxus und Juvia aus völlig anderen Freundeskreisen kommen (klar, kann man in Fics sowieso alles so würfeln, wie man lustig ist, aber wenn man ein bisschen am Canon bleiben will, bieten sich bei Laxus Bixlow & Co. an, bei Juvia hingegen Gajeel & Co.). Mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Familienhintergründen ergeben sich auch sehr reizvolle Möglichkeiten. Irgendwann möchte ich wirklich mal etwas Größeres mit ihnen ausprobieren!

Fragt mich um Himmels Willen nicht, was genau Laxus hat, ich bin keine Medizinerin XD"

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Ich habe das Gefühl, dass Hibiki hier sehr viel Ähnlichkeit mit Loke hat, aber mehr Anhaltspunkte liefert mir der Manga einfach nicht für ihn :/
Und ist überhaupt deutlich geworden, dass Yukino gerade mit sich selbst überfordert ist?^^'
Der Stingue-Hint musste sein. Ich bin gerade auf Stingue-Entzug >_<

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich glaube, auf dieses Pair bin ich mal über Google gestoßen? Ich weiß es nicht mehr so genau^^'
Jedenfalls fand ich es irgendwie interessant. Zuvor war der einzige passende Partner für Rakheid in meinen Augen Minerva und wenn ich ehrlich bin, finde ich Rakerva immer noch besser, aber Cana bildete einen sehr spannenden Kontrast zu Rakheid.

Eigentlich wäre es cool gewesen, hier mal mit Rakheid-PoV zu arbeiten, weil ich das auch noch nicht ausprobiert habe und das hier meine letzte Gelegenheit dazu gewesen wäre (es sei denn, jemand schlägt mir ein anderes Rakheid-Pair vor? der Junge hat eindeutig einen guten Partner verdient! >_<), aber als ich mir Pair und Prompt so angesehen habe, war diese Szene hier da.

Und sorry für den exhibitionistischen Anklang, aber ich kann mir partout nicht vorstellen, dass Cana oder Rakheid bei der Vorgeschichte irgendwelche Scham haben XD"

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Es ist mal wieder Zeit für ein Canon-Pair - wenn auch eines, das wahrscheinlich niemand auf dem Schirm hat. Ich meine, Rita hatte vielleicht... drei oder vier Panel Screentime? Und Yuri ist eigentlich auch nur über Fairy Tail Zero bekannt, schätze ich mal, in der Hauptstory taucht er ja nur mal kurz in einem Flashback auf...
Dennoch mag ich Yuri und allgemein das Gründerteam und nutze es gerne mal, um für Mavis mehr Drumherum zu haben. Außerdem bietet die Gruppe schon einige tolle Broships. Und bei all dem ist es einfach nett, wenn man auch noch jemand anderem als Mavis eine gute Partie verpassen kann.
Meine Interpretation von Rita ist im Grunde Frei Schnauze, gefällt aber hoffentlich. Yuri wirkt vielleicht etwas anders als im Manga, aber hey: Er ist hier so 16/17. In dem Alter darf er sich ruhig wie ein Depp aufführen, wenn er verliebt ist, finde ich^^'
Das Ganze bettet sich in mein Katzen-'verse ein (siehe z.B. Zervis-OS). Im Grunde ist das gar nicht weiter relevant, außer für Yuris Familienverhältnisse, aber ich hatte das 'verse beim Schreiben einfach im Hinterkopf. (Und ja, ich habe Yuri hier als Laxus' älteren Halbbruder statt als Urgroßvater - weil das eine angenehme Möglichkeit ist, Yuri UND Makarov UND Laxus zusammen ins Spiel zu bringen^^')

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Das Projekt feiert sein erstes Jubiläum (okay, ich könnte natürlich auch die Zehner-Schritte oder die Schnapszahlen für Jubiläen nehmen, aber das ist doch ein bisschen übertrieben, aber 25-50-75-100 passen ja wunderbar XP")
Als ich damit angefangen habe, habe ich ehrlich nicht gedacht, dass es so flüssig laufen würde. Klar, ein paar Mal habe ich mich doch etwas verspätet, aber den wöchentlichen Upload habe ich doch immer einhalten können. Darauf bin ich wirklich verdammt stolz und ich habe fest vor, das auch weiterhin beizubehalten (abgesehen von der Zeit, wenn ich Ende September/Anfang Oktober im Urlaub bin, aber die Pause wird man mir hoffentlich verzeihen können).
Danke an dieser Stelle an alle, die diese Sammlung mitverfolgt und kommentiert haben! Es freut mich sehr, dass diese kleinen OS immer wieder auf Anklang stoßen. Insbesondere, da doch einige sehr spezielle Pairs dabei waren^^'

Und natürlich muss es für ein Jubiläum auch ein besonderes Pair geben - also eines meiner OTP!
Ehrlich, je mehr Stingue ich schreibe, desto süchtiger werde ich danach, noch mehr zu dem Pair zu schreiben! Ich liiiiiiebe dieses Pair einfach so sehr, das ist nicht zu fassen X////D

Auf diesen OS bin ich sehr stolz. Klar, die Erste-Begegnung-im-Supermarkt-Sache ist das reinste Klischee, aber hey: Was spricht schon gegen Klischees, wenn sie gut gemacht sind? Und ich finde, hier ist es mir wirklich gut gelungen.
Nur die Kleinkindersprache hat mich ein bisschen grübeln lassen, aber ich hoffe, die ist verständlich so. Klar, es gibt Kinder, die in dem Alter schon sehr gut sprechen können, aber so schätze ich Frosch eher nicht ein.
Öhm... und ja, ich habe Rogue gedanklich sehr doll angeschmachtet, als ich ihn beschrieben habe >///////<

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Es ist irgendwie naheliegend, Silver und Ur zusammen zu stecken - egal ob nun als Broship oder als Pair -, aber darauf gekommen bin ich wieder einmal durch eine Freundin. Ich mag die Beiden gerne, also mussten sie natürlich auch mal in dieser Sammlung auftauchen. Die Beiden zum Pair zu machen hat den angenehmen Effekt, dass man sich keine Gedanken machen muss, wie Mika und Urtears unbenannter Vater so waren und aussahen.

In diesem 'verse hier spielt Mika allerdings doch eine große Rolle für Silver. Sie war seine Sandkastenliebe und es wird noch sehr lange dauern, bis er und Ur erkennen, was sie wirklich füreinander empfinden. (Aber sie kommen letztendlich zusammen und werden glücklich zusammen, so viel kann ich ruhig verraten.)
Der Prompt funktioniert hier also nur angedeutet als Liebesgeständnis, aber ich habe ja auch schon andere OS, in denen das so war.

Und ja, SilverIgneel-Broship gehört zu meinen Lieblingsbroships in der Generation, das musste mit rein! Genauso der Hinweis auf IgneelWeiß X///D

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Yosephia

PS: Und einen Guten Rutsch euch allen! Komplett anzeigen
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Levia ist echt süß. Sie bilden einen ziemlich starken Kontrast, aber genau das macht ihren Reiz aus. Und ich kann mir gut vorstellen, dass sie trotz - oder vielleicht sogar gerade wegen - dieses Kontrasts wunderbar harmonieren. Irgendwann möchte ich mal etwas Größeres zu den Beiden schreiben!

Einstweilen habe ich erst einmal nur das hier... und ich bin mir nicht sicher, ob es mir wirklich gelungen ist. Klingt Levy vielleicht ZU verknallt? Ich weiß es nicht^^'

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Dieses Pair hat sich irgendwie so aus dem Gedanken ergeben, dass Natsu und Wendy auch ein niedliches Geschwisterpaar wären, aber beim Schreiben habe ich gemerkt, wie toll das Pair als solches eigentlich ist! Ich bin ja sowieso total verschossen in Igneel (er und Weiß sind bei mir gleichauf im Drachenranking), aber hier... habe ich einfach total schnell rein gefunden und richtig viel Spaß am Schreiben gehabt! :D

Und ja, ich stehe drauf, Grandine, Weißlogia und Acnologia zu Geschwistern zu machen XD
Und Igneel/Silver/Layla Broship ftw! :D :D :D

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Das passiert, wenn man mit jemandem - ich nenne keine Namen XP - ständig neue 'verses plant und es sich besonders kompliziert machen will XD"

Aber ehrlich: Irgendwie war dieses Threesome dann fast schon naheliegend: IgneelWeiß ist eines meiner OTPs, WeißLayla habe ich total gerne als Background, um Sticy als (Halb-)Geschwister zu haben... Da war es nur noch ein kleiner Schritt, auch noch IgneelLayla in Betracht zu ziehen. Und siehe da: Ein neues Threesome! :D

Und ich mag es! So sehr, dass ich auch mal etwas Längeres dazu schreiben will. Und zwar die Vorgeschichte zu diesem winzigen OS hier. Irgendwann. Wenn meine Tage mal mehr Stunden haben oder ich keinen Schlaf mehr brauche ID"

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Im Grunde ist es fast ein Canon-Pair, auch wenn ich mich gerade nicht erinnern kann, ob sie im Manga irgendwann mal tatsächlich gemeinsame Screentime hatten (tatsächlich muss ich gestehen, dass ich nach dem Time Skip überrascht war, als Kinana plötzlich bei der Zusammenkunft dabei war, ich dachte vorher immer, sie wäre ein reiner Anime-Chara XD")

Ich finde das Pair ziemlich niedlich und habe sie deswegen immer wieder gerne als Sidedish mit dabei. Allerdings muss ich echt gestehen, dass sie es mir echt erst einmal schwer gemacht haben. Cobra ist ein Stoppel >_>

Dieser OS spielt wieder einmal im SaniPress-'verse (genau wie der OS zu MacbethSorano). Wer wissen will, was mit Metallicanas Frau passiert ist: Die ist abgehauen, weil es ihr zu anstrengend war, sich als Frau eines Polizisten um zwei Kinder zu kümmern. Metallicana hat seine Kinder alleine, bzw. mit Hilfe von Pantherlily (ehemaliger Partner bei der Polizei) und Skiadrum (jüngerer Halbbruder) großgezogen. Und ja, in dem 'verse gibt es sogar für Nebencharaktere Hintergrundstory XD"

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Lg
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Das ist wahrscheinlich für viele mal wieder ein ungewöhnliches Threesome, aber das kam mal wieder bei einem Gespräch mit meiner Brain Storming Partnerin auf und irgendwie mag ich diese Mischung. Ich glaube, unter den weiblichen FT-Charakteren gehören die drei Mädels neben Minerva zu meinen absoluten Lieblingen und ich habe für alle drei auch schon reichlich verschiedene Pairs parat. Irgendwann werden auch noch mal Lukino und Jukino in dieser Sammlung auftauchen^^'

Der OS gehört auch zu den kürzeren der Reihe, aber irgendwie war die Szene dann einfach erzählt und wenn ich ehrlich bin, war ich mit dem Kopf an diesem Wochenende auch woanders. Hatte ziemlich viel mit einer Hausarbeit für die Uni zu tun, aber für den nächsten OS habe ich wieder mehr Zeit und Nerven. Ich hoffe mal, mein Konzentrationsmangel hat sich nicht zu sehr auf diesen OS ausgewirkt.

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Ich glaube, ich hatte schon länger nicht mehr so ein Sidesideside-Pair ID"
Aber es musste auch mal sein. Auch wenn ich weder mit Aquarius noch mit Scorpio sonderlich viel anfangen kann - meine Lieblinge sind Loke, Capricorn und Aries und die Gemini-Kiddies aus dem Filler-Arc -, wollte ich ihnen doch wenigstens einen kleinen OS hier gönnen.

Katzen-'verse, weil ich da wenigstens schon fixe Rollen für die Beiden hatte. (Ja, die Familie Vermillion-Heartfilia ist in dem 'verse abartig reich^^')
Mit "Sagi" ist Sagittarius gemeint. Ich weiß, eine Glanzleistung, ihn zum Pferdewirt zu machen^^'
Und Plue ist zum Pferd geworden. Weil halt^^'

Ich hoffe, ich bin wenigstens so halbwegs IC geblieben^^'

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Ich gestehe, dass HibikiLevy ein Pair ist, das bei mir eigentlich nur dann zum Einsatz kommt, wenn alle anderen Partner für Levy - derer es nicht viele gibt, warum eigentlich nicht? .__.' - anderweitig vergeben sind. Dennoch finde ich, dass die Beiden schon sehr gut zusammen passen. Es wird nur wohl einfach deshalb nie ein Pair, für das ich mal etwas Längeres schreiben werde, weil ich mit Hibiki nicht so wahnsinnig viel anfangen kann^^'

Solche krassen Arbeitstiere wie Levy gibt es übrigens wirklich. Eine Freundin von mir, mit der ich zusammen studiert habe, war und ist immer noch so ID"

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Ugh. Laxus-PoV.
Ugh. Threesome-Dynamik.
Ugh. Ugh. Ugh.

Ich habe das Gefühl, es nicht so wirklich gut getroffen und zu viel palavert zu haben. Und das Ende ist vielleicht zu abrupt und die Situation an den Haaren herbei gezogen?

Tut mir echt Leid für das Threesome, denn eigentlich ist es wirklich sehr interessant. Und sowieso tut es mir Leid, dass ich gerade meine Fristen nicht einhalten kann T___T

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Es tut mir wahnsinnig Leid, dass es schon wieder so spät geworden ist, aber an dem Tag, als ich diesen OS eigentlich schreiben wollte, verflog die Zeit irgendwie viel zu schnell >_<

Dafür ist es mal wieder ein ungewöhnlicheres Pair? Wenn das ein Trost ist^^'
Ich habe es ja schon mal im Skandine-OS erwähnt, dass ich mir Grandine mit jedem der vier anderen Drachen gut vorstellen kann. Da macht Metallicana keine Ausnahme.
Wobei bei dieser speziellen Kombination vor allem Gwendy-Broship dann das Hauptargument für mich ist. Gajeel und Wendy sich eine wahnsinnig drollige Broship-Kombi! >////<
Aber beim Schreiben habe ich auch gemerkt, dass Metallicana und Grandine einen interessanten Kontrast bilden. Ein bisschen Klischee, ja, aber... ich mag es dennoch! Ich könnte mir gut vorstellen, das gelegentlich als Sideship dabei zu haben :D

Und ich weiß, Metallicana ist fies zu Natsu, aber ich konnte mir den kleinen Witz nicht verkneifen^^'
Und ich habe diesen Headcanon, dass Metallicana IMMER einen Soft Spot für Juvia hat - egal ob sie seine Tochter oder "nur" die Freundin seines Sohnes ist XD"

(Und Grandine lässt sich natürlich nicht von der ganzen Welt am Bauch ankrabbeln. Ein bisschen übertreiben darf Metallicana ja auch mal XD")

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Ja, ich hatte erst vor kurzem Stingue, aber jemand *hust* hat sich Future!Rogue/Sting gewünscht und es hat sich als spannendes Experiment entpuppt. Die Dynamik zwischen den Beiden ist wirklich ganz anders als zwischen dem normalen Rogue und Sting. Letztendlich ist mir Stingue lieber, aber das hier hat echt Spaß gemacht!

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Fragt nicht! Um Himmels Willen, ich habe keine Ahnung, warum SOWAS bei diesem Prompt heraus gekommen ist >_<
Schon wieder ein 'verse mit Ex-Soldaten, aber dieses Mal ein bisschen anders und... kA... Wahrscheinlich habe ich mit Igneel übertrieben. Sorry^^'

Aber so ganz allgemein muss ich sagen, dass das Pair durch diesen OS doch einen gewissen Reiz bei mir entwickelt hat. Es ist ursprünglich nur aus zwei Gründen in der Liste gelandet: Erstens ist die Vorstellung von Natsu und Lucy als Geschwistern lustig (und ja, in diesem 'verse hier wäre Lucy mindestens sechs Jahre älter als Natsu^^') und zweitens ist es ja Bestandteil des IgWeLay-Threesome, für welches ich unbedingt mal eine lange Story schreiben will. Aber jetzt ist das Pair an und für sich auch sehr interessant^^'

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Wisst ihr eigentlich, wie schwer es war, auch wirklich jedes Mal "Lucky" und nicht "Lucy" zu schreiben? Keine Ahnung, wie oft sich mich beim Verfassen dieses OS verschrieben habe XD"

Lucky und Marl sind eindeutig so ein Pair, das nur Sidedish funktioniert. Man weiß einfach zu wenig über sie und zugegebenermaßen finde ich sie auch nicht übermäßig interessant. Oft genug lasse ich sie auch gänzlich weg und mache Happy zu Natsus kleinen Bruder o.ä. Aber in dieser Liste hier durften sie natürlich dennoch nicht fehlen!

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Ich kann nicht so wirklich erklären, was mir so gut an dem Pair gefällt. Eigentlich hatten weder Jenny noch Sherry so wahnsinnig viel Screentime - Sherry zwar doch etwas mehr, aber dafür meistens doch in einer Art und Weise, die nicht unbedingt sympathiefördernd war. Unterm Strich weiß man eigentlich kaum etwas über die Beiden und zugegebenermaßen kann ich mir nicht vorstellen, sie jemals in einer Fic zu Hauptcharakteren zu machen, aber irgendwie hat das Pair halt einfach was.

Das Verhalten der Beiden war mehr oder minder reine Spekulation. Ich finde einfach, dass das bisschen, was man von den Beiden im Manga sieht, nicht darauf schließen lässt, dass sie besonders schüchtern beim Thema Liebesbeziehung sind. Eher das genaue Gegenteil.

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De facto ist Cornelia ja ein OC. Ich glaube, wir haben nicht einmal ihr Aussehen, lediglich Gildartz' Behauptung, dass Cana ihr ähnlich sehe. Von daher pure Eigeninterpretation. Mir gefällt dabei der Gedanke, dass Cornelia sich Gildartz' Pflichtgefühl nicht in den Weg stellt und stattdessen immer geduldig auf ihn wartet. kA, ist irgendwie Headcanon.

GildartzCornelia ist auch absolutes Sidedish. Einfach weil Cornelia so überhaupt nicht greifbar ist, kann ich mir gar nicht vorstellen, mehr als so einen winzigen OS aus ihr zu machen - und selbst hier bin ich ja zugegebenermaßen doch irgendwie vage geblieben. Aber als Sidedish sind sie halt süß, finde ich.

Fragt mich übrigens nicht, warum das SCHON WIEDER so ein düsterer OS geworden ist. Ursprünglich wollte ich aus Gildartz einen Fotografen machen, dann habe ich überlegt, was für einen wohl, dann kam ich irgendwie auf Kriegsfotograf und dann wurde er doch zum Soldat. Weil halt~ ID"

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Das Pair ist wahrscheinlich so ein bisschen aus der Luft gegriffen, immerhin haben Lyon und Hisui im Manga nie miteinander interagiert, aber ich kann es mir irgendwie doch sehr gut vorstellen. Da stimmt einfach die Chemie - und Lyon ist einfach mal sehr gut verträglich mit den unterschiedlichsten Frauentypen. *hust* Weiberheld *hust* XD"
Zugegegebenermaßen ist das hier aber auch kein Pair, für das ich etwas Größeres schreiben würde. Einfach weil Hisui nicht sooooo interessant für mich ist. Aber so als kleine Fingerübung war das hier doch ganz gut^^
(Btw das allererste Mal, dass ich Hisui zu Wort kommen lasse. Irgendwie kriegt sie bei mir andauernd Rollen, bei denen sie gar nicht persönlich auftaucht XD")

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Wieder ein recht ungewöhnliches Pair - gerade wenn man die aktuellen Chapter bedenkt -, aber in 'verses, in welchen Acno kein Bad Guy ist, hat es irgendwie was. Jedem auf seine Weise kann man Anna und Acno gut das Veteranenhafte andichten und dann ähneln sie einander irgendwie und bilden gleichzeitig einen interessanten Kontrast. Sie passen einfach irgendwie zusammen und in einigen meiner Fics sind sie deshalb auch ein Sidedish :D

Wieder nur ein recht kurzer OS und irgendwie ein bisschen seltsam, aber Acno ist irgendwie schwer zu fassen^^'

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Ich hätte echt nie im Leben geglaubt, dass ich sogar mal mit Genderbender anfangen würde XD"
Aber in diesem speziellen Fall mag ich es einfach!
Manchmal - eher selten, aber eben doch nicht nie - passt eine homosexuelle Beziehung einfach nicht in ein 'verse, aber um dann doch Stingue zu haben, wird Sting eben zu Stina. Ja, dummer, kleiner Zaubertrick, aber ich bin nun mal ein Stingue-Fan XD"

Das hier ist das erste Mal, dass ich Stina in Aktion treten lasse, von daher hoffe ich, dass es mir gut gelungen ist >_<

Das 'verse ist absoluter random. Die erwähnte Schwester ist Lucy und Minerva musste selbstverständlich auch ihre Erwähnung finden - wenn auch nicht namentlich XD"
Rogue wirkt wahrscheinlich ein bisschen langsam hier, aber er hat absolut nicht mit so etwas gerechnet^^'

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia

PS: Deutscher Prompt, weil es einer derjenigen ist, die ich mit einer Freunden zusätzlich für das Projekt zusammen gestellt habe, weil die ursprünglichen 100 bereits an andere Pairs verteilt sind. Übrigens wird es noch mindestens 47 weitere OS für das Projekt geben, also bleibt gespannt^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich komme partout nicht an NaLi ran, aber LuLi hat irgendwie etwas. Zumal mir aufgefallen ist, dass Lisanna gut in den Typ passt, den Lucy sonst so auf dem Radar hat (Levy, Juvia, Yukino...).

Die Dynamik war hier aufgrund der Situation irgendwie kompliziert und ich hatte echt erst Schwierigkeiten, rein zu kommen. Aber mit der Zeit hat sich das gegeben.
Lisanna ist ein bisschen zu kurz gekommen, weil Lucy-PoV. Und das mit Dan ist spontan beim Schreiben so gekommen. Natürlich ist hier Dramaqueen!Lucy am Start, sie übertreibt ein wenig, aber so ist sie nun einmal^^'

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
Yosephia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Iiiiiiich habe ein Interesse an Genderbender entwickelt XD"
Aber keine Sorge, ich werde definitiv nicht alle Pairs aus meiner Liste genderbendern. Bei einigen Charakteren passt Genderbender hinten und vorne nicht (z.B. Male!Juvia oder Male!Lucy oder auch Fem!Gajeel - no way! XD") und bei vielen Charakteren ist es auch nicht wirklich interessant. Aber eine kleine Auswahl an Genderbender-Pairs wird es doch mit in dieses Projekt schaffen^^'

Speziell zu Fem!Gruvia muss ich sagen, dass Fem!Gray es mir echt schwer gemacht hat, eben weil Gray 1.) doch sehr männlich ist in seinem Verhalten und weil er 2.) vergleichsweise maulfaul und stoppelig ist. Deshalb habe ich erst einmal die Äußerlichkeiten für mich abgeklärt, also Fem!Gray-FAs gesucht, geschaut, welche Outfits zu ihr passen, und mir Gedanken über Fem!Grays Namen gemacht. Das Verhalten etc. hat sich dann beim Schreiben entwickelt. Und ich hoffe sehr, dass ich es hingekriegt habe.

Juvia-PoV, weil ich mich an den PoV von Fem!Gray echt noch nicht ran getraut hätte - und weil Juvia trotz der vielen Pairs, die ich schon mit ihr hatte, irgendwie bisher nur selten einen PoV abgekriegt hat.

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Es tut mir wirklich Leid, dass es auch hier so lange kein Update mehr gegeben hat und leider kann ich auch nicht versprechen, dass der alte Updateplan jetzt wieder von Geltung sein wird. Ich versuche schon, wieder jede Woche etwas zu schaffen, aber das ist manchmal gar nicht so einfach u.u

Das Pair war... extrem kompliziert, insbesondere mit dem PoV. Ich hoffe, ich habe es nicht total verhauen und dass auch die Dinge klar rüber kommen, die Rogue sich selbst nicht eingestehen will. Und sorry, wenn es ein bisschen zu viel Tell statt Show ist, aber ich muss wieder rein kommen und F!Rogue ist bei mir irgendwie immer etwas wortkarg^^'

(btw: Ich weiß, dass er im Manga größtenteils offen aggressiv auftritt, aber meiner Meinung nach sind die Szenen im Manga da nur bedingt repräsentativ für seinen Charakter, da er sich in dem Moment ja auch in einer Extremsituation befindet und von seinen Erlebnissen bereits sehr, sehr weit getrieben worden ist. In einem Modern Time AU mit relativ normalem Hintergrund schätze ich F!Rogue eher als verschwiegen und immer-überlegen ein und als jemanden, der ganz allgemein so seine Schwierigkeiten mit dem Thema "Gefühle" hat. Deshalb diese Interpretation hier in der Szene.)

Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank im voraus für jeden Kommentar!
LG
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1. “Pull over. Let me drive for awhile.” (Gavia)

Die Straße war schnurgerade und menschenleer. Ein Weg ins Nichts. Ringsherum nur Felder auf schier unendlich vielen Hügeln, gelegentlich mal ein Baum oder ein Straßenschild. Die abzweigenden Straßen waren einspurig und meist nur durchgefahrene Sandwege, an deren Beginn immer eine kleine Überdachung mit selten mehr als einer Handvoll Briefkästen stand – wohl als Erleichterung für die Postboten gedacht, damit diese nicht in jede der kleinen Gemeinden fahren mussten. Die Häuseransammlungen selbst versteckten sich hinter den Hügeln, nur selten einmal war in der völligen Finsternis ein Licht zu erkennen, das auf so etwas wie Zivilisation schließen ließ.

Juvia kniff die Augen zusammen, um sich zu konzentrieren. Ihre Finger hatten sich um das Lenkrad verkrampft und ihr Rücken schmerzte. Wie lange sie schon hier saß und das gestohlene Auto durch die abgeschiedene Landschaft lenkte, wusste sie nicht. Die Uhr am Armaturenbrett stand schon seit Beginn ihrer Fahrt auf drei Uhr nachmittags. Es war noch nicht dunkel gewesen, als sie den Autoschlüssel aus der Jacke ihres bewusstlosen Onkels gefischt hatte, daran erinnerte sie sich noch. Die Ereignisse danach waren jedoch verschwommen. Startschwierigkeiten, eine rote Ampel, viel zu viele Kurven, ein Plattenweg im Wald. Schließlich diese lange Straße durch die Hügellandschaft.

„Fahr’ zur Seite. Ich übernehme für eine Weile.“

Vor lauter Schreck verriss Juvia das Lenkrad. Das Auto machte einen wilden Schlenker, welcher das Mädchen in seinem Sicherheitsgurt durchschüttelte. Mit einem heiseren Schrei trat Juvia auf die erstbeste Pedale, die sie erreichen konnte. Der Motor heulte auf und das Gefährt machte einen heftigen Satz.

„Das war das Gaspedal!“

„Das hat Juvia auch gemerkt!“

Panisch nahm Juvia ihren Fuß vom Gas und tastete nach dem Bremspedal. Sie versuchte, sanft zu bremsen, wirklich, aber sie wurde dennoch ordentlich durchgerüttelt. Als das Auto endlich stand, lehnte sie ihre Stirn zitternd gegen das Lenkrad und versuchte, wieder Luft zu kriegen.

„Das war schlimmer als jede Achterbahnfahrt, zu der du mich jemals überredet hast.“

Entrüstet drehte Juvia sich zu ihrem besten Freund herum. „Das ist das erste Mal, das Juvia ein Auto fährt! Sie würde gerne mal sehen, wie du das hinkriegst!“

„Pff! Sicher besser als du!“

In der Dunkelheit konnte Juvia kaum etwas vom Gesicht des Jungen sehen, aber sie wusste auch so, dass er auf seine typisch gehässige Art grinste. Jenes Grinsen, das viele glauben machte, Gajeel wäre einfach nur einer von diesen anderen prügelnden, ständig betrunkenen Jugendlichen, die durch die Straßen von Phantom Town zogen, Mülleimer demolierten, Straßenschilder beschmierten und sich an Hausecken erleichterten. Dabei hatte Gajeel nie etwas mit diesen Typen zu tun gehabt – abgesehen von dem einen mal, als er Juvia vor deren widerlichen Annäherungsversuchen gerettet hatte. Dennoch legte Gajeel es darauf an, brutal und kaltherzig zu wirken. So hatten es die meisten in Phantom Town gehalten.

Nur Juvia hatte sich nie davon täuschen lassen. Vor drei Jahren nicht, als sie nach dem Tod ihrer Eltern zu ihrem Onkel nach Phantom Town geschickt und in der Schule neben Gajeel platziert worden war – damals, als er zumindest gelegentlich noch dorthin gegangen war –, und heute erst recht nicht. Gajeel war gewiss nicht die Sanftmut in Person, aber er hatte einen guten Kern. Und das, obwohl gerade er es nicht leicht gehabt hatte. Mit einer Alkoholikerin als Mutter, die sich vor einem Jahr im Vollrausch vor einen Zug geworfen hatte, und einem Erzeuger, dessen Namen er nicht einmal kannte, war Gajeel viel zu früh auf sich allein gestellt gewesen. Das Leben hatte ihn dazu gezwungen, sich eine eisenharte Schale zu zulegen.

Auf einmal war Juvia froh, dass sie Gajeel nicht richtig sehen konnte. Es genügte, vage den hellen Verband an seiner Hand zu erkennen, damit Juvia sich schlecht fühlte. Immerhin war das ihre Schuld gewesen. Weil sie immer noch nicht mit dem Leben in Phantom Town zurecht gekommen war. Weil sie ihren Onkel mit ihrer Unfähigkeit, seinen Erwartungen zu entsprechen, verärgert hatte. Gajeel hatte sie davor bewahrt, verprügelt zu werden, aber dafür hatte er selbst einstecken müssen. Die Dinge waren… eskaliert.

Und jetzt waren sie hier. Zwei Siebzehnjährige. Ohne Schulabschluss, ohne Führerschein, ohne Geld. In einem gestohlenen Auto. Mitten im Nirgendwo. Hinter ihnen eine Heimat, in die sie Beide nie hinein gepasst hatten.

„Na los, steig’ aus und tausch’ den Platz mit mir“, knurrte Gajeel und stieß die Beifahrertür auf. Ein Schwall kühler Luft drang ins Innere des Wagens und erinnerte Juvia daran, dass sie nicht mehr als das bei sich hatten, was sie am Leibe trugen. Sie hatten sich keine Zeit genommen, um irgendetwas einzupacken. Im aufflackernden Innenlicht hatte Juvia zum Glück einen Vorwand, warum sie die Augen zukneifen musste. Das gab ihr zumindest ein paar Sekunden, um gegen die aufkommenden Tränen anzukämpfen.

„Nein, du kannst deine Hand gar nicht richtig bewegen. Lass’ Juvia weiter fahren“, sagte sie schließlich und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.

„Ha?! Du schläfst doch bald ein! Außerdem fährst du lausig.“

„Du bist genauso müde wie Juvia und du hast genauso wenig Ahnung vom Autofahren!“

„Wir müssen aber weiter“, knurrte Gajeel und zog finster die Augenbrauen zusammen. „Je schneller wir nach Crocus kommen, desto besser. Da können wir das Auto zurück lassen und abtauchen.“

„Wenn der Sprit überhaupt bis dahin reicht“, wagte Juvia endlich einzuwenden.

Sie verstand schon, warum Gajeel sich an diesen waghalsigen Plan klammerte. In Crocus studierte ihr gemeinsamer Freund Totomaru. Er konnte ihnen vielleicht irgendwie helfen. Eine andere Chance hatten sie nicht. Dabei hatten sie nicht einmal eine Adresse von Totomaru, geschweige denn eine Karte von Fiore, mit der sie nach Crocus finden konnten – zumal keiner von ihnen je gelernt hatte, eine Karte zu lesen.

„Wenn nicht, gehen wir eben zu Fuß weiter“, erwiderte Gajeel ruppig und zuckte mit den mächtigen Schultern. „Und jetzt steig’ endlich aus!“

„Nein, Juvia ist dafür, dass wir eine Pause machen, damit wir morgen früh weiter fahren können.“

„Dann erwischen sie uns noch!“

Erschrocken zuckte Juvia zusammen. Ihr Freund hatte schon immer ein hitziges Temperament und einen sehr kurzen Geduldsfaden gehabt, aber ihr gegenüber war er noch nie laut geworden. War er etwa wütend auf sie? Gab er ihr auch die Schuld an der Situation? Obwohl er damit Recht hätte, ließ der Gedanke Juvias Herz schwer werden.

„Scheiße!“

Mit einem frustrierten Schnaufen fuhr Gajeel sich durch die wilden Haare, ehe er die Autotür wieder zu zog. In der nun wieder herrschenden Dunkelheit klopfte er unbeholfen auf Juvias Oberarm – wahrscheinlich hatte er die Schulter treffen wollen.

„Dann lass’ uns halt eine Pause machen. Aber sobald es hell wird, fahren wir weiter. Fahr’ noch bis zu den Bäumen da hinten, damit wir wenigstens noch ein bisschen Deckung haben.“

Juvia erhob keinen Protest. Trotz des Friedensangebotes saß ihr die Angst vor Gajeels Ablehnung noch im Nacken, schon seit Stunden genährt von ihren Selbstvorwürfen. Aber sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie all das in Worte fassen sollte, also startete sie den Motor wieder.

Es brauchte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Wagen endlich dort stand, wo Gajeel ihn haben wollte. Mehrmals würgte Juvia den Motor ab und als sie es endlich geschafft hatte, standen ihr Tränen in den Augen. Wortlos, um sich nicht zu verraten, folgte sie Gajeels Beispiel und verstellte den Sitz. Im Gegensatz zu ihrem Freund war sie zum Glück klein genug, um sich in eine halbwegs liegende Position einrollen zu können, der Rücken Gajeel zugekehrt, nur zur Sicherheit, falls er morgen als Erster wach wurde.

„Juvia…“ Obwohl Gajeel für seine Verhältnisse ungewöhnlich leise und sanft sprach, als würde er eigentlich hoffen, dass sie schon schlief, klang seine Stimme im angespannten Schweigen laut. Wieder verkrampfte Juvia sich, wartete auf Vorwürfe oder einfach auf das Geständnis, dass Gajeel nicht mit ihr weiter reisen konnte und wollte. „Wenn die uns erwischen sollten… dann lauf’. Ich werde sie ablenken. Verstanden?“

In Juvias Kehle bildete sich ein Kloß und neue Tränen traten unter ihren geschlossenen Lidern hervor. Sie hatte keine Ahnung, woher diese ritterliche Anwandlung kam und womit sie das überhaupt verdient hatte, aber sie war dankbar darum. Auf einmal hatte sie das Gefühl, dass es doch nicht alles so hoffnungslos war. Dass sie und Gajeel es tatsächlich bis nach Crocus schaffen konnten, wenn sie nur zusammen hielten.

„Schläfst du schon?“

Jetzt flüsterte Gajeel richtig. Juvia konnte sich nicht erinnern, ihn jemals zuvor flüstern gehört zu haben. Seine tiefe Stimme hatte ein bislang unbekannte Nuance angenommen, welche etwas in ihr zum Klingen brachte, was ihr bisher noch gar nicht aufgefallen war. Ihr war warm und kribbelig zumute und ihr gingen mehrere mögliche Antworten durch den Kopf – aber letztendlich war sie zu überwältigt, um auch nur ein Wort über die Lippen zu kriegen.

„Na gut…“ Jetzt klang es doch wieder mehr nach dem typischen Brummen, aber selbst das entlockte Juvia ein Lächeln. „Bis morgen…“

Während Gajeel auf der Suche nach einer bequemen Position herumraschelte, wischte Juvia sich heimlich über die Augen und schob sich schließlich eine Hand unter den Kopf, um es selbst etwas bequemer zu haben.

Sie würde Gajeel eine ordentliche Antwort geben, das nahm sie sich fest vor. Und bis sie das endlich konnte, würde sie sich zusammen reißen und alles in ihrer Macht stehende dafür tun, damit sie es nach Crocus schaffen. Gemeinsam.

2. “It reminded me of you.” (Lyvia)

Der Topf mit der Blume stand auf einem Stapel Kartons, die mit zwei verschiedenen Handschriften mit Wohnzimmer beschriftet waren, umgeben von weiteren Stapeln, die sich so platzsparend wie möglich in eine Ecke des leeren Raumes schmiegten. Nur vage waren sie getrennt von anderen Kartonansammlungen, die mit Küche, Schlafzimmer und Bücher beschriftet waren, alles strategisch platziert wie bei einem Tetrisspiel. Dazwischen befanden sich immer wieder die großen Kartons mit noch nicht aufgebauten Möbeln, auseinander genommene alte Möbel oder Objekte, die nicht eingepackt werden konnten wie der Wäscheständer, ein riesiger Sitzsack, eine Stehlampe, ein Whiteboard, ein Globus, ein riesiger Nähkasten…

Es war das Chaos eines frischen Umzugs, die Fusion zweier Haushalte – so klein sie auch vorher gewesen waren –, plus einiger neu erstandener Extras. So gut geordnet es auch war, es war in seiner Gesamtheit doch überwältigend.

Inmitten all dessen hätte der Topf nicht auffallen sollen, aber er tat es doch. Er war bunt bemalt und glasiert, ein abstraktes Muster aus Schnörkeln mit Blau als Grundfarbe, groß genug für die hochwachsende Pflanze mit den großen Blättern, die entfernt an Eichenblätter erinnerten und den dicken Knospen, die nur zaghafte Öffnungen erkennen ließen.

Nur eine der Blüten war bereits richtig geöffnet und präsentierte ein Kunstwerk aus unzähligen winzig kleinen Blütenblättern, konzentrisch angeordnet, ohne tatsächlich symmetrisch zu wirken, jedes einzelne Blütenblatt in einer anderen wunderschönen Nuance von Blau.

Langsam legte Juvia die Tüte mit den Dönern, die sie auf dem Weg hierher besorgt hatte, auf einem alten Billigregal ab, zwischen dessen Böden eine beachtliche Ansammlung von Kissen und Kuscheldecken gequetscht worden war. Als Juvia heute Morgen – der allererste Morgen in ihrer gemeinsamen Wohnung! – zur Uni aufgebrochen war, war der Topf noch nicht da gewesen…

Sie schlängelte sich durch das Chaos hindurch und blieb direkt vor dem Kartonstapel mit dem Blumentopf stehen. Jetzt erkannte sie, dass er mit Bedacht dorthin gestellt worden war. Hier erreichte die Pflanze genügend Licht.

Ganz behutsam strich Juvia mit der Spitze ihres Zeigefingers über die geöffnete Blüte, genoss das samtig weiche Gefühl der zarten Blätter an ihrer Haut, bewunderte die vielen Blautöne. Von Nahem erkannte sie, dass sich einige Violettschimmer dazwischen gemogelt hatten.

„Sie hat mich an dich erinnert.“

Als Juvia sich herum drehte, erkannte sie im Türrahmen Lyon. Er trug eine dunkle Jeanshose, die schon bessere Tage gesehen hatte – an einem Knie war sie aufgerissen, eine der Gürtelschlaufen war kaputt und nun wurde sie auch noch von Farbklecksen verziert –, und ein schwarzes Muskelshirt mit ausgefranstem Saum und weiteren Farbklecksen. Auf der Wange war ein Streifen Farbe zu erkennen, den er wohl unbewusst breit geschmiert hatte. Seine Haare standen in alle Richtungen ab.

Es war ein ganz und gar ungewohnter Anblick, ein scharfer Kontrast zur sonstigen Perfektion, die Lyon selbst dann an den Tag legte, wenn er nicht Anzug und Krawatte für die Arbeit tragen musste, aber in Juvias Augen sah er dennoch umwerfend aus.

Das hatte sie schon vor vier Jahren gedacht, als sie ihm in dem kleinen Café, in dem sie damals gearbeitet hatte, zum ersten Mal einen Kaffee rüber gereicht hatte. Und seitdem war sie um kein Jota von dieser Meinung abgewichen: Lyon war der attraktivste, charmanteste und schlichtweg perfekteste Mann auf dem gesamten Planeten!

„An Juvia?“, fragte sie verwirrt und blickte zurück zu der wunderschönen Blume, die sie nicht benennen konnte.

Leider kannte sie sich bei weitem nicht so gut mit Pflanzen aus, wie sie gerne würde – dabei hätte sie sich gerne ein bisschen zur Balkonpflanzen belesen, weil sie sich so sehr auf die neue Wohnung mit dem großen Balkon gefreut hatte, aber auf der Zielgeraden hatte es viel mehr Probleme mit ihrer Masterarbeit und dem damit zusammenhängenden Papierkram gegeben, als sie eigentlich gedacht hätte.

Zu ihrem Unmut war genau dieser Papierkram auch der Grund gewesen, warum sie heute – an ihrem ersten Tag in der gemeinsamen Wohnung mit Lyon! – nicht beim Renovieren von Schlaf- und Arbeitszimmer hatte helfen können. Stattdessen war sie nämlich zum Studierendensekretariat gestiefelt und hatte dort sage und schreibe zwei Stunden lang gewartet, bis sie an der Reihe war, um das Problem mit ihrer angeblich verschwundenen Masterarbeit aus der Welt zu schaffen. Die hatte sie vor einer Woche extra per Einschreiben losgeschickt, aber irgendwie war das Kuvert mit den drei Exemplaren abhanden gekommen.

Nach einer langen Diskussion hatte Juvia, die glücklicherweise einen USB-Stick mit der Arbeit dabei gehabt hatte – ein Ratschlag von Lyon – zum naheliegenden Kopierraum gehen müssen, wo sie erst einmal eine halbe Stunde darauf gewartet hatte, dass eines der Geräte frei wurde, ehe sie gut und gerne eine weitere halbe Stunde damit zugebracht hatte, ihre Masterarbeit dreimal auszudrucken. Dann hatte sie die Nachmittagsöffnungszeit des Studierendensekretariats abwarten müssen – zu viel Zeit, um geduldig bleiben zu können, aber zu wenig Zeit, um wenigstens eine Weile hier helfen zu können.

Dabei hatte sie sich seit Wochen darauf gefreut, gemeinsam mit Lyon die Räume einzurichten, die sie fortan zusammen bewohnen würden. Sie hatte sogar davon geträumt, mit Lyon zu malern und wie schön es wäre, wenn er ihr einen Farbklecks von der Wange wischen und sie dann zärtlich küssen würde – denn er konnte so, so gut küssen!

Mit diesem umwerfenden Lächeln, bei dem Juvias Herz jedes Mal Purzelbäume schlug, zuckte Lyon mit den Schultern. „Ich habe sie im Baumarkt gesehen und musste gleich an dich denken. Gefallen sie dir?“

„Juvia liebt sie!“, antwortete die Blauhaarige enthusiastisch und beeilte sich, den Hindernisparcours durch das Wohnzimmer schnell hinter sich zu bringen, um die Arme um den Hals ihres Freundes schlingen und sich für einen Kuss strecken zu können. Ein warmes, brodelndes Gefühl machte sich in ihrem Inneren breit, als er einen Arm um ihre Taille schlang und die freie Hand in ihren Haaren vergrub.

Als sie sich wieder voneinander lösten, war Juvias Gesicht heiß vor Freude und auf Lyons Zügen zeichnete sich diese ganz besondere Weichheit ab, von der Juvia sich sicher war, dass sie sie als Einzige jemals zu Gesicht bekommen hatte.

„Es tut Juvia so schrecklich Leid, dass sie dir heute den ganzen Tag nicht helfen konnte!“, flüsterte sie.

„Das muss es nicht, es war nicht deine Schuld“, erwiderte Lyon sanft, fischte nach der Tüte mit den Dönern und zog Juvia sanft mit sich in den Flur. „Und ich habe mein Versprechen gehalten und nur das Arbeitszimmer eingerichtet und die Küche neu gestrichen und Tisch und Stühle eingeräumt. Um das Schlafzimmer können wir uns morgen gemeinsam kümmern.“

„Juvia freut sich schon darauf!“, versicherte sie begeistert.

Als sie sich mit Lyon am Küchentisch nieder ließ und begann, ihren eigenen Döner auszupacken, konnte Juvia nicht mehr aufhören zu lächeln. Nach einem halben Jahr Wohnungssuche, Planung, Masterarbeitsstress, Jobsuche und schließlich Umzugsstress war sie nun endlich dort angekommen, wovon sie schon vor vier Jahren heimlich geträumt hatte, nachdem der attraktive Weißhaarige mit dem charmanten Lächeln ihr ein viel zu großzügiges Trinkgeld gegeben und das Café wieder verlassen hatte:

Eine gemeinsame Wohnung mit dem Mann ihrer Träume!

3. “No, no, it’s my treat.” (Lyredy)

Nachdem Juvia ihr verkündet hatte, dass sie für sie ein Blind Date organisiert hatte, hatte Meredy mit dem Schlimmsten gerechnet. So gut das bei Juvia auch geklappt haben mochte, Meredy hatte damit nur schlechte Erfahrungen gemacht.

Angefangen bei den Irren mit den blonden Haaren und den roten Augen, der Meredy den ganzen Abend angesehen hatte, als würde er sie gleich fressen wollen – sie hatte sich noch vor der Vorspeise entschuldigt, dass sie auf die Toilette müsste, und hatte dann die Flucht ergriffen. Über allerlei langweilige Typen, die nur auf Meredys dezenten Ausschnitt starrten oder versuchten, irgendetwas zu kompensieren, indem sie sich besonders spendabel zeigten – Meredy hatte jedes Mal ihre Hälfte der Rechnung mit einem großzügigen Trinkgeld auf den Tisch gelegt, bevor ihr Gegenüber die goldene Kreditkarte zücken konnte. Dann war da dieser eine Pedant gewesen, der auf den Jewel genau ihre Anteile an der Rechnung ausgerechnet hatte. Und zuletzt dieser nach zu viel Rasierwasser stinkende Schmierlappen mit den blauen Haaren und dem grellen Lächeln, der Meredy beim Verlassen des Restaurants die Hand auf den Hintern gelegt hatte…

Meredy hatte wirklich schon mehr als genug durch in der Hinsicht und sie hatte sich schon mehr als einmal geschworen, sich auf kein Blind Date mehr einzulassen, aber zu ihrem Leidwesen hatte sie allerlei Freundinnen, deren größtes Hobby es war, Meredy unter die Haube kriegen zu wollen.

Lucys und Juvias Enthusiasmus wurde dabei nur noch von Urtears übertroffen. Dabei war gerade Meredys Ziehschwester ein Single, wie er im Buche stand. Sie müsste sich eigentlich nur noch eine Katze anschaffen, dann wäre das Klischee perfekt. Und dennoch schien sie ein beinahe grausames Vergnügen daran zu haben, Meredy bei allen möglichen Partnersuchbörsen anzumelden. Vielleicht hatte sie sogar die Wahrheit gesagt, als sie mal meinte, dass sie es als psychologisch-statistisches Experiment betrachten würde.

Nach dem Hinterngrabscher vor einem Monat hatte Meredy jedoch ein Machtwort gesprochen – ein lautes Machtwort. Und ihre Freunde hatten sie in Ruhe gelassen. Einen herrlichen Monat lang hatte Meredy einfach nur in ihrer Wohnung herum gegammelt, hatte sich in Jogginghose und XXL-Pullover in ihr knuddeliges Sofa gekuschelt und ein Buch nach dem nächsten verschlungen, unterbrochen nur von ihrem Nebenjob in der Universitätsbibliothek. So stellte sie sich die vorlesungsfreie Zeit vor!

Sie brauchte keinen Freund. Ja, sie hatte zehn Jahre lang für ihren älteren Waisenhausbruder geschwärmt. Ja, es hatte ihr das Herz gebrochen, als er sie zu seiner Hochzeit eingeladen hatte und das ausgerechnet an dem Tag, als sie ihm endlich ihre Gefühle hatte gestehen wollen. Ja, sie hatte sich danach mit einem ungesunden Feuereifer in ihr Studium gestürzt. Aber sie war darüber hinweg. Sie brauchte keine Beziehung zum Glücklichsein.

Leider war Juvia da immer noch anderer Meinung. Sie hatte regelrecht Telefonterror bei Meredy gemacht und als diese ihr Handy ausgeschaltet und den Stecker ihres Festnetztelefons gezogen hatte, hatte sie Meredys Wohnung belagert, wild entschlossen, Meredy zu diesem Blind Date mit dem Adoptivbruder ihres Freundes zu überreden, der von seinem Überseestudium zurück gekommen war. Aus reiner Genervtheit hatte Meredy schließlich aufgegeben und sich für das Date fertig gemacht. Wenn es wieder in die Hose ging, konnte sie Juvia zumindest sagen Ich hab’s dir ja gesagt, hatte sie sich selbst getröstet.

Aber sie war mehr als positiv überrascht worden. Der Überseestudent – als Lyon hatte er sich vorgestellt – hatte im Restaurant bereits auf Meredy gewartet, obwohl sie selbst fünf Minuten zu früh dran gewesen war, und war zur Begrüßung aufgestanden. Er hatte sich nicht sonderlich heraus geputzt, nur schwarze Jeans und ein blaues Hemd, die weißen Haare verwegen gestylt, wobei ihm eine Ponysträhne linksseitig in die Stirn fiel. Abgesehen vom Hemd hätte man nicht erahnen können, dass er sich besonders auf das Date vorbereitet hätte. Und er hatte keine Wolke aus Rasierwasser spazieren getragen. Der erste Eindruck war also definitiv ein guter gewesen.

Mit einem Lächeln, für das man eigentlich einen Waffenschein bräuchte, hatte er Meredys Hand zur Begrüßung geschüttelt und ihr direkt in die Augen geblickt. Nicht auf ihren Busen und auch nicht auf ihre Lippen, sondern in ihre Augen. Sein Händedruck war fest, aber nicht grob gewesen. Keiner von diesen wabbeligen Drückern, bei denen es sich anfühlte, als würde man einen Waschlappen schütteln. Er hatte Meredy den Stuhl zurecht gerückt und sich ihr gegenüber nieder gelassen.

Endgültig das Eis gebrochen hatte er, als er ihr gestanden hatte, dass sein Adoptivbruder ihn zu diesem Date gezwungen hätte – anscheinend gab es da eine peinliche Studentenpartygeschichte, von der die Eltern lieber nichts erfahren sollten – und dass er keine Erwartungen habe, nur die Hoffnung auf ein angenehmes Essen und eine angeregte Unterhaltung. Und unterhalten konnte man sich wirklich gut mit ihm. Er war der Erste, der sich für Meredys Studium interessierte, und kein einziges Mal glitt sein Blick von Meredys Gesicht ab in tiefere Gefilde. Auf ihre Nachfrage hin erzählte er lebhaft von seinem Studium und seiner ehrenamtlichen Arbeit bei Lamia Scale, einem Verein, der versuchte, Kindern zu helfen, die von ihren Eltern vernachlässigt wurden.

Die Zeit war wie im Flug vergangen. Vorspeise, Hauptgericht und Dessert waren an ihnen vorbei gezogen und hatten ihren Gesprächsfluss kaum unterbrechen können und Meredy war nicht einmal der Gedanke gekommen, zu protestieren, als Lyon beim Abräumen der Dessertschalen eine weitere Flasche Weißwein bestellt hatte.

Erst ein dezentes Räuspern ließ sie Beide aufblicken. Neben ihrem Tisch stand der Kellner mit einem verlegenen Lächeln. „Bitte verzeihen Sie, aber wir haben eigentlich seit einer Viertelstunde geschlossen.“

Überrascht blickte Meredy sich um. Tatsächlich waren alle Tische leer und bereits abgeräumt. An der Bar stand ein zweiter Kellner mit einem Wischmob bereit, während er amüsiert grinsend zu ihnen hinüber blickte. Meredys Blick huschte zu ihrer Armbanduhr. War sie tatsächlich schon seit vier Stunden mit Lyon hier?!

„Entschuldigen Sie, wir haben gar nicht auf die Zeit geachtet“, sagte Lyon und stand auf, wobei er seine Geldbörse zückte.

Als Meredy nach ihrer Handtasche angelte und ebenfalls aufstand, schüttelte Lyon mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf und schenkte ihr sein bislang charmantestes Lächeln und einen Blick, der ihr unter die Haut ging. „Nein, nein, das geht auf meine Rechnung.“

Die Worte waren das reinste Klischee, voller Selbstüberzeugung und mit einem Versprechen auf weitere Treffen unterlegt. Genau das, was Meredy bisher immer abgestoßen und erst recht dazu angestachelt hatte, ihren Anteil an der Rechnung alleine zu bezahlen.

Doch noch immer sah Lyon ihr tief in die Augen. In seinen eigenen Augen lag ein gewisses Funkeln. Meredy war wie gefangen davon und nahm nur am Rande das verräterische Mundwinkelzucken beim Kellner wahr. Etwas an Lyons Blick verursachte ein warmes, kribbelndes Gefühl in ihrem Inneren und ihr wurde klar, dass sie ein weiteres Treffen wollte. Sie wollte mehr über Lyon erfahren, wollte ihm mehr von sich erzählen, wollte ihn wieder sehen und vielleicht…

„In Ordnung...“

Ja, vielleicht…

4. “Come here. Let me fix it.” (Gajeevy)

Brummend blickte Gajeel auf seine Matheaufgaben hinunter und wünschte gedanklich die Berufsschule einmal mehr zum Teufel. Er konnte einen Motor beinahe mit verbundenen Augen auseinandernehmen und wieder zusammen setzen, aber diese ganze staubtrockene Theorie ging ihm einfach auf die Nerven! Insbesondere, da sie noch nicht einmal direkt auf seine Ausbildung zugeschnitten war. Was brachte es ihm, diese Gleichungen aufzulösen, die rein gar nichts mit Bau und Funktionsweise eines Autos zu tun hatten?

Sein Ausbilder Pantherlily hatte Verständnis für dieses Problem, aber dummerweise konnte er sich nicht über die bestehenden Regeln hinweg setzen. Wenn Gajeel die Theorieprüfungen vergeigte, war es das mit der Ausbildung. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als es irgendwie zu schaffen, alle Prüfungen wenigstens zu bestehen.

Mit Fiore und Bosco kam er dabei noch leidlich durch – da einer seiner besten Freunde noch immer fließend Bosco beherrschte, konnte er sich von ihm helfen lassen, seine eigenen eingerosteten Bosco-Kenntnisse aufzufrischen – und Technik lag ihm sogar. Aber Mathe war schon in der Schule seine große Schwäche gewesen. Die Abschlussprüfungen hatte er nur mit Ach und Krach bestanden. Wenn er vorher nicht schon ein ganzes Jahr lang bei Pantherlily gejobbt hätte, hätte der ihm auf Grundlage seines Zeugnisses wohl kaum einen Ausbildungsplatz geben können.

An der Berufsschule hatte Gajeel das alles zunächst noch schleifen lassen, aber mit den bevorstehenden Zwischenprüfungen hatte Pantherlily ihm dann doch ermahnend auf die Finger geklopft, dass er sich besser vorbereiten sollte.

Deshalb saß Gajeel jetzt hier im Park in einer ruhigen Ecke und nutzte die letzten Minuten vor der Ankunft seiner Freundin, um noch ein paar Aufgaben zu lösen. Erschwert wurde das Ganze allerdings dadurch, dass er immer wieder aufblickte und sich vergewisserte, ob Levy noch nicht im Anmarsch war.

Wahrscheinlich wäre Levy die beste Wahl, wenn er jemanden um Hilfe bitten wollte, aber Gajeel weigerte sich, das bisschen an gemeinsamer Zeit, die sie hatten, für Mathe zu opfern. Mit ihrem Informatikstudium und ihrem Job als Studentische Hilfskraft für Professor Gran Doma war Levy bereits mehr als ausgelastet. Sie blühte unter diesem Arbeitsdruck auf wie eine Blume, die endlich genug Licht bekam – ein Vergleich, den Gajeel nur ziehen konnte, weil seine beste Freundin und Nachbarin ihn vor einer Weile mal wegen seiner Zimmerpflanzen belehrt hatte, sehr energisch und sehr ausführlich, sodass sogar bei ihm etwas hängen geblieben war. Aber Gajeel war der Meinung, dass Levy ruhig auch mal etwas machen konnte, was rein gar nichts mit Informatik zu tun hatte.

Ganz zu schweigen davon, dass er nicht an Mathe denken wollte, wenn er endlich einmal Zeit mit seiner Freundin verbringen konnte. Immerhin hatte er sich lange genug blöd angestellt und war erst einen Monat vor dem Schulabschluss mit Levy zusammen gekommen – und das auch eher, weil Juvia es geschafft hatte, ihn zu einem Geständnis zu verleiten, während Levy in Hörweite gewesen war. Mit Ausbildung und Studium jeweils am anderen Ende der Stadt hatten sie weniger Zeit füreinander, als es Gajeel lieb war. Und Emails und Anrufe fühlten sich für ihn immer krampfig an, damit kam er nicht zurecht.

Als jemand ihm mit dem Zeigefinger gegen die Stirn tippte, blickte Gajeel überrascht auf und in ein Paar großer, brauner Augen, in denen ein keckes Funkeln lag. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie Levy sich ihm genähert hatte.

„Du kannst ja tatsächlich mal Hausaufgaben machen“, neckte sie ihn mit dieser frechen Note, die sie erst so nach und nach entwickelt hatte, seit sie einander vor vier Jahren kennen gelernt hatten.

„Hatte Langeweile“, knurrte er, um über seine Verlegenheit hinweg zu täuschen, und schlug hastig das Mathebuch mitsamt dem darin liegenden Schreiblock und dem Bleistift zu, um es dann achtlos beiseite zu legen und Levy in seine Arme zu ziehen.

Kichernd ließ sie sich das gefallen und machte es sich zwischen seinen gespreizten Beinen bequem, um ihn mit einem zarten Kuss zu begrüßen. So ließ Gajeel sich das gerne gefallen. Er brummelte zufrieden gegen die weichen Lippen und ließ bald mehr aus der simplen Berührung werden. Immerhin waren sie allein hier. Es bestand keine Gefahr, dass sein Vater sie plötzlich überraschte, wie das beim letzten Mal passiert war, als sie in seinem Zimmer miteinander beschäftigt gewesen waren, und er wusste zum Glück auch mit völliger Sicherheit, dass Juvia heute ein Date mit Gray hatte – damit hatte sie ihm immerhin schon seit drei Tagen in den Ohren gelegen.

Als sie endlich voneinander abließen, lehnte Levy sich mit dem Rücken gegen seine Brust und er schlang die Arme um ihren Bauch, um sie noch etwas näher an sich zu ziehen und davon abzulenken, wie er heimlich an ihren Haaren schnupperte. Er mochte Levys dezent blumiges Shampoo. Es kitzelte ganz leicht in seiner Nase – eine Empfindung, die sehr gut zu der Wirkung passte, die Levy im Allgemeinen auf ihn hatte.

Allerdings wurde der Frieden gestört, als Levy sich über seinen Oberschenkel lehnte und nach seinem Mathebuch griff. Bevor er protestieren konnte, hatte sie bereits die Schwarte aufgeschlagen und damit das Desaster offenbart, das seine Hausaufgaben darstellten.

„Ach du…“

Levys Ausruf erstarb auf ihren Lippen, als Gajeel um sie herum griff und das Buch wieder schloss, um es aus ihrer Reichweite zu bringen. Sie drehte sich und richtete sich auf den Knien auf, aber selbst in dieser Position kam sie nicht an das Buch und die katastrophalen Hausaufgaben heran.

„Warum hast du denn nicht Bescheid gesagt, dass du Hilfe brauchst?“

„Weil halt“, knurrte Gajeel und zog ernsthaft in Erwägung, das Buch einfach fortzuwerfen. „Ich will mich mit dir nicht über Mathe unterhalten.“

Empört blies Levy die Wangen auf. „Also willst du mich stattdessen immer nur ins Bett kriegen?“

„Das hast du gesagt“, schnaubte er.

„Blödmann!“, schimpfte seine Freundin und warf sich zu seiner Überraschung auf ihn.

Sie schafft es tatsächlich, ihm das Buch zu entreißen und es wieder aufzuschlagen, ehe sie an seinen Haaren zog. „Komm’ her. Ich bringe das in Ordnung. Pass’ auf und frag’ mich, wenn du etwas nicht verstehst, dann lösen wir die Aufgaben schnell. Danach haben wir immer noch Zeit für andere Sachen.“

„Du bist aber nicht meine Nachhilfelehrerin.“

„Jetzt schon“, war die trotzige Antwort und bevor Gajeel weiter protestieren konnte, begann Levy bereits, seine Versuche, die Aufgaben selbst zu lösen, mit Anmerkungen zu versehen, während sie ihm gleichzeitig erklärte, was er wann wo wie falsch gemacht hatte. Verdutzt folgte er ihren Ausführungen. Das hier hatte doch ein Date werden sollen, keine Nachhilfestunde!

Als Levy ihm das Buch auf die Stirn schlug, blinzelte er verwirrt. Streng funkelte sie ihn an, aber einer ihrer Mundwinkel zuckte verräterisch. „Du sollst aufpassen, Gajeel, dann verstehst du es auch. Je schneller wir fertig sind, desto eher können wir etwas anderes machen.“

„Können wir das nicht gleich machen?“, brummte er unwillig und wollte die Arme um Levys Taille schlingen, aber sie zwickte ihm ermahnend in die Seite und schüttelte streng den Kopf.

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, erklärte sie rigoros, aber Gajeel könnte schwören, dass seine Freundin ihm verschwörerisch zuzwinkerte.

5. “I’ll walk you home.” (Gray-Lucy-Juvia)

Amüsiert blickte Lucy auf ihre albern kichernde Freundin hinunter, die sich mit einer Hand an ihren Arm klammerte, während sie mit der anderen versuchte, in ihre Winterstiefel zu kommen. Als es ihr endlich gelungen war, den Fuß in den rechten Schuh zu schieben, pfriemelte sie am seitlich angebrachten Reißverschluss herum, doch schon nach wenigen Zentimetern verhakte er sich mit dem schwarz-blau-gestreiften Strumpf. Noch immer nur mit einer Hand versuchte Juvia, den Strumpf wieder zu befreien, aber es war ein hoffnungsloses Unterfangen, wenn man nebenbei immer noch herum kicherte.

Schließlich ließ Juvia doch Lucys Arm los, um mit beiden Händen am Reißverschluss herum zu fummeln. Gerade noch rechtzeitig konnte Lucy die schmalen Schultern der Blauhaarigen festhalten, bevor diese umkippte.

„Ich habe dir gleich gesagt, dass du nicht so viel trinken sollst“, schalt Lucy schmunzelnd und ging ebenfalls in die Knie, um ihrer Freundin zu helfen.

Im Grunde war sie hierauf schon vorbereitet gewesen, als sie gesehen hatte, dass Lyon und Meredy für die Silvesterfeier eine eigene Bowle gemischt hatten. Sonst war Juvia vernünftig genug, die Finger von Alkohol zu lassen, da sie ja schon nach einer Flasche Bier ordentlich angesäuselt war, aber sie konnte einfach nie die Finger von Meredys Bowle lassen. Aber einmal im Jahr, hatte Lucy sich gedacht und ihre Freundin zum Topf mit der Bowle ziehen lassen, konnte Juvia sich ruhig etwas gönnen.

„Aber die Bowle war so gut“, erwiderte Juvia mit einer Ernsthaftigkeit, als würde es um ein ausgesprochen wichtiges Thema gehen. Erstaunlicherweise lallte sie noch nicht einmal. Ihre Art der Trunkenheit äußerte sich eher in Gleichgewichtsstörungen und Kicheranfällen – und in einer anregenden Hemmungslosigkeit in horizontalen Gefilden.

Seufzend half Lucy ihr auch in den anderen Stiefel und wickelte ihr danach den Schal vernünftig um den zierlichen Hals, ein selbst gestrickter, roter Schal mit einem weißen J. An Lucys Hals schmiegte sich ein ähnlicher Schal mit dem Buchstaben L und in Blau. Juvia liebte es, im Partnerlook zu gehen und im Kleinen wie im Großen bereitete Lucy ihr gerne solche Freuden, solange es nicht über die Strenge schlug.

„Guck’ nicht so böse, Juvia wird sich auch nie wieder betrinken.“

„Das hast du letztes Silvester auch schon gesagt“, stellte Lucy fest und gab Juvia einen sanften Kuss auf die Stirn.

Die schlanken, sehnigen Arme der Blauhaarigen schlangen sich überraschend fest um Lucys Taille und ihre Körper schmiegten sich ganz automatisch aneinander. Lucy ließ sich dazu hinreißen, den Kopf zu senken, um Juvias Lippen zu suchen. Als könnte diese ihre Gedanken lesen, kam sie ihr auf halber Strecke entgegen und sie küssten einander lange und gefühlvoll. Juvia schmeckte intensiv nach Bowle, aber es war kein unangenehmer Geschmack. Lucy hatte sich ja selbst auch zwei Gläser davon gegönnt.

Als ihre Zungen einander begegneten, stieß Juvia ein Seufzen aus, beim dem Lucy ein angenehmer Schauder den Rücken herunter lief. Ganz unwillkürlich drückte Lucy sie noch enger an sich und genoss die Verschmelzung ihrer Lippen und Zungen in vollen Zügen, völlig vergessend, dass sie hier in Lyons und Meredys Flur standen.

Erst ein vernehmliches Räuspern ließ sie den Kuss beenden und zur Seite blicken. In der Tür zum Wohnzimmer stand Gray. Seine Haare waren ob der wilden Feier noch wirrer als sonst und hingen ihm verwegen in das attraktive, kantige Gesicht. Um seine Lippen lag ein mürrischer Zug, aber der zarte Rothauch auf seinen Wangen verriet ihn genauso wie sein unsteter Blick, der nicht so recht zu wissen schien, auf welche der beiden jungen Frauen er sich konzentrieren sollte.

Lucy spürte Juvias sehnsüchtiges Seufzen eher, als dass sie es hörte, und sie musste ein Lächeln unterdrücken. Ihr war nur zu deutlich bewusst, dass ihre Freundin eine Schwäche für den Schwarzhaarigen hatte. Die hatte Juvia schon gehabt, als sie und Lucy zusammen gekommen waren, aber Gray, dieser Trotzkopf, hatte lieber immer so getan, als würde er nichts bemerken. Genau diese Sturheit war einer der Charakterzüge, die Lucy selbst so anziehend an Gray fand. Das hatte sie seit jeher so angezogen und sie hatte nicht damit gegeizt, gewisse Signale auszusenden, die jedoch genauso übergangen worden waren.

Also hatte Lucy keine Hemmungen gehabt, Juvias Angebot anzunehmen, als diese sie letztes Silvester zu sich in die Wohnung gezogen hatte. Sie hatte es genossen, der Blauhaarigen endlich so nahe zu kommen und sie war geduldig geblieben, als Juvia mit ihren scheinbar widersprüchlichen Gefühlen für Gray und Lucy gehadert hatte. Mittlerweile waren sie sich einig darüber, was sie Beide wollten – oder vielmehr wen.

„Wie lange stehst du da schon?“, fragte Lucy grinsend und drehte sich mit Juvia zu Gray herum, einen Arm um deren Taille geschlungen. Sie bemerkte, wie Grays Blick lange an ihrer Hand auf Juvias Taille haftete und wie sich seine Hände in den Hosentaschen zu Fäusten ballten.

Wie es nun einmal seine Art war, überging Gray die verfängliche Frage und schob trotzig das Kinn nach vorn. „Wollt ihr wirklich jetzt noch nach Hause laufen?“

„Es ist drei Uhr morgens, da sind nicht mehr so viele Nachtschwärmer unterwegs“, erwiderte Lucy entspannt und zog Juvia mit zur Tür. „Außerdem haben Lyon und Meredy nicht unbegrenzt Platz – oder willst du deine Luftmatratze mit uns teilen?“

Bei der Vorstellung erzitterte Juvia in Lucys Armen und Grays Gesicht wurde verräterisch rot. Wenn Lucy ehrlich war, fände sie den Gedanken selbst sehr anregend, wenn es nur nicht um eine Luftmatratze ginge – sie hasste Camping und alles, was nur irgendwie damit in Verbindung gebracht werden konnte.

Da Gray keinerlei Anstalten machte, sich zu bewegen oder etwas zu sagen, öffnete Lucy die Tür. Ein Schwall eisiger Luft kam ihr entgegen und vertrieb ihre triebhaften Gedanken. Wieder einmal war Gray zu gehemmt oder zu stur oder was auch immer. Schade, aber letztendlich war es vor allem sein Schaden.

„Juvia wünscht dir eine gute Nacht, Gray-sama“, ließ Juvia sich noch schüchtern vernehmen, dann traten sie gemeinsam durch die Tür.

In der Ferne waren immer noch einige Raketen zu sehen und Böller zu hören. Irgendwo am Ende der Straße grölte jemand ein unflätiges Lied und Lucy war froh, dass sie und Juvia in die andere Richtung mussten und es sowieso nicht weit hatten.

„Wartet!“

Überrascht drehten sie sich gemeinsam um und blickten Gray entgegen, der in seine Winterschuhe geschlüpft war und nun im Laufen den Reißverschluss seines Parkas schloss. Seine Wangen waren noch dunkler und er mied es, den beiden jungen Frauen in die Augen zu blicken.

„Ich bringe euch nach Hause“, nuschelte er.

Lucy tauschte einen aufgeregten Blick mit ihrer Freundin, deren große, blaue Augen klar und voller Vorfreude leuchteten. Lächelnd nickten sie einander zu und nahmen Gray in ihre Mitte, Juvia hakte sich zu seiner Rechten unter und klammerte sich mit einem glühenden Blick an seinen muskulösen Arm, während Lucy zu seiner Linken einen Arm um seine Hüfte gleiten ließ. Gray schien damit noch überfordert zu sein, aber als die Frauen sich in Bewegung setzten, hielt er entschlossen mit ihnen Schritt, und als Lucy zu seinem Gesicht hinauf blickte, vermeinte sie, auch in seinen dunklen Augen Vorfreude zu erkennen.

6. “Have a good day at work.” (Skandine)

Es war unmenschlich früh, als Skiadrums Wecker klingelte, aber er beeilte sich dennoch, ihn sofort auszuschalten und dann so leise wie irgend möglich aus dem Bett zu schlüpfen. Auf der anderen Seite des Bettes hörte er ein leises Rascheln und er hielt augenblicklich inne, blickte besorgt zu seiner Frau. Grandines weiße Haare lugten unter der Decke hervor, zersaust vom unruhigen Schlaf in der vergangenen Nacht, ansonsten war nichts von der Kinderärztin zu erkennen. Erst als er sicher sein konnte, dass sie sich nicht mehr bewegte, schlich er rückwärts aus dem Raum.

Im benachbarten Arbeitszimmer hatte er bereits seine Sachen für heute bereit gelegt, um seine Frau nicht über die Maßen lange zu stören. Sie gab es selten zu, aber Skiadrum wusste, dass sie sich in diesem späten Stadium erholen musste, wann immer sie die Gelegenheit dafür hatte. Also nahm er Rücksicht, wo auch immer er es konnte, wenn er schon nicht so oft für sie da sein konnte, wie er es eigentlich gerne würde.

Es wurmte ihn, dass er genau jetzt in so einer stressigen Phase stecken musste, aber er war als Staatsanwalt noch nicht lange genug beim Gerichtshof angestellt, um sich in der Hackordnung nach oben zu arbeiten. Selbst sein bester Freund Weißlogia hatte damit noch viel zu kämpfen, obwohl er sich – wahrscheinlich aus reiner Sturheit, um zu beweisen, dass auch ein alleinerziehender Vater Staatsanwalt werden konnte – doppelt und dreifach anstrengte.

Immer noch darum bemüht, jedweden Lärm zu vermeiden, nahm Skiadrum eine schnelle Dusche und zog sich dann an, ehe er mit seiner Aktenmappe in die Küche übersiedelte, um sich vor seinem Aufbruch einen Kaffee zu gönnen.

Auch wenn er es nicht guthieß, es überraschte ihn nicht, als er in die Küche kam und Grandine am Tisch sitzen sah, eine dampfende Kaffeetasse vor ihr auf dem Tisch, die sogar schon mit dem Henkel in Skiadrums Richtung gedreht worden war.

Sachte schüttelte Skiadrum den Kopf über das Gebaren seiner Frau, aber er griff die alte Diskussion nicht wieder auf. Seit sie zusammen lebten, war es zwischen ihnen eine allmorgendliche Tradition, den Tag mit einer Tasse Kaffee gemeinsam zu beginnen. Ein Relikt aus ihrer Studentenzeit, als sie sich jeden Morgen vor der ersten Veranstaltung am Campus mit ihren gemeinsamen Freunden getroffen hatten.

Unter den jetzigen Umständen wäre es Skiadrum eigentlich lieber gewesen, wenn seine Frau sich schonte und länger im Bett blieb, aber sie tat seine Sorgen jedes Mal mit einem beruhigenden Lächeln ab. Eigentlich wusste Skiadrum ja auch, dass er sich auf Grandines Vernunft verlassen konnte, aber es gehörte wohl einiges an Nervosität dazu, wenn man zum ersten Mal Vater wurde…

„Guten Morgen“, murmelte er, trat zum Tisch und drückte einen Kuss auf Grandines unordentlichen Scheitel, ehe er behutsam über ihren prallen Schwangerschaftsbauch strich.

Es waren nur noch zwei Wochen, dann würde er seine Tochter im Arm halten können. Er freute sich darauf, aber manchmal machten ihn die Fragen zu schaffen, ob er auch wirklich vorbereitet war. Das Kinderzimmer war – mit Weißlogias tatkräftiger Hilfe und einigen Dekorationsversuchen von Seiten Stings – vollständig eingerichtet, neben dem Bett im Schlafzimmer befand sich bereits eine Tasche mit all den Dingen, die Grandine im Krankenhaus brauchen würde, und in seiner Schreibtischschublade bei der Arbeit bewahrte er einen Elternratgeber auf, den Weißlogia ihm zugesteckt hatte mit dem Hinweis, nicht gleich das Kapitel mit den Kinderkrankheiten als Erstes zu lesen. Letztendlich hatte er dieses Kapitel der Vollständigkeit halber auch gelesen. Dreimal. So wie den Rest des Buches.

Dennoch blieb ihm die innere Gelassenheit seiner Frau fremd. Er machte sich immer noch viel zu viele Gedanken.

Grandines zierliche Hand auf seiner riss ihn aus seinen Gedanken und er blickte in das Gesicht seiner Frau, welche nun zu ihm hoch sah. Über ihre Lippen spielte ein verständnisvolles Lächeln, aber in ihren Augen konnte er keine Nervosität erkennen, nur reine Vorfreude.

Mit einem resignierten Seufzer beugte er sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe er sich ihr gegenüber auf dem Stuhl nieder ließ und seine Kaffeetasse ergriff. Er spürte Grandines Blick, während er trank, aber sie verlor kein Wort. Das hatte sie noch nie, wenn es um diese Angelegenheit ging. Stattdessen ließ sie heute wie sonst auch Taten sprechen: Der allmorgendliche Kaffee als Zeichen dafür, dass sie sich kräftig genug fühlte. Das sanfte Stupsen ihrer Füße gegen Skiadrums unter dem Küchentisch. Das unerschütterliche Lächeln, aufrichtig und voller Zuversicht...

Als er seine Kaffeetasse geleert und in die Spülmaschine gestellt hatte, wuchtete sie sich langsam in die Höhe, um ihn in den Flur zu begleiten. Geduldig sah sie ihm dabei zu, wie er sich die Schuhe zuband. Sobald er sich wieder aufgerichtet hatte, ergriff sie seine Krawatte und band sie neu.

Skiadrum konnte sich ein schiefes Lächeln nicht verkneifen. „Darin wirst du wohl immer besser als ich sein.“

In Grandines blauen Augen funkelte es schelmisch. Wahrscheinlich musste sie genau wie Skiadrum daran denken, wie sie ihm und Weißlogia vor vielen Jahren das Krawattenbinden beigebracht hatte, nachdem sie es sich einmal von ihrem Vater abgeguckt hatte, einen mittlerweile pensionierten Professor der Chemie.

Als Grandine sich nach vollendeter Arbeit auf die Zehenspitzen stellte, um die Handbreite Größenunterschied zwischen ihnen zu überbrücken, kam Skiadrum ihr bereitwillig entgegen. Mit einem Arm stützte er den Rücken seiner Frau, die andere Hand legte er an ihre Wange. Ihre Lippen waren weich und warm und erfüllten ihn mit einem unbeschreiblich tiefen Frieden.

Schließlich entglitt Grandine ihm wieder, zupfte noch einmal an seiner Krawatte und legte ihm dann mit einem schelmischen Lächeln beide Hände auf die Brust. „Hab’ einen guten Tag bei der Arbeit.“

Obwohl er innerlich noch immer die frühe Stunde verfluchte, obwohl er immer noch tausend und eine Sorge wegen des Kindes auf dem Herzen hatte und obwohl die Aussicht auf einen weiteren Tag mit der lästigen Hackordnung alles andere als rosig war, musste Skiadrum lächeln. Grandine wusste immer, wie sie ihm ein Lächeln entlocken konnte.

Schmunzelnd beugte er sich noch einmal zu ihr herunter und gab ihr einen weiteren Kuss, ehe er sich auf dem Weg zur Arbeit machte.

7. “I dreamt about you last night.” (Luvia)

„Juvia hat letzte Nacht von dir geträumt.“

Überrascht blickte Lucy von ihren Unterlagen auf, die sie über den halben Arbeitstisch ausgebreitet hatte. Ihre persönlichen Notizen, mehrere Stapel mit Kopien und noch mehr thematisch sortierte Stapel mit Büchern, die zu Lucys Leidwesen zum Präsenzbestand der Universitätsbibliothek gehörten, verteilten sich konzentrisch um sie und ihr Netbook herum. Ein vertrautes Bild, seit Lucy mit ihrer Masterarbeit begonnen hatte. Selbst in den schier unendlichen Weiten der Bibliothek war sie schon bekannt wie ein bunter Hund deswegen.

Neben ihr saß Juvia, eine dicke Balladensammlung im Schoß, aus der ein geflochtenes Band als Lesezeichen und ein Notizzettel herausragten, auf dem heute jedoch erstaunlich wenige Stichworte zu erkennen waren. Dabei war Juvia normalerweise sehr eifrig dabei, die boscanischen Balladen gründlich durchzugehen, um sich endlich für eine davon entscheiden zu können. Dabei hatte sie noch zwei Semester Zeit für ihre Masterarbeit, aber sie hatte mal gesagt, Lucys Arbeitseifer würde sie anspornen – ein Gedanke, der Lucy immer noch ein ums andere Mal verlegen machte.

Juvia hatte schon immer dieses Talent gehabt. Ein kurzer Satz von ihr reichte oft schon aus, um Lucy die Röte in die Wangen zu treiben und ihr Herz rasen zu lassen.

So wie heute.

Mit warmem Gesicht legte Lucy ihren Bleistift und das Lexikon beiseite und sah sich vorsorglich um, ob sich jemand in ihre ruhige Arbeitsecke am Ende der Literaturwissenschaftsabteilung verirrt hatte, ehe sie erneut Juvia musterte. Ihre langen, blauen Haare fluteten heute ungebändigt über ihre schmalen Schultern und über ihren delikaten Rücken. Im Licht der hereinfallenden Mittagssonne schimmerten sie beinahe überirdisch und luden geradezu dazu ein, mit den Fingern vorsichtig hindurch zu fahren. Juvias zierliche Finger hatten sich über der Balladensammlung miteinander verschränkt. Ihre Zeigefinger stupsten immer wieder nervös gegeneinander. Der Blick der großen, blauen Augen war auf das Buch gesenkt. Auf den blassen Wangen lag ein satter Rotschimmer und die Unterlippe glänzte verführerisch rosig, weil Juvia so viel darauf herum gekaut hatte.

„Von mir?“, durchbrach Lucy die Stille und wünschte sich, sie würde dabei nicht so verräterisch heiser klingen. Und vor allem weniger einfältig.

Himmel, wo war bloß ihre Coolness geblieben? In ihren anderen Beziehungen hatte sie schon ganz andere Sachen gehört und gesagt, ohne dass es ihr auch nur ansatzweise so viel Herzklopfen beschert hatte!

Lag es daran, dass sie das erste Mal mit einer Frau zusammen war? Oder daran, dass das mit ihr und Juvia noch so frisch war? Oder vielleicht auch nur daran, dass Juvia wahrscheinlich der beharrlichste Mensch war, den Lucy kannte?

Immerhin kannten sie einander schon seit fast vier Jahren, aber Lucy hatte Juvias offene Zuneigungsbekundungen immer auf Abstand gehalten, weil Juvia in ihrem Tutorium gesessen hatte. Nach dem Ende des ersten gemeinsamen Semesters hatte Lucy gedacht, Juvia würde sich in den folgenden Semestern andere Tutorien suchen, auch wenn sie insgeheim und ohne falsche Bescheidenheit gewusst hatte, dass die anderen Tutoren schlicht und einfach Flachpfeifen waren, die den jüngeren Studenten keine wirkliche Hilfe waren. Aber Juvia war wieder zu ihr gekommen in dem Wissen, dass Lucy sich auf nichts Tiefes einlassen würde, um nicht den Vorwurf der Bevorzugung aufkommen zu lassen. Drei Semester lang bis zu Lucys Bachelorsemester, in dem Lucy sich kein Tutorium mehr aufgebürdet hatte.

Selbst dann noch war es an Lucys Bedenken gescheitert. Ihr Auslandsjahr in Alvarez war schon fest geplant gewesen, die Genehmigungen, das Visum, die Unterkunft, die Anreise… Lucy hatte sich nicht in eine Fernbeziehung stürzen wollen, die über den halben Globus reichte, und schon wieder hatte Juvia darauf beharrt, nicht aufzugeben. Sie hatte den Kontakt immer aufrecht erhalten. Selbst mit elf Stunden Zeitverschiebung und ihrer eigenen Bachelorarbeit im Nacken.

Als Lucy endlich wieder in Fiore angekommen war, war Juvia bereits für ihr eigenes Auslandssemester in Bosco gewesen, aber sie hatte Lucy ein Päckchen hinterlassen, in dem sich für jeden einzelnen Tag dieses Semesters eine Karte mit einigen persönlichen Worten befunden hatte. Das Lesen dieser Karten war in dieser Zeit Lucys Tageshöhepunkt gewesen. Die jeweilige Karte des Tages hatte Lucy überallhin mitgenommen, einfach um etwas von Juvia bei sich zu haben.

Bei Juvias Heimkehr vor zwei Monaten war es Lucy gewesen, die den ersten Schritt gemacht hatte, und sie war jeden Tag dankbar darum. Nach all dem Warten und Zweifeln und Sehnen war es eine Wohltat, Juvia ungezwungen nahe sein zu können. Selbst als Lucy sich mit Feuereifer in ihre Masterarbeit gestürzt hatte, hatte Juvia sie mit demselben Feuereifer unterstützt und tat es noch immer. Manchmal hatte Lucy das Gefühl, dass Juvia viel mehr war, als sie eigentlich verdient hätte.

So wie heute…

„J-ja“, stammelte Juvia und stupste ihre Finger noch schneller aneinander, sodass sie manchmal aneinander vorbei gingen, und schielte zaghaft zu Lucy hoch. „Von deiner Begrüßung für Juvia, als sie aus Bosco zurück gekommen ist.“

Lucy spürte, wie die Hitze auf ihre Ohren übergriff. Sie hatte sich damals so sehr gefreut, Juvia endlich wieder zu sehen, dass sie Juvia mitten im Flughafengedränge und vor den Augen von Juvias Freunden und Familie geküsst hatte. Gajeel grinste immer noch jedes Mal fies, wenn Lucy ihm über den Weg lief. Warum dieser Grobian Juvias bester Freund war, würde Lucy wohl nie verstehen!

Unfähig, ein vernünftiges Wort zustande zu bringen, senkte Lucy den Blick auf ihre Unterlagen, ohne sie wirklich zu sehen. Aus irgendeinem Grund war sie auf einmal sehr nervös. Sie hatte das Gefühl, etwas sagen oder tun zu müssen, aber gleichzeitig war sie sicher, dass es keine Worte in überhaupt irgendeiner Sprache gab, die ihre Gefühle vernünftig übermitteln könnten.

Zierliche Finger schoben sich vorsichtig zwischen Lucys und verschränkten sich mit ihnen. Zum wiederholten Mal raubte es Lucy den Atem, wie perfekt ihre und Juvias Finger zusammen passten. Ihre Hände waren wie Puzzleteile, wie füreinander geschaffen. Ein Gedanke, der Lucy gleich noch mehr Herzklopfen bescherte.

„Das war der glücklichste Tag in Juvias Leben“, flüsterte Juvia heiser und drückte Lucys Hand.

Lucy hatte das wirklich nicht verdient. Dreieinhalb Jahre lang hatte sie diesen herzensguten Menschen auf Distanz gehalten, obwohl sie von Anfang an um Juvias Gefühle gewusst hatte – in der Hinsicht gehörte Juvia zu den ehrlichsten Menschen, denen Lucy jemals begegnet war –, und Juvia hatte dennoch nie aufgegeben und Lucy mit offenen Armen empfangen, als sie endlich bereit gewesen war. Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, so lange zu warten, bis Lucy endlich ihre Hemmungen über Bord werfen konnte. Juvia war einfach zu gut für diese Welt und für Lucy. Und dennoch wurde sie nie müde, mit Worten und Taten zu zeigen, dass sie niemand anderen als Lucy wollte…

Übervorsichtig sah Lucy sich noch einmal um, aber es war niemand in der Nähe. Die meisten Studenten genossen wohl lieber den schönen Frühlingsnachmittag draußen, statt in der muffigen Bibliothek herum zu sitzen – nur Juvia natürlich nicht, sie leistete Lucy schon seit Wochen jeden Tag hier Gesellschaft.

Als sie absolut sicher sein konnte, dass niemand stören konnte, richtete Lucy sich etwas auf und beugte sich zu Juvia hinüber. Ihre Finger übten zärtlichen Druck auf Juvias aus, der sofort seine Erwiderung fand, und als ihre Lippen Juvias trafen, schloss Lucy mit einem seligen Seufzen die Augen.

Egal ob sie Juvia verdient hatte oder nicht. Letztendlich war sie schlicht und herzergreifend glücklich, der eine besondere Mensch für Juvia zu sein…

8. “Take my seat.” (NaYu)

„Bist du dir sicher, dass ich dich nicht mit dem Auto abholen soll?“

Natsu verkniff sich ein genervtes Stöhnen. Seit Lucy im letzten Schwangerschaftstrimester war, war sie so vollgestopft mit Hormonen, dass sie alles und jeden bemutterte. Normalerweise war das lustig, insbesondere wenn der werdende Vater Opfer dieser Hormonschwankungen wurde – Grays Gesicht, als Lucy ihm einen Vortrag über vorsichtiges Fahren gehalten hatte, würde Natsu sein Leben lang nicht vergessen –, aber heute traf es zu Natsus Leidwesen ihn selbst. Beinahe bereute er, dass er Gray versprochen hatte, auf Lucy aufzupassen, während der wegen einer zweitägigen Messe in Crocus übernachten musste.

„Bleib’ Zuhause, Lu, die Bahn ist gleich da.“

„Aber mit Krücken in der Straßenbahn und dann auch noch in den Bus umsteigen…“

Lucy klang, als ginge es um eine Weltreise und nicht um eine Fahrt, die Natsu schon hunderte Male hinter sich gebracht hatte, seit seine beiden besten Freunde sich ein historisches Backsteinhaus am Stadtrand vom Erbe ihrer Eltern gekauft hatten. Immerhin war das ehemalige Bauernhaus, bei dessen Renovierung er so tatkräftig mit angepackt hatte, fast so etwas wie sein zweites Zuhause.

„Lu, ich habe mir nur den Fuß gebrochen und ich laufe schon seit zwei Wochen auf Krücken. Ich bin mit den Dingern garantiert immer noch schneller als Gray ohne.“

„Was heißt hier nur den Fuß gebrochen? Du kannst froh sein, dass er noch dran ist!“

Schon nach dem dritten Wort hielt Natsu sich das Handy vom Ohr, denn die Blondine am anderen Ende der Leitung schlug jetzt ihren besonders schrillen Tonfall ein, mit dem sie es schon im zweiten Trimester zur Meisterschaft gebracht hatte. Lucy war schon immer grandios darin gewesen, sich viel zu sehr aufzuregen – etwas, was Natsu nur allzu gerne noch etwas mehr angestachelt hatte –, aber seit sie schwanger war, hatte das noch ganz andere Dimensionen angenommen. Natsu schwankte diesbezüglich immer zwischen Schadenfreude in Bezug auf Gray und Sorge in Bezug auf seinen ungeborenen Patensohn.

„Ah, da kommt die Bahn! Lu, ich bin in einer Dreiviertelstunde bei dir. Bis dann!“

Ohne seiner Freundin eine weitere Chance zum Protestieren zu geben, beendete Natsu das Telefonat und schob sich das Handy in die Hosentasche, ehe er seine rechte Krücke wieder aufnahm, die er neben sich gegen die Wand gelehnt hatte, um telefonieren zu können.

Links und rechts von ihm drängten sich die Leute an die Türen der Straßenbahn, ohne sonderlich viel Rücksicht auf den jungen Mann in ihrer Mitte zu nehmen, der mit einem schweren Rucksack und einem dicken Gipsschuh samt Krücken ausgerüstet war. Zum Glück hatte Natsu schon genug Übung damit und hielt mit seinen Schultern mühelos dagegen, wenn er wieder geschubst wurde.

Nachdem alle Anderen eingestiegen waren, stemmte er sich in die Straßenbahn und sah sich nach einem freien Platz um. Es wäre schön, wenigstens einen sicheren Stehplatz zu haben, damit er sich anlehnen konnte, aber keiner machte für ihn Platz. Nicht verwunderlich, Natsu kannte das schon seit Jahren so mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln. Deshalb fuhr er normalerweise lieber mit dem Fahrrad zu Grays und Lucys Haus, aber das fiel momentan ja leider aus.

„Entschuldigung.“ Überrascht drehte Natsu sich nach rechts, wo eine junge Frau von einem Einzelplatz aufstand, ein Finger zwischen die Seiten ihres beängstigend dicken Buches geklemmt.

Sie war hübsch, war Natsus erster Gedanke. Klein und zierlich gebaut mit einem herzförmigen Gesicht und einer niedlichen Stupsnase. Ihre Augen waren groß und braun und ihre weißen Haare kurz. Eine Haarspange mit einer blauen Kunstblume steckte darin, eigentlich ein eher kindlicher Schmuck, aber er passte ausgesprochen gut zum Gesamtbild der Weißhaarigen.

Und sie hatte hübsche Lippen. Sie waren etwas schmal und ungeschminkt, nicht dieser typische Kussmund, den viele andere Frauen spazieren trugen. Nicht dass Natsu grundsätzlich ein Problem mit Lippenstift und all dem Kram hätte. Oft genug hatte er Lucy vor einem Date mit Gray versichern müssen, dass ihr Make up perfekt war – auch wenn er sich dabei jedes Mal gefragt hatte, warum sie nicht einfach Juvia und Meredy um Rat fragte –, und er hatte es auch immer ernst gemeint. Er hatte sich sogar gefreut, als Lucy fast ein Jahr nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters endlich wieder die Energie aufgebracht hatte, sich zu schminken. Aber diese junge Frau hier sah auch ohne all diesen Kram sehr hübsch aus und-

Natsu blinzelte verwirrt, als ihm bewusst wurde, dass sich die Lippen der Weißhaarigen bewegt hatten. Er war so in Gedanken gewesen, dass er sie zuerst nicht verstanden hatte und jetzt stand sie vor ihm und sah verlegen zwischen ihm und dem nun leeren Platz hin und her.

„Hä?“, brachte er hervor.

„Ich sagte: Nehmen Sie meinen Platz“, wiederholte die Weißhaarige und schien dabei nicht die Spur genervt oder ungeduldig. Ganz im Gegenteil, sie schien geradezu eine Ausgeburt von Geduld und Verständnis zu sein und wirkte eher sogar etwas verlegen.

„Ach, das geht schon“, winkte Natsu leichtsinnig ab. „Ich kann mit den Krü-“

Er wurde unterbrochen, als die Straßenbahn mit einem Ruck anfuhr. Um sich an einer der Stangen festhalten zu können, musste er die rechte Krücke fallen lassen.

Als die Fahrt ruhiger wurde, rieb er sich verlegen den Hinterkopf. „Das war Absicht.“

Die Mundwinkel der Weißhaarigen zuckten sachte – wie süß! Alle Anderen reagierten auf Natsus Possen meistens mit einem Augenrollen! – und sie bückte sich, um die Krücke aufzuheben, ehe sie wieder auf den Platz deutete.

„Bitte setzen Sie sich.“

Obwohl sie immer noch so sanft wirkte, spürte Natsu auch einen Hauch von Strenge bei ihr. Nicht diese beinahe mörderische Drohung, mit der Erza ihn und Gray immer bei der Stange hielt, oder die explosive Art von Lucy. Die Weißhaarige schien sich besser unter Kontrolle zu haben, aber in ihren braunen Augen machte ein störrisches Funkeln klar, dass sie sich nicht wieder hinsetzen würde.

Irgendwie fühlte Natsu sich davon weder eingeschüchtert wie bei Erza, noch herausgefordert wie bei Lucy, sondern er wollte sich fügen, einfach um ein noch schöneres Lächeln aus der jungen Frau heraus zu kitzeln. Aber das musste er natürlich richtig angehen.

„Unter zwei Bedingungen“, platzte es also aus ihm heraus.

Seine Krücke noch immer in der Hand, runzelte die junge Frau die Stirn. „Bedingungen?“

„Erstens darfst du mich nicht mehr siezen“, erklärte er freiheraus.

Ein wenig perplex nickte die Weißhaarige und trat noch etwas mehr beiseite, damit Natsu sich den Rucksack von den Schultern streifen und sich auf den Platz plumpsen lassen konnte. „Okay, und Ihre- ich meine deine zweite Bedingung?“

Natsu ließ den Rucksack zwischen seinen Beinen auf den Boden fallen und klemmte die ihm verbliebene Krücke zwischen sich und der Wand ein. Gerade wollte er auch mit der zweiten, ihm wieder übergebenen Krücke so verfahren, als es schon wieder durch die Bahn ruckte.

Ohne darüber nachzudenken, ließ er die Krücke Krücke sein und schlang einen Arm um die Taille der Weißhaarigen, um sie zu stabilisieren. Ihr Gesicht wurde krebsrot, aber gleichzeitig klammerte sich ihre freie Hand an seine Schulter. Der Druck ihrer zierlichen Finger hinterließ auch durch den Stoff seines offenen Hemdes und des darunter befindlichen T-Shirts ein angenehmes Kribbeln auf Natsus Haut.

„Das meinte ich eigentlich nicht mit der zweiten Bedingung, aber das ist auch gut“, lachte er, ohne die Weißhaarige loszulassen.

Beinahe könnte er schwören, dass Rauch aus ihren Ohren stieß, aber ihre Hand hob sich und schlug ihm verlegen auf die Schulter. „I-ich bin mir nicht sicher, o-ob ich die… die zweite Bedingung jetzt noch erfüllen will“, presste sie atemlos hervor.

Diese Mischung aus grenzenloser Verlegenheit und einer kecken Note war wirklich sehr ansprechend. Selbst als er nicht mehr lachte, konnte Natsu einfach nicht anders, als der Weißhaarigen sein breitestes Lächeln zu schenken.

„Zweitens will ich deinen Namen wissen. Oh, und mein Name ist Natsu. Natsu Dragneel.“

Er hielt ihr die Rechte zum Handschlag hoch.

Wieder löste die Weißhaarige ihre Hand von seiner Schulter und er bedauerte bereits den verringerten Kontakt, aber dann ergriff sie seine Hand. Ihre Haut war weicher, als er es sich vorgestellt hatte, und ihre Finger zitterten ein wenig, aber nach einigen Sekunden drückte sie seine Hand, sachte, aber resolut.

„Yukino“, sagte sie leise. Auf ihre schmalen Lippen schlich sich ein Lächeln, noch ein wenig wackelig vor Verlegenheit, aber dennoch unglaublich schön! „Ich heiße Yukino Aguria.“

9. “I saved a piece for you.” (Navia)

Seine Freunde waren bereits vollzählig, als Natsu den versteckten Winkel des Parks erreichte, und er verfluchte den Umstand, dass er diese blöde Vorlesungsklausur hatte nachschreiben müssen, nur weil der Prof ihn beim ersten Mal wegen einer Kette von Folgefehlern, die an und für sich aber richtig aufeinander aufgebaut hatten – er hatte halt nur beim ersten Fehler die Vorzeichen vertauscht, verdammt noch mal! –, hatte durchfallen lassen. Das hatte ihm den perfekten Start in die Semesterferien verdorben. Oller Hampelmann! Der hatte wahrscheinlich schon seit der Steinzeit keine Maschine mehr selbst gebaut!

Grummelnd hielt er auf die kunterbunte Gruppe zu. Gray und Lyon hatten sich mal wieder wegen irgendetwas in der Wolle, wahrscheinlich wussten sie selbst nicht mehr, weswegen. Sting und Lucy musizierten – Lucy hatte ihre Gitarre mitgebracht und Sting missbrauchte eine Ansammlung von Tupperdosen für die Percussion – und Erza versuchte, mitzusingen. Natürlich traute sich wie immer niemand, Erza darauf hinzuweisen, wie schief ihre Töne waren. Meredy spielte mit Jellal Schach, der es tunlichst vermied, in Richtung seiner Vielleicht-irgendwann-mal-wenn-er-sich-endlich-traute-Freundin zu blicken. Am fiesen Grinsen seiner Cousine erkannte Natsu, dass diese Jellal mal wieder mit Sticheleien zusetzte, immer die beste Methode, um ihn beim Schach zu schlagen. Das hieß, wenn man dieses langweilige Spiel denn überhaupt verstand. Ein bisschen abseits lagen Gajeel und Levy auf einer der Picknickdecken, Gajeel döste und Levy lehnte sich mit dem Rücken gegen seine angewinkelten Beine und las.

Neben Sting hatte Rogue seinen Laptop aufgeklappt und konzentrierte sich auf den Bildschirm, hatte damit aber offensichtlich seine liebe Mühe und Not, weil Sting sich zwischen den Trommelschlägen immer wieder zu ihm beugte und ihm Küsse auf Hals und Nacken drückte. Rogues Ohren waren bereits verräterisch rot wegen dieser offenen Zuneigungsbekundungen, aber er unternahm auch nichts, um Sting daran zu hindern. Frisch verliebte Turteltauben halt.

Die Erste, die Natsu allerdings bemerkte, war Juvia, welche auf der größten Picknickdecke saß und eine Mütze strickte, wenn Natsu das richtig erkannte. Sie blickte genau im richtigen Moment in seine Richtung und in ihrem Gesicht erblühte ein erfreutes Lächeln, welches Natsus Magen zu ein paar Purzelbäumen veranlasste. Auch nach einem halben Jahr noch hatte er sich nicht so ganz daran gewöhnt, wie süß sie war!

Dabei kannte er sie schon seit Ewigkeiten, sie gehörten schon seit dem vorletzten Schuljahr zum selben Freundeskreis und hatten seitdem allerlei Ausflüge miteinander unternommen. Sie hatte Natsu im letzten Schuljahr Nachhilfe in Bosco gegeben und dafür hatte er zumindest versucht, ihr Mathe beizubringen – leider erfolglos, denn er war zwar überraschend gut in Mathe, aber ein miserabler Lehrer. Sie hatten sich im ersten Studienjahr verschworen, um Gray und Lucy auf die Sprünge zu helfen, und hatten sich auch mehrmals einvernehmlich um die Beiden gekümmert, wenn deren Temperamente mal wieder übergeschäumt waren.

Irgendwann in all der Zeit hatte sich daraus eben mehr entwickelt. Natsu konnte bis heute nicht sagen, wann genau es passiert war, aber es hatte sich vollkommen natürlich angefühlt und keiner seiner Freunde hatte sich gewundert, als er das erste Mal mit Juvia Händchen gehalten hatte. Wobei ihn das nicht vor insgesamt fünf verschiedenen Predigten und noch sehr viel mehr Todesblicken bewahrt hatte.

Mit großen Schritten eilte er zu der Picknickdecke und ließ sich schließlich erleichtert neben seine Freundin plumpsen, um sie mit einem Kuss zu begrüßen und einen Arm um ihre schlanke Taille zu schlingen.

„Juvia hofft doch, dass es gut gelaufen ist?“, fragte die Blauhaarige und ließ ihre Handarbeit in ihren Schoß sinken.

„Ich habe die Rechnungen dieses Mal dreimal überprüft“, brummelte Natsu und ließ den Blick über die Picknickdecke schweifen, auf der Taschen, Bücher und alle möglichen Transportbehälter für Lebensmittel verstreut herumlagen, während sich daneben ein Haufen Schuhe auftürmte, dem Natsu seine eigenen Flipflops hinzugefügt hatte.

Er verzog das Gesicht, als er sah, dass es kaum noch etwas zum Essen gab. In einer riesigen Schüssel war noch ein bisschen etwas von Lucys Nudelsalat zu sehen, ansonsten gab es nur ein paar Cracker und Kekse, eine einsame Boulette und zwei Karotten, bei deren Anblick Natsu erschauderte – er hasste dieses Kaninchenfutter!

Als er eine große Kuchenform entdeckte, an deren Seite ein Etikett klebte, das den Namen Loxar trug, stöhnte er sehnsuchtsvoll auf. „War das dein Schokoladenkuchen?“

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, Natsu“, lachte Gray höhnisch, der endlich von seinem Zank mit seinem Stiefbruder abgelassen hatte.

Natsu wollte bereits aufbrausen, aber ein Zupfen an seinem T-Shirt ließ ihn sich zu Juvia herumdrehen, die mit der freien Hand eine weitere Tupperdose aus ihrer viel zu großen Tasche zog, um sie Natsu unter die Nase zu halten.

„Juvia hat ein Stück für dich aufgehoben, weil sie wusste, dass es eine Weile dauern würde“, erklärte sie mit geröteten Wangen.

Wenn er nicht sitzen würde, würde Natsu vor seiner Freundin auf die Knie gehen, stattdessen gab er ihr einen stürmischen Kuss und blickte dann triumphierend zu seinem besten Freund auf.

„Siehst du mal, was für eine fürsorgliche Freundin ich habe!“

„Hey, sollte das eine Unterstellung sein?!“, empörte sich Lucy, was ihren Bruder leise in sich hinein kichern ließ. Lucy warf eine Tupperdose nach ihm, die jedoch vorbei flog und erst Grays Knie traf und dann Meredys und Jellals Schachbrett abräumte.

„Bunny Girl kann immer noch nicht vernünftig werfen“, schnaubte Gajeel von der anderen Seite abfällig, was seine Freundin leise in sich hinein kichern ließ, während das übliche Chaos ausbrach.

Lachend zog Natsu seine Freundin noch enger an sich und gab ihr einen weiteren Kuss, als sie ihm sogar eine saubere Gabel in die Hand drückte. Er hatte wirklich verdammt großes Glück gehabt, eine Frau wie sie abbekommen zu haben!

10. “I’m sorry for your loss.” (GraLu)

Zarte, schlanke Finger umschlossen Grays bebende Faust. Mehr taten sie nicht. Sie versuchten nicht, die Faust zu öffnen, strichen nicht darüber, um das Zittern zu beruhigen. Sie waren einfach nur da.

Die Finger der einzigen Person, die wahrscheinlich so voll und ganz verstand, wie Gray sich fühlte.

Wortlos standen sie vor den beiden Gräbern, einem neuen und einem alten, beide gleichermaßen nichtssagend und doch geradezu schreiend. In schlichter Blockschrift waren die Namen und Lebensdaten von Grays Eltern eingraviert. Kein blumiger Zusatz wie Geliebte Mutter und Ehefrau oder In ewiger Erinnerung oder was die Leute auch sonst noch auf die Grabsteine ihrer verstorbenen Angehörigen schreiben ließen.

Wozu bräuchte es diese Zusätze auch? Die Hinterbliebenen, die hierher kamen, wussten auch so, um wen sie hier trauerten, und sie entschieden selbst, ob sie sich an sie erinnern und ob sie ihnen eine ewige Ruhe oder sonst was wünschen wollten. Und Fremde gingen diese Grabsteine nichts an. So hatte Silver es Gray mal vor einigen Jahren erklärt, als sie gemeinsam Mikas Grab besucht hatten. Deshalb waren die Dinge für Gray einfach gewesen, als der Bestattungsunternehmer ihn bezüglich der Grabinschrift angesprochen hatte.

Alles war erschreckend einfach gewesen. Irgendwie hatte Gray die ganze Zeit gewusst, wie er die Beerdigung seines Vaters organisieren musste. Ganz klar hatte er alles vor Augen gehabt, hatte alle Anrufe mit völliger Ruhe getätigt, hatte das Geld für den Bestattungsunternehmer und für die Grabmiete aufgetrieben. Alles ohne auch nur einmal zu wanken.

War er so gut darauf vorbereitet gewesen? Hatte er tief in seinem Herzen gewusst, dass das auf ihn zukommen würde?

Nein, wie hätte er das voraussehen sollen? Sein Vater hatte einen völlig harmlosen Job gehabt, bei dem eindeutig mit einem schnellen Tod nicht zu rechnen war, und keines seiner vielen Hobbys war lebensgefährlich gewesen. Nein, Silver Fullbuster war nach einem ganz normalen Arbeitstag auf dem Heimweg gewesen, als das Auto vor ihm scharf gebremst hatte, weil sich die Ladung des davor fahrenden LKWs selbstständig gemacht hatte. Zwar war es Silver gelungen, rechtzeitig zu bremsen, aber die nächsten drei Fahrer waren zuvor alle zu dicht aufgefahren und Silver war dreimal nach vorn geschoben worden, eingequetscht zwischen Vorder- und Hintermann…

So etwas passiert auf den fiorianischen Straßen immer wieder. Dazu gab es erschreckende Statistiken. Aber diese Statistiken waren einfach nur dumme Zahlen gewesen. Niemand ging jemals davon aus, dass er Inhalt dieser Diagramme und Tabellen werden könnte. Mit so etwas rechnete man einfach nicht, wenn man ein gutes Leben führte!

Gray biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick auf seine Füße. Die Finger lagen noch immer auf seiner Faust, weich und sanft, aber kalt vom erbarmungslosen Herbstwind. Sie rührten sich nicht. Nicht einmal ein Zittern ließen sie erkennen. Fast als würden sie zu einer Statue gehören.

Dieselben Finger hatten Grays Hand gehalten, als er die Nachricht vom Tod seines Vaters erhalten hatte. Als er alles mit dem Bestattungsunternehmer geklärt hatte, waren sie da gewesen. Und bei der Beerdigung hatten sie sich zwischen seine Finger geschoben. Sie hatten in der Nacht danach die Feuchtigkeit von seinen Wangen gewischt, immer und immer wieder. Und kein einziges Mal hatten sie gezittert.

Vielleicht waren diese Finger – und alles, was noch dazu gehörte – der Grund dafür, dass er das alles irgendwie überstanden hatte, ohne völlig zusammen zu brechen. Vielleicht waren es diese zarten Finger gewesen, die ihn aufrecht gehalten hatten, ja, beinahe könnte man sogar sagen, sie hatten ihn am Leben erhalten.

„Du solltest dir Handschuhe anziehen.“

Gray war selbst verwirrt, warum die ersten Worte, die er jemals am Grab seiner Eltern heraus brachte, etwas so Triviales enthielten, doch in dem Moment, da ihm dieser Gedanke gekommen war, hatte er ihn auch schon ausgesprochen.

„Du hast damals auch keine angezogen.“

Langsam hob Gray den Blick und erkannte das Lächeln auf den Lippen seiner Freundin, das keines war und zugleich doch. Es war so traurig und müde und einsam, aber gleichzeitig voller Dankbarkeit und Zuneigung. Gray fragte sich, ob das Lächeln, das er sich vor drei Jahren für Lucy abgerungen hatte, genauso widersprüchlich gewirkt hatte.

Unwillkürlich befreite er seine Hand, nur um sie gleich um zarten Finger zu schließen, sie vor der Kälte zu schützen. Die Glieder drehten sich in seinem Griff, bis sie sich zwischen seine Finger schieben konnten. Als sich ihre Finger vollständig miteinander verschränkt hatten und sich ihre Handflächen aneinander pressten, trat Lucy näher an ihn heran.

In ihren großen, braunen Augen erkannte Gray immer noch eine Spur des Schmerzes, den sie vor drei Jahren durchgemacht hatte, als sie ihren Vater zu Grabe getragen hatten – in viel zu jungen Jahren einem Schlaganfall erlegen. Überarbeitung, hatten viele damals getuschelt. Vorher zu sehen.

Für Lucy war es nicht absehbar gewesen. Ihr hatte es den Boden unter den Füßen weg gerissen, den Vater zu verlieren, dem sie sich endlich angenähert hatte. Alles, was Gray damals hatte tun können, war, für sie da zu sein, ihre Hand zu halten, sie in den Arm zu nehmen. Er hatte sich dabei immer so schrecklich unzulänglich gefühlt, als würde er als Lucys Freund versagen.

Heute wusste er, dass er damals gar nicht mehr hätte tun können. Ihm waren damals genau dieselben Grenzen gesetzt gewesen wie heute Lucy. Mehr als füreinander da zu sein, konnten sie nicht.

Es war schwer zu sagen, ob das tatsächlich reichte. Grays Trauer verschwand nicht einfach, nur weil Lucy seine Hand hielt. Sein Schmerz und seine Sehnsucht lösten sich nicht in Luft auf, seine Wut auf die geheuchelten Beileidsbekundungen wurde nicht gemildert, die Leere in seinem Leben nicht gefüllt.

Aber irgendwie hielt Lucy ihn am Boden verankert. Sie gab ihm das Gefühl, dass es neben der Trauer auch andere Dinge – Empfindungen – gab.

Vielleicht war ja doch etwas an dem Spruch dran, dass die Zeit alle Wunden heilte…

„Lass’ uns nach Hause gehen“, murmelte Gray und wandte sich endgültig von den Gräbern ab. „Du solltest dich aufwärmen.“

„Gray…“ Er blickte zurück, als seine Freundin ihm nicht folgte, sondern einfach stehen blieb, wo sie war. Sie öffnete die Lippen, schloss sie wieder, öffnete sie noch einmal. Beinahe wirkte es, als würde sie an etwas würgen.

Im nächsten Moment stand Gray vor ihr und schlang die Arme um ihren Körper, denn er wusste, was sie sagen wollte und doch nicht konnte. Dieselben Worte, die er vor drei Jahren nie über die Lippen gebracht hatte, weil sie sich abgenutzt und bedeutungslos angefühlt hatten. Jeder sagte sie in so einer Zeit andauernd, ohne sie tatsächlich so zu meinen. Gray hatte sich nicht bei den Heuchlern einreihen wollen, obwohl diese Worte genau das ausgedrückt hätten, was er tatsächlich empfunden hatte.

Zitternd drückte Gray den Körper seiner Freundin noch enger an sich und führte seine Lippen an ihr Ohr, schluckte den Kloß in seinem Hals herunter, um endlich das zu sagen, was er vor drei Jahren nicht hatte sagen können. Er meinte es heute genauso ernst wie damals und gleichzeitig wusste er, dass auch Lucy es ernst meinte, selbst wenn sie es noch nicht aussprechen konnte.

„Herzliches Beileid.“

11. “You can have half.” (LecFro)

„Wenn sich deine Noten nicht bessern, wirst du es nie zu etwas bringen.“

Wenn Lector jedes Man, wenn er diesen Satz gehört hatte, einen Jewel bekommen hätte, wäre er reich – nun gut, Millionär vielleicht nicht, aber für Schülerverhältnisse doch recht wohlhabend. Dann würde sich die Frage nicht stellen, ob er es sich nächste Woche leisten konnte, mit seinen Freunden ins Kino zu gehen.

Dabei war er wirklich nicht dumm und nicht einmal grottenschlecht in der Schule. Gesunder Durchschnitt nannte sein Vater es immer und drückte in den künstlerischen Fächern immer alle Hühneraugen zu, klopfte ihm jedoch auch bei allem, was besser als eine Drei war, bereits lobend auf die Schultern, um ihn zu motivieren. Er wusste, dass Lector gar nicht vorhatte, zu studieren, also sah er das alles nicht so verbissen.

Mr. Yuri auf der anderen Seite hatte da sehr engstirnige – um nicht zu sagen antike – Ansichten. Dass Lector sich in Mathe nur mit Müh und Not auf einer Drei hielt, war in seinen Augen offensichtlich verachtenswert. Nicht dass Lector sein einziges Opfer wäre. Happy und Romeo mussten sich auch regelmäßig Predigten anhören – genau wie fast die Hälfte der Klasse.

Da das alles heute für Lector nichts Neues war, schaltete er bereits auf Durchzug, während dieses Fossil von einem Lehrer darüber wetterte, was für dämliche Fehler er nicht wieder im letzten Test gemacht hätte und so weiter und so fort.

Im Gedanken war Lector zwei Stockwerke tiefer in der Schulkantine und fragte sich, was es wohl heute gab. Ein Nudelgericht hatte es gestern gegeben, eine Suppe vorgestern und am Montag hatte es etwas mit Reis gegeben. Heute könnten also Kartoffeln auf dem Plan stehen. Vielleicht dieser leckere Auflauf, den es vor drei Wochen das letzte Mal gegeben hatte? Bei der Erinnerung daran lief Lector das Wasser im Mund zusammen.

„Hörst du mir überhaupt zu?!“

Das Keifen des muffigen Lehrers riss Lector aus seinem Tagtraum. Wenig beeindruckt blickte er in die trügen Augen des Mannes und nickte, während er mit gelangweilter Stimme antwortete. „Natürlich, Mr. Yuri. Ich werde mir beim nächsten Test mehr Mühe geben, Mr. Yuri.“

Der Pädagoge verengte argwöhnisch die Augen, aber zu Lectors großer Genugtuung konnte er den Schüler natürlich nicht belangen. Direktor Doma mochte streng sein, aber wenn Yuri an einer solchen Sache eine Ungehörigkeit festmachen wollte, würde er das nicht durchgehen lassen. Der Schuldirektor war letztendlich fair. Deshalb wurde er von den Schülern, die es eben nicht darauf anlegten, Ärger zu machen, sehr geschätzt.

„Na gut, du kannst gehen“, zischte Mr. Yuri gereizt. „Aber merk’ dir meine Worte! Wenn deine Noten nicht besser werden…“

„Werde ich es nie zu etwas bringen. Ich weiß, Mr. Yuri. Schönen Tag noch“, erwiderte Lector gelassen und machte auf dem Absatz kehrt, um endlich das Klassenzimmer zu verlassen. Kaum dass er im Flur und damit außer Sichtweite des Mathelehrers war, setzte er zum Sprint an.

Seine Freunde würden ihm garantiert einen Platz freihalten, aber ob sie ihm etwas zum Essen sichern konnten, war fraglich. Je nachdem, welche Mitarbeiterin heute an der Essensausgabe stand, wurde die Regel Ein Schüler, eine Mahlzeit strenger oder lockerer gehandhabt. Bei Spetto konnten sie immer für jemanden, der später dazu stieß, eine Portion sichern, von Ooba hingegen war keine Gnade erwarten…

Nicht einmal von Frosch ließ sich die alte Schreckschraube erweichen – dabei gab es sonst niemanden, der Frosch widerstehen konnte. Lectors beste Freundin wurde von den meisten Leuten in ihrem Umfeld für ihre engelsgleiche Unschuld regelrecht vergöttert. Die Leute wollten ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen, einfach weil es so schön war, wenn sie sich über eine Kleinigkeit freute, die Andere nicht einmal beachtet hätten. Ganz besonders ihr großer Bruder war da ganz schön schwach. Lector fand es ziemlich witzig, was Rogue für Frosch nicht alles auf sich nahm.

Allerdings traute er sich nicht, sich da allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Ein paar Leute in seinem Umfeld hatten bereits spitzgekriegt, dass Frosch auch bei ihm eine Sonderrolle eingenommen hatte. Um genau zu sein, war er schon seit einer Weile in seine beste Freundin verknallt, aber allein bei der Vorstellung, jemals irgendetwas in der Hinsicht zu unternehmen, versank er vor Scham fast im Boden!

Natürlich gab es in seinem Umkreis niemanden, auf dessen Rat er sich verlassen könnte. Sein Bruder und seine Freunde stänkerten andauernd und sein Vater hatte, als Sting ihm von Lectors Liebesleid erzählt hatte, nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, dass Lector das für sich schon heraus finden würde. Zumindest hatte er Sting mit der Erinnerung daran, wie lange er gebraucht hatte, um mit Rogue zusammen gekommen, ein wenig ausgebremst.

Wendy oder Charle würden sich wahrscheinlich nicht über Lector lustig machen, wenn er sie um Rat fragen würde, aber abgesehen davon, dass Wendy erst seit kurzem zu seinem Freundeskreis zählte, traute er sich sowieso nicht, darüber zu reden. Schon gar nicht mit der knallharten Charle, die Happys Aufwartungen jedes Mal eiskalt abblitzen ließ.

Als er die Kantine betrat, sah er schon vom Weiten das Schildchen bei der Essensausgabe, das verkündete, dass nichts mehr übrig sei. Grummelnd schlängelte er sich durch die Tische in eine ruhigere Ecke, wo seine Freunde sich einen der größeren Tische gesichert hatten. Bevor er bei der Theke nachschauen ging, ob wenigstens noch ein Sandwich zu kriegen war, wollte er seine Tasche lieber bei ihnen abladen.

Die Erste, die ihn bemerkte, war Frosch. Ihre dunklen Augen begannen zu leuchten und sie deutete aufgeregt auf ihr Tablett hinunter. Während die ihrer Freunde bereits leer waren, war ihr Teller noch halbvoll mit diesem himmlisch leckeren Kartoffelauflauf. Lector lief wieder das Wasser im Mund zusammen, aber gleichzeitig wurden seine Wangen heiß, weil Frosch so süß aussah, wie sie sich über sein Erscheinen freute.

„Es ist leider nicht mehr warm, aber du kannst die Hälfte haben“, erklärte Frosch eifrig.

„Wirklich?!“, rief Lector glücklich, ehe er sich selbst zur Ordnung rief. „Aber dann hast du nachher doch bestimmt wieder Hunger!“

Das Mädchen schüttelte den Kopf und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Nein, Frosch möchte, dass du die Hälfte abbekommst. Sie weiß doch, wie sehr du diesen Kartoffelauflauf magst.“

Mittlerweile war Lector sich sicher, dass seine Wangen feuerrot waren, aber wer war er, sich mit Frosch zu streiten? Er ließ sich mit einem seligen Grinsen neben ihr auf die Bank plumpsen und griff nach dem sauberen Löffel, den Frosch für ihn mitgenommen hatte. Während er aß, konnte er die amüsiert-wissenden Blicke seiner Freunde spüren, aber das konnte ihm den Auflauf nicht madig machen. Ganz im Gegenteil, heute schien der noch besser zu schmecken – aber das könnte auch daran liegen, wie sehr Frosch sich über seine Begeisterung für das Essen freute…

12. “Take my jacket, it’s cold outside.” (Rugura)

Die Aula summte wie ein Bienenstock und war auch genauso geschäftig. Die Leute standen dicht an dicht und konnten sich nur mit Trippelschritten fortbewegen. Wer einen Sitzplatz hatte ergattern können, traute sich gar nicht mehr, diesen zu verlassen. Und wer nicht so glücklich war, suchte nach einem bequemen Stehplatz im hinteren Bereich und an den Seiten, von dem aus man dennoch einen guten Blick auf die Bühne hatte. Trotz der Bemühungen des Hausmeisters hatten viele Zuschauer sich auf die hohen Fensterbretter geschwungen und sahen von dort aus Beine baumelnd dem munteren Treiben zu. In all dem Getümmel sah man immer wieder Leute, die sich verzweifelt nach denjenigen umsahen, mit denen sie verabredet waren. Aus dem Gesumm der Menge drangen immer wieder einzelne Laute hervor. Hier ein lautes Lachen, dort ein Ruf oder ein Pfiff, zuweilen auch ein Fluch. Und immer wieder die Probetöne des Orchesters im Graben vor der Bühne.

Von einem Spalt im Vorhang aus beobachtete Kagura das bunte Treiben und war trotz des Stress’, der ihr im Nacken saß, dankbar dafür, dass sie hier war und nicht dort in diesem Gedränge. Schon allein, weil ihr der Platz vor der Bühne vollkommen reizlos erschien. Auf der Bühne bekam sie es mit der Angst zu tun, aber hinter der Bühne war sie voll in ihrem Element. Selbst wenn ein halbes Dutzend Leute gleichzeitig etwas von ihr wollte, hier gehörte sie einfach hin. Hier wusste sie immer, was zu tun war. Hier liefen ihr Verstand und Körper auf Hochtouren.

„Das sieht aus, als wäre ganz Magnolia hier“, rief Millianna aufgeregt, die am Boden zu Kaguras Füßen hockte, um aus demselben Spalt im Vorhang lugen zu können. Mit leuchtenden Augen blickte sie zu Kagura auf. „Das wird super!“

Kagura runzelte skeptisch die Stirn. „Es sollten nicht so viele sein. Die Ordner werden ständig lüften müssen, damit die Leute überhaupt noch atmen können.“

„Das lässt sich nicht mehr ändern“, mischte sich Lisley mit der ihr eigenen Gemütsruhe ein und klopfte Kagura auf die Schulter. „Der Druckfehler bei der Kartenanzahl wurde ja für die nächsten Auftritte behoben. Da wird es dann ruhiger.“

„Aber ist es nicht faszinierend, dass es so viele Leute geworden sind?“, zwitscherte Millianna und richtete sich geschmeidig auf, um ihr Kostüm glatt zu streichen.

„Na ja, wenn einige der bestaussehenden Jungen der Schule in den Hauptrollen sind…“, meinte Lisley vage und zwinkerte Kagura zu.

Sofort stieg dieser die Hitze ins Gesicht. Lisley war ein Goldstück, es war unvorstellbar, dass sich irgendwo eine bessere Freundin als sie finden ließe, aber sie konnte auch so ein richtiges Biest sein!

Zum Glück hatte Millianna nichts bemerkt. Sie hüpfte bereits zu einem der anderen Schauspieler und erzählte ihm aufgeregt, wie voll es draußen wäre – dass ihr Kollege bei dieser Schilderung langsam grünlich anlief, schien sie in ihrem Überschwang nicht zu bemerken.

Die meisten der Schauspieler hatten offensichtlich mit den Nerven zu kämpfen. Ganz in der Nähe tigerte Erza auf und ab und stotterte ihren Text vor sich hin, ihre Schritte steif wie bei einem Roboter, während Jellal mit dem Taktstock an der kleinen Treppe stand, an deren Fuß eine Tür in den Orchestergraben führte, und seine langjährige Freundin mit einem besorgten Stirnrunzeln bedachte.

Während sie sich durch die Leute schlängelte, um überall noch mal nach dem Rechten zu sehen, machte Kagura einen großen Bogen um die Rothaarige, die zwei Jahrgänge über ihr in der Klasse ihres Bruders war. Normalerweise kam sie gut mit Erza zurecht, hatte ein beinahe schwesterliches Verhältnis zu ihr, aber heute war Erza das reinste Nervenbündel.

Kaguras Blick fiel auf Lisleys Freund Orga, der mit seiner bulligen Statur und den wilden, grünen Haaren mühelos aus der Menge aufragte und gerade beruhigend die zierlichen Schultern der jüngeren Yukino tätschelte. Die Weißhaarige saß auf einem Stuhl und hatte die Hände wie für ein Gebet gefaltet, was ihr Zittern jedoch kaum verbergen konnte. Daneben tänzelte einer der Hauptdarsteller mit einem noch breiteren Grinsen auf der Stelle herum, als Millianna es vorhin gezeigt hatte, und schwatzte munter auf seinen Freund ein, der jedoch nervös die Lippen aufeinander gepresst hatte.

Zu Yukinos anderer Seite lehnte Rufus, der Star des Stücks an der Wand, seine Körperhaltung und Miene vollkommen gelassen, als müsste er nicht gleich vor hunderten Menschen auf die Bühne treten und abnorm viel Text aufsagen. Seine langen, blonden Haare waren entsprechend seiner Rolle geflochten. So hatte Kagura ihn außerhalb der Proben noch nie gesehen und heute war es auch das erste Mal, dass sie ihn in voller Kostümierung sah. Um die Kleider hatte sich ihre Freundin und Klassenkameradin Araña gekümmert und sie hatten alle viel zu viel um die Ohren gehabt, als dass Kagura sich mal die Zeit hätte nehmen können, Mäuschen spielen – nicht dass sie sich das jemals getraut hätte, dafür war sie noch immer viel zu verlegen, wenn es um ihn ging.

Als hätte er ihren Blick bemerkt, sah der Blonde auf. Auf seine beherrschten, edlen Züge schlich sich ein warmes Lächeln, das Kagura das Gefühl gab, als stünde ihr Herz kurz vor dem Kollaps. Ein Teil von ihr wollte schreiend weg laufen, ein anderer verspürte den Drang, den Kopf gegen irgendetwas Hartes zu hämmern. Aber gleichzeitig war es so ein gutes Gefühl, im Zentrum von Rufus’ Aufmerksamkeit zu stehen…

„Kagura, wir haben einen Notfall!“

Die Schwarzhaarige wirbelte überrascht herum, als auf einmal Lucy neben ihr auftauchte. Die Blondine sah reichlich aufgelöst aus, die Haare zerzaust, die Arme voll mit mehr Unterlagen, als man es für ein simples Schultheaterstück für nötig erachten sollte, und das Gesicht von heller Panik gezeichnet.

„Die Krone fehlt!“

„Das kann nicht sein“, widersprach Kagura und straffte die Schultern. „Ich habe sie gestern nach der Generalprobe selbst eingepackt und den Karton zu den anderen Sachen gestellt, die hierher sollten.“

Irgendjemand“, rief Lucy viel zu schrill und die Art, wie sie dieses Wort betonte, ließ Kagura ahnen, wer der Missetäter sein könnte, „hat sie sich heute früh ausgeliehen und jetzt liegt sie… keine Ahnung, wo!“

Lucy sah aus, als wäre sie kurz davor, zu hyperventilieren, und wenn Kagura ehrlich war, ging es ihr einige Schrecksekunden lang ähnlich. Die Krone war so ziemlich die wichtigste Requisite des Stücks und Kagura hatte sie bei den Proben wie ihren Augapfel gehütet!

Kagura zwang sich, tief durch zu atmen und ihre geballten Fäuste zu entspannen, dann legte sie Lucy beruhigend die Hände auf die Schultern. „Ganz ruhig! Wir haben noch zehn Minuten, bis der Vorhang aufgeht, und die Krone wird erst in der zweiten Szene gebraucht. Ich renne rüber zu unserem Probenraum und nehme ihn auseinander, wenn es sein muss. Du hältst hier die Stellung!“

„Du bist eine Lebensretterin!“, rief Lucy, den Tränen nahe.

Hastig winkte Kagura ab und schlängelte sich wieder durch die herumstehenden Schauspieler hindurch, um die Seitentür der Aula aufzureißen. Sofort kam ihr ein Schwall eiskalter Winterluft entgegen. In der vollgepackten Aula war es schon so warm, dass Kagura nur ihr schwarzes Crew-Shirt und dazu passend schwarze Jeans trug, aber sie hatte jetzt auch keine Zeit dafür, sich noch einmal an all den Leuten vorbei zu quetschen und ihre Jacke zu holen, zumal die wahrscheinlich unter tausend anderen Sachen begraben lag.

„Nimm meine Jacke. Es ist kalt draußen.“

Warmer, schwerer Stoff legte sich um ihre Schultern, der geradezu betörend duftete. Durch den Stoff hindurch spürte Kagura schlanke Hände auf ihrer Schulter. Als sie sich herum drehte, blickte sie in Rufus’ dunkelgrüne Augen.

„Ich habe zufällig mitgekriegt, was Lucy gesagt hat. Da ich deine Jacke auf die Schnelle nicht finden konnte, kriegst du eben meine“, erklärte er.

Auf den Lippen des Blonden lag ein nachsichtiges Lächeln, als er sah, wie Kagura errötete. Er sah sich einen Moment lang um, dann beugte er sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Und sei vorsichtig draußen. Es ist bestimmt glatt.“

Mit nun noch heißeren Wangen nickte Kagura langsam und drehte sich mit steifen Bewegungen um. Als sie die kurze Metalltreppe hinunter gestiegen war, drehte sie sich noch mal um. Rufus stand noch an der Tür, obwohl er selbst frieren musste, und beobachtete sie vertrauensvoll. Kagura wäre am liebsten noch mal nach oben gestiegen, um ihn richtig zu küssen, aber sie rief sich selbst zur Ordnung. Er verließ sich auf sie. Lucy verließ sich auf sie. Das ganze Team verließ sich auf sie!

Wild entschlossen wirbelte sie herum und eilte über den riesigen Schulhof, um ihre Mission zu erfüllen. Ob es an Rufus’ Jacke oder an dem Prickeln lag, das der Kuss auf ihrer Wange hinterlassen hatte – von der schneidenden Kälte spürte sie kaum noch etwas.

13. “Sorry I’m late.” (NaLu)

Unruhig zupfte Lucy an ihrem dünnen Poncho herum und ließ zum wiederholten Mal ihren Blick über die Menschenmenge in der Bahnhofshalle wandern. Sie stand am Ende von Gleis Drei mit gutem Blick auf die Anzeigetafel, aber abseits der dicht gedrängten Ansammlungen von übellaunigen Reisenden mit großen Koffern und Reisetaschen. Für den Zug ME784 von Hargeon über Magnolia nach Crocus wurde bereits eine volle Stunde Verspätung angezeigt, aber tatsächlich stand Lucy schon seit mehr als einer Stunde hier und wartete.

Und sie war furchtbar nervös, ohne dass sie dafür einen vernünftigen Grund nennen könnte.

Es war ja nicht so, als hätte sie noch nie hier gestanden und auf ihre Freunde gewartet, immerhin hatten die Drei schon vor elf Monaten mit ihrem Wehrdienst begonnen und waren jedes zweite Wochenende für einen Heimatbesuch nach Magnolia gekommen. Lucy hatte in dieser Zeit mehr über den Bahnhof gelernt, als ihr eigentlich lieb war.

Zum Beispiel wusste sie nun, dass der Kaffee vom Automaten hier absolut widerlich war – und in den Fast Food Restaurants furchtbar überteuert. Oder auch, dass die Angestellten vom Informationsschalter prinzipiell nie helfen konnten. An Gleis Fünf rotteten sich an Spieltagen immer Fußballfans zusammen, die zum Stadion von Margaret fahren wollten und dabei schon mal ordentlich vorglühten. Und die Uhr an Gleis Sechs ging immer fünf Minuten nach. Und…

Lucy schnaubte leise, als ihr klar wurde, dass sie sich mal wieder selbst abzulenken versuchte, indem sie im Geiste etwas aufzählte. Eine leidige Marotte. Während der Prüfungszeit ihres ersten Semesters – das sie sich in ihrem Ehrgeiz viel zu voll gestopft hatte – hatte sie immer die Namen der alt-stellanischen Könige in chronologischer Reihenfolge mit Lebensdaten, Regierungszeit und Beinamen runter gerattert. Angeblich sollte sie die sogar im Schlaf gemurmelt haben.

Aber warum sollte sie dieses Mal nervös sein? Es gab keinen Grund. Die Angelegenheit war bereits mehr oder weniger geklärt.

Lucy wusste bereits, dass Natsu mit ihr Schluss machen würde.

Vielleicht noch nicht an diesem Wochenende, womöglich noch nicht einmal in diesem Monat – wahrscheinlich war er sich selbst noch gar nicht darüber in Klaren, was für eindeutige Signale er aussendete – aber es war nur noch eine Frage der Zeit.

Der Gedanke schmerzte Lucy mehr, als sie es in Worte fassen konnte. Als sie nach einigem Rätseln endlich zu der Erkenntnis gelangt war, was sich zwischen ihr und Natsu verändert hatte und noch verändern würde, hatte sie sich Tage lang eingeigelt und nur Levy zu sich ins Zimmer gelassen, die sie jeden Tag mit einer Packung Schokoladeneis und einer Zupfbox Taschentücher besucht und Stunden lang neben ihr ausgeharrt hatte.

Sie war auf Natsu sauer gewesen, hatte ihn und seine Ideale verflucht, hatte auf die Armee geschimpft, hatte Gott und die Welt für ihr Elend verantwortlich gemacht und sich selbst als Opfer einer furchtbaren Weltverschwörung bemitleidet. Was sie Levy für diese grauenhafte Woche schuldig war, würde sich wahrscheinlich niemals zurückzahlen lassen.

Heute war Lucy keineswegs über diese Sache hinweg. Um genau zu sein, nicht einmal annähernd. Es kam ihr immer noch unglaubwürdig vor, dass fast drei Jahre Beziehung ein Ende finden sollten, wenn ihre Gefühle doch immer noch so stark waren. Sie liebte Natsu, verdammt noch mal!

Aber gerade weil sie ihn liebte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie es auf sich zukommen lassen musste. Denn er hatte nach all dem Herumgerätsel in der Schulzeit nun endlich etwas gefunden, was er wirklich und wahrhaftig machen wollte. Er hatte seinen Weg gefunden – und dieser Weg wich nun einmal radikal von Lucys ab. Daran gab es nicht zu rütteln.

Als eine knackende Lautsprecheransage die Ankunft des ME784 ankündigte, biss Lucy sich auf die Unterlippe und ballte die zitternden Finger zu Fäusten, aber sie blieb, wo sie war. Sie sah zu, wie der Zug einfuhr und wie seine Passagiere auf den Bahnsteig strömten. Weil einige der Fahrgäste, die nach Crocus fahren wollten, es nicht abwarten konnten, gab es an mehreren Türen hässliches Gedränge. Stimmen wurden laut, Gesichter rot, ganz in der Nähe sah Lucy sogar, wie ein Mann einem anderen mit der Faust drohte.

Und dann stieg Natsu aus einer der Waggontüren. Trotz der Tatsache, dass er rückwärts heraus kam und seinen prall gefühlten Feldsack auf dem Rücken trug, war er für Lucy sofort zu erkennen. In vielerlei Hinsicht hatte er sich verändert, aber seine Haare waren immer noch auffällig rosafarben und wild wie eh und je.

Er hielt den vorderen Rahmen eines Kinderwagens sicher in beiden Händen, während er mit den Füßen blindlings nach den Stufen und schließlich nach dem Bahnsteig tastete. Kaum dass er sicher auf dem Beton stand, griff er um und hob den Kinderwagen samt eines aufgeregt plappernden Mädchens von vielleicht zwei Jahren behutsam heraus, um ihn auf dem Bahnsteig abzustellen. Mit seiner imposanten Gestalt verschaffte er sich und dem Kind mühelos genug Platz und die Mutter des Mädchens konnte unbehelligt aussteigen, eine Hand schützend auf den Rücken des Säuglings gelegt, der im Tragetuch vor ihrem Bauch hing.

Ihr folgte Gray mit einem schweren Rollkoffer, den er mit beeindruckender Leichtigkeit auf den Bahnsteig wuchtete. Zuletzt kam Erza, die sich Grays und ihren eigenen Feldsack um je eine Schulter geschlungen hatte und dabei aussah, als könnte sie locker noch zwei, drei weitere solcher Gepäckstücke tragen.

Die junge Mutter bedankte sich überschwänglich bei Natsu und den Anderen und das Mädchen klatschte lachend auf Natsus Hand herum, die er grinsend für ein High Five erhoben hatte, dann war auch schon ein junger Mann mit denselben krausen, schwarzen Haaren wie das Mädchen heran getreten, der Mutter und Kinder je mit einem Wangenkuss begrüßte, Gray den Koffer abnahm und den drei Soldaten kräftig die Hand schüttelte, ehe er seine Familie vom immer noch vollgestopften Bahnsteig führte.

Die ganze Szene entlockte Lucy ein wehmütiges Lächeln. So war Natsu schon immer gewesen. Stets hilfsbereit und absolut kinderlieb, immer gut gelaunt und beschwingt und beherzt, wenn es darum ging, Anderen in irgendeiner Weise zu helfen. Er sah das Schöne in den kleinen Dingen im Leben, genoss den Augenblick und verfolgte Dinge, die er für gerecht und wichtig hielt, mit all seiner Energie.

Vielleicht hätte Lucy schon vor einem Jahr, als sie Natsu das erste Mal hier am Bahnhof verabschiedet hatte, bevor er in den Zug nach Hargeon gestiegen war, ahnen sollen, dass der Wehrdienst ihn nachhaltig verändern könnte. Die fiorianische Armee war mehr als nur ein tollwütiger Schützenverein, wie einige unzufriedene Steuerzahler sie verunglimpften. Seit dem Amtsantritt von Präsident Toma setzte sich die Armee in Krisengebieten ein, die von Naturkatastrophen heimgesucht worden waren – sowohl innerhalb als auch außerhalb Fiores. Bei der Armee konnte Natsu also genau das tun, was ihn nun einmal ausmachte!

Deshalb würde Lucy ihn mit einem Lächeln auf den Weg schicken, wenn es so weit war – egal wie sehr es sie eigentlich schmerzte.

Als Grays Blick überraschend ihrem begegnete, zuckte Lucy zusammen. Sie war schon wieder so in Gedanken gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie sich der Bahnsteig geleert hatte, sodass ihre alten Schulfreunde einen ungehinderten Blick auf sie hatten, sobald sie in ihre Richtung sahen. Gray zumindest. Der hatte sich sicher denken können, wo er Lucy suchen musste.

In Grays Augen lagen Verstehen und Mitgefühl und seine sonst eher grimmige Miene wurde weicher, als er Lucy sachte zunickte. Die Blondine biss sich auf die Unterlippe. Genau wie Natsu und Erza kannte sie Gray seit fünf Jahren – eben seit sie mit ihrer Mutter nach Magnolia gezogen war –, aber dass er so einfach in ihr lesen konnte, bereitete ihr Unbehagen. Würde er Natsu davon erzählen? Immerhin waren sie seit dem Windelalter beste Freunde – auch wenn sie sich auf so ziemlich jedem Foto ihrer ersten zehn Lebensjahre, das Lucy je gesehen hatte, gezankt hatten.

Ehe Lucy irgendeine Art von Gruß erkennen lassen konnte, wandte Gray sich an Erza und murmelte ihr etwas zu. Der Blick der Rothaarigen zuckte zu Lucy herüber und ihre Stirn zerfurchte sich in Sorgenfalten, ehe sie langsam Gray zunickte und sich in Bewegung setzte.

Während Gray Natsu noch einen Stoß versetzte und ihn auf Lucy aufmerksam machte, ging Erza an der Blondine vorbei. Nur ganz kurz hielt sie neben ihr und schlang die Arme um ihre Schultern, um sie in eine knochenbrechende Umarmung zu ziehen. „Ich wünsche euch einen schönen Abend“, flüsterte Erza aufrichtig, dann ging sie einfach weiter.

Bevor Lucy sich nach ihrer Freundin umdrehen konnte, war auch schon Gray bei ihr, legte ihr eine Hand auf die malträtierte Schulter und drückte diese behutsam. Er sagte nichts, aber auf seinen Lippen lag ein Lächeln, das eigentlich keines war. Lucy musste heftig blinzeln, um die Tränen zurück zu halten. Dass Gray und Erza auf die sonst übliche Feierrunde am Freitagabend ihrer Heimkehr nach Magnolia verzichteten, konnte ja nur bedeuten, dass Lucy sich wirklich nicht verschätzt hatte, was ihre Zukunftsaussichten mit Natsu betraf.

Als sie sich wieder im Griff hatte, wandte Lucy sich Natsu zu, der langsamer auf sie zu kam. Er stürzte nicht auf sie zu, um sie wild herum zu wirbeln, wie er das am Anfang immer gemacht hatte, wenn er für ein Wochenende nach Magnolia gekommen war. Er ging langsam, jeder Schritt fest und sicher.

Das gab Lucy viel zu viel Zeit, all die Veränderungen an ihm zu bemerken. Seine Schultern wirkten breiter, legten Zeugnis für das rigorose Training ab. Seinen Gesichtszügen war auch der letzte jugendliche Speck abhanden gekommen, sie waren jetzt kantig und männlich, das Kinn stoppelig, die Wangen nicht mehr so rund. Die Haare waren ein bisschen länger als früher, eine Strähne tanzte vorwitzig über Natsus Nasenwurzel. Und der Blick…

Der Blick war das, woran Lucy zuallererst die Veränderung bei Natsu aufgefallen war. Er war immer noch so offenherzig und warm und voller Begeisterung für alles Mögliche, aber all dem lag jetzt auch eine allmählich immer fester werdende Entschlossenheit zugrunde. Als hätte Natsus Wesen bei der Armee das Fundament gefunden, auf dem sich alles andere aufbauen konnte.

Schließlich blieb Natsu vor Lucy stehen und rieb sich mit einem schiefen Grinsen den Hinterkopf. „Sorry, ich bin spät.“

Für einige Sekunden musste Lucy an einem harten Kloß in ihrer Kehle schlucken, während sie hinter den Worten die eigentlichen hörte, die Natsu nun nicht mehr aussprach. Früher hatte Natsu sie zur Begrüßung geküsst und ihr gesagt, wie sehr er sie vermisst hatte und wie sehr er sie liebte. Wann hatte er eigentlich angefangen, aus direkten indirekte Liebesbezeugungen zu machen? Warum hatte sie so verdammt lange gebraucht, um es endlich zu begreifen?

Sie dachte darüber nach, Natsu einfach darauf anzusprechen, um die unvermeidliche Trennung einfach hinter sich zu bringen und ihn dafür zu bestrafen, dass er sie zurücklassen würde, aber letztendlich brachte sie es nicht übers Herz.

Weil er es nicht verdient hatte. Weil sie eigentlich nicht wirklich auf ihn sauer war. Weil sie ihn unterstützen wollte. Und weil sie wenigstens noch ein paar schöne Momente mit Natsu haben wollte, ehe es endgültig vorbei war.

„Ist ja nicht deine Schuld“, erwiderte sie daher heiser, stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang die Arme um Natsus Hals, um ihn zur Begrüßung hauchzart küssen zu können.

Als er die muskulösen Arme um ihre Taille schlang und den Kuss intensiv erwiderte, fielen Lucys Augen zu und die Wärme strömte durch ihren Körper. Auch wenn es irgendwann vorbei sein würde, hier und jetzt konnte sie nicht anders, als es zu genießen!

14. “Can I have this dance?” (LoYu)

„Darf ich um diesen Tanz bitten?“

Vor lauter Schreck wäre Yukino beinahe von ihrem Barhocker gefallen, als diese Frage so völlig ohne Vorwarnung neben ihr erklang. Sting und Minerva hatten sie auf dem Weg zum Fairy Tail schon damit aufgezogen, wie viele Männer sie wohl anbaggern würden, aber Yukino hatte ihre Spekulationen als haltlose Witze abgetan – wenn auch nicht, ohne schrecklich rot zu werden.

Es war ja nicht so, dass Yukino glaubte, abgrundtief hässlich zu sein oder dergleichen, aber sie hielt sich nicht unbedingt für einen Hingucker. Dafür investierte sie wohl einfach nicht genug Zeit in ihr Aussehen wie Stings Zwillingsschwester und besaß auch einfach nicht so gute Anlagen wie etwa Minerva. Als Studentin der Veterinärmedizin besaß sie einfach andere Sorgen – nicht dass die Studienfächer von Lucy oder Minerva weniger anspruchsvoll wären, aber irgendwie hatte Yukino bei ihnen immer das Gefühl, dass sie alle Arbeit mit einem Fingerschnippen erledigt bekamen, während sie selbst oft bis spät in die Nacht büffelte, um ihre eigenen – laut Sting viel zu hohen – Standards halten zu können.

Alles in allem hatte Yukino von diesem Abend in dem kleinen Club, der Sting anscheinend von Lucy empfohlen worden war, nicht mehr erwartet, als ein paar Stunden mit ihren Freunden beisammen zu sitzen, ohne großartig mit ihnen reden zu können, weil es viel zu laut und zu voll war. Womit sie absolut nicht gerechnet hatte, war, dass jemand sie um einen Tanz bitten würde.

Panisch zuckte ihr Blick nach rechts, wo ihre Freunde sie mit variierenden Graden von Erheiterung beobachteten. Lediglich Rogue blickte mit zusammengezogenen Augenbrauen an Yukino vorbei, machte jedoch genauso wenig Anstalten, ihr aus ihrer Misere zu helfen.

Sie konnte doch gar nicht tanzen! Also, Walzer, ja, das hatten sie mal im Musikunterricht gehabt, aber das war auch schon vier Jahre her und hier unter Garantie nicht das, was man unter Tanzen verstand.

Wie sollte sie diesem Mann das verständlich machen, ohne unhöflich zu klingen? Wäre sie doch wenigstens ein bisschen so taff wie ihre Schwester! Obwohl, nein, die würde je nach Laune – die immer davon abhängig war, wie es zwischen ihr und Macbeth gerade stand – entweder schon längst auf der Tanzfläche herum hüpfen oder aber dem Fragensteller den Mittelfinger zeigen. Yukino liebte ihre Schwester, aber daran wollte sie sich bestimmt kein Beispiel nehmen!

Aber vielleicht hatte der Mann sie auch gar nicht gefragt? Sie saß ja ganz am Rand der Gruppe und Minerva war direkt neben ihr. Dass die Schwarzhaarige eine Freundin hatte, konnte man ihr ja nicht an der Nasenspitze ansehen, daher war es doch gar nicht so abwegig, dass sie gefragt wurde. Ja, genau, das musste es sein!

Als hätte sie ihre Gedanken erraten, stieß Minerva sie an, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie wackelte mit ihren schmalen Augenbrauen, auf ihren Lippen dieses versteckte Lächeln, das Yukino erst nach zwei Jahren Bekanntschaft zu verstehen gelernt hatte, ihre Augen herausfordernd funkelnd. Dann ruckte sie mit dem Kinn in die Richtung des Fragenstellers und stupste Yukino nochmals an. Ein paar Plätze weiter begann Sting in seine Bierflasche hinein zu kichern.

Peinlich berührt wurde Yukino sich auf einmal bewusst, wie lange sie hier schon saß und den Mann warten ließ und sie wirbelte auf ihrem Barhocker herum. Für einen Moment drohte der Hocker zu kippen, aber dann spürte Yukino, wie er von der anderen Seite zurück zu Boden gedrückt wurde. Wahrscheinlich hatte Minerva in letzter Sekunde ihren Fuß auf die untere Strebe gestellt.

Von diesem Missgeschick noch mehr befangen, öffnete Yukino die Lippen für eine Entschuldigung und hob den Blick, um endlich in die Augen des Fragenstellers zu sehen…

Der einzige Laut, der über ihre Lippen kam, war ein ersticktes Quieken.

Der Mann vor ihr war vielleicht etwa so groß wie Rogue und trotz des lässigen und doch stylischen Flanellhemdes mit den hochgekrempelten Ärmeln und des darunter befindlichen weißen T-Shirts war unübersehbar, wie gut er in Form war. Fein definierte Muskeln deuteten sich bei den Unterarmen an und die Schultern vermochten es, das Hemd gut auszufüllen, ohne dass sie so bullig wie Orgas Muskelberge wirkten. Ausgewaschene Jeans und einfache Sneaker rundeten das Outfit ab, aber das, was Yukino so fesselte, war das Gesicht des Mannes.

Es war schwer, ein anderes Wort als perfekt für die Beschreibung dieses Gesichts zu finden. Von einem spitz zulaufenden Kinn über schmalen Lippen mit dem charmantesten Lächeln der Welt, einer geraden, makellosen Nase, haselnussbraunen Augen mit einem wohlgefälligen Funkeln, gleichmäßigen Augenbrauen bis hin zu einer bronzefarbenen Haarpracht, die an die Mähne eines Löwen erinnerte, war schlicht und einfach alles perfekt, harmonierte miteinander, bildete ein Gesamtkunstwerk.

Auf einmal schoss Yukino das Blut aus ganz anderen Gründen in die Wangen und bevor sie auch nur versuchen konnte, aus ihrem blamablen Dämmerzustand heraus zu kommen, formte ihr Mund ein Wort, das undeutlich an ein „Ja“ erinnerte, und sie rutschte von ihrem Barhocker. Nur vage war sie sich bewusst, dass hinter ihr nun auch Orga leise gluckste, während Minerva ihr trocken „Viel Spaß“ hinterher rief, dann ergriff der junge Mann auch schon Yukinos rechte Hand und zog sie in Richtung der Tanzfläche.

Seine Hand war warm, aber nicht schwitzig, ihr Griff stark und doch ausgesprochen zart, als wollte er Yukino um keinen Preis weh tun. Die Berührung verursachte ein aufregendes Kribbeln, das sich von Yukinos Fingern langsam über ihren gesamten Körper ausbreitete. Yukino fühlte sich beinahe wie in Trance…

Doch sie wurde jäh aus dieser Trance heraus gerissen, als es um sie herum eng wurde. Auf einmal wurde ihr bewusst, dass sie sich inmitten einer tanzenden Menge befand und ganz unwillkürlich klammerten sich ihre Finger verzweifelt an die des jungen Mannes, der sofort stehen blieb und mit einem Anflug von Sorge zu ihr zurück blickte.

„I-ich kann nicht tanzen“, presste Yukino mühsam hervor. Sie kniff die Augen zusammen und wartete gepeinigt darauf, dass der Mann sie auslachte oder kommentarlos stehen ließ.

„Überhaupt gar nicht?“, fragte er stattdessen.

Überrascht öffnete Yukino die Augen wieder, schaffte es jedoch nicht wirklich, in die Augen des Mannes zu blicken. „D-das ist heute das erste Mal, dass meine Freunde mich überredet haben, in einen Club zu gehen.“

„Und ich hatte mich schon gewundert.“ Ein leises, sehr angenehmes Lachen ließ Yukino erschaudern und jetzt schaffte sie es endlich wieder, Blickkontakt aufzunehmen. Nicht einmal eine Ahnung von Spott lag in den Augen des Mannes. Auf seinen Lippen lag immer noch dieses charmante Lächeln. „Du hast nicht so ausgesehen, als würdest du dich hier besonders wohl fühlen.“

Verlegen scharrte Yukino mit den Füßen. Natürlich hatten ihre Freunde es nur gut gemeint, als sie Yukino nach ihrer letzten Klausur abgefangen hatten, aber tatsächlich bevorzugte Yukino normalerweise lieber ruhige Orte. Wenn sie sich entspannen wollte, griff sie eher nach einem Buch oder sie ging ins Tierheim, um dort auszuhelfen.

„Aber das hier ist kein normaler Club. Heute ist es nur so übel hier, weil Freitag und der letzte Klausurentag ist“, erklärte der Mann und seine Finger übten sanften Druck auf Yukinos Finger aus.

„Schlechtes Timing“, murmelte Yukino noch immer peinlich berührt.

„Wenn du nicht tanzen willst, können wir zurück zur Bar gehen?“, schlug der Mann vor. „Darf ich dich auf einen Drink einladen?“

Bei der Vorstellung, vor den Augen ihrer unter Garantie sehr aufmerksamen Freunde mit dem Mann ein Gespräch anzufangen, wurde Yukino beinahe aschfahl. Sie liebte ihre Freunde, aber sie war auch so schon unsicher genug auf dem Gebiet, da brauchte sie nicht auch noch Zuschauer.

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, bot der junge Mann ihr die freie Hand an und sprach weiter: „Oder ich könnte dir das Tanzen beibringen? Wir können ja langsam anfangen.“

„B-bei der Musik?“, fragte Yukino verunsichert und blickte eingeschüchtert um sich, wo sich die vielen Tanzenden wild räkelten.

Zur Antwort erhielt sie nur ein Lächeln und ihr Gegenüber drehte sich halb nach rechts, um eine Hand zu heben und jemanden zu winken. Als Yukino seinem Blick folgte, erkannte sie eine langhaarige Frau mit knappem Top und Röhrenjeans am Musikpult. Sie hielt in einer Hand eine Bierflasche, doch als sie den Wink bemerkte, hob sie die freie an. Es wurden einige knappe Handzeichen ausgetauscht und der Blick der Frau huschte kurz zu Yukino hinüber, dann grinste sie breit und stellte ihr Bier neben dem Musikpult ab, um sich dann an selbigem zu schaffen zu machen. Kurz darauf erklang ein sehr viel langsamerer Kuschelrocksong. Um Yukino herum brach zuerst Verwirrung aus, aber dann fügten sich die meisten Tanzenden in den neuen Rhythmus.

Vor Yukinos Gesichtsfeld tauchte wieder die Hand auf und als sie den Blick hob, erkannte sie ein geduldiges Lächeln auf den Lippen des Mannes.

Es war zum Dahinschmelzen, wie verständnis- und rücksichtsvoll er war. Yukino kam es beinahe so vor, als würde sie ihrem Märchenprinzen begegnen, von dem sie als kleines Mädchen immer geträumt hatte.

Sie gab sich einen Ruck und legte ihre Hand vertrauensvoll in seine. Als er eine Hand an ihre Hüfte legte und sie behutsam näher an sich zog, wurde ihr wieder heiß im Gesicht, aber gleichzeitig fiel ihr aus irgendeinem Grund just in diesem Moment ein, dass sie etwas Wichtiges vergessen hatte.

„I-ich bin übrigens Yukino“, stammelte sie verlegen.

Wieder erntete sie ein charmantes Lächeln und ihr Gegenüber, der eigentlich ihre Hand zu seiner Schulter hatte führen wollen, zog diese stattdessen an seine Lippen. Es war eine Geste wie aus einer anderen Zeit, aber sie passte einfach perfekt zu dem Mann und ließ Yukinos Herz abermals höher schlagen.

„Mein Name ist Loke“, sagte er schließlich und sein Atem geisterte für einige herrliche Sekunden über Yukinos Finger, ehe er endlich begann, sich mit Yukino langsam auf der Stelle zu drehen.

15. ”I made your favourite.” (Lyon-Meredy-Juvia)

Der kritische Blick der Nachbarin aus dem ersten Stock war bereits zu spüren, als Lyon und Meredy in die Straße einbogen, in der ihre gemeinsame Wohnung lag. Die alte Vettel starrte sie Beide an und kaute offensichtlich auf einer Menge empörter Worte herum, während sie sich schwer auf das Geländer ihres Balkons stützte, der über und über mit schwer duftenden Blumen bepflanzt war. So verstopft die Frau auch war, die sich immer über die angeblich so skandalöse Kommune ein paar Etagen über ihr aufregte, Lyon musste ihr zugestehen, dass sie nicht nur einen, sondern gleich zwei grüne Daumen hatte.

Allerdings kannte er da noch jemanden, auf den das zutraf – und derjenige besaß einen bei weitem besseren Charakter. Beim Gedanken an diese Person lächelte Lyon versonnen und sein Blick wanderte mehrere Stockwerke nach oben zu einem ebenfalls begrünten Balkon. Von seinem Standpunkt aus konnte er nur die Hänger, die an den Streben des darüber befindlichen Balkons festgemacht worden waren, und die Unterseiten der Balkonkästen erkennen.

Ein Zupfen an seinem Ärmel ließ Lyon den Blick wieder senken. Meredy lächelte ihn verständnisvoll an. „Wir sind gleich Zuhause.“

„Bloß gut“, seufzte er und griff nach der Hand, die noch seinen Ärmel festhielt, um die Fingerspitzen zu küssen.

Zu mehr ließ er es nicht kommen. Nicht weil ihn das empörte Schnaufen der Vettel tatsächlich stören würde, sondern weil er es versprochen hatte. Keine Heimlichkeiten mit Meredy, wenn sie alleine waren. Egal wie viele Stunden sie gemeinsam im Architektenbüro arbeiteten. Es wäre unfair, in dieser Zeit etwas zu unternehmen.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, entzog Meredy ihm ihre Hand wieder und setzte ihren Weg fort, aber die zarte Röte auf ihren Wangen entging ihm nicht. Schon wieder musste er lächeln, während er ihr zu dem Gebäude folgte. Meredy war eine der energischsten Frauen, die er kannte, sie ließ sich im Büro nie die Butter vom Brot nehmen und behauptete sich grandios gegen die männlichen Kollegen, aber in dieser Angelegenheit war sie überraschend scheu und unerfahren. Etwas, was Lyon früher nie für möglich gehalten hätte, aber es zog ihn umso mehr zu ihr hin.

Während Meredy den Briefkasten leerte, schloss er die Tür zum Treppenhaus auf und drückte danach auf den Knopf des Fahrstuhls. Als sich die Türen mit einem alterschwachen Quietschen öffneten, kam ihm der miefige Geruch eines Altweiberparfüms entgegen. Er tauschte einen Blick mit Meredy, welche die Nase rümpfte. „Treppe?“

„Treppe“, antwortete Meredy sofort bereitwillig und wandte sich den Stufen zu.

Auch wenn das fünfmal zwanzig Stufen bedeutete, Lyon nahm lieber ein wenig Anstrengung in Kauf, als sich diesen Gestank anzutun. Sie waren ja gleich Zuhause und konnten es sich auf dem Balkon gemütlich machen. Sie hatten dort letzte Woche eine Bank aufgebaut, die groß genug für Drei war und mit dem riesigen, selbstgestrickten Quilt unheimlich bequem wurde. Das reinste Paradies für sie!

Als sie ihr Stockwerk erreichten, erwartete sie eine Überraschung. Hier stank es nicht nach dem Omaparfüm, sondern nach-

„Fisch“, seufzte Meredy selig und beeilte sich, die Wohnungstür aufzuschließen, an der die Namen der drei Bewohner angebracht waren.

Im Flur der Wohnung war der himmlische Geruch nach gebratenem Fisch noch intensiver und Lyons Magen begann laut zu knurren. Achtlos ließ er seine Tasche neben der Kommode fallen, entledigte sich seiner Schuhe und strebte dann der Küche zu.

Dort stand Juvia am Herd, welche die langen Haare zu einem Messy Bun hochgebunden hatte, damit sie sie nicht beim Kochen behinderten. Lyon verspürte den Wunsch, die Holzspange zu entfernen, um die wunderschöne blaue Haarflut zu befreien und in all ihrer Pracht bewundern zu können.

Sein Trainingskamerad Gray hatte ihm schon vor Jahren im „Streit“ vorgeworfen, dass er einen Haarfetisch hätte – nur war das damals darauf gemünzt gewesen, dass Lyon es nicht fertig brachte, ungestylt auf die Straße zu gehen –, und seit er in dieser Wohngemeinschaft hier lebte, musste er ihm zustimmen. Er liebte es, Juvias und Meredys Haare zu betrachten. Insbesondere, wenn die Beiden nebeneinander lagen und ihre langen Haare sich miteinander überkreuzten. Diese Mischung aus Pink und Blau hatte etwas unglaublich Faszinierendes!

„Juvia, du solltest doch nicht ohne uns mit dem Kochen anfangen“, empörte Meredy sich neben Lyon und stemmte die Hände in die Hüften.

Die Blauhaarige zuckte zusammen und drehte sich hastig herum, den Pfannenwender noch in der Hand. „Ihr seid ja schon da!“

„Wir haben den früheren Bus gekriegt“, erklärte Meredy, ohne etwas an ihrer Haltung zu ändern. „Ich will nicht, dass du uns immer bekochst, Juvia.“

„A-aber Juvia hat den Fisch auf den Frischmarkt gekriegt und sie wollte nicht, dass er schlecht wird“, stammelte die Blauhaarige und senkte verunsichert den Blick. „Und sie hat doch so viel Zeit, weil sie Semesterferien hat.“

„Aber du bist nicht unsere Haushälterin, Juvia“, erwiderte Meredy rigoros, aber ihrem Tonfall fehlte die wirkliche Schärfe. Es war eher eine spielerische Strenge, auch wenn ein Hauch Ernst dahinter steckte. Meredy war es immer wichtig, zu betonen, dass keiner von ihnen zurückstecken sollte. „Wir können uns auch selbst um unseren Dreck kümmern. Wir sind gleichberechtigt hier.“

„Juvia macht das aber gerne…“, war die verlegen genuschelte Entgegnung.

Schmunzelnd schüttelte Lyon den Kopf und beugte sich hinunter, um Meredy einen besänftigenden Kuss auf die Wange zu geben, ehe er zu Juvia hinüber ging und mit ihr genauso verfuhr. „Kein Streit“, schnurrte er und ließ sich dazu hinreißen, mit einer blauen Haarsträhne zu spielen, die sich aus Juvias Haarknoten gelöst hatte. „Lass’ uns den Balkon vorbereiten, damit Juvia in Ruhe fertig werden kann, Meredy.“

Sein Herz schlug mehrere Takte schneller, als er auf den Wangen beider Frauen eine verräterische Röte ausmachen konnte. Dass sowohl Meredy als auch Juvia so stark auf ihn reagierten, kam ihm wie ein Wunder vor. Als sie vor einem halben Jahr zu dritt in diese WG gezogen waren – sie hatten einander über ein Suchportal kennen gelernt –, hatte er sich nicht träumen lassen, dass das funktionieren könnte. Es war manchmal immer noch kompliziert. Keiner von ihnen hatte vorher Erfahrung mit dieser Art von Beziehung gehabt. Deshalb die Versprechen. Deshalb die Betonung ihrer Gleichberechtigung. Deshalb die immer wiederkehrende Verlegenheit. Sie tasteten sich nur langsam an all das heran, aber sie machten Fortschritte. Das genügte Lyon.

Während er die Teller und Gläser aus einem der Hängeschränke heraus holte, beobachtete er aus dem Augenwinkel, wie Meredy einen Arm um Juvias Taille schlang. Die Blauhaarige neigte sich der Anderen zu und dann trafen sich die Gesichter der Beiden für einen zarten Kuss. Der Anblick erfüllte Lyon mit wohliger Wärme.

Auf dem Balkon stellte er den kleinen Klapptisch neben der Bank auf und verteilte Kerzen auf dem Geländer. Wenig später kam Meredy mit einem Tablett dazu, auf dem die von Lyon herausgeholten Gläser, Besteck und eine Flasche Weißwein standen. Um den linken Arm hatte sie sich den Quilt geschlungen, den Juvia gestrickt hatte. Vorsichtig nahm Lyon ihr alles ab und gemeinsam schlossen sie die Vorbereitungen ab.

Lyon zündete gerade die letzten Kerzen an, als Juvia mit drei beladenen Tellern auf den Balkon trat. Irgendwie schaffte sie es mit ihren zierlichen Fingern ganz problemlos, alle drei Teller sicher zu balancieren. Ihre Haare hatte sie aus der Spange befreit, sodass sie nun wieder offen über ihren schmalen Rücken fluteten, und ihr Gesicht zierte ein scheues, aber sanftes Lächeln.

„Juvia hat euer Lieblingsessen gemacht“, erklärte sie, während sie die Teller verteilte.

„Du verwöhnst uns zu sehr“, seufzte Meredy wieder tadelnd, aber auf ihren Lippen lag ein seliges Lächeln, während sie es sich mit ihrer Portion auf der Bank gemütlich machte.

„Vielleicht sollten wir uns etwas überlegen, wie wir uns bei Juvia revanchieren können“, schmunzelte Lyon und ließ sich so auf der Bank nieder, dass zwischen ihm und Meredy genug Platz blieb.

Wieder einmal mit roten Wangen kam Juvia der unausgesprochenen Aufforderung nach und ließ sich zwischen ihnen nieder. „D-das müsst ihr wirklich nicht, Juvia macht das wirklich gern. Sie weiß doch, wie sehr ihr Beide gebratenen Fisch mögt.“

„Wir verwöhnen dich aber auch gerne“, raunte Lyon neckisch.

Unter Juvias ausgestreckten Beinen versetzte Meredy ihm einen spielerischen Tritt. „So ermunterst du sie nur noch mehr, uns zu bekochen, Lyon.“

Sachte trat er zurück und zwinkerte nun der Pinkhaarigen zu. Diese zwinkerte amüsiert zurück und rieb ihren Fuß an seinem Bein. Mehr Zustimmung brauchte er nicht.

16. “It’s okay. I couldn’t sleep anyway.” (Luredy)

Noch während der Wählton erklang, dachte Lucy, dass sie lieber wieder auflegen sollte. Es war idiotisch, um kurz vor Mitternacht noch irgendwo anzurufen, selbst wenn es an einem Samstag war. Vor allem war es bei einem Grund wie ihrem idiotisch. Immerhin war sie einfach nur wehleidig, aber es war keineswegs dringend oder so. Sie sollte sich einfach zusammenreißen und wieder auflegen!

Noch bevor sie ihr Handy vom Ohr nehmen und den Anruf abbrechen konnte, erklang am anderen Ende der Leitung eine angenehme Frauenstimme – ganz und gar nicht die, mit der Lucy eigentlich gerechnet hatte, aber eine, bei der etwas in ihrem Inneren zu flattern begann.

„Hallo Lucy, hier ist Meredy. Sorry, aber Juvia hat ihr Handy mal wieder im Wohnzimmer liegen lassen, bevor sie zu Lyon aufgebrochen ist.“

Das sah Juvia ähnlich. In vielen anderen Punkten war sie einer der zuverlässigsten Menschen, die Lucy kannte, aber wenn es um ihre eigenen Sieben Sachen ging, war sie fürchterlich vergesslich. Ganz besonders, was ihr Handy betraf, mit dessen Technik sie sowieso immer auf Kriegsfuß stand. Und Lyon war gleich noch mal ein Faktor, der das alles verstärkte. Seit Juvia mit dem charmanten Jurastudenten zusammen war, schwebte sie auf Wolke Sieben – wenn nicht sogar noch höher. Bloß gut, dass sie eine Mitbewohnerin hatte, die bestens mit ihren Macken zurecht kam und immer eine Auge auf sie hatte.

„Lucy, ist alles okay?“

„Oh, ja, tut mir Leid!“ Verlegen rieb Lucy sich mit der freien Hand über die bereits abgeschminkte Wange. Aus irgendeinem Grund war sie auf einmal nervös. „Ich bin ein wenig genervt und wollte mir den Frust von der Seele reden.“

„Bei Juvia?“, schnaubte Meredy leise.

Obwohl die Andere sie nicht sehen konnte, grinste Lucy leidig. Juvia war angesichts ihres schwer verliebten Zustandes momentan wirklich nicht die beste Wahl für so etwas, aber alle Anderen, die dafür in Frage kamen, waren auch nicht erreichbar. Levy war drei Zeitzonen voraus in Alvarez für ihre – viiiiiiel spannendere – Studienreise, um die Lucy sie immer noch beneidete. Ihr Zwillingsbruder Sting hatte heute Abend ein Date, von dem er sich im Vorfeld erhofft hatte, dass es einen gewissen Mathematikstudenten endlich in sein Bett locken würde, da wollte Lucy unter Garantie nicht stören – schon allein, weil Sting ansonsten wohl durch die Leitung gekrochen käme, um sich fürchterlich an ihr zu rächen. Cana und Loke dürften wohl gerade im Fairy Tail feiern, wie Lucy es auch tun würde, wenn sie Zuhause wäre. Und Natsu war zwar in vielerlei Hinsicht der weltbeste Freund, den man sich wünschen konnte, aber er war ein schrecklicher Zuhörer.

„War nicht die beste Idee, ich weiß. Tut mir Leid, dass ich dich gestört habe.“

„Kein Problem“, winkte Meredy ab. „Ich bin zwar nicht Juvia, aber wenn du willst, kannst du dich bei mir auskotzen. Juvia hat mir erzählt, dass du auf einer Studienreise bist, zu der du eigentlich gar nicht wolltest. So schlimm da?“

„Schlimmer“, seufzte Lucy gequält und ließ den Kopf hängen. „Die Ausgrabungsstätten sind schon interessant, auch wenn ich viel lieber die Türme der Akademie von Mildian gesehen hätte, aber Professor Yuri ist einfach furchtbar! Er gibt sich nicht einmal Mühe, die ganze Sache interessant zu gestalten! Und die meisten der Studenten führen sich auf die Grundschüler auf ihrer ersten Klassenfahrt! Da haben doch ernsthaft ein paar von denen ins Frauenbad gespickt! Und jetzt geben die sich im Nebenzimmer die Kante. Ich werde die halbe Nacht hindurch nicht schlafen können und dann wird der Tag morgen noch viel schlimmer!“

Als Lucy nach Luft schnappen musste, setzte Schweigen ein. Lange genug, um Lucy bewusst zu machen, dass sie sich mal wieder in Rage geredet hatte. Ihr schoss das Blut in die Wangen und sie zog ernsthaft in Erwägung, schnell aufzulegen.

Bei jedem anderen ihrer Freunde wäre es nicht so schlimm, dass sie sich so kindisch aufführte, aber doch nicht bei Meredy!

Immerhin war Meredy doch Medizinstudentin und so erwachsen und souverän und se-

Hastig schüttelte Lucy den Kopf, wobei ihr beinahe das Smartphone aus der Hand rutschte. Warum glitten ihre Gedanken immer wieder in diese Richtung ab? Alle Nase lang regte sie sich über Männer auf, die sich mehr für ihren Vorbau oder ihre Kehrseite als für ihre Augen interessierten, und dann war sie doch nicht besser! Und sowieso wusste sie doch nicht einmal, ob Meredy an Frauen interessiert war…

„Wow, das erinnert mich an das an das Anatomie-Seminar, als ein paar Dummköpfe allen Ernstes mit den Instrumenten herum gespielt haben“, murmelte Meredy zu Lucys Überraschung.

Kein Spott in ihrer Stimme, kein Ärger über die späte Störung wegen einer solchen Lappalie, nur aufrichtiges Mitleid. Lucy fiel eine Zentnerlast vom Herzen ab, aber schon im nächsten Moment wurde sie wieder nervös.

Seit sie die ominöse Mitbewohnerin ihrer langjährigen Freundin Juvia endlich kennen gelernt hatte, nachdem sie es tatsächlich ein ganzes Jahr lang immer wieder geschafft hatten, einander bei allen möglichen Anlässen zu verpassen, fühlte sie sich zu Meredy hingezogen. Das selbstbewusste, kesse Auftreten der Pinkhaarigen imponierte ihr einfach und es war anziehend, wie die smaragdgrünen Augen zu leuchten begannen, wenn die Sprache auf ihr Studium kam. Obendrein war sie auch ganz allgemein eine wunderbare Gesprächspartnerin.

Nachdem Levy allerdings mal bei einem Treffen mit Meredy dabei gewesen war und Lucy danach mit schalkhaft funkelnden Augen gefragt hatte, ob sie ein Faible für Pinkhaarige hatte, befand Lucy sich in einer Art Krise. Nicht wegen der Sache mit der Haarfarbe – denn abgesehen von der hatte Meredy nämlich überhaupt nichts mit Lucys bisherigen Beziehungen gemein. Sondern weil ihr seitdem selbst immer wieder auffiel, wie sie auf Meredys Anwesenheit reagierte.

Dabei hatte sie sich doch nach der Trennung von Sherry geschworen, dieses bestimmte Thema zu umgehen – denn obwohl diese Beziehung nie so intensiv wie damals zu Schulzeiten die Beziehung mit Natsu gewesen war, hatte die Trennung doch einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Immer wieder jemanden gehen lassen zu müssen, weil er sich in jemand anderen verliebt hatte, war schmerzhaft, auch wenn Lucy immer versucht hatte, es weg zu lächeln, damit keine Schuldgefühle aufkamen. Sie hatte sowohl mit Natsu als auch mit Sherry Frieden geschlossen, aber noch mal wollte sie das nicht durchmachen.

Und überhaupt: Sie wusste schlicht und einfach nicht, ob Meredy auch auf Frauen stand, also hatte sich das Thema sowieso erledigt.

„Wie lange musst du denn noch durchhalten?“, fragte Meredy, was Lucy aus ihren Gedanken riss und sie schon wieder erröten ließ.

Verdammt! Seit Levy das erwähnt hatte, drifteten Lucys Gedanken andauernd ab. Das war so megapeinlich!

„Drei Tage noch“, antwortete Lucy und rang sich ein besonders theatralisches Seufzen ab, um darüber hinweg zu täuschen, dass sie gerade gar nicht mehr an die blöde Studienreise dachte. Zum Glück konnte Meredy sie nicht sehen!

„Klingt, als wärst du danach urlaubsreif. Wir können ja im Fairy Tail einen draufmachen, wenn du wieder da bist. Dann kannst du mal so richtig Dampf ablassen.“

Wir?“, echote Lucy und auf einmal klopfte ihr Herz heftig.

War das etwa eine Einladung zu einem Date? War es das wirklich? Oder bildete sie sich das nur ein? War sie überhaupt wach? Wollte sie das?!

Am anderen Ende der Leitung erklang ein verlegenes Hüsteln – und Lucy würde ihre gesamte Buchsammlung verschenken, wenn sie jetzt nur sehen könnte, was für ein Gesicht Meredy machte!

„Nur, wenn du willst.“ Meredys Stimme klang betont gedehnt, aber Lucy bildete sich ein, dass ein leichtes Zittern darin mitschwang. „Wenn du lieber mit einem der Anderen…“

„Nein!“ Mit großen Augen starrte Lucy die Wand an, verblüfft von ihrer eigenen Forschheit. Ihr schoss schon wieder das Blut in die Wangen. „A-also… natürlich gehe ich auch gerne mit den Anderen aus, a-aber ich würde gerne… mit dir… also… nur wenn du willst…“

Bei allem, was ihr heilig war! Warum tat sich nicht der Boden unter ihr auf? Wie sollte sie Meredy jetzt noch unter die Augen treten?

Ein Laut, der nicht so wirklich eindeutig als Lachen oder Husten oder was auch immer zu deuten war, erklang am anderen Ende der Leitung. Dann räusperte Meredy sich schon wieder. „Also… wenn du wieder da bist?“

„J-ja… wenn ich wieder da bin“, murmelte Lucy benommen und strich sich mit heftig zitternden Fingern eine Strähne hinters Ohr, das sich mittlerweile auch brennend heiß anfühlte.

„Und bis dahin… könnte ich dir meine Nummer geben, damit du dich direkt bei mir auskotzen kannst?“, schlug Meredy vor. Die Frage hing unsicher in der Luft und irgendwie war das beruhigend für Lucy. Anscheinend war sie nicht die Einzige, die gerade nervös war.

„Ist das wirklich in Ordnung?“, fragte Lucy unsicher und schielte in Richtung der hässlichen Wanduhr des Herbergszimmers. „Ich will dich wirklich nicht stören. Es ist doch schon so spät.“

„Ist okay“, versicherte Meredy ihr. „Ich konnte sowieso nicht schlafen. Weil…“ Die Konjunktion hing eine gefühlte Ewigkeit in der Luft, ehe Meredy seufzte. War sie etwa verlegen? „Es ist wirklich okay, Lucy. Du kannst mich gerne anrufen.“

Schon wieder lagen Lucy lauter Fragen auf der Zunge, für deren Aussprache sie viel zu verlegen war. Und dennoch hoben sich ihre Lippen für ein verlegenes und zugleich seliges Lächeln.

„Okay, dann… danke!“

Sie brachte noch eine halbwegs anständige Verabschiedung zustande, dann legte sie auf und ließ sich nach hinten aufs Bett fallen, das Smartphone an ihre Brust gepresst, während sie darauf wartete, dass Meredy ihr ihre Handynummer schickte, auf ihren Lippen immer noch ein zaghaftes Lächeln.

Vielleicht sollte sie dieses Angebot vorerst nicht weiter hinterfragen, sondern sich einfach darüber freuen. Vielleicht sollte sie nicht an ihre vorherigen Erfahrungen und an ihre Unsicherheit über Meredys Vorlieben nachdenken. Und vielleicht – aber auch nur vielleicht! – sollte sie sich nach ihrer Rückkehr nach Magnolia Juvia schnappen, um mit ihr ein Outfit für das Vielleicht-Date mit Meredy zu shoppen.

17. “Watch your step.” (Kagukino)

Eigentlich – welcher Satz hatte jemals gut geendet, wenn er mit diesem Wort angefangen hatte? – mochte Yukino Klassenfahrten. Eine Woche lang rund um die Uhr mit ihren Freunden zusammen zu sein, interessante Ausflüge und der Reiz der neuen Umgebung, das alles machte Klassenfahrten in Yukinos Augen jedes Mal zu einem Abenteuer. Von ihren Freunden stimmten ihr da zwar nur Sting, Orga und Rufus zu – Dobengal hüllte sich diesbezüglich in Schweigen, Rogue schien es wohl eher zu missfallen, dass er weniger Zeit alleine mit Sting verbringen konnte, und Minerva beschwerte sich in einer Tour über das lieblose Gepansche, das sich Essen schimpfte –, aber so im Allgemeinen hatten sie während jeder Klassenfahrt tolle Erlebnisse geteilt. Nicht zuletzt die Klassenfahrt im vorigen Jahr, während der es Yukino und den Anderen endlich gelungen war, Sting und Rogue miteinander zu verkuppeln – auch wenn es nicht ganz die feine Art gewesen war, die Beiden eine ganze Nacht lang in einem Besenschrank einzusperren, aber harte Zeiten erforderten manchmal eben auch harte Maßnahmen.

Ja, eigentlich war Yukino wirklich der Meinung, dass Klassenfahrten etwas Gutes waren. Auf diese hier hatte sie sich wirklich gefreut, immerhin war das die allerletzte. In drei Monaten würden die Abschlussprüfungen beginnen und in etwas mehr als einem halben Jahr würde sich die Klasse in alle Winde zerstreuen. Das betraf leider auch Yukinos Freundeskreis. Rogue, Minerva und Rufus würden für ihr Studium vielleicht die Heimatstadt verlassen müssen und Dobengal und Sting wollten erst einmal ihren Wehrdienst absolvieren, nur Orga und Yukino würden definitiv in der Stadt bleiben und ihre Ausbildungen anfangen. Deshalb hatte Yukino sich von dieser Klassenfahrt noch einige schöne Erinnerungen mit ihren Freunden erhofft.

Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass einige der anderen Klassenmitglieder eine Gruselnacht initiieren und dass die Lehrer das – weil es ja die letzte Klassenfahrt war – durchgehen lassen würden. Mit vielen konnte Yukino leben. Wer mit Sorano aufwuchs, konnte jedes noch so schlechte Essen klaglos ertragen, und sich das Zimmer mit drei anderen Schülerinnen teilen zu müssen, war nun wirklich kein Drama, wenn es nur für ein paar Tage war. Aber Yukino war ein Hasenfuß, wenn es um alles ging, was irgendwie mit Gruselgeschichten zu tun hatte, seit sie als Sechsjährige mit ihrer Schwester und deren Freunden einen Horrorfilm gesehen hatte. Wenn Yukino auch nur das Wort Grusel hörte, bekam sie es schon mit der Angst zu tun!

Das wussten ihre Freunde auch – eigentlich – und so gerne sie einander auch mal foppten, bei dem Thema nahmen sie für gewöhnlich viel Rücksicht auf Yukino. Nur heute… irgendwie nicht…

Am Anfang dieser dämlichen Gruselnachtwanderung waren sie noch zu siebt durch den Wald gestapft und hatten einvernehmlich auf ihre Klassenkameraden geschimpft, die sich diesen Mist ausgedacht hatten, aber irgendwie waren Minerva und die Anderen so nach und nach verschwunden. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Wenn es nur bei Sting und Rogue geblieben wäre, hätte Yukino ja noch Minervas anzüglichen Kommentaren geglaubt, dass die Beiden sich wohl für ein Weilchen vom Klassentrubel abseilen wollten, aber einer nach dem Anderen hatten sich Orga, Rufus und Dobengal regelrecht in Luft aufgelöst. Zuletzt hatte Minerva erklärt, sie würde noch mal zurück gehen und nach den Jungs suchen und Yukino solle doch schon mal weiter gehen, und war davon getrabt.

Das würde Yukino ihr niemals verzeihen!

Zitternd und den Umstand verfluchend, dass sie ihr Handy in der Herberge noch nicht hatte aufladen können, tastete Yukino sich weiter vor. Um sich herum konnte sie viel zu viele Geräusche hören, die ihr viel zu suspekt waren. Irgendwo vor sich konnte sie erschrockene Schreie hören und ganz unwillkürlich wurde sie immer langsamer, bis sie schließlich ganz stehen blieb und sich zu Boden hockte.

Es war so gemein von ihren Freunden, sie einfach so im Stich zu lassen. Sie wussten doch von Yukinos Problem! Beinahe kamen Yukino die Tränen, so enttäuscht war sie…

Als hinter ihr ein Zweig knackte, stieß sie einen spitzen Schrei aus und wirbelte herum. Sie verlor in ihrer Hockstellung das Gleichgewicht und landete auf dem Hosenboden, die Arme schützend erhoben.

„Yukino?“

Warmes Licht fiel auf sie und sie musste mehrmals blinzeln, um die Person hinter der Taschenlampe zu erkennen. Zuerst sah sie jetschwarze Haare, die zu einem hohen Zopf gebunden waren, dann eine schlanke, feminine Gestalt, etwas größer als sie selbst und mit angedeuteten Oberarmmuskeln, die von einem rigorosen Training kündeten.

Auf einmal fühlte Yukino sich aus einem ganz anderen Grund wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Ihr schoss das Blut in die Wangen und ihr Herz schob Überstunden.

„K-kagura! W-w-was machst du denn hier?“, stammelte sie und rappelte sich hastig auf, wobei sie fast nach vorn gefallen wäre.

„An dieser… Gruselnacht teilnehmen“, antwortete die Klassensprecherin wenig begeistert und senkte ihre Taschenlampe, um Yukino nicht zu blenden. „Bist du auch ganz alleine? Lisley und Arana haben sich irgendwie aus dem Staub gemacht.“

„D-dann sind w-wir ja schon zu zweit!“, quietschte Yukino und verspürte im nächsten Moment den Drang, schreiend davon zu rennen.

Sie war schon seit einer Ewigkeit in die attraktive Schwertkämpferin verschossen, aber so enthusiastisch sie auch dabei gewesen war, Sting und Rogue zu verkuppeln, und so niedlich sie auch Orgas Flirts mit Lisley fand, sie hatte nie den Mut gefunden, etwas zu unternehmen, um Kagura näher zu kommen. Stattdessen führte sie sich in Kaguras Gegenwart jedes Mal wie eine Vollidiotin auf!

Als würde sie irgendetwas suchen, blickte Kagura sich mehrmals um und Yukino hatte dabei das Gefühl, als würde die Schwarzhaarige jeden Blick in ihre Richtung vermeiden wollen, ehe sie schließlich leise seufzte. „Sie werden doch nicht…?“

„W-was denn?“, fragte Yukino verwirrt.

„Schon gut“, winkte Kagura ab und wedelte hastig mit ihrer Taschenlampe. Bestimmt hatte Yukino sich das im flackernden Licht nur eingebildet, dass die Wangen der Anderen gerötet waren, oder? „Wollen wir einfach zusammen weiter laufen?“

Yukino blieben die Worte im Hals stecken. Es war schon schlimm genug, dass sie sich wegen dieses dummen Gruselkrams so peinlich aufführte, aber das Ganze auch noch vor Kaguras Augen zu tun, war einfach zu viel. Danach würde Kagura garantiert nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen!

Unfug!, schalt Yukino sich selbst im nächsten Moment. Kagura war nicht so eine, die sich über die Ängste von Anderen lustig machte! Sie war eine großartige Klassensprecherin, setzte sich für alle Mitschüler ein, ging bei Hänseleien immer dazwischen. Es gab keinen gerechteren und überhaupt rundum besseren Menschen als Kagura!

Bei dem Gedanken wurden Yukinos Wangen gleich noch viel wärmer und sie senkte hastig den Blick, um dem Boden zu zunicken.

Für einige peinliche Augenblicke scharrte Kagura vor ihr unschlüssig mit den Füßen, ehe sie sich in Bewegung setzte. Mit wabbeligen Beinen folgte Yukino ihr, hielt den Blick jedoch weiterhin gesenkt, weil es ihr sogar schon peinlich war, nur auf Kaguras schlanken Rücken zu starren.

Dank der Sicherheit ihrer Taschenlampe legte Kagura ein strammes Marschtempo vor und Yukino versuchte, hinterher zu kommen, traute sich jedoch nicht, neben der Schwarzhaarigen zu laufen. Als sie schließlich über irgendetwas stolperte und direkt in Kaguras Rücken fiel, wäre sie am liebsten vor lauter Scham im Boden versunken.

„T-tut mir Leid!“, jammerte sie den Tränen nahe.

Als sich eine warme Hand um ihre schloss, hatte Yukino das Gefühl, gleich zu sterben, so schnell klopfte ihr Herz auf einmal.

„Pass’ auf, wo du hin trittst“, flüsterte Kagura. Warum flüsterte sie? Und warum klang sie so heiser? Yukino war ganz schwindelig. Bildete sie sich das Zittern von Kaguras Hand nur ein? Vollkommen benommen blickte sie zu der Schwarzhaarigen hoch, die sich auf der Unterlippe herum kaute, ehe sie zaghaft weiter sprach. „Lass’ uns nebeneinander laufen, ich kann uns Beiden leuchten.“

Ein unartikuliertes Krächzen war alles, was Yukino zustande brachte, aber das schien Kagura zu reichen. Sie setzte sich wieder in Bewegung und leuchtete ihnen. Jetzt zitterte ihre Hand eindeutig, aber sie hielt Yukinos kleinere weiterhin fest und drückte sie behutsam.

Und Yukino folgte ihr…

18. “Here, drink this. You’ll feel better.” (Laxerva)

Seufzend stieß Minerva die Tür auf und bereute es beinahe sofort wieder. Das Fairy Tail war so brechend voll wie eh und je.

In einer Ecke fand ein lautstarker Wettkampf im Armdrücken statt. Um den Arenatisch herum standen und saßen lauter Zuschauer, die johlend und provozierend ihren jeweiligen Favoriten anfeuerten. Ziemlich am Rand der Szene saß Rogue und beobachtete den kindischen Wettstreit mit einem skeptischen Stirnrunzeln. Anscheinend war Sting einer der Kontrahenten, ansonsten hätte der Schwarzhaarige sich überhaupt nicht dafür interessiert.

Für einen Moment erwog Minerva, sich zu Rogue dazu zu gesellen, aber sie verwarf den Gedanken wieder, als sie Natsus Kampfgeschrei hörte. Sie war eindeutig zu angeschlagen, um sich so nahe an diesen Unruheherd zu begeben.

Sie ließ den Blick weiter wandern über all die besetzten Tische. An einem der größeren fand gerade eine Pokerrunde statt, allem Anschein nach strebte sie dem Ende entgegen, denn ein Großteil der Chips lag bereits fein säuberlich gestapelt vor Yukino. Ein mattes Lächeln umspielte kurz Minervas Lippen. Niemand traute es ihrer weißhaarigen Kameradin jemals zu, aber Yukino war die gefährlichste Pokerspielerin aller Zeiten. Mit ihrer sonst so liebreizenden Art und ihrem scharfen Verstand zockte sie regelmäßig den gesamten Stützpunkt ab.

In der ruhigsten Ecke fachsimpelten ein paar Leute aus der Taktischen Abteilung miteinander. Die Wortführerinnen waren – wenig überraschend – Lucy und Levy. Normalerweise wäre das auch eine interessante Möglichkeit gewesen, den Abend zu verbringen, auch wenn Minerva als Teamführerin einen ziemlich guten Stand bei ihren Kameraden hatte und gerne auch ihre freien Abende mit eben diesen verbrachte. Aber gerade als Teamführerin wusste sie es zu schätzen, auch Einblick in die Überlegungen der oberen Riege zu erhalten, von denen schließlich auch ihr Leben und das der ihr anvertrauten Soldaten abhing.

Doch heute war sie einfach nur müde und doch zu aufgewühlt, um sich in ihre kleine Kammer zu verziehen. Noch immer flackerten die Bilder des heutigen Tages vor ihrem inneren Auge auf und sie fragte sich, ob sie überhaupt jemals verschwinden würden.

Minerva suchte die Theke ab, die ebenfalls voll besetzt war. Feuermeister Conbolt und Zeugmeister Mine hatten sich an einem Ende bereits ordentlich abgeschossen und säuselten der Bedienung irgendwelche Peinlichkeiten zu. Das übliche Bild also. Zu Minervas Erleichterung war der letzte freie Platz an der Theke sehr weit von ihnen entfernt. Für gewöhnlich könnte sie die volltrunkenen Komplimente der beiden Männer, die beinahe so alt wie ihr Vater waren, einfach an sich vorbei ziehen lassen, aber heute brauchte sie auch zu ihnen Abstand.

Erst als sie schon fast den leeren Platz erreicht hatte, bemerkte sie, wer links davon und somit ganz an der Wand saß. Ausgerechnet einer der wenigen, die wussten, was Minerva heute durchgemacht hatte. Und obendrein genau die Person, neben der Minerva es schon in Höchstform selten lange aushielt. Es schien einfach wie ein Naturgesetz zu sein, dass es zwischen ihnen krachte. Ihre jeweiligen untergebenen Soldaten hatten sich deswegen sogar schon miteinander verschworen, um sie möglichst voneinander fern zu halten.

Müde sah Minerva sich noch mal im vollen Schankraum um, aber die wenigen leeren Plätze, die sie sonst noch entdecken konnte, waren noch viel weniger verlockend – was schon eine Menge über die potenziellen Sitznachbarn aussagte, aber die Plätze neben ihnen waren ja auch nicht ohne Grund leer.

Resigniert schwang Minerva sich auf den Barhocker und winkte Kinana heran, die sich offensichtlich erleichtert von Conbolt und Mine abwandte und ein Bier für den neuen Gast abzapfte. Dankbar für den Umstand, dass sie nicht einmal wirklich bestellen musste, weil die Barfrau ihre Vorlieben bereits kannte, nickte Minerva der Violetthaarigen einfach nur zu, ehe sie an ihrem Humpen nippte.

Sie verzog das Gesicht. Sie war sich vollkommen sicher, dass dem nicht so war – so etwas war hier absolut undenkbar –, aber das Bier kam ihr dennoch schal vor. Die Flüssigkeit glitt unangenehm zäh durch ihre verengte Kehle und der Geruch reizte ihre hypersensibilisierte Nase. Unauffällig schob sie den Humpen ein kleines Stück von sich und starrte verdrossen auf die dunkle Thekenplatte hinunter, auf der unzählige Soldatengenerationen bereits ihre Nachrichten eingeritzt hatten. Unwillkürlich fragte sie sich, wie viele dieser Soldaten das gesehen hatten, was sie heute gesehen hatte.

„Davor warnen sie einen nicht bei der Grundausbildung.“

Überrascht hob Minerva den Blick und blickte nach links. Ihr unliebsamer Sitznachbar blickte mit seinen orangefarbenen Augen finster in sein Wodka-Glas hinunter – komisch, dabei war Minerva sich sicher, dass er normalerweise auch bei Bier blieb. Seine Kiefer mahlten angespannt und seine dichten dunkelblonden Augenbrauen hatten sich zusammen gezogen. Seine kurzen, blonden Haare wirkten seltsam wirr, als wären seine breiten Hände mehrmals hindurch gefahren, und irgendwie ließ die breite, blitzförmige Narbe, die über seine rechte Augenbraue und bis hinunter zu seiner Wange verlief, ihn heute noch düsterer als sonst wirken.

„Nein, tun sie nicht“, antwortete Minerva tonlos und ließ den Blick lieber über die vielen Fotos wandern, die mit Reißzwecken an den Hängeschränken hinter der Theke befestigt waren.

Irgendwo unter all diesen Fotos gab es gewiss auch eines von Minervas Rekrutengruppe. Viele waren von den ehemals vierzig Soldaten nicht mehr übrig. Mehr als die Hälfte hatte nach der Grundausbildung aufgehört, einige waren versetzt worden und einige waren bereits in Erfüllung ihrer Pflicht gestorben… Der Einzige aus dieser Gruppe, den Minerva noch kannte, war ihr Sitznachbar.

Genau wie Minerva hatte er zu den besten Absolventen bei der Abschlussprüfung gehört. Genau wie Minerva war er jetzt ein Teamführer. Sie waren geradezu zur Rivalität prädestiniert, aber irgendwie war das oft in offene Feindseligkeit umgeschlagen, ohne dass Minerva wirklich erklären könnte, warum. Es hatte zwischen ihnen irgendwie immer zum guten Ton gehört. Für die Leute in ihrem Umfeld war es oft viel nervenaufreibender als für sie Beide.

Nur heute spürte Minerva nichts von dieser Rivalität und sie war dankbar darum. Das war ein Kampf, den sie nicht gewinnen konnte – nicht gewinnen wollte.

Noch einmal versuchte Minerva, an ihrem Bier zu nippen, doch sie hatte das Gefühl, daran zu ersticken. Der Anblick des weißen Bierschaums erinnerte sie an weißblondes Haar, das wie ein Heiligenschein auf rostigem Untergrund ausgebreitet war. An ein bleiches Kindergesicht mit leeren großen, blauen Augen, die Miene voller Schrecken. An einen zierlichen, unnatürlich verdrehten Körper. An weitere Körper, blass wie Schnee, von roten Striemen und blauen Quetschungen abgesehen, übereinander geworfen auf der Ladefläche eines verbeulten Lastwagens wie wertlose Puppen…

Dieses Mal schob sie den Humpen ganz offen von sich und fischte nach ihrer Börse. „Ich glaube, ich muss zu Doktor Marvell…“

Warum sie ausgerechnet ihrem Sitznachbarn gegenüber zugab, dass sie eine Einschlafhilfe brauchte, war ihr schleierhaft. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie das gegenüber ihren Kameraden zugeben würde, dabei würde sie ihnen sonst jederzeit ihr Leben anvertrauen.

Als Kinana zu ihr kam, hob der Mann neben ihr sein Glas und spreizte Zeige- und Mittelfinger ab, ehe er nach rechts nickte. Die sonst so sattelfeste Barfrau hob überrascht die Augenbrauen und blickte zwischen ihren beiden Gästen hin und her, ehe sie der Anweisung nach kam, ein zweites Glas holte und es genau wie das des Blonden zur Hälfte füllte. Taktvoll zog sie sich danach zurück.

Verwundert blickte Minerva von dem Glas vor ihr zu ihrem Sitznachbarn auf, doch der schenkte ihr nur einen kurzen, undeutbaren Seitenblick, ehe er seine Aufmerksamkeit seinem eigenen Glas widmete.

„Trink’ das. Du wirst dich besser fühlen“, erklärte er leise.

Das bezweifelte Minerva. Das Einzige, was sie vom Genuss dieser klaren Flüssigkeit erwartete, war ein tüchtiger Kater am nächsten Morgen. Doch andererseits hatte sie kaum noch etwas zu verlieren. Ihr Team würde es morgen so oder so mit einer unerträglichen Anführerin zu tun bekommen.

Wortlos griff sie nach dem Wodka-Glas, zögerte noch einmal, dann stieß sie es sachte gegen das Glas ihres Sitznachbar, ehe sie es an ihre Lippen setzte…

19. “Can I hold your hand?” (Flarengal)

Unter seinen Mitmenschen war Dobengal nicht unbedingt für seine Redseligkeit bekannt. Er hielt sich für gewöhnlich lieber zurück, hörte zu, beobachtete, kombinierte. Man munkelte, er kenne die intimsten Geheimnisse aller Schüler und Lehrer, wisse über jede Leiche im Keller Bescheid, könne sogar Gedanken lesen…

Ganz so war es dann doch nicht. Zum einen wollte Dobengal gar nicht über die Geheimnisse seiner Mitschüler Bescheid wissen. Es war ihm herzlich egal, wer wen mit wem betrogen oder ob jemand bei einer Prüfung geschummelt hatte. Zum anderen gruselte es ihm selbst bei der Vorstellung, die unreifen Gedanken seiner Mitschüler zu lesen. Die konnten ihre albernen Überlegungen ruhig für sich behalten.

Nichts desto trotz fielen ihm Dinge auf. Schon kleine Gesten konnten so viel verraten, mitunter genügte ein einziger Blick. Dobengal hatte ein Talent dafür, die richtigen Schlüsse aus solchen Dingen zu ziehen. Deshalb hatte man ihn schon in der Grundschule immer des Schnüffelns bezichtigt. Einfach weil er eben nicht blind durch die Gegend lief, wie es die meisten Anderen taten.

Nicht blind zu sein, hieß gleichwohl nicht, dass er alles sah. Hätte er etwa über Heines Machenschaften Bescheid gewusst, hätte er es Rogue gesagt. Die Liebesdramen der Anderen waren ihm egal, aber Rogue gehörte zu seinen Freunden. Das verpflichtete. Zumindest Dobengal, der überhaupt erst in der Oberschule richtige Freunde gefunden hatte. Auch wenn das zwischen den Beiden sowieso nie die Große Liebe gewesen war, Heines Doppelspiel hatte Rogue dennoch enttäuscht und vielleicht sogar für den Rest seines Lebens gezeichnet. Das hätte Dobengal ihm erspart, wenn es in seiner Macht gelegen hätte…

Heute allerdings fühlte Dobengal sich sehr blind und verspürte das Bedürfnis, laut zu schreien. Zwar hatte er sich im Griff, aber bei weitem nicht so gut, wie er sich das wünschen würde. Anderen fiel es sicher nicht auf, aber ihm entging nicht, dass seine Hände schwitzig waren und dass ihm das Blut in den Ohren rauschte. Er bemerkte sehr wohl, wie schwer es ihm fiel, normal zu atmen, und wie hart ihm das Herz gegen den Brustkorb hämmerte. Seine Sinne schienen ihm überreizt zu sein und ihm war heiß und kalt zugleich…

Der Grund für diesen Zustand hatte schier unendlich lange, rote Haare, große, rote Augen und ein herzförmiges Gesicht, das immer von einer gewissen Scheu gezeichnet war – und er stand neben Dobengal in der Straßenbahn und klammerte sich mit winzigen Händen an eine der Haltestangen in dem Versuch, nicht von den anderen Fahrgästen abgedrängt zu werden. Der Name dieses Wundergeschöpfs war Flare Corona.

Dobengal wusste, dass sie die Halbschwester von Minervas Freund Laxus war. Er wusste, dass sie zwei Jahrgänge unter ihm war, erst seit einem halben Jahr auf seine Schule ging und noch immer keinen Anschluss gefunden hatte. Er wusste, dass sie von vielen schief beäugt wurde, weil es Gerüchte über ihren Vater und dessen illegalen Machenschaften gab. Er wusste, dass Flare nichts mit diesen Dingen zu tun haben wollte, weil sie sanft und rein und auf ihre eigene Art einfach ehrlich war. Er wusste, dass sie Haare mochte und sich auch gerne mit ihren eigenen beschäftigte. Und er wusste, dass sie ein wunderschönes Lächeln hatte.

Zuletzt wusste er aber auch, dass dieses Mädchen Besseres verdient hätte als einen Sonderling wie ihn, der obendrein auch nichts zu bieten hatte, weil er aus einer Problemfamilie kam, weil er kaum soziales Kapital hatte und weil er Polizist werden wollte und sich somit früher oder später mit ihrem Vater anlegen würde…

Als die Straßenbahn viel zu abrupt hielt, torkelte die Hälfte der stehenden Fahrgäste durch die Gänge. Flares Finger rutschten von der Stange ab und noch ehe Dobengal reagieren konnte, klammerten sich dieselben Finger an seinen Ärmel. Beinahe vergaß er darüber, sich selbst richtig festzuhalten. Der Geruch von Flares Shampoo stieg ihm in die Nase, eine dezente Blütennote, die Dobengal nicht näher bestimmen konnte, die jedoch zu Flare passte. Durch den Stoff seiner Jacke spürte er die Zartheit ihres Griffs, ihren Versuch, ihm trotz der Gegebenheiten nicht auf die Pelle zu rücken. Zwischen ihren roten Strähnen sah er ihre geröteten Wangen und erkannte, dass sie unter schweren Wimpern erst verängstigt, dann überrascht und schließlich doch wieder verunsichert zu ihm hoch blinzelte.

„T-tut mir Leid“, nuschelte sie und senkte den Blick.

Dobengal verspürte Bedauern. Obwohl er sich schon seit Wochen einredete, dass das mit ihm und Flare nichts werden konnte, war es doch berauschend, ihr so nahe zu sein. Er konnte sich nicht erinnern, jemals eine solche Gelegenheit gehabt zu haben. Wie auch? Sie gehörten in unterschiedliche Jahrgangsstufen und hatten auch sonst keinerlei Kontaktmöglichkeiten. Es war reiner Zufall, dass sie heute dieselbe Straßenbahn nahmen und nebeneinander standen. Bei all seinen unauffälligen – und anfangs sogar tatsächlich immer nur unbewussten – Beobachtungen hatte Dobengal es doch nie darauf angelegt, länger in Flares Nähe zu sein, als es in Anbetracht ihrer sehr vagen Bekanntschaft normal wäre. Sie war die Halbschwester des Freundes einer Freundin und sie hatte nicht einmal viel mit besagtem Freund zu tun, weil der schon lange nicht mehr beim gemeinsamen Vater lebte.

„Schon gut“, murmelte er unbestimmt zurück und richtete seinen Blick auf die Tafel, welche die nächsten Haltestellen anzeigte.

Nachdem die Straßenbahn endlich wieder normal fuhr, ließ Flare ihn los und klammerte sich wieder an die Haltestange. Dobengal wagte es nicht, in ihre Richtung zu schielen, um einen weiteren wie zufälligen Blickkontakt zu erhaschen, und konzentrierte sich weiter auf die Anzeigetafel.

Beim nächsten Halt stieß sie wieder gegen ihn, hielt sich dieses Mal jedoch nicht an ihm fest, weshalb sie beinahe gestürzt wäre. Unbeholfen griff Dobengal nach ihrer Halt suchenden Hand und zog sie zu sich. Ihm wurde noch wärmer, als er sah, wie sich Flares Augen überrascht weiteten. Ihre zierlichen Finger fühlten sich zwischen seinen weich und geschmeidig an und ganz unwillkürlich drückte Dobengal ein bisschen fester zu.

„Kann ich deine Hand halten?“, fragte er und fragte sich im selben Moment, woher das gekommen war. Mittlerweile konnte er nur noch beten, dass ihm die Hitze, die ihm zusetzte, nicht auch noch anzusehen war. Als Flare ihn nur überrascht anstarrte, musste er sich räuspern, bevor er seine Sprache wieder fand. „Ich meine… damit du nicht fällst…“

Es war die lausigste Ausrede, die Dobengal jemals gehört hatte, und sie kam ausgerechnet aus seinem Mund. Beinahe schämte er sich dafür. Doch als die winzige Hand sich zaghaft an seine klammerte und ein scheues Lächeln um die weichen Lippen des Mädchens spielte, während sie dankbar nickte, war ihm das auch egal.

Es hieß ja alles nicht, dass er mehr daraus werden ließ – was auch immer man unter mehr verstehen wollte. Es hieß einfach nur, dass er hier und jetzt Flares Hand halten konnte. Einfach nur ein Hilfsdienst für eine Bekannte, mehr nicht. Daran war auch dann nichts Verwerfliches, wenn er sich dabei gut fühlte…

20. “You can borrow mine.” (Romendy)

Nervös kaute Romeo auf seinem Stift herum. Vor ihm lag das Blatt mit den Matheaufgaben, die ihm vollkommen schleierhaft waren, obwohl er die Formeln dafür gestern bis in die späte Nacht hinein gepaukt hatte. Nach der Gardinenpredigt seines Vaters über Fleiß, gute Noten, die Zukunft und all solchem Kram hatte er sich Mühe geben wollen, um sich eben so was nicht noch mal anhören zu müssen. Er wusste schon längst, was er machen wollte, auch wenn es seinem Vater nicht gefiel, da brauchte er keine blöden Integrale!

Als er heute Nacht um zwei jedoch das Licht ausgemacht hatte, hatte er geglaubt, das Thema so halbwegs verstanden zu haben und vielleicht nicht mit Glanznote, aber doch mit etwas Besserem als einem schnöden Bestanden aus der Sache heraus zu kommen. Auch heute Morgen noch war er wild entschlossen gewesen und hatte seinen Freunden Happy und Lector großspurig verkündet, dass er in Ichiyas Kunstunterricht eine Frage stellen würde, wenn er bei dieser Arbeit etwas Schlechteres als eine Drei einfuhr.

Aber jetzt war Romeos Kopf leer, als hätte ihm jemand einen Staubsauger ins Ohr gesteckt und dann angeschaltet. Vor ihm auf dem Blatt tanzten lauter dumme Symbole, die überhaupt nichts mehr mit der Realität zu tun hatten.

Denn seine Realität kreiste nur noch um das Mädchen, das neben ihm saß. Es hatte schier unendlich lange dunkelblaue Haare, die zu zwei hohen Zöpfen gebunden waren, ein hübsches stupsnasiges Gesicht mit einem spitzen, energischen Kinn, schüchtern lächelnden Lippen und den schönsten Augen, die Romeo jemals gesehen hatte. Tiefbraun und voller Sanftmut und Güte…

Als vor ihm ein Zettelchen landete, schlug Romeo seine Hand darauf, ohne auch nur eine Sekunde lang darüber nachdenken zu müssen. Es war wahrlich nichts, worauf man stolz sein musste, aber wenn es darum ging, mit seinen Freunden während des Unterrichts Botschaften auszutauschen, machte ihm so schnell keiner etwas vor!

Unauffällig entfaltete er den Zettel und legte zur Hälfte seinen Taschenrechner darüber, damit Mr. Yuri nichts bemerkte. Nach einem letzten vergewissernden Blick zu dem graugesichtigen Lehrer las Romeo die krakelige Schrift seines besten Freundes Happy: Frag’ sie, ob sie mit dir ausgeht :D

Romeos Gesicht wurde feuerrot und er warf Happy an der Bank neben seiner einen empörten Blick zu. Doch der Blauhaarige strahlte ihn nur aufmunternd an, während Lector neben ihm amüsiert grinste. Beinahe hätte Romeo sich dazu hinreißen lassen, ihnen die passende Geste für einen derartigen Kameradendienst zu zeigen, aber dann erinnerte er sich wieder daran, dass neben ihm ein Mädchen saß.

Nein, falsch.

Das Mädchen.

Wendy Marvell war heute neu in die Klasse gekommen. Sie war früher im Cait Shelter College gewesen, dieser berühmten Schule für Hochbegabte. Warum sie jetzt an eine ganz normalen High School in Magnolia ging, hatte sie bei ihrer Vorstellung vorhin natürlich nicht breit getreten, aber sie schien sich ehrlich zu freuen, nun hier zu sein. Ihre Augen hatten gefunkelt und ihr schüchternes Lächeln war bezaubernd gewesen!

Dabei hatte Romeo sich bisher nicht wirklich etwas aus Mädchen gemacht. Klar, Lectors beste Freundin Frosch war schwer in Ordnung und irgendwie so etwas wie jedermanns kleine Schwester. Man musste sie einfach gern haben. Chelia war so ein Mädchen zum Pferdestehlen, eine super Freundin, immer zu Scherzen aufgelegt und mit genug Energie für Drei. Und die elegante, reife Charle war stets die mit dem kühlen Kopf in der Gruppe – und nebenbei war es einfach lustig, wie sie Happy jedes Mal abblitzen ließ.

Aber so Dates und Beziehungen und all so was… Nein, damit hatte Romeo bisher nichts am Hut gehabt. Wozu auch? Er war fünfzehn – und hatte sein übereifriger Vater ihm nicht vor zwei Jahren mal diese super peinliche Predigt gehalten, dass er die Finger von Frauen lassen sollte, bis er volljährig wäre? Was auch immer sein Vater darunter verstanden hatte. Die altklugen Zwischenrufe von Romeos Patenonkel Wakaba hatten das auch nicht besser gemacht.

Doch Wendy…

Himmel, sie war einfach süß! Romeo wollte ihr zu gerne mal so richtig in die Augen blicken und mit ihr reden und… Vielleicht war Happys Vorschlag doch nicht so dämlich…

Wenn er nur wüsste, wie man so etwas anstellte! Mit Happy hatte er das perfekte Negativbeispiel. Lector hatte Romeos bisheriges Desinteresse an Mädchen als solchen immer eifrig geteilt. Und wie Eve Tearm, Chelias Freund, wollte er es sicher nicht angehen. Allein bei der Vorstellung, so einen schnulzigen Spruch á la „Oh Licht meines Lebens, darf ich deine Tasche tragen?“ abzusondern, versank Romeo beinahe im Boden.

Warum lernte man so etwas eigentlich nicht in der Schule? Das wäre viel nützlicher als diese dämlichen Integrale!

„Noch fünfzehn Minuten“, knarrte Mr. Yuris Stimme durch die arbeitsame Stille.

Siedend heiß fiel Romeo ein, dass er noch keine einzige Aufgabe gelöst hatte. Verdammt noch mal, sein Vater würde ihm ewig damit in den Ohren liegen, wenn er eine Sechs einfuhr, weil er ein leeres Blatt abgegeben hatte!

Krampfhaft darum bemüht, nicht mehr zu Wendy zu blicken, richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Aufgabenblatt und griff nach seinem Kugelschreiber, um sich an der erstbesten Aufgabe zu versuchen. Doch als er die Nummer auf sein kariertes Blatt schreiben wollte, stellte er fest, dass sein Kugelschreiber nicht schrieb.

„Verdammte Sch…“

Hastig hielt Romeo sich die Hand vor den Mund und blickte neben sich. Wendy hatte den Blick erhoben und sah ihn mit großen Augen an, als hätte sie noch nie solche Worte gehört. Ob sie ihn jetzt für einen Gangster hielt? Er wollte kein Gangster in ihren Augen sein!

Wendys Blick huschte auf Romeos Hand und in ihre Miene trat Verstehen. Sie griff nach ihrem Federmäppchen und holte einen Ersatzkugelschreiber daraus hervor, denn sie Romeo hinhielt, ihre Wangen auf einmal gerötet.

Wow, war das süß!

„D-du kannst meinen leihen“, flüsterte sie.

Beinahe verspürte Romeo Enttäuschung darüber, dass Wendys erste Worte an ihn sich um diesen dämlichen Kugelschreiber drehten. Er hatte das Gefühl, dass er viel lieber etwas ganz anderes gehört hätte.

„D-danke“, stammelte er mit heißen Wangen und nahm den Kugelschreiber an, um sich endlich an seinen Matheaufgaben zu versuchen.

Wirklich etwas schaffen würde er wohl nicht mehr. Um die Predigt würde er nicht herum kommen. Aber dafür – und bei dem Gedanken grinste er dümmlich auf sein Blatt hinunter – hatte er nachher einen Grund, um noch mal mit Wendy zu reden!

21. “You might like this.” (Chappy)

Das Päckchen stand mitten auf Charles Schulbank, unzumutbar stümperhaft in Geschenkpapier mit Fischmuster eingewickelt, daran eine grellbunte Geburtstagskarte befestigt und für jeden von Charles Mitschülern perfekt zu sehen. So etwas konnte wirklich nur eine Person bringen!

Als er an Charle vorbei zu seinem eigenen Platz ging, kicherte Lector unverhohlen und auf der anderen Seite des Raums saß Chelia mit schlenkernden Beinen auf ihrem Tisch und grinste in Charles Richtung. Sogar Wendy, die sich bereits auf dem Stuhl neben Charles nieder gelassen hatte, zog die Lippen ein, um ein amüsiertes Lächeln zu unterdrücken.

Mit einem resignierten Seufzer rieb Charle sich die Schläfe und ließ sich neben ihrer besten Freundin nieder, ehe sie ihre Biologieunterlagen aus ihrer Tasche heraus suchte, peinlich genau darauf bedacht, das Päckchen nicht weiter zu beachten – genauso wenig wie die ungeduldigen Blicke, die auf ihr lasteten.

„Nun sei doch nicht so“, murmelte Wendy neben ihr. „Happy hat es nur gut gemeint.“

„Ich hatte letzte Woche Geburtstag“, erwiderte Charle würdevoll. „Und du solltest Happy nicht immer in Schutz nehmen, Wendy. Du bist viel zu gutmütig für die Welt.“

„Aber wir hatten letzte Woche noch Ferien und Happy hat doch erzählt, dass er mit seinen Eltern zum Angeln geht.“

„Ich erinnere mich“, seufzte Charle gequält.

Wochen im Voraus hatte Happy immer wieder über diesen Urlaub geredet, hatte ihnen Fotos von der Seenlandschaft gezeigt, zu der er jedes Jahr mit seinen Eltern fuhr, und von den Fischen, die er dort zu fangen hoffte. Dass die meisten in seinem Umfeld rein gar nichts mit Angeln anfangen konnten, hatte ihn nicht interessiert oder war ihm nicht aufgefallen – letzteres war sogar wahrscheinlicher.

„Freust du dich denn gar nicht, dass er sich solche Mühe für dich gegeben hat?“, fragte Wendy.

Wie typisch für sie, dass sie immer das Gute in den Dingen sah – selbst dann, wenn es eigentlich nicht da war. Manchmal war sie geradezu himmelschreiend naiv, dass es fast schon an Selbstgefährdung grenzte. Aber andererseits war sie sehr sensibel für die Stimmungen der Menschen um sich herum. Wenn sie später einmal in die Fußstapfen ihrer Mutter treten und Ärztin werden würde, würde ihr das sicher helfen.

„Es ist ja ganz nett“, antwortete Charle gedehnt und achtete sehr genau darauf, eine neutrale Miene zu wahren. „Aber musste er das so überreichen? Er hätte es mir doch auch nach der Schule geben können.“

„Also wärst du lieber mit ihm alleine gewesen?“, rutschte es ungewohnt vorwitzig aus Wendy heraus.

Noch bevor Charle auch nur versuchen konnte, eine schlagfertige Antwort zusammen zu klauben, schlug Wendy sich schuldbewusst die Hände über den Mund und wurde puterrot im Gesicht. Ihre Freundin so zappeln zu sehen, lenkte Charle hervorragend davon ab, dass ihre eigenen Wangen sich warm anfühlten. Sobald auch nur ansatzweise das Thema Romantik im Gespräch aufkam, wurde Wendy fürchterlich verlegen und ihr Blick huschte – so wie jetzt auch – verstohlen zu Romeo hinüber, der gerade an Lectors und Froschs Tisch stand und etwas mit ersterem besprach, wahrscheinlich Angelegenheiten im Basketballteam. Und natürlich bekam der Trottel wie immer nichts davon mit.

Als sie sicher war, sich selbst wieder richtig im Griff zu haben, erbarmte Charle sich und tätschelte beruhigend die Hand ihrer Freundin. „Lass’ es einfach gut sein, Wendy. Ich mache das Geschenk ja schon auf, zufrieden?“

Die Blauhaarige nuschelte etwas Unverständliches und zog den Kopf ein, auf ihren Wangen immer noch ein Rotschimmer. Kopf schüttelnd griff Charle nach dem Päckchen. Manchmal zweifelte sie doch an ihrem Entschluss, Wendy und Romeo mit ihrer Schrödinger-Romanze alleine zu lassen. Aber die Beiden waren alt genug und Charle eignete sich sowieso nicht als Liebesbotschafterin. Sie gehörte eher zu denjenigen, die Romeo im Wald verscharren würden, wenn er es wagen sollte, Wendy das Herz zu brechen.

Während sie sich sehr wohl bewusst war, dass Happy sich drei Tische weiter auf seinem Platz gespannt nach vorn beugte, pfriemelte Charle langsam an dem Geschenkband herum, mit dem die Karte befestigt worden war. Auf der Karte war eine Cartoon-Katze mit einer Torte abgebildet, ein Partyhut schräg auf dem Kopf, auf der Torte fünfzehn Kerzen abgebildet.

Gegen ihren Willen musste Charle lächeln. Die Karte war grässlich, für jemanden, der mal Grafikdesigner werden wollte, geradezu Augenkrebs verursachend, aber sie passte perfekt zu Happy und irgendwie war es doch eine niedliche Geste, dass er wusste, wie alt Charle geworden war.

Um niemanden sehen zu lassen, dass sie lächelte, hielt Charle den Blick gesenkt und drehte die Karte herum. Auf der Rückseite war Happys selbst für Jungenverhältnisse fürchterliches Gekrakel zu erkennen: Alles Gute zum Geburtstag! Ich habe das im Urlaub gefunden und dachte, es könnte dir gefallen. Happy.

Hieß das jetzt, dass Happy erst während seines Urlaubs eingefallen war, dass Charle Geburtstag hatte? Oder hatte er extra den Urlaub abgewartet, um nach etwas geeignetem zu suchen? Irgendwie hoffte eine kleine Stimme in Charles Hinterkopf ja, dass es Letzteres war.

Sie ließ die Karte in ihrem Hausaufgabenheft verschwinden und machte sich als nächstes daran, das Päckchen von seiner Schicht aus zerknittertem Geschenkpapier und viel zu viel Tesafilm zu befreien. Als sie den kleinen Karton öffnete, kam darin ein… Stein zum Vorschein.

Für einen Moment war Charle tatsächlich enttäuscht. Das war selbst für Happy ein fürchterliches Geschenk. Mal ehrlich: Ein Stein?!

Beinahe wollte Charle das Päckchen schon beleidigt beiseite schieben, aber dann fiel ihr etwas auf und sie holte den etwa handgroßen Stein heraus und drehte ihn, bis sie es richtig sehen konnte. Es brauchte ein bisschen Fantasie, aber er hatte die Form einer sitzenden Katze. Er fühlte sich angenehm glatt an und hatte eine schöne Farbe, überwiegend dunkelgrau, fast schwarz, aber mit einigen feinen, hellen Linien dazwischen, welche die Konturen der Katze an einigen Stellen sogar betonte.

Es war nicht unbedingt ein nützliches Geschenk wie etwa das Grafiktablett, das Charle von ihren Eltern bekommen hatte, oder das Sketbook mit edlem Einband, das Wendy ihr geschenkt hatte. Aber dennoch freute Charle sich darüber. Auch wenn es Happy nichts gekostet hatte und er den Stein wahrscheinlich auch nur zufällig an einem der Seen gefunden hatte, er hatte sich dabei doch Gedanken über Charle gemacht und der Stein war wirklich hübsch. Wenn sie wieder Zuhause war, musste Charle sich in ihrem Zimmer einen schönen Platz dafür suchen.

Schließlich hob sie den Blick und sah endlich direkt in Happys Richtung. Der saß mittlerweile nur noch auf der äußersten Kante seines Stuhls, so angespannt war er. Charle hob den Stein hoch und formte mit den Lippe ein Danke, ehe sie Happy ein Lächeln schenkte.

Vor Freude begann der Blauhaarige über das gesamte Gesicht zu strahlen – und Charle würde es zwar niemals zugeben, aber dieses strahlende Lächeln ließ ihr Herz doch ein ganz kleines bisschen flattern.

22. “It’s not heavy. I’m stronger than I look.” (Gruvia)

Mit einem leisen Ächzen zog Gray drei weitere der viel zu schweren Psychologiebücher aus dem Regal, klemmte sie sich unter den Arm und stakste die wackelige Leiter hinunter, um die Bücher auf den Tisch in der Mitte des Lehrmittelraums zu legen. Zu den anderen sieben Büchern.

Missmutig blickte Gray wieder zum obersten Regalbrett hoch, auf dem sich noch zwölf weitere der dicken Wälzer aneinander reihten. Auch nach anderthalb Jahren Psychologieunterricht war er keine Leuchte, aber dass die Schulbuchautoren einem gewaltigen Irrtum aufgesessen waren, als sie geglaubt hatten, einen Rundumblick über das gesamte Feld der Psychologie in ein einziges Buch zu quetschen, war selbst ihm klar. Das Ergebnis war ein Wirrwarr aus mäßig bis gar nicht verständlichen Erklärungstexten, die mit allerlei rätselhaften Schemata, Tabellen und Bildern garniert wurden.

Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, die Münze wäre doch auf der Zahl gelandet, als er sich bei der Fächerwahl zwischen Politik und Psychologie auf höhere Gewalt berufen hatte – er brauchte Beides absolut nicht, wenn er später Maschinenbau studieren wollte, und er hatte null Interesse für beide Fächer. Politik mit Mr. Gran Doma war zwar unter Garantie irre arbeitsintensiv – das war nur schwer einzuschätzen, da Lucy und Levy solche Arbeitstiere waren und unter dem Arbeitsdruck im Politikunterricht wahrscheinlich sogar noch aufblühten –, aber dafür war der Lehrer fair. Zumindest hatte Gray nie auch nur ein schlechtes Wort über den Lehrer gehört. Mr. Michello hingegen war nicht nur ein vollkommen inkompetenter Pädagoge, obendrein war er die Sorte Lehrer, die sich ein paar Lieblingsschüler herauspickte – natürlich diejenigen, die am besten schleimen konnten – und die anderen Schüler nach Strich und Faden benachteiligte. Gray war heilfroh, dass er das Fach in einem halben Jahr wieder abwählen konnte!

Wahrscheinlich würde er sich bis dahin einen Rückenschaden zuziehen, weil er andauernd diese bescheuerten Bücher in den Unterrichtsraum schleppen musste. Zumindest nahm er nicht an, dass Natsu, der sich mittels Eene meene Muh für Psychologie entschieden hatte, seinen mehrfach gebrochenen Arm so schnell wieder aus der Schlinge kriegen würde. Und Lyon und Loke hatten sich ja auch für Politik entschieden, während Gajeel sein Kreuz bei der Fächerwahl blind gesetzt hatte und nun immer in Mr. Gran Domas Unterricht schlief. Damit blieb Gray mit diesen ätzenden Büchern alleine.

Missmutig brummend stieg Gray wieder auf die Leiter, um erneut drei Bücher aus dem Regal zu ziehen. Er hatte noch nicht einmal das erste in der Hand, als die Tür zum Lehrmittelraum geöffnet wurde und Juvia herein kam.

Mit einem Schlag schienen sich Grays gesamte Eingeweide gleich mehrfach zu verknoten und er spürte, wie seine Wangen heiß wurden, während sich über Juvias hübsche Gesichtszüge ein strahlendes Lächeln ausbreitete.

„Was machst du denn hier?“, fragte Gray und stieg hastig von der Leiter, weil er sich in seinem momentanen Gemütszustand nicht zutraute, auf dem Ding das Gleichgewicht zu wahren.

„Juvia hat Natsu gefragt, wo du bist“, erklärte sie enthusiastisch und durchquerte den vollgestopften Raum, wofür sie zwei Globen und ein unvollständiges Kunstskelett umrunden musste. „Wieso holst du jetzt schon die Bücher?“

„Weil es alleine viel länger dauert“, murmelte Gray und weigerte sich, zu zugeben, dass es ihn angespornt hatte, wenn Natsu mit ihm gewettet hatte, wer mehr Bücher auf einmal in den Unterrichtsraum schleppen konnte.

„Du hättest Juvia fragen sollen, sie hilft dir gerne!“, erklärte Juvia energisch und mit diesem anhimmelnden Funkeln in den Augen, das Gray so aus dem Tritt brachte.

Er kannte Juvia schon seit drei Jahren und genauso lang klebte sie regelrecht an ihm und ließ keine Gelegenheit aus, ihm zu beteuern, wie sehr sie ihn mochte. Am Anfang war das sehr irritierend gewesen und er hatte keinen Schimmer gehabt, wie er darauf reagieren sollte. Das ständige Klammern hatte ihn ganz schön bedrängt und im Nachhinein befürchtete er, dass er manchmal bei seinen Versuchen, sich wieder zu befreien, nicht sehr taktvoll vorgegangen war. Je besser Juvia sich an der Schule eingelebt hatte und je mehr sie in Grays Freundeskreis involviert worden war – ganz besonders mit Lucy pflegte sie mittlerweile eine enge Freundschaft, seit diese mit Natsu zusammen war –, desto mehr war sie aufgeblüht. Sie war für Gray zu einem alltäglichen Anblick geworden und irgendwann hatte er verwirrt festgestellt, dass er sich daran gewöhnt hatte, sie immer wieder an seinem Arm hängen zu haben. Es war einfach eine Marotte gewesen. Nichts was überragend auffiel in seinem ohnehin recht verrückten Freundeskreis.

Aber seit einer nicht ganz zu beziffernden Weile war das alles irgendwie anders. Irgendwann mal hatte Gray gespürt, dass er irgendwie reagierte, wenn die Blauhaarige ihn so anstrahlte, und dass sie sowieso ausgesprochen hübsch war und ihr Haar immer diesen faszinierenden Glanz hatte und… Er fühlte sich jedes Mal wie ein Trottel, wenn er sich dabei ertappte, in diese Gedankenspirale abzurutschen!

„Die Bücher sind zu schwer“, warnte Gray lahm.

Natürlich winkte Juvia energisch ab und trat neben die Leiter. „Gib Juvia die Bücher herunter, damit sie sie auf den Tisch legen kann. So geht es viel schneller.“

Wer war er, da zu widersprechen? Es würde so tatsächlich viel schneller gehen und es gab auch keinen Grund, warum Juvia ihm nicht helfen sollte. Zumindest nicht, wenn er nicht zugeben wollte, dass ihre Gegenwart ihn nervös machte – eher würde er Tanzstunden bei Ichiya nehmen!

Schicksalsergeben stieg er wieder auf die Leiter und holte das erste Buch aus dem Regal, um es Juvia zu geben. Langsam reichte er noch ein zweites und drittes Buch hinterher, ehe er abwartend zu Juvia hinunter blickte, die jedoch keine Anstalten machte, den Stapel zum Tisch zu bringen. Dabei wusste er nur zu gut, dass bereits drei von diesen Schinken extrem schwer waren!

„Du musst nicht so viele Bücher auf einmal tra-“

„Es ist nicht schwer“, schnitt Juvia ihm das Wort ab und schon wieder funkelte es in ihren großen, blauen Augen energisch. Als sie weiter sprach, hatte Gray irgendwie das Gefühl, als würde es gar nicht mehr um die Bücher gehen. „Juvia ist stärker, als sie aussieht.“

Der Ernst, mit dem sie zu ihm aufblickte, ließ etwas Undefinierbares in Grays Inneren intensiv kribbeln. Schon wieder wurde ihm warm und er wandte hastig den Blick ab, um nach noch einem Buch zu greifen. Zwei Bücher noch, sagte er sich. Wenn Juvia danach immer noch darauf beharrte, stark genug zu sein, würde er von der Leiter steigen. Er mochte vielleicht ein Trottel sein, aber so ein Trottel war er wirklich nicht!

23. “I’ll wait.” (Rakerva)

„Wie wäre es mit heute?“

Ohne Rücksicht darauf, dass Minerva gerade dabei war, eine ziemlich unübersichtliche Tabelle durchzuarbeiten, um die für ihren Mandanten wesentlichen Börsenkurse zu überprüfen, setzte Rakheid sich auf eine Ecke ihres Schreibtischs und blickte mit einem gewinnenden Lächeln auf die Schwarzhaarige hinunter.

Sie hatte ihre Haare zu einem strengen Zopf geflochten. Er mochte das. Das regte seine Fantasien über wilde Lehrerinnen-Spielchen an. Wobei die Fantasie mit dem Reisfeld-Szenario, wenn Minerva ihre Haare zu zwei Knoten hochgebunden hatte, auch sehr anregend war. Manchmal jedoch fragte Rakheid sich auch, wie sie wohl mit offenen Haaren aussehen würde und wie viele Männer sie überhaupt schon mal mit offenen Haaren gesehen hatten.

Minerva Orland schien die Art Frau zu sein, die sich immer hinter einer knallharten Schale versteckt hielt. Irgendwie übte das eine besondere Anziehungskraft auf Rakheid aus. Er wollte gerne wissen, was für ein weicher Kern sich dahinter verborgen hielt, was für Schwächen und Sehnsüchte diese Frau mit sich herum trug, was sie außer knallhartem Ehrgeiz noch antrieb, welche Ängste ihr zu schaffen machten… Und ob sie lächeln konnte. Gerade diese letzte Frage vertrieb Rakheid jedoch für gewöhnlich schnell wieder aus seinen Gedanken, denn sie rief seltsame Fantasien hervor, die er nicht einzuordnen wusste.

Ohne auch nur aufzublicken, griff Minerva nach einem langen Lineal und markierte damit die Zeile der Tabelle, die sie gerade überprüfte. Sie machte sich auf einem Blatt einige saubere Notizen und erst als sie den Kugelschreiber wieder weg gelegt hatte, antwortete sie, ihre Stimme knapp und kühl.

„Nein. Offensichtlich.“

Rakheid zog die Augenbrauen zusammen und spitzte die Lippen für ein Schmollen. „Irgendwann musst du doch auch mal wieder wollen. Komm’ schon. Mein Büro lässt sich abschließen und du hast sicher nicht vergessen, wie bequem meine Couch ist.“

Nicht die Spur von Verlegenheit war in den olivgrünen Augen zu erkennen, als Minerva endlich den Blick hob. Ihre Miene wirkte eher herablassend. „Wir hatten Sex in deinem Büro. Einmal. Und er war gut. Aber das war’s auch schon. Ich habe mehr Klasse als eine klischeehafte Tipse, die sich auf Kommando von ihrem Vorgesetzten vögeln lässt.“

„Was ist so schlimm daran, noch mal mit mir zu schlafen?“, fragte Rakheid mit einem verwirrten Stirnrunzeln. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, dem etwas viel zu Kompliziertes erklärt wurde – eine ärgerliche Vorstellung, immerhin war er der Ältere von ihnen und hatte sich als Börsenmarkler bereits einen ordentlichen Namen gemacht, während die Tinte auf Minervas Unizeugnis noch feucht war. Die Frau hatte gerade einmal ihren ersten eigenen Mandanten!

„Muss ich dir ernsthaft erklären, wie niveaulos eine Fickbeziehung mit dem Boss ist?“, fragte Minerva mit einem unverhohlenen Augenrollen und wandte sich wieder der Tabelle zu.

Um das bitter aufstoßende Wort niveaulos besser ignorieren zu können, konzentrierte Rakheid sich lieber auf den angenehmeren Teil der Aussage: „So, so, ich bin also dein Boss? Vielleicht habe ich ja eine spezielle Arbeitsanweisung für dich?“

„In welchem Sexshop bist du eigentlich sozialisiert worden?“, murmelte Minerva, ohne noch einmal von ihrer Tabelle aufzusehen.

Langsam glitt Rakheid von der Tischkante und richtete sich zu voller Größe auf, während er versuchte, den Ärger hinunter zu schlucken, der sich seiner bemächtigte. Warum machte ihn das eigentlich so viel aus? Er konnte sich auch einfach eine andere Vergnügung suchen. Er hatte mehr als genug zur Auswahl, dafür brauchte er Minerva nicht!

Aber… es war mit Minerva irgendwie anders gewesen. Nicht so kitschig weltbewegend oder so, aber er hatte es als besonders angenehm empfunden. Und dass die Schwarzhaarige danach weiter gemacht hatte, als wäre nie etwas gewesen, hatte ihm irgendwie imponiert. So abgebrüht war keine der Kolleginnen gewesen, die er bisher vernascht hatte. Und bisher hatte auch noch keine so schonungslos mit ihm geredet. Sie nannte die Dinge direkt beim Namen. Eine so grobe Mundart hätte Rakheid ihr beim Kennenlernen noch gar nicht zugetraut, aber er fand es erfrischend.

Rakheid war so in seine widerstreitenden Gedanken vertieft, dass er sich gar nicht bewusst war, dass er hier immer noch neben Minervas Schreibtisch stand. Die Schwarzhaarige hingegen schien das sehr wohl zu bemerken. Mit einem entnervten Seufzen drehte sie sich schließlich mit dem Bürostuhl herum und blickte zu Rakheid auf. Trotz der gegenteiligen Positionen hatte der Blonde das Gefühl, als würde sie zu ihm hinab sehen.

„Ich bin keine Trophäe und kein Sexspielzeug. Wenn du mich näher kennen lernen willst, fein, können wir gerne ausprobieren, sobald du dich nicht mehr wie ein dauergeiler Gockel aufführst. Wenn du nur Sex willst, gibt es draußen genug Gelegenheiten für dich. Ist allein deine Entscheidung. Ich werde warten.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, erhob die Schwarzhaarige sich und ging hinüber zum Faxgerät, das mit einem Piepen ein eingehendes Fax ankündigte. Träge blickte Rakheid der Frau hinterher, während er versuchte, aus dem schlau zu werden, was sie zu ihm gesagt hatte. Ich werde warten. Was wollte sie ihm damit sagen? Und was sollte das bitteschön mit dem dauergeilen Gockel?!

Schnaufend wandte Rakheid sich vom Tisch ab und stapfte zurück zu seinem Büro. Kurz bevor er die Tür erreichte, bemerkte er aus dem Augenwinkel Rogue. Der Gleichaltrige lehnte am Türrahmen der kleinen Büroküche und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand. Ein spöttisches Lächeln lag auf den Lippen des Weißhaarigen mit der schwarzen Strähne. „Hast du deine Meisterin gefunden?“

„Als ob! So ein Frauenzimmer hat mir gar nichts zu sagen“, erwiderte Rakheid herablassend und versuchte den Gedanken zu verdrängen, dass Rogue genau den richtigen Nerv getroffen hatte. Obwohl der Gleichaltrige den Gefühlsreichtum eines Mokkalöffels besaß, war er ein erschreckend guter Beobachter. Manchmal hasste Rakheid ihn dafür.

Nun erst recht frustriert, kehrte Rakheid in sein Büro zurück und ließ sich dort äußerst unelegant auf seinen Stuhl plumpsen.

Ich werde warten“, äffte er und griff nach seinem Smartphone, um seine Kontaktliste zu durchforsten. „Dann warte doch, bis du schwarz wirst!“ Als er beim Buchstaben O auf Minervas Namen stieß, hätte er sein Smartphone beinahe gegen die Wand geschleudert.

24. “Just because.” (Stingue)

Lächelnd blickte Rogue auf die Bilder in seiner Hand hinunter. Urlaubsfotos von seiner Schwester, die von Weißlogia eingeladen worden war, ihn und Lector beim Wandern zu begleiten. Da Rogue keine Semesterferien hatte und Skiadrum keinen Urlaub für die Osterferien bekommen hatte, war Frosch ganz betrübt gewesen. Zum Glück hatte Lector schnell geschaltet und so war Frosch doch noch zu einem Urlaub gekommen.

Und gerade so ein Natururlaub war natürlich perfekt für Frosch. Die meisten ihrer Fotos zeigten schief gewachsene Bäume, Blumen, Vögel oder Amphibien. Anscheinend hatte Frosch bei jedem Teich auf der Wanderstrecke angehalten, um mit ihrem Kescher Frösche und Molche zu fangen. So hatten Weißlogia und Lector sich den Urlaub wohl nicht vorgestellt, aber auf den wenigen Bildern, auf welchen sie auch abgebildet waren, grinsten sie frohgemut in die Kamera hinein. Wie könnten sie auch nicht? Man konnte gar nicht mies gelaunt sein, wenn Frosch in der Nähe war.

Schmunzelnd betrachtete Rogue ein Bild, auf dem Lector mit leidiger Miene für einen großen Teichfrosch, den Frosch ihm hin hielt, die Lippen spitzte. Frosch hatte so eine Art an sich, mit der sie jeden zu allen möglichen seltsamen Sachen verleiten konnte. Dabei versuchte sie noch nicht einmal, jemanden zu etwas zu überreden – man tat es einfach, weil man Frosch eine Freude machen wollte. Hier wurde wohl gerade das altbekannte Märchen nachgestellt und wenn Lector den Lurch küssen musste, dann hatte Frosch garantiert erkannt, dass es ein Weibchen war. Wenn es um Amphibien ging, machte Frosch keiner so schnell etwas vor.

Rogue schob die Fotos zurück in den Briefumschlag und zog dann die beiden schief beschriebenen Briefbögen hervor. Ein vergewissernder Blick auf die Uhr an der hinteren Wand der Cafeteria verriet ihm, dass er noch eine halbe Stunde Zeit hatte, ehe sein nächstes Seminar begann. Normalerweise hätte er die jetzige Zeit genutzt, um Hausaufgaben zu machen, damit sich Zuhause nicht so viel auftürmte, aber er hatte diesen Brief bereits den halben Tag mit sich herum geschleppt, weil nie Zeit gewesen war, um ihn zu lesen.

Er war noch beim ersten Absatz, als jemand den Stuhl neben Rogues zurück zog und sich neben ihm nieder ließ. Noch ehe Rogue aufblicken konnte, kam der Andere ihm näher und schon im nächsten Moment spürte Rogue nur allzu bekannte Lippen auf den seinen.

Weich und anschmiegsam waren sie und schmeckten nach Minzbonbons, ohne ihren untrüglichen Eigengeschmack zu verlieren. Ein Geschmack von stürmischer Wildheit, paradox und doch vollkommen selbstverständlich gepaart mit zärtlicher Geborgenheit. Ein Geschmack, wie Rogue ihn nur bei einer einzigen Person kannte.

Nachgiebig ließ er den Brief auf den Tisch sinken und drehte sich zu seinem Freund Sting herum, welcher den Kopf schief legte, um den Kuss zu vertiefen. Rogue erwiderte die zärtlich fordernden Bewegungen und als Stings Zunge über seine Lippen fuhr, öffnete er diese mit einem Seufzen. Raue Finger streichelten seinen Nacken und spielten dort mit den kurzen Haaren und Rogue tastete blindlings nach dem Gesicht des Blondschopfes, um es in beide Hände zu nehmen.

Langsam und ausgiebig küssten sie einander, liebkosten sie einander, kosteten einander. Egal wie oft sie diese Zärtlichkeiten schon ausgetauscht hatten, Rogue bekam nie genug davon. Es hatte immer noch diesen unbeschreiblichen Zauber inne wie beim allerersten Kuss vor so langer Zeit.

Als sie zwecks Luftholens voneinander ablassen mussten, blickte Rogue in die kobaltblauen Augen des Anderen, die vergnügt funkelten. Die halb geöffneten Lippen umspielte ein abenteuerlustiges Grinsen, doch darunter verbarg sich eine Zärtlichkeit, die Rogues Herz heftig klopfen ließ.

„W…“

Rogue musste sich räuspern. Dieser Kuss hatte ihn, so bereitwillig er ihn auch erwidert hatte, doch auf dem falschen Fuß erwischt. Es war schwer, sich nach so einem Kuss auf das Sprechen zu konzentrieren. Er hatte sich deswegen schon mal bei Sting beschwert, dass er ihn nicht auf dem Campus küssen sollte, weil er ansonsten alle Nase lang nicht mit seinen Hausaufgaben voran kam, aber letztendlich wartete er insgeheim doch immer auf diese Küsse.

„Wofür war der?“, schaffte er schließlich doch zu sagen. „Du müsstest doch auf dem Weg zur Arbeit sein, wieso hast du diesen Umweg hierher gemacht?“

„Weil halt“, antwortete der Andere schlicht und grinste frech, ehe er sich für einen weiteren Kuss vorbeugte.

Rogues Kehle wurde eng vor überschäumenden Gefühlen. So simpel diese zwei Worte auch waren, hinter ihnen taten sich doch ganze Welten auf. Welten voller Verbundenheit und Wärme und Zärtlichkeit. Welten voller heiliger Schwüre und Versprechen von Ewigkeit und Treue und einer Liebe, die Rogues Herz zu zersprengen schien.

Für Rogue waren diese Worte und ihre eigentliche Bedeutung alles, was er brauchte, um glücklich zu sein.

25. “Look both ways.” (Natsu-Lucy-Juvia)

Normalerweise hatte Lucy die Dinge in ihrem Leben gut im Griff. Ob das ihr Studium, ihren Nebenjob oder die Liebesdramen ihrer Geschwister betraf, für gewöhnlich wusste sie, was sie tun konnte und was nicht, half dementsprechend und gab Rat oder hielt sich zurück, bevor sie etwas Falsches sagte.

Selbst in ihrem eigenen Liebesleben hatte sie die Kontrolle behalten, genau wie im gesamten Rest ihres Lebens. Ihr kleiner Bruder hatte zwar mal gestichelt, sie würde jede Mahlzeit zur Wissenschaft machen, aber Lucy fühlte sich einfach besser, wenn sie genau wusste, wie viele Nährstoffe sie zu sich nahm – ganz zu schweigen davon, dass die akkuraten Essenszeiten gewährleisteten, dass ihr Hungergefühl nie zu groß wurde. Und ja, sie fühlte sich auch besser, wenn sie ihr Aussehen perfekt im Griff hatte, und da brauchten beide Brüder ihr nichts vorwerfen, die investierten auch genug Zeit darin, dass ihre Haare genau so saßen, wie sie sich das vorstellten!

All das hatte auch wunderbar funktioniert, als sie entschieden hatte, aus der elterlichen Villa auszuziehen und eine eigene kleine Wohnung zu unterhalten. Nicht dass sie vor ihrer Familie geflohen wäre, aber nächstes Semester musste sie sich voll und ganz auf ihre Bachelorarbeit konzentrieren und da wohnte sie lieber näher am Campus und somit auch an der Universitätsbibliothek, um Fahrtzeit einzusparen.

Sie hatte sich selbstständig um die Wohnungssuche und allen anderen Papierkram gekümmert, hatte im Zweifelsfall immer gewusst, wer ihr den besten Rat geben konnte. Ihr Vater als Immobilienmarkler betreute zwar normalerweise ganz andere Preisklassen, war aber fachkundig genug gewesen, um sie bei der baulichen Qualität der zur Auswahl stehenden Wohnungen zu beraten. Und sie hatte ihre Brüder und Freunde um Hilfe gebeten, weil sie genau gewusst hatte, dass sie die Einrichtung ihrer neuen Wohnung mit ihren mangelnden – ergo nicht vorhandenen – handwerklichen Fähigkeiten nicht alleine gebacken bekam.

Alleine zu leben, war auch keine so große Herausforderung für sie gewesen. Da hatte Lucys Vater sich mehr Sorgen gemacht als sie selbst.

Aber hier und jetzt fühlte sie sich völlig überfordert…

Sie saß in einer Küche, die viel zu bunt war, um ihre eigene zu sein, an einem kleinen Esstisch, in ihrer Hand ein großer Schokoladenmuffin, welcher eigentlich überhaupt nicht in ihr Ernährungskonzept passte, gekleidet in ein T-Shirt, in das sie sich beinahe einwickeln konnte, und Hotpants – wenigstens etwas, das ihr gehörte! –, an ihren Füßen riesige Plüschpantoffeln.

Und zu ihrer Rechten eine junge Frau in ähnlicher Aufmachung – nur dass sie unter dem großen T-Shirt lediglich ihren Slip trug. Es war die schönste Frau, die Lucy jemals gesehen hatte. Mit langen, wallenden Haaren von der Farbe des Meeres, die ein herzförmiges Gesicht mit porzellanfarbener Haut einrahmten. Schier unendlich lange und dichte Wimpern, die völlig ohne Wimperntusche auskamen, umkränzten faszinierende meeresblaue Augen. Eine niedliche Stupsnase und volle, weiche Lippen, hohe Wangenknochen – kurz und gut: Die leibhaftig gewordene Perfektion!

Ihre Stimme passte perfekt zu ihr, sehr melodiös, ihr Lachen hell wie Glockenläuten. Es war bei allem, was Lucy gerade zu verdauen versuchte, angenehm, ihr zu zuhören, wie sie voller Begeisterung das Rezept für die Schokomuffins in allen Details durchging – und das nur weil Lucy in Ermangelung ihrer sonstigen Schlagfertigkeit vorhin nur genuschelt hatte, der Muffin würde gut schmecken. Das war nicht gelogen gewesen, der Muffin war geradezu verboten köstlich, aber eigentlich lagen Lucy ganz andere Fragen auf der Zunge.

Wie sie – ausgerechnet sie, die immer alles unter Kontrolle hatte! – hierher gekommen war, in der Nachbarswohnung, nackt in einem fremden Bett…

„Mich musst du auch angucken!“

Lucy zuckte so heftig zusammen, dass ihr der Muffin auf den rotkarierten Teller fiel, und ihr Kopf wandte sich ruckartig nach links, wo ein junger Mann saß. Ihm passte das T-Shirt wunderbar, unter den Ärmeln kamen gut trainierte Muskeln zum Vorschein und an der rechten Schulter war dasselbe Tattoo zu erkennen, das auch auf dem linken Oberschenkel der Frau prangte, ein abstraktes Symbol, das vage an eine Fee erinnerte. Dazu trug er auch nur Boxershorts, aber keine Plüschpantoffeln – er hatte seine mit dem breitesten Lächeln, das Lucy jemals gesehen hatte, an den Gast abgetreten. Seine wirren Haare waren pink und sein Gesicht breit mit einem markanten, kantigen Kinn, einer einmal gebrochenen Nase, schmalen Augenbrauen und dunklen Augen. An der rechten Halsseite und darüber am Unterkiefer bis hin zur Wange hatte er zwei abenteuerliche Narben, die seine Wildheit noch unterstrichen.

Jetzt hatte er die Unterlippe vorgeschoben und einen Bettelblick aufgelegt – und das sollte eigentlich nur kindisch aussahen, aber in Lucys Gehirn schienen mehrere Synapsen durchgebrannt zu sein, denn sie fand es schlicht und einfach hinreißend.

Lucy fragte sich zum wiederholten Mal, was gestern Nacht bloß falsch gelaufen war. Sie kannte Natsu und Juvia seit ihrem Einzug vor vier Monaten und ja, sie hatte Beide von Anfang an attraktiv gefunden, aber weil sie offensichtlich in einer harmonischen Partnerschaft zu sein schienen, hatte sie sich jeden weiteren Gedanken in der Richtung verboten. Und sowieso hatte sie ja eigentlich mit ihrer Bachelorarbeit genug um die Ohren gehabt.

Aber leider – oder auch zum Glück – hatten die Beiden sich von Anfang an in den Kopf gesetzt, Lucy in die schrille Mietergesellschaft des Gebäudes zu involvieren. Sie hatten sie mit allen Nachbarn bekannt gemacht, immer mal wieder zum Essen eingeladen – und weil Lucy ordentlich erzogen worden war, hatte sie im Gegenzug auch Einladungen ausgesprochen – und sie schließlich gestern Abend dazu überredet, bei der Grillparty auf dem Innenhof teilzunehmen.

Natürlich war da auch Alkohol geflossen, aber Lucy hatte darauf geachtet, es nicht zu übertreiben. Natsu und Juvia hatten allerdings ihre eigenen Methoden gehabt, Lucy aufzuheizen, und als ihr endlich klar geworden war, dass sie gerade verführt wurde, war es im Grunde schon zu spät gewesen.

Juvias zarte, kühle Finger an ihrer Hand ließen Lucys Kopf schon wieder herum schnellen. Auf den Lippen der Blauhaarigen lag ein nachsichtiges Lächeln. „Schau’ in beide Richtungen, Lucy. Juvia und Natsu schauen dir Beide gerne in die Augen.“

Wenn man bedachte, dass sie vor einer halben Stunde nackt zwischen Natsu und Juvia und sehr zerwühlten Laken aufgewacht war, war es eine alberne Reaktion, dennoch wurden Lucys Wangen brennend heiß.

Was tat sie hier bloß?!

Sie hatte allen Ernstes einen Dreier gehabt! Wenn das ihre Brüder erfahren sollten, würde sie ihres Lebens nicht mehr froh werden!

Was sollte sie denn jetzt machen? Wie funktionierte so etwas überhaupt? Und war das gestern nur Sex gewesen? Hatten Natsu und Juvia einfach nur ihr Sexleben auffrischen wollen? Oder war da mehr im Spiel? Konnte da mehr im Spiel sein? War so etwas möglich? Und wollte sie das denn?

Ihre andere Hand wurde von Natsu ergriffen und zärtlich gedrückt. Es war beeindruckend, wie sanft er trotz seiner Stärke war. Seine rauen Fingerkuppen, die einen so scharfen Kontrast zu Juvias darstellten, verursachten ein Kribbeln auf Lucys Haut.

Über den Tisch hinweg ergriff Natsu mit der freien auch Juvias Hand und verschränkte seine Finger mit ihren. Die Beiden tauschten einen Blick miteinander aus, in dem so viele Gefühle lagen, dass sich etwas in Lucys Eingeweiden zusammen zog. In den Mienen der Beiden erkannte sie eine herzergreifende Zärtlichkeit und Vertrautheit, aber auch ein Verstehen, das über jede Wortebene hinaus zu gehen schien.

Und eine kleine Stimme in Lucys Hinterkopf wünschte sich, ein Teil davon zu sein, egal wie befremdlich der Gedanke war, eine Beziehung zu dritt zu führen.

Bevor ihre Gedanken endgültig überschnappen konnten, schloss Lucy die Augen und holte tief Luft, während sie sich zwang, über ihre nächsten logischen Schritte nachzudenken.

Sie sollte ihre Sachen suchen und die Wohnung verlassen und in Zukunft versuchen, die Beziehung mit Natsu und Juvia auf rein nachbarschaftlicher Ebene zu belassen. Am besten vergrub sie sich von früh bis spät in der Bibliothek. Ein paar extra Recherchen konnten ihrer Bachelorarbeit nicht schaden.

„Ich glaube, ich muss aufbrechen“, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu ihren beiden Gastgebern.

Nur… sie brachte es einfach nicht übers Herz, den Beiden ihre Hände zu entziehen…

Als sie gleichzeitig zwei sehr unterschiedliche Lippenpaare auf ihren Wangen spürte, schlug Lucy hastig wieder die Augen auf. Auf einmal waren ihr Natsu und Juvia unglaublich nahe. Obwohl so völlig unterschiedlich, fühlten ihrer Beider Lippen sich unglaublich gut an und ganz unwillkürlich leckte Lucy sich über die eigenen Lippen, ehe sie sie doch wieder energisch aufeinander presste.

„Willst du nicht doch noch etwas länger bleiben?“, fragte Natsu und sein heißer Atem streifte Lucys Wange.

„Juvia würde sich sehr darüber freuen“, fügte die Blauhaarige hinzu und ließ Lucys Hand los, um den Arm um ihre Taille zu schlingen.

Länger bleiben? Und dann? Lucy ertappte sich bei sehr unanständigen Gedanken, die ihr gesamtes Gesicht entflammen ließen. Aber im nächsten Moment wünschte sie sich sehnlichst, dass es nicht nur darauf für Natsu und Juvia hinaus laufen sollte.

„Ich…“

Lucys Blick huschte unsicher zwischen ihren beiden Gastgebern hin und her. Die Beiden waren völlig anders als jeder andere Partner, den Lucy bisher gehabt hatte. Impulsiv, leidenschaftlich, hemmungslos… und unkontrollierbar.

„Okay“, hauchte Lucy schließlich, ohne sich völlig darüber klar zu sein, warum. Jahre lang hatte sie immer die Kontrolle behalten wollen und jetzt…?

Aber als Natsu und Juvia sie voller aufrichtiger Freude anstrahlten, konnte Lucy nicht anders, als ihre Entscheidung für richtig zu befinden!

26. “I’m sorry. I didn’t mean to.” (Kagerva)

Um Kagura herum wurden die Schatten länger. Sie zogen sich schmal und breit über den Boden, krochen über das Bett, den ordentlichen Schreibtisch, die Kommode und den Kleiderschrank, erreichten sogar die gegenüberliegende Wand und zeichneten dort unregelmäßige, stetig länger werdende Umrisse, abstrakte Abbilder der farbenfroh blühenden Zimmerpflanzen, die sich auf dem Fensterbrett aneinander reihten.

Durch das angekippte Fenster drang rauschender Straßenlärm herein, gedämpft von vier Stockwerken Entfernung. Viel klarer dafür klang das Zwitschern der Vögel, die es sich wahrscheinlich im Geäst der riesigen Kastanie gemütlich hatten, die den von drei Seiten umstandenen Hof beinahe gänzlich ausfüllte. Gelegentlich war irgendwo ein Klappern oder Knallen zu hören, manchmal auch Stimmen – die allgegenwärtige Geräuschkulisse der Nachbarschaft.

Doch Kagura sah und hörte nichts von alledem. Sie versuchte nicht einmal, sich ihrer Umgebung intensiv bewusst zu werden, wie es eigentlich immer in den Meditationsübungen empfohlen wurde, die sie oft nach dem Kendo-Training besuchte. Heute konnte Kagura sich nicht auf so etwas konzentrieren. Heute hing sie anderen Gedanken nach.

Durch ihren Kopf spukten kalte, schneidende Worte, die jedes Mal aufs Neue einen schmerzhaften Stich in ihrer Brust verursachten. Egal welche Gedanken Kagura ihnen entgegen zu halten versuchte, sie drangen doch immer wieder auf sie ein und taten mehr weh als jeder Schlag, den sie jemals beim Training eingesteckt hatte.

Seit Stunden versuchte Kagura, diesen Worten die brutale Wucht zu nehmen, rief sich selbst in Erinnerung, dass sie im Eifer des Gefechts nur so dahin gesagt worden waren. Ja, auf rationaler Ebene verstand Kagura sogar, dass diese Worte reiner Selbstschutz gewesen waren. Und sowieso waren die Worte per se nicht falsch gewesen.

Denn Kagura verstand tatsächlich nichts davon, wie es war, der Erwartungshaltung von Eltern gegenüber zu stehen. Sie war im Alter von fünf Jahren Vollwaise geworden und auch wenn sie das Glück gehabt hatte, dass ihr volljähriger Bruder sie bei sich hatte aufnehmen können und dürfen, war sie doch de facto ohne Elternfiguren aufgewachsen. Sie hatte dennoch eine gute Kindheit gehabt, dafür hatte Simon sich übergebühr eingesetzt, aber es ließ sich wohl nicht bestreiten, dass ihr einige Dinge bei der Interaktion mit Eltern nicht so gut verständlich waren.

Doch in dem Moment, da die Worte sie erreicht hatten, hatte Kagura nicht logisch denken können – genauso wenig, wie die Worte logisch gemeint gewesen waren. Die Worte hatten sie weg stoßen sollen und das hatten sie geschafft…

Eine Berührung an der Schulter riss Kagura aus ihren bitteren Gedanken. Vor ihrem Bett stand ihre Mitbewohnerin Arana. Die Grünhaarige hatte die Augenbrauen zusammen gezogen und die Lippen geschürzt.

„Ich habe angeklopft, aber du hast nicht geantwortet“, erklärte Arana. Ihre Stimme klang nachsichtig und besorgt, was Kagura verriet, dass die unwillige Körpersprache nicht ihr galt.

Dennoch versuchte Kagura, den Rücken durchzudrücken und allgemein weniger verletzlich auszusehen, wenigstens einen Funken Restwürde zu bewahren. Zum Glück hatte sie bisher noch nicht geweint, das hätte ihr noch gefehlt. „Tut mir Leid, ich war in Gedanken.“

Arana winkte ab und blickte über ihre Schulter zur angelehnten Zimmertür. Als sie sich Kagura wieder zuwandte, wirkte sie sogar noch unwilliger. „Minerva ist hier.“

Kagura wünschte sich vom ganzen Herzen, sie hätte sich besser im Griff, doch beim Klang dieses Namens zuckte sie dennoch zusammen und ihre Finger krallten sich in ihre Bettdecke, als suchten sie dort Halt. Im nächsten Moment schalt sie sich selbst dafür. Diese Reaktion war vollkommen überzogen. Ja, sie und Minerva hatten einen Streit gehabt, aber erstens war es nicht ihr erster gewesen und zweitens war keine von ihnen irgendwie handgreiflich geworden. Minerva war sicherlich nicht die einfachste Person, mitunter hatte sie Spaß daran, garstig zu anderen Leuten zu sein, und wenn die Pferde mit ihr durch gingen, konnte sie sogar furchteinflößend sein, aber Gewalt war weit unter ihrem Niveau. Alles, was Minerva getan hatte, war, Kagura an den Kopf zu werfen, dass sie keine Ahnung von Eltern hatte…

„Sie will mit dir reden“, fuhr Arana fort, mittlerweile mit einer steilen Falte zwischen den schmalen Augenbrauen. „Wir können sie wieder weg schicken, wenn dir das lieber ist.“

Kagura presste die Lippen aufeinander, während sie fieberhaft darüber nachdachte, ob sie das wirklich wollte. Ein kleiner Teil von ihr schrie lauthals Ja, denn Minervas Worte hatten verdammt noch mal wirklich weh getan und das hatte Minerva mit Absicht gemacht – hatte sie da überhaupt eine Gelegenheit verdient, sich zu entschuldigen?

Aber wenn nicht, was sollte dann überhaupt noch aus ihnen werden? Der Anlass des Streits hatte doch überhaupt nichts mit ihren Gefühlen füreinander zu tun gehabt. Sollte das alles wirklich eine Beziehung erschüttern, in der Kagura sich so gut wie nie zuvor fühlte? Hatte Minerva nicht noch eine Chance verdient?

Insbesondere, wenn sie extra hierher kam? Ausgerechnet sie, die sonst so stolze und überlegene Minerva, die es abgrundtief hasste, sich in die Karten gucken zu lassen! War allein das nicht schon ein wichtiges Zeichen?

„Nein…“ Kagura seufzte und rutschte zur Bettkante, um die Füße auf den Boden zu stellen. Als sie wieder zu Arana aufblickte, versuchte sie sich an einem aufrichtigen Lächeln, aber es fühlte sich schrecklich wackelig an. „Danke für deine und Lisleys Hilfe, aber ich muss das wirklich mit Minerva klären.“

„Bist du dir sicher? Wenn sie irgendwie zu weit geht, können wir…“ Arana ließ den Satz unvollendet, aber Kagura verstand sie auch so und ein Schwall warmer Dankbarkeit erfüllte sie. Sie war sich absolut sicher, die besten Freundinnen der Welt zu haben! „Also gut.“

Kurz beugte die Grünhaarige sich vor und drückte sachte Kaguras Schulter, ehe sie das Zimmer wieder verließ. Höchst wahrscheinlich mit Absicht zog sie hinter sich die Tür wieder zu, sodass Kagura den kurzen Wortwechsel zwischen ihren Mitbewohnerinnen und Minerva nicht richtig verstehen konnte. Aber der Ton war definitiv nicht freundlich. Für einen Moment zuckten Kaguras Mundwinkel. Die Vorstellung, dass ausgerechnet Lisley und Arana, die für gewöhnlich so cool blieben, Minerva bedrohten, war beinahe lustig.

Der Anflug von Humor verging ihr allerdings sofort, als Minerva in den Raum trat. Die Schwarzhaarige wirkte so gefasst und hoheitsvoll wie eh und je, ihre Miene gewohnt undurchschaubar, ihre Körperhaltung vollkommen diszipliniert. Man könnte sie für eine Soldatin halten, die viele Jahre des Drills hinter sich hatte, oder eine Profikillerin oder sogar einen Roboter. Nur nicht für eine junge Frau von gerade einmal einundzwanzig Jahren. Ihr Vater hatte wirklich ganze Arbeit dabei geleistet, ihr so früh wie möglich jedwede Schwäche auszutreiben – oder zumindest fast.

Einem Meter vorm Bett blieb Minerva stehen und wartete ab. Das Sonnenlicht ließ ihre pechschwarzen Haare glänzen und tauchte ihr Gesicht in eine Hälfte aus Licht und eine aus Schatten. Beide Hälften blieben ruhig, aber aus der Nähe bemerkte Kagura das Fehlen des sonst üblichen Lippenstifts. Ohne das Make up wirkten die Lippen sehr viel schmaler als sonst und das ganze Gesicht gleich sehr viel jünger und weicher, mehr wie das Gesicht, in das Kagura sich vor einigen Monaten verliebt hatte.

„Sind Lisley und Arana eigentlich deine Mitbewohnerinnen oder deine Wachhunde?“, durchbrach Minerva schließlich die Stille. In ihrer Stimme klang die gewohnte Prise Spott mit.

„Sie sind meine Freundinnen“, erwiderte Kagura und schob trotzig das Kinn nach vorn. „So wie Sting, Rogue und Yukino bei dir.“

Unbestimmt zuckte Minerva mit den Schultern. Wieder einmal war sie nicht in der Lage, offen zu zugeben, dass ihre Freunde tatsächlich Freunde und nicht einfach nur Mitbewohner waren. Sie hatte wirklich ein Riesenglück, dass keiner der Drei ihr das irgendwie übel nahm, aber Kagura hatte den Verdacht, dass zumindest Yukino gelernt hatte, die kleinen, oft genug beinahe perfekt kaschierten Zeichen bei Minerva zu deuten.

„Also… Warum bist du hier? Hast du doch endlich mit deinem Vater gesprochen?“

Es war nur ein heftiges Blinzeln, mehr Reaktion zeigte Minerva bei der Erwähnung ihres Vaters nicht. Das war für Kagura schon Antwort genug.

Abrupt richtete sie sich auf und ging an Minerva vorbei zum Fenster. Sie blickte hinaus, ohne wirklich auf irgendetwas da draußen zu achten. Hinter sich spürte sie nur zwei Schritte entfernt Minervas Präsenz. Sie versuchte nicht, eine Reflexion der Schwarzhaarigen im Glas vor ihr zu entdecken. Um genau zu sein, versuchte sie eher, Minervas Anwesenheit auszublenden.

Natürlich wusste sie, dass es etwas völlig anderes war, wenn sie vor ihrem Bruder ihr Coming Out hatte, als wenn Minerva es vor ihrem Vater hatte – einem Mann, der diese Bezeichnung nicht im Mindesten verdient hatte nach allem, was Kagura bereits von ihm mitbekommen hatte. Sie hatte keine einzige Sekunde lang beführten müssen, dass Simon negativ reagierte.

Aber Jiemma Orland war da ganz anders. Vielleicht war er noch nicht einmal homophob, gut möglich, dass ihm solcherlei Dinge schlichtweg egal waren, aber ganz gewiss hielt er nichts davon, dass seine Tochter sich mitten in ihrem Studium, das sie gefälligst mit Bestnote zu bestehen hatte, auf eine Liebesbeziehung einließ – noch dazu mit einer Frau, die keinerlei gesellschaftlichen oder finanziellen Aufstieg versprach. Für Jiemma war so etwa wahrscheinlich ineffizient.

Oder womöglich war er doch homophob. Irgendeinen Grund musste es ja haben, warum Minerva sich weigerte, Jiemma etwas von ihrer Beziehung mit Kagura zu erzählen, und stattdessen weiterhin zu diesen arrangierten Heiratstreffen mit reichen Schnöselsöhnen ging.

Leider teilte Minerva ihre Bedenken diesbezüglich nicht mit Kagura…

„Es tut mir Leid.“

Überrascht wollte Kagura sich herum drehen, aber auf einmal lagen Minervas Hände auf ihren Schultern und zwangen sie, mit dem Gesicht zum Fenster stehen zu bleiben. Die schlanken Finger drücken Kagura fester als nötig und es schien beinahe, als würden sie zittern.

„Es tut mir Leid“, sagte Minerva noch einmal. Ihre Stimme war leise, nicht so klar verständlich wie sonst, bar jeder Spitzen und Doppeldeutigkeiten. „Ich habe es nicht so gemeint.“

Tief holte Kagura Luft, um sich selbst davon abzuhalten, sich gegen Minervas Willen herum zu drehen. Für einen Moment dachte sie, dass so eine hohle Phrase die grausamen Worte von vorhin nicht wieder ungeschehen machen konnte. Nur… war es keine hohle Phrase. Ganz bestimmt nicht. Kagura hatte nur die Finger auf ihren Schultern und die Stimme als Indizien, aber sie war sich dennoch sicher, dass Minerva niemals zuvor so aufrichtig ihr gegenüber gewesen war.

„Ich hätte das über dich und deine Eltern nicht sagen dürfen. Es tut mir wirklich Leid.“

Viele mochten sagen, dass diese Entschuldigung ja wohl das mindeste war, aber Kagura wusste, dass sie Minerva sehr viel Überwindung gekostet haben mussten. Für jemanden wie Minerva, dem von Klein auf eingebläut worden war, sich nie in die Karten gucken zu lassen, waren solche Gesten keine Selbstverständlichkeit. Sie bedeuteten etwas. Viel. Sehr viel sogar.

Und das wiederum bedeutete Kagura sehr viel. In ihrer Kehle bildete sich ein Kloß aus schier überschäumenden Gefühlen, der es ihr unmöglich machte, eine vernünftige Antwort auszusprechen – geschweige denn, dass ihr Kopf überhaupt dazu in der Lage wäre, eben diese Antwort anständig zu formulieren.

Dabei würde sie wirklich gerne sagen, dass sie die Entschuldigung annahm und dass sie weiterhin mit Minerva zusammen bleiben wollte, dass sie diese dummen Heiratstreffen eben weiter hinnehmen würde und dass sie warten würde, bis Minerva endlich so weit war. Weil Minerva es wert war, darauf zu warten!

Langsam hob sie die Hände und verdrehte sie, bis sie sie auf Minervas Fingern ablegen konnte. Ganz behutsam drückte sie die kühlen Glieder, um ihrer Freundin wenigstens auf diese Art und Weise zu antworten, wenn schon alles andere zu kompliziert war.

Zumindest jetzt noch.

27. “Try some.” (Zervis)

Im großen Festsaal von Domus Flau summte es vor Gesprächen, untermalt von den zarten Violinentönen und Klavierklängen des Duetts auf einem kleinen Podium neben der Rednerbühne, die seit der Eröffnungsrede verwaist war. Gläser klirrten, Absätze klapperten auf dem kostbaren Marmor. In der Luft lagen die Düfte verschiedener Parfüms und Rasierwasser, vermischt mit dezentem Kerzenrauch von den unzähligen massiven Kerzenständern aus Messing, die in regelmäßigen Abständen an den Wänden standen, und den Gerüchen der warmen Speisen, die auf der einen Längsseite des Saals das Büffet vervollständigten, welches von beinahe schattenhaft unauffälligen, aber emsigen Dienern stets aufgefüllt wurde.

Es war ein wilder und doch zugleich harmonischer Cocktail aus Geräuschen und Gerüchen, der Zeref schon seit einiger Zeit vertraut war. Seit er vor zwei Jahren seine Absicht erklärt hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Jura zu studieren, hatte sein Vater ihn auch mit zu diesen Geschäftstreffen und Galen genommen, um ihn mit der Welt der Reichen und Mächtigen in Fiore vertraut zu machen. Wenn er eines Tages eine der einflussreichsten Kanzleien des Landes leiten wollte, brauchte er diese Kontakte, war ihm erklärt worden.

Bis heute hatte Zeref jedoch nie besonderen Gefallen daran gefunden. Kaum dass es nicht mehr unschicklich gewesen war, hatte er sich lieber eine ruhige Ecke an einem der Tische unweit des Büffets gesucht und sich dort nieder gelassen, um das geschäftige Treiben aus sicherer Entfernung zu beobachten.

Er verstand den Sinn hinter diesen Charity-Galen und wenn er den Worten seines Vaters Glauben durfte – einen zwar ernsten und energischen, aber auch sehr aufrichtigen Mann, der sich auch außerhalb dieser großen Events engagierte –, landete das Geld, das an diesen Abenden gesammelt wurde, auch tatsächlich dort, wo es sollte. Natürlich meinten es nicht alle der hier Anwesenden ehrlich damit. Oft genug trieben niedere Beweggründe wie Geschäftstreffen und das Einheimsen guter Publicity die Firmeninhaber, Politiker, Fernseh- und Musikstars und dergleichen mehr hierher. Aber Zerefs Einschätzung nach gab es unter zehn Anwesenden doch immer mindestens einen, der es tatsächlich ehrlich meinte, wenn er einen großzügig dotierten Scheck in die Sammelurne warf, während mal gerade nicht so viele Fotografen darum herum standen. Nicht alle Menschen waren gierige und geltungsbedürftige Speichellecker. Und letztendlich war es beinahe egal, mit welcher Absicht das Geld gespendet wurde, solange es einem guten Zweck diente. Für viele wohltätige Projekte waren diese Galen ein Rettungsseil.

Aber all dies hieß nicht, dass Zeref Gefallen an der beständigen Reizüberflutung finden musste. Im Gegensatz zu seinem fünf Jahre jüngeren, stets quirligen Bruder war er einfach kein geselliger Typ, geschweige denn ein Partymensch. Er bevorzugte die gelehrige Gesellschaft von Büchern, hörte lieber das Rascheln von Papier, hatte lieber den Duft von frisch aufgebrühten Kaffee in der Nase. Wenn er denn Sozialkontakte pflegte, dann nur zu seiner Familie und zu seinen wenigen Freunden, die zumeist sein Bedürfnis nach Ruhe teilten. Große Menschenansammlungen schüchterten ihn zwar nicht ein, aber wohl fühlte er sich bei ihnen dennoch nicht.

Im Gedanken war er heute eher bei dem Geschichtsaufsatz, der in seinem Hotelzimmer darauf wartete, fertig geschrieben zu werden. Das war die letzte große Hausaufgabe vor der finalen Prüfungsphase und Zeref wollte sich damit nicht den Durchschnitt vermasseln. Immerhin würde er sich mit diesen Noten in wenigen Monaten bei den besten Universitäten des Landes bewerben. Mit seinen hoffentlich zu erwartenden Bestnoten und den zusätzlichen Qualifikationen – diverse Praktika in verschiedenen Kanzleien und Gerichtshöfen, die Mitgliedschaft im Debattierclub und bei einer landesweit übergreifenden, politisch orientierten Schülerzeitung – würde er wohl die freie Auswahl haben und er schwankte noch zwischen seiner Heimatstadt Magnolia und der Hauptstadt Crocus.

Sein Vater hatte seinen Abschluss in Crocus gemacht und sich seiner Frau wegen in der kleineren Stadt nieder gelassen. Die meisten namhaften Juristen kamen aus der Hauptstadt. Aber in Magnolia dozierte seit einigen Semestern Professor August, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft…

„Probier’ mal.“

Überrascht wandte Zeref den Blick von der Sammelurne ab und richtete ihn auf die Person, die sich ohne Vorwarnung an seinen kleinen Tisch gesetzt hatte. Es war ein Mädchen in seinem Alter von kleiner, zierlicher Statur, die Zeref an die Feen in den Märchenbüchern erinnerte, welche er seinem Bruder vor einigen Jahren noch hatte vorlesen müssen – eine Tatsache, die Natsu heute immer leugnete, um vor seinen Freunden seine Coolness zu bewahren. Die Haare des Mädchens waren von einem hellen Blond und schier unendlich lang. Ein Teil war zu einem komplizierten Kranz um den Kopf geflochten, doch größtenteils fielen sie offen über die schmalen Schultern und bis hinunter zum Gesäß.

Am meisten wurde Zeref jedoch von den Augen gefesselt. Groß und von einem geheimnisvollen Grün, das an eine Lagune erinnerte. Aus ihnen sprachen eine Reife und Klugheit, die über das tatsächliche Alter des Mädchens – oder eher der jungen Frau, ermahnte Zeref sich selbst – hinaus gingen, aber gleichzeitig funkelten sie lebendig und abenteuerlustig. Ein scharfer Kontrast zu den ernsthaften Mienen, die hier vorherrschten.

Das war Mavis Vermillion. Zeref kannte sie bereits von einigen anderen Galen, zu denen sie ihren Vater Jude Vermillion begleitet hatte, dessen designierte Nachfolgerin sie seit letztem Jahr offiziell war. Sie würde einen der reichsten und fortschrittlichsten Auto-Konzerne erben, der auch weit über Fiores Grenzen hinaus hoch geschätzt wurde. Und auch wenn es noch nicht offiziell war, Zeref ging davon aus, dass Mavis früher oder später auch in den Vorstand von Zodiac Circle eintreten würde, der Wohltätigkeitsorganisation ihrer Mutter Layla Vermillion-Heartfilia. Zumindest hatte Zeref sie bei verschiedenen Veranstaltungen auch schon an der Seite ihrer Mutter gesehen.

Obwohl sie Beide aus derselben Stadt kamen, hatte Zeref bisher noch nichts weiter mit Mavis zu tun gehabt. Sie gingen auf unterschiedliche Schulen und so waren sie einander nur bei den Galen begegnet. Mehr als höfliche Grüße hatten sie nicht miteinander ausgetauscht.

Deshalb verwirrte es Zeref umso mehr, als er auf den Teller hinunter blickte, welchen Mavis auf den Tisch gestellt hatte. Darauf befanden sich mehrere kleine Törtchen in verschiedenen Farben, allesamt mit Creme garniert, gekrönt von Fruchtstücken oder Beeren, teilweise mit Puderzucker oder mit Streuseln abgerundet. Für einen fiesen Moment zog Zeref in Erwägung, ein Handyfoto zu machen und es seinem Bruder zu schicken. Eine kleine Rache dafür, dass dieser ihn vorletzte Nacht wach gehalten hatte, als er viel zu laut irgendein neues Spiel gezockt hatte.

„Danke, aber ich stehe nicht so auf Süßigkeiten“, erklärte er höflich und richtete den Blick wieder auf seine unerwartete Gesprächspartnerin.

Wieder überraschte sie ihn, indem sie ihn den Teller näher heran schob. „Hast du die hier denn überhaupt schon mal probiert?“, fragte Mavis mit einem herausfordernden Grinsen. „Wenn du schon auf so einer langweiligen Veranstaltung bist, solltest du zumindest auch einen Vorteil daraus ziehen. Die Konditorei von Domus Flau ist im ganzen Land berühmt. Ich muss meinen Geschwistern jedes Mal etwas mitbringen, sonst reden sie ewig nicht mit mir. Ganz zu schweigen von meinen Freunden. Yuri und Zeira sind regelrecht süchtig nach solchen Törtchen!“

Es fiel Zeref schwer, aus diesem Redeschwall die für ihn relevanten Informationen heraus zu filtern – sehr ungewöhnlich für ihn, dem normalerweise eine rasche Auffassungsgabe nachgesagt wurde. Etwas langsamer als vorher setzte er zu einer weiteren Absage an: „Danke, aber-“

„Probier’ mal“, wiederholte Mavis ungerührt, hob eines der Törtchen hoch und hielt es ihm direkt unter die Nase. Ein Schokotörtchen mit Schokocreme und –streuseln und einer Himbeere. Natsu würde dafür über Leichen gehen. „Das wird dir gut tun, dann kannst du diesen Affentanz hier viel besser ertragen, versprochen.“

Für einen Moment zögerte Zeref noch und blickte von dieser süßen Versuchung zu der jungen Frau, die ihm ein breites, ehrliches Lächeln schenkte. Er konnte es sich nicht erklären, aber irgendwie war ihre aufrichtige Freude an etwas so Simplen wie diesen Törtchen entwaffnend.

„Danke“, murmelte er und nahm das Törtchen an sich.

Als er hinein biss, zerging der luftige Teig regelrecht auf seiner Zunge und ganz unwillkürlich hoben sich seine Mundwinkel zu einem Halblächeln. Um es zu verbergen, biss er gleich noch mal ab, aber als er wieder in Mavis’ Augen sah, hatte er dennoch das Gefühl, ertappt worden zu sein…

30. “One more chapter.” (Gajeel-Juvia-Levy)

Levy ließ sich nur selten dazu überreden, jemandem eine Geschichte vorzulesen. Es war noch nie ihre Lieblingsdisziplin gewesen. Schon als Kind hatte sie sich davor gesträubt und wenn man sie doch dazu genötigt hatte, war sie pausenlos ins Stottern geraten, hatte versehentlich Zeilen übersprungen und war – wenn sie nicht vorher schon das Handtuch geworfen hatte – über kurz oder lang immer leiser geworden.

Denn so sehr sie eine Geschichte auch liebte und so schnell und flüssig sie diese normalerweise auch lesen konnte, sie wurde grundsätzlich nervös, wenn ihr jemand beim Vorlesen zusah und –hörte. Die Blicke von Klassenkameraden und Lehrern hatten immer für furchtbares Lampenfieber bei ihr gesorgt und sobald die Ersten von ihnen angefangen hatten, über Levys Fehler zu lachen, war das Ganze im Grunde zur Todesspirale geworden.

Nach ihrem Schulabschluss war das Jahre lang kein Thema mehr gewesen. An der Universität hatte sie keine Texte mehr vorlesen müssen – zumindest keine fiorianischen, wenn sie welche in Alt-Encasisch vorlesen musste, war das ein ganz anderes Thema – und als Doktorandin auch nicht.

Aber dann war ihre Partnerin Tante von sehr quirligen Zwillingen geworden…

„Noch ein Kapitel!“

Seufzend ließ Levy ihren Abenteuerroman sinken und blickte über den Rand ihrer dunkelroten Lesebrille hinweg zu Juvia, die es sich auf der anderen Seite der langen Eckcouch gemütlich gemacht hatte. Die riesige, flauschige Kuscheldecke lag über ihrer beider Beine und schützte sie vor der unangenehmen Kälte des Spätherbstes, aber zusätzlich hatte Juvia sich in eine Strickjacke gewickelt und hielt eine Tasse mit dampfenden Tee in der Hand, die sie von Zeit zu Zeit aufgefüllt hatte, während sie Levy zugehört hatte.

Jetzt blickte Juvia mit großen, flehenden Augen zu Levy und hatte damit große Ähnlichkeit mit ihrem Neffen und ihrer Nichte. Die traktierten Levy auch immer mit diesen Bettelblicken, welche der Doktorandin das Gefühl gaben, das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu begehen, wenn sie ihnen einen Wunsch abschlug. Nur war dieses Gefühl bei Juvia fast noch schlimmer, eben weil Juvia diesen Blick auch im Erwachsenenalter noch vollkommen arglos anwendete, während die Zwillinge ihn jetzt schon sehr gezielt einsetzten. Diese Durchtriebenheit mussten sie eindeutig von Juvias Bruder Totomaru haben, denn Aries war so ziemlich der zurückhaltendste und argloseste Mensch der Welt.

Auf der Suche nach einer Rettung sah Levy sich im Wohnzimmer um und kämpfte dabei gegen ihre Verlegenheit und Unsicherheit an. Seit sie das erste Mal beim Babysitten von den Zwillingen dazu überredet/gezwungen worden war, ihnen ein Märchen vorzulesen, kam Levy aus dieser ganzen Sache nicht mehr heraus. Juvia hatte sie irgendwann mal dabei erwischt und danach hatte sie sie so lange angebettelt, bis Levy ihr auch etwas vorgelesen hatte.

Am Anfang war es eine furchtbare Stotterpartie gewesen. Levy hatte sich wieder an ihre Schulzeit erinnert gefühlt und sich kaum beruhigen können. Aber Juvia hatte sie kein einziges Mal ausgelacht – nicht dass Levy ihr das jemals zugetraut hätte –, sondern immer nur wie gebannt zugehört. Mittlerweile stotterte Levy nicht mehr, geriet höchstens gelegentlich ins Stocken, wenn sie im Eifer einer spannenden Szene zu schnell wurde, aber es erfüllte sie doch jedes Mal zunächst mit Unsicherheit, wenn Juvia sie darum bat, ihr vorzulesen.

„Guck’ nicht so, du musst doch nur ein Kapitel vorlesen.“

Angesäuert blickte Levy zu Gajeel, der sich im Sessel lümmelte. Eigentlich hatte sie geglaubt, er wäre eingeschlafen, aber anscheinend hatte er doch zugehört. Irgendwie machte der Gedanke Levy noch nervöser.

„Hast du etwa auch zugehört?“, fragte Levy und wünschte sich, ihre Wangen würden nicht so furchtbar heiß werden.

„’türlich“, brummte Gajeel und zuckte mit den breiten Schultern. „Is gut.“

Das entlockte der Doktorandin ein Stirnrunzeln. Was wollte Gajeel denn damit ausdrücken? Dass ihm das Buch gefiel? Warum musste er bloß immer so wortkarg sein?! Er musste ja nicht gleich so eine Plappertasche wie Levys beste Freundin sein, aber dass er selbst im trauten Heim nicht klar darüber reden konnte, was er dachte, machte Levy manchmal wahnsinnig. Sie war einfach nicht gut darin, so etwas zu interpretieren und diese ganze Situation war immer noch ungewohnt für sie – immerhin gewöhnte man sich nicht von Jetzt auf Gleich daran, ein Liebesverhältnis mit gleich zwei Menschen zu haben.

Insbesondere dann nicht, wenn nicht darüber geredet wurde. Es hatte sich… einfach so ergeben? Anders konnte Levy es wirklich nicht beschreiben.

Dabei hatte es ganz harmlos damit angefangen, dass sie zusammen eine WG gebildet hatten, als Levy noch im Aufbaustudium gesteckt hatte und sich etwas Neues hatte suchen müssen, weil ihre vorherige Mitbewohnerin ungeplant schwanger geworden war und mit ihrem Freund zusammen gezogen war. Mit Gajeel und Juvia hatte es von Anfang an geknistert und keiner der Beiden hatte sich je etwas daraus gemacht, dieses ganze Gefühlswirrwarr klar zu definieren. Sie hatten sich einfach treiben lassen – und Levy mitgerissen.

Ein leises Kichern lenkte Levys Aufmerksamkeit zurück zu Juvia, die verschlagen in Gajeels Richtung blickte, ehe sie Levy zuzwinkerte. „Was Gajeel eigentlich sagen möchte, ist, dass er dir genauso gerne zuhört wie Juvia.“

Gajeel schnaufte leise, widersprach jedoch nicht. Levys Wangen fühlten sich jetzt so an, als würden sie in Flammen stehen.

„A-aber ich kann doch gar nicht gut vorlesen!“, widersprach sie zaghaft.

Abwägend wiegte Juvia den Kopf hin und her, ehe sie mit den schmalen Schultern zuckte. „Juvia findet es schön. Sie hört dir gerne zu und sie schaut gerne zu, wie viel Freude du an der Geschichte hast. Gajeel übrigens auch.“

Wieder brummte der junge Mann. „Lies einfach weiter vor. Oder nein, lasst uns zuerst ins Bett gehen. Ist gemütlicher.“

Begeistert stellte Juvia ihre Teetasse neben der halbleeren Kanne auf dem Couchtisch ab und klatschte dann in die Hände. „Das ist eine großartige Idee, Gajeel! Dann können wir kuscheln!“

„Was auch immer“, murmelte Gajeel und stand auf, um schon mal ins Schlafzimmer zu gehen.

Technisch gesehen war es Juvias Schlafzimmer, aber irgendwie war es schon seit Monaten ihr gemeinsames Schlafzimmer. Levy nutzte ihr eigenes Zimmer fast nur noch, wenn sie an ihrer Doktorarbeit schrieb oder dergleichen, aber ihr Bett in dem Zimmer war schon lange unberührt geblieben.

Immer noch zutiefst verlegen blickte Levy zwischen Gajeel und Juvia hin und her. Letztere krabbelte über das Sofa auf sie zu, beugte sich lächelnd über das Buch und gab Levy einen Kuss, ehe sie mit leuchtenden Augen den Kopf schräg legte.

„Nur noch ein Kapitel. Bitte?“

Wie könnte sie bei diesem Blick überhaupt noch an Widerworte denken?

Levy nickte belämmert und ließ sich von ihrer enthusiastischen Partnerin auf die Beine und ins Schlafzimmer ziehen, wo Gajeel bereits auf sie Beide wartete. Als Levy sich zwischen seinen Beinen aufs Bett setzte und ihren Rücken an seine Brust lehnte, während Juvia sich an seine Seite kuschelte, legte er einen Arm um Juvias Schultern und den anderen um Levys Taille. Eine von Juvias zierlichen Händen kam auf Levys Oberschenkel zum Ruhen.

Für einen Moment nahm Levy sich die Zeit, die intime Nähe einfach nur zu genießen. Dann klappte sie ihr Buch wieder auf und begann, das nächste Kapitel vorzulesen.

31. “Don’t worry about me.” (NaLu) - 50er & Jahres-Jubiläum

Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Die Luft schien auf einmal viel dicker zu sein als sonst, machte Natsu das Atmen schwer, und die Stille war drückend, beinahe bohrend. Vorwürfe hingen unausgesprochen im Raum, schwer und schmerzhaft – Ergebnisse von Natsus brütenden Gedanken, die er viel zu lange nur mit sich selbst diskutiert hatte.

Wochen lang hatte er über sich selbst zu Gericht gesessen, hatte sich selbst beschuldigt und verteidigt, hatte das Für und Wider abgewogen, hatte immer und immer wieder an die Opfer seiner Entscheidungen gedacht. Es hatte ihn Nächte lang wach gehalten, hatte ihm sogar auf den Magen geschlagen…

Und jetzt saß er hier: In seinem alten Kinderzimmer auf seinem breiten Bett, das seine Eltern ihm besorgt hatten, nachdem sie gesehen hatten, wie er sich im Schlaf immer ausbreitete. Um ihn herum die Relikte seiner Kindheit und Jugend. Die Basketball- und Comicposter an den Wänden, die Drachenfiguren auf dem Nachttisch, die Eintrittkarten für Basketballspiele, Postkarten und Fotostreifen an der Pinnwand, Hanteln und Bälle unter dem Bett versteckt, das Chaos auf dem Schreibtisch. Alles war so, wie er es vor zwölf Monaten zurückgelassen und seitdem nur jedes zweite Wochenende besucht hatte. Alles roch nach einer Zeit, in der Natsu noch keine schweren Entscheidungen hatte fällen müssen, in der er unbedarft und sorglos und viel zu naiv gewesen war, in der er große Schwüre geleistet hatte.

Es war irgendwie verstörend, ausgerechnet hier einen so gewaltigen Schritt zu unternehmen. Beinahe fühlte es sich an, als würde er damit diesen Ort niederbrennen.

Aber besser hier, als anderswo.

Vor Natsu kniete Lucy am Fußende seines Bettes, den karierten Faltenrock sorgsam so gefaltet, dass er nicht von ihren Fersen zerknittert wurde, die Finger im Schoß miteinander verschränkt, der Rücken gerade. Alles in allem eine mustergültige Haltung, wie Natsu sie eigentlich schon lange nicht mehr bei Lucy gesehen hatte.

Als sie vor fünf Jahren nach Magnolia gekommen war, hatte sie immer so diszipliniert da gesessen, stets gerade und perfekt. So war es ihr in dem Mädcheninternat eingetrichtert worden, auf das ihr Vater sie immer abgeschoben hatte, bis Lucys Mutter sich hatte scheiden lassen – aber das hatte Natsu vor fünf Jahren noch nicht gewusst, als Lucy neu in seine Klasse gekommen war. Das hatte er alles erst später erfahren, als Lucy bereits zu seinen Freunden gehört hatte – zu ihm gehört hatte – und als sie endlich begonnen hatte, sich zu lockern.

Dass sie jetzt wieder so sehr darauf bedacht war, Haltung zu wahren – und Abstand zu ihm – verursachte einen schmerzhaften Knoten in Natsus Eingeweiden. Er wollte sie an sich ziehen und küssen und ihr versichern, dass alles gut werden würde. Aber er wusste, dass das eine Lüge wäre. Das hier lag in seiner Verantwortung, also musste er allein mit diesem Knoten – und allen, die da noch kommen mochten – fertig werden.

„Also…“, begann er und brach sofort wieder ab, weil seine Stimme furchtbar heiser klang.

Wie lange saßen sie eigentlich schon hier und schwiegen einander an? Natsu hatte jegliches Zeitgefühl verloren, weil er in der letzten Nacht keinen Schlaf gefunden hatte. Eben weil er gewusst hatte, dass heute der unvermeidliche Tag war. Lange genug hatte er es hinaus gezögert, hatte sich vor diesem schwersten aller Schritte gedrückt. Dabei spürte er die missbilligenden Blicke seines Vaters schon seit einer Weile im Nacken und Gray und Erza glaubten vielleicht, subtil genug zu ein, aber er hatte oft genug bemerkt, wie sie einander verstohlene Blicke zugeworfen hatten. Aber erst als er gestern Abend wieder von Lucy und ihrem traurigen Lächeln am Bahnhof in Empfang genommen worden war, hatte er gewusst, dass es soweit war, dass er sich eben nicht weiter drücken durfte. Ihr zuliebe musste er endlich mit der Sprache herausrücken.

Sein erster kläglicher Versuch, zu sprechen, hatte Lucy zusammenzucken lassen, aber jetzt saß sie wieder kerzengerade da, hatte lediglich den Blick auf ihre Finger gesenkt, deren Spitzen Natsu gerötet vorkamen, als würde Lucy zu viel Druck auf die zarten Glieder ausüben. Er widerstand dem Drang, nach diesen Händen zu greifen, die er so gerne in seinen eigenen spürte, und räusperte sich stattdessen.

„Ich… habe letzte Woche meinen Vertrag unterzeichnet“, brachte er schließlich hervor. „Ich bin jetzt für sieben Jahre verpflichtet und muss erst einmal noch ein paar Fortbildungen absolvieren. Fallschirmspringen und all so etwas…“

Als er während seines Wehrpflichtjahres die Liste mit den Möglichkeiten studiert hatte, die ihm bei einer Verpflichtung offen standen, war er furchtbar aufgeregt gewesen, aber jetzt hörte sich seine Stimme in seinen eigenen Ohren irgendwie hohl an.

Lucy schwieg. Sicher wusste sie schon längst, worauf Natsu hinaus wollte. Wahrscheinlich hatte sie es schon viel früher als er gewusst. Sie war einer der klügsten Menschen, die Natsu kannte, und manchmal glaubte er, dass sie ihn besser kannte, als er sich selbst – egal wie entnervt sie sich manchmal wegen seiner Possen gab.

Doch Natsu wusste, dass er sich nicht darauf ausruhen durfte. Er hatte eine Entscheidung getroffen und jetzt musste er die Konsequenzen tragen. Das war er Lucy schuldig: Klare Worte, einen geraden Strich. Damit es für sie Beide endlich fest stand. Damit sie Beide weiter machen konnten.

Auf einmal wurde Natsu klar, dass das auch bedeutete, dass Lucy irgendwann einen anderen Mann an ihrer Seite haben könnte. Es war ihr gutes Recht – wie könnte Natsu jemals von ihr erwarten, dass sie sieben lange Jahre lang auf ihn wartete? –, aber die Vorstellung machte Natsu beinahe wahnsinnig und ließ ihn für einen Moment vergessen, dass er noch etwas zu sagen hatte.

Seit er Lucy vor fünf Jahren kennen gelernt hatte, hatte er sich zu ihr hingezogen gefühlt, aber er hatte ewig gebraucht, um zu begreifen, inwieweit seine Beziehung zu ihr sich von den Beziehungen zu Gray und Erza unterschied. Er war ein Trottel gewesen – nur allzu oft hatte Lucy ihm das ins Gesicht gesagt, wenn sie sich mal wieder über seinen Kindskopf aufgeregt hatte –, aber er war ihr Trottel geworden. So lange es auch gedauert hatte, er hatte schließlich zu ihr gehört und sie zu ihm.

Sie mit all ihrer Perfektion – den chicen Kleidern, dem Make up, dem tadellosen Betragen in der Schule und den Spitzenzeugnissen. Sie mit all ihren Macken – wenn sie bis spät in die Nacht in einem neuen Buch las, wenn sie sich über eine winzige Kleinigkeit so richtig aufregen konnte, wenn sie anfing, mit Levy über vollkommen absurde Themen zu fachsimpeln, wenn sie sich über einen neuen altmodischen Schlüssel in ihrer Sammlung freute, wenn sie wieder eine ihrer komischen Diäten ausprobierte oder Sport machte, nur um dann doch nach einigen Wochen wieder aufzugeben, wenn sie bei jeder Zeitschrift und Zeitung zuerst die Horoskope las, wenn sie über kleine Makel wie einen Pickel herzzerreißend jammerte, wenn sie wegen eines romantischen Dramas Rotz und Wasser heulte, wenn sie beim Anblick einer Maus vor Angst kreischte, wenn sie ihm die kalten Füße zwischen die Beine schob, wenn sie sich am frühen Morgen beim Klingeln ihres Weckers wie eine Katze in Natsus Armen räkelte, nur um sich dann doch wieder an ihn zu kuscheln, wenn sie nach seiner Hand griff, sobald sie nebeneinander saßen, wenn sie bei jedem Liebesgeständnis aufs Neue rot wurde…

Natsu schloss die Augen und schluckte schwer, während er sich in Erinnerung rief, dass er kein Recht dazu hatte, Lucy für sich zu beanspruchen. Wenn er ihr nicht die Aufmerksamkeit widmen konnte, die sie verdiente, dann durfte er sie auch nicht mit halbgaren Versprechen an sich binden. Das Wichtigste war, dass Lucy glücklich wurde. Und wenn das bedeutete, dass sie mit einem anderen Mann glücklich wurde, dann würde Natsu dieses Opfer bringen.

„Ich weiß noch nicht, was nach den sieben Jahren passiert“, fuhr Natsu schließlich mit belegter Stimme fort. „Kommandant Clive hat mir empfohlen, mich nicht gleich für zehn oder mehr Jahre zu verpflichten. Aber vielleicht mache ich das, wenn die sieben Jahre vorbei sind. Vielleicht komme ich gar nicht mehr nach Magnolia zurück. Deshalb…“

Wieder musste Natsu schwer schlucken. Jetzt war unübersehbar, dass Lucys Finger zitterten und sich so fest umeinander schlangen, dass er sogar befürchtete, sie könnten brechen. Dieses Mal konnte er sich nicht beherrschen und griff nach den zarten Händen, bettete sie behutsam in seinen, während er sich vorbeugte, um Lucys Blick einzufangen. Ihre schönen, braunen Augen waren bereits glasig und wirkten seltsam starr. Ihm wurde klar, dass Lucy versuchte, nicht zu blinzeln.

„Es ist besser, wenn wir Schluss machen, Lucy“, hörte er sich selbst krächzen. „Wenn wir zusammen bleiben, musst du immer auf mich warten und ich kann dir nichts versprechen. Ich will dir nicht weh tun, weil…“ Er konnte nicht sagen, dass er sie liebte. Er durfte nicht! „Weil wir Freunde sind.“

Die Worte hörten sich nicht nur falsch an, sondern waren offensichtlich auch das, was bei Lucy das Fass zum Überlaufen brachte. Sie entwand ihm ihre Hände und bedeckte damit ihr Gesicht. Ihre schmalen Schultern zitterten und ihre Atemzüge klangen schwer und gequält, aber Natsu konnte nicht sehen, ob sie weinte oder nicht.

Hilflos blieb er vor ihr sitzen, die eigenen Hände noch erhoben, aber er wagte es nicht, Lucy anzufassen. Er hatte das Gefühl, dass es ihr nur noch mehr Schmerzen bereiten würde, wenn er ihr jetzt nahe kam.

Dabei hatte er so lange daran gearbeitet, Lucy nahe kommen zu dürfen. Am Anfang hatte sie sich immer so sehr von Allen distanziert, schien immer auf der Hut zu sein – als dürfte sie sich nie auch nur die geringste Blöße geben. Zweifellos ein Ergebnis der vermurksten Erziehung durch ihren Vater. Es hatte Monate gedauert, bis Lucy Natsu und die Anderen an sich heran gelassen hatte.

Für einen Moment befürchtete Natsu, dass er soeben all das zunichte gemacht haben könnte. Dass Lucy wieder so diszipliniert und abweisend wie früher werden könnte. Aber dann schalt Natsu sich. Lucy war viel zu stark und zu klug, um sich ihr Leben von einem Trottel wie ihm verderben zu lassen. Sie war unabhängig und ehrgeizig und noch tausend andere Dinge. Lucy war einfach Lucy. Sie brauchte Natsu nicht.

Was nicht hieß, dass es ihr jetzt gerade gut ging…

„Es tut mir Leid“, krächzte Natsu mühsam. „Ich will dir nicht weh tun, wirklich nicht, aber ich… du…“

„Sei still, du Dummkopf!“

Als Lucy die Hände sinken ließ und ihn mit Tränen in den Augen anfunkelte, blinzelte Natsu verblüfft. Es war nicht das übertriebene Feuerwerk aus Hysterie und Pedanterie, wenn sie sich über eine Kleinigkeit aufregte. Und es war auch nicht die kalte Wut, die ihre Züge erstarren ließ, wenn sie über ihren Vater sprach, der ihrer Mutter so lange Zeit das Leben schwer gemacht hatte. Nein, das hier war ein unglaublich heißes, wildes Lodern, so entschlossen und unbeugsam und so gefährlich wie ein Vulkan.

„Wir wissen Beide ganz genau, warum du das hier tust!“, fauchte Lucy und stemmte die Hände in die Hüften. „Du tust das nicht aus Spaß oder weil du nicht mehr weiter weißt, sondern gerade weil du endlich weiter weißt! Du hast das gefunden, was du machen willst, und dafür musst du dich nicht entschuldigen!“

Verunsichert blieb Natsu vor seiner Freundin – Ex-Freundin, ermahnte er sich selbst mit einem Anflug von Schmerz – sitzen. Sie hatte Recht, er hatte endlich – endlich, endlich, endlich! – das gefunden, was er machen wollte. Bei der Armee konnte er körperlich aktiv sein, hatte jeden Tag Herausforderungen und konnte anderen Menschen helfen. Insbesondere, wenn er dem Katastrophenschutz beitrat, wie Erza und Gray es auch vorhatten. Er konnte Gutes tun!

Während des gesamten letzten Schuljahres hatte Natsus Umfeld ihn direkt oder indirekt damit genervt, was er machen wollte, sobald er sein Abschlusszeugnis in der Tasche hatte. Eine Ausbildung oder ein Studium? Ein Handwerk oder eine Wissenschaft? Etwas im Verkauf oder in der Produktion? Etwas mit Tieren oder mit kleinen Kindern? Jeder einzelne Lehrer hatte ständig Vorträge über das bevorstehende Ende ihrer Schullaufbahn gehalten. Sein Tutor hatte Flyer von Ausbildungsmessen verteilt. Die Schulleitung hatte auf Schnuppertage an der Universität von Magnolia aufmerksam gemacht – und gefühlt jeder in seinem Umfeld hatte bereits gewusst, was er nach der Schule machen wollte. Es hatte Natsu schlicht und ergreifend wahnsinnig gemacht!

Der Wehrdienst war ursprünglich nur der Versuch gewesen, noch ein Jahr Zeit zu schinden, um bei weiteren Recherchen endlich den richtigen Job zu finden. Von der Armee selbst hatte Natsu nicht viel erwartet, hatte immer geglaubt, es gehe dort viel zu steif zu, als dass er es länger als ein Jahr aushalten könnte.

Aber es war alles anders gekommen…

„Es fühlt sich aber so an, als müsste ich mich entschuldigen“, murmelte Natsu schließlich und ließ langsam seine Hände auf die Knie sinken. „Ich habe dir weh getan und lasse dich einfach zurück. Das ist nicht fair.“

Lucys zierliche Hände tauchten in seinem Blickfeld auf und ergriffen behutsam die seinen. Selbst jetzt noch war Natsu fasziniert davon, was für einen starken Kontrast ihre Hände darstellten. Früher hatte er nie auf so etwas geachtet, aber Lucys Finger waren wunderschön, ihre Haut herrlich weich und immer ein wenig kalt, selbst im Sommer. Es kostete Natsu einige Beherrschung, nicht einfach diese Hände hochzuheben und Küsse auf die Handteller zu drücken, wie er es früher immer gemacht hatte, um sie aufzuwärmen.

Als Lucy behutsam an seinen Fingern zog, hob Natsu wieder den Blick. Ihre Augen waren gerötet und das Lächeln auf ihren Lippen wirkte unglaublich müde. Als würde sie mit allerletzter Kraft lächeln.

„Mach’ dir meinetwegen keine Sorgen, Natsu. Das alles ist nicht deine Schuld. Ich will, dass du das machst, was dich glücklich macht.“

Ihre Stimme war rau, aber sie zitterte nicht. Woher nahm Lucy bloß diese Selbstbeherrschung?

„Und was wird aus dir?“, fragte Natsu, obwohl Lucy ihm gerade erst gesagt hatte, dass er sich darum keine Sorgen machen sollte. Aber wie könnte er nicht? Lucy hatte ihm schon viel bedeutet, bevor er sich auch noch in sie verliebt hatte.

„Was soll schon mit mir sein? Ich studiere weiter“, erwiderte Lucy, als wäre das alles kein Thema mehr. Sie ließ Natsus Hände los und rutschte vom Bett. Als sie aufrecht stand, verschränkte sie ihre Finger miteinander, um die Arme über ihrem Kopf ausgiebig strecken zu können. „Ich denke darüber nach, an diesem Quellenprojekt mitzuarbeiten, und ich wollte mich als HiWi bewerben… Ich werde schon genug zu tun haben, keine Sorge.“

Wortlos beobachtete Natsu, wie sie sich so ausgiebig streckte, als ginge es in ihrem Gespräch gerade nicht um die Auflösung einer langjährigen Beziehung. Wem wollte sie damit etwas vormachen?

Als Lucy sich zu ihm herum drehte, zuckte Natsu beinahe zusammen. Schon wieder lag dieses müde Lächeln auf ihren Lippen. „Ich denke, ich sollte jetzt gehen.“

Natsu war sich nicht sicher, wie er darauf reagieren sollte. Auf Anraten seines Vaters hatte er dafür gesorgt, dass dieses Gespräch hier stattfand, damit Lucy selbst entscheiden konnte, wann sie es beenden wollte – und damit sie im Notfall auch die Flucht ergreifen konnte. War das hier jetzt eine Flucht? War es so schlimm für Lucy?

Als Lucy sich langsam in Bewegung setzte, beeilte Natsu sich, ihr zu folgen. Er stolperte vom Bett und ging hinter ihr her die Treppe hinunter. Außer ihnen war keiner im Haus. Natsus Eltern waren mit Wendy im Park – wahrscheinlich hatten sie ihnen die Möglichkeit geben wollen, das alles wirklich alleine zu klären, aber Natsu wusste nicht, ob er ihnen dafür wirklich dankbar sein konnte. Unangenehm berührt stand er daneben, während Lucy in ihre Sandalen schlüpfte. Doch als sie auch noch einfach so die Haustür aufzog, griff er hastig nach ihrer Hand.

Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen, und Natsu zog seine Hand sofort wieder zurück. „T-tut mir Leid“, stammelte er mit enger Kehle.

„Mach’ dir meinetwegen keine Sorgen“, sagte Lucy. Es waren genau dieselben Worte wie vorhin, aber sie klangen viel schwächer. Das Lodern in den schönen braunen Augen war zu einem schwachen Glimmen geworden und die Unterlippe zitterte verräterisch.

„Darf ich… nur noch einmal…?“

Als Lucy zaghaft nickte, hob Natsu vorsichtig die Arme und schlang sie um Lucys zierliche Schultern, zog sie an seine Brust. Er spürte, wie ihre Arme sich um seine Hüfte schlangen, spürte das Zittern der Schultern. Lucys Haare rochen anders, als er seine Nase darin vergrub. Wahrscheinlich ein neues Shampoo, Lucy konnte Ewigkeiten damit zubringen, in der Drogerie an unterschiedlichen Shampoo-Flaschen zu schnuppern. Natsu versuchte, zu erraten, was für ein Blumenduft das war, versuchte, ihn in eine starke, unauslöschliche Erinnerung zu bannen, damit ihm zumindest das von Lucy bleiben würde.

Hektisch blinzelnd löste er sich schließlich von Lucy und sie blickte mit glasigen Augen zu ihm auf. Als sie dieses Mal lächelte, wirkte es aufrichtig, aber genau das machte alles noch viel schmerzhafter für Natsu.

„Vielen Dank für die schöne Zeit mit dir, Natsu“, krächzte sie.

„Ich… ich muss dir danken, dass du dich mit mir abgegeben hast“, murmelte Natsu und versuchte, gegen den Kloß in seiner Kehle anzukommen. „Soll ich dich… nach Hause bringen?“

Mitten im Satz wurde ihm bewusst, dass diese Frage entsetzlich dumm war. Es war eine alte Angewohnheit aus der Zeit, als er jede Gelegenheit ausgenutzt hatte, um noch ein wenig länger mit Lucy zusammen sein zu können.

Doch Lucy schüttelte nur mit einem verständnisvollen Lächeln den Kopf und trat noch einen Schritt rückwärts – raus aus dem Haus, fort von Natsu.

„Ich komme schon zurecht, Natsu, wirklich. Mach’ dir meinetwegen keine Sorgen.“

Schon wieder dieser Satz. Der Gedanke, dass das vielleicht die letzten Worte waren, die er jemals von Lucy gehört haben würde, tat entsetzlich weh. Aber das war wohl seine verdiente Strafe dafür, dass er so verkorkst war und Lucy damit so weh getan hatte. Er konnte bloß hoffen, dass Lucy von ihrer Mutter und ihrer alten Freundin Levy genug Unterstützung bekommen würde.

Er blieb im Türrahmen stehen und blickte Lucy hinterher, wie sie langsam den gepflasterten Weg bis zum Gartentor entlang ging und dort dann nach rechts abbog in Richtung der Bushaltestelle. Sie war schon beinahe bei der Kreuzung, als Natsu sah, wie sie die das Gesicht in den Händen barg.

Schon machte Natsu einen Schritt aus der Tür heraus, als von links Erza auftauchte. Sie trat einfach neben Lucy und schlang einen Arm um ihre Schultern. Lucy lehnte ihren Kopf gegen die Schulter der Freundin und so setzten sie sich wieder in Bewegung.

Erst das Klappern des Gartentores lenkte Natsus Aufmerksamkeit auf Gray, der mit einem Sixpack Bier auf ihn zukam.

„Woher…?“, begann Natsu, brach jedoch schnell wieder ab, weil seine Stimme so schwach klang.

„Igneel hat uns Bescheid gesagt“, erklärte Gray vorsichtig. „Wir haben abgewartet, bis Lucy raus kommt.“

Natsu war erleichtert, dass Lucy nicht alleine nach Hause gehen musste, aber ob er seinen Nachbarn und Freund jetzt hier bei sich haben wollte, wusste er nicht so recht. Doch er hatte auch keine Kraft, um jetzt zu argumentieren. Wortlos ließ er die Tür offen und ging durch Flur und Wohnzimmer hinaus auf die Terrasse, wo er sich auf die niedrigen Treppe setzte, die von der erhöhten Plattform in den liebevoll gepflegten Garten seiner Mutter hinunter führte.

Ebenfalls wortlos setzte Gray sich neben ihn, zog sein Offiziersmesser aus der Hosentasche und öffnete damit zwei Bierflaschen, um eine davon Natsu in die Hand zu drücken. Seine eigene Flasche stieß er gegen Natsus, dann genehmigte er sich einen Schluck.

Als Natsu sich zusammen krümmte und sein Gesicht gegen seine Knie drückte, spürte er Grays Hand auf seiner Schulter – und obwohl sie nichts von seinem Schmerz linderte und auch nicht Lucys letzte Worte an ihn aus seinen Gedanken vertrieb, war er doch froh, jetzt nicht alleine zu sein…

32. “It looks good on you.” (Juredy)

Als Meredy nach Hause kam, duftete es himmlisch nach überbackenem Fisch. Sofort machte sich ihr Magen lautstark bemerkbar, als wollte er sie dafür bestrafen, dass sie ihn so lange vernachlässigt hatte. Dabei hatte Meredy es sich sicher nicht ausgesucht, dass ausgerechnet während ihrer Pause nach vier Stunden ätzenden Papierkrams ein Notruf ertönt war.

Nachdem sie am Einsatzort angekommen war, hatte sie es umso mehr bedauert, ihren eingepackten Salat liegen gelassen zu haben, denn der Anrufer hatte sich als miesepetriger, alter Sack heraus gestellt, der einfach nur Ärger machen wollte. Fast eine Stunde lang hatten Meredy und Urtear sich daran aufgehalten, dem Mann zu erklären, dass er seine Nachbarn nicht anklagen konnte, nur weil von ihrem Balkon Blüten und Blätter auf seinen gefallen waren. Irgendwann hatte er sich bei ihrem Stationsleiter beschweren wollen, aber von der Seite würden sie sicher nichts zu befürchten haben. Polizeihauptkommisar Clive hatte ihre Information über die Beschwerde, mit einem Augenrollen abgetan und erklärt, dass er den alten Michello bereits nur zu gut kannte.

Nach so einem Tag kam Juvias fabelhafte Kochkunst wie gerufen.

Mit einem erleichterten Seufzer entledigte Meredy sich ihrer Lederjacke und hängte sie im Flur neben Juvias Wintermantel. Wie so oft musste sie bei dessen Anblick schmunzeln. Solange Meredy denken konnte, war ihre Freundin immer eine Frostbeule gewesen. Selbst im Sommer konnte sie Langärmeliges tragen, ohne zu schwitzen.

Leises Fußtrappeln ließ Meredy den Blick heben. Sie hatte noch genug Zeit, die Arme auszubreiten, dann fiel Juvia ihr bereits um den Hals.

„Juvia hat dich so vermisst“, plapperte sie gleich aufgeregt drauflos. „Wie war dein Tag? Musstest du wieder langweiligen Papierkram machen? Juvia hat heute einen richtig großen Auftrag gehabt, Yukino musste sogar helfen, sonst hätte Juvia das nicht geschafft, aber es hat Spaß gemacht und das Ergebnis sah toll aus! Oh, Juvia hat ein Foto gemacht, willst du es sehen?“

Lächelnd beugte Meredy sich vor und küsste ihre Freundin. Sie konnte spüren, wie sich ihr Körper hingebungsvoll an sie schmiegte, und ihre Hände glitten nach unten, um Juvias Taille zu umschlingen.

Es war immer schön, so leidenschaftlich begrüßt zu werden. Am Anfang hatte es Meredy zugegebenermaßen noch irritiert, weil sie solche Ausdrucksstärke überhaupt nicht gewohnt gewesen war, aber sie hatte es – Juvia – schnell lieben gelernt. Und an einem Tag wie heute tat es doppelt gut, Juvia zu haben. Allein dieser Kuss sorgte dafür, dass sich aller Ärger in Luft auflöste.

„Mein Tag war nicht so aufregend, aber nicht weiter wild“, antwortete sie schließlich, nachdem sie sich dazu durchgerungen hatte, sich von Juvia zu lösen. Als ihr Magen wieder grummelte, lächelte sie verlegen. „Ich habe furchtbaren Hunger.“

„Natürlich!“

Enthusiastisch klatsche Juvia in die Hände, ehe sie Meredy mit sich ins Wohn- und Esszimmer zog. Der Esstisch am Fenster mit Blick auf den Balkon, wo Juvia schon im Herbst gleich zwei Futterhäuser und diverse andere Futtermöglichkeiten für die Vögel installiert hatte, war gerade groß genug für zwei Personen. Ideal für die beiden jungen Frauen – und wenn sie doch mal Gäste zum Essen hatten, konnten sie ihn noch auf die dreifache Länge ausklappen und in die Mitte des Raumes schieben. Der Tisch war bereits gedeckt und eine Thermoskanne mit Tee stand auch schon da.

„Setz’ dich doch schon mal, Juvia holt das Essen.“

Ehe Meredy einwenden konnte, dass sie doch auch helfen konnte, war ihre Freundin auch schon in der Küche verschwunden. Kopf schüttelnd ging sie zum Esstisch, aber als sie an der Eckcouch vorbei kam, fielen ihr eine aufgeschlagene Zeitschrift und zwei Mützen auf. Das eine war eine dicke, schwarze Wollmütze im Beanie-Stil und mit dicker Bommel. Das andere war gar keine Mütze, sondern ein schlichtes, dunkelblaues Stirnband mit einem Twist.

Neugierig ging Meredy hinüber und hob zuerst die Zeitschrift hoch. Bei Begutachtung des Covers erkannte sie, dass es sich um ein Modemagazin handelte. Nicht unbedingt das, was sie von Juvia gewohnt war oder was sie selbst je las. Für gewöhnlich fand man in Juvias Zeitschriftensammlung eher Koch- oder Strickanleitungen und dann waren da noch die botanischen Fachzeitschriften, welche die gelernte Floristin abonniert hatte.

Doch als sie zu dem Artikel zurückkehrte, den Juvia aufgeschlagen gelassen hatte, erkannte sie, was es damit auf sich hatte: Unter dem Titel Was fürs Köpfchen – Hüte im Wandel der Zeit war der Name des Autoren abgedruckt – kein geringerer als Lyon Bastia.

Meredy konnte den Journalismusstudenten gut leiden. Er sah aus wie ein Weiberheld, war es aber bei weitem nicht in dem Ausmaß wie etwa der Freund von Juvias bester Freundin Lucy – das war ein echter Süßholzraspler, es war Meredy ein Rätsel, wie Lucy es mit ihm aushielt! Lyon war da sehr viel umgänglicher, sehr direkt, aber nicht so plump wie die meisten anderen Männer in Juvias großem Freundeskreis. Als sie erfahren hatte, dass Lyon sein letztes Studienpraktikum bei einem Modemagazin machen musste, hatte Meredy richtig Mitleid mit ihm gehabt.

Aber ganz offensichtlich hatte er das Beste daraus gemacht. Obwohl das Thema wirklich nicht der Renner war – zumindest nicht für Meredy, die Kopfbedeckungen nicht leiden konnte –, las sich der Artikel wirklich gut und die Bilder waren auch sehr gut platziert.

„Die hat Lyon heute Nachmittag im Laden vorbei gebracht, weil Juvia doch so neugierig wegen der Artikel von ihm und Lucy war.“

Meredy drehte sich zu ihrer Freundin um, die mit einem voll beladenen Tablett ins Wohnzimmer kam.

„Der von Lyon sieht gut aus“, sagte Meredy und legte das Magazin wieder beiseite, um ihrer Freundin zu helfen. „Was sollen die Mützen?“

„Die hat Juvia auch von Lyon bekommen. Sie hatten wohl für das Shooting ziemlich viele Mützen und Hüte und Lyon wurden welche mitgegeben, als sein Praktikum vorbei war. Er hat sie Juvia gegeben, aber Juvia findet, dass dir das Stirnband auch gut stehen würde.“

Während sie die Schüssel mit dem Salat auf den Tisch stellte, verzog Meredy skeptisch das Gesicht, aber das hätte sie sich wohl besser verkneifen sollen. Natürlich entging es ihrer Freundin nicht, die sie daraufhin energisch zurück zur Couch zog und das Stirnband ergriff.

Artig ließ sie es über sich ergehen, dass Juvia ihren dicken, geflochtenen Zopf durch das Stirnband fädelte und es dann sorgfältig an der Stirn und im Nacken arrangierte, bis der Twist etwa bei Meredys rechter Schläfe saß. Danach griff Juvia wieder nach dem Zopf und zog das Gummi ab, ehe sie die Frisur auflöste. In langen, schweren Wellen fluteten die Haare schließlich über Meredys Rücken, wurden dank des Bandes jedoch praktisch aus dem Gesicht gehalten.

Auch wenn sie keinen Spiegel parat hatte und auch wenn es im beheizten Wohnzimmer zu warm für so ein dickes Band war, musste Meredy doch zugeben, dass sie positiv überrascht war. Bei winterlichen Temperaturen war das tatsächlich eine angenehme Variante, ihre Ohren warm zu halten, und es saß bequem auf, drückte nicht und der Wollstoff war nicht im Mindesten kratzig.

Gerade wollte sie Juvia fragen, wie sie aussah, als ihr deren staunende Miene auffiel. Sie sah aus, als würde sie einer Erscheinung ansichtig werden. In ihre großen, blauen Augen trat dieses anhimmelnde Funkeln und ihre Lippen waren zu einem kleinen O geöffnet.

Für einen Moment musste Meredy gegen ihre Verlegenheit ankämpfen. Verdammt, Juvia hatte noch nie mit ihren Gefühlen hinterm Berg gehalten, aber manchmal erwischte es sie eben doch eiskalt, wie intensiv die Gefühle der Anderen waren – und was das in ihr selbst auslöste. Sie war wirklich heilfroh, dass ihre Ohren, die immer als erstes rot wurden, unter dem Stirnband verborgen waren, und sie versuchte, sich an der beherrschten Miene von Urtear ein Beispiel zu nehmen und mit aller Souveränität, die sie aufbringen konnte, ruhig zu fragen: „Wie schlimm ist es?“

Juvia blinzelte irritiert, dann schien sie ins Hier und Jetzt zurück zu finden und sie schlang noch stürmischer als bei der Begrüßung die Arme um Meredys Hals. „Es steht dir!“, erklärte sie atemlos, ehe sie Meredy küsste.

Überwältigt von diesem Ausbruch konnte die nicht mehr tun, als wieder die Arme um Juvias Taille zu schlingen und zu versuchen, beim Kuss irgendwie mitzuhalten. Insgeheim nahm sie sich aber vor, Lyon irgendwann anständig für das Stirnband zu danken – auch wenn sie ihm sicher nicht verraten würde, was hier gerade passiert war.

33. “Close your eyes and hold out your hands.” (Jukino)

„Schließe deine Augen und strecke deine Hände aus.“

Verwundert wirbelte Juvia herum und sah sich Yukino gegenüber, die mit flammend roten Wangen mitten in der Wohnheimküche stand und etwas hinter ihrem Rücken versteckte. Die Weißhaarige wirkte selbst am meisten verblüfft über ihre forschen Worte und sah nun beinahe so aus, als wollte sie die Flucht ergreifen. Ihre zierlichen Füße in den viel zu großen, quietschbunten Crocs trippelten auf der Stelle herum und ihre braunen Augen huschten hin und her auf der Suche nach Hilfe oder einem Fluchtweg oder einer Versteckmöglichkeit – wahrscheinlich wäre Yukino alles recht.

Auf Juvias Lippen schlich sich ein hingerissenes Lächeln.

„Was hast du denn für Juvia?“, fragte sie und stemmte die Hände in die Hüften, während sie sich weit nach links neigte, um hinter Yukinos schmalen Rücken spähen zu können.

Mit einem schwachen Quietschlaut drehte die Weißhaarige sich hastig herum und stieß dabei gegen einen der beiden klapprigen Stühle, die von allen Bewohnern der Etage nur noch als Abstellmöglichkeit genutzt wurden, seit der dritte mal ohne Vorwarnung unter Natsu zusammen gebrochen war.

„D-du musst die Augen schließen!“, japste Yukino und die Röte bereitete sich langsam auch über ihren schlanken Hals aus.

Es war zum Dahinschmelzen! Am liebsten wäre Juvia einfach vorgesprungen, um die Jüngere in eine leidenschaftliche Umarmung zu ziehen und zu küssen – etwas, wovon sie schon seit Monaten immer wieder träumte. Seit Yukino und ihr bester Freund vor sieben Monaten als Erstsemester in das Studentenwohnheim eingezogen waren, konnte Juvia kaum die Augen von der Weißhaarigen lassen. Mit dem niedlichen, herzförmigen Gesicht, den großen Augen und der zierlichen Statur war Yukino einfach wunderschön und noch dazu einer der liebenswürdigsten Menschen, die Juvia jemals kennen gelernt hatte.

Es war so süß, wenn Yukino mal wieder mit Kohleschmiere an den Wangen durch die Gegend lief. Wie keck sie wurde, wenn sie ihrem energiegeladenen besten Freund Paroli bieten musste. Wie sie beim Zeichnen immer die Zunge zwischen den Lippen hervorlugen ließ, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wie sie jedes Mal sofort zu schlichten versuchte, wenn schlechte Laune in der Luft lag…

Wie hätte Juvia sich nicht in sie verlieben können?

Für Juvia war es Liebe auf dem ersten Blick gewesen und sie hatte sich von Anfang an darum bemüht, Yukino näher zu kommen. Ihre Freundinnen hatten sie zwar gewarnt, nicht gleich so voran zu preschen und Yukino erst einmal ganz unverfänglich auf einen Kaffee einzuladen, aber auf ihre Einladung hin war die Jüngere feuerrot geworden und hatte wie ein Fisch mehrmals die Lippen geöffnet und wieder geschlossen, ohne einen Ton heraus zu bringen, ehe sie die Flucht ergriffen hatte. Nun, das war keine Absage gewesen, also hatte Juvia es wieder versucht. Immer und immer wieder. Wie hieß es nicht so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!

„Und wenn Juvia es nicht tut?“, erwiderte sie spielerisch und lehnte sich zur anderen Seite.

„D-d-dann… D-dann kann i-i-ich dir nicht… d-das Geschenk geben“, stammelte Yukino und drehte sich so hektisch herum, dass sie gegen die offene Besteckschublade stieß, aus der Juvia gerade den Dosenöffner heraus geholt hatte, und diese mit einem lauten Knall schloss.

Erschrocken blickte Yukino sich um, als erwartete sie, dass gleich jemand in die Küche stürmen und sie wegen des Lärms zur Sau machen würde. Dabei war diese Sorge wirklich unbegründet. Ganz abgesehen davon, dass es am helllichten Tag war und sich kaum jemand im Wohnheim befand, waren zumindest auf der Etage hier schon alle Bewohner an viel schlimmeren Krach gewöhnt. Mit Natsus verrückten Aktionen, Lucys Tobsuchtanfällen und Erzas donnernden Befehlen, die Hausruhe zu wahren, war der Geräuschpegel hier oft genug ungesund laut.

„Ein Geschenk?“ Mit leuchtenden Augen trat Juvia näher an Yukino heran. „Für Juvia? Von dir?“

Mittlerweile schien die gesamte Haut der jungen Kunststudentin in Flammen zu stehen. Sogar ihre Ohren glühten und es juckte Juvia in den Fingern, vorsichtig darüber zu streichen. Einfach nur, um Yukino zu berühren. Bestimmt war ihre Haut ganz zart und weich und… Juvia rief sich selbst zur Ordnung und blieb stehen, als sie sah, wie Yukino mehrere Schritte rückwärts ging.

Meredy und Lucy hatten ihr geraten, es nicht zu weit zu treiben. Ganz offensichtlich sei Yukino noch sehr unerfahren in der Hinsicht und Juvias Annäherungsversuche könnten sie überfordern, im schlimmsten Fall sogar verschrecken. Schritt für Schritt, hatte Meredy gemahnt – und wenn es jemand wissen musste, dann doch wohl sie, immerhin war sie schon seit ewigen Zeiten mit Lyon zusammen!

„Entschuldige“, sagte sie aufrichtig und streckte vorsichtig die Hände aus, als müsste sie beweisen, dass sie unbewaffnet war. „Juvia freut sich nur so sehr und ist furchtbar neugierig.“

„S-schon gut“, nuschelte Yukino und trippelte nun wieder auf der Stelle herum. „Es ist nur…“

Sie seufzte frustriert und ließ den Satz unvollendet. Ganz unwillkürlich fragte Juvia sich, ob Yukino überhaupt schon mal eine Beziehung gehabt hatte oder wenigstens verliebt gewesen war. Sie war doch so wunderschön, wie könnte es da sein, dass ihr noch nie jemand den Hof gemacht hatte?

„I-ich… ich bin… nicht gut mit Worten“, setzte die Weißhaarige schließlich wieder an. „D-darf ich dir das hier einfach geben? Bitte?“

Auch wenn es ihr schwer fiel, weil sie noch immer furchtbar aufgeregt war, nickte Juvia artig, hielt die Hände ausgestreckt und schloss die Augen. Für einige Sekunden passierte gar nichts, aber dann spürte sie, wie eine ihrer Hände von unglaublich zierlichen Fingern ergriffen wurde. Die Finger leiteten Juvias eigene so, dass sie einen Gegenstand umfassen konnte. Es war eine Rolle aus stabilem Zeichenkarton, würde Juvia der Form nach vermuten.

„Du darfst es erst morgen aufmachen“, wisperte Yukino atemlos. Sie war Juvia nun so nahe, dass diese wohlig erschauderte. „E-es… es ist dein Geburtstagsgeschenk. Ich hoffe, es gefällt dir.“

„Woher-?“, setzte Juvia an, aber dann spürte sie weiche Lippen an ihrer Wange.

Es war nur ein ganz kurzer Kuss, im Grunde nicht mehr als ein hauchzartes Streifen, aber es ließ Juvias Herz heftiger denn je klopfen. Schon wollte sie die freie Hand nach Yukino ausstrecken, aber dann spürte sie, wie diese sich hastig entfernte. Als sie die Augen öffnete, stürmte Yukino bereits zur Küchentür hinaus und gleich darauf waren ihre lauten Schritte im Wohnheimkorridor zu hören, ehe schließlich eine Zimmertür zuknallte. Alles, was von Yukino in der Küche blieb, war einer der quietschbunten Crocs auf der Türschwelle.

Überwältigt legte Juvia eine Hand an ihre Wange, wo sie noch Yukinos Lippen zu spüren glaubte, und blickte auf die Rolle in ihrer Hand hinunter. Sie war mit einer hübschen dunkelblauen Schleife zusammen gebunden worden, an der ein handbeschriebenes Kärtchen hing. Für Juvia, stand dort, mehr nicht, aber für die Blauhaarige bedeutete es die Welt. Ein selbst gezeichnetes Bild von Yukino und ein Wangenkuss. Konnte sie sich etwas Besseres wünschen?

Selig lächelnd drückte Juvia die Rolle vorsichtig an ihre Brust und torkelte aus der Küche heraus, die Zutaten für ihr frühes Abendessen völlig vergessen. Selbst als sie schließlich in ihrem eigenen Zimmer aufs Bett fiel, prickelte ihre Wange noch und ihr Herz fühlte sich an, als würde es vor Freude platzen.

35. “After you.” (Hibenny)

Durch die altmodischen Butzenglasfenster des Fairy Tail drang orangefarbenes Licht auf die Straße und versprach den Passanten heimelige Wärme. Durch die dicke Holztür, die mal wieder einen Anstrich bräuchte, drang gedämpft das ausgelassene Gelächter mehrerer Personen. Selbst von außen war das urige Gasthaus quasi der Inbegriff einer herzlichen Einladung.

Erleichtert seufzend trampelte Jenny auf der Stelle, um den lästigen Schneematsch aus den Profilen ihrer Winterstiefel zu bekommen. Sie freute sich auf einen gemütlichen Abend in dem Lokal fernab von Alkoholexzessen und überteuerten Feuerwerken. Im Fairy Tail ging es an Silvester – wie an jedem anderen Tag im Jahr – um Geselligkeit und Kameradschaft. Nicht dass Jenny ganz prinzipiell etwas gegen eine wilde Nacht in der Disco hatte, aber als ihre Schulfreunde sie gestern gefragt hatten, ob sie mit ihnen an Silvester ins Fairy Tai gehen würde, war ihr die Entscheidung leicht gefallen.

Seit ihrem Schulabschluss vor zwei Jahren hatte es sie alle an unterschiedliche Ausbildungsstätten innerhalb Magnolias verschlagen. So beschaulich die Stadt auch im Vergleich zu Crocus oder Hargeon war, voll gepackte Stundenpläne sowie Hausaufgaben, Praktika und Nebenjobs erschwerten regelmäßige Treffen.

Am häufigsten sah Jenny in letzter Zeit noch Hibiki, der nun auch neben ihr her ging, während die Turteltauben Ren und Sherry Arm in Arm hinter ihnen standen und wahrscheinlich wieder Liebeserklärungen austauschten. Vor einem halben Jahr war Jenny in ein anderes Studentenwohnheim gezogen. Seitdem wohnten sie und Hibiki, der an der Fachhochschule für Informatik studierte, nur noch einen Straßenblock voneinander entfernt, was ihnen die Möglichkeit für kurze Treffen bot.

„Nun beeilt euch doch mal, ich habe Hunger“, rief Jenny und blickte anklagend zu Ren und Sherry zurück.

„Lass’ sie. Die Beiden leben zur Zeit noch von Luft und Liebe“, schmunzelte Hibiki.

Jenny verdrehte die Augen ob dieser kitschigen Formulierung, die dem Braunhaarigen so galant von der Zunge ging. Er war schon immer ein Charmeur gewesen, ein Experte in Sachen Romantik. Zu Schulzeiten hatten die Mädchen sich ihm beinahe scharenweise zu Füßen geworfen und irgendwie hatte er es immer hingekriegt, mit allen gleichzeitig zu flirten und sie alle bei Laune zu halten.

Seit jeher hatte Jenny all das eher mit Skepsis beobachtet. Im Gegensatz zu Sherry konnte sie nicht wirklich etwas mit Romantik anfangen. Sie hatte in Beziehungen immer eher den Kick gesucht – überwiegend in der Horizontalen und gerne mit dem einen oder anderen Experiment. Hibiki wusste das natürlich – unter all seinem säuselnden Charme steckte doch ein sehr schlaues Köpfchen –, aber Jenny hatte das Gefühl, dass er im Gespräch mit ihr besonders gerne auf die schnulzigsten Sprüche der Menschheitsgeschichte zurück griff.

Zumindest war das so, seit sie sich häufiger nur zu zweit trafen. Oft kam es Jenny so vor, als wollte Hibiki sie aus der Reserve locken.

„Luft und Liebe gibt es auch da drin, zusammen mit einem Kamin und gutem Essen“, erwiderte Jenny schließlich stachelig und wandte sich wieder der Tür des Fairy Tail zu.

Hinter ihr erklang Hibikis leises Lachen und Jenny versuchte es gemeinsam mit dem angenehmen Schauder zu ignorieren, der bei diesem Laut über ihren Rücken lief. Es war offensichtlich, worauf Hibiki hinaus wollte, und Jenny konnte nicht behaupten, dass sie gänzlich abgeneigt war, aber sie zögerte, sich darauf einzulassen. Das war für sie unbekanntes Terrain und es ausgerechnet auf Kosten einer guten Freundschaft zu erkunden, kam ihr wie ein Risiko vor. Womöglich ein zu großes Risiko.

Ihre ehemalige Nachbarin aus Kindertagen Mirajane riet ihr schon seit Wochen, einfach ins Wasser zu springen und sich treiben zu lassen. Sie könne Hibiki vertrauen und sowieso würden sie doch perfekt zusammen passen… Typisch für Mirajane, die nie genug davon kriegen konnte, sich in die – in Jennys Fall nicht existierenden – Liebesleben Anderer einzumischen. Insgeheim wünschte Jenny sich schon seit langem, dass Mirajane sich selbst endlich mal verliebte, damit sie beschäftigt war.

Als sie die Tür aufstieß und auf die Schwelle trat, wurde Jenny von einem wohltuenden Schwall dicker, warmer Luft getroffen und der Geräuschpegel stieg nun, da er nicht mehr gedämpft wurde, um ein Vielfaches an. Vor ihr erstreckte sich das vertraute Chaos des Gasthauses. Mirajane stand hinter der Theke und schien ein halbes Dutzend Gäste gleichzeitig zu bedienen und mit ihnen zu schäkern, während eifrige Kellner sich durch die Tische schlängelten.

An einem Ende der Theke saßen Lucy und Cana – letztere hatte einen Arm um die schmalen Schultern der Blondine geschlungen und lachte lautstark, während sie mit der freien Hand eine Bierflasche herum schwenkte. Jenny kannte die Beiden im Grunde nur als Stammgäste im Fairy Tail, aber als solche waren sie ihr wohl vertraut. Insbesondere mit Cana machte es Spaß, Trinkspiele zu spielen, auch wenn es absurd war, wie viel Alkohol die Braunhaarige vertrug.

Jennys Blick glitt über weitere bekannte Gestalten und sie war bereits auf der Suche nach einem freien Platz für sich und ihre Freunde, als sie einen Zug an ihrem Arm spürte. Sie drehte sich zu Hibiki um, in dessen Augen ein merkwürdiges Funkeln lag. Seine Lippen wurden von einem feinen Lächeln umspielt, während er mit der freien Hand nach oben deutete.

Als sie dem Fingerzeig folgte, konnte Jenny ein Stöhnen nicht unterdrücken. Über ihnen hing ein Mistelzweig. Oder zumindest der kümmerliche Rest eines Mistelzweigs. Die Blätter waren bereits welk und die Beeren eingesunken. Höchst wahrscheinlich war der Zweig beim Aufräumen nach der Weihnachtsfeier vergessen worden. Obwohl… hatte nicht Mirajane die Oberhoheit über die Aufräumarbeiten inne gehabt…?

Bevor Jenny darüber nachdenken konnte, wie sie sich aus der Affäre ziehen konnte, ließ Hibiki ihren Arm los, nur um seinen Arm um ihre Hüfte zu schlingen und sie an sich zu ziehen. Das Manöver schrie geradezu nach Kitsch, aber der sanfte Druck an ihrer Hüfte verursachte ein aufregendes Kribbeln in Jennys gesamten Körper und sie ertappte sich dabei, wie sie sich dem Braunhaarigen entgegen streckte.

In Anbetracht der Umstände war der Kuss, der unweigerlich folgte, erstaunlich leidenschaftlich. Jenny hätte angenommen, Hibiki würde daraus wieder einmal nur ein Paradebeispiel für seine Galanterie machen, aber seine Lippen bewegten sich fordernd und heiß gegen Jennys. Beinahe so, als wollte er sie herausfordern.

Aller Erfahrung zum Trotz hatte Jenny das Gefühl, als würden ihre Beine auf einmal nur noch aus Wackelpudding bestehen. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals und ihr Gesicht fühlte sich fast schon fiebrig an. Flüchtig dachte sie daran, dass sie sich zurück ziehen musste – so schamlos war sie nun wirklich nicht, dass sie den Anderen eine Show bieten musste! –, aber sie fand keine Kraft dafür. Hibiki hatte sehr überzeugende Argumente.

Als der Braunhaarige sich schließlich zurück zog, öffnete Jenny widerstrebend die Augen und fragte sich, wann sie sie überhaupt geschlossen hatte. In seinen Augen lag ein intensives Funkeln, das Jennys Herz noch schneller schlagen ließ. Sein Arm fühlte sich ungewohnt stark und entschlossen an ihrer Hüfte an.

Das war es. Das war der Moment, um auch die restlichen Karten auf den Tisch zu legen. Als Hibiki die Lippen öffnete, war Jenny sich vollkommen sicher, was sie gleich hören würde, und sie schwankte zwischen einem Anflug von Panik und verwirrender Erwartung-

Doch dann trat Hibiki zurück und deutete eine galante Verbeugung an, ehe er Jenny bedeutete, endgültig in das Gasthaus zu treten. „Nach dir“, sagte er, seine Stimme eine Nuance tiefer als sonst.

Eine ganze Menge Fragen und Anschuldigungen lagen Jenny auf der Zunge, aber alles, was sie schließlich heraus brachte, war ein empörtes Schnaufen, mit dem sie wenigstens einen letzten Funken Würde zu bewahren versuchte, während sie mit glühenden Wangen und auffällig schnell außer Reichweite des Mistelzweigs stapfte.

„Alter Süßholzraspler!“

Trotz des chaotischen Lärms um sie herum, der sich von ihrer halbfreiwilligen Showeinlage mit Hibiki nicht im Geringsten hatte beeindrucken lassen, konnte sie Hibikis leises Lachen hören. Dieses Mal versuchte sie gar nicht erst, das Kribbeln zu ignorieren. Wie gesagt: Hibiki hatte gute Argumente in den Ring geworfen. Zu gute.

36. “We’ll figure it out.” (Natsu-Lucy-Yukino)

Allein schon mit seinen rosafarbenen, wilden Haaren fiel Natsu auf wie ein bunter Hund, aber sah man ein zweites und drittes Mal hin, erkannte man noch mehr außergewöhnliche Details: Der auffällig muskulöse Körperbau, der von harten Trainingsjahren kündete. Die großen Narben an Hals und Wange, die einen scharfen Kontrast zur sonnengebräunten Haut bildeten. Die Tätowierungen am rechten Arm: Auf der Schulter das Zeichen seiner Einheit, über dem gesamten Unterarm ein aufsteigender, roter Drache.

Natsu Dragneel trug seine Lebenserfahrung und seine Lebenseinstellung spazieren, ließ sie für jedermann sichtbar – einfach weil er sich nicht darum scherte, was irgendjemand über ihn dachte. Er war stark und unbezwingbar und… laut!

Sein Lachen übertönte die abendliche Geräuschkulisse des Fairy Tail vollkommen mühelos, sodass selbst Yukino, die ganz am Ende der Theke – und damit gut und gerne zehn Meter und ein halbes Dutzend lautstarker Tischgespräche von Natsu entfernt – saß, ihn laut und deutlich hören konnte. Ein Umstand, der ihr Herz ein ums andere Mal wild flattern ließ, nur damit sich gleich darauf ihr Magen vor Schuld verkrampfen konnte.

Seit Natsu vor zwei Wochen gemeinsam mit einigen Kameraden in seine alte Heimatstadt zurück gekehrt war, stand Yukinos Gefühlswelt kopf. Vorher war alles so vollkommen klar gewesen. Sie hatte sich glücklich geschätzt, endlich mit der Frau zusammen zu sein, die sie ein Jahr lang heimlich angehimmelt hatte. Vor zwei Monaten waren sie sogar zusammen gezogen und sie hatten über Zukunftspläne gesprochen – über die Zeit nach Yukinos Studienabschluss, über gemeinsame Reisen. Yukino hatte sogar von Familiengründung geträumt.

Nie im Leben hätte sie angenommen, dass all das ins Wanken geraten könnte.

Niedergeschlagen senkte Yukino ihren Blick auf ihren Cocktail, den sie noch gar nicht angerührt hatte, seit Mirajane ihn ihr mit der üblichen Herzlichkeit hingestellt hatte. Eigentlich wäre Yukino jetzt viel lieber Zuhause, wo sie sich sicher und geborgen fühlte, aber sie hatte nicht das Gefühl, dieses Zuhause noch verdient zu haben.

Deshalb war sie letzte Woche in die Wohnung von Sting und Rogue geflüchtet. Ihre Freunde hatten sie bereitwillig aufgenommen, hatten immer ein offenes Ohr und eine Schulter zum Anlehnen für sie. Nicht ein einziges Mal hatten sie angedeutet, dass Yukinos Anwesenheit eine Belastung für sie sein könnte.

Aber Yukino hatte ständig das Gefühl, die Beiden zu stören. Als Studenten konnten Sting und Rogue sich auch nur eine winzige Wohnung leisten. Mit einer Mitbewohnerin blieb da im Grunde kaum noch Privatsphäre. Um ihren Freunden eben diese wenigstens für ein paar Stunden wieder zu geben, war sie heute nach der Abendvorlesung, von der sie eigentlich sowieso nichts mitbekommen hatte, ins Fairy Tail gegangen.

Wahrscheinlich hätte sie damit rechnen müssen, Natsu hier zu sehen, aber es hatte sie dennoch mit voller Wucht getroffen, als sie beim Betreten der Bar als Erstes seine Stimme gehört hatte. Beinahe wäre sie an Ort und Stelle in Tränen ausgebrochen und sie hatte ernsthaft erwogen, die Flucht zu ergreifen, aber da hatte Mirajane sie bereits entdeckt gehabt. Die Weißhaarige hätte unter Garantie genau die Person angerufen, der Yukino sich nicht mehr unter die Augen traute, wenn Yukino sich auffällig verhalten hätte. Also hatte sie tief Luft geholt, innerlich bis Zehn gezählt – und dann noch bis Zwanzig und schließlich bis Dreißig, nur um ganz sicher zu sein – und sich die ruhigste Ecke in der Bar ausgesucht, um mit ihrem Elend alleine zu sein…

Als sich jemand auf den Hocker neben ihrem setzte, hob Yukino erschrocken den Blick. Neben ihr saß ausgerechnet die Person, der Yukino in den letzten Tagen aus dem Weg gegangen war, aber sie war kaum wieder zu erkennen.

Äußerlich war Lucy immer noch dieselbe: Die frauliche Kleidung, die ihre Reize so gut in Szene setzte, die langen, blonden Haare zu einem seitlichen Pferdeschwanz gebunden, das dezente Make up.

Aber obwohl die Augenringe perfekt abgedeckt worden waren, sah Yukino den großen, braunen Augen ihrer Freundin – Exfreundin? – die Übernächtigung an. Die vollen Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammen gepresst. Die schlanken Finger zitterten leicht, als sie sich an die Kante der Theke klammerten.

Meine Schuld, dachte Yukino und sie musste heftig blinzeln, um den aufkommenden Tränen Einhalt zu gebieten. Wenn sie nicht so wankelmütig wäre, ginge es Lucy jetzt nicht so schlecht!

„Wusstest du, dass ich mal mit Natsu zusammen war?“

Lucys Stimme klang heiser, war viel leiser und kraftloser, als Yukino sie kannte. In ihr klang all die Müdigkeit und Verzweiflung mit, die auch Yukino in den letzten Tagen gequält hatte.

Es dauerte einige Sekunden, bis die Bedeutung von Lucys Worten in Yukinos Verstand eingesickert war. Dann stockte ihr der Atem und ihre Augen weiteten sich. „D-du warst…?“

Die Blonde nickte matt. „In der Schule. Fast zwei Jahre lang. Es war… Ich dachte, er wäre es…“ Eine der zitternden Hände löste sich von der Theke, um die rechte Haarsträhne, die nicht im Pferdeschwanz zusammen gefasst war, um das Gesicht einzurahmen, hinters Ohr zu streichen. „Natsu wollte keinen Zivildienst machen, also ist er für die Wehrpflicht zur Armee gegangen. Wir haben eine Fernbeziehung geführt, aber es hat mich fast wahnsinnig gemacht, ihn immer nur am Wochenende zu sehen. Und dann… hat er sich entschieden, sich für sieben Jahre verpflichten zu lassen, und wir haben uns getrennt…“

Als Yukino die Tränen in den braunen Augen der Älteren erkannte, griff sie ganz automatisch nach ihrer Hand. Sonst war immer Lucy die Gefasste, hatte immer alles im Griff. So hatte sie ihr Studium in Regelstudienzeit absolviert, so bekam sie ihren Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Historischen Institut, ihr Zweitstudium und ihre Recherchen für eine Doktorarbeit unter einen Hut und hatte dennoch immer Zeit für Yukino, wenn diese an den absurden Anforderungen von Professor Michello verzweifelte oder wieder darüber in Panik geriet, dass sie immer noch kein Thema für ihre Masterarbeit hatte. Lucy war die Starke von ihnen Beiden. Sie so erschüttert zu sehen, bereitete Yukino beinahe körperliche Schmerzen.

„Ich… ich habe wirklich sehr lange gebraucht, um darüber hinweg zu kommen“, fuhr Lucy mit schwacher Stimme fort. „Als Natsu dann auch noch ins Ausland versetzt worden ist, war er ganz und gar weg und… und ich…“

Lucys freie Hand legte sich über die Augen und ihr ganzer Körper streckte sich mit einem langen, tiefen Atemzug. Als sie sich wieder im Griff hatte, zog sie Yukinos Hand an sich und drehte sich zu der Jüngeren herum. Der Blick ihrer geröteten Augen war auf einmal eisern.

„Dann habe ich dich getroffen, Yukino, und ich war endlich wieder glücklich! Das mit unseren Plänen, das habe ich alles ernst gemeint und das tue ich immer noch!“

Yukino konnte weder den Worten noch dem Blick standhalten. Sie sackte in sich zusammen und starrte zu Boden. Sie machte sogar einen halbherzigen Versuch, ihre Hand zurück zu ziehen, aber Lucy ließ sie nicht los.

„L-lucy, bitte“, flehte sie schwach. „I-ich kann nicht… ich darf nicht…“

„Yukino, ich war bei Sting und Rogue“, unterbrach Lucy sie. „Natürlich war mir sofort klar, dass du zu ihnen gegangen bist, aber ich brauchte selbst Zeit, um mir über etwas klar zu werden. Als ich vorhin bei ihnen war, haben sie sich standhaft geweigert, mir irgendetwas zu verraten. Sie haben nur gesagt, dass ich dich fragen soll, also… bist du in Natsu verliebt?“

Die direkte Frage entlockte Yukino ein gepeinigtes Wimmern. Wieder versuchte sie, ihre Hand zu befreien, wieder scheiterte sie. Die Tränen brannten in ihren Augen und sie kniff sie zu, ehe sie einmal ruckartig nickte.

Ja, sie war in Natsu verliebt. In dem Moment, als er vor zwei Wochen auf einmal vor ihrer und Lucys Wohnungstür gestanden hatte, um sich bei Lucy „zurück zu melden“, war es um sie geschehen gewesen. Die Gefühle für den charismatischen Ex-Soldaten hatten sie regelrecht überrollt.

Das alles war schon verwirrend genug, hatte sie doch bis zu jenem Moment, bevor sie Natsu unwissenderweise die Tür geöffnet hatte, felsenfest daran geglaubt, dass sie nur Lucy liebte. Aber das wirklich Verwirrende war, dass ihre Gefühle für Lucy sich dadurch nicht geändert hatten. Sie liebte die Blonde immer noch, aber gleichzeitig waren da diese wilden, stürmischen Gefühle für Natsu…

„Ich auch…“

Überrascht riss Yukino die Augen auf und sah zu Lucy auf. Die Blonde lächelte gequält.

„Als er auf einmal vor unserer Tür stand, waren alle Gefühle wieder da, und wenn du nicht da gewesen wärst, hätte ich ihn wahrscheinlich noch auf der Türschwelle geküsst.“

Die Worte verursachten einen grauenhaften Stich in Yukinos Herzen. Sollte das etwa heißen, dass-

Bevor ihre Gedanken in dunkle Gefilde abdriften konnten, ließ Lucy ihre Hand los und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, um sie zu einem Kuss hoch zu ziehen. Es war ein ungeschickter Kuss, zittrig und nass von Yukinos Tränen, aber dennoch zärtlich und aufrichtig. Unwillkürlich rutschte Yukino von ihrem Barhocker, um näher an Lucy heran treten zu können. Sofort schlangen sich Lucys Arme um ihren Körper und der Kuss wurde drängender, der Druck der Lippen geradezu verzweifelt.

Als sie endlich voneinander abließen, standen sie Beide neben der Theke und hielten einander fest umarmt. Zaghaft blickte Yukino wieder in Lucys Augen, die immer noch gerötet und immer noch voller Unsicherheit waren.

„Aber ich habe nicht nur für Natsu Gefühle“, fuhr Lucy heiser fort. „Frag’ mich nicht, warum das so ist, ich bin selber schrecklich verwirrt und unsicher und zermatere mir seit zwei Wochen den Kopf darüber, aber ich komme immer wieder nur zu einem einzigen Ergebnis: Ich will keinen von euch Beiden aufgeben.“

„Aber wie…“

Yukino rang um die richtigen Worte und ihr Blick huschte kur zu Natsu hinüber, der sich mit Gray, der mit ihm bei der Armee gewesen war, ein Duell im Armdrücken lieferte. Als ihre Blicke einander begegneten, wich das siegesgewisse Grinsen aus Natsus Zügen und seine dunklen Augen flackerten. Für den Bruchteil einer Sekunde kam hinter der immerheiteren Miene etwas anderes zum Vorschein, aber bevor Yukino auch nur versuchen konnte, es zu definieren, nutzte Gray die Ablenkung seines Kontrahenten und drückte seinen Arm auf die Tischplatte. Sofort richtete Natsu seine Aufmerksamkeit wieder auf seine unmittelbare Umgebung und begann, lautstark eine Revanche zu verlangen.

Schon wieder flatterte Yukinos Herz. Hatte sie sich das nur eingebildet? Machte sich der Schlafmangel der letzten Tage nun endgültig bemerkbar?

Nun noch viel unsicherer richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Lucy. Lucy, die ihre Gefühle so klar in Worte gefasst hatte. Lucy, die weder Yukino noch Natsu aufgeben wollte. So wie Yukino sich nicht zwischen Lucy und Natsu entscheiden konnte.

Wenn sie nicht so aufgewühlt wäre, hätte Yukino über die Absurdität ihrer Situation lachen mögen.

„Ich… i-ich will dich auch nicht aufgeben“, krächzte sie schließlich und verstärkte ihre Umarmung, um ihren schwachen Worten Nachdruck zu verleihen. „Ich habe auch Gefühle für euch Beide, aber… wie soll das bloß funktionieren…?“

Statt sofort zu antworten, küsste Lucy sie. Noch immer war der Kuss salzig und nass, aber er war tiefer und fester und bot Yukino endlich einen sicheren Halt. Es war immer noch alles furchtbar verwirrend und sie Beide wussten noch nicht einmal, wie Natsu zu all dem stand, aber zumindest konnte Yukino sich sicher sein, Lucy nicht zu verlieren. Sie war nicht alleine mit dieser absurden Situation!

„Ich weiß es nicht“, gestand Lucy leise, nachdem sie den Kuss gelöst hatte. Ihr Blick war unverhohlen müde, aber auch eine neue Sicherheit spiegelte sich darin nieder. „Aber uns wird schon etwas einfallen.“

38. “I like your laugh.” (EveChelia)

Mit einem schweren Seufzer ließ Chelia sich am einzigen noch freien Campingtisch nieder, legte die Arme auf den Tisch und barg das Gesicht darin in dem Versuch, alles um sie herum auszublenden. Das Rauschen der Bäume über ihr. Das Lachen und muntere Schwatzen der anderen Schüler an den anderen Tischen. Das Quietschen der Turnschuhe aus der nahen Sporthalle… Am liebsten hätte sie ihnen allen zugeschrien, dass sie verschwinden und sie in Ruhe lassen sollten. Sie war fix und fertig!

Als sie sich freiwillig für das Schulfestkomitee als Vertreterin ihrer Klasse gemeldet hatte, war sie naiverweise davon ausgegangen, dass die anderen Komiteemitglieder genauso motiviert und hilfsbereit bei der Sache wären wie sie selbst und dass das alles Hand in Hand gehen würde. Womit sie wirklich nicht gerechnet hätte, war, dass sie die Arbeit mehr oder weniger alleine erledigen würde.

Und zwar nicht etwa das Bauen irgendwelcher Stände, Nähen von Kostümen, Zubereiten von Speisen oder dergleichen mehr, sondern dieser ganze administrative Kram. Brauchte eine Klasse noch Material für irgendetwas? Wurden die Stände auf dem Schulhof dann auch in einer logischen Reihe aufgestellt? Lagen alle Klassen in der Zeit? Wurden genug Plakate in der Stadt aufgehängt? Gab es genügend Hostessen und wenn nein, ließen sich vielleicht doch noch ein paar Schüler finden, die bereit waren, interessierte Grundschüler und deren Eltern herum zu führen? War das Angebot der einzelnen Klassen ausgewogen genug oder musste man vielleicht ein paar Klassen fragen, ob sie sich noch etwas anderes einfallen ließen?

Chelia war einfach nicht für so etwas geschaffen. Wenn es darum ging, irgendwo mit anzupacken, war sie mit Feuereifer dabei und wurde nie müde, aber dieser Papierkrieg und diese ganzen Verhandlungen mit Klassensprechern und dergleichen waren einfach nur nervig. So hatte sie sich das wirklich nicht vorgestellt, als sie sich für das Komitee gemeldet hatte. Sie hatte sich davon irreleiten lassen, dass ihre Mitschüler alle so lustlos aus der Wäsche geguckt hatten, als die Klassensprecherin gefragt hatte, wer beim Komitee mithelfen wollte.

Natürlich hatte ihr das auch keiner verraten. Sie war ja noch die Neue, erst seit einem Monat an der Schule. Man hatte sie einfach ins offene Messer laufen lassen…

Wieder seufzte Chelia schwer und dachte sehnsüchtig an Lamia Scale und ihre Freundinnen dort zurück. Die Mädchenschule war zwar ganz schön steif und megaanspruchsvoll gewesen, aber mit Wendy und Charle hatte Chelia dort wirklich tolle Freundinnen gehabt.

Nach der Scheidung ihrer Eltern hatte sie jedoch auch die Schule wechseln müssen und jetzt war sie hier ganz alleine in der Fremde an einer blöden Schule, die sich Blue Pegasus nannte und deren Schülerschaft nur aus blöden, faulen Kameradenschweinen bestand!

Der einzige Vorteil an der neuen Stadt war für Chelia, dass ihre Cousine hier mit ihrem Freund lebte und arbeitete. Nach der Schule konnte Chelia immer in das kleine Bastel- und Schneidereifachgeschäft gehen, das Sherry zusammen mit ihrer alten Schulfreundin Jenny aus dem Boden gestampft hatte. Zumindest ein Familienmitglied, mit dem Chelia noch gut auskam. Zwei, wenn man Ren dazu zählte. Zwar hatte er Sherry noch keinen Antrag gemacht, aber Chelia war fest davon überzeugt, dass das nur noch eine Frage der Zeit war.

„An einem so schönen Tag solltest du dich nicht so hängen lassen.“

Überrascht blickte Chelia auf, als eine kalte Dose Eistee vor ihr auf dem Tisch abgestellt wurde. Ein schlanker Blondschopf mit dunkelgrünen Augen hatte sich ihr gegenüber am Tisch nieder gelassen und schenkte ihr ein charmantes Lächeln. Angestrengt durchforstete Chelia ihr Gedächtnis nach dem Namen des Jungen, den sie dem Alter nach in ihrem Jahrgang einordnen würde, vielleicht auch einen Jahrgang höher. Er kam ihr vage bekannt vor, aber sie kam nicht sofort drauf…

„Eve Tearm“, stellte er sich vor und deutete sogar eine galante Verbeugung im Sitzen an.

Verlegen richtete Chelia sich auf. „Ich bin-“

„Chelia Blendy, ich weiß. Wahrscheinlich das einzige Komiteemitglied, das dieses Jahr seinen Job ernst nimmt.“ Wieder dieses charmante Lächeln. In Chelias Magen schien sich ein Schmetterling verirrt zu haben. Zumindest flatterte es da auf einmal so komisch.

„Woher-?“

„Du warst gestern bei der Theater-AG und hast mit uns den Ablauf für das Programm in der Aula besprochen. Ich war gerade auf der Bühne.“

„Oh…“ Nun noch viel verlegener griff Chelia nach dem Eistee, um ihren Fingern gar nicht erst die Gelegenheit zu geben, sich nervös aneinander zu stupsen. „Tut mir Leid, dass ich dich nicht erkannt habe. Und danke für den Eistee.“

„Schon in Ordnung, du hattest offensichtlich viel um die Ohren und du hast ja auch gar nicht mit mir gesprochen, sondern mit dem AG-Leiter“, winkte Eve noch immer lächelnd ab. „Und keine Ursache. Du siehst aus, als könntest du eine kleine Abkühlung gebrauchen.“

„Ja, das ist wahr“, nuschelte Chelia und blickte auf die Dose hinab. Deren Kälte war die reinste Wohltat bei den frühsommerlichen Temperaturen. „Läuft das hier eigentlich immer so?“, fragte sie, während sie die Dose öffnete. „Will hier keiner etwas machen?“

„Doch schon, aber nicht im organisatorischen Bereich“, antwortete Eve und öffnete seine eigene Dose, ehe er sie zum Anstoßen hochhielt. Seine Augen funkelten amüsiert. Wieder flatterte es in Chelias Bauch. „Keiner will länger als nötig mit dem Schulleiter zu tun haben.“

Unwillkürlich musste Chelia lachen. „Das ist alles? Nur weil Herr Kotobuki ein bisschen schräg ist?“ Kichernd schüttelte sie den Kopf und stieß ihre Dose behutsam an Eves, ehe sie einen vorsichtigen Schluck von der wohltuend kalten Flüssigkeit zu sich nahm. „Meine alte Schulleiterin war viel schlimmer.“

„Kaum vorstellbar“, schmunzelte Eve und stellte seine Dose nach einem Schluck auf dem Tisch ab, um sein Kinn in der Hand abzustützen und sie einfach nur anzustarren. Mehr machte er nicht. Er sah sie einfach nur an.

Als ihre Dose halb leer war und er sie immer noch mit diesem nachdenklichen Lächeln musterte, wurde Chelia unruhig. „Habe ich etwas im Gesicht?“, fragte sie irritiert.

Ohne seine Position zu verändern, schüttelte Eve sachte den Kopf und lächelte. Nicht ganz so breit wie vorher. Irgendwie war es ein seltsames Lächeln. Beinahe… geheimnisvoll?

„Nein, mit deinem Gesicht ist alles in bester Ordnung. Ich habe nur gerade an etwas gedacht…“

„J-ja?“ Die Hitze stieg Chelia in die Wangen, weil ihre Stimme auf einmal ein peinliches Quietschen war. Sie räusperte sich mehrmals, trank noch ein paar Schlucke Eistee und räusperte sich noch mal. „Woran denn?“

Jetzt sah Eve ihr direkt in die Augen und sie hatte das Gefühl, als würde sein Blick noch viel tiefer in sie vordringen. „Ich mag dein Lachen…“

Jetzt war es auf einmal eine ganze Armee von Schmetterlingen in Chelias Bauch…!

40. “I made this for you.” (Totories)

Das Fate of Stars war ein knuddeliges, kleines Themencafés. Die Decke war dunkelblau gestrichen und bildete die Kulisse für eine unglaublich detaillierte Nachzeichnung des Nachthimmels. Wie Totomaru mittlerweile wusste, zeigte sie die Milchstraße, diverse mehr oder weniger bekannte Sternzeichen – die Plejaden, den kleinen Wagen, den Widder und noch so einige mehr – und Sterne und Planeten. Totomaru hatte das Gefühl, bei jedem Besuch wieder etwas Neues an dieser Decke zu erkennen, aber das könnte auch damit zusammenhängen, dass er mittlerweile mehrere Bücher über Astronomie auf seinem Schreibtisch liegen hatte.

Um den Raum nicht zu düster wirken zu lassen, waren die Wände weiß verputzt und das Interieur in hellen Holztönen gehalten. Auf Regalen standen Sternengloben, kleine Modelle des Sonnensystems, Miniaturteleskope und andere altertümliche Hilfsmittel der Astronomie. Zwischen den Regalen hingen Plakate für astronomische Fachkonferenzen oder auch für nichtwissenschaftliche Veranstaltungen mit astronomischem Schwerpunkt.

Die Hälfte einer Breitseite des Cafés wurde von der holzvertäfelten Theke eingenommen. Mit schwarzer Tinte war das Sternzeichen des Großen Bären darauf gemalt worden. Die Tischchen im Café waren sternenförmig und auf den gemütlichen Sesseln und Bänken waren lauter Kissen, auf denen entweder Sterne abgebildet waren oder die tatsächlich ebenfalls eine Sternform besaßen. Sternenförmige Teelichtgläser und Windlichter standen auf den Tischen und in einer Ecke des Cafés befand sich ein hohes Regal mit astronomischen Standardwerken und einer großzügigen Auslage an Flyern für noch mehr Veranstaltungen zum Thema.

Als Totomaru das Fate das erste Mal betreten hatte, war es ihm ganz schön schrullig vorgekommen. Ihm war unbegreiflich gewesen, wie man sich derartig für ein so realitätsfernes Thema interessieren konnte – dass das Argument der Realitätsferne leicht gegen seine eigene sehr passionierte Ausübung des Boscanischen Stockkampfs und der Meditation nach der Tradition seines Geburtslandes verwendet werden könnte, war ihm damals nur vage bewusst gewesen. Hätte ein Kommilitone ihn damals nicht für die Referatsbesprechung hierher eingeladen, hätte er das Fate jedenfalls nie betreten.

Heute kam er jeden Tag wenigstens einmal hierher – je nachdem, wie sein Vorlesungsplan und seine Schichten im Archiv es erlaubten. Sein bester Freund Gajeel machte sich deswegen lustig über ihn, aber Totomaru machte sich nichts aus dessen derben Sprüchen. Erstens war er schon ganz andere Sachen von dem anderen Bosco gewohnt und zweitens war er fest davon überzeugt, dass sich ihre Rollen irgendwann vertauschen würden.

Denn irgendwann erwischte es offensichtlich jeden…

Aufmerksam verfolgte Totomaru, wie die porzellanfarbenen, zierlichen Finger seinen Latte macchiato zubereiteten. Wenn sie bei der Arbeit waren, waren sie vollkommen ruhig und zielsicher. Dann bewegten sie sich tänzerisch leicht zu einer Melodie, die sonst keiner hören konnte, strahlten Selbstbewusstsein und Freude an der Arbeit aus. Eben weil das so ein scharfer Kontrast zu den sonst üblichen nervösen Ticks war – wie sich die Finger immer wieder kompliziert miteinander verknoteten oder sich an alles klammerten, was gerade greifbar war –, war Totomaru immer wieder fasziniert von diesen Fingern – und von der gesamten Person, zu der sie gehörten.

Besagte Person war zierlich und gut einen Kopf kleiner als Totomaru, die Haut genauso blass wie bei den Fingern, nur die Wangen waren immer von einer zarten Röte überhaucht, die sich je nach Verlegenheitsgrad noch vertiefte. Das schmale, spitznasige Gesicht wurde von pinken Haaren umrahmt, die auf den Schultern in dicken Locken endeten und mit jeder Bewegung leicht wippten. Die schmalen Lippen waren während der Arbeit einen Spalt breit geöffnet und als die zierlichen Finger nach dem Kakaostreuer und schließlich nach einem Zahnstocher griffen, schob sich die Zunge zwischen die Lippen – ein deutliches Zeichen, wie sehr die Frau sich konzentrierte.

Ohne den Blick von den zierlichen Fingern zu lassen, stützte Totomaru das Kinn mit der rechten Hand auf der Theke ab, die er für sich alleine hatte. Am späten Nachmittag war im Fate nichts los. Das Café bereitete sich bereits auf die Schließung vor. Einer der Angestellten hatte schon das Schild an der Tür umdrehen wollen, als Totomaru aufgetaucht war, und dem finsteren Blick nach, mit dem der Löwenkopf Totomaru bedacht hatte, hätte er ihm gerne die Tür vor der Nase zugeschlagen. Loke wusste genau, was Totomaru immer wieder hierher zog. Jeder in der Belegschaft wusste das. Jeder bis auf Aries. Dabei glaubte Totomaru nicht, dass er besonders subtil war.

Als die Pinkhaarige den Blick hob, kehrte die Schüchternheit in ihre braunen Augen zurück. Die Souveränität, mit der die junge Frau das Kaffeegetränk zubereitet hatte, schien sich schlagartig in Luft aufzulösen, während sie die hohe Tasse auf der Theke vor Totomaru abstellte.

„Lass’ ihn dir schmecken. Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat“, flüsterte sie und verschränkte ihre Finger miteinander, sobald diese die Tasse losgelassen hatten.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Es lohnt sich jedes Mal, auf deine Arbeit zu warten“, erklärte Totomaru lächelnd.

„Ich müsste schneller sein“, widersprach die Pinkhaarige und senkte zu Totomarus Bedauern nun sogar den Blick. „Es tut mir Leid. Ich werde noch viel mehr üben, versprochen!“

„Nur für mich?“, fragte Totomaru herausfordernd und beugte sich ein wenig vor, um wieder in die Augen der Barista blicken zu können.

Ein zu lautes Räuspern von der Tür, die zum Hinterzimmer führte, lenkte Aries ab, bevor sie antworten konnte – nicht dass Totomaru sich überragend viele Hoffnungen gemacht hätte. Loke stand im Türrahmen. Natürlich Loke. Die Anderen aus der Belegschaft murmelten Totomaru Ermutigungen zu oder neckten ihn, wenn er mal wieder versuchte, mit Aries zu flirten, aber Loke, der selbst keine Gelegenheit ausließ, mit Kundinnen zu flirten, blickte den Bosco jedes Mal so finster an, als wollte er ihn gleich zerfleischen. Übertrieben brüderliches Beschützergehabe, hatte Aquarius es mal spöttisch genannt, als Totomaru ein wenig um den Heißen Brei herum geredet hatte, um herauszufinden, ob etwas zwischen Loke und Aries lief.

„Wir müssen zu machen“, erklärte Loke.

„Tut mir Leid, ich werde mich mit der Kaffeemaschine beeilen“, erklärte Aries hastig und drehte sich schon um, um die letzte Maschine auszuschalten, die sie eben noch für Totomarus Latte macchiato gebraucht hatte. Dann fiel ihr wieder etwas ein und sie drehte sich ebenso hastig zu Totomaru herum, die Wangen nun deutlich dunkler. Beinahe deutete sie eine Verbeugung an. „Tut mir Leid, das war unhöflich. Bitte lass’ dir den Latte schmecken. Ich habe ihn für dich gemacht.“

Offensichtlich. Immerhin hatte Totomaru das Getränk ja bestellt. Aber der junge Mann schenkte der Pinkhaarigen dennoch ein dankbares Lächeln, ehe er die Tasse an die Lippen hob. Erst im letzten Moment bemerkte er das Bild auf dem Milchschaum. Schnell setzte er die Tasse wieder ab, um das Kunstwerk zu betrachten.

Es war ein wenig windschief, aber es war unverkennbar eine altboscanische Rune, die vereinfachte Darstellung des sagenumwobenen Königsvulkans. Sie stand für Macht, aber auch für den Ausbruch, das plötzliche Zuschlagen, die Überraschung. Für einen traditionsbewussten Bosco war es Standard, ein Amulett oder ähnliches mit dieser Rune am Körper zu tragen. Totomaru trug sie als Tattoo auf dem rechten Schulterblatt – eine ältere Tradition, die dem Glauben zugrunde lag, dass diese Rune so den Schwertarm stärkte.

Überrascht blickte Totomaru wieder von der Tasse auf. Aries hatte ihm jetzt den Rücken zugekehrt und war in ihre Arbeit mit der Kaffeemaschine vertieft, die sie auseinander nehmen und reinigen musste. Totomarus Aufmerksamkeit schien sie überhaupt nicht zu bemerken, dabei wurde sie sonst jedes Mal nervös, wenn man sie bei anderer Arbeit als dem Zubereiten von Kaffee beobachtete.

Langsam legte Totomaru den Kopf schief. Für Nicht-Boscos waren diese Informationen über sein Geburtsland meist unbekannt. Die Fiorianer interessierten sich eher für Alvarez im Allgemeinen, für die Kunst aus Ministrel und Enca oder für die Küche aus Pergrande. Bosco wurde meistens ignoriert, seine Tradition als Firlefanz abgetan. Um also diese Rune zeichnen zu können, hatte Aries sich in das Thema hinein lesen müssen…

Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf Totomarus Lippen und er hob die Tasse wieder an, um den Latte nicht kalt werden zu lassen, den Aries extra für ihn zubereitet hatte.

41. „Go back to sleep.” (IgneelWeiß)

Müde seufzend lehnte Weißlogia sich an den Rand der Wiege und betrachtete das winzige Menschenwesen, das den Zeigefinger seiner rechten Hand mit beiden Händen fest umklammert hielt, während es selig schlief. Ein feiner rotbrauner Flaum spross auf dem Köpfchen, erfreulich dicht und lang. Weißlogia mochte es, vorsichtig darüber zu streichen, und er hätte es auch jetzt gerne getan, aber er wollte dem Baby nicht seinen Finger entreißen.

Dabei müsste er eigentlich ins Bett. Er hatte einen langen Tag im Gericht hinter sich und morgen stand ihm das noch mal bevor. Dafür musste er fit sein, denn es ging um einen Nachahmer des Lichtbrand-Phantoms, das vor vier Jahren sein Unwesen in Magnolia getrieben hatte.

Dieser Nachahmer mochte im Vergleich zum Phantom ein Stümper sein, dennoch wollte Weißlogia das Strafmaß auf keinen Fall zu niedrig ausfallen lassen. Das Ausmaß an Bewunderung, das dem Brandstifter von damals auch heute noch insgeheim in gewissen Kreisen gezollt wurde, stieß dem Staatsanwalt mehr als sauer auf – nicht zuletzt auch deshalb, weil es einen Teil seiner Familie in Gefahr brachte. Der vorletzte Auftritt des Lichtbrand-Nachahmers hatte eine Feuerwehrwache als Ziel auserkoren. Zum Glück hatten die Männer und Frauen schlimmeren Schaden verhindern können, aber einer von ihnen war den blauen Flammen beinahe zum Opfer gefallen und lag nun mit großflächigen Verbrennungen dritten Grades im Krankenhaus…

Als das Baby die Stirn in Falten legte und leise brabbelte, wurde Weißlogia aus seinen düsteren Gedanken zurück in die Gegenwart gerissen. Sein Finger wurde fester umklammert und in den zahnlosen Mund geschoben. Mit einem schiefen Lächeln ließ Weißlogia es geschehen. Wie könnte er diesem winzigen Knäuel auch einen Wunsch ausschlagen?

Der Klang schwerer, müder Schritte auf der Treppe ließ Weißlogia aufhorchen, aber er rührte sich nicht vom Fleck, noch immer darauf bedacht, sein jüngstes Kind nicht wieder zu wecken, nachdem es so lange gedauert hatte, es zu beruhigen.

Die Schritte verklangen im Nachbarraum, aber kurz darauf setzten sie sich wieder in Bewegung und schließlich wurde die Kinderzimmertür ganz vorsichtig geöffnet und ein wirrer, pinker Haarschopf, der noch halb platt gedrückt war vom Schutzhelm, schob sich durch den Spalt. Die kantigen Gesichtzüge mit dem dunkleren Kinnbart waren mit Ruß gezeichnet und unter den glühend roten Augen zeichneten sich tiefe Schatten ab.

„Warum bist du nicht im Bett?“, fragte Igneel mit gedämpfter Stimme und stieß die Tür ganz leise weiter auf, um ins Zimmer schlüpfen zu können.

„Es hat ziemlich lange gedauert, Lector zu beruhigen. Die Jungs müssen morgen Beide früh raus, also habe ich mich um ihn gekümmert“, erklärte Weißlogia wispernd und blickte wieder auf das Baby in der Wiege hinunter. „Und dann hat Lector insistiert.“

„Er hat insistiert?“, schmunzelte Igneel und trat hinter Weißlogia.

„Er guckt sich zu viel von seinen Brüdern ab.“

Igneel schnaubte leise. „Vielleicht stellt er sich auf einem gewissen Gebiet nicht ganz so blöd wie die Beiden an.“

„Du meinst, weil wir da so viel besser waren?“, fragte Weißlogia und blickte wieder zu seinem Mann auf, der daraufhin beleidigt die Wangen aufblies, aber nicht widersprach.

Sie verfielen in einträchtiges Schweigen und beobachteten ihren gemeinsamen Sohn, der nun so friedlich schlummerte, als könnte er kein Wässerchen trüben. Dabei hatte er das ganze Haus zusammen geschrien, als Igneel Hals über Kopf hatte aufbrechen müssen, weil sein Pieper ihn zu einem Einsatz beordert hatte. Normalerweise schaffte Igneel es dabei, so leise zu sein, dass nur Weißlogia etwas davon mitbekam, aber dummerweise war er im Flur über eine der Katzen gestolpert, die daraufhin laut geschrien hatte. Wie lange Lector danach geschrien hatte, wusste Weißlogia gar nicht mehr, aber sein Sohn war wohl kein Mann halber Sachen, denn er hatte sich bei seinem Geschrei redlich Mühe gegeben, möglichst auch noch die Nachbarn an dem Spektakel teilhaben zu lassen. Zum Glück wusste Weißlogia, dass Lucky und Marl es ihnen nicht übel nehmen würden. Marl war ganz vernarrt in Lector. Na ja, jeder war ganz vernarrt in den Jungen.

Schließlich beugte Igneel sich jedoch über die Wiege und kitzelte ganz sachte Lectors Bauch. Das Baby brabbelte wieder leise und ließ Weißlogias Finger los, um die Hände grabschend in die Luft zu strecken, ohne tatsächlich wach zu werden. Schnell zog Weißlogia seine Hand fort und Igneel schob eine rote Plüschkatze in die Arme des Kindes. Als Lector wieder vollkommen friedlich schlief, das Gesicht an das Kuscheltier geschmiegt, erhob Weißlogia sich erleichtert und schlich sich gemeinsam mit Igneel auf den Flur.

Erst dort nahm er sich die Zeit, seinen Mann eingehend zu betrachten. Zu seiner Erleichterung gab es keinerlei Spuren von Verletzungen. Die gab es so gut wie nie, Igneel war gut in seinem Job, aber es blieb eben doch ein gefährlicher Job und im Ernstfall neigte Igneel dazu, das Wohl Anderer über sein eigenes zu stellen.

„Du solltest duschen gehen“, flüsterte er schließlich.

„Wirklich? Ich dachte, so ein rauchiges Aroma ist voll dein Ding.“

Weißlogia verdrehte die Augen und versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, aber Igneel grinste dennoch wie ein Honigkuchenpferd über seinen eigenen Witz. Da hatte er eine eindeutige Gemeinsamkeit mit seinem Sohn, auch wenn dessen Sprüche nicht erotischer Natur waren.

„Schaffst du es ins Badezimmer, ohne über eine Katze zu stolpern, oder soll ich dich begleiten?“, bot Weißlogia an und schlang einladend die Arme um seinen Mann.

Dessen Körper presste sich instinktiv an ihn. Schon spürte Weißlogia die Wand im Rücken und den heißen Atem auf seinen Lippen, doch dann wurden seine Arme behutsam fortgezogen und er erhielt nur einen Kuss auf die Stirn.

„Du hast morgen einen harten Tag. Geh zurück ins Bett.“

Bedauernd seufzte Weißlogia, widersprach jedoch nicht. Er hatte sich vom Moment hinreißen lassen, aber Igneel hatte Recht. In jeder anderen Nacht wäre es in Ordnung, aber nicht in dieser. Das morgen war Weißlogia auch persönlich wichtig. Zum Glück konnte sein Mann sehr vernünftig sein, wenn es um sein Wohl ging.

„Beeil’ dich mit der Dusche“, flüsterte Weißlogia, ehe er sich von der Wand abstieß und ins Nachbarzimmer schlich, wo er ins Bett kroch. Sein Kopf hatte noch gar nicht richtig das Kissen berührt, als er auch schon weg dämmerte. Dennoch bemerkte er, wie Igneel sich schließlich hinter ihn legte, einen Arm um ihn schlang, das Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub und zufrieden seufzte.

Und Weißlogia stimmte in sein Seufzen ein, auf seinen Lippen ein entspanntes Lächeln.

42. “Is this okay?” (IgneelWeiß) - 75er-Jubiläum

Das Dragon’s Nest lag im Dunkeln. Die vielen Steh-, Hänge und Nachttischlampen, welche die Bar sonst mit warmem Licht erfüllten, waren ausgeschaltet. Die hölzernen Fensterläden waren geschlossen. Nur durch einige winzige Spalten fiel das Licht der Straßenlaternen von draußen herein und malte dünne Linien auf den frisch gewischten Dielenfußboden.

Die Stühle waren hochgestellt, die herunter gebrannten Kerzen ausgetauscht, die Tische sauber. Alles lag und stand an seinem Platz, ein wohl vertrautes Arrangement, das trotz der Düsternis Frieden und Heimeligkeit ausstrahlte.

Noch vertrauter waren Weißlogia nur die Theke und der Mann, der dahinter stand und die Flaschen auf dem Regal sortierte. Von Zeit zu Zeit machte er einen Vermerk auf einer Liste oder bückte sich, um etwas im Kühlschrank zu überprüfen, der gut versteckt unter der Theke eingebaut worden war, um den rustikal-altertümlichen Flair der Bar so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.

Aufmerksam verfolgte Weißlogia jede Bewegung des Mannes. Wie schwielige, kräftige Finger abwesend mit dem Bleistiftstummel herumspielten, während die Flaschen auf dem Regal in Ordnung gebracht wurden. Wie Strähnen von einem dunklen Pink, das im Licht der letzten noch leuchtenden Hängelampe über der Theke beinahe rot wirkte, in eine nachdenklich gerunzelte Stirn fielen. Wie unbeschäftigte Finger von Zeit zu Zeit geistesabwesend den Kinnbart kratzten. Wie sich die Lippen des Mannes zu allen möglichen Ausdrücken verzogen, die von Unmut über Überraschung bis hin zu Zufriedenheit reichten.

Es war genauso faszinierend wie am ersten Tag.

Wahrscheinlich würde es selbst in zehn, zwanzig, dreißig und noch mehr Jahren faszinierend sein.

Wahrscheinlich würde Weißlogia nie aufhören können, hier zu sitzen und all diese so simplen und doch so bedeutenden Kleinigkeiten zu betrachten.

Wahrscheinlich sollte Weißlogia endlich damit anfangen, diese Gedanken auch auszusprechen.

Als der Mann den Blick hob und ihn verlegen angrinste, wurde er aus seiner nachdenklichen Beobachtung gerissen. In seiner Brust flatterte es aufgeregt und seine Finger begannen zu kribbeln, erfasst von dem Wunsch, sich zärtlich um stoppelige Wangen zu legen, um den Mann für einen Kuss festzuhalten.

Es war beinahe lächerlich, wie viele Gefühle allein dieses Grinsen in Weißlogia auslöste.

„Ich habe es gleich geschafft, dann können wir hoch gehen“, erklärte Igneel mit seiner tiefen Stimme, die Weißlogia sogar vertrauter und lieber war als der Klang des alten Klaviers, welches er seit so vielen Jahren in seinem heimischen Wohnzimmer hegte und pflegte.

„Wir könnten schon längst oben sein, wenn du mich hättest helfen lassen“, merkte Weißlogia leise an und deutete auf die blank geputzten Gläser auf dem Regalbrett unter den Flaschen, auf die Kassenabrechnung neben der Bestellliste und auf den leeren Putzeimer, über dessen Rand noch der Wischlappen zum Trocknen hing.

„Du bist hier Gast, Gäste helfen nicht“, widersprach Igneel leichthin.

Langsam beugte Weißlogia sich auf seinem Barhocker über die Theke, um dem Anderen näher zu kommen. „Igneel, du lässt mich schon seit drei Jahren nicht mehr für meine Drinks bezahlen.“

Gast, Weißlogia“, schnurrte Igneel, legte den Bleistift beiseite und umfasste Weißlogias Gesicht zärtlich mit beiden Händen, um einen kurzen und doch so intensiven Kuss auf seine Lippen zu hauchen. „Du bist hier Gast, nicht Kunde. Kunden bezahlen für den Service und müssen deshalb nicht helfen. Gäste müssen nicht helfen, weil sie nun einmal Gäste sind.“

Das warme Gefühl des Kusses auf seinen Lippen verflüchtigte sich, als Weißlogia von bitteren Gedanken erfüllt wurde. Er war hier nur ein Gast. Ein Stammgast zwar, der Lieblingsgast sogar, aber dennoch nicht mehr als eben ein Gast – und er hatte es sich selbst so ausgesucht…

Weißlogia verdrängte die bitteren Gedanken und hob seine Hand, um seinem Gegenüber gegen die Stirn zu schnippen. „Dir ist schon klar, dass das überhaupt keinen Sinn ergibt?“

„Finde ich schon“, lachte Igneel leise, gab ihm noch einen flüchtigen Kuss und widmete sich dann wieder seiner Arbeit.

Er war fast am Ende der Liste angekommen und Weißlogia rutschte schon mal von seinem Barhocker, um ihn umzudrehen und auf die Theke stellen zu können. In seinen Knochen spürte er den langen Tag. Sein Rücken war steif von den vielen Unterrichtsstunden am Klavier, seine Augen ermüdet vom Lesen krakeliger Notenzeichnungen in Übungsheften, seine Kehle rau von schier endlosen Erklärungen. Es war Dienstag – oder mittlerweile war es vermutlich schon Mittwoch. Am Dienstag hatte Weißlogia die meisten Klavierstunden und zugleich auch die mühsamsten.

Er hatte Freude daran, Kindern das Klavierspielen beizubringen, aber es war zermürbend, wenn er genau wusste, dass diese Kinder bald aufgeben würden. Mehr als die Hälfte von ihnen wurde von ihren Eltern dazu gedrängt, ein Instrument zu lernen. Es war ein neuer Erziehungstrend, die Kinder so früh wie möglich musikalisch auszubilden. Die meisten Kinder, die deswegen zu Weißlogia kamen, konnten keine Freude am Klavierspielen finden. Ihre Finger verkrampften über den Tasten, ihre Mienen waren immer verkniffen, ihre Haltungen steif. Sie waren nicht zugänglich für den Fluss der Musik und waren mit ihren Gedanken immer anderswo.

Sie zu unterrichten, kostete mehr Kraft als bei Kindern, die von sich aus ihre Eltern nach Klavierunterricht gefragt hatten. Mitunter war es richtig zermürbend mit ihnen, wenn sie unter seinen behutsamen Korrekturen immer unwilliger wurden und ihre Stimmungen in Wut oder Niedergeschlagenheit ausschlugen.

Aber manchen dieser Kinder konnte Weißlogia auch helfen. Dann und wann gelang es ihm, ihnen einen Weg aufzuzeigen, der sie Freude an der Musik empfinden ließ. So wurden aus ihnen keine einzigartigen Talente, aber darum ging es Weißlogia ja auch nicht. Nicht einmal bei seinem eigenen Sohn, der schon quietschvergnügt auf dem Klavier herum geklimpert hatte, als er noch nicht einmal richtig hatte sprechen können, ging es Weißlogia darum. Weißlogia war kein Talentscout, er war ein Lehrer. Dafür hatte er sich vor zehn Jahren entschieden, als er die Wahl zwischen einer Karriere im Orchester und einem ruhigen Leben als alleinerziehender Vater gehabt hatte – und er bereute es bis heute nicht.

Nichts desto trotz: Er war müde und sehnte sich danach, mit Igneel nach oben zu gehen, wo sie unter sich sein konnten. Mit der Gewissheit, dass Sting bei den Cheneys gut aufgehoben war und morgen früh pünktlich zur Schule kommen würde, konnte Weißlogia es sich erlauben, die Zeit mit seinem Partner einfach nur zu genießen.

„Fertig!“, verkündete Igneel und wedelte mit der Bestellliste herum.

„Doch schon?“, entgegnete Weißlogia trocken.

Zur Antwort streckte Igneel ihm kindisch die Zunge heraus, ehe er Bestellliste, Kassenabrechnung und Trinkgeldbüchse auf die Kasse legte, um damit den Thekenbereich zu verlassen.

„Darf ich als Gast zumindest die Lampe ausschalten?“, fragte Weißlogia und deutete auf den Taster neben der Durchgangstür, die ins Hinterzimmer führte.

„Ausnahmsweise“, gluckste Igneel und beugte sich vor, um einen Kuss zu erhaschen.

Damit sein Partner nicht die Kasse fallen ließ und das Geld in der gesamten Bar verteilte – einmal mitten in der Nacht hunderte von Münzen einsammeln zu müssen, genügte Weißlogia für den Rest seines Lebens –, drückte er sein Gesicht mit der flachen Hand von sich. Er erschauderte, als Igneels Lippen seinen Handteller berührten, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und eine stoische Miene zur Schau zu tragen.

„Bring’ die Sachen nach oben, dann darfst du wieder.“

„Jawohl, Herr Lehrer“, frotzelte Igneel, aber seine dunklen Augen funkelten vergnügt.

Kopf schüttelnd wandte Weißlogia sich von ihm ab, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung war. Auch wenn Igneel ihn selten helfen ließ, wusste Weißlogia genau, wie alles aussehen musste. In den fünf Jahren, seit er das erste Mal durch die Tür des Dragon’s Nest getreten war, hatte sich nur wenig verändert. Igneel hatte beinahe alles so gelassen, wie sein älterer Bruder es ihm hinterlassen hatte – genau so, wie es schon gewesen war, als er vor mehr als dreißig Jahren mit seinen Bauklötzen auf dem Dielenfußboden gesessen und neugierig die Gäste beobachtet hatte. Obwohl er bereits Bilder davon gesehen hatte, war es für Weißlogia immer noch schwer vorstellbar, dass Igneel schon so lange hier gelebt hatte – so nahe für ihn und doch so fern.

Sie waren in derselben Stadt aufgewachsen, waren durch dieselben Straßen gewandelt und dennoch hatten sie einander erst kennen gelernt, als Igneel vor fünf Jahren von Crocus nach Magnolia zurückgekehrt war, um sich um das zu kümmern, was sein älterer Bruder und dessen Frau ihm hinterlassen hatten: Einen fünfzehnjährigen, viel zu ernsthaften Sohn und die kleine, gemütliche Bar, die ihr gemeinsamer Vater einstmals aus dem Boden gestampft hatte.

Vielleicht war es gut so, dass Weißlogia und Igneel einander erst so spät begegnet waren. Ansonsten wäre vieles in ihrer Beider Leben ganz anders gelaufen. Wahrscheinlich wäre keiner von ihnen jetzt ein Vater – und so viele Opfer es ihm auch abverlangt hatte, für Weißlogia gab es auch heute noch keinerlei Zweifel daran, dass seine Entscheidung, die Verantwortung für den „Unfall“ damals zu übernehmen, die beste seines Lebens gewesen war.

„Kommst du, Weiß?“, rief Igneel von oben. „Du musst mich nicht kontrollieren, weißt du? Ich bin schon groß.“

Für einen Moment lag ihm eine seiner üblichen spitzen Bemerkungen auf den Lippen, aber er verkniff es sich, weil ihn noch andere Gedanken umtrieben, die er immer noch nicht in Worte zu fassen wagte. Dass er diese Bar lieben gelernt hatte – genau wie ihren anfangs noch überforderten Besitzer – und dass er sich um sie kümmern wollte. Dass er sich hier mehr Zuhause fühlte als in seiner Drei-Raum-Wohnung mit der bärbeißigen Nachbarin mit den besten Kontakten zum Klatsch- und Tratschzirkel der Stadt. Dass er genau wüsste, wo sein geliebtes Klavier hier stehen könnte. Dass er sich für Sting wünschte, er könnte hier aufwachsen, inmitten der Erinnerungen an eine gute Vergangenheit und der Hoffnungen auf eine noch bessere Zukunft. Und dass er all diese Chancen selbst zum Fenster hinaus geworfen hatte.

Seufzend massierte Weißlogia sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel, um sich zur Ordnung zu rufen. Es brachte nichts, daran zu denken, was hätte sein können. Er hatte seinen Punkt damals klar gemacht und jetzt war die Gelegenheit verstrichen. Alles, was er jetzt hatte, war der eine Abend in der Woche, an dem er seinen Sohn bei seinem Paten unterbringen und hier bei Igneel sein konnte, und die vielen kleinen Momente, die sich durch glückliche Zufälle ergaben. Die Treffen auf der Straße, die gemeinsamen Ausflüge an den seltenen freien Tagen…

Es war zu wenig. Viel zu wenig. Aber auf mehr hatte Weißlogia kein Recht mehr.

Mit einem weiteren Seufzer schaltete Weißlogia das Licht aus und tastete sich mit der Sicherheit zahlloser Besuche zur Durchgangstür, zog sie hinter sich zu und hielt sich rechts, um die Treppe hinauf zur geräumigen Wohnung zu gelangen. Die Dielen knarrten vertraut unter Weißlogias Schuhen, als wollten sie ihn willkommen heißen, und von oben schien ihm warmes Licht entgegen. Igneel hatte die Tür für ihn offen gelassen, obwohl er längst wusste, dass Weißlogia sich selbst im Stockdunkeln hier zurecht finden würde.

Der Wohnbereich über der Bar erstreckte sich über zwei Etagen. Im Dachgeschoss befanden sich neben einem Bad die drei ehemaligen Kinderzimmer von Igneel und seinen Brüdern, von welchen jetzt nur noch eines von Igneels Sohn Natsu dauerhaft genutzt wurde. Ein zweites gehörte seinem Neffen Zeref, der jedoch nur noch in den Semesterferien hier wohnte.

In der ersten Etage des Wohnbereichs befanden sich Küche, Bad, Wohnzimmer, Arbeitszimmer und Igneels Schlafzimmer, früher das Schlafzimmer seiner Eltern. Alles wurde liebevoll in Schuss gehalten und trotz wohl durchdachter Modernisierungsmaßnahmen strahlte die Wohnung auf positive Art etwas Altertümliches aus. Obwohl der Baustil überhaupt nicht zu vergleichen war, erinnerte es Weißlogia an die Familienvilla am Stadtrand, in der er aufgewachsen war und welche nun von seiner Schwester und ihrer Familie bewohnt wurde. Es war ein richtiges Zuhause mit einer Geschichte und Charakter. Schon bei seinem ersten Besuch hatte Weißlogia sich hier wohl gefühlt.

Aus dem Arbeitszimmer drang Licht in den großzügigen Flur, aber Weißlogia ging daran vorbei und zum Schlafzimmer, um seinen Waschbeutel und Wechselsachen aus dem Rucksack zu holen, den er vor einigen Stunden dort deponiert hatte, ehe er wieder nach unten in die Bar gegangen war, um Igneel während der Arbeit Gesellschaft zu leisten.

Beinahe war er schon wieder zur Tür heraus, als ihm etwas auf dem Nachttisch auffiel, was dort nicht hingehörte. Selbst im hier nur noch schwachen Licht der Straßenlaterne erkannte Weißlogia sofort, was es war.

Es war dasselbe Samtkästchen, welches ihn in den letzten vier Monaten immer wieder in seinen Träumen heimgesucht hatte. Das Samtkästchen, das ihm so viele Chancen angeboten und das er dennoch abgelehnt hatte. Kurzum: Jener eine Gegenstand, den er am liebsten aus seiner Erinnerung streichen würde.

Für einen Moment zögerte Weißlogia. Er konnte Igneel noch im Arbeitszimmer hören. Wahrscheinlich fuhrwerkte er noch mit dem Safe herum, der hatte seit einiger Zeit eine Macke. Weißlogia blieb also noch etwas Zeit – wofür auch immer, er wusste selbst nicht, warum er sich auf einmal darüber Gedanken machte.

Langsam legte er seine Sachen auf dem Fußende des Bettes ab und ging hinüber zum Nachttisch, um sich aufs Bett zu setzen und das Samtkästchen in die Hand zu nehmen. Als er es vor vier Monaten das erste Mal gesehen hatte, hatte er sich nicht eine Sekunde lang Zeit genommen, es näher in Augenschein zu nehmen. Letztendlich war es auch jetzt nichts Besonderes. Eben einfach nur ein Samtkästchen, wie man sie überall kannte.

Als Weißlogia es aufklappte, kamen zwei identische Eheringe für Männer zum Vorschein. Schlichte Silberreifen. Keine Steine, keine Ranken, keine Unebenheit, die sich Weißlogias Finger beim Ertasten offenbart hätte. Sie passten perfekt zu Igneel, der die Dinge immer so einfach hielt. Seine Gedanken waren so klar und direkt. Nicht so verschnörkelt und verdreht wie Weißlogias inneres Chaos.

„Weiß?“

Vor Schreck ließ er das Samtkästchen fallen. Unnatürlich laut klappte es zu und rollte noch einen Meter weiter in Igneels Richtung. Dann blieb es liegen. Da auf dem Boden zwischen ihnen. Wie passend, wo es doch schon in den letzten vier Monaten irgendwie zwischen ihnen gelegen hatte. Sie mochten Beide so getan haben, als hätte es dieses Samtkästchen und alle Fragen, die damit zusammen hingen, nie gegeben, aber in Wahrheit hatte es Weißlogia bei jedem Schritt und Tritt verfolgt.

Schwer schluckend hob Weißlogia den Blick zu Igneel an, der seinerseits noch immer auf das Kästchen hinunter blickte. Seine Gesichtszüge lagen im Schatten, aber seine breiten Schultern wirkten steif und seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt.

„Tut mir Leid, ich wollte nicht herumschnüffeln oder so“, murmelte Weißlogia und senkte den Blick unbehaglich.

„Ich habe vergessen, es wieder in die Schublade zu stecken.“

Weißlogia konnte hören, wie sein Partner in den Raum herein trat, aber er starrte weiterhin auf den Dielenfußboden hinunter. Erst als Igneel sich vor ihm zu Boden kniete, war er gezwungen, ihn anzusehen. Im Halbschatten wirkte seine Miene ernst, beinahe verbittert. Weißlogia verspürte den Drang, mit seinen Fingern über die Falten im Gesicht des Anderen zu fahren, um sie zu glätten.

Als Igneel das Kästchen wieder aufschnappen ließ, einen der Ringe heraus nahm und dann Weißlogias Hand ergriff, klopfte diesem auf einmal das Herz bis zum Hals.

„Ist das okay?“, wisperte Igneel. Seine Stimme klang rau und Weißlogia hatte das Gefühl, das sich hinter dieser Frage tausend andere Fragen zu verbergen schienen.

Es war falsch. Sie waren zu alt dafür. Sie trugen Beide die Verantwortungen für ihre Söhne. Sie durften sich nicht einfach so treiben lassen.

Dennoch brachte Weißlogia es nicht fertig, ein Wort des Widerspruchs zu formulieren. Er ließ zu, dass Igneel das Schmuckstück auf seinen Ringfinger schob. Er kam ihm etwas zu weit vor und das Gefühl des Metalls auf der Haut war fremdartig, beinahe beängstigend. Schon wieder musste er schwer schlucken.

„So sähe es also aus…“, murmelte Igneel und strich behutsam über Weißlogias Ringfinger, schob den Metallreif leicht hin und her. „Tut mir Leid, dass er zu groß ist. Ich hatte keine Ahnung von Ringgrößen. Deine Finger sind ja nun auch nicht so viel schmaler als meine, also dachte ich, meine Ringgröße wäre schon in Ordnung. Ich könnte es noch ändern lassen…“

Als Igneel Anstalten machte, den Ring wieder von Weißlogias Finger zu ziehen, ballte der die linke Hand zur Faust und griff mit der rechten nach Igneels Hand.

„Igneel…“

Die Worte blieben Weißlogia im Halse stecken, als sein Partner den Blick hob. Um die Lippen des Pinkhaarigen spielte ein traurig-bitter Zug, der ihn ungewohnt verletzlich wirken ließ.

Tief holte Weißlogia Luft, dann rutschte er von der Bettkante, umfasste Igneels Gesicht und küsste ihn. Beinahe sofort erwiderte der den Druck der Lippen. Seine Arme stützten sich links und rechts von Weißlogia am Bett ab und sein Oberkörper drängte sich immer dichter auf. Seine Lippen waren hungrig, geradezu verzweifelt und schafften es dennoch irgendwie, zärtlich zu bleiben, die Kontrolle aufrecht zu erhalten.

Gerade wegen dieser Zärtlichkeit hatte Weißlogia das Gefühl, zu ertrinken. Seine Gedanken wirbelten immer schneller umher und seine Finger begannen so heftig zu zittern, dass sie von Igneels Gesicht abglitten. Sie suchten Halt an den breiten Schultern, klammerten sich schwach an das T-Shirt. Als sie selbst dort zu fallen drohten, wurden sie von Igneels Fingern aufgefangen.

Langsam öffnete Weißlogia die Augen wieder, ohne sich erinnern zu können, wann er sie geschlossen hatte. Igneels Gesicht schwebte direkt über seinem, ihre Nasenspitzen nur Zentimeter voneinander entfernt.

„Weiß… Ich habe nicht vergessen, was du an Weihnachten gesagt hast, und ich verstehe deine Gründe, aber…“

Igneels Stimme erstarb. In seinen Augen lag ein Flehen, das er wahrscheinlich all die Zeit seit seinem ersten Antragsversuch, der ihr erstes gemeinsames Weihnachten mit ihren Söhnen zum Platzen gebracht hatte, versteckt gehalten hatte.

„Wir können das nicht einfach so tun, Igneel“, krächzte Weißlogia und klammerte sich an die starken Hände seines Partners. „Du hast Natsu und ich habe Sting und wir leben in einer gottverfluchten Kleinstadt.“

„Es ist egal, wo wir wohnen“, widersprach Igneel und drängte sich näher an Weißlogia. „Hinterweltler aus dem vorigen Jahrtausend wirst du selbst in Crocus finden.“

„Aber hier sind genug davon, die unseren Jungs das Leben schwer machen würden…“

Für einen Moment sah Weißlogia ganz deutlich das lachende Gesicht seines Sohnes vor sich. Sting war erst zehn Jahre alt. Seine Mitschüler waren genau in dem Alter, in dem man das vorurteilsbehaftete Getuschel von Erwachsenen unreflektiert weiter trug. Was sollte Weißlogia tun, wenn sein Sohn seinetwegen Probleme bekam? Verdammt noch mal, Weißlogia wusste noch ganz genau, wie hart es gewesen war, als er sein Coming Out gehabt hatte!

„Ich will nicht, dass irgendjemand Natsu deswegen angeht“, fuhr Igneel fort. „Aber ich vertraue meinem Jungen, dass er versteht, dass es weder sein noch unser Fehler ist, wenn ihm so etwas passieren sollte. Er hat schon immer seinen eigenen Kopf gehabt. Und Sting ist ganz genauso. Er würde dir niemals einen Vorwurf machen.“

„Das muss er auch nicht“, murmelte Weißlogia und wandte gequält den Blick ab.

Igneel stieß einen schweren Seufzer aus und zog sich zurück, um sich neben Weißlogia an das Bett zu lehnen. Er war nahe genug, um ihn zu spüren, aber weit genug entfernt, dass ihre Schultern einander nicht berührten. Es fühlte sich an, als wäre er Lichtjahre weit weg.

Und das Schweigen legte sich wie eine erstickende Decke über sie.

Hilflos starrte Weißlogia den Nachttisch an, während er sich den Ehering wieder vom Finger zog und daran dachte, wie er nur in diese Situation hatte geraten können. Um Sting Stabilität bieten zu können, hatte er sich nach seiner Geburt nie wieder auf irgendwelche Abenteuer eingelassen – nicht dass er bereute, es vorher getan zu haben, denn aus einem eben solchen Abenteuer war schließlich Sting hervor gegangen, aber genau das war Weißlogia auch eine Lehre gewesen. Er hatte seinen neuen Job als Klavierlehrer und seinen Sohn gehabt, um mehr hatte er sich keine Gedanken machen wollen.

Und dann hatte er vor fünf Jahren Igneel kennen gelernt. Lange – wirklich lange – waren sie nur irgendetwas zwischen Bekannten und Freunden gewesen. Weißlogia hatte sich ewig eingeredet, die Zeichen falsch zu deuten, sowohl Igneels als auch seine eigenen. Es hatte erst einen kräftigen Schubs vom sonst so geduldigen Skiadrum gebraucht, um ihm die Augen zu öffnen, und selbst dann hatte er lange gezögert, sich darauf einzulassen.

Es war Igneel gewesen, der die Initiative ergriffen, ihn nach Ladenschluss gegen die Theke gedrückt und geküsst hatte. Das war vor zwei Jahren gewesen. Zwei lange Jahre…

„Meine erste Beziehung mit einem Jungen ist auch daran kaputt gegangen“, durchbrach Igneel die Stille. „Wir waren damals siebzehn und unser Klassenlehrer war ein homophobes Arschloch. Der perfekte Freibrief für all diejenigen, die nach Opfern für ihre Langeweile gesucht haben. Mein Freund hat nach drei Monaten die Schule gewechselt und den Kontakt abgebrochen. Vielleicht lebt er jetzt irgendwo ein artiges Leben, wie alle es von ihm erwartet haben, keine Ahnung.“

Die Geschichte kam Weißlogia sehr bekannt vor. Bei ihm war es ähnlich gelaufen. Vorher war er bei den Mädchen äußerst beliebt gewesen, aber nach seinem unfreiwilligen Coming Out hatten sie sich von ihm abgewandt und ihn angesehen, als hätte er Syphilis.

„Damals habe ich mich dafür verflucht, dass ich mich habe erwischen lassen“, fuhr Igneel fort. „Aber heute bin ich froh drum.“

Verwirrt drehte Weißlogia sich zu Igneel um, der den Kopf in den Nacken gelegt hatte und zur Decke hoch starrte.

„Froh drum?“, echote er langsam.

„Weil es mir gezeigt hat, auf wen ich mich verlassen kann. Meine Familie hat zu mir gehalten. Und vorher dachte ich immer, Silver wäre ein Arschloch, aber er war derjenige, der die meisten Nasen für mich gebrochen hat…“ Igneels Lippen verzogen sich kurz zu einem erinnerungsseligen Lächeln. „Damals habe ich erst gelernt, was richtige Freunde sind. Es wäre vielleicht schön gewesen, das unter besseren Umständen zu lernen, aber insgesamt hat es mir doch nicht geschadet.

„Und ich bin überzeugt, dass es bei Natsu nicht anders wäre. Er zankt sich vielleicht andauernd mit Gray und Gajeel und bringt Lucy andauernd auf die Palme, aber das sind dennoch gute Kinder, auf die er sich verlassen kann. Mein Junge ist nicht allein. Und wenn ich die Eltern von irgendwelchen dummen Gören vor Gericht zerren muss, die glauben, Natsu mobben zu können, nur weil ich schwul bin, dann tue ich das. Natsu ist es wert. Und du auch.“

Igneel drehte den Kopf herum, damit er Weißlogia in die Augen sehen konnte. Sein Gesicht wurde gut genug von der Straßenlaterne beleuchtet, dass die grimmige Entschlossenheit unübersehbar war.

„Ich kann und will dich nicht dazu zwingen, Weißlogia, aber ich glaube daran, dass wir es gemeinsam schaffen können. Wir werden unsere Jungs nicht von vorneherein vor allem und jedem beschützen können, aber das könnten wir auch dann nicht, wenn wir alleine bleiben würden. Was spricht dann schon dagegen, wenn wir gemeinsam unser Bestes geben?“

Die Worte waren von einer entwaffnenden Logik und Weißlogia fielen auf Anhieb mehrere Freunde ein, auf die sein Junge sich in der Schule verlassen konnte. Außerdem war Sting stark und mit seinen zehn Jahren in mancherlei Hinsicht sogar klüger als viel Ältere. Sting hatte Weißlogias Beziehung zu Igneel nie in Frage gestellt. Er war ein guter Junge. Und er wäre wahrscheinlich überglücklich, hier zusammen mit Weißlogia einziehen und mit Igneel und Natsu eine Familie bilden zu können.

Weißlogia wäre überglücklich, richtig hier leben zu können. Jeden Tag neben Igneel aufzuwachen und einzuschlafen, ihn zu unterstützen, ihm noch näher zu sein, eine richtige Familie mit ihm zu haben, mit ihm gemeinsam all die Hürden überwinden, die das Leben ihnen noch in den Weg stellen mochte…

Tief holte Weißlogia Luft, dann stieß er sich vom Bett ab, um sich aufrecht hinzusetzen und nach dem Samtkästchen greifen zu können, das Igneel vorhin beiseite gelegt hatte. Vorsichtig nahm er den zweiten Ring heraus und hielt ihn hoch, den Blick auf seinen Gegenüber gerichtet, während er nach den richtigen Worten suchte.

Wie fasste man all die Gefühle zusammen, die er für Igneel empfand? Wie all die Wünsche ausdrücken, die mit diesem schlichten Metallreif verbunden waren? Weißlogias Sprachrepertoire schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

„Ist es okay?“, krächzte er schließlich genau die Worte, die Igneel vorhin benutzt hatte und die sich trotz ihrer Banalität bedeutungsschwerer als jeder hochtrabende Schwur angefühlt hatten.

Zur Antwort nahm Igneel sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn. Warm und zärtlich und so, so intensiv…

„Mehr als nur okay“, sagte Igneel, seine Stimme mindestens genauso heiser wie Weißlogias, und streckte seine linke Hand aus.

Darauf bedacht, den Ring auf keinem Fall fallen zu lassen, schob er ihn langsam über den richtigen Finger. Bei Igneel saß er genau richtig. Wie symbolträchtig.

Behutsam öffnete Igneel danach Weißlogias linke Faust und nahm den Ring an sich, um ihn noch einmal eingehend betrachten zu können. Selbst im Halbschatten waren das selige Grinsen und das Leuchten in seinen Augen unübersehbar.

Dieses Mal lag definitiv auch der Schalk in seinen Worten, als er sprach. „Ist es okay?“

Und aller großen Gefühle zum Trotz entfuhr Weißlogia auf einmal ein Schnauben. Wer würde ihnen jemals glauben, dass sie ihre Entscheidung, den Bund der Ehe einzugehen, mit so simplen Worten besiegelt hatten?

Aber noch immer fielen Weißlogia keine besseren ein. Vertrauensvoll legte er seine Hand in Igneels und blickte dem Mann, der bald sein Mann werden würde, in die Augen.

„Mehr als nur okay.“

44. “I’ll drive you to the hospital.” (PantherlilyShagotte)

Schwer atmend stützte Shagotte sich mit der linken Hand am Rand des Waschbeckens ab, den Blick eisern auf den metallenen Wasserhahn gerichtet, obwohl ihr ein Blick in den Spiegel ohnehin nur einen Schemen gezeigt hätte. Es war finsterste Nacht und um die Anderen nicht zu wecken, hatte Shagotte darauf verzichtet, im Gemeinschaftsbad das Licht anzuschalten. Es war endlich alles ruhig, sie hatten endlich eine Pause, Shagotte wollte nicht diejenige sein, die sie alle wieder an das erinnerte, was sie durchgemacht hatten.

Um genau zu sein, wollte sie sich selbst nicht daran erinnern, was sie durchgemacht hatte. Sie wollte sich auf das konzentrieren, was sie erreicht hatte, und auf das, was sie noch erreichen wollte. Sie wollte zurück nach Hause, zu ihrer Tochter, wollte wieder den süßen, unschuldigen Kleinkindgeruch einatmen, wollte ihr Kind aufwachsen sehen…

Der Gedanke an Charle ließ Shagotte beinahe würgen. Wieder zwang sie sich, tief einzuatmen, um der Übelkeit Herr zu werden.

Charle ging es gut, ermahnte sie sich. Ihre Tochter war bei Lucky und Marl gut aufgehoben. Es fehlte ihr an nichts… Nur an ihrer eigenen Mutter, die wegen ihrer dummen Ideale in einen Krieg am anderen Ende der Welt gerannt war, der Charle sowieso nie erreichen würde…

Zitternd griff Shagotte nach dem Regler des Wasserhahns und ließ eiskaltes Wasser ins Becken fließen. Sie erschauderte, als ihre Finger unter den Strahl gerieten, aber sie zwang sich, wieder tief durchzuatmen und sich das Wasser ins Gesicht zu klatschen. Es war schwer mit nur einer Hand. Vieles war mit nur einer Hand schwer, hatte Shagotte bereits festgestellt.

Wie umarmte man mit nur einer Hand sein eigenes Kind…?

„Shagotte?“

Die dunkle Männerstimme ließ Shagotte zusammen zucken und herum wirbeln. In der Tür stand ein breitschultriger, hochgewachsener Schatten. Bei der Statur kämen mehrere Männer ihres Teams in Frage, aber Shagotte wusste dennoch sofort, um wen es sich dabei handelte.

„Pantherlily…“

„Hast du wieder Schmerzen?“

Ein Hauch von Sorge schwang in der Stimme mit. Aufrichtige, sanfte Sorge. Bei seinem Äußeren traute niemand es dem dunkelhäutigen Soldaten jemals zu, aber aus ihrer Gruppe war er einer der aufmerksamsten Gesellen, immer voller Fürsorge und Mitgefühl.

„Keine, die ich nicht schon kenne“, erwiderte Shagotte hastig und drehte das Wasser wieder ab. „Tut mir Leid, wenn ich dich geweckt habe.“ Sie griff nach einem Handtuch und trocknete sich das Gesicht ab, um nicht in Pantherlilys Richtung blicken zu müssen.

Es war wahrscheinlich dumm, womöglich sogar unvernünftig, aber Shagotte wollte sich selbst nicht eingestehen, wie schwer ihr ihre Verletzung zu schaffen machte. Darüber zu reden, machte es so viel realer, so viel schmerzhafter – und gab ihr gleichzeitig das Gefühl, weinerlich zu sein.

Sie hatte gewusst, dass so etwas passieren könnte. Sie alle hatten es gewusst und sie alle hatten für ihre Ideale bereits den Preis bezahlt. Pantherlily trug diesen Preis im Gesicht, gezeichnet für den Rest seines Lebens. Genau wie Igneel und Silver… Und Grandine, die gute, sanfte Grandine… ob sie jemals wieder aufhören konnte zu zittern?

Der Gedanke an ihre erste und beste Freundin entlockte Shagotte ein schweres Seufzen. Grandine sagte immer, dass sie es nicht bereute, hierher gekommen zu sein, auch wenn darüber ihre Ehe in die Brüche gegangen war. Aber die Maßnahmen, zu denen Grandine vor wenigen Wochen gezwungen gewesen war, um ihre schwer verletzten Kameraden zu retten, machten ihr beinahe schwerer zu schaffen als den Betroffenen. Shagotte sah es ihrer Freundin Tag für Tag an, dass sie sich fragte, ob es andere Wege gegeben hätte. Wege, die weniger… Spuren hinterlassen hätten.

Dabei machten Shagotte und die Anderen ihr nicht den geringsten Vorwurf. Wie könnten sie auch? Sie verdankten der Feldärztin ihre Leben…

„Du weißt, was Grandine gesagt hat, du sollst…“

„Die Schmerzen ernst nehmen, ich weiß“, unterbrach Shagotte den Soldaten mit einem bitteren Seufzen. „Pantherlily, du weißt genauso gut wie ich, dass diese Schmerzen nicht wirklich da sind. Das ist alles Einbildung, mehr nicht. Mir geht es gut!“

Dieses Mal war es Pantherlily, der schwer einatmete, und für einen Moment fragte Shagotte sich, ob sie ihn verärgert hatte. Es war schwer, ihn zu verärgern, eigentlich hatte sie ihn nur einmal wirklich wütend erlebt, als es eine hässliche Auseinandersetzung hier in der Kaserne wegen Igneel und Weißlogia gegeben hatte. Die homophoben Anfeindungen hatten den Mann, der wegen seiner eigenen Dunkelhäutigkeit bereits so viel hatte mit anhören müssen, ohne jemals mit der Wimper zu zucken, bis aufs Blut gereizt. Nicht nur ihn, musste man der Fairness halber sagen. Metallicana und Silver hatten sich davon genauso anstacheln lassen, aber bei Pantherlily war es so furchteinflößend gewesen, gerade weil niemand ihm einen solchen Ausbruch zugetraut hätte.

„Geh’ in dein Zimmer und zieh’ dich um. Ich fahre dich ins Krankenhaus.“

Für einige Sekunden war Shagotte zu verblüfft, um etwas darauf erwidern zu können. Das war auch nicht Pantherlilys Art. Er versuchte nie, Andere von etwas zu überzeugen. Zumindest nicht so. Wenn überhaupt, dann indem er dezente Andeutungen einstreute, um seine Gesprächspartner zur Einsicht zu führen, aber nicht so… so unnachgiebig.

„Nein“, erwiderte Shagotte, als sie ihre Fassung zurück erlangt hatte. „Mir fehlt nichts, ich muss nicht dorthin.“

Langsam kam Pantherlilys dunkle Gestalt auf sie zu. Als er direkt vor ihr stand, war Shagotte dazu gezwungen, den Kopf in den Nacken zu legen. Er überragte sie um mindestens zwei Köpfe. Sie konnte nur die Gesichtskonturen und das Weiße in seinen Augen erkennen, aber es war genug, um zu wissen, dass er fest entschlossen zu ihr hinunter blickte. Ein Schauder lief Shagottes Rücken hinunter, den sie nicht richtig zu definieren wusste.

„Dir wurde vor einem Monat der rechte Arm amputiert, Shagotte, und du hast Schmerzen. Grandine hat Nachtschicht. Ich fahre dich ins Krankenhaus.“

„Grandine hat genug um die Ohren, das sind nur Phantomschmerzen“, protestierte Shagotte und blinzelte heftig, auch wenn sie sich selbst nicht erklären konnte, warum.

Die Berührung an ihrer Wange war hauchzart, nur ein sanftes Streichen rauer, dicker Finger, aber sie ließ Shagotte zittern. Sie wich nicht zurück, als Pantherlily noch näher an sie heran trat und sie behutsam in die Arme schloss.

Dieses Mal waren seine Stimme nur ein sanftes Flüstern, aber dahinter verbargen sich so viele andere ungesagte Dinge. Worte des Trosts und der Anteilnahme und des Beistands. Und ein Versprechen, das Shagotte während ihres Schmerzdeliriums in den Tagen vor der Amputation zu hören geglaubt hatte. Ein Versprechen, das über den Dienst hier am Ende der Welt hinaus gehen sollte. Ein Versprechen, das so weit ging, dass Shagotte sich selbst einfach einreden musste, dass es nur Einbildung gewesen war, egal wie intensiv sie sich auch heute noch an das Gefühl der starken, rauen Hände erinnern konnte, die ihre eigene, leblose hielten…

Obwohl nur zum dritten Mal gesagt, drangen diese Worte nun so tief in Shagottes Inneres vor, dass sie nicht mehr protestieren konnte. Sie lehnte zaghaft den Kopf gegen Pantherlilys breite Brust und nickte schweigend und schicksalsergeben in die Dunkelheit.

„Ich fahre dich ins Krankenhaus…“

45. “What do you want to watch?” (Orley)

Prüfend betrachtete Orga sich im Flurspiegel und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er nicht vielleicht doch irgendetwas mit seinen Haaren machen oder ein Hemd statt des jetzigen T-Shirts anziehen sollte. Er könnte seine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden? Würde ihm das stehen? Jetzt ärgerte Orga sich, dass er die Zeit gestern Abend nicht dafür genutzt hatte, genau das auszuprobieren – denn jetzt hatte er sicher keine Zeit mehr dafür.

„Orga, tu’ uns einen Gefallen und geh’ endlich.“

Der Grünhaarige drehte sich stirnrunzelnd um und blickte ins offene Wohnzimmer der WG. Minerva saß in ihrem Schlabberlook im Schneidersitz auf dem Teppich und schüttelte eine Rassel für Frosch, die gurgelnd am Boden auf dem Bauch lag und versuchte, in Reichweite des Spielzeugs zu kommen.

Mit einem Anflug von Stolz bemerkte Orga, dass seine kleine Patentochter es mittlerweile gut hinbekam, den Kopf zu heben. Mit sieben Monaten war sie dafür eine Spätzünderin, aber der Kinderarzt hatte mehrfach wiederholt, dass kein Grund zur Sorge bestünde. Frosch brauchte einfach mehr Zeit, um sitzen zu lernen, aber das machte nichts. Sie gab sich Mühe, nur das zählte für Orga.

„Lass’ ihn, Minerva“, murmelte Rogue, der am Couchtisch saß und Lernkarten beschrieb, dabei jedoch immer wieder in Richtung des Babys schielte. Seine sonst so beherrschte Miene wurde jedes Mal von einem sanften Lächeln erhellt, wenn er Frosch ansah. Alter Softie. „Er ist nun einmal nervös.“

„Ah, ich habe völlig vergessen, dass du es ja nur zu gut nachvollziehen kannst“, stichelte Minerva mit funkelnden Augen. „Was macht dein Patenbruder?“

„Das Wort gibt es gar nicht“, wich Rogue aus und senkte den Blick hastig wieder auf seine Karten.

Orga schnaufte und unterbrach damit Minervas Versuch, Rogue noch ein bisschen mehr wegen seines Schwarms – oder wie auch immer man das nennen sollte – aufzuziehen. „Ich bin nicht nervös!“, erklärte Orga lautstark.

Frosch prustete auf dem Teppich leise vor sich hin und patschte mit ihren winzigen Händen auf den Boden. Minerva hingegen verdrehte die Augen. „Sicher doch…“

„Bin ich wirklich nicht!“, wiederholte Orga stur. „Ich will nur-“

Das Läuten der Türklingel unterbrach ihn. Mit zwei großen – und überhaupt nicht hastigen – Schritten war er bei der Tür und nahm den Hörer von der Gegensprechanlage auf, um ihn sich ans Ohr zu halten.

„Lisley? Ich bin gleich unten!“

Er versuchte, den Umstand, dass seine Hände schwitzig waren, weg zu ignorieren, und drehte sich noch einmal um, um nach seiner Lederjacke zu greifen und sich diese anzuziehen.

„Viel Spaß“, murmelte Rogue und blicke wieder von seinen Lernkarten auf. Obwohl er alles andere als enthusiastisch aussah, glaubte Orga ihm, dass er es ehrlich meinte. Beinahe tat es Orga Leid, dass er sich normalerweise an Minervas Sticheleien beteiligte. Er musste sich eingestehen, dass es immer wieder aufs Neue verlockend war, Rogue aufzuziehen. Vielleicht sollte er dieses Hobby noch mal überdenken.

„Mach’ uns keine Schande“, fügte Minerva hinzu und gab Frosch die Rassel, als das Baby es endlich geschafft hatte, sie zu erreichen. „Behalt’ im Kino deine Hände bei dir.“

Zur Antwort zog Orga nur eine Grimasse, ehe er in den Raum winkte. „Passt schön auf meine Lieblingspatentochter auf, während ich nicht da bin!“

Er nahm sich keine Zeit, um Minervas Augenrollen zu würdigen, sondern verließ die Wohnung. Auf dem Weg die drei Etagen hinunter klopfte er seine Taschen ab, um sich zu vergewissern, dass er sowohl sein Handy als auch seine Geldbörse eingesteckt hatte.

An der Tür des Wohnblocks wurde er von Lisley erwartet. Die Studentin für Fiore und Sonderpädagogik trug ihre langen, krausen Haare wie immer offen, zurückgehalten nur von einem weißen Band, das einen schönen Kontrast zu ihrer sonnengebräunten Haut und den schwarzen Haaren bildete. Sie trug dunkle Dreiviertelhosen, ein weißes Girlyshirt mit dem Emblem einer Indie Folk Band und ihre Bomberjacke mit zahlreichen Aufnähern weiterer Bands und Clubs, dazu Latschen aus geflochtenen Bastbändern und ihr Lederhalsband mit den zu Reißzahnimitaten geschliffenen Steinen.

Insgesamt sah sie nicht anders aus als sonst auch – eben lässig und zu hundert Prozent authentisch –, aber in Orgas Augen war sie dennoch umwerfend. Seit er vor einer Woche im Studentenkeller auf einer Party mit ihr getanzt und danach ein angeregtes Gespräch geführt hatte, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf!

„Hey, hast du gut hergefunden?“, begrüßte Orga sie und versuchte dabei, nicht zu lange in ihre schokoladenbraunen Augen zu blicken.

„Kein Problem. Hübsche Gegend.“

Ja, das war es hier in der Tat. Es war ein bisschen abseits des Stadttrubels und mit vielen kleinen und großen Grünflächen. Dadurch war der Weg zur Uni für Orga, Minerva und Rogue länger, aber dafür war es hier schön ruhig und sauber, nicht so miefig wie im Studentenviertel unweit des Campus. Und für das jüngste Mitglied der WG war das hier auch eine schöne Gegend, um behütet aufzuwachsen. Orga liebte es, mit Frosch im Kinderwagen im nahen Park spazieren zu gehen!

Das hieß natürlich auch, dass Lisleys Weg hierher relativ lang gewesen war, aber als Orga ihr von dem alten Kino und dem boscanischen Restaurant hier in der Nähe erzählt hatte, hatte sie bereitwillig zugesagt. Sie war kein Fan der neumodischen Riesenkinos und der effektüberladenen Filme dieser Zeit. Orga war hin und weg gewesen, als er im Gespräch mit Lisley heraus gefunden hatte, dass sie genau wie er auf die alten Filmklassiker stand. Wenn das mal kein Zeichen war!

Während sie sich in Bewegung setzten, zog Orga aus seiner Jackentasche einen Flyer des Kinos und reichte ihn Lisley. „Das sind die Filme, die heute gespielt werden.“

Er verkniff es sich, voller Begeisterung auf den alten Godzilla aufmerksam zu machen – einer seiner absoluten Lieblingsfilme. Das Riesenmonster mit den offensichtlichen Schraubengelenken war nicht jedermanns Sache, das hatte Orga gewissermaßen auf die harte Tour gelernt – Minerva hielt mit ihrer Meinung nie hinterm Berg, auch wenn sie nichts unternommen hatte, als Orga der kleinen Frosch ein Godzilla-Plüschtier geschenkt hatte.

„Welchen kannst du empfehlen?“, fragte Lisley, nachdem sie den Flyer für ein paar Minuten im Laufen studiert hatte.

„Alle.“ Verlegen grinsend rieb Orga sich den Hinterkopf. Als Lisley zur Antwort nur schelmisch grinste, schlug sein Magen gleich mehrere Purzelbäume. „Ich habe fast alle auf der Liste schon mal gesehen und sie sind wirklich gut. Sind halt originale Klassiker, für die man sich auch richtig Zeit genommen hat. Echte Handwerkskunst!“

Lisleys leises Lachen ließ Orgas Herz noch schneller schlagen. „Wir können leider nur einen davon sehen. Du hast garantiert einen Liebling, oder? Also, was willst du sehen?“

Orga glaubte, dahin zu schmelzen. Die Schwarzhaarige war so aufgeschlossen gegenüber seiner Leidenschaft für diese Filme – und auch gegenüber allem anderen, soweit er das in den bisherigen Gesprächen festgestellt hatte. Sie war so unglaublich warmherzig und eine tolle Kameradin und… einfach eine Traumfrau!

„Godzilla!“, platzte es aus Orga heraus und nun vollkommen hemmungslos begann er, der jungen Frau von seinem Lieblingsfilm vorzuschwärmen. Er genoss es, dabei im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu stehen, und er konnte es kaum erwarten, eines Tages zu erfahren, was Lisleys Lieblingsfilm war, was sie sonst noch so in ihrer Freizeit trieb und dergleichen mehr. Er hatte so ein Gefühl, dass das hier das beste erste Date aller Zeiten werden würde – und er hoffte inständig, dass es nur das erste von sehr, sehr vielen Dates werden würde!

46. “You can go first.” (MacbethSorano)

„Alles klar, Leute, Schluss für heute“, brummte Erik und machte eine scheuchende Handbewegung in Richtung der Tür, aber Sorano war sich sicher, dass er für einen Moment zu seinem Handy hinunter schielte, das während der Besprechung auf dem Arbeitstisch gelegen hatte.

Wahrscheinlich hatte er mal wieder ein Telefondate, aber es wäre ein Fehler, ihn darauf anzusprechen. Dann würde er schon aus Prinzip einen von ihnen einspannen, um mit ihm noch einen zu heben, nur um zu beweisen, dass er nicht zu einer bestimmten Uhrzeit irgendwo anrufen wollte – und in der Folge würde er mies gelaunt sein, weil er seine Herzensdame versetzt hatte. Sie hatten das Ganze schon mehrmals durchgemacht, bevor auch der Letzte von ihnen begriffen hatte, was für ein Vollidiot der Oberfeldwebel ihrer Gruppe war, wenn es um diese Frau ging.

„Und ich will nicht schon wieder etwas davon hören, dass ihr euch angefaucht habt“, fügte er noch mit einem finsteren Blick in Soranos und Macbeths Richtung hinzu, woraufhin Sawyer neben ihm kicherte.

Mit einem Augenrollen stand Sorano auf und verließ Eriks zeitweiliges Quartier, das ihm in der kleinen Kaserne von Oak Town zur Verfügung gestellt worden war. Hatte er ein Glück, dass er Oberfeldwebel war und ein eigenes Zimmer bekam! Die Anderen mussten sich immer zu zweit ein Zimmer teilen.

Und natürlich musste Sorano sich wieder ein Zimmer mit Macbeth teilen. Wenn Richard nicht der schlimmste Schnarcher aller Zeiten und Sawyer nicht ein nerviges Klatschmaul wäre, hätte sie auch dieses Mal dagegen protestiert, einfach um weiterhin ihren Standpunkt klar zu machen, dass sie eben nichts vom werten Herrn Generalssohn von-und-zu-Macbeth wollte, nur weil sie ein einziges Mal zu viel von Sawyers Selbstgebrannten gekippt und sich den Gleichaltrigen schön gesoffen hatte.

Missmutig und doch darum bemüht, das nicht offensichtlich werden zu lassen, schleppte Sorano ihren Seesack in ihr Quartier. Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, sich damit zu beeilen, ihren Kulturbeutel aus dem Sack zu graben, damit sie schnell ins Gemeinschaftsbad konnte. Ihre Kameraden wussten, dass es Sorano herzlich wenig juckte, sich mit ihnen ein Bad zu teilen, und dass sie nicht einmal mit der Wimper zuckte, wenn sie an einer ganzen Reihe besetzter Pissoirs vorbei laufen musste. Aber wenn sie es vermeiden konnte, sich Richards grauenhaften Duschgesang anzuhören, ließ sie die Männer immer vor. Auch dann, wenn sie – so wie heute – viel zu müde war, um sich die Zeit damit zu vertreiben, eine neue Postkarte für ihre kleine Schwester zu schreiben.

Sie machte Yukino gerne eine Freude, indem sie ihre Sucht nach Postkarten befriedigte, und irgendwie machte es ihr selbst auch Spaß, die kurzen Texte zu verfassen, aber nach diesem langen Tag konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Morgen konnte sie die Postkarte auch noch beschreiben. Oder übermorgen. Sie würden noch ein paar Wochen hier bleiben, weil sie wieder ein paar Frischlinge für die Special Forces einreiten sollten.

An den Anfang eines solchen Aufenthalts setzte Erik zu Soranos Leidwesen immer eine sehr ausgiebige Erkundung des Geländes und der Stadt. Er wollte wissen, mit was für einer Umgebung die Anwärter vertraut waren. Flaches, strukturloses Gelände zog oft Unachtsamkeit nach sich. In traditionell behafteten Regionen waren die Anwärter erstaunlich lax, wenn es um die Einhaltung der einheitlichen Kleidung ging, und neigten eher dazu, ihr Zugehörigkeitsgefühl für eine Religion oder ethnische Gruppe durch Wimpel, Bänder und dergleichen zu demonstrieren – außerdem sprachen sie oft einen grauenhaften Dialekt, was eine effektive Kommandoübermittlung mitunter katastrophal schwierig machte. An all das passte Erik seinen Trainingsplan an, um die Anwärter so unbarmherzig und effektiv wie nur irgend möglich zu drillen.

In der Regel schafften es nur ein oder zwei von zehn Anwärtern, durch Eriks harte Schule zu kommen. Diejenigen, die sich durchbissen, kamen dafür als echte Soldaten aus der Sache heraus, die sich tatsächlich für die riskanten Einsätze der Special Forces eigneten. Der Erfolg gab Eriks Methode also Recht.

„Du kannst zuerst gehen.“

Überrascht blickte Sorano von ihrem Seesack auf, welchen sie auf dem Stuhl neben ihrer Pritsche abgestellt hatte. Den Riemen seines eigenen Seesacks noch um die rechte Schulter geschlungen, stand Macbeth in der Tür. Seine Miene war beinahe undeutbar. Er hatte sich noch nie gerne in die Karten schauen lassen. Aber in seinem Blick lag etwas Seltsames. Sorano konnte nicht den Finger darauf legen, aber es war einfach seltsam

Ein kleiner Teil von ihr würde gerne einfach danach fragen, auch wenn das bedeutete, zu zugeben, dass ihr mehr an dem Schönling lag, den sie schon so lange kannte. Aber wie immer erlaubte sie diesem kleinen Teil nicht, zu Wort zu kommen. Sie musste doch einen Ruf wahren!

„Was ist mit Richard und Sawyer?“, fragte sie mit einem Stirnrunzeln.

„Die schauen noch mal bei dem Pub am Stadtrand vorbei. Bis Richard angesäuselt ist und Sawyer mit ihm die Geduld verliert, hast du sicher eine Stunde Zeit. Das sollte selbst für dich reichen.“

Mit einer rüden Geste zur Antwort zog Sorano ihren Kulturbeutel und Wechselsachen aus ihrem Seesack, ehe sie im Gemeinschaftsbad verschwand. Erst als das herrlich heiße Wasser der Dusche jede Faser ihres Körpers erwärmte, kam ihr der Gedanke, dass Sawyer und Richard den Pub gar nicht gesehen haben konnten, weil nur sie, Macbeth und Erik beim Stadtrundgang an ihm vorbei gelaufen waren, während die anderen Beiden bereits das Waffenarsenal der Kaserne in Augenschein genommen hatten.

Hatte Macbeth sie etwa darauf aufmerksam gemacht, damit Sorano zuerst duschen konnte, ohne Ohrenbluten befürchten zu müssen?

Und wenn ja… warum?

47. “Did you get my letter?” (Lukino)

Es war Jahre her, seit Lucy das letzte Mal den Bahnhof von Magnolia betreten hatte, aber er hatte sich nicht im Geringsten geändert. Das Personal war noch immer überfordert, die Lautsprecherdurchsagen noch immer unverständlich, das Rauchverbot wurde immer noch ignoriert, die Mülleimer überfüllt, die Geräuschkulisse geradezu erdrückend. Nein, Lucy hatte diesen Ort wirklich nicht vermisst!

Und dennoch hatte für sie nicht zur Debatte gestanden, hier nicht zu erscheinen. Schon allein, weil sie sich nicht von ihren eigenen Erinnerungen ins Bockshorn jagen lassen wollte. Das mit Natsu war nun schon fünfeinhalb Jahre her und sie war über ihn hinweg. Sicherlich, das war ihr nicht leicht gefallen. Fast drei Jahre lang hatte sie immer wieder Rückschläge erlitten, war bei allen möglichen und unmöglichen Situationen, die sie an Natsu erinnert hatten, in Tränen ausgebrochen oder hatte die Flucht ergriffen. Oft genug hatten Levy, Loke und Cana sie trösten müssen, jeder auf seine eigene Art und Weise.

Aber das war vorbei. Lucy wollte endlich weiter machen und genau deswegen war sie jetzt hier, denn genau hier hatte sie die Chance auf etwas Neues!

Mit klopfendem Herzen legte Lucy eine Hand auf ihre Seite, wo sie unter der dünnen Jacke den Brief in der Innentasche spüren konnte. Sie wünschte sich, sie könnte ihn heraus nehmen und noch mal lesen, aber laut der Auskunftstafel würde der Zug, auf den sie schon eine gefühlte Ewigkeit lang wartete, in zwei Minuten ankommen. Unter keinen Umständen wollte sie, dass das Schriftstück in all dem Gedränge hier Schaden nahm.

Während sie ihren Blick weiter auf die Tafel gerichtet hielt, presste Lucy die Lippen zusammen, um ihren alten Drang zu unterdrücken, vor lauter Nervosität auf der Unterlippe herum zu kauen. Als die Zeit bis zur Ankunft von zwei auf eine Minute herunter sprang, musste sie schwer schlucken.

Himmel, wann war sie das letzte Mal so aufgeregt gewesen? Und warum war sie es überhaupt? Es war doch alles vollkommen klar und eindeutig. Der Brief ließ keinerlei Zweifel zu und sie hatte lange genug darüber mit ihren Freunden geredet und sich den Kopf zerbrochen, um sich sicher sein zu können, wie ihre Antwort darauf ausfallen musste. In dem Moment, da sie sich dafür entschieden hatte, hier auf diesen vermaledeiten Zug zu warten, hatte sie sich auch zu einer positiven Antwort bekannt.

Und sie wollte das. Nach einer mehr als nur ausreichend langen Kennenlernphase und einer fast schon zu langen Phase voller unverbindlicher Verabredungen mit zaghaften Küssen und unsicheren Annäherungsversuchen wollte sie endlich den Mut aufbringen, es diesem Brief gleichzutun! Sie wollte endlich Klarheit schaffen, wollte sich endlich richtig darauf einlassen!

Der Signalton, welcher der Lautsprecherdurchsage voran ging, ließ Lucy zusammen zucken. Während die nuschlige Männerstimme die Ankunft des Zugs verkündete, wurde sie von einem Zittern erfasst. Wieder legte sie ihre Hand auf die Stelle mit dem Brief, zwang sich, tief durchzuatmen und den Blick auf den Zug zu heften, der langsam in den Bahnhof einfuhr.

Als das große Gedränge losging, hielt Lucy sich im Abseits auf, wie sie es damals auch immer gemacht hatte, wenn sie auf Natsu gewartet hatte. Mit immer lauter klopfendem Herzen ließ sie ihren Blick den Zug auf und ab wandern.

Doch es war so voll auf dem Bahnsteig, dass Lucy schon verzagen wollte, als sie eine gewaltige Gestalt mit wildem, blaugrünen Haar entdeckte. Orga überragte die Menschen in seiner Umgebung samt und sonders um gut eine Kopflänge und schien mit seinen Muskelbergen von Schultern beinahe doppelt so breit wie jeder andere zu sein. Als Lucy sich auf ihn konzentrierte, erkannte sie nach und nach auch die anderen Teilnehmer der bunt gemischten Reisegruppe, die gerade mit ihren klobigen Wanderrucksäcken nach und nach aus dem Zug stiegen.

Es war schon ein wenig ulkig: Während Orga und Sting braun gebrannt waren, schienen die Anderen maximal etwas Röte abgekriegt zu haben. Und Dobengal schien sich überhaupt nicht verändert zu haben. So wie Lucy die Gruppe mittlerweile kannte, waren Sting und Orga auch diejenigen mit dem stärksten Tatendrang während des Wanderurlaubs gewesen. Hinzu kam sicher noch, dass Sting sich strikt weigerte, irgendeine Form von Kopfbedeckung zu tragen. Selbst im Winter fror er sich lieber die Ohren ab, als eine Mütze aufzusetzen.

Zuletzt kam Yukino zum Vorschein. Der Wanderrucksack samt Schlafsack und Isomatte, den sie vor sich her schob, sah aus, als wäre er schwerer als sie. Lucy fragte sich ernsthaft, wie die Weißhaarige dieses Monstrum in den letzten vier Wochen hatte tragen können, aber andererseits war es doch nicht so verwunderlich. In Yukino steckte sehr viel mehr, als das Auge sehen konnte. Unter all der Schüchternheit und Friedfertigkeit war sie einer der stursten und zähsten Menschen, die Lucy kannte. Wenn Yukino sich etwas wirklich in den Kopf gesetzt hatte, dann hielt sie das auch durch – und auf den Urlaub mit ihren Freunden hatte sie sich bereits seit Monaten gefreut. Es war richtig süß gewesen, wie ihre Augen jedes Mal geleuchtet hatten, sobald das Gespräch darauf gekommen war.

Versonnen lächelnd beobachtete Lucy, wie Yukino sich einen Moment lang damit abmühte, mit dem Rucksack das schmale Treppchen des Zugs herunter zu kommen, ehe Sting beherzt nach ihrem Gepäck griff. Die Weißhaarige erhob einen Protest, den Lucy nicht hören konnte, aber bestimmt verkündete sie gerade, dass sie das auch alleine geschafft hätte. Sie kräuselte ihr winziges – wahrscheinlich dank eines ordentlichen Sonnenbrandes puterrotes – Näschen und stemmte die zierlichen Hände in die Hüften, während sie Sting von oben herab belehrte. Der bot ihr daraufhin mit einem frechen Grinsen wieder den Rucksack an, wofür sein Freund Rogue ihm einen Klaps auf den Hinterkopf gab. Daraufhin entbrannte wohl eine mit Flirts durchsetzte Diskussion zwischen den beiden jungen Männern, zumindest verdrehten ihre Freunde um sie herum grinsend die Augen oder schüttelten – wie in Minervas Fall – den Kopf.

Die Geste hatte die Schwarzhaarige wohl auch auf Lucy aufmerksam gemacht, zumindest blickte sie auf einmal in ihre Richtung. Sofort fühlte Lucy sich wie unter einem Mikroskop. Yukino hatte eine in mehr als nur einer Hinsicht wirklich beeindruckende Leibgarde um sich geschart, aber die fünf jungen Männer waren ein Witz im Vergleich zu Minerva. Wenn irgendjemand Yukino jemals unglücklich machen sollte, dann hätte derjenige definitiv nichts mehr zu lachen, dafür würde die Jurastudentin schon sorgen. Lucy würde ihr beinahe alles zutrauen.

Allerdings hatte Lucy nicht vor, Yukino unglücklich zu machen! Wild entschlossen straffte sie die Schultern und reckte das Kinn nach vorn. Mochte ja sein, dass Minerva furchteinflößend war, aber davon würde sie sich auch nicht ins Bockshorn jagen lassen!

Die Nachricht schien angekommen zu sein, denn Minerva nickte grimmig und wandte sich dann an Yukino. Im nächsten Augenblick wirbelte die Weißhaarige herum und der Blick ihrer wunderschönen braunen Augen richtete sich auf Lucy – genauso wie die Blicke ihrer Freunde, auf deren Mienen sich sogleich unterschiedliche Grade der Erheiterung abzeichneten.

Aber die Blicke der Anderen waren egal. Alles, worauf Lucy sich noch konzentrieren konnte, war Yukino. Zwischen ihnen standen lauter Hampelmänner, die Luft war wegen des ignorierten Rauchverbots widerlich, der Geräuschpegel alles andere als eine romantische Hintergrundmelodie, aber dennoch durchfuhr Lucy ein intensives Kribbeln beim Gedanken daran, was sie gleich tun wollte.

Für Andere mochte es keine große Sache sein, aber für Lucy war es ein gewaltiger Schritt. Deshalb hatte sie ja auch so lange gebraucht, um sich dazu durchzuringen, und sie hatte sich sogar in den letzten Tagen Notizen gemacht, was genau sie eigentlich sagen wollte.

Wie gebannt beobachtete Lucy, wie Yukino sich um die anderen Reisenden herumschlängelte. Den Rucksack musste sie wohl einem ihrer Freunde gegeben haben, die ihr – was wohl Rogue und Rufus zu verdanken war, den Stimmen der Vernunft in der Gruppe – nicht gefolgt waren. Mit jedem Schritt bekamen Yukinos Wangen mehr Farbe und mit der Zunge befeuchtete sie sich mehrmals die Lippen, was unangebrachte Gedanken bei Lucy herauf beschwor. Daran, wie weich und warm sich diese Lippen immer angefühlt hatten. Wie sie unter seligen Seufzern erzittert waren. Wie sie mit jedem Kuss mutiger geworden und Lucys Bewegungen entgegen gekommen waren…

Ganz unwillkürlich leckte Lucy sich selbst über die Lippen und war froh darum, dass sie es nach zwei aufgrund zitternder Hände missglückten Versuchen mit dem Lipgloss für heute aufgegeben hatte.

Vor ihr blieb Yukino stehen. Ihre zierlichen Finger verknoteten sich miteinander und sie hibbelte auf den Fußballen herum. Ihr Blick huschte für einige Sekunden unsicher umher, ehe er sich direkt auf Lucy richtete. Hoffnung schimmerte darin und so viel Hingabe, dass es Lucy einmal mehr den Atem verschlug.

„Hast du meinen Brief bekommen?“, fragte Yukino schließlich atemlos.

Lucy war sich ziemlich sicher, dass Yukino eigentlich etwas ganz anderes sagen wollte, und sie wusste auch, was sie eigentlich darauf antworten wollte, aber all die Worte, die sie sich in ihrem Kopf zurecht gelegt hatte, waren vergessen. Ihr Kopf war wie leer gefegt und auf einmal kam die Panik in ihr hoch. Wie sollte sie nur angemessen auf diesen aufrichtigen, gefühlvollen Brief antworten, der ihr solches Herzklopfen beschert hatte? Wie sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen, dass sie Yukinos Gefühle voll und ganz erwiderte und auch sehr viel mehr als nur zwanglose Dates haben wollte?

Es war wahrscheinlich nicht angemessen, hier und jetzt an Natsu zu denken, aber alles, was Lucy einfiel, war, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen. Mit einem tiefen Luftholen überwand sie den letzten Abstand zu Yukino und nahm ihr Gesicht in beide Hände. Es war warm und passte perfekt in Lucys Hände.

„Ja, habe ich“, krächzte Lucy, dann beugte sie sich vor und küsste Yukino.

48. “I’ll do it for you.” (Miraxus)

Im Fairy Tail herrschte die Geschäftigkeit eines Bienenstocks. Die rustikalen Holztische und die lang gestreckte Bar waren voll besetzt und Mirajane und Kinana hatten gut zu tun, um die Besucher an der Bar zu versorgen und gleichzeitig die Bestellungen der vier Kellner zügig zusammen zu stellen.

Hinter sich konnte Mirajane in der Küche das unablässige Klappern von Töpfen, das Klopfen von Messern auf Schneidebrettern und das Zischen von Öl hören, über das die Rufe von Yajima und seinem heute sechsköpfigen Team kaum hinweg kamen.

Es war das typische Silvestergeschäft, wie sie es auch schon in den letzten fünf Jahren erlebt hatte. Auch zu normalen Zeiten war das Restaurant gut besucht – war es doch ein Treffpunkt für einen breit verzweigten Freundes- und Bekanntenkreis aus Studenten der unterschiedlichsten Fachrichtungen –, aber an Tagen wie heute nutzten die Stammgäste das Fairy Tail erst recht gerne für ein geselliges Beisammensein, das in der Größe in ihren jeweiligen Studentenbuden schlicht und einfach nicht möglich wäre. Zwischen all die jungen Menschen mischte sich auch das eine oder andere ältere Semester – Freunde des Inhabers, die hier teilweise sogar während ihrer eigenen Studienzeit gejobbt hatten.

„Also, ich verstehe wirklich nicht, warum du dir das jedes Jahr aufs Neue antust.“

Mirajane lächelte geduldig, als sie ihrer langjährigen Freundin Jenny den Cocktail vor die Nase stellte. „Wahrscheinlich aus demselben Grund, warum du jedes Jahr an Silvester mit Hibiki hierher kommst“, antwortete sie und grinste dem Programmierer zu, der seinen Barhocker so nahe an Jennys geschoben hatte, dass er einen Arm um ihre Hüfte schlingen konnte. Mit einem feinen Lächeln hob er sein Weinglas für einen Toast.

„Pff! In unserer Straße wird zu viel geböllert“, brummelte Jenny und nippte an ihrem Cocktail, wohl in der Hoffnung, so die Röte auf ihre Wangen verbergen zu können.

Grinsend drehte Mirajane sich wieder ab und nahm von ihrer Schwester, die sich vom satten Silvesterbonus und der guten Stimmung aus den jüngst bezogenen eigenen vier Wänden hatte locken lassen, einen Zettel mit weiteren Bestellungen entgegen. Natürlich war ihr sonnenklar, dass Hibiki und Jenny auch aus Sentimentalität jedes Silvester hier feierten. Immerhin waren sie hier vor drei Jahren zusammen gekommen, nachdem Hibiki unter einem Mistelzweig, den Mirajane noch nicht abgenommen hatte, die Initiative ergriffen hatte. Jenny versuchte gerne, es zu kaschieren, aber ganz so ein großer Romantikmuffel war sie eigentlich doch nicht.

Während sie mehrere Biergläser füllte, ließ Mirajane kurz den Blick über den Raum gleiten. Sting strich gerade seine Bezahlung ein – seinem Grinsen nach mit einem satten Trinkgeld – und machte sich auf dem Rückweg zur Bar. Dass er dafür einen Umweg über den Tisch seiner Freunde einschlug, um von Rogue einen kurzen Kuss zu ergattern, sah Mirajane, die heute die Leitung im Hauptraum inne hatte, nicht so eng. Diese kleine Atempause sollte dem Musikstudenten ruhig gegönnt sein.

Als Sting sich wieder in Bewegung setzte, klopfte er im Vorbeigehen Yukino auf den Rücken, die heute frei hatte – sie hatte dafür an Weihnachten gearbeitet – und es sich in einem der beiden Ohrensessel bequem gemacht hatte, die am Kamin standen. Der andere Sessel war von Lucy ergattert worden, die sich gerade vorbeugte, um eine Schachfigur nach vorn zu setzen. Es war beinahe niedlich, wie tief die beiden jungen Frauen in das Spiel versunken waren und dabei doch kaum eine Gelegenheit ausließen, einander immer wieder zu berühren. Für Mirajane war es eine unheimliche Erleichterung, Lucy endlich wieder richtig glücklich zu sehen. Die Blondine hatte wirklich lange Zeit etwas mit sich herum geschleppt, das hatte Mirajane ihr immer angemerkt.

Als die Tür zum Restaurant geöffnet wurde und ein Schwall bitterkalter Luft herein wirbelte, drehte Mirajane sich um. Die beiden Gestalten, die herein kamen, könnten unterschiedlicher gar nicht sein – und zugegebenermaßen waren sie die Letzten, mit denen Mirajane hier heute gerechnet hätte.

Sie vergewisserte sich mit einem Blick, dass Kinana kurz alleine zurecht kam, und schlüpfte hinter der Theke hervor, um auf die beiden Männer zu zugehen. Als sie die Tür erreicht hatte, hatte Makarov sich bereits seines dicken Mantels entledigt. Darunter kam ein winziger, hagerer Mann mit dichtem Vollbart zum Vorschein. Es war offensichtlich, wie ausgezerrt er war, sein Gesicht von tiefen Falten zerfurcht – tiefer noch, als man sie bei seinem Alter erwarten würde –, er stützte sic schwer auf den Gehstock, seine Haut war gräulich. Aber auf seinen Lippen lag dennoch das liebenswürdigste Großvaterlächeln, das Mirajane jemals gesehen hatte, als er zu ihr aufblickte.

„Mira, meine Gute, wie läuft es hier?“

„Sehr gut, du hättest ruhig Zuhause bleiben und dich schonen können“, erwiderte die Weißhaarige streng und stemmte die Hände in die Hüften, ehe ihr Blick zu Laxus zuckte. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, weil er sie um Haupteslänge überragte, aber weder davon noch von der Tatsache, dass er mit seinen Muskelbergen gut doppelt so breit wie sie war, ließ sie sich einschüchtern. „Du hättest ihm das ausreden sollen!“

„Ah, sei nicht böse auf Laxus“, verteidigte Makarov seinen Enkel. Ein listiges Grinsen umspielte seine Lippen. „Ich habe ihn bestochen.“

„Großvater“, brummte Laxus mit finsterer Miene.

Für einen Moment drohte Mirajanes Neugierde, die Oberhand zu gewinnen, aber sie rief sich selbst wieder zur Ordnung und behielt ihren strengen Tonfall bei. „Das ist dennoch unvernünftig!“

„Ich wollte wenigstens Silvester an meinem liebsten Platz auf der Welt verbringen.“

Für einen Moment huschte ein Schatten über die heiteren Gesichtszüge und legte die Matern der langen Krankheit offen, die den gestandenen Mann Monate lang zu schaffen gemacht hatte. Doch dann riss er sich wieder zusammen und grinste beinahe lausbubenhaft.

„Ah, meine beiden Lieblingsschachpartnerinnen!“

Und ohne Mirajane oder Laxus eine weitere Chance für einen Protest zu lassen, machte er sich auf dem Weg zum Kamin. Unterwegs wurde er von so ziemlich jeden Gast begrüßt und Yukino beeilte sich, für Makarov den Ohrensessel frei zu machen und sich zu ihrer Freundin zu setzen, als sie ihn bemerkte.

„Also wirklich“, schnaufte Mirajane empört, um den Kloß in ihrem Hals zu ignorieren, der sich beim Anblick des Mannes bildete. Eine kleine, düstere Stimme in ihrem Kopf fragte sich, wie viele Silvester ihr langjähriger Chef eigentlich noch hatte.

Sie verdrängte den Gedanken hastig und drehte sich zu Laxus herum. Der junge Mann beobachtete weiter seinen Großvater, die blonden Augenbrauen zusammen gezogen, die Stirn gerunzelt. Seine riesigen Hände ballten sich mehrmals zu Fäusten. Trotz seiner bulligen Gestalt wirkte er so entsetzlich hilflos, dass es Mirajane fast das Herz brach.

Vorsichtig legte sie eine Hand auf seinen Arm. Als er den Blick auf sie richtete, wurde ihr wieder einmal kribbelig zumute. In seinen grauen Augen lag etwas, das Mirajane unter die Haut ging. Ihre Knie wurden beinahe schwach und als sie die Lippen öffnete, war sie sich für einige Millisekunden nicht sicher, was sie eigentlich sagen sollte und wollte…

Doch dann räusperte er sich und wandte den Blick ab, die Hand in den Nacken gelegt, die Stirn schon wieder gerunzelt.

Mit einem verständnisvollen Lächeln legte Mirajane den Kopf schief. „Das Übliche für dich?“

„Nein, lieber einen Kaffee, ich muss nachher noch fahren“, antwortete er.

Wortlos nickte Mirajane und machte sich auf dem Weg zurück zur Bar, während Laxus sich zu seinen Freunden gesellte. Beinahe sofort wurde er von Evergreen und Bixlow in die Zange genommen, aber Mirajane hatte keine Zeit, um sie weiter zu beobachten.

„Warum machst du eigentlich nicht den ersten Schritt?“

Sie drehte sich zu Jenny um, die sie provokant über den Rand ihres Cocktailglases hinweg angrinste.

Ihr Blick huschte wieder zu Laxus, dessen Miene nun finster wie die Nacht war, während Bixlow ihm stichelnd immer wieder mit dem Ellenbogen in die Rippen stieß. Mirajane konnte sich sehr genau vorstellen, worum es bei all dem ging. Jeder wusste Bescheid. So verschlossen er eigentlich auch war, Laxus war doch sehr einfach zu lesen.

„Ich will ihm die Zeit geben, die er braucht“, erklärte Mirajane mit einem versonnenen Lächeln.

Manch einer hatte sie schon gefragt, ob sie denn des Wartens nicht irgendwann überdrüssig wurde, aber dem war nicht so. Sie genoss das, was Laxus ihr schon zu geben bereit war, und sie freute sich über jeden noch so kleinen Fortschritt. Mochte es so lange dauern, wie es eben dauerte, sie konnte warten, weil sie wusste, dass es sich lohnte.

„Hoffnungslos“, murmelte Jenny und schüttelte demonstrativ den Kopf.

Immer noch lächelnd machte Mirajane sich wieder an die Arbeit. Als der Kaffee für Laxus fertig war, ließ sie es sich nicht nehmen, ihn persönlich zu überbringen. Kaum dass sie nahe genug war, verstummte Bixlows und Evergreens Getuschel und die Beiden grinsten Mirajane gespielt unschuldig an.

Als sie die Tasse vor Laxus auf den Tisch stellte, blickte er zu ihr auf und öffnete die Lippen, zögerte jedoch. Beinahe wirkte es, als würde er die Worte in seinem Mund durchkauen, so sehr mahlten seine Kiefer. Seinen Freunden warf er einen giftigen Blick zu, dann blickte er wieder zu Mirajane hoch und doch wieder nicht. Seine Augen schienen den Kontakt mit ihren zu vermeiden.

Schließlich öffneten sich seine Lippen doch wieder und Mirajane spürte, wie die Spannung stieg… Doch bevor er auch nur einen Ton heraus bekam, erklang von der Bar her Lisannas Ruf. „Mira-nee! Wir müssen ein neues Bierfass anschließen!“

Die ganze Spannung verpuffte wie ein Luftballon und bittere Enttäuschung machte sich in Mirajane breit, als Laxus’ Mund wieder zuklappte. Für einen Moment nahm sie es ihrer Schwester wirklich übel, ausgerechnet in so einem Augenblick gerufen zu haben, aber sie rief sich schnell wieder zu Ordnung. Die Zapfanlage zickte in letzter Zeit ein wenig und sowieso hatte Lisanna keine Ahnung davon, weil sie immer nur gekellnert hatte.

Sie wandte sich von Laxus und seinen Freunden ab. Hinter ihr erklang ein mahnendes Zischen und dann spürte sie auf einmal einen riesigen Körper hinter sich aufragen.

„Warte!“

Wieder drehte sie sich um und legte den Kopf in den Nacken. Wieder spürte sie das intensive Kribbeln, als sich Laxus’ graue Augen regelrecht in ihre zu bohren schien. Als er die Lippen öffnete, glaubte sie wirklich, er würde es endlich sagen…

„Ich mache das für dich“, brummte er und dann setzte er sich in Richtung der Kellertreppe in Bewegung, um ein neues Bierfass zu holen.

„Hoffnungslos“, seufzte Evergreen resigniert, während Bixlow neben ihr fassungslos den Kopf schüttelte und sogar Freed verhalten seufzte.

Aber Mirajane sah das anders. Als sie zur Bar zurückkehrte und ihre Arbeit wieder aufnahm, fühlte sie sich beschwingter denn je. Auch wenn er es wieder nicht zur Sprache gebracht hatte, Laxus hatte es zumindest versucht. Allein das bedeutete ihr schon die Welt!

49. “Call me when you get home.” (Bixanna)

Ein gehässiges Kichern ließ Lisanna von ihrem Monitor mit endlosen Reihen von Programmcodes auf- und zur offen stehenden Tür blicken. An eben jener liefen zwei Männer vorbei, beide waren hochgewachsen, aber während der Blonde überall dort harte, durchtrainierte Muskeln hatte, wo ein Mann nur Muskeln haben konnte, war der Blauhaarige mit der auffälligen Tätowierung im Gesicht und der Brille eher von normaler bis schlanker Statur. Genau in dem Moment, da er in Lisannas Blickfeld geriet, grinste er seinen Gesprächspartner provozierend an.

„Ich habe noch nie jemanden so dumm auf einen Flirt reagieren sehen!“

„Sei ruhig“, knurrte der Blonde und zog die breiten Schultern höher. Selbst im Profil wirkte seine Miene mehr als nur angepisst.

Lisannas Mitleid hielt sich in Grenzen. Laxus Dreyar war ein guter Stellvertreter für seinen hochbetagten Großvater. Als Leiter der Spielefirma Fairy Tail Entertainment war er absolut verlässlich, ein guter Vorgesetzter für seine Angestellten und klug genug, für Geschäftsverhandlungen Kollegen zu Rate zu ziehen, die bereits mehr Erfahrung mit derlei hatten. Aber in Liebesangelegenheiten war er der größte Volltrottel, von dem Lisanna jemals gehört hatte – und sie war immerhin mit Natsu Dragneel befreundet, der so in etwa zehn Jahre gebraucht hatte, um zu begreifen, dass er in seine Nachbarin verliebt war.

Wer auf eine Einladung zu einem Kaffee antwortete, er hätte eine Kaffeemaschine im Büro stehen, der hatte noch ganz andere Hänseleien verdient. Lisannas Schwester hatte es mit Humor genommen und war deswegen nicht einmal geknickt – sie war einfach zu gutmütig für diese Welt, insbesondere wenn es um diesen Hornochsen ging –, aber in Lisannas Augen war es dennoch ein Unding. Mirajane war so ziemlich alles, was ein Mann sich nur wünschen konnte, aber Laxus war dümmer als drei Meter Feldweg!

„Ich habe keine Zeit für so etwas“, brummte Laxus. „Die Verhandlungen mit Phantom Lord Media rauben mir den letzten Nerv!“

„Gerade dann könntest du ein kleines Nümmerchen wirklich gut gebrauchen“, lachte sein Begleiter und schlug ihm kräftig auf die Schulter.

Ein leises Schnauben verließ Lisannas Nase. Bixlow von der Synchronisationsabteilung war in der Firma bekannt dafür, nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen, aber Lisanna gefiel nicht unbedingt, dass er ihre Schwester auf Sex reduzierte. Nicht dass sie ein naives Dummchen wäre, sie hatte selbst auch so ihre Erfahrungen in der Hinsicht gemacht, aber Mirajane war eindeutig mehr als nur ein hübsches Gesicht!

Die Schritte und Stimmen der beiden Männer verklangen im Flur und die Weißhaarige wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Das unfreiwillig belauschte Gespräch geriet wieder in Vergessenheit, als sie sich auf die Codes für ein Spiel in der Betaphase konzentrierte. Die Tester hatten einige gravierende Bugs entdeckt und Lisanna fühlte sich deswegen fast ein wenig in ihrer Ehre gekränkt. Sie war eine gute Programmiererin – sie hatte sich doch nicht umsonst durch ihr knochenhartes Studium geplagt! Ein paar der Fehler hätten ihr nicht passieren dürfen, auch wenn sie vor einem halben Jahr, als das Spiel in der Startphase gesteckt hatte, noch ein Frischling gewesen war, auf dessen Masterurkunde die Tinte noch feucht war. Sie wollte dafür gerade stehen!

Als das Deckenlicht aufflammte, schreckte Lisanna wieder aus ihrer Arbeit auf. Die plötzliche Helligkeit ließ sie heftig blinzeln und sie hatte einige Mühe, den Störenfried auszumachen. Mit einem amüsierten Grinsen stand Bixlow im Türrahmen und deutete mit beiden Zeigefingern auf den Lichtschalter. „Darf ich vorstellen? Lichtschalter, Lisanna. Lisanna, Lichtschalter. Du solltest den besten Freund deiner Augen nicht ignorieren. Wenn der Chef dich dabei erwischt, wie du im Dunkeln arbeitest, wird er streng.“

„Was machst du denn noch hier?“, erwiderte Lisanna und blickte in die rechte untere Ecke ihres Bildschirms, wo ihr Acht Uhr abends angezeigt wurde. „Macht ihr Plappermäuler nicht schon nachmittags Schluss?“

Plappermäuler?“, wiederholte Bixlow und hielt sich dabei albern das Herz, als wäre er schwer getroffen. „Ihr Nerds seid ja so herablassend!“

Lisanna verdrehte die Augen und machte eine scheuchende Handbewegung. „Ich muss das hier fertig kriegen, wenn du dir also jemand anderen suchen würdest, den du stören kannst…“

„Geht leider nicht, Anweisung von Laxus, du hast Feierabend zu machen“, erwiderte der Blauhaarige mit einem achtlosen Schulterzucken, aber der Blick seiner dunkelroten Augen war so stechend, dass Lisanna beinahe den Blick abgewandt hätte, wenn sich nicht doch noch ihr Trotz gemeldet hätte.

„Ich muss das hier noch fertig machen, immerhin habe ich diese Fehler verbockt!“, protestierte Lisanna empört und deutete auf ihren Computerbildschirm.

„Bis zum Release-Datum ist noch reichlich Zeit und es gibt auch noch ein paar andere Programmierer, die auch Fehler gemacht haben. Denen kannst du ruhig etwas vom Kuchen übrig lassen.“

Dass Bixlow so ernst wurde, war ungewöhnlich für ihn. Bisher hatte Lisanna ihn im Flur und anderen Gemeinschaftsräumen der Firma immer nur als großmäulig, aufschneiderisch und sogar ein wenig pervers wahrgenommen. Jetzt jedoch ging ihr sein Blick richtig unter die Haut. Er war nicht nur hier, weil Laxus wollte, dass sie Feierabend machte. Woher sie diese Gewissheit nahm, wusste sie auch nicht, aber es war so. Irgendwie bereitete ihr der Gedanke Gänsehaut.

Für einen Moment erwog Lisanna dennoch, trotzig zu bleiben und weiter zu arbeiten, aber sie hatte so ein Gefühl, dass der Blauhaarige dann noch viel nerviger werden würde als ohnehin schon. Nachdem sie einfach um des Trotzes willen noch ein paar Sekunden lang in diese durchringenden roten Augen geblickt hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit mit einem resignierten Seufzer zurück auf ihren Bildschirm, speicherte ihren Arbeitsstand und schloss alle Programme, um dann den Computer herunter zu fahren und ihre Sachen in ihre Tasche zu packen. Die ganze Zeit wurde sie dabei von Bixlow beobachtet. Wenn sie kurz aufsah, um ihm einen finsteren Blick zu zuwerfen, grinste er jedes Mal breit und streckte die Zunge heraus, aber seine Augen blieben wachsam.

Schließlich schulterte sie ihre Tasche und verließ das kleine Büro, in das vier Schreibtische gequetscht worden waren. Mit einem spöttischen Kratzfuß trat Bixlow aus der Tür zurück, sodass Lisanna hinaus treten konnte – nicht ohne vorher demonstrativ das Licht auszuschalten, was jedoch nur zur Folge hatte, dass der Ältere in die Hände klatschte, als hätte sie ein richtiges Kunststück vollbracht.

„Ich kenne den Weg zum Ausgang“, sagte sie spitz, als Bixlow sie durch den Flur begleitete.

„Dann weißt du ja auch, dass es nur den einen gibt“, war der Konter darauf, was Lisanna beinahe erröten ließ.

Zum Glück besaß sie genug Selbstdisziplin, um sich von diesem Großmaul nicht gleich aus dem Konzept bringen zu lassen. Bisher hatte sie nicht wirklich viel mit ihm zu tun gehabt. Zwischen den Programmierern und den Synchronsprechern standen allerlei andere Abteilungen, die das Gesamtpaket koordinierten, und Lisanna hatte zwar gleich am ersten Tag in der Firma viele Bekanntschaften geschlossen, aber Bixlow hatte nie dazu gehört. Er blieb meistens mit seinen schrägen Freunden unter sich und Lisanna hatte keinen Grund gesehen, sich da hinein zu drängen, wenn es genug andere angenehmere Gesprächspartner für sie gab.

Auf dem Weg durch die Flure plauderte Bixlow über Mirajanes Flirtversuch mit Laxus. Anscheinend war das nicht das erste Mal gewesen, dass sein Freund sich so dämlich angestellt hatte. Bixlow hatte keine Scheu, von ein paar anderen Fällen zu erzählen. Dabei hatte Lisanna keine einzige Nachfrage gestellt und sie war sich auch nicht sicher, ob sie überhaupt so etwas Privates hören sollte.

Als sie an Wakaba, den Nachtwächter, vorbei gingen, atmete Lisanna erleichtert aus und wollte sich mit einer knappen Verabschiedung davon machen, als ihr auf einmal ein Zettel mit einer Handynummer unter die Nase gehalten wurde.

„Ruf’ mich an, wenn du Zuhause bist“, sagte Bixlow, seine Stimme auf einmal wieder so ungewohnt ernst und sein Blick wieder so durchdringend, ehe sich ein hinterhältiges Grinsen auf seine Lippen schlich. „Wenn ich mitkriege, dass du dich zurück schleichst, petze ich.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er sich ab und schlenderte gemütlich davon. Verwundert blickte Lisanna auf den Zettel in ihrer Hand hinunter und fragte sich, ob das ein Flirtversuch sein sollte und wenn ja, ob sie darauf eingehen sollte. Trotz seines albernen Gehabes schien sehr viel Ernst in Bixlow zu stecken. So sehr er Laxus gehänselt hatte, es hatte sich hinter den derben Worten doch auch eine gewisse Fürsorge verborgen. Und so schlecht sah er eigentlich auch nicht aus…

Ratlos zuckte Lisanna schließlich mit den Schultern und machte sich auf den Heimweg. Sie würde es wohl darauf ankommen lassen und Bixlow anrufen, wenn sie ihre kleine Wohnung erreicht hatte.

50. “I think you’re beautiful.” (ElfEver)

Elfman fiel auf der Hochzeitsgesellschaft auf wie ein bunter Hund. Das wollte wirklich etwas heißen, denn der Bräutigam und sein Trauzeuge waren auch nicht unbedingt von normaler Statur und Größe, aber Elfman mit seinen Muskelbergen, der mehr als überdurchschnittlichen Körpergröße, den schneeweißen, wilden Haaren, den überdeutlich ausgeprägten Kotletten und der gebräunten Haut stach selbst unter ihnen hervor. Einen schärferen Kontrast könnte er zu seinen zierlichen, sehr femininen Schwestern kaum darstellen. Denn die Beiden sahen in ihren Kleidern geradezu so aus, als wären einem Katalog für Hochzeitsmode entstiegen, während man bei Elfman und seinem Anzug nicht sagen konnte, wer da nun mehr litt.

Im Moment tendierte Evergreen dazu, dass sie am meisten litt. Was hatte sie bloß dabei geritten, sich von Bixlow breitschlagen zu lassen, als Begleitung für seinen zukünftigen Schwager herzuhalten? Sie hätte genauso gut als Freeds Pseudobegleitung herhalten können. Mit Freed verstand sie sich wenigstens. Irgendwie. Ein bisschen...

Na ja, sie kannten einander halt seit Jahren und er war eine erträglichere Gesellschaft als Bixlow mit seinen Witzen. Okay, gut, sie waren vielleicht auch Freunde, wenn Evergreen denn mal Zeit und Muße hatte, sich über solche Rührseligkeiten Gedanken zu machen. Über so etwas hatten sie in ihrer kleinen Gruppe nie gesprochen. Da war Evergreen erst durch ihre Kollegin Brandish drauf gestoßen worden, welche sie mal auf ihre merkwürdigen Freunde angesprochen hatte – die musste gerade reden mit ihrem Anhang!

Egal! Auf alle Fälle wäre Freed eine bessere Wahl als Elfman gewesen, der die ganze Zeit an seinem Kragen herumnestelte, nicht still sitzen konnte, zu laut sprach und so schwerfällig tanzte wie ein Bär. War der Mann wirklich mit Lisanna und Mirajane verwandt?!

Mit einem unterdrückten Schnauben verschränkte Evergreen die Arme vor der Brust und verfolgte, wie Elfman sich am Buffet an der Bowle bediente. Er kleckerte, weil er sich nebenbei mit einem von Lisannas Freunden zankte. Als er sein Missgeschick bemerkte, warf er sich in die Brust und sah sich geradezu ritterlich nach einer Möglichkeit um, den Fleck zu entfernen. Als ihm wohl klar wurde, dass er dafür das Tischtuch auswechseln müsste, wurde er fahrig und leerte schneller, als ratsam war, sein Bowle-Glas, nur um es gleich darauf wieder zu füllen.

„Gib dem Burschen doch mal eine Chance, Ever.“

Hinter ihrer Brille hob Evergreen die perfekt gezupften und nachgezogenen Augenbrauen, während sie sich zu Bixlow umwandte. Der Blauhaarige grinste ausgelassen. Das tat er schon den ganzen Abend und allmählich wirkte er dabei wirklich geistesgestört. Beinahe würde Evergreen ihn als liebeskrank bezeichnen, aber sie wusste nur zu gut, dass ihr alter Schulkamerad selten einmal nicht grinste. Für gewöhnlich konnte Evergreen es immer insoweit ignorieren, dass es ihr gar nicht besonders auffiel, aber hier und jetzt ging es ihr gehörig auf den Keks. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich davon provoziert.

„Musst du selbst an deinem Hochzeitstag damit weiter machen?“, murmelte Laxus, der zwischen ihnen an der Breitseite des Tisches saß und mit den Augen rollte, ohne wirklich von seinem Bierglas aufzublicken.

„Warum nicht?“, lachte Bixlow unbeeindruckt und schlug Laxus auf die Schulter. „Bei dir hat es doch auch funktioniert.“

Evergreen verengte die Augen zu Schlitzen. Spielte Bixlow schon wieder auf diese wahnwitzige Idee an, zwischen ihr und Elfman könnte sich etwas entwickeln? Nur weil er bei Laxus und Mirajane richtig gelegen und es in Kooperation mit Lisanna und Evergreen geschafft hatte, die Beiden zu verkuppeln, hieß das nicht, dass er wirklich Ahnung davon hatte! Denn: Hallo?! Elfman passte so überhaupt gar nicht zu Evergreen! Das war doch wohl offensichtlich!

Demonstrativ stand Evergreen auf und verließ den Tisch. Sie würde sich gar nicht erst daran aufhalten, Bixlow zu erklären, was genau alles dagegen sprach, dass das zwischen ihr und Elfman funktionieren könnte. Teilweise auch deshalb, weil sie leider nur zu gut wusste, dass Bixlow nicht so einfach locker lassen würde. Ganz im Gegensatz zum zumeist zurückhaltenden und zivilisierten Freed war Bixlow ein Draufgänger und nahm kein Blatt vor den Mund. Er würde dieses dämliche Verkupplungsspiel schon allein deshalb weiter spielen, weil er Spaß daran hatte. Gut möglich, dass seine frisch Angetraute da kräftig mitmischte. Nach allem, was Evergreen schon von ihr erlebt hatte, war Lisanna auf dem Gebiet mit Bixlow auf einer Wellenlänge. Kaum zu glauben, dabei könnte man sie für ein braves Mädchen halten, wenn man nach dem Äußeren ginge!

Auf halbem Weg – wo auch immer der enden sollte, darüber hatte Evergreen sich bei ihrem würdevollen Abgang keine Gedanken gemacht – stieß sie beinahe mit Elfman zusammen. Der Hüne hielt zwei Gläser in Händen. Als er abrupt anhielt, schwappte bei einem davon etwas Bowle über und spritzte zu Boden – nur wenige Zentimeter entfernt von den Designerschuhen, für deren Suche Evergreen sich eine halbe Nacht auf einer Auktionsseite für Einzelstücke um die Ohren geschlagen hatte.

„Ah, Ever“, begann Elfman unbeholfen und hielt ihr eines der Gläser entgegen. Es war beinahe wieder mitleiderregend. „Ich dachte, ich bringe dir etwas mit.“

„Ich kann mich alleine versorgen“, schnaubte Evergreen hoheitsvoll und strich sich die hellbraunen Haare zurück.

Mit glasigen Augen folgte Elfman ihren Bewegungen. Die ruppige Antwort schien ihm gar nicht aufgefallen zu sein.

Das war doch wohl die Höhe! Dieser übergroße Tölpel wagte es doch nicht etwa, sich hier zu betrinken, während er jemanden wie Evergreen als Begleitung hatte?!

Schon holte Evergreen Luft, um ihrem Gegenüber den Marsch zu blasen, als es aus ihm heraus platzte: „Ich denke, dass du wunderschön bist.“

Evergreen blinzelte. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann fiel ihr auf, dass ihr Mund offen stand. Sie schloss ihn wieder, öffnete ihn für eine Frage, schloss ihn doch wieder.

Das war… absurd! Ja, das war das richtige Wort! Elfman war bereits angetrunken und laberte Blödsinn!

Langsam hob Elfman die Schultern. Wahrscheinlich wollte er eigentlich mit ihnen zucken, aber er hielt ja noch die Gläser in beiden Händen. Jetzt mied er jeden Blick in Evergreens Richtung und er schob grimmig das Kinn vor, als müsste er sich gegen irgendetwas behaupten.

„Wollte ich dir schon den ganzen Abend sagen. Bin nur nicht wirklich gut in solchen Dingen.“

„Das kannst du laut sagen“, schnaubte Evergreen und stemmte die Hände in die Hüften. Nun, da sie sich wieder gefangen hatte, beschloss sie, ihren kurzzeitigen Aussetzer mit Empörung zu kaschieren. „So etwas sagt man für gewöhnlich in dem Moment, da man seine Begleitung das erste Mal sieht!“

Auf einmal sah Elfman ihr wieder in die Augen. Seine eigenen Augen waren immer noch etwas glasig und seine Gesichtszüge zuckten kurz so komisch, aber dann wirkte er doch sehr, sehr ernst. „Du verdienst aber mehr als etwas Gewöhnliches.“

Oh.

Das war… merkwürdig. Auf einmal verspürte Evergreen ein Flattern in der Brust und sie hatte den Eindruck, dass die Heizungen ein bisschen zu hoch eingestellt worden waren. Schon wieder fehlten ihr die Worte und sie stand einfach nur da und starrte Elfman an, während er zurückstarrte und noch immer die dämlichen Gläser hielt.

Nur langsam wurde Evergreen klar, wie bescheuert sie hier aussehen mussten. Kurzerhand nahm sie Elfman endlich eines der Gläser ab. „Natürlich verdiene ich das“, sagte sie hoheitsvoll und hob das Glas an die Lippen, um sich selbst ein paar Sekunden Bedenkzeit zu verschaffen.

Und um das Lächeln verbergen zu können, das aus irgendeinem Grund an ihren Lippen zupfte.

53. “Sit down, I’ll get it.” (Lyanna)

Im Gemeinschaftsbüro des Take Over summte es wie in einem Bienenstock. Das dumpfe Tappen auf mehreren modernen Tastaturen – immerhin nicht mehr das laute Klappern, wie man es von früher kannte –, knappe Rufe über den ganzen Raum hinweg, das ewige Brummen der beide Drucker, gedämpft geführte Telefonate.

Es war die mühsam kontrollierte Hektik vor dem Release der Monatszeitschrift. Das immer wiederkehrende Wettrennen mit der Zeit, während Beiträge ein letztes Mal kontrolliert und editiert und einige überhaupt erst auf dem letzten Drücker fertig gestellt wurden. Im Zentrum des Raumes saß Mirajane, die Chefredakteurin, schrieb am Einleitungstext und sortierte gleichzeitig die ausgedruckten Probeseiten der einzelnen Artikel auf dem großen Tisch vor ihr, die nach und nach den Weg zu ihr fanden.

Seufzend zog Lyon seine verkrampften Finger von der Tastatur und schüttelte sie aus. Sein eigener Artikel war fast fertig, er musste sich nur noch bei der Bildaufteilung entscheiden. Dann konnte er das ganze Ding endlich drucken, noch ein letztes Mal kontrollieren und dann Mirajane übergeben.

Dann wäre es endlich geschafft. Die Zeitschrift und sein Praktikum bei dem berühmten Modemagazin.

Kurz huschte Lyons Blick schräg nach links, wo Lucy mit finsterer Miene ein Telefonat führte. Lyon war sich nicht sicher, wer von ihnen Beiden den kürzeren Strohhalm gezogen hatte: Er, der einen Artikel über die Modegeschichte von Kopfbedeckungen schreiben musste, oder Lucy, die sich um ein Interview mit dem Model Dan Straight hatte kümmern müssen und nun besagtem Model hinterher telefonieren musste, damit es die endgültig zu publizierende Fassung des Interviews absegnete, die hoffentlich dann endlich seinen extravaganten Wünschen entsprach, ohne das Niveau des Take Over zu schmälern.

Sie waren Beide nicht glücklich über ihre von Mirajane zugeteilten Aufgaben gewesen. Sowieso hatten sie sich ein Praktikum in den letzten Zügen des Journalismusstudiums ganz anders vorgestellt. Sie hatten Beide ganz andere Ambitionen, aber das Praktikum war ihnen von ihrem betreuenden Dozenten Professor Dreyar zugeteilt worden. Auf ihre skeptische Nachfrage hin, ob er ihre ausgefüllten Formulare mit ihren Interessengebieten nicht erhalten hatte, hatte er ihnen Beiden jedoch dieselbe Antwort gegeben: Ihr werdet sicher viel bei Mira lernen.

Also hatten sie sich durchgebissen. Lyon war immer noch kein Fan von Kopfbedeckungen – die einzige, die sich in seinem Besitz befand, war die selbstgestrickte Mütze von Juvia, die er vor Jahren bekommen hatte, als Juvia an einem Weihnachten im Freundeskreis selbstgestrickte Mützen verschenkt hatte. Und Lucy hatte laut eigener Aussage mit dem widerlichsten Geschöpf der Menschheitsgeschichte zu tun gehabt und war laut aktueller Zählung zweiundsechzig Mal angebaggert worden, obwohl sie gleich beim ersten Mal erwähnt hatte, dass sie einen Freund hatte. Aber es war für sie Beide eine lehrreiche Herausforderung gewesen, sich außerhalb ihrer Komfortzone zu bewegen und in einem so gut funktionierenden Team wie diesem hier zu arbeiten.

„Wie sieht es bei dir aus?“

Lyon erschauderte, als sich ein warmer Körper neben seinen drängte. Aus dem Augenwinkel sah er noch, wie sich Lucys finstere Miene für ein amüsiertes Lächeln erhellte, als sie kurz zu ihm herüber sah, dann drehte er den Kopf zur Seite und sah zu Lisanna hoch.

Ihre Verwandtschaft zu Mirajane war unübersehbar. Sie hatte dieselbe tiefblaue Augenfarbe und ihre Haare waren genauso schneeweiß wie die der Chefredakteurin. Aber sie war etwas kleiner und zierlicher, ihre Glieder sehnig und kräftiger, als man es ihnen jemals zutrauen würde, wie Lyon bereits wusste. Während Mirajane eher der elegante Frauenschlag war, war Lisanna mit ihren zu zwei winzigen Zöpfen zusammen gebundenen Haare, dem schlichten Top und den Röhrenjeans eindeutig der sportliche Typ. Nicht unbedingt das, was man als Fotografin und Persönliche Assistentin der Chefredakteurin eines Modemagazins erwarten würde. Aber Lisanna hielt auch nicht hinterm Berg damit, dass sie hier nur vorübergehend war, um Geld für eine Weltreise anzusparen.

„Fast fertig“, antwortete Lyon und wandte sich wieder dem Laptop zu. „Ich muss mich noch bei den Bildern entscheiden.“

Er deutete auf zwei Bildstreifen, die sich jeweils quer über die beiden Doppelseite zogen, die ihm zur Verfügung gestellt worden waren. Jeder Streifen enthielt zehn kleine Bilder, welche die unterschiedlichen Formen von Kopfbedeckungen in den letzten fünfzig Jahren zeigten. Sherry, die Kolumnistin des Take Over und eine der Interviewerinnen, und Jenny, die Webdesignerin des Magazins und die Zuständige für die Inserate, waren die Models auf den Bildern, die von Lisanna geschossen worden waren.

„Ich habe schon festgelegt, was für Modelle ich nehme, aber bei den Beiden hier schwanke ich noch, welches Foto ich jeweils nehmen soll.“

Gemeint waren die Bilder für den Beanie und die für den eleganten Damenhut. Letzterer war weiß und bildete einen schönen Kontrast zu Sherrys pinken Haaren. Die Beanies, die beide Models trugen, waren schwarz, einer mit einer pinken Rosette, einer mit einer goldenen.

„Hm…“

Mit grüblerischer Miene zog Lisanna einen der Bürostühle zu sich heran und setzte sich so nahe neben Lyon, dass ihre Knie einander berührten. Es schien ihr entweder gar nicht aufzufallen oder sie nicht zu stören, dass jeder im Umkreis amüsiert grinste, als er das sah. Lyon für seinen Teil ignorierte es. Hier konnte ihn ohnehin niemand so sehr nerven wie sein Halbbruder, wenn der erfahren sollte, dass Lyon Interesse an einer Frau zeigte – als ob Gray so viel besser war, der es auch nach über einem Jahr noch nicht geschafft hatte, sich einzugestehen, dass das zwischen ihm und Cana mehr war als nur eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen.

„Also das mit dem Damenhut würde ich ruhig mit diesem Bild hier machen“, erklärte Lisanna schließlich und fügte ein Foto aus der Auswahl in die Doppelseite ein, auf dem Sherry den Hut etwas tiefer ins Gesicht gezogen hatte, eine Hand noch an der Krempe, die vollen Haare zu einem aufgezupften Fischgrätenzopf geflochten, der auf der linken Schulter ruhte, der Kopf schräg gelegt, auf den Lippen ein kokettes Lächeln. „Das Bild kann ruhig zeigen, dass der Damenhut wieder in Mode kommt, wir haben uns ja extra gegen historische Bilder entschieden, da müssen wir es nicht krampfhaft auf Elegant machen.“

„Guter Punkt“, stimmte Lyon ruhig zu und sparte es sich, aufzuzeigen, dass er sich nie damit beschäftigt hatte, ob der Damenhut wieder in Mode kam oder nicht. Was ihn selbst betraf, legte er Wert auf ein gepflegtes und stilvolles Auftreten und er wusste, dass er deswegen zuweilen als eitler Pfau bezeichnet wurde. Aber er hatte sich nie darum geschert, wie sich Andere kleideten.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, warf Lisanna ihm kurz ein freches Grinsen zu, ehe sie sich den Beanie-Bildern zuwandte und eines auswählte, auf dem Sherry und Jenny Rücken an Rücken standen, ihre Hinterköpfe aneinander gelehnt und ihre dem Betrachter zugewandten Hände miteinander verflochten.

„Das hat nicht zu meiner engeren Wahl gehört“, gestand Lyon überrascht.

„Wieso? Weil es nebenbei auch zugibt, dass die Beiden lesbisch sind?“, fragte Lisanna und zuckte ungerührt mit den Schultern. „Jenny und Sherry stehen dazu, sie haben sich Beide schon geoutet, bevor sie einander hier kennen gelernt haben. Ich war damals sogar dabei, als Jenny auf dem Schulabschlussfoto einfach ihre damals noch heimliche Freundin geküsst hat. Da wurde vielleicht ein Trubel drum gemacht.“ Die Weißhaarige verdrehte die Augen.

„Ich habe selbst lesbische Freundinnen, das meinte ich also nicht“, erklärte Lyon ruhig. „Ich denke nur, dass es die Beanies zu klein darstellt. Von der Pose her gefällt es mir auch am besten, aber wenn es in den Streifen eingefügt wird, kann das ganze Bild nicht wirken.“

„Da ist was dran“, murmelte Lisanna und griff wieder nach der Maus, um einige Einstellungen zu verändern. Schließlich war das Bild so ausgeschnitten, dass es nur noch bis zu den Brüsten der beiden jungen Frauen reichte, und dann noch mal etwas heran gezoomt, sodass die Beanies richtig zur Geltung kamen. Auf diese Weise fügte es sich wunderbar in den Streifen ein.

„Das passt perfekt. Gute Idee“, seufzte Lyon mit einem dankbaren Lächeln.

„Dein Einwand war gut“, erwiderte Lisanna und warf Lyon dabei einen offenherzigen Blick zu. „Man muss es ja nicht immer heraus posaunen, was man für eine andere Person empfindet.“

„Wie wahr“, schmunzelte Lyon und widerstand nur deshalb dem Drang, nach Lisannas zierlicher Hand zu greifen, weil er viel zu müde für einen anständigen Flirt war. Eine Frau von Lisannas Format hatte keine halbherzigen Sachen verdient. Und es gab keinen Grund, es zu überstürzen.

Als Lisanna ihre Hand fortzog, griff Lyon wieder nach der Maus, speicherte die Datei vorsichtshalber und ließ sie dann drucken. Am anderen Ende des Raums begann einer der Drucker zu rattern und Lyon stand auf, um die Blätter zu holen und zu Mirajane hinüber bringen zu können.

Doch noch bevor er den ersten Schritt machen konnte, spürte er Lisannas Hände auf seinen Schultern. Mit einem überraschend kräftigen Griff, der einmal mehr verriet, dass sie regelmäßig Sport trieb, drückte sie ihn wieder zurück auf seinen Stuhl.

„Setz’ dich. Ich hole es“, erklärte sie mit diesem energiegeladenen Funkeln in den schönen Augen.

Für einen Moment verharrten ihre Finger auf Lyons Schultern, drückten noch einmal sanfter zu, und auf ihren Lippen lag eine besondere Art von Lächeln, erwartungsfroh und ohne jede Scheu. Sie hielt sich offensichtlich nicht an Subtilitäten auf. Ein sehr anziehender Charakterzug.

Ehe Lyon einen Dank formulieren konnte, setzte die junge Frau sich auch schon in Bewegung, ihre Schritte noch immer federnd, als wäre sie nicht schon seit vielen Stunden hier. Ihre Energie schien unerschöpflich zu sein.

Lächelnd stützte Lyon sein Kinn mit einer Hand ab und beobachtete Lisanna. Trotz seiner Müdigkeit fragte er sich bereits, wohin er die Weißhaarige auf ein Date einladen sollte – denn so lange herum zu hampeln wie sein Halbbruder, kam definitiv nicht für ihn in Frage und ganz offensichtlich auch nicht für Lisanna.

54. “I made reservations.” (JudeLayla)

Als die Hunde ihres Bruders anschlugen, wurde Laylas Aufmerksamkeit von Zekua Melons neustem Meisterwerk fort gerissen und sie hob den Blick, um zu erkennen, wer sich in den hinteren Garten der kleinen Stadtvilla verirrt hatte, die seit drei Generationen der Familie Eucliffe gehörte.

Der Besucher war Jude, das dunkelblonde Haar streng wie immer zurück gekämmt und mit Haargel in Form gehalten, der Schnurbart, der normalerweise nicht zu einem Vierundzwanzigjährigen passen würde, perfekt gestutzt, der Anzug saß bis auf die letzte Falte korrekt und die Haltung war mustergütig gerade, davon hätte man sich wahrscheinlich sogar beim Militär eine Scheibe abschneiden können. Die Soldaten zumindest, die Layla kennen gelernt hatte, als ihr Bruder sein Wehrpflichtjahr absolviert hatte, waren nicht einmal ansatzweise so diszipliniert gewesen.

Es bot ein amüsantes Bild, wie Jude versuchte, mit so viel Würde wie möglich über den etwas zu hohen Rasen hinüber zu der Picknickdecke zu kommen, die Layla sich unter der großen Kastanie ausgebreitet hatte, ohne dabei auf einen der fünf Hunde zu treten, die sich um ihn drängten und um Aufmerksamkeit buhlten. Insbesondere Little Foot, den jungen Dobermannrüden, beäugte Jude mit einer gehörigen Menge Respekt und seine Hände pressten sich an seine Hosenbeine, weil Tetris und Pac-Man, die trotz ihres fortgeschrittenen Alters immer noch quirligen Labradore, immer wieder nach seinen Händen haschten, um gestreichelt zu werden. Keiner der Vierbeiner bedrohte Jude, sie alle kannten ihn bereits – insbesondere Tetris und Pac-Man – und freuten sich darüber, noch jemanden da zu haben, der ihnen Aufmerksamkeit schenken konnte. Jude allerdings war heute wie damals sehr unbeholfen im Umgang mit den anhänglichen Hunden, die in ihrer Ausdrucksfähigkeit einen so großen Kontrast zu ihm darstellten.

Auf viele – eigentlich auf so gut wie alle, wenn man mal ehrlich war – wirkte Jude steif und unnahbar. Seit sie vor fünf Jahren eingewilligt hatte, Jude zum Abschlussball zu begleiten, hatte Layla sich schon unzählige Male anhören müssen, dass der schnöselige und verstockte Millionenerbe überhaupt nicht zu jemanden wir ihr passte, die immer kreativ und ausdrucksstark und lebendig war. Er sähe ja nicht einmal gut aus und Layla hätte sein Geld doch gar nicht nötig…

Doch Layla musste beim Anblick des jungen Mannes lächeln und richtete sich auf, der vorher so spannende Roman völlig vergessen, um ihn zu begrüßen. Auch nach fünf Jahren noch flatterte ihr Herz wie ein junger Vogel aufgeregt in ihrer Brust, kaum dass ihr Blick den Judes begegnete. Um seine Lippen spielte dieses besondere Lächeln, das all den oberflächlichen Leuten nur allzu leicht entging, aber Layla sah es und sie wusste, dass es ganz alleine ihr gehörte.

„Hallo Jude“, begrüßte sie ihn sanft und trat durch die Hundemeute hindurch auf ihn zu, um sich zu strecken und sein Gesicht in beide Hände zu nehmen. Unter ihren Fingern spürte sie, wie seine Wangen zuckten, als sein Lächeln stärker wurde.

Statt auf die steife Art zu antworten, die ihm sein gestrenges Elternhaus regelrecht eingeimpft hatte, beugte er sich zu ihr herunter und küsste sie. Nur ganz behutsam – natürlich war ihm nicht entgangen, dass Laylas Bruder es sich ein paar Meter weiter in der Hängematte bequem gemacht hatte –, aber es genügte, um Layla weiche Knie zu bescheren.

„Ich habe uns für heute Abend einen Tisch reserviert“, sagte Jude schließlich und hob eine Hand, um eine Strähne hinter Laylas Ohr zu streichen.

„Das hättest du mir doch auch am Telefon mitteilen können“, schmunzelte Layla ahnungsvoll.

„Ich war gerade in der Gegend und wollte es dir persönlich sagen“, erwiderte Jude mit betonter Beiläufigkeit, die Layla alles verriet, was sie wissen musste.

Anstatt ihn zu entlarven, streckte sie sich, um einen weiteren Kuss zu erhaschen. „Zur üblichen Zeit am üblichen Ort?“, fragte sie flüsternd in einem Versuch, ihre Vorfreude im Zaum zu halten.

Zur Antwort nickte Jude und dann trat ein seltsamer Ausdruck in seine Augen. Als hätte er einen wichtigen Entschluss gefasst. Regelrecht grimmig wirkte er und seine Hand glitt in seine rechte Anzugjackentasche, aber bevor er auch nur einen Ton heraus bringen konnte, erklang in der linken Tasche ein penetrantes Piepen.

Seine dichten Augenbrauen zogen sich zusammen, als er den kleinen Pieper hervor holte und den Code auf dem kleinen Digitaldisplay las. Soweit Layla es mittlerweile entziffern konnte, bezog sich ein Teil davon auf Lager 5 – das größte Lager der Heartfilia Corp. hier in Crocus, das sich jedoch im Industrieviertel und damit am anderen Ende der Stadt befand. Der Rest des Codes stand vielleicht für einen Termin oder eine Havarie oder doch für etwas ganz anderes. Jude war nie sehr erbaut darüber gewesen, diesen Pieper immer in der Tasche haben zu müssen, deshalb hatte Layla ihre ruhigen gemeinsamen Momente nie mit diesem Thema belasten wollen.

„Ich muss los“, erklärte Jude mit einem Hauch von Unwillen in der Stimme, neigte sich erneut nach vorn und küsste Layla wieder – dieses Mal mit einem Hauch mehr Nachdruck, als wollte er eine bleibende Erinnerung hinterlassen. Als ob er das nicht auch so schon tat.

„Bis heute Abend“, erwiderte Layla sanft und trat schließlich zurück.

Als Jude sich umwandte und Weißlogia, der zum Gruß die Hand hob, zunickte, scharten sich die Hunde sofort wieder um ihn, aber ein einziger Pfiff von Weißlogia rief sie zur Ordnung. Artig trotteten sie zur Hängematte, aus welcher der ausgebildete Hundetrainer sich nun erhob, um dem Freund seiner jüngeren Schwester hinterher zu blicken.

„Also weißt du, Lay“, sagte Weißlogia gedehnt, während Jude um die Ecke der Villa verschwand, und kratzte Little Foot hinterm Ohr. „Jedes Mal, wenn er so etwas macht, frage ich mich, wann er endlich den Ring hervor holt. Den hat er sicher schon ein Jahr in der Tasche.“

Layla versuchte, bei diesen unverblümten Worten nicht zu erröten. Sie mochte länger als ihr Bruder gebraucht haben, um es zu bemerken, aber auch sie wusste schon längst, was Jude ihr sagen wollte. Allerdings hatte sie für sich entschieden, es ihm nicht vorweg zu nehmen und geduldig abzuwarten. Jude sollte es dann sagen können, wenn er sich dafür bereit fühlte. Und dieses Mal hätte er es sogar beinahe geschafft, wenn der Pieper ihn nicht gestört hätte. Er machte Fortschritte.

„Nicht jeder handhabt das so wie du und Violet“, erwiderte Layla spitz und ihr Blick huschte zu dem zusammen gefalteten Ultraschallbild, das aus der Brusttasche von Weißlogias Hemd herausragte.

Zur Antwort zog ihr Bruder nur milde amüsiert die Schultern hoch und lehnte sich wieder in der Hängematte zurück. Man hatte ihn noch nie damit aufziehen können, dass er sich in seine Kindheitsfreundin verliebt hatte. Nicht einmal die Aussicht, in sechs Monaten Vater zu werden, machte ihn nervös.

Kopf schüttelnd ließ Layla sich wieder auf ihrer Picknickdecke nieder und nahm ihr Buch wieder auf, aber statt zu lesen, lächelte sie versonnen vor sich hin und dachte voller Vorfreude daran, dass sie heute wieder einen schönen Abend mit Jude verbringen würde.

55. “I don’t mind.” (MariRandi)

Es überraschte Brandish nicht, das The Spriggan’s Lair zu betreten und von einem widerlichen Alkoholdunst begrüßt zu werden – wenn man das überhaupt eine Begrüßung nennen konnte, denn eigentlich nahm niemand Notiz von Brandishs Ankunft. Die jungen Erwachsenen in der hinteren Ecke der Bar, welche die Öffnungszeit überstrapazierten, waren zu einem Großteil viel zu weggetreten, um Brandish überhaupt zu bemerken.

Und natürlich gehörte Dimaria zu ihnen. Sie klammerte sich an eine Bierflasche und lallte Rakheid über den Tisch hinweg an, der mit glasigen Augen auf das Schnapsglas in seiner Hand hinunter starrte. Nicht das erste, das er in dieser Nacht leerte, wie eine beeindruckende Zahl umgedrehter Schnapsgläser bewies, die er in Form einer Raute arrangiert hatte.

Was genau Dimaria da von sich gab, war eigentlich gar nicht mehr als Fiorianisch zu erkennen. Zwischendurch waren mal die Worte Mutter, vorbei und vergessen heraus zu hören. Das genügte Brandish, um zu verstehen, was ihre Freundin höchst wahrscheinlich schon den ganzen Abend über von sich gab, seit der Alkohol ihre Zunge gelockert hatte. Dimaria war kein schlechter Mensch, aber sie war absolut taktlos.

Rakheid schien das jedoch dankend anzunehmen. Dimarias Taktlosigkeiten, der Alkohol und die dummen Possen von Ajeel, der nun jedoch an der Stirnseite des Tisches saß, den Kopf auf der Platte abgelegt hatte und leise schnarchte, schienen seine Methode zu sein, um seine Gedanken und Gefühle zu betäuben. Das war ihm anscheinend lieber, als auf seine Schwestern zu hören und sich mit seinem Verlust auseinander zu setzen. Vollidiot.

Brandish ließ kurz den Blick über die anderen Mitglieder die Runde schweifen, die sie nicht so gut kannte wie ihre alten Schulfreunde. Wahl war ein Kommilitone von Rakheids und wirkte noch erstaunlich nüchtern, während er auf einem Bierdeckel irgendwelche Formeln kritzelte, auch wenn er im Gegensatz zu sonst nicht wirklich etwas von seiner Umgebung mitbekam. Serena, der sich selbst so gerne als God Serena vorstellte und glaubte, alle Frauen einwickeln zu können – wenn sie nicht vorher schon lesbisch gewesen wäre, wäre Serena für Brandish wohl der ausschlaggebende Grunde gewesen – war von der Bank gerutscht und kuschelte mit seinen eigenen Beinen, während er seine höchst wahrscheinlich fiktiven Sexgeschichten deklamierte. Marin wippte auf seinem Stuhl vor und zurück und kicherte albern vor sich hin, während er sich an eine fast leere Wodkaflasche klammerte und von Zeit zu Zeit hinein blies, um einen tiefen Ton zu erzeugen.

Wie genau Serena und Marin in den Kreis um Rakheid hinein geraten waren, wusste Brandish nicht, aber sie waren auf alle Fälle einer der Gründe, warum sie sich nie an den Orgien beteiligte, die neuerdings viel zu regelmäßig stattfanden.

So nervig und eklig und gruselig diese neuen Gesellen in Rakheids Ich-habe-keine-Lust-mich-mit-meinen-Problemen-auseinander-zu-setzen-und-saufe-mir-lieber-das-Hirn-weg-Gruppe auch waren, der schlimmste von allen war der junge Mann mit den violetten Haaren und schwarzen Augen, der an der anderen Stirnseite saß und an seinem Wein nippte, während er das Geschehen beobachtete. Man sollte nicht meinen, dass er in seinem so gesammelten Zustand wirklich schon seit Beginn der Orgie dabei war, aber Brandish wusste es schon längst besser. Immerhin beklagte Dimaria sich im Nachhinein jedes einzelne Mal bei ihr über den BWL-Studenten mit der eleganten Attitüde und dem schmierigen Lächeln.

Auch jetzt lächelte er überheblich und hob sein Weinglas, um Brandish zu begrüßen, die er natürlich als erster bemerkt hatte. Wie auch bei all den vorherigen Orgien behielt Brandish ihre Abneigung und ihr Misstrauen für sich und ignorierte den Gleichaltrigen einfach, um stattdessen neben Dimaria zu treten und dieser auf die Schulter zu klopfen.

„Mari, wir gehen“, erklärte sie ruhig.

„Randi!“, hickste Dimaria und ließ von ihrer Kuschelrunde mit der Bierflasche auf, um zu ihr aufzublicken. Ihre Augen waren blutunterlaufen und ihre Wangen gerötet. Ihre Alkoholfahne war geradezu übelkeiterregend. „Bussibussi!“

„Nein!“, schnappte Brandish schroff und ignorierte Serenas jaulendes Lachen und Marins hysterisches Kichern. Wahrscheinlich hatten die Beigen nicht einmal wirklich gehört, was Dimaria gesagt hatte. Und selbst wenn doch, würden sie sich morgen früh – oder wann auch immer sie wieder halbwegs ansprechbar sein würden – nicht daran erinnern.

„Du hattest heute genug, Mari.“

„Mennooooo.“

Noch während sie versuchte, sich in die Höhe zu stemmen, zog Dimaria das O weiter lang. Sie brach im Grunde erst ab, als sie mit ihrer Hand neben die Tischkante griff und nach links weg kippte. Wahrscheinlich wäre sie zu Boden gestürzt, wenn Brandish sie nicht aufgefangen hätte.

Seufzend legte Brandish sich Dimarias linken Arm um die Schultern und hielt ihn mit der linken Hand dort fest, während sie den rechten Arm um die Taille der Anderen schlang. So gestützt, torkelte Dimaria neben ihr her in Richtung des Ausgangs. Brandish hielt sich nicht daran auf, Rakheid auszurichten, dass seine Schwestern sich um ihn sorgten, oder die Zeche ihrer Freundin zu bezahlen. Wenn Rakheid schon auf diesem dämlichen Trip war und seine Freunde da mit hinein zog, konnte er auch dafür blechen.

Als sie endlich an der frischen Luft waren, atmete Brandish erleichtert aus. Sie wusste, dass es eigentlich nicht fair war, Rakheid zu verurteilen, immerhin hatte sie vor einigen Jahren genau dasselbe wie er durchgemacht, aber weil sie mit seiner jüngeren Schwester befreundet war und sah, wie sehr diese unter seinem Verhalten litt, und weil er Dimaria korrumpierte, nahm sie es ihm doch übel. Sie war nicht mehr bereit, ihm zu helfen, solange er so drauf war. Sollte er sich den Ärger, der irgendwann auf all das hier folgen würde, selbst vom Hals halten.

Insbesondere Dimarias wegen war Brandish wütend. Ihre Freundin war in der Hinsicht leider schon immer leicht zu beeinflussen gewesen, hatte sich andauernd auf Partys schleppen lassen, machte bei allen möglichen Ärger mit, brachte sich immer wieder in Schwierigkeiten. Dimaria fehlte dafür irgendwie ein Filter im Kopf oder so, der sie von Blödsinn abhielt. Deshalb musste man auf sie aufpassen.

„Randiiiiii…“ Die Grünhaarige unterdrückte ein Seufzen und wartete darauf, bis es ihrer Freundin zu langweilig wurde, das I lang zu ziehen, während sie sie durch die verwaisten Straßen bugsierte. Schließlich schnappte Dimaria nach Luft und schielte ihre Freundin unsicher an. „Bissuböse?“, nuschelte sie.

Das war eine gute Frage. War sie böse? Solange sie denken konnte, musste sie sich schon um Dimaria kümmern, hatte unzählige Male für sie gelogen und sie sogar zweimal vor der Polizei gedeckt. Wenn ihr Großvater davon wüsste – immerhin einer der angesehensten Juraprofessoren des Landes –, würde sie wohl ihres Lebens nicht mehr froh werden. Es machte vieles für Brandish schwierig, mitunter sogar richtig lästig. Andauernd hierher zu kommen und Dimaria einzusammeln, ihre Kotze weg zu wischen, ihre Launen am Morgen danach zu ertragen…

Ohne Dimaria wäre Brandishs Leben wesentlich einfacher und angenehmer. Sie hätte wieder einen normalen Schlafrhythmus, könnte in Ruhe studieren, müsste sich nicht mit unangenehmen Leuten auseinander setzen.

Diesen Gedanken hatte sie schon oft genug gehegt. Auch heute Abend hatte sie wieder darüber nachgedacht, als sie beobachtet hatte, wie Dimaria mit den Anderen aufgebrochen war. Und dennoch hatte sie sich einen Handywecker gestellt, um Dimaria spätestens um Ein Uhr morgens abzuholen. Egal wie oft sie von Dimaria genervt war, letztendlich half sie ihr doch jedes Mal ganz automatisch. Sie konnte einfach nicht anders.

„Nein“, antwortete sie leise und zog ein wenig kräftiger an Dimarias linken Arm, um dann mit der rechten Hand nachgreifen zu können, damit ihre Freundin ihr nicht entglitt. „Es macht mir nichts aus.“

56. “It brings out your eyes.” (Rerry)

Auf dem Flohmarkt vor der Kardia Kathedrale herrschte trotz der hochsommerlichen Temperaturen ein dichter Menschenauflauf. Vielleicht war es die Folge eines kollektiven Hitzschlags, aber die Leute waren wie im Kaufrausch, drängten sich um die Stände und feilschten lautstark.

Für Sherry und Jenny war es der reinste Glücksfall.

Letzte Woche noch hatten sie angesichts der erbarmungslosen Wetterprognosen mit sich gehadert, ob sie die Standgebühren wieder rein kriegen würden. Lohnte es sich da wirklich, ihren einzigen freien Tag in der Woche damit auf den Kopf zu hauen, in der Sonne zu schmoren?

Jetzt war Sherry froh, dass sie sich für das Wagnis entschieden hatten. Sie machten so ein gutes Geschäft mit dem Verkauf ihrer Sachen, dass Jenny sogar noch mal zu Laden hatte gehen müssen, um eine weitere Kiste aus dem Lager zu holen. Das hieß zwar, dass sie in der nächsten Woche viel in ihrer kleinen Werkstatt im Hinterzimmer des Ladens zu tun haben würden, aber das war es wert, wenn sie dadurch so gute Werbung machen konnten.

Sie steckten mit ihrem Geschäft immer noch in den Kinderschuhen und schafften es zurzeit immer nur gerade so, schwarze Zahlen zu schreiben. Das war zu erwarten gewesen und sie hatten genug Rücklagen, sodass kein Grund zur Panik bestand, aber wenn Sherry an die Einnahmen von heute dachte, war sie doch sehr beruhigt.

Immerhin hatte ihre Großmutter, die selbst genügend Erfahrung als Ladeninhaberin hatte, sie davor gewarnt, dass die meisten Leute heutzutage lieber nur die billigen Massenproduktionssets kauften als handgefertigte und daher sehr viel preisintensivere Töpferwaren. Solche Unikate kauften die Leute höchstens als Geschenk oder, um modische Akzente in der Inneneinrichtung zu setzen. Zum Glück schien es sehr viel mehr solcher Kunden zu geben, als Sherrys Großmutter prophezeit hatte.

Mit einem erleichterten Seufzer ließ Sherry sich in einer kurzen Verschnaufpause auf ihren Campingstuhl fallen und klappte den Deckel des Kühlkoffers auf, den sie beim Standaufbau unter den Tisch gestellt hatte, damit sie und Jenny den Tag über kühle Getränke zur Verfügung hatten. Ihr Himbeerjoghurt und eine Tafel weißer Schokolade lächelten ihr auch noch aus dem Kühlkoffer entgegen, aber das würde sie sich erst gönnen, wenn Jenny mit den Sachen aus dem Lager zurück war. Fürs Erste begnügte sie sich mit mehreren großen Schlucken Pfirsicheistee.

„So wie es aussieht, habt ihr heute ein richtig gutes Geschäft gemacht.“

In ihrer Eile, die Flasche wieder abzusetzen, verschluckte Sherry sich beinahe. Sie versuchte, möglichst würdevoll und damenhaft zu husten, ehe sie die Flasche zuschraubte und betont gelassen den Blick zu den beiden Männern anhob, die vor ihrem Tisch standen.

Hibiki und Ren sahen aus, als wären sie einem Modemagazin entsprungen. Oder als befänden sie sich noch mitten in einem Fotoshooting. Es bestand wohl kein Zweifel daran, dass die Beiden sich der Aufmerksamkeit der vielen Frauen um sie herum sehr wohl bewusst waren. Dabei ließ sich weder bei Hibiki noch bei Ren sagen, dass sie aussahen, als hätten sie sich großartig heraus geputzt – wobei sie selbst dann nicht so aussahen, wenn sie es wirklich gemacht hatten. Wahrscheinlich hatte ihr Job als Gelegenheitsmodels bereits abgefärbt, mit dem sie sich das Startkapital für eine eigene Zeitung zusammen sparen wollten.

„Hallo Sherry“, grüßte Ren mit diesem charmanten Lächeln, das die Pinkhaarige immer so aus der Fassung brachte.

Eigentlich war sie gar nicht schüchtern oder zurückhaltend – wenn auch nicht so offensiv wie Jenny, die, auch wenn sie eher unromantisch veranlagt war, keinen Hehl daraus machte, was sie von Hibiki wollte. Allerdings hatte sie auch noch nie solch ein Herzflattern gehabt wie jetzt bei Ren.

Außerdem kannte sie ihn auch erst seit den paar Monaten, seit sie mit Jenny in deren Heimatstadt gezogen war, um dort den Laden zu eröffnen. Er und Hibiki waren alte Schulfreunde der Blondine und während ihrer gemeinsamen Ausbildungszeit in Margaret hatte Sherry viel von Jenny über die Beiden gehört. Sie war vor dem ersten Treffen wirklich gespannt gewesen, wie die Beiden wohl so waren. Worauf sie nicht gefasst gewesen war, war, dass sie sich auf den ersten Blick in Ren verknallte.

„Hallo“, hauchte sie atemlos und war unwillkürlich heilfroh, dass ihr alter Schulfreund Yuka nicht hier war.

Während Tobys Leitung viel zu lang wäre, um zu begreifen, was hier vor sich ging, und Lyon sich höflich zurückhalten würde, könnte Yuka sich den einen oder anderen Kommentar wohl nicht verkneifen. Das hatte Sherry damals ja gesehen, als Lyon sich in eine Rucksacktouristin verguckt und tatsächlich mal seine Coolness eingebüßt hatte.

In einem Versuch, ihr letztes Bisschen Würde zu bewahren, wandte Sherry sich an Hibiki. „J-ja, es läuft überraschend gut. Jenny ist noch mal zum Laden gegangen, um Nachschub aus dem Lager zu holen. Wir wollen unsere Glückssträhne voll ausnutzen.“

„Guter Plan“, stimmte Hibiki mit einem beifälligen Nicken zu. „Ich gehe Jenny entgegen und schaue, ob ich ihr beim Tragen helfen kann.“

Ohne Sherry Zeit für einen Protest zu geben – er konnte sie doch nicht mit Ren alleine lassen! –, machte Hibiki sich auf dem Weg. Dabei war Jenny absolut nicht der Typ Frau, der auf solche Kavaliersgesten stand, aber wahrscheinlich war das gerade ein Grund für Hibiki, es dennoch zu tun. So ganz verstand Sherry immer noch nicht, wie die Beziehung der Beiden funktionierte.

Langsam drehte Sherry sich wieder Ren zu. Er blickte seinem Freund mit einem Stirnrunzeln hinterher, das sie nicht wirklich zu deuten wusste. Doch selbst das stand ihm und sein Profil hatte etwas sehr Edles. Auf einmal wurde Sherry sich überdeutlich bewusst, um wie vieles niedriger man mit so einem Campingstuhl saß als mit einem normalen Stuhl. Sie machte Anstalten, sich in die Höhe zu stemmen, aber Ren wandte sich ihr rasch zu und winkte lächelnd ab, ehe er um den Stand herum trat, um Jennys verlassenen Campingstuhl zu okkupieren. Irgendwie schaffte er es dabei, in diesem albernen Stuhl so elegant auszusehen, als säße er auf einem Thron.

„Bleib’ ruhig sitzen. Du bist schon seit Stunden auf den Beinen und das bei dem Wetter. Gönn’ dir eine Pause.“

„O-okay“, murmelte Sherry und faltete ihre Hände in ihrem Schoß, um nicht nervös mit ihren Fingern herum zu spielen.

Insgeheim ärgerte sie sich über ihre Hemmungen. Als sie damals für ein paar Monate mit Lyon ausgegangen war, war sie nicht so schüchtern gewesen. Und auch bei den Flirts mit diversen Touristen in Margaret hatte sie nie Probleme gehabt. Aber etwas an Ren brachte sie ständig aus der Fassung. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und wenn sie mal in Rens braune Augen blickte, wurde ihr abwechselnd heiß und kalt.

Als sie es endlich wagte, den Blick zu heben, bemerkte sie, dass Ren sie intensiv musterte. Irgendwie wirkte er seltsam auf sie. Als würde er mit sich selbst ringen. Seine sonstige Souveränität fehlte, aber irgendwie machte ihn das fast noch anziehender.

„Deine Kette…“

Verwirrt hob Sherry den kleinen, tränenförmigen Lapislazuli an, der an einer feingliedrigen Silberkette an ihrem Hals hing. Es war kein besonders großer Stein, aber er war ein Erbstück ihrer Familie. Bevor sie umgezogen war, um mit Jenny ihren Laden zu eröffnen, hatte ihre Großmutter ihn ihr geschenkt – ihre Art, ihr Glück zu wünschen.

„Was ist damit?“, fragte Sherry unsicher.

Für einen Moment schien Ren schon wieder mit sich zu hadern. Er strich sich so durch die Haare, dass sie eben nicht durcheinander gerieten, eine Bewegung, die ihm wohl schon in Fleisch und Blut übergegangen war, die jetzt jedoch fast wie ein Verteidigungsreflex wirkte. Als er schließlich sprach, klang er fast ein wenig verlegen.

„Der Stein bringt deine Augen gut zur Geltung.“

In Sherrys Ohren begann es zu rauschen. Ren hatte ihr schon viele Komplimente gemacht – um genau zu sein, hatte er sie beim Kennenlernen sogar mit einem Kompliment begrüßt –, aber irgendetwas war dieses Mal anders. Irgendetwas an diesem Kompliment brachte sie richtig aus der Fassung und ließ ihr Herz so heftig klopfen, dass es fast schon weh tat. Und sie wollte es Ren sagen, wollte fragen, was das zu bedeuten hatte, wollte-

„Puh! Grässliches Wetter!“

Mit einem Ächzen stützte Jenny die Kiste auf einer freien Ecke des Tisches ab und schüttelte nacheinander beide Hände aus, ehe sie Ren bedeutete, Platz zu machen. Schnell sprang er vom Campingstuhl auf und zog ihn beiseite, damit Jenny die Kiste unter den Tisch stellen konnte, wo Sherry und Jenny schnell rein greifen konnten, wenn sie Nachschub brauchten, ohne dass sie im Weg herum stand.

„W-wollte Hibiki dir nicht entgegen kommen?“, fragte Sherry, ernüchtert und enttäuscht darüber, dass die Stimmung verpufft war.

„Ich war sowieso schon fast am Markt“, erwiderte Jenny und verdrehte die Augen, ehe sie frech grinste. „Ich habe ihn losgeschickt, um Eis für uns zu holen.“

„Gute Idee“, murmelte Sherry und bückte sich, um ein paar Schalen auszupacken und auf den Tisch zu stellen.

Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Ren sie beobachtete. Sie könnte es sich auch einbilden, aber es kam ihr so vor, als wäre er auch enttäuscht über die verpatzte Gelegenheit.

58. “You don’t have to say anything.” (Baccana)

Mit einem besorgten Stirnrunzeln beobachtete Cana ihren alten Schulfreund Loke, als er in das Taxis stieg, das sie ihm gerufen hatte. Seine Augen waren blutunterlaufen und unfokussiert, seine sonst so sorgfältig arrangierten Haare wirr, die Schultern herunter gesackt. In all den Jahren, die Cana den gelernten Koch schon kannte, hatte er sich kein einziges Mal derartig gehen lassen.

„Haben Sie bitte ein Auge auf ihn, bis er in der Wohnung ist?“, wandte sie sich wieder an den Taxifahrer, der seinen Gast gleichgültig durch den Rückspiegel beobachtet hatte. Wahrscheinlich war der Mann schon viel Schlimmeres gewohnt. Dennoch ging Cana sicher, ihm eine ausreichend große Summe zu zustecken, damit sowohl die Fahrtkosten gedeckt waren, als auch ein ordentliches Trinkgeld für den Extraservice übrig blieb. Das war das Mindeste, was sie für Loke tun konnte, wenn sie schon nichts an seiner beschissenen Situation ändern konnte.

Der Taxifahrer – eindeutig nicht der Gesprächigste seines Berufstandes – nickte knapp und nahm das Geld entgegen, ohne es zu zählen. Höchst wahrscheinlich hatte Cana ihm sogar viel zu viel gegeben, aber das war ihr egal. Ihr schlechtes Gewissen, weil sie sich aufgrund Personalmangels nicht von der Arbeit loseisen konnte, um Loke persönlich nach Hause zu begleiten, wog eindeutig schwerer.

Sie trat zurück und schob die Hände in die Hosentaschen, während sie verfolgte, wie das Taxi sich in den Verkehr einfädelte, und sich, gelinde gesagt, beschissen fühlte.

Im Grunde war diese Situation absehbar gewesen. Für Cana zumindest hatte es sich schon seit längerer Zeit angedeutet und vor einigen Wochen war es sogar Loke selbst klar geworden, dass er in eine andere Frau als seine Freundin verliebt war – von der er sich aber nicht einfach so trennen wollte, weil es ihr so schlecht ging und er ihr nicht noch mehr weh tun wollte. Es war eine absolut verkorkste Dreiecksgeschichte, die eigentlich keine sein müsste.

Als das Taxi bei der nächsten Kreuzung um die Ecke gebogen und damit aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, drehte Cana sich herum und ging zurück ins Quattro Cerberus. Die Kneipe war vollgestopft mit lärmenden Soldaten, die an ihrem freien Abend einen drauf machten.

In einer Ecke verursachte eine kleine Gruppe Stammgäste heute besonders viel Lärm. Da wurde ein Junggesellenabschied gefeiert und normalerweise wäre Cana trotz des Trubels wenigstens einmal rüber gegangen, um mit alkoholfreiem Bier anzustoßen, immerhin kannte sie die Jungs schon seit einigen Jahren. Aber heute war sie definitiv nicht in der Stimmung dafür. Der Bräutigam würde es ihr schon verzeihen.

Auf dem Weg zur Bar wurden ihr ein halbes Dutzend Bestellungen zugerufen, an die sie sich gleich machte, kaum dass sie ihr Ziel erreicht hatte. Es war ihr sogar lieber, jetzt viel zu tun zu haben. Das würde sie hoffentlich etwas ablenken.

Zum Glück hatte Goldmine Verständnis für ihren mangelnden Enthusiasmus. Sie band ihrem Chef Privatprobleme für gewöhnlich nicht auf die Nase, aber Loke als ihr bester Freund war hier natürlich wohlbekannt und dass es ihm alles andere als gut ging, war vorhin nicht zu übersehen gewesen. Unter anderen Umständen hätte Goldmine sie wahrscheinlich mit Loke mitfahren lassen, aber zwei Kollegen waren krank und einer im Urlaub. Das ließ neben Cana und Goldmine nur noch Rocker, Nobarly und Bacchus einsatzfähig – und Letzterer war gerade dabei, alleine das Lager aufzufüllen, weil der Lieferant viel zu spät aufgekreuzt war.

Mit routinierten Bewegungen füllte Cana Bierhumpen und Shotgläser und verteilte sie unter den Kunden, wischte verschüttete Getränke auf, kassierte ab, nahm neue Bestellungen entgegen, begrüßte und verabschiedete – und hatte dabei doch immer im Hinterkopf, dass sie eigentlich woanders sein sollte.

In einer ruhigen Minute schickte Goldmine sie ins Hinterzimmer, damit sie sich eine Atempause gönnen konnte – wie er es zuvor auch schon Nobarly und Rocker ermöglicht hatte, Goldmine achtete auf seine Mitarbeiter. An dem kleinen Pausentisch saß Bacchus und wischte sich mit einem Handtuch das nasse Gesicht ab. Er hatte ein neues Tank-Top an. Wahrscheinlich war er beim Einräumen des Lagers ganz schön ins Schwitzen gekommen.

Normalerweise heiterte es Cana immer auf, ihren Freund zu sehen. Bacchus hatte etwas an sich, was ihr half, locker zu lassen, die Dinge entspannt zu sehen. Nicht dass sie das Leben tatsächlich verbissen sehen würde, eigentlich waren sie und Bacchus einander sogar sehr ähnlich, aber Bacchus hatte keine komplizierte Familiengeschichte im Gepäck. Seine Eltern lebten in einem Kuhkaff im Umkreis von Magnolia, wo sie einen Hof unterhielten und sich über jeden Besuch ihres Sohnes freuten. Sogar mit Cana als Bacchus Freundin hatten sie kein Problem. Ganz im Gegensatz zu Gildartz, der zwanzig verlorene Jahre als Vater damit aufzuholen versuchte, dass er Bacchus quasi nonstop mit unausgesprochenen, aber nur zu deutlich spürbaren Drohungen bedachte, sobald dieser Cana auch nur falsch anzusehen schien.

„Ist Loke noch da?“, durchbrach Bacchus die Stille.

„Ich habe ihn mit nem Taxi nach Hause geschickt“, erwiderte Cana ruhig und ging zum Mitarbeiterkühlschrank, um sich eine Cola heraus zu holen.

Natürlich hatte Bacchus es auch mitgekriegt, als Canas bester Freund am späten Nachmittag im Quattro Cerberus aufgekreuzt war und sich abgeschossen hatte. Er mochte nicht wissen, was genau eigentlich bei Loke im Argen war, aber dass es ihm reichlich beschissen ging, war unübersehbar gewesen.

Und schon war Cana mit ihren Gedanken wieder bei Loke. Sie kannte ihn seit fünfzehn Jahren. Er war dabei gewesen, als sie ihre Mutter zu Grabe getragen hatte und als sie ihren bis dahin unbekannten Vater kennen gelernt hatte. Als sie entschieden hatte, ihr Fotografie-Studium an den Nagel zu hängen und in Vollzeit bei Goldmine einzusteigen, hatte er ihr den Rücken gestärkt. Und er war es auch gewesen, der ihr geraten hatte, endlich ehrlich zu sich selbst zu sein und die Sexbeziehung mit Bacchus zugunsten einer ernsthafteren Partnerschaft in Frage zu stellen.

Verdammt noch mal, sie sollte bei ihm sein, wenn er sie brauchte!

Als Bacchus unvermittelt vor ihr auftauchte, reagierte sie zuerst nicht auf ihn, sondern starrte finster auf seinen Bauch, ohne ihn wirklich zu sehen. Auf ihrer Zunge lag irgendeine halbgare Entschuldigung, um aus dem Quattro Cerberus verschwinden zu können.

Doch als sie den Blick hob und die Lippen öffnete, schüttelte Bacchus grinsend den Kopf. „Du musst nichts sagen, Cana. Verschwinde einfach und kümmere dich um Loke. Wir schaffen das schon.“

Verblüfft sah Cana ihrem Freund in die roten Augen. „Seit wann kannst du Gedanken lesen?“

Bacchus schnaufte leise und schnippte ihr frech gegen die Stirn. „Wir sind ja wohl lange genug zusammen dafür, meinst du nicht?“

Er klang locker, beinahe beiläufig, aber in seinem Blick lag etwas ungewohnt Ernstes, das Cana unter die Haut ging. So etwas kannte sie nicht von Bacchus. Sicherlich, sie hatte sich immer gut bei ihm gefühlt und gewusst, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte, aber er war kein Mann für große Schwüre und Gesten.

Aber hier und jetzt war es genau das, was sie brauchte, um für einen Moment zur Ruhe zu kommen, Kraft zu tanken, ihre Gedanken zu ordnen – und schließlich einen Entschluss zu fassen.

„Danke!“, sagte sie schlicht und gab Bacchus einen Kuss, ehe sie ihm die Colaflasche in die Hand drückte und hinüber zu ihrem Schließfach ging, um sich ihre Jacke zu schnappen.

Sie verschwand durch den Hintereingang der Kneipe. Um Goldmine musste sie sich keine Sorgen machen, das wusste sie. Bacchus würde ihm Bescheid sagen und für sie einspringen. Sie konnte sich auf ihn verlassen – und das war ein verdammt gutes Gefühl.

59. “Wow.” (LoLu)

Kritisch betrachtete Lucy sich im Spiegel und fragte sich dabei zum wiederholten Mal, warum sie sich ausgerechnet vom Schulschwarm hatte breitschlagen lassen, ihn zum Abschlussball zu begleiten. Wahrscheinlich weil er Wochen lang nicht locker gelassen hatte. Und irgendwie auch, weil sie nicht alleine gehen wollte, nachdem sie es endlich geschafft hatte, ihren besten Freund und bisherigen Ballpartner dazu zu bringen, das Mädchen zu fragen, für das er schon seit einem Jahr schwärmte.

Nicht dass Lucy letzteres nun bereute, aber sie fragte sich nun doch, ob es an ihrem Abschlussball wirklich so schlimm war, alleine aufzukreuzen, statt mit einem Weiberhelden der höchsten Güteklasse aufzumarschieren. Hatte sie nicht gerade im letzten Schuljahr genug in der Hinsicht durch? Eigentlich hatte sie sich nach Dan doch geschworen, dass sie erst einmal genug von Romanzen jedweder Art hatte, und die Anfrage des Schulschwarms war eindeutig romantischer Natur gewesen…

Seufzend schüttelte Lucy den Kopf und strich sich eine Strähne aus der Stirn. Sie hatte ihre langen Haare zu einem linksseitigen Chignon gebunden, nachdem sie sicher eine Stunde lang verschiedene Hochsteck- und Flechtfrisuren ausprobiert hatte. Nach der vierten hatte ihr Bruder sich in seinem Zimmer verbarrikadiert, damit sie ihn nicht mehr nach seiner Meinung fragen konnte. Mieser Verräter. Der sollte noch mal ankommen und fragen, welches T-Shirt er zu einem Date mit Rogue anziehen sollte!

Mit dem Make-up hatte Lucy sich bei welchem weniger Mühe gemacht. Dezenter Lidschatten und Kajal, Wimperntusche, Rouge und rosé schimmernder Lipgloss. Nicht dass sie es nicht mochte, sich mit allen Schikanen so richtig aufzudonnern, aber erstens machte das beim Frisieren viel mehr Spaß als beim Schminken und zweitens wollte sie nicht, dass ihr heutiger Begleiter oder irgendjemand sonst zu viel in die Sache hinein interpretierte.

Außerdem war ihr Kleid schon spektakulär genug. Es war ein Traum aus dunkelblauen Satin mit nur einem breiten Träger über der rechten Schulter, während der Stoff an der linken Hüfte noch mal gerafft wurde und von dort ausgehend mit Paletten besetzt war, die bei der Raffung zunahmen, während sie rarer gesäht waren, je weiter sie von der Raffung entfernt waren. Das Kleid war rechtsseitig bodenlang, während es links durch die Raffung immer wieder einen Blick auf Lucys Waden zuließ, die dank des regelmäßigen Volleyballtrainings straff und schlank waren. Die Füße steckten in hochhackigen, schwarzen Pumps, die Lucy auch schon bei ein paar Firmenveranstaltungen ihres Vaters getragen hatte, weshalb sie nicht befürchten musste, sich damit zum Affen zu machen.

Alles in allem war sie sehr zufrieden mit ihrer Aufmachung. Aber ein kleines I-Tüpfelchen fehlte noch. Lucy konnte nicht den Finger darauf legen, aber ihr kam es irgendwie unvollständig vor. Egal wie lange sie sich vor dem Spiegel drehte, sie kam einfach nicht drauf. Normalerweise hatte sie für so etwas immer ihre Mutter als Beraterin zur Hilfe, aber die war mit ihrem Mann für eine Woche bei einer Tochterfirma in Alvarez eingespannt und bereitete sich wahrscheinlich gerade selbst auf irgendeine Abendveranstaltung vor.

„Du brauchst das hier.“

Überrascht drehte Lucy sich zu ihrem Bruder um, der in der Tür stand und mit kritischer Miene ein Silberkettchen mit Anhänger mit dem gebogenen Zeigefinger in die Höhe hielt und leicht schwenken ließ.

„Woher hast du das?“, japste Lucy, als sie den feingliedrigen Anhänger in Form eines Löwen erkannte, der eigentlich ihrer Mutter gehörte.

„Ma hat ihn mir gegeben. Sie meinte, du wirst ihn sicher für dein Outfit brauchen“, erklärte Sting und zuckte mit den Schultern. „Dabei siehst du auch so gut aus.“

„Davon versteht ihr Männer nichts“, erwiderte Lucy und eilte mit großen Schritten zu ihrem Bruder, um ihm die Kette abzunehmen und die winzige Klammer zu öffnen. „Hilfst du mir?“

„Ich dachte, davon verstehen wir Männer nichts“, erwiderte Sting frech und streckte ihr die Zunge heraus, nahm ihr die Kette jedoch ab und legte sie ihr um den Hals. Er hatte einige Mühe damit, die Klammer wieder zu schließen, aber schließlich trat er mit einem zufriedenen Brummen einen Schritt zurück. „Du siehst genauso aus wie vorher, nur halt mit Kette.“

„Pass’ nur auf, wenn du nächstes Jahr mit Rogue zum Abschlussball gehst, dann wirst du auch Ewigkeiten brauchen“, erwiderte Lucy erhaben und betrachtete sich im Spiegel, wobei ihr nicht entging, wie sich die Wangen ihres Bruders hinter ihr röteten. Wie immer hatte ihre Mutter den richtigen Riecher, mit der Kette war Lucys Aufmachung perfekt!

Ehe die Geschwister sich weiter miteinander zanken konnten, klingelte es. Lucy griff schnell nach ihrer kleinen Handtasche – natürlich passend zu ihrem Kleid, was auch sonst? – und eilte mit großen Schritten in den Flur und weiter in das Zimmer ihres jüngsten Bruders Lector, der bereits auf der breiten Fensterbank hockte und aus seinem Fenster starrte, von dem aus er einen perfekten Blick auf den Eingangsbereich der opulenten Villa hatte.

„Mit dem willst du ausgehen, Lu?“, fragte Lector und blickte mit skeptischer Miene über seine Schulter.

„Ich gehe nicht mit ihm aus. Er begleitet mich nur zum Abschlussball“, erwiderte Lucy und stützte sich an Lectors Schulter ab, um ebenfalls einen Blick auf ihren Begleiter zu erhaschen.

Er sah gut aus, war ihr erster Gedanke. Ihr zweiter Gedanke war, dass er zu gut aussah. Der dunkle Anzug schien ihm wie auf den Leib geschneidert zu sein, brachte seine Schultern perfekt zur Geltung und umschmeichelte seine schlanke, aber maskuline Statur. Er hatte wider aller Erwartungen auf eine steife Krawatte verzichtet und die oberen beiden Knöpfe des weißen Hemds offen gelassen, was die festliche Garderobe etwas auflockerte. In der Brusttasche des Jacketts steckte ein rotes Taschentuch. Seine kupferfarbenen Haare erinnerten wie eh und je an eine Löwenmähne, was mit diesem Aufzug umso besser passte. Er erinnerte an einen stolzen, aufrechten Löwen, mächtig und majestätisch und…

„Warum trägt er eine Sonnenbrille?“, unterbrach Lector Lucys Gedanken.

„Wahrscheinlich um seine Coolness zu retten“, mutmaßte Sting trocken. „Lucy, bist du dir sicher, dass du ausgerechnet mit Loke King ausgehen willst?“

„Ich gehe nicht mit ihm aus, er begleitet mich nur-“

„Zum Abschlussball, schon klar“, seufzte Sting und schüttelte aus irgendeinem Grund den Kopf, während Lector albern kicherte.

„Ihr seid doof!“, schmollte Lucy und verließ wieder Lectors Zimmer, um dem Flur bis zur breiten Treppe zu folgen, die in die große Eingangshalle hinunter führte, wo bereits Spetto die Tür für Loke öffnete. Lucy hörte, wie er sich charmant bei der Haushälterin bedankte, die daraufhin überraschend mädchenhaft lachte.

„Was für ein Süßholzraspler“, murmelte Sting, der Lucy gemeinsam mit Lector auf dem Fuße folgte.

„Es kann nicht jeder so ein Flegel wie du sein“, schimpfte Lucy und fragte sich im nächsten Moment, warum sie Loke eigentlich verteidigte, wo sie sich doch vorher so gesträubt hatte, den Schulschwarm zu begleiten.

„Rogue steht auf Flegel“, gab Lector neunmalklug zum Besten.

Während ihre Brüder sich tuschelnd miteinander zankten und am oberen Absatz der Treppe zurück blieben, stieg Lucy selbige weiter hinunter. Als sie auf halber Höhe war, bemerkte Loke das Klicken ihrer Absätze, nahm sich die Sonnenbrille ab und hob den Blick. Auf seinen Lippen lag bereits ein gewinnendes Lächeln, doch als er Lucy sah, geriet das Lächeln ins Schwanken und ihm blieb der Mund offen stehen vor Überraschung.

Auf einmal klopfte Lucy das Herz bis zum Hals und sie musste sich richtig anstrengen, auf den letzten Stufen nicht ins Wanken zu geraten. Hatte sie es doch übertrieben? Passte die Frisur nicht zum Kleid? War das Kleid zu gewagt? Oder zu langweilig? Und warum war ihr das auf einmal so wichtig, dass sie Loke gefiel?

Als sie den Fuß der Treppe erreicht hatte, starrte Loke sie noch immer offenen Mundes an. Von oben hörte Lucy das Kichern ihrer Brüder und die halbe Dienerschaft des Hauses tummelte sich im hinteren Bereich der Eingangshalle, während Spetto neugierig zwischen Lucy und Loke hin und her sah.

„Wollen wir?“, fragte Lucy, um die peinliche Stille endlich zu durchbrechen, schämte sich jedoch im nächsten Moment für ihre piepsige Stimme.

Loke blieb ihr eine Antwort schuldig. Sein Blick wanderte zum wiederholten Mal über ihre gesamte Erscheinung, als wollte er sich jedes noch so kleine Detail einprägen. Als sein Blick ihrem begegnete, verspürte Lucy einen Schauder, der ihren Rücken hinunter lief, und ihr stieg die Hitze in die Wangen.

In dem Versuch, sich selbst in den Griff zu kriegen, räusperte sie sich vernehmlich. „Also?“

„Natürlich“, beeilte Loke sich zu sagen und sein Blick huschte noch einmal über Lucys gesamten Körper, ehe er sich endlich fing und ihr ein atemberaubendes Lächeln schenkte. „Aber du bist einfach… Wow!“

Von oben erklang ein zweistimmiges Prusten, aber Lucy hörte es kaum, weil es so sehr in ihren Ohren rauschte. Mittlerweile waren ihre Wangen feuerrot und sie schwankte zwischen dem Wunsch, schreiend weg zu laufen, und dem, hier und jetzt einen Freudentanz aufzuführen. So simpel es auch war, sie konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor solch ein ehrliches Kompliment erhalten zu haben, das sie so sehr gefreut hatte!

62. “It can wait until tomorrow.” (Lucy-Levy-Juvia)

„Da fehlt etwas.“

Neben ihr schnaufte Levy leise. „Du bist wirklich schwer zufrieden zu stellen.“

Juvia schnitt ihrer Freundin und Mitbewohnerin eine Grimasse und richtete ihren Blick dann wieder auf den Bildschirm, um heraus zu finden, was genau eigentlich ihr Problem war. Dort wurde die Homepage gezeigt, an der Levy in den letzten Tagen für sie gebastelt hatte. Das untere Ende der Seite, wo sich auch die Links zu Impressum, Kontaktdaten, Versandkosten und dergleichen befanden, sah aus wie ein dunkler Weidenkorb, aus dem Wollknäuel in den verschiedensten Farben hervor lugten, während seitlich zwei Strick- und eine Häkelnadel herausragten. Ein verspielter, blauer Faden schlängelte sich nach oben ins Zentrum der Seite und bildete dort den Namen: Wool Paradies. Oben rechts war eine Leiste, welche die unterschiedlichen Produktkategorien und den Einkaufskorb verlinkte. Vor jedem Kategorienamen befanden sich winzige Wollknäuel.

„Irgendetwas fehlt einfach“, seufzte Juvia und riss entmutigt die Arme hoch. „Es tut Juvia furchtbar Leid. Du hast dir so viel Mühe gegeben und Juvia hat gar nichts weiter gemacht und jetzt meckert sie nur….“

„Beruhige dich wieder“, erwiderte Levy und tätschelte ihr sanft den Arm. Die vertrauliche Berührung verursachte das altbekannte Kribbeln in Juvias Magengegend, aber sie versuchte, sich zusammen zu reißen. Sie kannte Levy schon seit Jahren – eben seit sie zu Beginn von Studium und Ausbildung Beide eine WG gesucht hatten und schließlich bei einer gemeinsamen Freundin gelandet waren. Das war schon sechs Jahre her und seitdem waren sie enge Freundinnen geworden, aber erst seit ein paar Monaten verursachten Levys seltene Berührungen bei Juvia diese neuen Gefühle.

„Natürlich fehlt noch etwas“, erklärte Levy geduldig, die anscheinend nichts von Juvias Reaktion bemerkt hatte. „Sogar sehr viel, würde ich behaupten. Normalerweise programmiere ich ganz andere Sachen. Mit dem Design von Webseiten beschäftige ich mich überhaupt nicht.“

„Aber es ist doch wirklich gut!“, widersprach Juvia leidenschaftlich. „Juvia liebt die Idee mit dem Korb und der Wolle und die Farben und alles…!“

„Und dennoch fehlt etwas“, schmunzelte Levy und strich sich eine Strähne hinters Ohr, was nicht über die niedliche Verlegenheitsröte hinweg täuschen konnte, die sich bei Juvias Worten über ihre Wangen gelegt hatte. „Keine Sorge, wir finden das schon noch heraus. Wir haben doch erst vor ein paar Tagen damit angefangen und es sind ja auch noch gar keine Produkte drin und wir müssen sowieso noch abwarten, bis mit dem Gewerbeamt alles geklärt ist. Wer weiß, wie lange das dauern wird.“

Levy verdrehte die Augen und Juvia seufzte frustriert. Als immer mehr Leute sie dazu ermuntert hatten, ihre selbst gestrickten Sachen zu verkaufen, hatte sie noch nicht daran gedacht, wie kompliziert das alles werden würde. Stricken und Häkeln war einfach. Das tat sie schon seit vielen Jahren. Aber diese ganzen Formalitäten für die Anmeldung eines Kleingewerbes, Buchhaltung, das Ausstellen von Rechnungen… das war trotz ihrer Ausbildung zur Schneiderin ein ganz anderes Thema. Und wie die meisten Ämter war auch das Gewerbeamt nicht das schnellste.

„Wisst ihr eigentlich, wie spät es ist?“

Gleichzeitig blickten sie zur Tür und erkannten ihre neue Mitbewohnerin Lucy, die mit in die Hüften gestemmten Händen im Rahmen stand und sie Beide anfunkelte. Sie trug bereits ihr Schlafshirt und die lockeren Shorts, die nur bis zur Hälfte ihrer Oberschenkel reichten, und ihre Haare waren zu einem lustigen Dutt hochgebunden, das Gesicht bereits abgeschminkt. Genau dieser Anblick, der so völlig von der sonst so perfekt wirkenden Lucy abwich, verursachte schon wieder ein Kribbeln in Juvias Bauch. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Levys Blick einmal über Lucys gesamten Körper huschte, ehe ihre Wangen sich zartrosa färbten.

„War Juvia zu laut?“, fragte sie besorgt und biss sich auf der Unterlippe herum.

„Nein, darum geht es doch gar nicht“, erwiderte Lucy und machte eine wegwerfende Handbewegung, ihre Miene noch immer streng. „Aber Levy muss in sieben Stunden wieder aufstehen, damit sie rechtzeitig zur Arbeit kommt und du solltest auch mal ein bisschen abschalten! Du hast alles getan, was du tun konntest, Juvia. Jetzt musst du der Sache einfach Zeit geben.“

Trotz ihres energischen Auftretens und der abermals in die Hüften gestemmten Hände schwang in Lucys Worten eine gewisse Weichheit mit, die das Kribbeln in Juvias Inneren verstärkte.

Lucy lebte erst seit vier Monaten in der WG, seit sie ihr Doppelstudium abgeschlossen hatte – BWL, um ihren Vater zufrieden zu stellen, und Literatur, weil das einfach ihr Ding war. Weil sie mit ihrem ziemlich erfolgreichen Blog weiter machen wollte – der sich vorrangig um Buchrezensionen und um Ausschnitte ihres in Arbeit befindlichen Romans drehte – und dabei nicht von ihrem Vater unterstützt wurde, hatte sie eine bezahlbare Bleibe gebraucht. Und da Juvia und Levy nach Lisannas Auszug sowieso ein Zimmer frei gehabt hatten, hatten sie Lucy bei sich aufgenommen.

Damals hatte noch keine von ihnen geahnt, was für ein Gefühlschaos diese neue WG-Zusammenstellung bedeuten würde. Juvia hatte früher schon mal eine Beziehung mit einer Frau gehabt und sie hatte Lucy von Anfang an als attraktiv empfunden, aber wirklich kribbelig war ihr erst zumute geworden, als sie bemerkt hatte, wie fasziniert Levy von der Anderen war – Levy, von der Juvia wusste, dass sie bisher nur eine Beziehung mit einem Kommilitonen gehabt hatte, was jedoch schon vor zwei Jahren mit einer freundschaftlichen Trennung ausgelaufen war. Irgendwie hatte es Juvia eifersüchtig gemacht, dass Lucy mehr Aufmerksamkeit von Levy zu erhalten schien als sie selbst. Nur war ihr lange Zeit nicht so richtig klar gewesen, auf wen sie eigentlich eifersüchtig war…

„Wir haben an Juvias Homepage gearbeitet“, erklärte Levy kleinlaut. „Ich habe den ersten Entwurf fertig und wollte Juvias Meinung dazu einholen und-“

„Das kann bis morgen warten“, erwiderte Lucy und verschränkte die Arme vor der Brust, aber ihre zusammengekniffenen Augenbrauen kündeten eher von Sorge als von Verärgerung. „Ihr solltet wirklich besser auf die Zeit achten. Es ist wichtig, genug Schlaf zu bekommen.“

„Du brauchst dir um Juvia keine Sorgen zu machen, sie hat doch morgen frei, weil sie am Samstag arbeiten muss.“ Im selben Atemzug wurde ihr etwas anderes klar und sie drehte sich hektisch zu Levy um. „Es tut Juvia so Leid, dass sie dich vom Schlafen abgehalten hat!“

„Hast du nicht. Ich habe dich doch rüber gerufen, damit du dir den Entwurf ansehen kannst“, seufzte Levy und strich sich schon wieder die Strähne hinters Ohr.

„Ihr Beide seid wirklich schlimm“, brummte Lucy und durchmaß den Raum, um sowohl Levy als auch Juvia an den Händen in die Höhe zu ziehen. „Bloß gut, dass ich jetzt auf euch aufpasse!“ Juvia könnte es sich auch einbilden, weil die Berührung sie so aus der Fassung brachte, aber sie hatte das Gefühl, dass rote Flecken auf Lucys Wangen aufgetaucht waren, die vorher nicht da gewesen waren. „Geh’ ins Bett Levy. Wir können uns morgen diese Homepage gemeinsam ansehen.“

Die Angesprochene nickte belämmert und Juvia bemerkte, wie sie die Hand, an der Lucy sie berührt hatte, mit der anderen umfasste. „Schlaft gut“, murmelte sie.

„Du auch, und vielen Dank für deine Hilfe“, sagte Juvia und berührte Levy in einem Versuch, sich noch einmal für ihre Achtlosigkeit zu entschuldigen, zaghaft an der Hand.

Abermals setzte das Kribbeln ein, als Levy kurz ihre Hand ergriff und behutsam drückte, doch dieses Mal blieb das Kribbeln, weil im nächsten Moment Lucy nach ihrer Hand griff, um sie aus dem Zimmer zu ziehen.

Vor ihrer eigenen Schlafzimmertür hielt Lucy an und drehte sich noch immer mit dieser Sorgenfalte zwischen ihren Augenbrauen zu ihr herum. „Mach’ dich nicht verrückt wegen dieser ganzen Sache, Juvia. Wenn du Fragen zu dieser ganzen Selbstständigkeitssache hast, kannst du mich jederzeit fragen und deine Homepage ist bei Levy in den besten Händen.“

Ihr fehlten die Worte. Lucy kannte sie erst seit so kurzer Zeit, aber sie war dennoch so lieb zu ihr und kümmerte sich auch immer so lieb um Levy. Es fühlte sich einfach so schön an, mit ihr und Levy zusammen zu sein!

„Juvia weiß nicht, wie sie dir und Levy jemals danken soll“, krächzte sie schließlich mühsam.

„Das musst du nicht“, erwiderte Lucy und ihr Gesicht erhellte sich mit einem sanften Lächeln. „Dir und Levy würde ich jederzeit helfen… Und jetzt solltest du auch ins Bett gehen. Lies noch etwas, damit du auf andere Gedanken kommst, aber du darfst vor dem Einschlafen keine Wolle mehr anrühren, versprochen?“

Der Themenumschwung ließ Juvia für einen Moment verwirrt blinzeln. Dieses Mal war sie sich sicher, was die roten Flecken auf Lucys Wangen betraf. Bevor sie richtig darauf reagieren konnte, hatte Lucy sie bereits in Richtung ihrer eigenen Schlafzimmertür geschoben, ihr eine Gute Nacht gewünscht und sich auffällig hastig in ihr eigenes Zimmer zurück gezogen.

Seufzend lehnte Juvia sich an die Innenseite ihrer Tür. Auf ihre Lippen schlich sich ein glückliches Lächeln. Sie wusste, dass es nicht normal war, für zwei Personen gleichzeitig solche Gefühle zu empfinden, aber sie konnte keinen Grund finden, der es zu etwas Schlechten machte. Als sie versucht hatte, ihrem besten Freund von ihren Gefühlen zu erzählen, hatte er mit den Schultern gezuckt und etwas davon gebrummt, dass sie halt beide Frauen nehmen sollte, wenn sie Beide wollte. Große Worte, wenn man sein eigenes verkorkstes Liebesleben bedachte, aber letztendlich war Juvia zu dem Ergebnis gekommen, dass er Recht hatte.

Sie wollte sich nicht zwischen Levy und Lucy entscheiden – und sie hoffte inständig, dass sie die Zeichen nicht falsch deutete und es auch tatsächlich nicht musste!

63. “Cross my heart and hope to die.” (Natsu-Juvia-Yukino)

Nervös spielte Yukino mit ihren Fingern herum und versuchte dabei nicht, auf die Leute um sie herum zu achten, die ganz unterschiedliche Strategien verfolgten, um mit ihrem Lampenfieber zurecht zu kommen. Yukino für ihren Teil machte es nur noch unruhiger, wenn sie Lucy dabei zu sah, wie diese mit geschlossenen Augen vor sich hin murmelte und sachte den Dirigentenstab durch die Luft führte, oder Sting, der aufgeregt mit beiden Beinen hibbelte, während er seine Violine umklammert hielt. Lokes Strategie bestand darin, mit Sherry zu flirten, während Meredy mit demonstrativer Ruhe den Bogen ihres Cellos mit Bogenharz einrieb und Orga seine Paukenschläger geübt in seinen Händen kreisen ließ.

Sie wirkten alle so routiniert, als würden sie tagtäglich in der größten Konzerthalle von Crocus auf der Bühne stehen und vor tausenden von Zuhörern einige der berühmtesten Stücken der fiorianischen Musikgeschichte neu interpretieren. Keinem von ihnen war tatsächlich anzumerken, ob er sich Sorgen wegen der Skepsis machte, die einige Kritiker im Vorfeld bezüglich ihres Vorhabens geäußert hatten, alte Musik neu aufzulegen.

Yukino würde ja gerne ihr Alter als Erklärung heran ziehen – immerhin war sie eine der Jüngsten im Orchester, das vor einem Jahr von Makarov an den besten Musikschulen des Landes zusammen gesammelt worden war –, aber ihr bester Freund Sting war ein halbes Jahr jünger als sie und er schien es kaum erwarten zu können, endlich loszulegen.

Am liebsten wäre Yukino jetzt wieder Zuhause und würde ganz zwanglos an ihrem geliebten Keyboard spielen. Natürlich wäre ihr ein richtiger Flügel wie der, der dort auf der Bühne auf sie wartete, noch lieber, aber dafür war kein Platz in ihrer Wohnung und auch wenn sie wie alle Musiker und Mitwirkende des Orchesters ein faires Gehalt von Makarov ausgezahlt bekam, konnte sie sich keinen Flügel leisten. Insbesondere keinen, der dann auch ihren Ansprüchen genügen würde.

Wenn Yukino jetzt Zuhause wäre und spielen würde, hätte sie nur zwei Zuhörer – oder vielmehr einen Zuhörer und eine Duettpartnerin. Eben jene zwei Menschen, vor denen Yukino keine Nervosität verspürte. Nicht wenn es um ihr Spiel ging und auch sonst nicht…

Als sich eine zierliche Hand auf ihre unruhig tanzenden Finger legte, blickte Yukino unsicher auf und in ein Paar großer, blauer Augen, die sie an eine Lagune erinnerte. Es war nun einmal nicht das tiefe Blau des Meeres oder das helle Blau des Himmels, sondern irgendwie etwas dazwischen. Es war voller Geheimnisse und doch gleichzeitig so gut zu lesen.

Genau in diesem Augenblick spiegelten sich in diesen Augen Besorgnis und Sympathie wieder und die zierliche Hand strich zärtlich über Yukinos Handflächen.

„Du musst nicht nervös sein. Juvia glaubt an dich“, erklärte die Ältere mit gedämpfter Stimme.

In Yukinos Inneren breitete sich eine wohlige Wärme aus. Jeder hier im Orchester hatte ihr schon mal versichert, was für eine großartige Pianistin sie sei, aber aus Juvias Mund hörte es sich doch anders an.

Vielleicht auch, weil Yukino insgeheim seit der ersten Begegnung vor ziemlich genau einem Jahr dachte, dass Juvia die vollkommenste Musikerin war, die sie jemals erlebt hatte. Dem Harfenspiel der Blauhaarigen lauschen zu dürfen, kam Yukino jedes Mal wie ein Geschenk des Himmels vor. Bei den ersten Proben hatte sie sich bei Juvias Parts nie konzentrieren können. Selbst bei kurzen Übungsstücken war Juvias Musik so atemberaubend schön, dass sie Yukino völlig gefangen nahm. Während der ersten Wochen hatte Yukino deshalb andauernd von Sting gekniffen werden müssen, um zurück in die Realität zu finden.

„Ich habe noch nie vor so vielen Leuten gespielt“, erwiderte Yukino gepresst.

Als Juvias Finger sanften Druck auf ihre rechte Hand ausübten, spreizte Yukino sofort nachgiebig die eigenen Finger. Sie genoss das Gefühl der weichen Haut mit den angerauten Fingerkuppen, die sich so perfekt an ihrer eigenen Haut anfühlte, und spreizte auch die Finger der linken Hand, um auch diese mit den Fingern ihrer Freundin zu verschränken. Mit beiderseits verschränkten Fingern saßen sie so einander gegenüber, bildeten einen Kokon aus Ruhe und Zuversicht.

„Juvia auch nicht“, antwortete die Blauhaarige schließlich. „Keiner von uns. Das ist für uns alle neu.“

„Was ist, wenn ich etwas falsch mache?“

Zur Antwort erhielt sie ein nachsichtiges Lächeln. „Du wirst nichts falsch machen, Yukino. Juvia kennt keine bessere Pianistin als dich.“

Yukino konnte spüren, wie ihre Wangen heiß wurden. Egal wie oft Juvia ihr dieses Kompliment machte, es machte sie doch jedes Mal schrecklich verlegen.

Etwas entfernt konnte sie Sting verstohlen kichern hören und sie zog unwillkürlich die Schultern höher. Jeder hier wusste bereits von ihrer besonderen Beziehung mit Juvia und keiner wagte es mehr, sie deswegen schief anzusehen oder gar auszuhorchen, seit Lucy ein Machtwort gesprochen hatte – wobei die Hälfte der Mitglieder des Orchesters von vorneherein überraschend positiv auf die Geschichte reagiert hatte. Dennoch war es für Yukino, die in einem sehr konservativen Haushalt groß geworden war, manchmal noch sehr schwer, in der Öffentlichkeit zu ihren Gefühlen zu stehen.

„Bi-bist du denn gar nicht nervös?“, krächzte Yukino hilflos.

„Nur ein bisschen“, erwiderte Juvia versonnen lächelnd und drückte sanft Yukinos Hände. „Juvia freut sich darauf, für-“

Just in diesem Moment wurde die Tür zum Hinterzimmer geöffnet. Sie wurde zwar rechtzeitig festgehalten, bevor sie an die Wand knallen konnte, aber der Schwung lenkte dennoch die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich.

„Für Natsu zu spielen“, beendete Juvia kichernd, stand auf und zog Yukino mit sich, um dem jungen Mann entgegen zu gehen, der aufgeregt grinsend in der Tür stand und sich suchend umsah, ohne sich an den teilweise entnervten Blicken der Anderen zu stören.

„Natsu, du hast hier nichts zu suchen!“, fauchte Lucy lautstark.

Der Pinkhaarige wedelte nachlässig mit der Hand und schenkte seiner Sandkastenfreundin ein unbekümmertes Grinsen. „Bin gleich wieder-“ Er unterbrach sich, als er Juvia und Yukino bemerkte. Mit einem strahlenden Lächeln sprang er auf die beiden Frauen zu und zog jede mit je einem Arm an sich, um jeder einen impulsiven Kuss auf die Lippen zu geben.

Yukinos Knie wurden weich wie Butter und sie schlang ganz automatisch einen Arm um Natsus Hüfte. Irgendetwas hatte der Ältere an sich, dass sie nicht einmal versuchen konnte – oder auch nur wollte – sich ihm zu entziehen, egal wie freigiebig er auch in der Öffentlichkeit mit Zuneigungsbekundungen ihr und Juvia gegenüber umging. Er ging so vollkommen natürlich mit seiner Beziehung zu den beiden Frauen um, schien nie den geringsten Zweifel zu haben. In der Hinsicht schien er mit Juvia einer Meinung zu sein, die seinen Kuss sogar erwidert hatte und nun mit leuchtenden Augen zu ihm aufblickte, während sie den freien Arm um Yukinos Taille schlang.

„Du kriegst noch Ärger, Natsu“, kicherte Juvia.

„Die Sicherheitskräfte erwischen mich eh nicht“, winkte Natsu lachend ab und drückte die beiden Frauen noch etwas mehr an sich. „Ich wollte euch noch mal anfeuern. Haut die Leute von den Stühlen!“

Im Hintergrund hörte Yukino Stings Lachen und Lucys empörtes Schnaufen, aber sie blendete Beides aus, löste ihren Arm von Natsus Hüfte und legte ihre Hand stattdessen in Natsus Nacken, um ihn zu sich herunter zu dirigieren.

Sie hatte keine Ahnung, wie sie in Worte fassen sollte, was in ihr vorging. Sie war Natsu einfach dankbar. Seine ehrliche Begeisterung für etwas, wovon er nicht den geringsten Schimmer hatte, einfach weil es nun einmal seinen Partnerinnen wichtig war, erfüllte Yukino mit schier unendlicher Dankbarkeit. Und gleichzeitig war seine Aufregung ansteckend, was in Kombination mit Juvias vorherigen Komplimenten beinahe wie ein Aufputschmittel auf Yukino wirkte.

Nachdem sie den Kuss mit Natsu gelöst hatte, lehnte Yukino sich lächelnd in Juvias halbe Umarmung.

„Danke, Natsu, aber du solltest jetzt wirklich gehen. Sonst kommst du nicht zu deinem Platz und verpasst unser Konzert.“

„Niemals!“, rief Natsu übermütig. „Und wenn Mest das gesamte Sicherheitsteam hinter mir her schickt, ich werde keine einzige Minute von eurer Musik verpassen. Indianerehrenwort!“

Jetzt wurde Yukino beinahe schwindelig vor überschäumenden Gefühlen. Als Natsu erst ihr und dann Juvia einen weiteren stürmischen Kuss gab und sich dann von ihnen löste, um sich wieder zur Tür umzudrehen, musste sie sich an Juvia festhalten.

Der Arm der Blauhaarigen ruhte sicher an Yukinos Taille und aus ihrer Stimme klang deutlich die Begeisterung mit. „Wir verlassen uns auf dich, Natsu.“

„Indianerehrenwort!“, wiederholte der Pinkhaarige, während er sich im Türrahmen umdrehte, und hob sogar wie ein kleiner Junge die Hand zum Schwur. Es war eine kindische Geste, aber sie passte so unglaublich gut zu ihm. Sie war einfach zu hundert Prozent Natsu. So vermittelte er seine Gefühle – und Yukino liebte ihn dafür.

Als Natsu verschwunden war, spürte Yukino, wie Juvia beide Arme um sie schlang. Die Lippen der Blauhaarigen fühlten sich heiß auf Yukinos an, ließen ihr Inneres schon wieder Prickeln.

„Mit Natsus Indianerehrenwort kann ja nichts mehr schief gehen, meinst du nicht?“

„Ja“, hauchte Yukino atemlos – und sie meinte es auch so.

65. “I’ll help you study.” (Loke-Lucy-Yukino)

Als Loke mit seinem Tablett die Mensa betrat, sah er sich sofort suchend um, versuchte dabei jedoch, diskret zu bleiben. Die Mühe hätte er sich wahrscheinlich sparen können, denn wenige Sekunden später stieß Cana ihm den Ellenbogen in die Rippen. Die Braunhaarige grinste breit, während sie mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung nickte. Obwohl er wusste, dass er seine Kommilitonin damit nur noch mehr erheiterte, folgte Loke dem Hinweis und erkannte in einer abgeschiedenen Ecke die beiden Frauen, nach denen er gesucht hatte.

Lucy und Yukino saßen an einem Tisch, über dessen gesamte Breite sie ihre Unterlagen ausgebreitet hatten, und steckten gerade über einem abnorm fetten Buch die Köpfe zusammen. Beide schienen so vertieft in ihre Arbeit zu sein, dass sie sich gar nicht um den Lärm in ihrer Umgebung scherten.

Ganz unwillkürlich musste Loke lächeln. Dafür dass sie immer lautstark über die unzumutbaren Lernbedingungen in der Mensa und darüber klagte, dass es immer noch keine richtigen Arbeitsräume in der Bibliothek oder in den Seminargebäuden gab, wirkte Lucy jetzt erstaunlich zahm. Wahrscheinlich hing das zu gleichen Teilen mit dem fesselnden Fach und mit Yukinos beruhigendem Einfluss zusammen. Yukino wiederum wirkte bei weitem nicht so scheu, wie sie es sonst immer war. Auch bei ihr dürften dafür wohl die Arbeit und Lucy gleichermaßen verantwortlich sein. Es war richtig niedlich, wie sehr sie beim Studium dieses Monsterbuches aufblühte. Ihre blassen Wangen bekamen vor Freude Farbe und ihre Augen leuchteten, während sie lebhaft auf Lucy einredete.

Neben Loke kicherte Cana amüsiert. „Hast du dich eigentlich schon entschieden?“

Nur widerwillig löste Loke den Blick von den beiden jungen Frauen und wandte sich wieder an seine Kommilitonin, die ihrer Frage zum Trotz wissend grinste. Er erlaubte sich ein selbstsicheres Lächeln. „Muss ich denn?“

Cana schnaubte und stieß ihm wieder den Ellenbogen in die Seite. „Unersättlich, hm?“

Zur Antwort lächelte Loke nur, aber sein Blick glitt schon wieder zu der ruhigen Ecke mit den beiden jungen Frauen, die es ihm seit Beginn des Semesters so angetan hatten. Zugegebenermaßen war es am Anfang auch ein ordentlicher Schuss ehrgeiziger Stolz gewesen, der ihn angetrieben hatte, als beide Frauen ihn unabhängig voneinander hatten abblitzen lassen. So etwas war er bis dato nicht gewohnt gewesen. Insbesondere, da sie Beide gar nicht so desinteressiert auf ihn gewirkt hatten.

Als er zum ersten Mal gesehen hatte, wie Lucy und Yukino miteinander interagierten, war ihm einiges klar geworden, aber gleichzeitig hatte es die Dinge komplizierter gemacht, denn sein Gewissen hatte ihm gesagt, dass er sich nicht in eine beginnende Beziehung drängen durfte, während er gleichzeitig ganz genau das hatte tun wollen. Als pubertierender Teenager hatte er zwar einige Dreier-Fantasien gehabt und auch als erwachsener Mann mit einer gesunden Libido war er solcherlei Abenteuern keineswegs abgeneigt, aber hier war es eben doch etwas anderes gewesen…

„Du solltest endlich Nägel mit Köpfen machen“, riet Cana noch immer erheitert und setzte sich in Bewegung.

Statt ihr in Richtung des Tisches zu folgen, an dem Gray bereits mit seinem Tablett saß, machte Loke sich allerdings auf dem Weg zu Lucy und Yukino. Seine Freunde würden es verkraften, wenn er sie alleine ließ. Wahrscheinlich war es sogar ganz gut für die sexuelle Spannung zwischen den Beiden, wenn sie viel Zeit zu zweit verbrachten. Loke verstand nicht so recht, was die Beiden sich so anstellten. Was sprach schon dagegen, es zu wiederholen, wenn sie beim ersten Mal Spaß gehabt hatten?

Als er den Tisch erreichte und sich gegenüber von Lucy und Yukino nieder ließ, geriet Grays und Canas verkorkstes Liebesleben allerdings schnell in Vergessenheit. Loke genoss es, die Reaktionen der beiden jungen Frauen zu beobachten. Die verschämte Röte auf Yukinos Wangen und der gespielte Trotz in Lucys Miene. Wie ihre zierlichen Finger einander ganz automatisch suchten. Und wie doch keine der Beiden den Blick von Loke nehmen konnte.

Es war für Loke immer noch nicht eindeutig, wie weit Lucy und Yukino eigentlich waren. Sicher war für ihn, dass sie einander schon sehr lange kannten. Anscheinend waren sie als Nachbarinnen aufgewachsen und Yukino war wohl die beste Freundin von Lucys Zwillingsbruder, gehörte also irgendwie mit zur Familie. Allerdings war da eindeutig etwas anderes als schwesterliche Zuneigung zwischen ihnen. Sie tauschten keine Küsse, Umarmungen oder andere intime Gesten aus, aber sie suchten doch immer wieder den Kontakt zueinander. Auf eine schwer zu fassende Art wirkten diese zarten, vertrauensvollen Berührungen viel intimer als so gut wie alles, was Loke bisher bei seinen Abenteuern erlebt hatte.

„Klausurvorbereitungen?“, fragte Loke und streckte sich auf seinem Platz etwas, um einen Blick auf das fette Buch zu erhaschen.

Die aufgeschlagene Seite enthielt Tabellen mit alten Schriftzeichen. Für ihn ergab das keinerlei Sinn, aber er war doch immer wieder beeindruckt, mit was für Themen sich die beiden Studentinnen der Altertumswissenschaften beschäftigten. Ganz zu schweigen davon, dass es niedlich war, wenn sich die beiden sonst so unterschiedlichen Frauen gemeinsam über Themen begeisterten, die für Normalsterbliche eigentlich gar keinen Sinn ergaben.

„Ganz recht“, erwiderte Lucy stachelig, aber ihren Worten fehlte eindeutig die Schärfe.

„Wir müssen übermorgen in der Klausur einen altboscanischen Text transkribieren und übersetzen. Deshalb gehen wir jetzt noch mal die Vokabeln durch“, erklärte Yukino. Loke kannte sie schon lange genug, um zu wissen, dass es typisch für sie war, Frieden stiften zu wollen, selbst wenn sie noch so verlegen war.

„Fleißig“, sinnierte er und ließ den Blick über den Tisch gleiten, der nach sehr viel mehr als nur nach Vokabelnpauken aussah. Es machte eher den Eindruck, als würden Lucy und Yukino noch mal beim Urschleim anfangen. Wieder etwas, in dem sie einander stark ähnelten: Sie machten definitiv keine halben Sachen.

„Ich helfe euch beim Lernen“, erklärte Loke und war im nächsten Moment fast genauso überrascht wie Lucy und Yukino, die ihn mit großen Augen anstarrten.

„Was willst du?“, fragte Lucy verdattert und skeptisch zugleich. „Kannst du überhaupt Altboscanisch?“

„Ist doch nicht nötig, oder?“, erwiderte Loke, während er sich selbst noch fragte, was er hier eigentlich machte. „Ich kann euch die Vokabeln dennoch abfragen.“

Er war ganz gut in Alvarez, aber ansonsten war er alles andere als ein Sprachengenie und von Altertumswissenschaften wusste er auch so gut wie gar nichts, da war in der Schulzeit nicht viel bei ihm hängen geblieben. Aber es war etwas, was Lucy und Yukino interessierte – mehr noch: Es begeisterte sie. Daran wollte er teilhaben. Er wollte sich mit dem beschäftigen, was ihnen wichtig war, wollte die Beiden verstehen…

Ein Glück war Cana nicht hier, um ihn wegen dieses Manövers auf die Schippe zu nehmen. Sie nahm diese Dreiergeschichte sehr locker hin, aber Loke war sich noch nicht so ganz sicher, was er daraus werden lassen wollte. Klar war für ihn nur, dass er es genoss, Zeit mit den beiden Frauen zu verbringen und ihnen näher zu kommen.

„Das können wir auch alleine“, grummelte Lucy, verstummte jedoch, als Yukino mit dem Daumen über ihren Handrücken strich.

„Aber es könnte uns tatsächlich helfen. Wir verzetteln uns ganz schön“, sagte die Weißhaarige und deutete verlegen auf die vielen Bücher.

Für einige Sekunden schien Lucy noch mit sich zu hadern, aber dann seufzte sie ergeben und griff nach einem anderen Buch, um es Loke zu reichen. Für einen Moment erwog er, eines seiner Standardmanöver anzuwenden und wie zufällig Lucys Hand zu berühren, während er das Buch entgegen nahm, aber dann verwarf er den Gedanken wieder. Sowohl Lucy als auch Yukino waren weitaus mehr wert als ein Standardmanöver, das war ihm mittlerweile klar.

Er schlug das Buch auf und schenkte den beiden Frauen ein gewinnendes Lächeln. „Dann legen wir mal los.“

Zur Antwort wurden Yukinos Wangen noch etwas dunkler, aber auf ihre Lippen schlich sich ein scheues, aber doch ausgesprochen liebreizendes Lächeln, während gleichzeitig ihr kleiner Finger sich mit Lucys kleinen Finger verhakte, welcher sich bereitwillig in den Kontakt schlang. Lucy wiederum mochte versuchen, die Fassung zu wahren, aber Loke könnte schwören, dass ihre Wangen einen zarten Rothauch erhielten und dass ihre Mundwinkel für ein kleines, feines Lächeln zuckten.

Allein diese Gesten waren für Loke schon Belohnung genug.

66. “Stay over.” (Lavia)

Wenn seine Freunde jetzt hier wären, hätten sie eine Menge zu sagen. Zumindest Evergreen und Bixlow würden mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg halten. Vielleicht würde sogar Freed sich hinreißen lassen, ein Urteil zu fällen – denn entgegen aller Vorwürfe, die Evergreen und Bixlow ihm manchmal an den Kopf warfen, war Laxus sehr wohl aufmerksam genug, um zu bemerken, dass auch die Geduld von Freed nicht mehr lange anhalten würde.

Deshalb war Laxus froh, dass die Drei eben nicht hier waren und somit auch nicht sehen konnten, wie er durch die Straßen torkelte – gestützt nur von einer jungen Frau, die viel zu klein und zu zierlich für sein Gewicht war. Er merkte sehr wohl, wie ihre Knie immer wieder einzuknicken drohten, und er hörte auch ihr gelegentliches Ächzen, aber er hatte keine Möglichkeit, ihr die Arbeit zu erleichtern. Nicht in seinem Zustand.

Das hieß: Eine Möglichkeit gäbe es. Er könnte jemanden anrufen. So gesehen gäbe es sogar viele Möglichkeiten, denn trotz seines widerwärtigen Betragens in den letzten Monaten gab es immer noch genug Menschen, die er anrufen könnte, um sie um Hilfe zu bitten. Sein Großvater wäre sofort zur Stelle, selbst seine Freunde wären es, egal wie ungeduldig sie mittlerweile waren. Oder er könnte auch einfach ein Taxi rufen.

Doch all diese Dinge würden bedeuten, dass er ausdrücklich um Hilfe bitten müsste – was wiederum hieß, dass er sich seine Schwäche eingestehen müsste. Dazu war er immer noch nicht bereit.

„Laxus…“ Die junge Frau neben/unter ihm ächzte wieder leise. „Können wir uns kurz dort hinsetzen? Juvia braucht eine Pause.“

Hinsetzen. Laxus wusste gar nicht mehr, wie oft man ihm eben das empfohlen hatte. Ihm, einen Mann in den Zwanzigern, kerngesund, durchtrainiert. Ihm, einen…

Mit einem leisen Grunzen stimmte Laxus zu und ließ sich von Juvia zu einer nahen Bushaltestelle führen. Um diese Uhrzeit fuhr hier kein Bus mehr und die unbequemen Plastiksitze waren frei. Dennoch war es eine Erleichterung, zu sitzen, und Laxus ertappte sich dabei, wie er sich nach hinten lehnte, um seine Wirbelsäule zu entlasten. Schnell richtete er sich wieder gerade auf und schielte zu Juvia hinunter, um sich zu vergewissern, dass sie nichts bemerkt hatte.

Die Blauhaarige lehnte sich erleichtert nach hinten und hielt die Augen geschlossen. Sie wirkte vollkommen entspannt. Nichts wies darauf hin, dass sie schlecht von Laxus dachte, weil er so stur war und sie belastete.

Es war Laxus unbegreiflich, woher sie all diese Geduld mit ihm nahm. Seit er sich selbst aus dem Krankenhaus entlassen hatte, tauchte er andauernd in Pantherlilys Bar auf, trank zu viel und legte sich mit Gajeel oder Cobra oder eben jemand anderem x-beliebigen an, der gerade zum Frustablassen zur Verfügung stand. Ein paar Mal hatte er schon das Wort Hausverbot auf den Lippen des Barbesitzers erkennen können, aber bevor die Dinge jemals hätten eskalieren können, war immer Juvia zur Stelle gewesen.

Laxus kannte die zart gebaute Kellnerin bereits, seit er als Rekrut das erste Mal mit seinen Kumpanen ins Wing Sword eingekehrt war, um einen drauf zu machen. Damals war sie noch Schülerin gewesen, ihre Kleidung mehrfach geflickt und nicht selten zu klein oder zu eng, ihre Haltung viel scheuer und verschlossener. Doch im Verlauf der Jahre war sie aufgeblüht zu einer attraktiven Frau, resolut und verständnisvoll und direkt und mit dem unglaublichen Talent gesegnet, immer dort schlichtend zur Stelle zu sein, wo die Dinge zu eskalieren drohten.

Und in letzter Zeit hatte Laxus das Gefühl, selbst eine wandelnde Eskalation zu sein. Seit er an diesem einen Tag im Krankenhaus erwacht war, war alles ein Kampf um die Selbstbehauptung, ein Versuch, weiter auf den eigenen Beinen stehen zu bleiben. Und wenn man ihm mit Mitleid und Ratschlägen und Rücksichtsnahme daher kam, fühlte es sich jedes Mal wie ein Fallstrick an.

Dass Juvia ihn genauso schalt wie Gajeel und Cobra, dass sie eben keine Rücksicht auf seine Diagnose nahm und ihn in seine Grenzen verwies, war irgendwie… erleichternd. Deshalb hatte er zulassen können, dass sie ihn stützte, sobald sie aus dem Sichtfeld der Anderen im Wing Sword verschwunden waren.

„Geht’s wieder?“, brummte er schließlich in einem Versuch, freundlich zu sein.

Die blauen Augen der jungen Frau öffneten sich wieder und spiegelten das Lächeln wieder, das sich auch auf ihren schmalen Lippen fand. Es war schwer, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Er war so intensiv, ging Laxus unter die Haut. Als würde Juvia mehr in ihm sehen als seine ruinierte Karriere und seine jämmerlichen Versuche, eben diese zu überspielen – was auch immer sie dort erkannte, er sah es nicht. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wer oder was er jetzt überhaupt noch war…

Wortlos machten sie sich wieder auf den Weg durch die nächtlichen Straßen Magnolias bis zu dem Wohnblock, der Jahre lang Laxus’ Heim gewesen war, wenn er nicht in der Kaserne geschlafen hatte. Es war eine ruhige, saubere Gegend, durchaus im gehobeneren Milieu – sobald er nach seiner Grundausbildung den vollen Sold erhalten hatte, hatte Laxus sich etwas fernab der lauten und hektischen Wohngebiete mit den vielen Spielplätzen gesucht. Hier war er fündig geworden und hier hatte er sich Jahre lang wohl gefühlt, aber jetzt war es jedes Mal eine Tortur, die zweimal sechzehn Stufen zu erklimmen.

Beim letzten Absatz schnaufte Juvia bereits ganz schön, obwohl Laxus wirklich versuchte, sie zu entlasten – was angesichts des zunehmenden Stechens in seinem Rücken immer schwieriger wurde. Sie waren Beide völlig erschöpft, als sie seine Wohnungstür erreicht hatten, und Laxus gestattete es sich, das vor Juvia auch zu zugeben und sich gegen seine Wohnungstür zu lehnen.

„Also…“, begann Juvia schließlich und stemmte sich wieder von der Wand ab. „Juvia hat dafür gesorgt, dass du nicht gegen eine Wand läufst, aber immer kann sie das nicht machen. Du solltest wirklich nicht so viel trinken.“

Selbst jetzt noch brachte sie das eigentliche Problem nicht zur Sprache, aber dennoch – oder vielleicht auch gerade deswegen – hinterließen ihre Worte einen weitaus größeren Eindruck als alle anderen.

Wahrscheinlich sollte er sich bedanken. Nicht bloß dafür, dass sie ihn immer wieder aus dem Ärger herausholte, in den er sich selbst brachte, und dass sie ihn gestützt hatte und all das, sondern vor allem für ihre so völlig andersartige Unterstützung. Aber ihm fehlten wie immer die Worte.

„Gute Nacht“, sagte die Blauhaarige und ihre zarte Hand streifte kurz seine schwielige, ehe sie sich abwandte.

Sein Rücken mochte verkrüppelt sein, aber sein Arm war es nicht. Ohne noch mal darüber nachzudenken, ergriff Laxus Juvias Hand und hielt sie fest, verzweifelt darum bemüht, ihr nicht weh zu tun und sie doch auf keinem Fall entwischen zu lassen.

„Bleib’ über Nacht hier“, bat er mit rauer Stimme. Die Worte klangen gequetscht und schwach, waren fremd in seinen eigenen Ohren.

Er wollte noch mehr sagen, wollte ihr Dinge anvertrauen, womöglich sogar sich selbst, aber alles, was er wirklich tun konnte, war, sie festzuhalten und darauf zu hoffen, dass sie ihn auch so verstand und weiterhin darauf warten konnte, bis er bereit war…

Und ohne ein Wort des Protests drehte sie sich um und folgte ihm, wie sie es schon so oft getan hatte seit seiner Diagnose.

68. “You didn’t have to ask.” (Hibikino)

„Du hättest nicht fragen müssen.“

Man sollte meinen, wenn man sich einen gewissen Erfahrungsschatz erworben hatte, wäre es schwierig, noch jemanden zu begegnen, der einen aus der Fassung bringen konnte. So hatte Hibiki von sich selbst in Bezug auf Frauen gedacht.

Nicht dass er seine Partnerinnen wie Unterwäsche wechseln würde oder als Nachspeise Frauenherzen verschlang oder so etwas. Meistens begnügte er sich mit harmlosen Plänkeleien, die einfach nur beiden Parteien Spaß machen sollten. Ein angeregtes Gespräch mit einer schönen Frau war einer schnellen Nummer in einer Restauranttoilette oder einem billigen Hostelzimmer definitiv vorzuziehen.

Tatsächlich war die Auswahl der Frauen, mit denen er ernsthaft flirtete und vielleicht auch in die Horizontale ging, wenn es sich ergab, dann doch wieder sehr gering und noch geringer wurde sie, wenn es um die Frage ging, ob er sich auf eine feste Beziehung mit ihnen einlassen wollte. Bislang hatte es da nur zwei Frauen gegeben und er hatte jede von ihnen sehr geschätzt – und sie dennoch Beide im freundschaftlichen Einvernehmen ziehen lassen, als ihm klar geworden war, dass ihre Herzen anderen Personen gehörten.

Hibiki trug den Ruf eines Frauenverstehers mit sich herum, was ihm einen großen Zulauf vonseiten seines weiblichen Umfeldes einbrachte. Es gab Männer, die ihm das neideten, aber auch damit konnte Hibiki umgehen. Wie gesagt, er hatte sehr viele Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt.

Aber irgendwie hatte ihn doch nichts auf die Frau vorbereiten können, die ihm heute gegenüber stand.

Yukino gehörte zum schüchternen Frauenschlag. Sie errötete leicht, geriet ins Stottern und fing irgendwann an, den Augenkontakt zu meiden. Soweit war es für Hibiki nichts Neues. Er musste sich sogar eingestehen, dass er trotz einer gewissen Vorliebe für reifere Frauen mit Biss durchaus auch einen gewissen Spaß daran hatte, sich mit den sogenannten Mauerblümchen zu beschäftigen.

Es war angenehm, zu sehen, wie sie unter seiner Aufmerksamkeit langsam aufblühten, wie ihre Augen zu schimmern anfingen und wie sie irgendwann befreit zu lachen begannen. Auf dem Weg dorthin genoss er den kleinen Nervenkitzel, solche Frauen behutsam zu bedrängen, sie mit ausgewählten Gesten zu bedenken, die manch eine gestandene Frau vielleicht als klischeehaft bezeichnet hätte, letztendlich aber doch ein bewährter Klassiker war.

Aber jetzt stand Yukino vor ihm, eine ausgesprochen attraktive Literaturstudentin, die Hibiki im ersten Augenblick hier im Club vollkommen fehl am Platz vorgekommen war. Sie war einen ganzen Kopf kleiner als er, hatte eine zierliche und doch weibliche Statur und ein niedliches, herzförmiges Gesicht mit einer Stupsnase und verblüffend ausdrucksstarken, braunen Augen, die Hibiki aller sonstiger Unterschiede zum Trotz an eine seiner Ex-Freundinnen erinnerten.

Besagte Augen funkelten jetzt energisch zu Hibiki hoch, während die Weißhaarige ihre Hände in die Hüften stemmte. Im krassen Gegensatz dazu stand die tiefe Röte auf ihren Wangen, die sich langsam auch über den Rest des Gesichts ausbreitete. Anscheinend verspürte sie doch ein hohes Maß an Verlegenheit, aber im Gegensatz zu dem, was Hibiki zuerst von ihr erwartet hatte, kämpfte sie dagegen an. In ihr steckte viel mehr Temperament, als man es ihr bei ihrem zarten Äußeren und ihrem sonst eher zurückhaltenden Gebaren zutrauen würde.

„Du hättest nicht fragen müssen“, wiederholte Yukino jetzt etwas lauter, um gegen die Club-Musik anzukommen. Ihre Stimme war heiser und für einen Moment flackerten ihre Augen, aber dann straffte sie die Schultern und hielt stand.

Allmählich legte sich Hibikis Staunen und in einem Versuch, eben jenes zu überspielen und zu alter Form zurück zu finden, trat er wieder näher an die junge Frau heran, mit der er sich in den vergangenen zwei Stunden unterhalten hatte.

„Du meinst also, ich soll dich einfach so küssen?“, fragte er gerade laut genug und beugte sich vor, während sein Blick langsam zwischen ihren Augen und den leicht geöffneten und sehr anziehenden Lippen hin und her wanderte.

Dabei war er den äußerlichen Reizen, die gerade durch die bescheidene, zurückhaltende Aufmachung – eine züchtig geschlossene Bluse und einfache Röhrenjeans, eine kunstvolle Blumenhaarspange im Haar, kein Make up – betont wurden, schon beim ersten Blick nicht abgeneigt gewesen. Sobald er sie gesehen hatte, hatte er geahnt, dass der Abend mit ihr unterhaltsam werden könnte, hatte seine Freunde stehen lassen und ihr einen Drink ausgegeben, um mit ihr ins Gespräch zu kommen.

Und bis hierher war der Abend auch so verlaufen, wie Hibiki das von Frauen ihres Schlags kannte. Sie war zuerst sehr schüchtern und wortkarg gewesen, hatte ihre Finger immer fest um ihr Glas geschlossen, als würde sie einen Halt suchen, und immer nur flüchtig in Hibikis Augen aufgeblickt.

Ein Großteil ihrer Aufmerksamkeit hatte noch bei ihrem Freund gelegen, einem etwas steif wirkenden Schwarzhaarigen, der anscheinend versuchte, mit den Avancen von einem der Barkeeper zurecht zu kommen. Vermutlich hatte der Knabe ein Auge auf Sting geworfen, der seinerseits keinen Hehl aus seinem Interesse machte und darüber seine anderen Kunden vernachlässigte.

Als Hibiki das Gesprächsthema auf ihr Studium gelenkt hatte, war sie langsam aus sich heraus gekommen und hatte anscheinend auch irgendwann entschieden, dass ihr Freund schon alleine mit seinem Flirt klar kommen würde. Das Funkeln in ihren Augen und das Lächeln auf ihren Lippen, als sie angefangen hatte, über ihr Fach zu reden, hatten sie gleich noch anziehender gemacht.

Deshalb hatte Hibiki sich dazu hinreißen lassen, forscher zu werden. Seine Ex-Freundinnen hatten ihm unabhängig voneinander Beide gesagt, dass in ihm ein Spielkind stecken würde. Das war wohl im Umgang mit Yukino geweckt worden. Hibiki hatte einfach sehen wollen, wie sie reagierte, wenn er sie nach einem Kuss fragte.

Aber sie hatte ihn überrascht – und überraschte ihn auch jetzt.

Obwohl ihm nicht entging, wie Yukino schwer schluckte, war er doch beeindruckt, dass sie blieb, wo sie war, sogar ein wenig das Kinn hochreckte. In dieser Frau steckte eine ganze Menge Mumm. Ganz unwillkürlich fühlte Hibiki sich davon noch mehr angezogen.

Er beugte sich noch weiter vor und stützte sich mit der Linken neben der jungen Frau an der Theke ab, während er mit rechtem Daumen und Zeigefinger nach ihrem Kinn griff, um es noch ein wenig weiter nach oben zu dirigieren. Mittlerweile wurden sogar ihre Ohren rot, aber sie machte keinen Rückzieher. Mehr Ermunterung brauchte Hibiki nicht.

Der Kuss war eine weitere Überraschung. Denn obwohl er sich mit behutsamem Lippenkontakt begnügte – so offensiv Hibiki auch war, er musste nicht in aller Öffentlichkeit mit seinem Date des Abends herumzüngeln –, war er ausgesprochen intensiv. Ein aufregendes Kribbeln breitete sich in Hibikis Körper aus, was sich noch einmal steigerte, als Yukino den Mut fand, die langsamen Lippenbewegungen zu erwidern.

Für einen Moment dachte Hibiki darüber nach, den linken Arm um die Taille der Weißhaarigen zu schlingen, um ihr näher zu kommen. Womöglich hätte sie das sogar zugelassen, aber eigentlich hatte Hibiki kein Bedürfnis, es zu übereilen. In gewisser Weise war diese Frau mit ihrer so widersprüchlichen Mischung aus Schüchternheit und Temperament, mit der sie selbst noch nicht so ganz klar zu kommen schien, ein Rätsel für ihn. Eines, welches er gerne in aller Ruhe ergründen würde…

Ein verhaltenes Räuspern neben ihnen ließ Yukino schließlich doch zurück schrecken und Hibiki richtete sich wieder gerade auf und drehte sich herum. Der Störenfried war der Schwarzhaarige, der eben noch mit Sting geflirtet hat – oder eher von Sting angeflirtet worden war, soweit Hibiki das aus der Entfernung und nur mit gelegentlichen Blicken mitbekommen hatte. In der Hand hielt er einen Bierdeckel, den er jedoch in seine Hosentasche steckte, als er Hibikis Blick bemerkte. Seine Miene war forschend, fast schon finster, während er Hibiki musterte. Erst als er sich an Yukino wandte, wurde sein Gesichtsausdruck wieder weicher.

„Sorry, Yukino, aber ich brauche meine Tasche.“

„J-ja!“, quiekte Yukino, ihr Gesicht nun scharlachrot.

Fahrig strich sie sich eine Strähne hinters Ohr und bückte sich umständlich, um die Tasche aufzuheben, deren Riemen sie gemeinsam mit dem ihrer eigenen Tasche auf die Sitzfläche ihres Barhockers gehängt hatte, auf welchem sie bis eben noch gesessen hatte.

„W-was ist denn mit Sting?“, fragte sie ihren Freund wohl in einem Versuch, von der Situation abzulenken, in der sie erwischt worden war. Das Temperament von eben war verschwunden.

„Der hat eine Rüge von seinem Chef gekriegt“, nuschelte der Schwarzhaarige und Hibiki könnte schwören, dass seine Wangen eine Nuance dunkler wurden. „Ich wollte nach Hause fahren, kommst du mit?“ Wieder warf er Hibiki einen Blick zu, der nur haarscharf von einer Drohung entfernt war.

„Uhm…“ Nun beinahe ein bisschen panisch blickte Yukino zwischen Hibiki und ihrem Freund hin und her.

Es wäre verlockend für Hibiki, den Schwarzhaarigen ein bisschen zu foppen und Yukino zu fragen, ob sie noch einen Drink wollte, aber letztendlich entschied er sich doch dagegen. So sehr er es auch bedauerte, dass er unterbrochen worden war, er fühlte sich doch eigenartig befriedigt, beinahe euphorisch. Mehr war aus diesem Abend wohl kaum rauszuholen.

„Hast du einen Stift?“, fragte er daher.

Als Yukino aus ihrer Tasche einen Kugelschreiber heraus holte, nahm Hibiki ihn dankend an. Für einen Moment erwog er, nach einem der Bierdeckel zu greifen, aber dann griff er mit einem flüchtigen Seitenblick auf den unwillig dreinschauenden Schwarzhaarigen nach Yukinos Hand und schrieb ihr seine Handynummer auf den Handteller. Danach drückte er ihr den Stift wieder in die Hand und drehte diese herum, um einen Kuss auf den Handrücken zu hauchen.

„Ich würde mich freuen, wenn du dich melden würdest. Pass’ gut auf deinen Freund auf.“

Wahrscheinlich hatte er es nun doch ein wenig übertrieben. Yukino brachte nur noch undeutliches Gestammel zustande und folgte ihrem nun offensichtlich griesgrämigen Freund zum Ausgang des Clubs, ihr Gesicht nun beinahe besorgniserregend rot und ihre Finger so krampfhaft um den Riemen ihrer Umhängetasche geschlungen, dass es schon schmerzhaft aussah.

Doch als sie an dem schwarzen Vorhang stand, der den Eingangsbereich vom Rest des Clubs abtrennte, drehte sie sich noch mal um und blickte zu Hibiki zurück. Sie schluckte mehrmals schwer, aber dann deutete sie mit Daumen und kleinem Finger der rechten Hand ein Telefon an ihrer Wange an und lächelte schüchtern. Selbst aus der Entfernung wirkten ihre Augen unglaublich ausdrucksstark und wieder verspürte Hibiki ein angenehmes Kribbeln. Er erwiderte Yukinos Geste mit einem Lächeln und beobachtete, wie sie den Club verließ.

Versonnen lächelnd ließ Hibiki die Hand sinken. Dieser Abend hatte eindeutig eine überraschende Wendung genommen. Aber keine unwillkommene, dachte er bei sich, während er sich herum drehte, um dem verdrossen dreinblickenden Sting einem Wink zu geben. Er würde sich noch einen Drink alleine gönnen, bevor er nach Hause ging. Er verspürte kein Bedürfnis danach, den Abend mit einer anderen Frau ausklingen zu lassen.

71. “No reason.” (Rakana)

Aufdringliche Sonnenstrahlen in ihrem Gesicht waren das Erste, was Cana beim Aufwachen bewusst wahrnahm. Sie kräuselte verärgert die Nase, drehte sich herum und zog sich die Decke über den Kopf. Auch wenn sie nicht wusste, wie spät es wirklich war, war sie sich vollkommen sicher, dass es zu früh war.

Das war es für ihren Geschmack immer, wenn sie wach wurde. Sie war einfach nicht dieser beim-ersten-Sonnenstrahl-aufstehen-und-nach-einem-Power-Frühstück-eine-Runde-joggen-Typ wie Natsu und Gray. Und sie war auch nicht so strebsam wie Lucy, die an absolut jedem Tag zur selben Zeit aufstand und ihr morgendliches Wellness- und Beauty-Programm vollzog, ehe sie sich in ihre Arbeit stürzte. Für Cana begann der Tag erst, wenn sie trotz allen Hin- und Herdrehens keine gemütliche Liegeposition mehr fand und nicht wieder eindösen konnte. Zumindest an den Wochenenden. Insbesondere dann, wenn Cana am Vorabend gefeiert hatte. Sie war Studentin, sie durfte das!

Allerdings wurde Cana in ihren Gedankengängen unterbrochen, als sie auf ihrer Flucht vor den Sonnenstrahlen auf einmal gegen etwas in ihrem Bett stieß. Etwas Großes und Warmes…

Widerwillig, aber doch auch verwundert öffnete Cana die Augen. Neben ihr lag Rakheid im Bett. Die Decke, die Cana ihm weg gezogen hatte, lag nur noch mit einer Ecke auf seiner Hüfte, ansonsten war seine sonnengebräunte Haut unverhüllt. Die Haare hingen ihm ins Gesicht – und obwohl Rakheid sie sonst immer ganz ähnlich stylte, sah es jetzt doch ganz anders aus, jünger und weicher.

Verwirrt runzelte Cana die Stirn.

Wieso lag Rakheid in ihrem Bett? Sie konnte sich noch erinnern, dass sie ihm auf der Party gestern begegnet war. Eigentlich war sie mit Gray und Loke hingegangen und hatte sich zusammen mit letzterem einen Spaß daraus gemacht, Beziehungsmuffel-Gray alle möglichen Frauen vorzuschlagen. Als die Jungs sich rar gemacht hatten, war Cana tanzen gegangen und dann war Rakheid aufgetaucht. Mit einigen Zwischenetappen war es von der Tanzfläche bis hierher in Canas Bett gegangen. Soweit war es nichts Ungewöhnliches.

Das zwischen ihnen lief schon eine Weile. Zwangloser und dafür umso besserer Sex. Kein Händchenhalten, keine Wangenküsschen, keine Guten-Morgen-SMS. Cana wusste nicht einmal, wann Rakheid Geburtstag hatte und mit wie vielen anderen Frauen – oder Männern – er sich noch vergnügte. Letzteres konnte ihr egal sein, ohne Gummi lief bei ihr sowieso nichts. Sie führten keine Beziehung. Selbst wenn man offen davor setzen würde, würde es nicht wirklich passen, denn abseits von Quickies an allen möglichen und unmöglichen Orten, heißen Nächten und versauten Gesprächen lief zwischen ihnen nichts.

Zumindest hatte Cana das bisher angenommen, aber das hier war ein Novum. Sie teilten sich nicht das Bett. Nach dem Sex gingen sie jedes Mal getrennte Wege. Wenn Cana in Rakheids pervers luxuriösem Apartment landete, zog sie sich nach dem Sex und einigen flotten Sprüchen wieder an und ging nach Hause. Und wenn sie Rakheid mal in ihr Studentenwohnheimzimmer ließ, machte er sich nach dem Sex auch wieder vom Acker. Das war ihre stillschweigende Übereinkunft, die bisher wunderbar funktioniert hatte!

Mit mürrischer Miene richtete Cana sich auf und verschränkte die Beine für einen Schneidersitz. Dass die Decke dabei zum einen von ihren Schultern fiel und ihren Oberkörper entblößte und zum anderen von Rakheids Hüfte rutschte, kümmerte sie nicht besonders. Abgesehen davon, dass es zwischen ihnen Beiden in der Hinsicht sowieso keinerlei Geheimnisse mehr gab, hatte Cana gerade ein ganz anderes Problem.

Grob schubste sie Rakheids Schulter an. „Wach’ auf!“

Widerwillig verzog Rakheid im Schlaf das Gesicht. Für einige Sekunden tasteten seine Hände nach irgendetwas – womöglich einem Wecker, den er sonst neben dem Bett zu liegen hatte oder so was –, ehe er die Augen aufschlug. Er brauchte etwas, um sich zu orientieren. Im ersten Moment hatten seine Augen Schwierigkeiten, sich auf Cana zu fokussieren, dann schien er sie nicht sofort zu erkennen, doch schließlich klärte sich sein Blick und er brummte leise.

„Wie spät ist es?“, gähnte er und richtete sich langsam auf.

Als wäre es selbstverständlich für ihn, in Canas Bett aufzuwachen, strich er sich gemächlich durch die Haare und rieb sich die Augen. Aus seiner Nacktheit machte er sich genauso wenig wie Cana – gut, das zumindest war tatsächlich normal zwischen ihnen.

„Keine Ahnung, darum geht es auch nicht“, erwiderte Cana resolut und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Worum denn dann?“, fragte Rakheid mit dem Beginn eines Stirnrunzelns und lehnte sich gegen den Bettpfosten.

„Was machst du hier?“, schnappte Cana. „Warum hast du bei mir übernachtet?“

Für einen Moment verengten sich Rakheids orangefarbene Augen und aus irgendeinem Grund lief ein undefinierbarer Schauder über Canas Rücken. Die Intensität und Ernsthaftigkeit von Rakheids Blick war für sie vollkommen ungewohnt, bildete einen scharfen Kontrast zum sonst üblichen verspielten Funkeln oder auch der standardmäßigen – und manchmal schon ganz schön nervigen – Überheblichkeit.

Doch schon im nächsten Augenblick zuckte Rakheid achtlos mit den Schultern und gähnte nochmals herzhaft. „Einfach so.“

Der plötzliche Stimmungsumschwung brachte Cana schon wieder aus dem Konzept. Für gewöhnlich nahm sie die Dinge sehr gelassen hin. Ihre Freundin Lucy war diejenige, die sich immer über alles Mögliche aufregte. Aber etwas an dieser ganzen Situation störte Cana ganz gewaltig und so reagierte sie sehr viel streitlustig als sonst.

Einfach so? Ich gebe dir gleich mal einfach so! Das hier ist mein Bett! Ich kann mich nicht erinnern, dich eingeladen zu haben, bei mir zu schlafen.“

„Ich war halt müde“, wiegelte Rakheid ungerührt ab und verzog die Lippen zu einem anzüglichen Grinsen. „Du warst letzte Nacht ganz schön fordernd, das zehrt sogar an meinen Kräften.“

„Pah!“

„Außerdem…“, fuhr Rakheid gedehnt fort und kroch aus dem Bett. Er machte sich nicht einmal die Mühe, nach seiner Boxershorts zu suchen, sondern lief nackt durch das Zimmer zu der kleinen Küchenecke, in der auch Canas Kaffeemaschine stand. Ganz entspannt kümmerte er sich zuerst darum, das Gerät zu bestücken und anzuschalten, ehe er über seine Schulter zurück zu Cana blickte. Auf seinen Lippen lag ein überhebliches Grinsen, als wollte er Cana herausfordern, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. „Außerdem hast du letzte Nacht nichts dagegen einzuwenden gehabt, als ich liegen geblieben bin.“

Darauf blieb Cana dem Blonden eine Antwort schuldig.

Hatte sie gestern wirklich nicht protestiert? Ihr Kopf war vollkommen klar gewesen, die drei Bier, die sie mit Gray und Loke getrunken hatte, kratzten nicht einmal ansatzweise an ihrer Zurechnungsfähigkeit. Und dennoch hatte sie ihren Sexfreund in ihrem Bett schlafen lassen! Was war bloß in sie gefahren?

Während die alte Kaffeemaschine, die Cana von ihren Eltern überlassen bekommen hatte, nachdem sie sich so eine Pad-Maschine angeschafft hatten, röchelnd ihren Dienst tat, herrschte Schweigen im Raum. Ohne jede Eile suchte Rakheid seine Kleidung zusammen, zog sich an und richtete vor dem Spiegel, der an Canas Kleiderschrank angebracht war, notdürftig seine Haare.

Derweil schlüpfte Cana in das Schlafshirt, das im Verlauf der Nacht auf ihren Bettvorleger geworfen worden war, und suchte sich einen sauberen Slip aus dem Schrank heraus. Als die Kaffeemaschine fertig war und Rakheid nach ihrer einzigen Tasse greifen wollte, kam sie ihm zuvor und bediente sich am Kaffee.

Mit einem Hauch von Genervtheit sah Rakheid ihr dabei zu, wie sie den Kaffee trank, den er zweifelsohne in erster Linie für sich selbst aufgebrüht hatte. Über den Rand ihrer Tasse sah sie ihm in die Augen und wackelte herausfordernd mit den Augenbrauen, während sie gegen den unteren Rand der Tasse grinste.

Sie hatte immer noch keine Ahnung, was gestern passiert war, aber wenn sie Rakheid nun einmal hier hatte, konnte sie auch ihren Spaß mit ihm haben. Einfach so.

75. “I was just thinking about you.” (Yurita)

Mit einer Konzentration, als gelte es, die komplizierteste Operation der Welt zu bewältigen, ergriff Mavis einen Bauern und setzte ihn zwei Felder nach vorn. Das Klacken der Schachfigur auf dem Brett klang unnatürlich laut. Nicht minder konzentriert starrte Precht die Figur an. Die Arme vor der Brust verschränkt, leicht nach vorn gebeugt, saß er da und starrte. Und starrte. Und starrte…

„Ihr macht mich fertig!“, stöhnte Yuri und raufte sich die Haare.

Als hätten sie jetzt erst bemerkt, dass sie nicht alleine waren, blickten Mavis und Precht gleichzeitig von ihrem gerade erst begonnenen Schachspiel auf. Warrod, der sein Biologiebuch bereits aufgeschlagen hatte, kicherte leise. Zeira blickte lediglich kurz von ihrer Handheld-Konsole auf, um die Augen zu verdrehen.

„Wie könnt ihr so ewig lange diese Figuren anstarren! Das Spiel hat gerade erst angefangen!“, beschwerte Yuri sich und deutete anklagend auf Precht und Mavis.

„Der erste Zug entscheidet alles“, erwiderte Precht und beäugte Mavis von der Seite, als wäre sie eine Zeitbombe. „Ich muss heraus finden, was für eine Strategie Mavis verfolgt.“

„Nur eine?“, erwiderte Mavis schelmisch grinsend.

Wieder raufte Yuri sich die Haare. Sein Großvater hatte mit geradezu menschenunmöglicher Geduld versucht, Yuri und seinen jüngeren Halbbruder in die Feinheiten des Strategiespiels einzuweihen, aber Yuri war dabei beinahe eingeschlafen und Laxus hatte nach ein paar Minuten gar nicht mehr zugehört und mit seinem Smartphone lieber nach einem Club fürs Kickboxen gesucht. Die Dreyar-Brüder waren einfach nicht für Strategiespiele geschaffen.

„Ihr seid doch vollkommen gaga!“, entrüstete Yuri sich weiter. „Wie kann man jetzt schon eine Strategie entwickeln?!“

„Indem man mehr als zwei Gehirnzellen hat“, murmelte Zeira ihrer Konsole zu.

Yuri zischte in ihre Richtung und dann in Prechts und Mavis’, weil ihm nicht entging, wie sie grinsten.

„Spielt ihr doch euer blödes Spiel“, schnaufte er schließlich und sprang auf die Beine. „Ich weiß etwas Besseres mit meiner Freistunde anzufangen.“

„Was wird das wohl sein…“

Mavis kicherte hinter vorgehaltener Hand wegen des Kommentars ihrer Freundin. Zu gerne hätte Yuri ihnen einen wortgewandten Konter gegeben, aber vor lauter Hitze fiel ihm nichts sein. Warum noch mal war er mit diesen grässlichen Menschen befreundet…?

Demonstrativ wandte er sich von ihnen ab und stapfte davon. Dass das dank seiner feuerroten Wangen nicht wirklich beeindruckend wirkte, wusste er selber, aber er hielt dennoch die Nase oben und schritt rasch voran, um außer Sichtweite seiner Freunde zu kommen. Die zogen ihn schon seit Wochen auf. Fieses Pack! Wenn die erst einmal in seine Situation kamen, würde er es ihnen heimzahlen!

Als er sicher sein konnte, dass die Anderen ihn nicht mehr beobachten konnten, blieb er stehen und suchte den Schulhof ab. Er brauchte nicht lange, um die Person zu entdecken, die er insgeheim sowieso schon seit Beginn der Freistunde gesucht hatte.

Sie saß unter einem der zahlreichen Bäume, die auf dem Schulhof Schatten spendeten. In der Hand hielt sie einen dicken Roman und die Strähne ihres hellbraunen, kurzen Haares, die nicht von ihrem Band zurück gehalten wurde, wehte leicht im Wind. Ihre großen, braunen Augen huschten hin und her und auf ihren Lippen lag ein leichtes Lächeln.

Wie so oft haderte Yuri mit sich, zu ihr zu gehen. Einerseits wünschte er sich nichts sehnlicher, als mehr Zeit mit Rita zu verbringen, aber andererseits hatte er Schiss, sich wieder einmal zu blamieren. So wie letzte Woche, als sie ihn im Vorbeigehen gegrüßt hatte – und er war sich immer noch sicher, dass sie dabei besonders intensiv gelächelt hatte! – und er gegen eine Glastür gelaufen war. Oder vor drei Tagen, als ihm die Bücher, die er eigentlich für den Lehrer in den Klassenraum hatte tragen sollen, runter gefallen waren, weil er Ritas Winken hatte beantworten wollen.

Aber wie könnte er auch nicht so reagieren? Rita war – in seinen Augen – das hübscheste Mädchen der Schule, sie war klug und höflich und immer freundlich zu jedermann. Und besonders freundlich war sie zu Yuri, dem sie Nachhilfe in Mathe gab. Wahrscheinlich war sie eine wirklich gute Nachhilfelehrerin, aber er hatte jedes Mal Mühe, ihren Worten zu folgen – und dennoch hatte sie weiterhin eine Engelsgeduld mit ihm.

Als hätte sie seinen Blick gespürt, blickte Rita von ihrem Buch auf. Auf ihre Lippen zauberte sich ein besonders schönes Lächeln und sie ließ den Roman sinken, um ihm zuwinken zu können.

Zaghaft winkte Yuri zurück und versuchte, so lässig wie möglich in Ritas Richtung zu schlendern und sich besonders cool neben ihr ins Gras sinken zu lassen.

„Ich habe gerade an dich gedacht“, begrüßte Rita ihn immer noch mit diesem Lächeln, das Yuri das Gefühl gab, Fieber zu haben.

„An mich?“, echote er und verfluchte sich im nächsten Moment selbst, als ihm klar wurde, wie dümmlich er klang.

„Der Protagonist hat mich sehr an dich erinnert“, erklärte sie nur und tippte auf den Einband ihres Buches.

Yuri versuchte, den Titel zu lesen, stellte jedoch fest, dass der Buchrücken von ihm abgewandt war und die Schwarte mit der Rückseite nach oben auf Ritas Schoß lag. Ob das Absicht von ihr war?

„Ist das etwas Gutes?“, fragte Yuri und blickte wieder in Ritas Augen.

Bildete er sich das ein oder waren ihre Wangen gerötet? Und wieso unterbrach sie jetzt den Blickkontakt?

„Es ist ein gutes Buch“, erwiderte sie und drehte sich zur Seite, um das Buch in ihrer Tasche verschwinden zu lassen. Als sie sich wieder zu Yuri umwandte, lag das übliche Lächeln auf ihren Lippen – Grund genug für Yuris Eingeweide, Samba zu tanzen. „Hast du deine Mathehausaufgaben schon angefangen?“

Stöhnend ließ Yuri sich nach hinten fallen und streckte alle Viere von sich. „Erst langweilen Precht und Mavis mich zu Tode und jetzt fragst du mich an einem Freitagmittag nach den ollen Mathehausaufgaben. Ihr seid alle gemein zu mir!“

Neben ihm kicherte Rita leise. Yuri hätte eigentlich weiter schmollen sollen, aber stattdessen ertappte er sich bei einem verträumten Lächeln, während er verzückt lauschte.

76. “I want you to have this.” (Stingue) - 25er-Jubiläum

Er war nicht kindisch. Ganz und gar nicht. Lucy behauptete das zwar, aber sie war seine große Schwester. Große Schwestern behaupteten so etwas andauernd. Und wenn Orga das sagte, hatte das sowieso nichts zu bedeuten, der machte doch immer wieder mit. Und Yukino nannte ihn zwar auch andauernd Kindskopf, aber wer hatte sich denn neulich hinter einem Busch versteckt, nur weil Loke King in der Ferne zu sehen gewesen war? Eine erwachsene Frau sollte nach einem One Night Stand nicht solche Hemmungen haben – erst recht nicht, wenn sie doch eigentlich mehr wollte.

Also: Nein, Sting Eucliffe war. Nicht. Kindisch. Auch dann nicht, wenn er geradezu süchtig nach diesen Drachen-Frühstücksflocken war! Die waren nun einmal lecker und was war so schlimm daran, dass er die schon als Kleinkind gespachtelt hatte? Dafür hatte seine Schwester ein Plüschtier in Form ihres Freundes, das sie sich von ihrer besten Freundin Juvia hatte nähen lassen und unter ihrem Kissen versteckte – und das hatte sie schon gehabt, lange bevor sie mit eben diesem zusammen gekommen war!

Mit einem zufriedenen Grinsen stand Sting vor dem Regal mit den Frühstücksflocken und ließ den Blick die obere Reihe entlang wandern. Vorbei an diesen angeblich so super gesunden Müslis, die Lucy neuerdings immer mit Joghurt und Bananen für ihr Frühstück mischte – davor hatte sie immer Schwarzbrot mit Käse und Salat gegessen und davor… nun, diese Liste würde sehr lang werden, Sting konnte sich nicht einmal an alles erinnern –, weiter bis zu den Frühstücksflocken, die aufgrund ihrer Aufmachung eher für Kinder gedacht waren. Da gab es Kringel und Cluster und welche in den Formen von Hasen, Buchstaben, Hunde, Frösche und schließlich…

Sting verzog enttäuscht das Gesicht, als er sah, dass es nur noch eine einzige Packung seiner geliebten Dragon Slayer Cereals gab. Er war durch die halbe Stadt in den Wohnbezirk seiner Eltern gefahren, weil es in der Nähe seines Studentenwohnheims keinen einzigen Supermarkt mit diesen Frühstücksflocken gab, und jetzt musste er mit nur einer Packung nach Hause fahren? Die reichte doch gerade einmal für eine Woche – und das setzte voraus, dass er darauf verzichtete, abends beim Fernsehen welche zu knabbern, was für Stings Maßstäbe strengste Enthaltsamkeit bedeutete.

Schmollend streckte Sting sich nach der Packung und drehte sich damit auf dem Absatz herum. Ohne auf seine Umgebung zu achten, ging er los und wendete dabei gleichzeitig die Packung. Vielleicht hatte die Firma ja eine Homepage, auf der man diese Frühstücksflocken bestellen konnte? Die waren ja ein paar Monate haltbar, also könnte Sting gleich einen ganzen Vorrat ordern. Irgendwo in seinem winzigen Wohnheimzimmer würde er schon Platz dafür finden. Nur in der Gemeinschaftsküche durfte er die nicht lagern, sonst würde Natsu sie ihm wieder weg fressen. Das nahm Sting seinem zukünftigen Schwager immer noch übel, aber leider hatte Lucy nicht auf ihn gehört, als er ihr befohlen hatte, Natsu deswegen mit Sexentzug zu bestrafen. Olle Verräterin!

Die einzige Vorwarnung, die Sting hatte, war das Trippeln kleiner Schritte, dann prallte auch schon etwas gegen seine Beine und etwas Weiches stieß sich an seinem Knie. Sting geriet nicht einmal ins Straucheln, aber vor Schreck ließ er die Packung mit den heißgeliebten Frühstücksflocken fallen, die mit einem lauten Klatschen neben einem kleinen Mädchen landete, das zu Stings Füßen auf dem Hosenboden saß.

Es mochte vielleicht drei oder vier Jahre alt sein – so alt also wie Stings Patensohn, der großartigste Junge auf der ganzen, weiten Welt! – und war wirklich niedlich. Ein süßes, rundes Gesicht mit einer winzigen Stupsnase und großen, dunklen Augen. Es trug eine rote Latzhose mit einem grünen Froschaufnäher auf der Brust. Einer der Träger war über die schmächtige Schulter gerutscht. Die Haare waren grün – eine ungewöhnliche Farbe, aber hey: Stings zukünftiger Schwager hatte pinke Haare, dagegen waren grüne Haare wirklich harmlos – und zu einem Rattenschwanz geflochten. Zumindest vermutete Sting, dass sie geflochten worden waren. Es sah reichlich schief und krumm aus und die Hälfte der Haare hatte sich wieder daraus gelöst. Sting würde zwei Punkte für den Versuch geben – von zehn.

Bevor Sting sich noch weitere Gedanken darüber machen konnte, bemerkte er, wie die Lippen des Mädchens zu zittern begannen und wie die großen Augen glasig wurden. Hastig ging er in die Hocke und bot dem Mädchen beide Hände an, ohne sofort nach ihm zu greifen. Auch kleinen Kindern sollte man die Privatsphäre lassen. Lector zum Beispiel hasste es, wenn Fremde ihm durch die immer wilden roten Haare strichen, weil sie ihn niedlich fanden.

„Hey, nicht weinen“, flehte Sting mit ausstreckten Händen und setzte einen Bettelblick auf. „Es tut mir echt Leid, ich habe nicht aufgepasst. Du hast dir doch nicht weh getan, oder?“

„F-frosch hat Aua“, greinte das Mädchen mit immer noch zitternden Lippen und rieb sich mit der Faust über die Augen.

Sorgsam ließ Sting den Blick über die Glieder des Kleinkindes gleiten, konnte aber zum Glück keine Anzeichen für eine Verletzung oder auch nur für eine Schonhaltung feststellen. Wahrscheinlich hatte sich das Mädchen einfach nur erschrocken, als es auf den Hosenboden geplumpst war.

Neben dem Mädchen entdeckte Sting ein großes Froschplüschtier am Boden. Weil er sich nicht anders zu helfen wusste, hob er es auf, staubte es ab und hielt es dem Mädchen hin, das er immer noch nicht einfach anfassen wollte. „Du darfst nicht weinen, sonst wird Mr. Frosch auch ganz traurig“, unkte er mit verstellter Stimme und schloss mit einem Quaken, während er mit einem Arm des Froschs gegen die Nase des Mädchens stupste.

Dieses blinzelte daraufhin verwundert. Die Tränen, die über die rosigen Wangen rollten, wischte Sting mit Hilfe des Plüschtiers fort, ehe er vorsichtig über dessen Kopf linste und sich an einem aufmunternden Lächeln versuchte. „Kannst du mir verzeihen, dass ich nicht aufgepasst habe?“

„Mi“, erwiderte das Kind nur und ergriff sein Kuscheltier.

Verwirrt legte Sting den Kopf schief. „Was?“

„Sie heißt Mi. Frosch heißt Frosch. Mi heißt Mi, weil Frosch sie von Tante Mi bekommen“, erwiderte das Mädchen ernsthaft und herzte nun den Plüschfrosch.

Das… ergab nicht den geringsten Sinn, aber etwas sagte Sting, dass er keine bessere Erklärung bekommen würde. Es war in etwa genauso tiefschürfend und banal zugleich wie Lectors Ernsthaftigkeit, wenn er über das Für und Wieder verschiedener Eissorten diskutierte – ein Umstand, dessentwegen Sting sich immer noch viele vorwurfsvolle Blicke seitens Dobengal gefallen lassen musste, der es nicht guthieß, dass sein Sohn von seinem Paten verwöhnt wurde. Dabei nahm Sting sich jedes Mal, wenn er mit Lector um die Häuser zog, fest vor, dieses Mal stark zu bleiben, aber dann schaffte der Junge es doch immer wieder, ihn zu einem Eis zu überreden. Das war ganz fiese Magie oder so etwas!

„Also bist du mir nicht mehr böse?“, fragte er vorsichtig.

„Frosch nicht böse.“ Wild schüttelte das Kind den Kopf, wobei der Ratenschwanz sich aus dem Zopfgummi löste. Die feinen, grünen Haare flossen über die schmalen Schultern. Irgendwie unterstrich das die Unschuld des Mädchens nur umso mehr und Sting ertappte sich dabei, wie er versonnen lächelte.

„Onkel böse?“, fragte das Mädchen – Frosch? Wer um Himmels Willen nannte sein Kind Frosch?! – wieder sehr ernsthaft.

„Ich?!“, rief Sting und deutete empört auf sein eigenes Gesicht, ehe er vehement den Kopf schüttelte. „Niemals! Ich bin niemals böse!“

Frosch kicherte leise und rappelte sich langsam wieder auf. Sie war ein gutes Stück kleiner als Lector, weshalb Sting weiterhin hocken blieb, um mit ihr auf Augenhöhe zu bleiben. Ihren Plüschfrosch – das war dann wohl Mi – drückte sie weiterhin fest an sich. Als sie mit dem Fuß gegen die Packung mit den Frühstücksflocken stieß, blickte sie zu Boden und riss dann die Augen auf.

„Drachi!“, jauchzte sie hell.

„Genau, Drachi!“, lachte Sting gelöst und griff nach der Packung, um sie Frosch vors Gesicht zu halten. „Die sind suuuuuuuuper lecker und machen bärenstark! Und sie sehen cool aus, findest du nicht auch?“

„Cool!“, echote das Mädchen mit dem niedlichsten treudoofen Blick, den Sting jemals gesehen hatte.

Eifrig nickte er. „Ganz genau! Die sind richtig cool!“

„Frosch?“

Sting hatte das Gefühl, als würde ihn ein elektrischer Schlag treffen beim Klang dieser ruhigen, männlichen Stimme. Sie war tief und geheimnisvoll und rief ausgesprochen erotische Gedanken in Sting hervor. So erotische Gedanken, dass er sich beinahe dafür schämte, da er hier doch gerade ein kleines Mädchen aufzumuntern versuchte.

Die Frühstücksflocken immer noch vor Froschs Nase haltend drehte er den Kopf – und dann konnte er nur noch starren. Wenige Meter entfernt stand so ziemlich das Attraktivste, was die Welt zu bieten hatte. Der Mann mochte in Stings Alter sein und war nur ein paar Zentimeter größer. Seine Haut war blass, was einen edlen Kontrast zu den rabenschwarzen Haaren und den tiefroten Augen darstellte. Die Haare hatte er sich zu einem kurzen, hohen Pferdeschwanz gebunden und die Ponypartie verbarg das rechte Auge beinahe. Die Gesichtszüge waren maskulin und doch nicht breit oder grobschlächtig. Sie schienen es gewohnt zu sein, immer Ernst und Würde auszustrahlen, auch jetzt trugen sie eine Miene von Besorgnis zur Schau, was Sting unwillkürlich wünschen ließ, sie mal bei einem Lächeln zu ertappen. Die Lippen waren schmal und kräuselten sich passend zur sorgenvollen Miene und dem dazugehörigen Zusammenziehen der schmalen Augenbrauen. Einen scharfen Kontrast dazu, der das ganze Bild letztendlich doch perfektionierte, war die große Narbe, die sich von einer Wange zur nächsten über den Nasenrücken zog.

Unter dem dunklen, zu den Ellenbogen nach oben geschobenen Hemd zeichneten sich fein definierte Muskeln ab. Das war nicht das Zeugnis von eifrigem Gewichtestemmen, wie Sting es von Orga oder auch von seinem ehemaligen Bettgenossen Gajeel kannte, sondern von diszipliniertem, wahrscheinlich langjährigem Training. Die Schritte des Mannes hatten irgendwie etwas Fließendes, Geschmeidiges, was erst recht in das bisherige Bild passte.

Sting wüsste zu gerne, was genau für einen Sport der Mann ausführte. Und wie er hieß. Und ob sich dieses heißen Muskeln auf dem Rest des Körpers fortsetzten. Und wie es wohl klang, wenn diese sexy Stimme sexy Worte in Stings Ohr raunte. Allein bei der Vorstellung bekam der Blondschopf eine Gänsehaut.

„Papa!“

Froschs freudiger Ruf riss Sting aus seinem tranceartigen Zustand und machte ihm bewusst, dass er gerade einen Wildfremden sehr offensichtlich – und wahrscheinlich sehr dumm – angestarrt hatte. Ihm schoss die Hitze in die Wangen und er richtete sich hastig auf, um einen Funken Restwürde zu bewahren. Allerdings fiel ihm die Packung noch mal aus der Hand und er musste sich noch mal bücken, um sie aufzuheben, während Frosch aufgeregt auf ihren verboten gutaussehenden Vater einredete.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Schwarzhaarige in die Knie ging und seiner quirligen Tochter die Hände auf die Schultern legte. Seine Stimme klang sanft, als er sprach, und verursachte lauter wohlige Schauder auf Stings Rücken. „Frosch, du sollst doch nicht weg laufen. Ich habe mich erschrocken, als ich mich umgedreht habe und du nicht mehr am Wagen gewesen bist.“

„Frosch Er’beer’“, nuschelte das Mädchen kleinlaut und drückte sein Plüschtier fester an sich.

Der Vater stieß ein leises Seufzen aus und strich dann behutsam über die Haare seiner Tochter. „Wir besorgen uns gleich Erdbeeren, versprochen.“

Die Zartheit, die sich auf die Züge des Mannes zauberte, während er mit Frosch sprach, verschlug Sting beinahe den Atem. Er wünschte sich, er hätte einen Zeichenblock und seine Bleistifte dabei, aber gleichzeitig war ihm klar, dass nichts und niemand auf der ganzen weiten Welt diesen Anblick jemals gebührend festhalten könnte. Nicht einmal ein Foto könnte das. Gerade ein Foto könnte das nicht!

Wieder stieß Frosch dieses niedliche Jauchzen aus und warf die Arme um den Hals ihres Vaters, der die Umarmung mit einem seligen Lächeln erwiderte.

Sting hatte das Gefühl, einem Wunder beizuwohnen. Dabei war dieser Anblick doch eigentlich nichts so Ungewöhnliches. Sting kam aus einer sehr gefühlsbetonten Familie, die wenig bis gar keine Kontaktscheu hatte. Zwischen ihm und seiner Schwester war es normal, dass sie einander immer wieder umarmten. Seine Schwester gab ihm und dem gemeinsamen Vater oft Wangenküsse. Auch mit Yukino tauschte Sting oft herzliche Umarmungen aus und sein alter Schuldfreund Orga hatte sich auch nie gescheut, Sting kameradschaftlich einen Arm um die Schultern zu schlingen oder dergleichen.

Aber diesen so durch und durch ernsten und disziplinierten Mann so losgelöst zu sehen, war etwas Besonderes. Wahrscheinlich war dieses winzige Bündel Niedlichkeit der einzige Mensch, der diese Seite an dem Schwarzhaarigen zum Vorschein bringen konnte. Sting wurde von dem Gedanken überrascht, dass er auch gerne ein Mensch wäre, der solche Regungen bei dem Gleichaltrigen hervorrufen konnte – dabei hatte er noch kein einziges Wort mit ihm gewechselt!

Und überhaupt: Der Mann hatte eine Tochter, also war er wahrscheinlich hetero und vielleicht sogar verheiratet.

Der Gedanke ernüchterte Sting wieder und als der Andere sich mit seiner Tochter auf dem Arm endlich aufrichtete und ihn aufmerksam musterte, fühlte er sich auf einmal sehr steif und nervös.

„Danke, dass du- Sie sich um Frosch gekümmert haben.“

„Ugh… Bitte nicht siezen, dafür bin ich zwanzig Jahre zu jung“, schauderte Sting und rieb sich den Hinterkopf, wobei ihm die Packung beinahe schon wieder aus der Hand gerutscht wäre. „Und ich habe gar nicht viel gemacht.“

„Onkel Mi geben“, plapperte Frosch mit einem strahlenden Lächeln. „Onkel quaken! Lustig!“

Schon wieder wurden Stings Wangen heiß und als an den schmalen Lippen des Schwarzhaarigen ein Lächeln zupfte, schlug sein Herz gleich mehrere Salti. Himmel, er konnte sich doch nicht Hals über Kopf in einen Wildfremden vergucken, der obendrein auch noch vergeben war!

„Frosch Drachi haben!“, erklärte Frosch weiter und deutete auf die Packung in Stings Hand. „Cooooooool!“

Der Ausdruck der Verdutztheit, der über die beherrschten Züge des jungen Vaters strich, ließ Sting beinahe in die Knie gehen. „Cool? Hast du ein neues Wort gelernt?“ In der tiefen Stimme klang warmer, ehrlicher Stolz mit.

„Cool, cool, cool!“, lachte Frosch ausgelassen und wedelte mit ihrem Plüschfrosch in der Luft herum, ehe sie schon wieder auf die Frühstücksflocken deutete. „Drachi haben?“

„Die sind wahrscheinlich sehr süß…“, begann der Schwarzhaarige murmelnd, ehe er nachgiebig seufzte. „Okay, wir nehmen eine Packung mit.“

„Ähm… das hier ist die letzte“, erklärte Sting und auf einmal fühlte er sich sehr schäbig.

Er liebte diese Frühstücksflocken immer noch, aber verdammt noch mal: Er konnte Frosch doch nicht enttäuschen! Sie war wirklich ein niedliches Kind, sie verdiente diese Frühstücksflocken mehr als Sting, der ihren Vater anschmachtete.

Bevor er es sich anders überlegen konnte, hielt er Frosch die Packung hin. „Genieße sie, Frosch, die sind die besten!“

Vater wie Tochter sahen Sting verdutzt an – das erste Mal, dass man eine Ähnlichkeit bei ihnen sehen konnte und eine sehr schrille Stimme in Stings Kopf, die verdächtig nach einem Fangirl klang, schnappte gerade über –, aber er drückte Frosch die Frühstücksflocken schnell in die Arme und ergriff die Flucht in den nächsten Gang, bevor er sich noch mehr zum Trottel machen konnte.

Während der nächsten Viertelstunde drückte Sting sich in der Süßkramabteilung herum und stierte das Fruchtgummi-Sortiment an, ohne wirklich Anstalten zu machen, nach einer der Tüten zu greifen. Stattdessen ertappte er sich immer wieder dabei, wie er die Ohren spitzte, ob er Froschs Lachen und Rogues angenehm tiefe Stimme noch mal hören konnte, hielt sich aber gleichzeitig weiterhin hinter dem Regal versteckt.

Irgendwann stieß er ein frustriertes Brummen aus, griff wahllos nach einer Tüte Gummibären und machte sich auf dem Weg zur Kasse. Vor ihm war ein alter Mann mit braun gefärbten, albern frisierten Haaren dran, der seine Ware sehr penibel einpackte und die Kassiererin anpflaumte, dass die Marke Sahne, die er hatte kaufen wollen, nicht mehr vorrätig gewesen sei. Mit einiger Genugtuung beobachtete Sting, wie die Frau – die nicht älter als er sein konnte, wahrscheinlich war sie auch Studentin und jobbte hier – mit den lockigen, dunkelbraunen Haaren den Mann souverän darauf hinwies, dass sie diese Beschwerde notieren würde, und ihn danach ausgesucht höflich und nicht die Spur unterwürfig abkassierte. Das nahm dem Tattergreis den Wind aus dem Segel. Recht so!

Als er schließlich die Gummibärchen in seinen Rucksack stopfte und sich auf dem Weg zum Ausgang machte, hielt ihn die vertraute tiefe Stimme des Schwarzhaarigen zurück.

„Warte mal.“

Der Schwarzhaarige kam auf ihn zu und hielt ihm die Packung mit den Dragon Slayer Cereals entgegen. Er öffnete die Lippen, dann räusperte er sich, dann öffnete er die Lippen noch mal.

„Hier, die solltest du nehmen. Deswegen bist du doch hierher gekommen, oder?“

Wie ein Fisch stand Sting mit offenem Mund da und wusste weder aus noch ein. Was sollte er denn darauf antworten? Sollte er allen Ernstes zugeben, dass er nur wegen dieser kindischen Frühstücksflocken hierher gekommen war? Und sollte er das überhaupt annehmen?

„Wo ist Frosch?“, sprudelte Sting mit der einzigen Frage heraus, von der er hoffte, dass er sich mit ihr nicht zum Volldeppen machte. Als er sich nach dem Mädchen umsah, entdeckte er es neben einer attraktiven, schwarzhaarigen Frau, die gerade die Einkäufe einpackte und ausgesprochen gut zu Froschs Vater passte. Auch sie war eine Ausgeburt an Beherrschtheit und Würde.

„Bei ihrer Patentante“, erklärte der Schwarzhaarige und sah flüchtig über seine Schulter, ehe den Kopf einzog. Beinahe machte es den Eindruck, als wollte er sich vor dem Blick der Frau verstecken, der er immerhin das Wohl seiner Tochter anvertrauen wollte. Als Sting das amüsierte Halblächeln auf deren Lippen bemerkte, überkam ihn eine Ahnung und ganz unwillkürlich zog er ebenfalls den Kopf ein.

„Ist das die Mi, nach der Frosch ihr Plüschtier benannt hat?“, fragte er tuschelnd.

Schon wieder zupfte ein Lächeln an den Lippen des Schwarzhaarigen. „Nenn’ sie lieber nicht so, das darf nur Frosch.“ Dann hielt er Sting die Frühstücksflocken noch ein bisschen dichter unter die Nase. „Hier.“

„Aber die sind doch für Frosch“, protestierte der Blondschopf.

„Frosch hat sich darauf eingelassen, dass sie etwas anderes kriegt“, erwiderte der Schwarzhaarige und druckste ein wenig herum. „Ich… ich habe gesehen, wie du Frosch aufgemuntert hast… Die meisten Leute können nicht so gut mit ihr umgehen und… na ja… Hier“, sagte er schon wieder und nun lag sogar die Ahnung eines Rothauchs auf seinen Wangen.

Ein paar halbgare Proteste spukten durch Stings Kopf, aber keiner davon klang besonders sinnvoll und sowieso wusste er gerade nicht, wie er etwas sagen sollte, ohne wie der größte Vollidiot auf Erden zu klingen. Er erkannte sich selbst gar nicht wieder!

„Ich möchte, dass du die hier hast“, sagte der Schwarzhaarige noch einmal mit nun eindeutig geröteten Wangen, drückte Sting die Packung einfach in die Hand und eilte dann zurück zu seiner Tochter und deren Patin, die mittlerweile sadistisch grinste.

Wie bestellt und nicht abgeholt, stand Sting da und blickte den Dreien hinterher, als sie den Supermarkt verließen, ehe er auf die Packung hinunter blickte. Und da erst fiel es ihm ins Auge: Über dem Logo war mit einer sehr sauberen Schrift, die perfekt zu ihrem Besitzer passte, eine Handynummer und ein Name geschrieben worden.

Rogue.

Er hieß Rogue!

Und…

Ich möchte, dass du die hier hast.

Oh wow!

Auf einmal hatte Sting das Gefühl, vor lauter Freude zu platzen. Mit wenigen Schritten hatte er den Supermarkt verlassen. Draußen suchte er den Parkplatz ab, bis er Rogue neben einem kleinen Wagen erkannte, in dessen winzigen Kofferraum er gerade die Einkäufe lud.

Ohne noch einmal darüber nachzudenken, holte Sting tief Luft und rief über den gesamten Parkplatz: „Rogue! Ich rufe dich an!“

Froschs Patentante lachte laut auf und Rogues Wangen waren auf einmal feuerrot, während er den Blick auf seine Einkäufe gesenkt hielt, aber Sting ließ sich davon nicht täuschen. Er war in Hochstimmung und da war ihm völlig egal, dass er sich zum Deppen machte.

Mit einem breiten Grinsen wollte er sich auf den Heimweg machen, doch dann fiel ihm noch etwas ein und er drehte sich noch einmal herum. In seinem Inneren brodelte es nur so und er musste dem unbedingt noch mal irgendwie Luft machen.

„Ich heiße übrigens Sting!“

77. “Call me if you need anything.” (SilverUr)

Krampfhaft darum bemüht, seine Müdigkeit im Schach zu halten, beobachtete Silver über Urs Schulter hinweg, wie sie seinem Sohn die Medizin einflößte, die er dem Säugling Stunden lang nicht hatte schmackhaft machen können. In dem Moment, da Ur durch die Tür von Silvers Wohnung getreten war, hatte alles so unglaublich einfach ausgesehen.

Die Schwarzhaarige hatte zuerst ihre eigene Tochter ins Wohnzimmer gebracht und ihr dort auf der breiten Couch eine Schlafstatt zurecht gemacht, ehe sie Silver ins Kinder-/Krankenzimmer gefolgt war. Irgendwie hatte sie sofort gewusst, was zu tun war, hatte Gray mühelos beruhigt, gebadet, neu angekleidet und nun auch noch mit Medizin versorgt. Es sah aus, als wäre es genauso einfach und selbstverständlich wie Atmen für die junge Mutter.

Vielleicht waren das die Muttergene.

Vielleicht hätte Mika das genauso einfach hinbekommen…

Silver zwang sich, den Gedanken an das erschöpfte und doch so selig lächelnde Gesicht seiner Frau nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes zu verdrängen und in der Gegenwart zu bleiben. Bei Ur, die sich um seinen kranken Sohn kümmerte, weil er selbst zu unfähig dafür war.

Wortlos verfolgte er, wie seine Kameradin das verschwitzte Gesicht des Jungen mit einem warmen Lappen wusch und dann einen Finger in eine der winzigen geballten Fäuste schob. Sofort umklammerte Gray den Halt und sein Weinen wurde schwächer, sackte schließlich zu einem leisen Wimmern ab, bis es völlig verstummte und die verquollenen Augen zufielen.

Als hätte Ur ihn in den Schlaf gehext…

Die junge Frau wartete noch eine Weile ab, bis Gray sich vollkommen entspannt hatte, dann entzog sie ihm ihren Finger vorsichtig und trat den Rückzug an. Lautlos folgte Silver ihrem Beispiel. Vorsichtigen Rückzug beherrschte er. Seine Füße fanden wie von selbst ungefährliche Bodendielen, während er die Wiege mit dem Eiskristall-Mobile bis zuletzt im Auge behielt.

Erst als er mit Ur im Flur stand und die Kinderzimmertür hinter sich geschlossen hatte, wagte Silver es, die angehaltene Luft auszustoßen und sich durch die Haare zu streichen.

„Danke, Ur, dass du es einrichten konntest.“

„Das war selbstverständlich“, wehrte die Schwarzhaarige ab.

Nicht in Silvers Augen. Um ein Uhr morgens durch die halbe Stadt zu fahren – noch dazu mit einem vierjährigen Mädchen – und das nur, um einem gescheiterten Vater zu helfen, war mehr, als man von jeder Freundschaft jemals erwarten sollte. Als Silver in seiner Verzweiflung Ur angerufen hatte, hatte er sie eigentlich nur um Rat fragen wollen, aber sie hatte ihm kurzerhand gesagt, dass er auf sie warten sollte, und eine halbe Stunde später hatte sie vor seiner Tür gestanden.

Sie war seine Rettung gewesen. Silver hatte am Rande der Verzweiflung gestanden, hatte für einen wahnwitzigen Moment sogar daran gedacht, das Angebot seiner Schwiegereltern anzunehmen, die Gray zu sich nehmen wollten. Als er es bei Mikas Beerdigung das erste Mal von ihnen erhalten hatte, hatten Igneel und Layla es ihm ausgeredet. Die Beiden hatten ihm geschworen, sie würden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn es nötig wäre, um ihm zu helfen, mit seinem Sohn zusammen zu bleiben.

An die Beiden hatte Silver auch zuerst gedacht, als er es nicht geschafft hatte, Gray zu beruhigen. Aber Igneel war mit einem Großteil ihrer gemeinsamen Kameraden wieder an der Front und Layla stand kurz vor der Geburt ihrer Tochter. Wahrscheinlich würde Jude Silver köpfen, wenn er Layla in so einer Zeit mitten in der Nacht anrufen würde.

Also hatte er Ur angerufen, die er doch eigentlich erst seit drei Jahren kannte und die momentan neben ihm die Einzige aus dem Team war, die auf Heimaturlaub war. Die Anderen waren alle in Pergrande und versuchten, im dortigen Bürgerkrieg zwischen den Stämmen für den Schutz der Zivilbevölkerung zu sorgen. Silver ertappte sich oft bei dem heimlichen Wunsch, bei ihnen sein zu können. Dort draußen wusste er wenigstens, was er machen sollte und konnte, aber hier…

„Igneel hat mich übrigens gestern Nachmittag kurz angerufen“, durchbrach Ur die Stille zwischen ihnen und blickte forschend zu Silver auf. „Ich soll dir ausrichten, dass du dich bei ihm melden sollst. Er will Fotos von seinem Patensohn sehen.“

Das sah Igneel ähnlich. Natürlich verstand Silver sofort, worauf sein alter Schulfreund es wirklich abgesehen hatte. Igneel wollte sicher gehen, wie es ihm ging. Beinahe hätte Igneel sich vor drei Wochen sogar dem Marschbefehl verweigert. Obwohl sie nie darüber gesprochen hatten, wusste Igneel wahrscheinlich, wie sehr Silver noch immer um Mika trauerte. Zwei Monate war es schon her, dass Silver sich nach Grays gut verlaufener Geburt abends von seiner Frau verabschiedet hatte, nur um am nächsten Morgen zu erfahren, dass sie in der Nacht verblutet war. Seit zwei Monaten war Silver Witwer. Aber für Silver war es noch so schmerzhaft wie am ersten Tag und die Zweifel betreffend Grays Erziehung nagten noch immer an ihm…

Eine behutsame Berührung an seiner Schulter riss Silver aus seinen Gedanken. Ur stand noch immer vor ihm im Flur und blickte abwartend zu ihm auf. „Soll ich ihm etwas ausrichten?“, fragte sie sanft.

„Nein… Danke, aber ich melde mich selbst bei dem Tunichtgut. Man sollte meinen, Weiß hält ihn beschäftigt“, murmelte Silver und rollte übertrieben mit den Augen, um sich selbst davon zu überzeugen, dass er in Ordnung war.

Für einige Sekunden musterte Ur ihn nachdenklich, dann nickte sie verstehend. „Dann gehe ich mit Urtear jetzt wieder nach Hause.“

„Das müsst ihr nicht“, protestierte Silver mit gedämpfter Stimme. „Es ist halb Drei Uhr morgens. Du kannst ruhig mit Urtear im Wohnzimmer schlafen, die Couch ist bequem genug für euch Beide, versprochen.“

Urs Blick huschte zur Schlafzimmertür hinüber und Silver wünschte sich, er hätte sie geschlossen, bevor seine Kameradin hierher gekommen war. Natürlich war ihr nicht entgangen, dass das Ehebett vollkommen unberührt war, die Kissen ordentlich drapiert, die Decken glatt gestrichen, ein zusammengelegtes Frauennachthemd auf der einen Decke. So wie Mika das Ehebett jeden Morgen hergerichtet hatte. So wie Silver es extra für ihre Heimkehr nach Grays Geburt vorbereitet hatte…

Aber Ur sagte nichts dazu, sie schüttelte bloß den Kopf und drückte sich an Silver vorbei, um zum Wohnzimmer zu gehen und ihre schlafende Tochter vorsichtig aufzunehmen. Das Mädchen brummte leise, kuschelte den Kopf jedoch sofort an die Schulter seiner Mutter und schlief so weiter.

„Versuch’ ein paar Stunden zu schlafen, Silver. Ich würde dir gerne etwas anderes sagen, aber ein paar Tage wird Gray wohl noch brauchen, bis er wieder richtig gesund ist“, erklärte Ur leise, während sie zur Wohnungstür ging.

„Das macht mir Mut“, murmelte Silver und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Bist du dir wirklich sicher, dass ihr nicht hier bleiben wollt?“

Anstatt ihm zu antworten, musterte Ur ihn lange und eindringlich. Silver hatte nicht die geringste Ahnung, wie er diesen Blick deuten sollte. War das Sorge? Wie viel hatte Ur sich bereits über seinen Zustand zusammen gereimt? Hielt sie ihn deswegen für schwach? Oder für einen schlechten Vater? Immerhin hatte sie sich doch schon während der Schwangerschaft darauf einstellen müssen, sich alleine um ihr Kind kümmern zu müssen, und sie war sogar noch in der Schule gewesen. Was waren dagegen schon Silvers Probleme…?

„Ruf’ mich an, wenn du irgendetwas brauchst“, flüsterte Ur nur über Urtears Kopf hinweg, dann drehte sie sich um und verließ die Wohnung.

Silver blickte selbst dann noch ins Treppenhaus, als unten die Tür des Gebäudes wieder ins Schloss fiel. Er wartete und wartete auf etwas, ohne zu wissen, worauf. Irgendwann schloss er die Tür und schleppte sich ins Wohnzimmer. Wie mechanisch holte er Laken, Wolldecke und Gästekissen aus dem Sofakasten, aber als seine mittlerweile wohlvertraute Schlafstatt fertig war, glitt sein Blick zurück zur Schlafzimmertür, dann zur Wohnungstür.

Allein der Gedanke daran bereitete ihm Schuldgefühle, aber er konnte ihn nicht abschütteln.

Er wünschte sich, Ur wäre noch hier.

78. “Do you want to come too?” (Levia)

Es war ungewöhnlich laut am üblichen Treffpunkt der Freunde – und das, obwohl die üblichen Verdächtigen, die es immer am besten verstanden, den Geräuschpegel nach oben zu schrauben, gerade nicht anwesend waren. Dafür waren genug junge Frauen da, die das hervorragend zu kompensieren verstanden.

Mirajane und Cana hatten Lucy in ihre Mitte genommen und horchten sie aus, welche das allwöchentliche Treffen auf der großen Wiese des Campus’ damit zur Sensation erhoben hatte, dass sie ihnen erklärt hatte, jetzt mit Loke zusammen zu sein. Jetzt wollten Mirajane, Lisanna und Cana natürlich Details hören. Erza sah zwar etwas verlegen drein – wahrscheinlich weil es sie an einen gewissen Jurastudenten erinnerte, dem sie schon seit vier Semestern hinterher schmachtete, ohne zu merken, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte –, schien aber mindestens genauso interessiert und schaffte es zumindest gelegentlich, eine hölzern klingende Zwischenfrage zu stellen.

Das Interesse der anderen Frauen war zwar nicht ganz so enthusiastisch, aber doch in den meisten Fällen nicht zu übersehen. Sie saßen alle um Lucy herum und ließen es sich genauso wenig wie Mirajane und die Anderen nehmen, die eine oder andere Frage zu stellen.

Obwohl sie sich noch etwas zierte, aalte Lucy sich ganz offensichtlich in der Aufmerksamkeit und redete sich langsam aber sicher in Fahrt. Sie genoss es geradezu, über ihr spektakuläres Liebesleben zu reden – immerhin war ihre und Lokes Geschichte beinahe filmreif. So mit schicksalhafter Begegnung auf einer Feier, einem leidenschaftlichen Tanz und noch leidenschaftlicherem Kuss und der darauffolgenden unfreiwilligen Trennung ohne einer Chance, Nummern auszutauschen…

Wenn irgendjemand diese ganze Geschichte in- und auswendig kannte, dann war das Levy. Immerhin war sie die Erste gewesen, bei der Lucy sich das Herz ausgeschüttet hatte, und sie war es auch gewesen, die versucht hatte, auf Grundlage der wenigen vorhandenen Informationen Lucys Schwarm zu finden. Letztendlich war es eher ein Glücksfall gewesen, aber Levy hatte ihrer besten Freundin helfen können.

Sie hatte sich für Lucy gefreut, als diese sie gestern Abend nach dem ersten Date mit Loke angerufen hatte, und sie gönnte es ihr, dass sie sich jetzt einfach im Glanz ihres eigenen Glücks sonnte. Aber dennoch wünschte Levy sich, sie wäre heute doch nicht hier, während Mirajane immer wieder leise quietschte, Erza verlegen vor sich hin stotterte, Cana gelegentlich lachte und die anderen Frauen vor sich hin seufzten.

Natürlich war damit zu rechnen gewesen, nur konnte Levy mit all dem nicht wirklich viel anfangen. Sie war keine Romantikerin, auch wenn sie ihre beste Freundin nach Kräften unterstützt hatte. Und sowieso würde sie sich eigentlich lieber auf ihr Buch konzentrieren. Bosco war zu kompliziert, um es nur halbherzig lesen zu können.

Beinahe zog Levy in Betracht, einfach zu verschwinden – es hätte ohnehin keine von den Anderen bemerkt –, aber als sie einmal vergewissernd über den Rand ihres Wälzers schielte, fiel ihr Blick auf Juvia, die mit verträumter Miene an Lucys Lippen hing.

Es war so typisch für Juvia, so vernarrt in diese letztendlich doch so klischeehafte Geschichte zu sein. Sie war das genaue Gegenteil von Levy: eine Romantikerin durch und durch – schon immer gewesen. Im Grunde konnte Levy sie nur immer wieder mit genau diesem Thema in Verbindung bringen. Immerhin hatte Juvia sogar schon bei ihrer allerersten Begegnung einen klassischen Liebesroman in Händen gehalten.

Levy musste lächeln, als sie sah, wie Juvias Gesicht jede überraschende oder dramatische Wendung in Lucys Gesichte nachzeichnete. Das schwärmerische Funkeln, das bange Zittern, das sehnsuchtsvolle Hoffen und schließlich die glückselige Erleichterung… Es war alles vollkommen klar auf Juvias feinen Gesichtszügen abzulesen. Nicht weil sie einfach gestrickt war, sondern weil sie einfach zu der Sorte Mensch gehörte, die ihre Gefühle ungefiltert auszudrücken verstanden. Sie war einfach aufrichtig und herzlich und…

Amüsiert schüttelte Levy den Kopf über ihre eigenen Gedanken, die an Kitschigkeit Lucys Liebesgeschichte kaum in etwas nachstanden.

„Wir sollten feiern gehen!“, verkündete Cana lautstark und schlang impulsiv einen Arm um Lucys Schultern. „Immerhin hat Lucy auch endlich einen Deckel für ihren Topf!“ Lisanna schnaubte laut – sie hatte ja auch gut reden, war sie doch schon seit Ewigkeiten mit ihrem Freund zusammen.

Peinlich berührt blubberte Lucy etwas vor sich hin, aber es schlossen sich immer mehr Frauen in der Runde Canas Vorschlag an und sie mochte sich noch so zieren, ihr war doch anzusehen, dass sie immer noch so euphorisch war, dass ihr auch nach Feiern zumute war.

In der allgemeinen Aufbruchstimmung ließ Levy sich Zeit damit, ihre Sachen einzupacken, bis ein Schatten auf sie fiel.

Als sie aufblickte, erkannte sie Juvia. Ihre großen, blauen Augen funkelten glücklich – ihr Herz war einfach viel zu groß, um sich nicht über Lucys Liebesglück freuen zu können. Unwillkürlich begann Levys eigenes Herz in ihrem Brustkorb zu flattern wie ein junger Vogel.

„Willst du auch mit kommen?“, fragte Juvia und allem Funkeln zum Trotz umspielte ein ahnungsvolles Lächeln ihre Lippen. „Oder willst du lieber in die Bibliothek gehen?“

Levys Wangen wurden warm, als ihr klar wurde, wie leicht Juvia in ihr hatte lesen können. Die Blauhaarige war immer so impulsiv und emotional und unglaublich verträumt, aber sie achtete doch sehr genau auf ihre Umgebung – und besonders auf Levy. Diese behütende Nähe, die ihr doch auch immer den Freiraum ließ, immer Rücksicht nahm, das war noch ein Grund von so unendlich vielen, warum Levy sich so sehr zu Juvia hingezogen fühlte.

„Eigentlich kenne ich die Geschichte ja schon“, gestand Levy ehrlich und schielte in Lucys Richtung, die von Cana enthusiastisch hin und her geschwenkt wurde. Nicht dass Cana tatsächlich etwas mit Romantik am Hut hätte, aber sie konnte sich genauso gut wie Juvia für ihre Freunde freuen – sie brachte es nur anders zum Ausdruck.

„Juvia denkt, dass es irgendwie auch deine Geschichte ist und du auch feiern solltest. Du hast Lucy immerhin so viel geholfen, das macht dich zur Heldin“, erklärte Juvia strahlend.

„H-heldin?“

Es war so typisch für Juvia, das Ganze in einen Liebesroman umzumünzen, aber dennoch brachte es Levy aus dem Tritt, so bezeichnet zu werden. Irgendwie machte Juvia andauernd solche Sachen, die Levy aus dem Tritt brachten – und immer irgendwie auf positive Art und Weise. Derartig wertgeschätzt zu werden, war ein unbeschreibliches Gefühl.

Enthusiastisch nickend hielt Juvia ihr die Hand hin. „Also? Willst du auch mit kommen?“

Im Grunde war es ja fast albern. Levy hatte einfach nur getan, was jede gute Freundin getan hätte. Es war nichts überragend Besonderes, was sie geleistet hatte. Heute war allein Lucys Freudentag, Levy musste nicht gefeiert werden.

Und dennoch… sie konnte nicht anders, als Juvias Hand zu ergreifen und dankbar zu drücken. Das neuerlich strahlende Lächeln ihrer Freundin gab ihr das Gefühl, gleich einen ganzen Schwarm flatternder Vögeln in der Brust zu haben.

79. “I’ll still be here when you’re ready.” (IgneelGrandine)

Fünf Jahre.

Das war viel und doch wieder nicht. Grandines Bruder war fünf Jahre älter als sie, der zweite zehn Jahre älter – und dennoch hatte Grandine nie wirklich das Gefühl gehabt, hinter den Beiden zurück zu stehen. Grandine hatte fünf Jahre auf einem naturwissenschaftlichen Internat verbracht und es mochte nicht gänzlich ihre Entscheidung gewesen sein – vielmehr war sie dem Ehrgeiz ihrer Eltern geschuldet gewesen –, aber im Nachhinein betrachtet war die Zeit wirklich wie im Flug vergangen. Ganz zu schweigen von den fünf Jahren Medizinstudium, die für Grandine in erster Linie von der schieren Freude am Lernen erfüllt gewesen waren.

Aber es gab eine Sache, die fünf Jahre zu einer sehr langen Zeit machen konnten – nämlich wenn es den Altersunterschied zu dem Mann betraf, den sie liebte.

Grübelnd saß Grandine in der Krankenhauscafeteria und blickte auf das leere Wordokument, das sie auf ihrem Laptop geöffnet hatte, um den Bericht über ihren ersten Monat im Praxisjahr zu schreiben. Eigentlich gäbe es dazu eine Menge zu erzählen – wie viel sie hier jeden Tag lernen durfte, wie vielen Menschen sie helfen konnte, was für eine Herausforderung es war, das Wissen aus dem Studium in der Praxis umzusetzen… Allein, sie war mit ihren Gedanken ganz woanders.

Solange sie sich auf ihre Patienten auf der Kardio-Station hatte konzentrieren müssen, war sie von dem Vorfall gestern Abend abgelenkt gewesen, aber in dem Moment, da ihr auf dem Weg zur Cafeteria ein junges Pärchen ins Auge gefallen war, hatte sie an nichts anderes mehr denken können.

Als sich jemand zu ihr an den Tisch setzte, blickte Grandine nur flüchtig von ihrem Bildschirmschoner auf, der mittlerweile angesprungen war, doch dann schreckte sie auf. Ihr gegenüber saß niemand geringerer als der Grund für all ihre Grübeleien seit Beginn des Tages.

Igneel trug noch seine Uniform, auch wenn er die Krawatte, die er sowieso so gut wie nie richtig band, bereits abgenommen und vermutlich lieblos in irgendeine Tasche gestopft hatte. Seine breiten Schultern füllten die schwarze Lederjacke voll aus und seine pinken Haare sahen so abenteuerlich wie eh und je aus.

„Darf ich?“, fragte er ruhig und legte eine Hand auf Grandines Laptop. Als sie belämmert nickte, klappte er das Gerät zu und schob es beiseite, ehe er Grandines Hände ergriff.

Seine Hände waren viel größer und rau von all seinen Trainingseinheiten, die er mit einigen Kollegen – inklusive Grandines Bruder Weißlogia – mehrmals in der Woche abhielt. Aber ihr Griff war ganz sanft, perfekt kontrolliert in ihrer Stärke. Grandine fühlte sich von dieser vertrauten Berührung wunderbar beruhigt und ganz unwillkürlich strich sie mit ihrem Daumen über Igneels.

„Ich glaube, wir müssen reden, Dine“, begann Igneel.

Der Kosename verursachte ein angenehmes Kribbeln. Dabei kannte Grandine das schon von Kindesbeinen an. Wahrscheinlich schon allein aus einem damals eher pubertären Protest gegenüber ihren Eltern hatte ihr ältester Bruder sich immer geweigert, sie und Weißlogia bei ihren vollen Namen zu nennen. Dennoch fühlte es sich anders an, wenn Igneel sie Dine nannte. Vertrauter. Intimer.

Allerdings wurde das Kribbeln dieses Mal durch das sich anbahnende Gesprächsthema gedämpft. Für einen Moment versuchte Grandine, sich zurück zu ziehen, aber noch bevor sie den Hautkontakt zu Igneel verlieren konnte, hielt sie inne, hielt lediglich den Blick weiter gesenkt.

„Du bist heute Morgen sehr viel früher aufgebrochen, als du eigentlich müsstest“, fuhr Igneel leise fort, ohne zu erkennen zu geben, ob er Grandines kurzzeitigen Fluchtreflex bemerkt hatte. „Liegt das an der Sache, die ich gestern Abend angesprochen habe?“

„Nein!“, platzte es aus ihr heraus, aber bevor sie auch nur zu einer Erklärung ansetzen konnte, geriet sie ins Stocken.

Irgendwie lag es eben doch an der Sache von gestern, oder nicht? Weniger ganz genau an der Sache, sondern eher an dem, was das für Fragen nach sich zog. Fragen, die eigentlich noch gar nicht ausgesprochen worden waren und die Grandine dennoch seitdem im Kopf herum spukten.

„Hey…“ Ein sanfter Druck an ihren Händen ließ sie wieder den Blick heben. Igneel hatte sich vorgebeugt, um ihr in die Augen sehen zu können. Seine eigenen roten Augen wirkten so sanft und geduldig, dass Grandine einmal mehr der enorme Altersunterschied zwischen ihnen bewusst wurde.

„Wir müssen nicht zusammen ziehen. Es war nur ein Vorschlag, weil du seit dem Beginn deines Praxisjahrs sowieso fast nur noch bei mir übernachtest, weil ich näher am Krankenhaus wohne. Außerdem wird Lily nach seinem Antrag wohl kaum noch ewig lange darauf warten, Nägel mit Köpfen zu machen.“

Das waren alles gute Argumente. Seit Pantherlily vor zwei Wochen ihrer Mitbewohnerin einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatte Grandine sich bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass ihre alte Schulfreundin wohl bald ausziehen würde. Sie hatte schon überlegt, ob sie sich einen neuen Mitbewohner oder lieber eine kleinere Wohnung suchen sollte…

Nur daran, mit Igneel zusammen zu ziehen, mit dem sie schon seit neun Monaten zusammen war, hatte sie bis zu seinem Vorschlag gestern irgendwie nicht gedacht.

„Es ist nicht so, dass ich dagegen bin“, murmelte Grandine und ganz unwillkürlich senkte sich ihr Blick auf die Tischplatte. „Ich habe nur vorher nie darüber nachgedacht…“

Während sie sich unsicher auf der Unterlippe herum kaute und nach den richtigen Worten suchte, wartete Igneel geduldig. Wenn er neben Weißlogia stand, der laut Acnologias Spötteleien schon mit fünf Jahren erwachsen und spießig gewesen war, wirkte Igneel wie ein abenteuerlustiger Draufgänger. Da vergas Grandine leicht, dass er schon 27 Jahre alt war. Aber hier und jetzt merkte sie nur zu deutlich, wie viel reifer und erfahrener er im Vergleich zu ihr selbst war.

„Ich bin erst 22“, begann sie zögerlich. „Ich habe noch das Praxisjahr vor mir, dann die Approbation und dann die Assistenzarztzeit und dann die Facharztausbildung und…“

„Woah, warte mal, Dine!“

Igneel schob seinen Stuhl zurück und rutschte auf den direkt neben Grandines, um einen Arm um ihre Schultern schlingen und mit der freien Hand behutsam nach ihrem Kinn greifen zu können. Mit sanftem Nachdruck zwang er sie, den Blick zu heben. In seinem Blick lag eine Mischung aus Verwunderung und Überforderung.

„Du weißt schon, dass ich nur übers Zusammenziehen gesprochen habe, ja?“, sagte er und sein rauer Daumen strich so zärtlich über Grandines Wange, dass die angehende Ärztin schwer schlucken musste. „Das sollte gestern kein Heiratsantrag sein, geschweige denn ein Schlachtplan für die Familiengründung.“

Die Hitze schoss in Grandines Wangen, als ihr Freund so zwanglos das aussprach, was ihr seit letzter Nacht so schwer zu schaffen machte.

Mit einem weichen Lächeln strich Igneel wieder über Grandines Wange. „Nicht, dass ich mir all das nicht mit dir vorstellen könnte… Aber so weit sind wir noch nicht. Lily und Shagotte sind gefühlt schon seit dem Urknall zusammen, aber wir noch nicht einmal ein Jahr. Okay, ich hätte dich gerne schon früher gesagt, aber sich in die kleine Schwester des eigenen Partners zu vergucken, war schon ein bisschen… furchteinflößend… Ganz zu schweigen von Acno.“

Aller Verlegenheit zum Trotz stieß Grandine ein abgehacktes Kichern aus. Ihre Brüder waren in ihren Augen die besten Brüder der Welt, aber sie waren auch ein wenig die Glucken, die ihre gemeinsamen Eltern anscheinend nie hatten sein wollen. Die Beiden hatten sich in der Anfangszeit von Grandines Studium regelmäßig bei ihr erkundigt, ob alles in Ordnung wäre. Sie hatten sich Sorgen gemacht, dass ihre damals gerade einmal siebzehnjährige Schwester sich zwischen all den älteren Studienanfängern nicht durchsetzen könnte.

„Egal…“, wischte Igneel das für ihn offensichtlich so peinliche Thema beiseite. „Jedenfalls weiß ich ganz genau, was du noch alles vor dir hast, und ich habe nicht vor, dich daran zu hindern.“

„Aber willst du denn nicht…“

Grandine brach ab, die Wangen schon wieder rot. Igneel war jetzt genau im richtigen Alter für Familiengründung. Sein bester Freund war schon seit letztem Jahr Vater eines Mädchens, seine beste Freundin würde in sechs Wochen Weißlogia heiraten…

„Irgendwann sicher, aber das läuft uns nicht weg, wenn wir noch ein bisschen warten“, erwiderte Igneel leise und beugte sich runter, um Grandine küssen zu können.

Er schmeckte nach Kaffee und diesen Pfefferminzbonbons, die er bei der Arbeit andauernd lutschte. Ein wohltuend vertrauter Geschmack, der Grandine endlich dabei half, sich zu entspannen und sich in Igneels halbe Umarmung zu schmiegen. Ihr Herz flatterte wie ein befreiter Vogel, freute sich einfach über die Zärtlichkeiten, die ihm zuteil wurden.

Als er den Kuss unterbrach, lehnte Igneel seine Stirn gegen Grandines und blickte ihr tief in die Augen. Seine nächsten Worte waren nur ein sanftes Wispern, ganz alleine für Grandines Ohren bestimmt. „Mach’ dir keine Sorgen, Dine. Ich werde immer noch hier sein, wenn du bereit bist.“

81. “Sweet dreams.” (Igneel-Weiß-Layla)

Sie hatten ihre Routine für die Abende. Nach dem Abendessen bespaßten sie gemeinsam die Kinder, bis es Schlafenszeit war. Dann übernahm Layla es, die Kinder mit einer Gute-Nacht-Geschichte einzulullen, während Igneel und Weißlogia den Haushalt übernahmen. Heute hatte Igneel diese Aufgabe alleine auf sich genommen, damit sein Partner noch mal für eine Stunde im Arbeitszimmer verschwinden konnte. Der hatte nämlich dieses Funkeln in seinen Augen gehabt, das Igneel immer sofort verriet, dass er gerade eine großartige Idee für sein Buch hatte. Das Beste, was man dann für Weißlogia tun konnte, war, ihm einen ruhigen Raum, einen Zettel und einen Stift zu geben. Dafür nahm Igneel es auch auf sich, alleine die vielen Kindersachen zusammen zu legen, auch wenn ihn die winzigen Socken jedes Mal wahnsinnig machten.

Erleichtert warf Igneel das letzte Paar rosa Söckchen in eine der drei Wäschewannen und ließ sich im Sessel zurück sinken, um auf die Geräusche im Haus zu lauschen. Das Gekicher der Kinder war irgendwann in der letzten halben Stunde verstummt. Es war vollkommen still. Zumindest bis sich von hinten geschmeidige Schritte näherten.

Lächelnd hob Igneel den Blick, als sich zwei schlanke Hände auf seine Schultern legten. In den bernsteinfarbenen Augen seines Partners lag diese besondere Weiche, die einzig und allein den Mitgliedern dieser Familie vorbehalten blieb, und an seinen schmalen Lippen zupfte ein zufriedenes Lächeln.

„Na, alles ordentlich zu Papier gebracht?“

Zur Antwort beugte Weißlogia sich zu ihm runter und gab ihm einen Kuss. Mit einem zufriedenen Schnurren schloss Igneel die Augen und genoss den zarten Lippenkontakt. Als sein Partner sich zurückziehen wollte, war er für einen Moment versucht, ihn wieder einzufangen und den Kuss zu intensivieren, aber er erinnerte sich gerade noch rechtzeitig an ihre gemeinsame Regel und ließ es lieber bleiben. Solange Layla nicht durfte, durften sie auch nicht. Ausgleichende Gerechtigkeit. Es war nur noch ein halbes Jahr oder so, ermahnte er sich selbst und stieß eines leises Seufzen aus.

Über ihm schmunzelte Weißlogia. „Das habe ich bemerkt.“

„Als ob du noch nie daran gedacht hättest“, schnaufte Igneel und stemmte sich aus dem Sessel, um eine der Wäschewannen an sich zu nehmen.

„Nicht so oft wie du“, konterte Weißlogia, während er auch nach einem der Behälter griff.

„Haltlose Unterstellung“, brummelte Igneel, was seinen Partner ein amüsiertes Schnauben entlockte.

Unter weiteren geflüsterten Neckereien räumten sie die zusammen gelegten Sachen in die richtigen Schränke und versuchten dabei gleichzeitig das schlimmste Chaos in den Zimmern zu beseitigen. Der Teppich sollte zumindest eine Chance haben, gesehen zu werden, auch wenn sich das bis morgen Mittag schon wieder in Wohlgefallen aufgelöst haben würde.

Nachdem die geleerten Wäschewannen im Badezimmer verstaut waren, schlich Igneel auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer. Auf dem großen Bett lag Layla, um sie herum verteilt ein Knäuel aus Kindern, die alle friedlich schliefen. Der neunjährige Natsu hatte den Kopf auf Laylas prallen Babybauch gelegt, während der zweijährige Happy sich in Laylas Armbeuge gekuschelt hatte. Die fünfjährigen Zwillinge klammerten sich im Schlaf aneinander. Lucys Rücken drückte sich an Laylas Seite und die zarten Finger der vierfachen Mutter strichen sanft durch Stings blonden Haarschopf.

Bei dem Anblick blieb Igneel andächtig im Türrahmen stehen. So etwas hätte er sich vor dreizehn Jahren, als er Layla und Weißlogia kennen gelernt hatte, nicht träumen lassen! Es war alles so schrecklich verwirrend zwischen ihnen gewesen. Fast ein Jahr lang hatten sie einen absurden Partnerkreisel untereinander veranstaltet, bis Laylas ältere Schwester sie alle Drei an einen Tisch zitiert und Tacheles gesprochen hatte. Danach hatten sie sich darauf eingelassen. Im Nachhinein kam es Igneel albern vor, wie sie sich damals aufgeführt hatten, aber sie hatten ewig gebraucht, um vollkommen aufrichtig mit ihrer besonderen Beziehung umgehen zu können.

Und dann hatte sich Natsu angekündigt und alles war schon wieder durcheinander geraten. Layla und Weißlogia hatten noch mitten im Studium gesteckt und Igneel hatte gerade erst seine Ausbildung abgeschlossen. Es war fürchterlich kompliziert gewesen. Die Ärzte hatten jedes Mal dumm geguckt, wenn zwei Väter bei den Ultraschallterminen zugegen gewesen waren. Wahrscheinlich hatten die sich alle möglichen dummen Geschichten über Leihmutterschaft, verworrene Vaterschaftsfragen und dergleichen mehr zusammen gesponnen. Auch ihr erster Vermieter hatte sie sehr misstrauisch beäugt, als sie zu dritt – zu viert, wenn man Natsu in Laylas Bauch mit einberechnen wollte – zur Wohnungsbesichtigung aufgekreuzt waren.

Nach Natsus Geburt hatten sie langsam in einen gemeinsamen Familientrott hinein gefunden und nach Laylas erfolgreich abgeschlossenem Referendariat, Igneels Meisterprüfung und Weißlogias erstem Buch hatten sie vorsichtig über weitere Kinder gesprochen. Und jetzt war das fünfte Kind unterwegs. In ein paar Wochen war es so weit und Igneel konnte kaum in Worte fassen, wie sehr er sich darauf freute, das Baby im Arm zu halten. Natsu und seine Geschwister waren auch alle ganz aus dem Häuschen.

„Wir brauchen wohl ein größeres Bett.“

Überrascht blickte Igneel nach links. Er war so in den Anblick der Kinder vertieft gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie Weißlogia neben ihn getreten und ihm sogar einen Arm um die Hüfte gelegt hatte.

Auch Layla bemerkte erst jetzt, dass sie nicht mehr alleine mit den Kindern war. In ihre braunen Augen trat dieses besondere Funkeln, mit dem sie ihre Partner immer neckte. „Vielleicht könnt ihr heute Nacht auf dem Sofa schlafen?“

„Ganz bestimmt nicht“, protestierte Igneel flüsternd und trat zum Bett, um seine Arme behutsam unter Natsus Körper zu schieben.

Der Junge brabbelte etwas von Steak vor sich hin und sabberte sogar im Schlaf, aber er wurde nicht wach, als sein Vater ihn in sein eigenes Kinderzimmer trug und dort auf dem Bett ablud und zudeckte. Zur selben Zeit brachte Weißlogia den gemeinsamen Adoptivsohn Happy ins Nachbarzimmer und stellte sicher, dass das Babyfon eingeschaltet war. Zwar schlief Happy schon seit einem halben Jahr problemlos die Nächte durch, aber sie waren sich einig, dass es nicht schaden konnte, noch bis zur Geburt des Babys zu warten, ehe sie Happy ein normales Bett besorgten.

Die Zwillinge mussten Igneel und Weißlogia ganz vorsichtig voneinander lösen und ins letzte Kinderzimmer bringen, wo Sting in die obere Etage des Doppelstockbetts gelegt wurde, während Lucy darunter kam. Wahrscheinlich würde Sting morgen früh wieder bei seiner älteren Zwillingsschwester mit im Bett liegen. Solange sie noch so jung waren, sah keiner ihrer Eltern einen Grund dafür, dem einen Riegel vorzuschieben. Wahrscheinlich war Igneel auch nicht der Einzige, der schon mehrere Fotos davon auf dem Smartphone hatte, wie sich die Zwillinge im Schlaf aneinander kuschelten.

Mit einem letzten Kuss auf Lucys Stirn zog Igneel sich auch aus diesem Kinderzimmer zurück und ging mit Weißlogia zu Layla, die nun mit beiden Händen ihren Bauch streichelte und mit geschlossenen Augen in sich hinein lächelte.

Zu beiden Seiten der Schwangeren stiegen Igneel und Weißlogia ins Bett und legten beinahe gleichzeitig je eine Hand auf den Bauch, was Layla dazu veranlasste, die Augen wieder zu öffnen.

„Heute ist er ganz ruhig“, erklärte sie schläfrig.

Obwohl sie sich das Geschlecht nie hatte sagen lassen, war Layla davon überzeugt, dass es ein Junge würde. Als Igneel mal eingewendet hatte, dass sie und Lucy doch ein wenig Frauenunterstützung brauen könnten, hatte Layla nur gelacht und erwidert, dass Lucy in ein paar Jahren wahrscheinlich alle Männer der Familie fest im Griff haben würde. Natürlich hatte Igneel die niedliche Unschuld seiner Tochter vehement verteidigt, aber insgeheim musste er sich eingestehen, dass seine Partnerin wohl Recht hatte. Das Mädchen war jetzt schon ausgesprochen energisch. Sicher würde es seinen Brüdern zeigen, wo der Hammer hing.

„Dann kannst du ja mal ganz in Ruhe schlafen“, stellte Weißlogia zufrieden fest und drückte einen Kuss auf Laylas Schläfe.

Die Blonde drehte den Kopf, um Weißlogia richtig küssen zu können, dann wandte sie sich zu Igneel herum und gab ihm ebenfalls einen zarten Kuss. Sie war wirklich schrecklich müde. Igneel konnte spüren, wie ihr ganzer Körper sich immer mehr entspannte. Im hochschwangeren Zustand und mit vier Kindern hatte Layla aber auch allen Grund, um müde zu sein. Zum Glück hatte Weißlogia die Möglichkeit, größtenteils von Zuhause aus zu arbeiten. Die drei Termine in der Woche, wenn er abends an der Uni Seminare oder Vorlesungen abhielt, konnte Igneel immer abdecken, weil er dann schon Feierabend hatte. Sie waren ein eingespieltes Team.

Über Laylas Bauch spürte Igneel Weißlogias tastende Hand. Bereitwillig spreizte er die Finger, damit Weißlogias sich dazwischen schieben konnten. So miteinander verschränkt, legten sie ihre Hände wieder auf Laylas Bauch und auf ihren Fingern ab, um auch mit ihrer Partnerin Kontakt zu haben.

Als Igneel die letzte Nachttischlampe verlöschte, seufzte Layla zufrieden. Ihre letzten Worte waren ein kaum verständliches Nuscheln, aber sie entlockten Igneel dennoch ein seliges Lächeln.

„Süße Träume.“

82. “I was in the neighbourhood.” (Cobrana)

Mit einem Seufzen lud Kinana den letzten Müllsack im richtigen Container im Hinterhof ab und schloss dessen Deckel wieder, damit kein Ungeziefer hinein gelangen konnte, ehe sie ins Innere des Sabertooth zurückkehrte. Die Stühle waren alle umgedreht und auf die Tische gestellt worden, alle Tischplatten waren poliert, die Bar blitzblank, der Boden gefegt und gewischt, beinahe alle Lichter gelöscht. Es leuchteten nur noch die Lampe über der Bar und die Lampe am Eingang des rustikalen Restaurants.

An der Bar stand Pantherlily und faltete gerade den Kassenzettel zusammen, mit dem er die Abrechnung gemacht hatte, während Kinana aufgeräumt hatte. So ganz taufrisch sah der ehemalige Polizist auch nicht mehr aus. Kein Wunder, sie waren zwei Stunden über der eigentlichen Schließzeit.

Eine Stunde vor Schluss war eine Junggesellenparty herein geschneit. Die jungen Männer waren schon reichlich angeheitert gewesen und Pantherlily war vorsichtshalber lieber da geblieben, obwohl Kinana normalerweise problemlos in der Lage war, selbst den Laden zu schließen. Der Dunkelhäutige hatte die Bande immer wachsam im Auge behalten, aber die hatten sich zum Glück damit begnügt, in der dafür vorgesehenen Ecke Dart zu spielen und zu trinken. Wenn Kinana ihnen Getränke gebracht hatte, hatten sie zwar immer flotte Sprüche parat gehabt, aber sie hatten ihre Finger bei sich behalten.

Insgesamt war es kein besonders auffälliger Abend gewesen, noch nicht einmal ein wirklich anstrengender, da die Männer mit der Zeit immer träger geworden waren und ihre Bierflaschen immer langsamer geleert hatten. Pantherlily und Kinana hatten sogar schon um die Gruppe herum mit dem Aufräumen angefangen, ohne wirklich unterbrochen zu werden. Vor einer Viertelstunde hatte Pantherlily die Gäste schließlich aus dem Restaurant heraus komplimentiert. Der zukünftige Bräutigam hatte sich auf dem Weg zur Tür bei Pantherlily eingehakt und ihm vorgesäuselt, was für eine wunderschöne Frau er in einer Woche heiraten würde. Bei der Miene ihres Chefs hatte Kinana sich ein leises Kichern nicht verkneifen können.

„Endlich Feierabend“, seufzte Pantherlily und steckte den Kassenzettel ins Abrechnungsbuch, um es gemeinsam mit der ausgezählten Kasse hochzuheben. „Ich werde zu alt für solche albernen Truppen…“

Schon wieder musste Kinana kichern. „Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass du vor deiner Hochzeit mit Shagotte eine Junggesellenparty gefeiert hast.“

„Habe ich auch nicht“, gab der Dunkelhäutige mit einem Schulterzucken zu. „Ich hatte Metallicana ja im Verdacht, dass er’s organisieren würde, aber der hatte dann… andere Probleme… Wir haben hier mit unseren Freunden unseren Polterabend gefeiert. Das war viel gemütlicher und hat auch nicht so viel gekostet.“

Irgendwie passte das in Kinanas Vorstellung zu ihrem Chef und dessen Frau. Shagotte mochte mit ihrer eleganten Art auf viele zunächst kühl wirken, aber Kinana hatte sie bereits oft genug im Kreise ihrer Freunde und Familie gesehen, um zu wissen, wie wichtig ihr das Beisammensein mit eben jener war. Insbesondere mit ihrer Tochter ging sie sehr vertraut um und es bestand auch kein Zweifel, dass sie die hingebungsvollen Gefühle ihres Mannes erwiderte. Kinana musste jedes Mal lächeln, wenn sie ihren Chef und dessen Frau im Umgang miteinander beobachten konnte.

Die Andeutung wegen Metallicanas Problemen genügte Kinana auch. Was genau passiert war, wusste sie nicht – und das ging sie auch nichts an, weshalb sie nie nachgefragt hatte – aber ihr war natürlich nicht entgangen, dass der Bosco seit vielen Jahren keine Frau mehr an seiner Seite hatte.

„Ich bringe nur noch die Kasse in den Tresor, dann bringe ich dich nach Hause“, erklärte Pantherlily.

„Aber das ist doch ein Umweg für dich“, protestierte Kinana empört. „Shagotte hat doch sicher Essen für dich gemacht.“

„Das Essen muss ich so oder so aufwärmen und es ist viel zu spät, um dich noch alleine durch die Innenstadt laufen zu lassen“, erwiderte der ehemalige Polizist rigoros.

Für einen Moment erwog Kinana, noch einmal Protest zu erheben, aber dann zuckte sie ergeben mit den Schultern. Sie kannte Pantherlily bereits, seit er ihr im Alter von siebzehn Jahren geholfen hatte, von der Straße zu kommen. Er hatte ihr nach ihrem nachgeholten Schulabschluss einen Job angeboten. Im Grunde war er so etwas wie ein Vater für sie. Daher wusste sie ganz genau, dass er nicht nachgeben würde.

„Ist nicht nötig.“

Überrascht drehte Kinana sich zur Tür um, in der niemand geringerer als Erik stand. Er hatte die Hände in den Taschen seiner Baggy Jeans vergraben und die breiten, muskulösen Schultern beinahe bis zu den Ohren hochgezogen. Kinana hatte Erik schon oft im Umgang mit seinen Kameraden und den Rekruten unter seinen Fittichen gesehen, da gab er sich immer so schroff und selbstbewusst, aber in Pantherlilys Gegenwart wirkte er irgendwie immer, als würde er sich in der Defensive befinden, aber gleichzeitig versuchen, trotzig zu bleiben. Dabei sollte man meinen, dass er das mit dreißig Jahren nicht mehr nötig hätte, egal wie sehr Pantherlily ihm damals den Kopf gewaschen hatte, ehe er ihn und seine ständig Unruhe stiftende Bande zu einem Freund bei der Armee geschickt hatte.

„Erik, ich wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist“, grüßte Pantherlily und bedachte Kinana mit einem amüsierten Blick.

Die versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie verlegen sie war. Eben weil ihr Chef sie immer wieder damit aufzog, behielt sie es meistens für sich, wenn Erik nach Magnolia kam. Es kam so selten vor, meist nur zwei- oder dreimal im Jahr, weil Erik und seine Kameraden im Grunde ohne Unterlass von einer Kaserne zur nächsten zogen, um Rekruten zu drillen. Deshalb war jedes Treffen etwas Besonderes für Kinana. Auch wenn die Telefonate mit Erik auch schön waren, so schweigsam er dabei auch manchmal war. Er war einfach kein Mann vieler Worte, aber er war ein überraschend guter Zuhörer geworden.

„Kinana hat mir eine SMS geschrieben, dass es hier länger dauert“, erwiderte Erik, ohne wirklich auf die Worte des Polizisten einzugehen, und zog die Schultern sogar noch ein wenig höher. „Und da ich in der Gegend war…“

„Sicher.“ Pantherlily nickte mit ruhiger Miene, aber genau das war Hinweis genug. „Wahrscheinlich eine spätabendliche Shoppingtour, oder?“

„Ganz genau“, grummelte Erik und drehte sich im Türrahmen um. „Kommst du, Kinana?“

Verlegen blickte sie sich noch mal um, um sicher zu gehen, dass wirklich nichts mehr zu erledigen war. Pantherlily schnaubte leise. „Schönen Restabend noch, Kinana. Nimm dir beim nächsten Mal frei, wenn dein Freund in der Stadt ist.“

Von der Tür erklang ein gereiztes Knurren und Kinanas Wangen wurden warm, während sie sich beeilte, ihre Jacke und ihre Tasche unter der Kasse hervor zu holen und ihrem Freund zu folgen. Sie kannte Erik schon, seit Pantherlily sich seiner angenommen hatte, und irgendwie waren sie immer in Kontakt geblieben, aber gerade weil sie nicht genau festlegen konnte, wann aus ihr und Erik mehr als nur Bekannte geworden war, machte sie das Thema immer noch verlegen.

Zumindest wusste sie aber mit völliger Sicherheit, dass sie und Erik mehr waren. Sie hatten es nie in Worte gefasst, hatten einfach nur eine neue Routine für die Zeit entwickelt, wenn er in Magnolia war, aber Kinana kannte Erik gut genug, um den Sinn hinter seinen ruppigen Gesten zu verstehen. Anders konnte er seine Gefühle nicht zum Ausdruck bringen. Er hatte es nie gelernt oder hatte zu viele Hemmungen.

Aber es reichte, um Kinana glücklich zu machen.

Und sei es auch nur, indem er sie unter einem fadenscheinigen Vorwand von der Arbeit abholte, damit sie nicht alleine im Dunkeln nach Hause gehen musste.

83. “Stay there. I’m coming to get you.” (Lucy-Juvia-Yukino)

„Ihr wollt mich doch veralbern, oder?“

Obwohl sie ihre Freundin nicht sehen konnte und umgekehrt, zog Juvia schuldbewusst den Kopf ein und Yukino neben ihr spielte nervös mit ihren schlanken Fingern herum, während sich ihre Ohren langsam röteten.

„Es tut Juvia wirklich Leid, sie hat Yukino abgelenkt“, beeilte die Blauhaarige sich zu sagen.

„Wir haben einander abgelenkt“, widersprach die Andere sofort und wandte sich energisch an das auf Laut gestellte Smartphone in Juvias Hand, auf dem der Name ihrer gemeinsamen Freundin zusammen mit einem Foto von ihr abgebildet wurde. „Ich bin genauso schuld wie Juvia, Lucy!“

Vom anderen Ende der Leitung war nur ein schwerer Seufzer zu hören und sofort senkte Yukino den Blick wieder auf ihre Finger. Zaghaft streckte Juvia die freie Hand aus und legte sie auf Yukinos Hand, um sie festzuhalten. Ganz automatisch verwoben sich ihre Finger miteinander und Juvia genoss das leichte Kribbeln, das dabei durch ihren Körper fuhr.

„Ihr Beiden…“, ließ Lucy sich vernehmen und Juvia hatte lebhaft vor Augen, wie die Blondine sich mit geschlossenen die Schläfen rieb, wie sie es immer tat, wenn sich Kopfschmerzen ankündigten.

Automatisch fühlte sie sich noch schuldiger. Lucy steckte bis zum Hals in Arbeit mit dieser neuen Datenbank, die ihr Doktorvater im Historischen Institut einführen wollte – weil normale Bibliotheken ja angeblich nicht mehr zeitgemäß waren. So hatte Lucy sich zumindest mal beklagt, nur um sich im nächsten Moment doch wieder mit Feuereifer in diese Herausforderung zu stürzen. Sie war nun einmal ein Dickkopf und ein Arbeitstier. Wäre sie das nicht, wäre sie nicht mehr die Lucy, die Juvia und Yukino so liebten.

Dennoch versuchten die beiden Kunststudentinnen natürlich, ihrer Freundin nicht noch mehr Arbeit zu machen, aber sie hatten sich heute bei ihrem gemeinsamen Projekt – mit mittelalterlichen Methoden ein Fresko in einer der Apsidiolen der Kardia-Kathedrale anbringen, was für eine großartige Gelegenheit! – völlig in der Zeit vertan und den letzten Zug verpasst. Und anders als die Universität war die Kardia-Kathedrale viel zu weit von der Wohnung entfernt, um zu Fuß zu laufen.

„Ich hätte wirklich damit rechnen müssen“, seufzte Lucy müde.

Yukinos Finger zuckten zwischen Juvias und die Weißhaarige biss sich auf die Unterlippe. Unwillkürlich beugte Juvia sich vor und hauchte ihrer Freundin einen Kuss auf die Lippen, um sie einerseits davon abzuhalten, sich selbst weh zu tun, und um sie andererseits zu beruhigen.

Yukino kannte Lucy noch nicht so lange wie Juvia, die bereits wusste, dass ihre Freundin jetzt zwar entnervt war, aber keineswegs böse. Das war einfach nicht Lucys Art. Dafür war sie viel zu fair. Immerhin waren Juvia und Yukino schon mehr als einmal mitten in der Nacht zur Universität hinüber gelaufen, um ihre Freundin heim zu holen, die wieder in ihre Recherchen für ihre Doktorarbeit vertieft war.

Zur Antwort erhielt Juvia ein sanftes Lächeln und ihre Finger wurden zärtlich gedrückt. Trotz der ungemütlichen Situation, in der sie steckten, wurde ihr wohlig warm zumute und einmal mehr war sie glücklich darüber, dass sie und Lucy die Weißhaarige getroffen hatten. Es hatte auch vorher wunderbar zwischen ihnen Beiden funktioniert, aber als sie alle sich darauf eingelassen hatten, war es erst perfekt geworden.

Mit ihrer sanftmütigen, verständnisvollen Art und ihrer ruhigen Vernunft fügte Yukino sich bei ihnen ein wie ein Puzzleteil. Es passte einfach in jedweder Hinsicht. Und Juvia und Lucy waren wahrscheinlich die Einzigen, die auch mal Zeugen von Yukinos feurigem Temperament wurden – abgesehen vielleicht von Yukinos besten Freund Sting, aber der kannte sie ja auch schon seit dem Sandkastenalter. Es war unglaublich süß, wenn die Weißhaarige anfing, zu wettern und zu fluchen wie ein Rohrspatz!

„Tut mir Leid, ich hätte euch rechtzeitig vor dem letzten Zug anrufen sollen.“ Verdutzt blinzelnd blickte Juvia wieder auf das Smartphone-Display hinunter, das ihr Lucy im Profil mit offenen Haaren und einem wunderschönen verträumten Lächeln zeigte. „Ich weiß doch, wie schnell ihr die Zeit vergesst, wenn ihr erst einmal so richtig in der Arbeit drin steckt. Und wegen dieses Freskos freut ihr euch schon seit Wochen…“

Juvias Wangen wurden warm und ihr Herz flatterte vor Aufregung. Obwohl Lucy so viel Stress gehabt hatte, hatte sie dennoch auf sie und Yukino geachtet. Konnte es eine bessere Freundin als sie geben?! Als Juvia den Blick wieder hob, erkannte sie in Yukinos großen, braunen Augen dieses zärtliche Funkeln und sie wünschte sich, Lucy wäre hier, um das zu sehen.

„Bleibt dort. Ich komme euch holen.“

Das hieß immer noch eine halbe Stunde Wartezeit, denn Lucy hatte zwar einen Führerschein und ihr eigenes Auto, aber sie fuhr eigentlich nicht besonders gern. Das Auto hatte sie sich nur aus praktischen Gründen angeschafft. Wenn sie mal fuhr, war sie übervorsichtig und –korrekt, insbesondere bei Nachtfahrten.

„Wir lieben dich, Lucy“, sagte Yukino scheu.

Am anderen Ende der Leitung erklang ein unverständliches, aber eindeutig verlegenes Brummen. Schließlich nuschelte Lucy nur „Ich euch auch“ und legte auf.

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um Lucy zu danken“, murmelte Yukino, während Juvia das Smartphone zurück in ihre Tasche schob.

„Juvia wird sicher etwas einfallen“, erklärte die Blauhaarige mit einem versonnenen Lächeln und rutschte näher an ihre Freundin heran, um diese küssen zu können.

84. “The key is under the mat.” (ScorpioAquarius)

Mit einem zufriedenen Seufzer ließ Aquarius ihre Mappe mit den Abrechnungen für diesen Monat auf Capricorns Schreibtisch fallen. Von dem Älteren war nichts zu sehen, höchst wahrscheinlich war er noch mit Mavis bei der Stiftung. Für nächste Woche war eine große Veranstaltung geplant, dementsprechend viel Mehrarbeit fiel gerade an.

Aquarius beneidete den Mann nicht darum. Die Verwaltung von Vermillion Manor war bereits mehr als genug Arbeit für sie, aber Capricorn war als Persönlicher Assistent von Mavis Dragneel-Vermillion nicht nur für Vermillion Enterprise, sondern auch für Zodiac Circle zuständig. Ein stinkreiches, top innovatives Automobilunternehmen und eine Stiftung mit breit gefächerten karitativen Zielsetzungen. Und so ganz nebenbei war Capricorn auch dafür zuständig, dass Aquarius und ihre Mitarbeiter pünktlich ihre Gehälter bekamen und dass immer genug Geld auf dem Hauswirtschaftskonto war.

Ob bei all dem überhaupt noch Zeit für ein Privatleben blieb? Nun gut, die Frage ließ sich auf unterschiedliche Art und Weise beantworten. Sowohl das letzte als auch das aktuelle Oberhaupt der Familie Vermillion-Heartfilia – neuerdings auch gerne mal Dragneel-Vermillion-Heartfilia genannt, weil sich keiner von ihnen von alten Namen trennen konnte – pflegten ein intaktes Familienleben.

Bei Capricorn allerdings war Aquarius sich nie so wirklich sicher, was er überhaupt in seiner Freizeit machte. Verheiratet war er auf alle Fälle nicht und so viel Zeit, wie er hier in Vermillion Manor und an der Seite seiner Vorgesetzten verbrachte, war es unwahrscheinlich, dass er eine Lebensgefährtin hatte. Oft genug sah Aquarius ihn abends durch den Garten des Anwesens schlendern oder in der Bibliothek schmökern. Für Capricorn schienen die vier Vermillion-Kinder und ihr Umfeld alles zu sein, was er an Familie brauchte.

Vielleicht lag das an der Mutter. Aquarius hatte selbst noch einige Jahre unter Layla Vermillion-Heartfilia gearbeitet und die Frau von Anfang an zutiefst respektiert. Aber bei Capricorn, der bereits viele Jahre für die Familie gearbeitet hatte, als Aquarius gerade erst hier angefangen hatte, war da eindeutig mehr gewesen. Zwischen Capricorn und Layla hatte es eine tiefe Freundschaft gegeben. Als Layla vor einigen Jahren gestorben war, hatte es ihn schwer erschüttert. Wahrscheinlich hatte er sich danach zum Ziel gesetzt, sich gut um die Familie seiner alten Freundin zu kümmern. Und weil er eigentlich nicht unbedingt der herzliche Typ war, tat er das eben mit Arbeit.

Als Aquarius’ Blick auf das einzige Foto auf dem perfekt geordneten Schreibtisch fiel, schnaubte sie amüsiert. Egal wie oft sie es sah, es war immer wieder ulkig, wie Capricorn mit seiner perfekten Haltung, die auch eines Butlers würdig wäre, da auf der Couch saß, auf seinem Schoß eine freudestrahlende, dreijährige Lucy, in seinen Armen ein Baby, zu beiden Seiten Mavis und Rakheid. Erstere wirkte selbst damals schon mit acht Jahren kleiner als ihr jüngerer Bruder, der wiederum in die Kamera grinste und das Victory-Zeichen machte, als wäre die Existenz des Bündels in Capricorns Armen sein persönlicher Verdienst. Capricorn blickte direkt in die Kamera und seine Miene mochte so beherrscht wie immer aussehen, aber wer genau hinsah, konnte doch ein Lächeln erkennen.

Tief in seinem Herzen war der Mann wohl doch ein Softie.

Gemächlich durchquerte Aquarius das große Haus, wobei sie unterwegs ein paar Spielsachen einsammelte und sie in eine Kiste im Wohnzimmer legte, und verließ es über die Veranda, um auf dem Weg zur Nordgrenze des Anwesens im Garten sicher zu gehen, dass Taurus und Cancer mit dem neuen Kürbishochbeet gut voran gekommen waren. Tatsächlich hatten die Beiden heute große Fortschritte gemacht. Mavis und Lucy würden sich darüber freuen, dass sie nächstes Jahr aussähen konnten.

Jenseits des Gartens schloss ein Paddock das Grundstück ab, in dessen Zentrum der geräumige Stall für die Familienpferde lag, ein liebevoll in Schuss gehaltenes Gebäude mit großen Fenstern, um frische Luft und Licht ins Innere zu lassen. Das Shetland Pony, das vor zwei Jahren für den jüngsten Familienzuwachs angeschafft worden war, schnoberte neugierig, als es die Frau entdeckte, aber die ging einfach an ihm vorbei. Sie hatte mit den Pferden und Ponys nicht wirklich etwas am Hut, wenn man davon absah, dass sie sich natürlich auch um die Unterhaltung des Stalls kümmern musste. Für die tatsächliche Versorgung der Tiere gab es zwei Pferdewirte.

Einer davon war Scorpio und stand jetzt vor einer der Einzelboxen, die für Sonderfälle immer bereit standen. Sonnengebräunte Haut über fein definierten Oberarmmuskeln kündete von der täglichen harten Arbeit im Freien. Einen scharfen Kontrast dazu stellten die kurz geschorenen Haare dar: Zur Hälfte rot und zur Hälfte weiß gefärbt. Das war schon seit Jahren sein Markenzeichen und er achtete ziemlich penibel darauf, immer rechtzeitig nachzufärben. Aquarius konnte nur raten, was seine Originalhaarfarbe war, aber wenn sie ehrlich war, hatte es sie nie wirklich interessiert, weil Scorpio ihr genau so gefiel, wie er jetzt war.

Seiner Arbeit entsprechend trug er robuste Jeans und festes Schuhwerk. Den sommerlichen Temperaturen war ein einfaches Muskelshirt geschuldet. Sehr zu Aquarius’ Freude. Einen größeren Augenschmaus könnte sie auf offener Straße definitiv nicht finden!

Als er ihre Schritte hörte, drehte Scorpio sich herum. Auf seine Lippen schlich sich ein verwegenes Grinsen, das ausgesprochen gut zur Gesamterscheinung passte. Sorgsam sah Aquarius sich um, dass auch wirklich niemand außer dem Pferd in der Einzelbox in der Nähe war, dann machte sie zwei große Schritte auf Scorpio zu und schlang im nächsten Moment die Arme um seinen Hals, um ihn für einen inbrünstigen Begrüßungskuss herunter zu ziehen.

Bereitwillig erwiderte Scorpio den Kuss und schlang die Arme um Aquarius’ Taille. Es war eine besitzergreifende und zugleich behütende Geste, wie Aquarius sie in der Öffentlichkeit nicht zulassen würde. Niemanden ging es etwas an, wie weich und weiblich sie wurde, wenn sie mit ihrem langjährigen Partner zusammen war. Das war ihr Privatleben – ja, im Gegensatz zu Capricorn hatte sie eines, das sie allen Respekts und aller Zuneigung zum Trotz auch nicht mit der Familie ihrer Arbeitgeberin zu teilen gedachte.

„Tut mir Leid, Babe“, ließ Scorpio sich schließlich vernehmen, als sie sich voneinander lösen konnten. Er deutete hinter sich. „Plue kränkelt und ich muss warten, bis der Doc ihn sich angesehen hat, ehe ich entscheiden kann, ob ich heute gehen kann. Sagi hat heute frei, also bleibt das an mir hängen.“

Stirnrunzelnd blickte Aquarius den gealterten Apfelschimmel in der Einzelbox an, den Lucy vor fünfzehn Jahren als Reitpferd bekommen hatte. Ursprünglich hatte das Tier irgendeinen hochtrabenden Namen gehabt, aber Lucy hatte ihn umbenannt. Plue war auch nicht unbedingt besonders passend, aber Lucy war damals wie heute überzeugt davon, dass das genau der richtige Name war.

Selbst für Aquarius war offensichtlich, dass es dem Wallach nicht gut ging. Er ließ den Kopf hängen und atmete schwer, die Augen müde auf den Boden gerichtet. Vielleicht – hoffentlich, dachte Aquarius mit einem Anflug von Mitleid für Lucy, den sie nicht so einfach zugeben würde – war es nur eine simple Erkältung. Aber Plue war schon nicht mehr der Jüngste, da war sogar so eine Erkältung schon bedenklich.

„Das ist ein ganz beschissenes Timing, Plue“, sagte Aquarius dennoch finster. „Das versaut uns die Pläne für den Abend.“

„Das holen wir nach, Babe, versprochen“, erklärte Scorpio und schlang einen Arm um ihre Schultern. „Ich habe mich auch darauf gefreut, die Nacht bei dir verbringen zu können, aber was soll man machen? Bis der Doc da ist, dauert das sicher noch eine Weile und ich will nicht am späten Abend bei dir klingeln, da bleibe ich heute Nacht lieber hier.“

Missmutig blickte Aquarius zu Boden. Obwohl sie schon so lange zusammen waren, hatte noch jeder von ihnen seine eigene Wohnung. Beziehungsweise Scorpio gehörte zu den Angestellten von Vermillion Manor, die auf dem Gelände wohnten. Er hatte eine geräumige Wohnung über dem Heuschuppen, aber für Aquarius war das nichts. Auch wenn sie dafür einen Arbeitsweg von einer Dreiviertelstunde hatte – sofern sie bei der Stadtautobahn nicht in den Stau geriet –, bevorzugte sie ihre 3-Raum-Wohnung in der Stadt.

Wenn sie gemeinsam einen freien Abend hatten, leistete Scorpio ihr in ihrer Wohnung Gesellschaft. Das waren auch ihre Pläne für heute gewesen. Gemeinsam kochen und dann die Zweisamkeit genießen. Auch wenn sie wusste, dass der arme Plue nichts dafür konnte, nervte es Aquarius, heute Nacht auf Scorpio verzichten zu müssen. Denn mal ehrlich: Was gab es Besseres, als neben einem Mann wie Scorpio aufzuwachen?

„Ich lege meinen Ersatzschlüssel unter die Türmatte“, erklärte sie schließlich und hob den Blick wieder. „Komm’ nach, wenn du hier fertig bist, und benutze den Schlüssel. Dann haben wir wenigstens morgen früh noch Zeit für uns.“

Überrascht zog Scorpio die Augenbrauen hoch und Aquarius konnte es ihm nicht verdenken. Bisher hatte nie die Notwendigkeit bestanden, über das Thema Zusammenziehen zu sprechen, und Scorpio war immer nur in ihrer Begleitung in ihre Wohnung gekommen, deshalb hatte er auch keinen Ersatzschlüssel parat. Aber vielleicht war es an der Zeit, das zu ändern. Sie waren ja nun wirklich lange genug zusammen!

Als sich ein Lächeln auf Scorpios Zügen ausbreitete, verspürte Aquarius eine eigenartige Aufregung, die über ihre sonstige innere Schwärmerei hinaus ging. Es war ein sanftes Lächeln, viel intensiver noch als das Grinsen vorhin.

„Alles klar. Der Schlüssel ist unter der Türmatte“, wiederholte Scorpio und beugte sich vor, um Aquarius noch mal zu küssen.

Und für den Moment verdrängte sie alle Gedanken daran, was wohl mit dieser ganzen Sache alles einhergehen könnte, und genoss einfach nur Scorpios Nähe.

85. “It doesn’t bother me.” (HibikiLevy)

Wo bist du gerade?

Leise schnaufte Levy, als sie diese SMS ihrer besten Freundin las. Lucy war schon mal subtiler gewesen. Nachdem sie sich noch einen Bissen Lasagne in den Mund geschoben hatte, ergriff Levy ihr Handy und tippte eine Antwort: Keine Sorge, ich bin schon in der Mensa und esse. Du musst mich nicht kontrollieren -.-

Wenn ich es tatsächlich nicht müsste, würde ich es auch nicht tun! ò.ó

Levy verdrehte die Augen und legte das Mobiltelefon beiseite, um stattdessen eine Konjugationstabelle für Alt-Bosco näher heran zu ziehen, die beinahe am anderen Ende des Mensatisches lag, auf welchem Levy sich mit ihren Unterlagen ausgebreitet hatte. Wahrscheinlich konnte Lucy sich denken, dass Levy gegen Regel Nummer Zwei verstieß und während des Essens weiter arbeitete, aber kontrollieren konnte sie es ja nicht. Sie selbst war mit Loke im Urlaub, um ihr Drei-Jahres-Jubiläum zu feiern – und wenn Levy die Zeichen richtig gedeutet hatte, würde Lucy demnächst wohl sowieso nicht mehr an Levys Ernährung denken. Und all diejenigen, die Lucy normalerweise rekrutierte, um Levy zu überwachen, waren jetzt auch entweder im Urlaub oder mussten arbeiten.

Im Grunde hätte Levy sich also gar nicht an Regel Nummer Eins halten müssen und in der Bibliothek bleiben können, um in dem Arbeitsraum, den sie für sich dort eingerichtet hatte, Material für ihre Masterarbeit sammeln zu können – es war schon echt praktisch, dass sie zwei Jahre lang dort als Studentische Mitarbeiterin gewesen war, so hatte sie immer noch nützliche Kontakte! Aber Levy war in den letzten vier Wochen so scharf von ihren Freunden überwacht und zu regelmäßigen Essenszeiten genötigt worden, dass ihr Körper sich mittlerweile wieder daran gewöhnt hatte und nun seine Rechte einforderte. Verräter, der!

Dabei gab es doch noch so viel zu tun. Levy musste lauter Sachen recherchieren und Sprachvergleiche anstellen und lesen, lesen und nochmals lesen! Dafür ging sie von Mittwoch bis Samstag jeden Tag in die Universitätsbibliothek – Montag und Dienstag musste sie im Stadtarchiv arbeiten und am Sonntag arbeitete sie Zuhause weiter, so gut das eben bei dem Krach des Spielplatzes im Innenhof möglich war.

Laut Lucy war dieses Arbeitspensum nicht gesund – dabei hatte die mit ihrer Masterarbeit im Literaturwissenschaftsstudium wohl kaum weniger zu tun. Deshalb gab es jetzt Regeln für Levy, wann sie essen und schlafen sollte. In ihren Augen vollkommen albern, immerhin war sie erwachsen und konnte schon selbst auf sich aufpassen, aber weil Lucy richtig anstrengend werden konnte, wenn man sie ignorierte, hielt sie sich an die Regeln. Meistens zumindest.

„Hallo Levy, darf ich mich dazu setzen?“

Beim Klang der tiefen Männerstimme ruckte Levys Kopf hoch. Innerhalb von Sekundenbruchteilen schien ihre Körpertemperatur in die Höhe zu schießen und ihr Herz schlug ihr auf einmal bis zum Hals. Vor ihrem Tisch stand niemand geringerer als Hibiki Lates!

Und er sah so perfekt wie immer aus.

Seine braunen Haare hingen ihm genau so ins Gesicht, dass es elegant und eben nicht so pseudocool aussah wie bei den ganzen SpoWi-Leuten, die sich in der Mensa immer wie eitle Gockel aufführten. Er trug Jeans, ein schlichtes Shirt und darüber ein offenes, kurzärmeliges Hemd. Alles war aufeinander abgestimmt, mit dem Outfit könnte Hibiki im Grunde zu einem Shooting gehen, aber es strahlte auch eine besondere Souveränität aus, die den Schönlingen, die Levy in den Sprachwissenschaften immer so auf den Zeiger gingen, völlig fehlte.

„Hi-Hibiki!“, quietschte Levy und hätte sich im nächsten Augenblick am liebsten unterm Tisch versteckt. „W-was machst du denn hier? Musst du nicht arbeiten?“

„Normalerweise schon, aber ich muss nachher etwas aus dem Universitätsarchiv abholen. Bob hat mich wegen der Baustelle am Stadtring etwas früher losgeschickt, aber es ging dann doch schneller als gedacht. Deshalb habe ich noch etwas Zeit für einen Kaffee.“

Zur Untermalung seiner Worte hob Hibiki eine Tasse an. Auf seinen Lippen lag wie immer dieses besondere Lächeln, bei dem Levy das Gefühl hatte, gleich in Rauch aufzugehen. Wie um Himmels Willen konnte ein Archivar nur derartig attraktiv und charmant sein?!

Levy schwärmte schon für ihn, seit sie vor einem Jahr für ihr Praktikum im Stadtarchiv angefangen hatte. Vielleicht lag es daran, dass er zwei Jahre älter war, sein Studium bereits abgeschlossen hatte und mit beiden Beinen fest im Berufsleben stand, aber er strahlte einfach etwas aus, was aus Levy, die sich bis dato so gut wie überhaupt nicht für Männer als solche interessiert hatte, eine schmachtende Pfütze mit dem Niveau eines unreifen Schulmädchens machte.

Natürlich fand Lucy das großartig und sie lag Levy alle Nase lang damit in den Ohren, dass sie Hibiki doch mal nach einem Daten fragen sollte, aber eher würde die Hölle gefrieren! Levy wollte keines dieser kichernden Mädchen sein, die sich andauernd an den Arm ihres Schwarms hängten. Und überhaupt: Bei seinem Charme musste Hibiki sich mit jemandem wie ihr wohl kaum abgeben.

„Darf ich also?“, fragte Hibiki und deutete auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches. Sein kluger Blick glitt langsam über das Sammelsurium aus Aufzeichnungen, Kopien und Büchern. „Oder soll ich mir lieber einen anderen Tisch-“

„N-nein!“, quiekte Levy hastig und deutete mit zitternder Hand auf den freien Stuhl. „Bitte, setz’ dich doch!“

Zum Dank erhielt sie schon wieder so ein charmantes Lächeln, das eigentlich verboten gehören sollte. Hibiki ließ sich auf dem Stuhl nieder und suchte kurz nach einem Platz für seine Tasse, ehe er sie doch in der Hand behielt.

Sofort wurde Levy noch wärmer im Gesicht. Normalerweise war es ihr egal, was Andere darüber dachten, dass sie so viel Arbeit in diese Sache investierte. In der vorlesungsfreien Zeit war es sowieso ruhig genug in der Mensa, da konnte sie es sich erlauben, einen ganzen Mensatisch für sich zu beanspruchen. Aber mit Hibiki am Tisch, der so reif und souverän und klug war, fühlte sie sich auf einmal wie die hinterletzte Chaotin.

„T-tut mir Leid, ich räume ein wenig auf“, stammelte sie und langte über den Tisch, um ihren Worten Taten folgen zu lassen.

„Lass’ ruhig“, widersprach Hibki und blickte Levy direkt in die Augen. „Es macht mir nichts aus. Ganz im Gegenteil sogar.“

Levy erstarrte in ihrer Haltung, ihre Hand noch ausgestreckt, ihr Blick starr auf den Älteren gerichtet.

Ganz im Gegenteil? Was meinte Hibiki damit?!

Fand er es gut, dass sie so eine Unordnung anrichtete? Machte er sich etwa über sie lustig?

„Es ist schön, zu sehen, wenn jemand so eifrig und gründlich bei der Sache ist“, erklärte Hibiki, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und hob seine Tasse. Über deren Rand hinweg blickte er Levy weiterhin intensiv an. Es fühlte sich an, als würde ihr Herz gleich ihren Brustkorb zertrümmern. „Es passt ausgezeichnet zu dir.“

Oh… War das ein Flirt? Warum sollte Hibiki mit ihr flirten? Aber lustig machte er sich bestimmt nicht über sie, oder? Was sollte sie denn jetzt darauf antworten?!

Langsam zog Levy ihre Hand zurück und strich sich damit eine Strähne hinters Ohr, obwohl sie wusste, dass dieses Unterfangen hoffnungslos war. Mit brennenden Ohren senkte sie den Blick auf ihren halbleeren Teller. Ihr kam der Gedanke, dass sie in ihrem jetzigen Zustand wahrscheinlich an ihrer Lasagne ersticken würde.

Was würde Lucy an ihrer Stelle wohl tun? Zurückflirten? Aber wie? Verdammt, Levy brauchte so schnell wie möglich Unterricht von Lucy!

„D-danke“, würgte sie schließlich hervor und schielte vorsichtig wieder in Hibikis Richtung.

Als sie zur Antwort nur ein weiteres anerkennendes Lächeln erhielt, wünschte sie sich, sie hätte heute einfach Regel Nummer Eins ignoriert.

86. “You’re important too.” (Laxus-Lucy-Juvia)

Schnaufend ließ Laxus sich auf der Trittleiter des Wagens nieder und strich sich durch die Haare, die unter dem Schutzhelm platt gedrückt worden waren. Er konnte die Anstrengungen der letzten Stunden in allen Knochen spüren und seine Kehle fühlte sich an wie Schmirgelpapier, weil er die Vorschriften missachtet und seine Maske dem Kind gegeben hatte, welches er zuletzt aus dem Gebäude geholt hatte, bevor Gildartz allen Einheiten den Zutritt verboten hatte.

Eigentlich hatte er das schon vor zehn Minuten getan, aber Natsu war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sich noch Leute da drin befinden würden, und war noch mal rein gestürmt. Also hatte Gildartz Laxus und Gray auch noch mal rein geschickt, um diesem Idioten Rückendeckung zu geben. Letztendlich hatte Natsu Recht behalten und sie hatten in einem Wandschrank zwei Kleinkinder gefunden. Womöglich hatten sie sich aus Angst vor dem Feuer dort versteckt, aber der Qualm war natürlich durch die Ritzen gedrungen und so waren sie bereits bewusstlos gewesen, als die Feuerwehrmänner sie entdeckt hatten. Laxus war gar nichts anderes übrig geblieben, als sich die Maske abzunehmen und einem der Kinder aufzusetzen.

Zum Glück hatten ihre Kameraden ihnen einen Fluchtweg frei gehalten und zum Glück war Jellal mit seinem Team vor Ort. Der Notarzt konnte dank seiner Erfahrungen als Feldarzt wahre Wunder wirken. Die Kinder waren also in den besten Händen.

Und Laxus’ Arbeit war getan. Wahrscheinlich würde Gildartz sie köpfen, wenn er, Natsu und Gray Anstalten machen sollte, noch mal aufzustehen, um ihren Kameraden dabei zu helfen, die umstehenden Gebäude vor den Flammen zu schützen. Aber im Gegensatz zu Natsu, den Laxus im hinteren Bereich des Wagens herumbrummeln hören konnte, hatte Laxus gar nicht vor, noch mal den Helden zu spielen. Seine Kameraden hatten alles im Griff, sie waren schon mit viel Schlimmeren fertig geworden.

Als zwei Schatten auf ihn fielen, hob Laxus wieder den Blick. Mit in die Hüften gestemmten Händen und blitzenden Augen hatten sich Lucy und Juvia vor ihm aufgebaut. Die Uniformen der Beiden hatten bei der Versorgung ihrer Patienten einiges abbekommen und Juvias dicke Haare hatten sich sogar aus dem strengen Zopf gelöst, den sie vorschriftsgemäß während der Einsätze trug. Obwohl er genau diesen Gedanken zu vermeiden versuchte, fragte Laxus sich einen Moment, wie das ungleiche Paar es selbst unter diesen Umständen schaffte, so attraktiv auszusehen.

Während Laxus sich um die Sicherung der Einwohner des brennenden Hauses gekümmert hatte, hatten die Beiden sich um all die Brandwunden und Rauchvergiftungen besagter Einwohner kümmern müssen. Ihr Team mochte zwar auch sehr gut aufgestellt sein, aber sie hatten dennoch alle Hände voll zu tun gehabt.

„Solltet ihr euch nicht um die Kinder kümmern?“, fragte Laxus und war für einen Moment selbst verblüfft, wie angeschlagen seine Stimme klang.

„Jellal und Urtear sind bereits mit ihnen auf dem Weg zum Krankenhaus“, erwiderte Lucy und holte ein tragbares Beatmungsgerät aus ihrem Sanirucksack. Rigoros drückte sie Laxus die Maske auf Mund und Nase. „Yukino und Meredy kümmern sich um die beiden Idioten.“

Wider besseren Wissens stieß Laxus ein unwilliges Brummen aus. Er konnte es nicht leiden, wenn solch ein Trubel um ihn veranstaltet wurde. Er hatte schon viel schlimmere Rauchvergiftungen überstanden. Das hier jetzt würde sich schon von selbst geben!

Allerdings erhob er keinen Protest, als Juvia seinen rechten Arm gerade richtete, um ihm eine Blutdruckmanschette anzulegen. Er kannte die beiden Sanitäterinnen bereits lange genug, um zu wissen, dass sie sich nicht von etwas abbringen ließen, wenn sie sich das erst einmal in den Kopf gesetzt hatten. Wer von ihnen als Patient eingestuft wurde, blieb das auch, bis sie ihn für gesund und unverletzt befanden oder sie ihn den Ärzten im Magnolian Hospital übergeben hatten.

„Ihr hättet gleich zu uns rüber kommen sollen“, grollte Lucy, während sie Laxus die Atemmaske wieder abnahm, um mit einem Holzspatel in seinen Rachen blicken zu können. Während sie den Winkel ihrer Lampe mehrmals veränderte, um auch wirklich alle Rachenbereiche einsehen zu können, sprach sie mit finsterer Miene weiter. „Seid ihr nicht schon lange genug im Einsatz, um zu wissen, wie gefährlich eine Rauchvergiftung werden kann? Gut, von den beiden Hohlköpfen erwarte ich ja nichts anderes, aber du solltest wirklich vernünftiger sein.“

Abgesehen davon, dass er gerade dank des Spatels sowieso nichts sagen konnte, verkniff Laxus sich jedweden Kommentar. Er wusste, dass Natsu und Gray alte Sandkastenfreunde von Lucy waren und dass die Blondine dazu neigte, die Beiden mit allerlei blumigen Bezeichnungen zu versehen, wenn sie sich über sie aufregte. Sie konnte sich dabei so richtig in Rage reden und angesichts der Tatsache, was für ein leichtsinniger Idiot Natsu tatsächlich war und wie gut Gray sich von ihm zu allem möglichen Blödsinn anstacheln ließ, fragte Laxus sich schon lange, wie die Drei überhaupt noch Freunde sein konnten.

Allerdings war Juvias Wahl für Freundschaften da kaum besser. Mit Gajeel und Totomaru hatte sie sich alles andere als einfache Kandidaten ausgesucht, aber aus irgendeinem Grund verstand sie sich blendend mit dem Aufschneider und dem maulfaulen Streithahn.

Wenn nicht anhand der vielen kleinen Gesten und der zärtlichen Küsse, die Lucy und Juvia in ruhigen Momenten ohne Hemmungen miteinander austauschten, eindeutig wäre, dass die Beiden ein Paar waren, hätte man meinen können, dass sie mit ihren jeweiligen Sandkastenfreunden merkwürdige Dreiecksbeziehungen führten – wobei die es aus unerklärlichen Gründen allesamt auch schon geschafft hatten, unter die Haube zu kommen.

„Blutdruck ist in Ordnung“, urteilte Juvia und nahm die Manschette wieder ab, womit sie Laxus aus seinen Gedanken riss, in die er ungewollt abgedriftet war.

„Der Rachen auch“, sagte Lucy und knipste die Lampe wieder aus. Bei ihren nächsten Worten griff sie bereits geschäftsmäßig nach ihrem Stethoskop. „Mach’ den Oberkörper frei und dreh’ dich um. Wir müssen deine Lunge abhören.“

Für einige Sekunden blickte Laxus wahrscheinlich sehr dumm aus der Wäsche. Im nächsten Augenblick war er heilfroh, dass keiner seiner Kameraden in Hör- und Sichtweite war, denn aller bisheriger Professionalität zum Trotz bekamen sowohl Lucys als auch Juvias Wangen Farbe.

Die Aufforderung war angesichts der Situation eigentlich nichts Ungewöhnliches und war schon häufiger von Ärzten oder Sanitätern an Laxus gerichtet worden, als ihm lieb war, aber hier und jetzt war das doch etwas anderes.

Weil das junge Frauenpaar hier vor ihm schon seit einer Weile wenig Gelegenheiten ausließ, um bei gemeinsamen Einsätzen mit ihm zu reden – und laut der einhelligen Meinung von Laxus’ gesamten Team mit ihm zu flirten. Und weil er schon seit der ersten Begegnung irritiert davon war, dass er sich zu Beiden hingezogen fühlte und unwillkürlich immer wieder in ihre Richtung blicken musste, sobald sie in der Nähe waren.

In einem Versuch, so normal wie möglich zu wirken, drehte Laxus sich schnell um und zog sich das durchgeschwitzte T-Shirt aus, welches er unter seiner bereits abgelegten Jacke getragen hatte. Hinter sich glaubte er, einen hingerissenen Seufzer zu hören, dann ein verhaltenes Räuspern, schließlich ein unterdrücktes Kichern. Beinahe wurde er von seiner Neugierde überwältigt, aber er zwang sich, nicht über seine Schulter, sondern einfach geradeaus zu blicken.

„Tief ein- und ausatmen“, wies Lucy ihn an und legte das Stethoskop an Laxus’ mittleren Rücken an.

Überdeutlich war er sich bewusst, wie nahe sie hinter ihm stand und der Gedanken verursachte bei ihm einen angenehmen Schauder, den er zu ignorieren versuchte.

„Ihr hättet Jellal mit den Kindern helfen sollen“, murmelte er in einem Versuch, sich selbst abzulenken.

„Du bist auch wichtig“, widersprach Juvia, aber es klang nicht so energisch wie sonst, sondern irgendwie tiefer und eindringlicher, was den Schauder bei Laxus verstärkte. „Juvia und Lucy haben sich wirklich große Sorgen gemacht, als du noch mal ins Gebäude musstest.“

Er versuchte, sich nur aufs Atmen zu konzentrieren, damit er diese ganze Situation schnell wieder beenden konnte, aber dann spürte er auf einmal eine zierliche Hand an seinem Unterarm. Da er Lucy immer noch hinter sich zu spüren glaubte, musste diese Hand wohl Juvia gehören. Sie fühlte sich angenehm weich und etwas kühl auf seiner Haut an. Für einen Moment wurde Laxus von dem wahnwitzigen Gedanken erfasst, dass er gerne auch wüsste, wie sich Lucys Hand anfühlte.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, legte die Blondine ihm eine Hand auf den Rücken. Ihre Finger waren etwas wärmer und vielleicht auch ein kleines bisschen Länger und aus irgendeinem Grund dachte Laxus, dass diese feinen Unterschiede perfekt zu den beiden Frauen passten und dass er gerne noch mehr Vergleiche anstellen würde, um ergründen zu können, wie sie es schafften, einander so perfekt zu ergänzen.

Im nächsten Moment musste er den Drang unterdrücken, sich gegen die Stirn zu schlagen. Wie hatte er bloß in so eine komplizierte Situation geraten können…?

88. “I’ll see you later.” (MetallicanaGrandine)

„Das sieht komisch aus.“

Mit grimmiger Miene starrte Gajeel auf das Ultraschallbild in seinen Händen hinunter, das er ständig drehte, um einen Sinn aus dem Wirrwarr zu erschließen. Der Siebenjährige blickte so finster drein, dass Metallicana sich nicht mehr wunderte, warum sein Sohn bisher nur zwei Freunde gefunden hatte – Igneels Rotzbengel, der sich sogar mit einem Stein anfreunden würde, zählte nicht.

Du siehst komisch aus“, schnaufte Metallicana und nahm seinem Sohn das Bild ab, um den winzigen Punkt darauf begutachten zu können, der vage Ähnlichkeit mit einem menschlichen Wesen hatte – wenn man seine Fantasie spielen ließ und ein bisschen guten Willen mitbrachte.

Obwohl es wirklich seltsam aussah, verspürte Metallicana beim Anblick des Bildes eine tiefe Zufriedenheit. Das war sein Kind! Und dieses Mal konnte er von Anfang an alles miterleben! Nicht so wie bei Gajeel, der ihm als fünf Wochen altes Baby von einem One Night Stand, an dessen Namen er sich nicht einmal hatte erinnern können, in die Arme gedrückt worden war.

Es hatte den damals gerade einmal zweiundzwanzigjährigen Metallicana mehrere Monate gekostet, ehe er sich so richtig darauf eingestellt hatte, auf einmal nicht mehr nur für sich selbst und seinen Job, sondern auch für ein Baby verantwortlich zu sein. Damals hatte er keinen Gedanken an ein zweites Kind verschwendet – geschweige denn an eine dazugehörige Mutter.

Um das in Erwägung zu ziehen, hatte erst vor zwei Jahren Igneels Schwägerin Grandine, die in der Hauptstadt studiert hatte, nach Magnolia zurückkehren müssen – und selbst dann hatte Metallicana sich sehr lange Zeit schwer damit getan, zu zugeben, dass er sich zu der Ärztin hingezogen fühlte.

Besagte Ärztin nahm Metallicana nun mit einem Schmunzeln das Ultraschallbild ab und beugte sich zu Gajeel hinunter, um diesem zu erklären, wo sich Kopf und Gliedmaßen seines Geschwisterchens befanden.

Noch immer zutiefst skeptisch legte der Junge schließlich den Kopf schief. „Sieht trotzdem aus wie ein Alien.“

„Zieh’ nicht so ein Gesicht“, erwiderte Metallicana Augen rollend.

„Ich ziehe kein Gesicht!“, war der angriffslustige Protest.

„Doch, da!“ Grinsend tippte Metallicana seinem Sohn mit der Faust gegen die Stirn.

„Gar nicht!“

„Friede“, summte Grandine, bevor Vater und Sohn sich einen ausgewachsenen Zank liefern konnten, und legte eine Hand auf Gajeels Rücken. „Freust du dich denn nicht auf deine Schwester?“

„Weiß nicht“, erwiderte der Junge und zuckte mit den schlaksigen Schultern. „Mädchen sind komisch.“

Metallicana rollte wieder mit den Augen, aber er verspürte ein wohliges Kribbeln, als Grandine leise lachte. Woher auch immer sie diese Engelsgeduld im Umgang mit Gajeel hatte, es war einer der Gründe, warum Metallicana keine Bedenken gehabt hatte, als Grandine ihm vor drei Monaten gestanden hatte, dass sie ungeplant schwanger war. Sie war eine gute Mutter für Gajeel und sie würde auch eine gute Mutter für dieses Mädchen werden.

Als es an der Tür klingelte, war Gajeel als Erster auf den Beinen und machte sich erstaunlich flink auf den Weg. Da er schon ahnte, um wen es sich bei dem Gast handelte, protestierte Metallicana nicht – und tatsächlich trat kurz drauf die Nachbarstocher Juvia herein, begrüßte die Erwachsenen artig und folgte Gajeel dann in sein Kinderzimmer. Obwohl zwei Jahre jünger und in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Gajeel, war sie so eng mit ihm befreundet, dass man die Beiden oft für Geschwister hielt. Das Mädchen hatte auch so seine Macken, aber Metallicana hatte es von Anfang an in sein Herz geschlossen.

Als er schließlich mit Grandine alleine im Wohnzimmer war, griff Metallicana wieder nach dem Ultraschallbild und schlang den freien Arm um die schmalen Schultern seiner Lebensgefährtin.

„Und sie ist auch wirklich gesund?“, fragte er vorsichtig.

Er wollte kein Miesepeter sein – wirklich nicht –, aber manchmal gingen seine Sorgen doch mit ihm durch. Für ihn war diese ganze Schwangerschaftssache auch neu und er war kein Arzt, der sich mit einem Blick auf das Ultraschallbild vergewissern konnte, dass alles so aussah, wie es aussehen sollte.

„Gesund und munter“, antwortete Grandine mit einem nachsichtigen Lächeln und legte eine ihrer zierlichen Hände auf Metallicanas Wange. „Und um deine Frage vorweg zu nehmen: Ja, mit mir ist auch alles in Ordnung.“

„Du lässt mich wie einen überfürsorglichen Alten klingen“, brummelte Metallicana.

Ein wohliger Schauder jagte seinen Rücken hinunter, als Grandine schon wieder leise lachte. „Jetzt bist du derjenige, der das Gesicht verzieht.“

„Tu’ ich nicht“, widersprach er sofort und versuchte, eine ausdruckslose Miene hinzukriegen.

Zur Antwort drehte Grandine den Kopf weg, aber Metallicana spürte das Zittern ihrer Schultern, als sie gedämpft in sich hinein lachte. Brummelnd ließ er sich im Sofa etwas tiefer sinken und blickte wieder auf das Bild in seiner Hand hinunter.

„Wie wollen wir sie eigentlich nennen?“

Grandines Frage ließ ihn wieder aufsehen. Eine ihrer Hände ruhte nun auf ihrem Schwangerschaftsbauch. Ganz unwillkürlich legte Metallicana auch eine Hand auf den Bauch, war jedoch nicht überrascht, keine Bewegung zu spüren. Das Mädchen hatte sich noch nie bewegt, wenn er mal darauf gehofft hatte. Gajeel hatte schon Glück gehabt und dessen Pate Pantherlily und Gajeels Cousin Rogue – und so ziemlich die gesamte Welt, nur der werdende Vater natürlich nicht!

„Ich habe nicht den leisesten Schimmer“, brummte Metallicana leise. „Vielleicht sollten wir Listen schreiben? Aber Gajeel darf keine Vorschläge abgeben, dann doch eher Juvia.“

Wieder lachte Grandine leise und ließ ihre zierlichen Finger über Metallicanas Handrücken geistern, sagte jedoch nichts. So hätten sie sicher noch eine ganze Weile friedlich sitzen können, wenn sich nicht schon wieder die Türklingel gemeldet hätte.

„Das ist sicher Shagotte“, sagte Grandine und stand auf, um die Tür für ihre beste Freundin zu öffnen.

Träge winkte Metallicana der jungen Frau von seinem Platz auf dem Sofa aus zu. Ihr Schwangerschaftsbauch war schon fülliger als Grandines. Wahrscheinlich war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Pantherlily seine bisherige Coolness verlor. Metallicana freute sich schon darauf, wenn sein alter Freund sich endlich einmal ärgern lassen würde.

„Macht nicht zu lange, ihr seid schwanger.“

„Was du nicht sagst“, murmelte Shagotte und verdrehte die Augen. Kratzbürstig wie eh und je.

Grandine nahm ihre Jacke vom Haken und griff nach ihrem Wohnungsschlüssel, kam jedoch noch mal zu Metallicana zurück, um sich mit einem sanften Kuss zu verabschieden. Ihre zarten Finger an seinen Wangen fühlten sich weich und etwas kühl an, ein angenehmes Gefühl, das Metallicana erschaudern ließ. Und in Grandines Augen lagen so viel Zärtlichkeit und Wärme, dass ihm sogar schwummrig zumute wurde. Auf einmal lagen ihm so viele Worte auf der Zunge, aber gleichzeitig fühlte sich seine Kehle wie zugeschnürt an.

„Ich sehe dich dann später“, murmelte er schließlich benommen.

Zur Antwort erhielt er einen weiteren Kuss und Grandines Finger fuhren kurz durch seine Haare, ehe sie doch zurück trat und zur Tür ging. Als Shagotte schon wieder im Treppenhaus verschwunden war, drehte Grandine sich noch mal in der Wohnungstür um und lächelte Metallicana zu, der sich immer noch wie gelähmt fühlte.

„Bis später“, sagte sie nur, aber auch bei ihr hörte es sich nicht nur nach einem normalen Abschied an, sondern als würden sich hinter diesen beiden Worten noch andere verstecken. Der Gedanke, dass sie die Worte, die Metallicana nicht hatte aussprechen können, dennoch verstanden hatte, gefiel ihm.

Doch – so dachte er grimmig, als er schließlich alleine in der Wohnung zurück blieb und sich wieder im Sofa sinken ließ, den Blick erneut auf das Ultraschallbild geheftet – irgendwann musste er doch mal lernen, das alles richtig in Worte zu fassen. Grandine hatte es mehr als nur verdient!

89. “I noticed.” (Future!Rogue/Sting)

Rogue saß da, als würde ihm die Welt gehören. Die Beine in einer Pose überschlagen, die sowohl herrschaftlich als auch aufreizend wirkte, in einer Hand ein kleines Buch haltend, die andere auf dem Tisch abgelegt, um zuweilen nach der zierlichen Kaffeetasse zu greifen. Seine Mimik war vollkommen unbewegt – es war unmöglich zu sagen, ob ihn das, was er las, amüsierte oder ärgerte oder zum Nachdenken anregte.

Seine Ausstrahlung, seine wie stets edle und doch schlichte Kleidung, seine langen, weißen Haare mit der schwarzen Strähne, die das rechte der glühend roten Augen verbarg, das schmale, scharf geschnittene Gesicht, die schlanken und doch muskulösen Glieder… einfach alles an ihm sah genauso aus, als würde er einfach hierher gehören in dieses exquisite Café mit den dunklen Holztischen, den Brokatvorhängen, den antiken Gemälden und Skulpturen, den riesigen Vasen und dem gewaltigen Deckenfresko.

Letzteres war der Hauptgrund, warum Sting nie Einspruch erhob, wenn Rogue ihn hierher bat/beorderte. Es war ein Meisterwerk in kräftigen Farben und mit so liebevoll ausgearbeiteten Figuren, dass man meinen könnte, sie würden gleich aus der Decke steigen, um sich an der illustren Gesellschaft des Cafés zu beteiligen. Je nachdem wie Sting den Kopf bewegte, hatte er den Eindruck, als würden die Augen der Personen auf diesem Fresko ihn beobachten, und bei jedem seiner Besuche entdeckte er ein neues Detail.

Letztendlich glitt Stings Blick doch wieder zu Rogue, der wie immer an einem Tisch in einer abgelegenen Nische saß und so wirkte, als hätte er alle Zeit der Welt. Was komisch war, wenn man bedachte, wie selten er Sting anrief und wie sehr er dann auf bestimmte Termine beharrte. Mal meldete er sich schon nach einigen Tagen wieder bei Sting, mal gingen Wochen ins Land, ehe er wieder ein Lebenszeichen von sich gab. Doch bei jedem Treffen nahm er sich die Zeit, zuerst hier mit Sting zu sitzen. Meistens redeten sie nicht einmal miteinander. Sting mümmelte den Kuchen des Tages – gut, von Kuchen verstanden sie in diesem Spießercafé wirklich etwas, das musste er zugeben – und Rogue las ein Buch. Nie eine Zeitung oder ein Börsenblatt oder so was. Dabei müsste er als Börsenmakler doch immer auf dem Laufenden bleiben, oder?

Nicht dass Sting tatsächlich etwas davon verstehen würde. Er konnte zahllose Glanzgestalten der ishgarischen Kunstgeschichte aufzählen, konnte aus dem Kopf mehrere ihrer Meisterwerke skizzieren, konnte ganze Vorträge darüber halten, warum diese oder jene Pinsel besser für diese oder jene Farbe geeignet waren. Aber so was wie Aktien und Fonds und wie dieser ganze Quatsch nicht hieß – das waren für ihn unlösbare Rätsel.

So gesehen könnten Sting und Rogue gar nicht unterschiedlicher sein. Und doch zog es Sting immer wieder zu dem Älteren. So oft schon hatte er sich eingeredet, dass er keine Lust mehr auf den Befehlston hätte, aber letztendlich war er doch jedes Mal pünktlich hier im Café und wehrte sich auch nicht, wenn sie danach ein Hotel für die Nacht suchten.

Dabei hatte alles mit einer dummen Wette angefangen. Stings alte Kindheitsfreundin Minerva war Rogues Juniorpartnerin und irgendwie hatte sie es geschafft, Sting dazu anzustacheln, Rogue anzubaggern. Das alles lag schon so lange zurück, dass Sting nur noch vage in Erinnerung hatte, was für einen Müll er damals von sich gegeben hatte, aber irgendetwas musste bei Rogue doch Eindruck gemacht haben, denn er hatte sich auf Sting eingelassen.

Verrückt, verrückt und nochmals verrückt!

Langsam strebte Sting dem Tisch entgegen, an dem Rogue saß, und fragte sich, warum er sich heute eigentlich ein Hemd angezogen hatte. Ganz gewiss nicht deshalb, weil Minerva ihm vor ein paar Tagen verraten hatte, dass Rogue heute Geburtstag hatte. Rogue hatte seinen Geburtstag auch einfach ignoriert, warum also sollte Sting sich etwas aus Rogues Ehrentag machen? Dennoch trug er dieses brandneue, dunkelblaue Hemd und die schwarzen Jeans, von denen Minerva mal grinsend behauptet hatte, dass Sting damit nicht durch die Stadt laufen könnte, ohne danach ein Dutzend Verehrer am Hintern zu haben. Das war nicht Rogues wegen. Sting war einfach danach zumute gewesen. Und er hatte vor seinem Aufbruch auch nicht noch mal vorm Spiegel gestanden und seine Frisur gerichtet und sich auch nicht zehn Minuten mit der Frage beschäftigt, wie viele Hemdknöpfe er offen lassen sollte – letztendlich hatte er sich für drei entschieden, weil das bequemer war –, nur um Rogue zu gefallen. Der achtete doch sowieso nie darauf, also putzte Sting sich garantiert nicht für ihn heraus. Ihm war einfach nur danach zumute gewesen, weil… weil er dem Fresko seinen Respekt zollen wollte, genau!

Er hatte den Tisch noch nicht ganz erreicht, als Rogue den Blick hob. Irgendwie hatte der Börsenmarkler so etwas wie einen zusätzlichen Sinn. Egal wie vertieft er vorher in seine Lektüre war, er blickte jedes Mal auf, bevor Sting ihn erreichte. Als gäbe es hier eine Lichtschranke oder so was.

Wie jedes Mal glitt sein Blick prüfend über Sting, von den Sohlen bis zu den Haarspitzen und zurück, ohne irgendwo länger zu verweilen. Irgendwie kränkte es Sting jedes Mal aufs Neue, dass sein Gesicht und sein Schritt denselben Stellenwert wie seine Füße zu besitzen schienen. Er hätte sich gerne deswegen beschwert, aber allein in seinen Gedanken klang das furchtbar albern und außerdem ging es bei dieser Sache doch sowieso nur um das Eine, also konnte es ihm doch egal sein, was Rogue dachte!

Ohne auf Rogues Aufforderung zu warten, ließ Sting sich ihm gegenüber am Tisch nieder und griff nach der Karte, die den Kuchen des Tages anpries, ein Gedicht aus Schokolade und Himbeeren mit einer dicken Schokoglasur und einem wahren Kunstwerk aus feinen Schokospiralen und weiteren Himbeeren, die halb in der Glasur versenkt waren. Allein das Bild ließ Sting das Wasser im Mund zusammen laufen.

Nachdem die adrett gekleidete Kellnerin seine Bestellung aufgenommen hatte, verlegte Sting sich darauf, Rogue zu beobachten, der sich wieder seinem Buch zugewandt hatte. Er hatte sich wirklich nicht Rogues wegen in Schale geworfen. Es konnte ihm doch egal sein, dass der Ältere heute Geburtstag hatte. Wahrscheinlich interessierte es diesen nicht einmal selbst! Und doch ärgerte es ihn, dass sein Aufzug mit keinem Wort gewürdigt wurde.

Denn er sah verdammt noch mal gut aus!

Sting war nicht übermäßig eitel, aber er war auch nicht blind, wenn er in den Spiegel sah. Er wurde auch so oft genug von wildfremden Männern und Frauen angebaggert. Die Natur hatte es eindeutig gut mit ihm gemeint und heute betonte das Hemd seine Augen und die schwarze Jeans brachte gewisse delikate Partien gut zur Geltung.

War das Rogue alles egal? Warum konnte der eigentlich nie eine Reaktion zeigen?

Ein bisschen weniger freundlich als sonst bedankte Sting sich wenige Minuten später, als die Kellnerin ihm ein Stück Kuchen und einen Milchkaffee brachte, und widmete sich dann seinem Kuchen. Der war wie immer ein wahrer Gaumenschmaus. Fast so gut wie Minervas Schokoladenkuchen neulich, den sie an ihre Freunde verteilt hatte – es hatte etwas was für sich, mit jemandem befreundet zu sein, der zwar für sein Leben gerne buk, aber selbst gar nicht so gerne Kuchen aß.

Nur heute war Stings Freude über den Kuchen irgendwie getrübt. Vielleicht lag es daran, dass er in seinem Freundeskreis mittlerweile der Einzige war, der Single war. Vielleicht hatte er sich doch mehr Reaktion zu seinem Outfit erhofft. Vielleicht war er diese unverbindlichen und doch so… so guten Sextreffen einfach Leid. Eine Zeit lang war es ein spannendes Abenteuer gewesen, aber Sting reichten die Treffen nicht mehr so, wie sie nun schon seit Monaten abliefen. Er wollte mehr und hatte doch keine Ahnung, was er eigentlich wollte.

„Ich habe es bemerkt.“

Verwirrt hob Sting den Blick und begegnete dem seines Gegenübers. Das sichtbare Auge schien intensiver als sonst zu glühen, obwohl der Rest der Miene ausdruckslos blieb. Sting fühlte sich wie hypnotisiert davon. In diesem Auge schien ein Hunger zu liegen, an den Sting sich bisher gar nicht erinnern konnte. Nicht dass er jemals viel Blickkontakt mit Rogue gehabt hätte. Schade eigentlich, denn Rogues Blicke gingen wirklich unter die Haut. Da geriet der leckere Kuchen völlig in Vergessenheit.

Zu Stings großem Bedauern löste Rogue den Blickkontakt wieder und sah noch einmal an Sting auf und ab, schien alles genau zu mustern. Sting erschauderte, als er bemerkte, wie der Blick am Ausschnitt des Hemdes hängen blieb, und er fühlte sich gut bei dem Gedanken, dass sich Rogues Finger ein wenig fester um den Henkel der Tasse schlangen, auch wenn er sich gleich wieder ermahnte, dass das nur Einbildung war.

Rogue führte die Tasse zum Mund. Über den goldverzierten Hand blickte er Sting erneut in die Augen und über Stings Rücken lief ein wohliger Schauder, der zu einem beständigen Kribbeln wurde, als Rogue seine Worte mit tiefer, anregender Stimme wiederholte, bevor er an seinem Kaffee nippte.

„Ich habe es bemerkt…“

90. “You can tell me anything.” (IgneelLayla)

Der herrschaftliche Garten der Eucliffes wirkte im hellen Mondlicht beinahe unwirklich. Die Pflanzen sahen aus, als wären sie mit Silber übersprüht worden und im Wasser des Teiches schienen Kristalle zu schwimmen. Doch hinter dem schönen Schein lauerten dunkle Schatten, zerschnitten mit ihren scharfen Kanten die Weiche des Bildes, bedrohlich, wütend, zerstörerisch.

Es passte gut zu Igneels Gemütszustand.

Mit einem bitteren Lächeln saß er in einem der riesigen Korbsessel auf der Veranda und betrachtete den Garten, der eigentlich eher ein ganzer Park war. Früher war ihm dieser Garten wohl vertraut gewesen. Als dreister Bengel von neun Jahren hatte er sich das erste Mal mit Silver hier herein geschlichen, um herauszufinden, ob die Hausherrin wirklich so ein Drachen war, wie alle im Dorf behauptet hatten. Letztendlich hatten sie aber stattdessen zuerst deren Kinder kennen gelernt und sich mit ihnen angefreundet. Danach waren sie nicht mehr über den Zaun geklettert, sondern wie anständige Jungen durch die Vordertür getreten, um hierher zu kommen…

Leise Schritte hinter ihm ließen Igneel unwillkürlich zusammen zucken und seine Rechte fuhr reflexartig zu seiner Hüfte, nur um festzustellen, dass die viel zu vertraute Pistole nicht dort war. Schwer schluckend ballte er die Hand zur Faust und drehte den Kopf.

Im Mondlicht wirkte Layla Heartfilia beinahe wie ein Geist. Ihre Haut war silbrigweiß, ihre Haare, sonst zu einem einfachen Knoten gebunden, flossen wie weißgoldene Fluten über ihre schmalen Schultern und über ihren Rücken. Der weiße Morgenmantel, den sie sich über ihr Nachtzeug geworfen hatte, verstärkte den Eindruck noch. Man sollte nicht meinen, dass sie von dieser Welt war.

Obwohl sie unleugbar älter war, obwohl unter ihren Augen tiefe Schatten lagen und obwohl sich die Trauer des erlittenen Verlusts tief in ihre Gesichtszüge gegraben hatte, fühlte Igneel sich um zwanzig Jahre zurückversetzt. Zurück zu jenem Tag, als er sich in einem Busch hier im Garten versteckt und ein elfengleiches Mädchen am Teich sitzen gesehen hatte, das mit einer Katze geschmust und dabei so viel unschuldige Freude ausgestrahlt hatte.

Im Rückblick war es selbst für Igneel offensichtlich, dass er sich schon damals in Layla verliebt hatte. Wenn ihm das nur schon vor zehn Jahren bewusst geworden wäre, hätte er sich selbst vielleicht eine Menge ersparen können – und vielleicht sogar noch eine Chance bei ihr gehabt.

Vielleicht. Hätte. Wäre…

All diese schwermütigen Gedanken machten Igneel regelrecht krank! Seine Kameraden würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie davon wüssten!

„Konntest du auch nicht schlafen?“, fragte Layla leise. In ihrer Stimme klang etwas Schwermütiges mit. Es war nicht verwunderlich, aber es schnitt Igneel doch ins Herz.

„Du auch nicht?“, erwiderte er gedämpft. Nicht weil es nachts war, sondern weil er es inzwischen nur noch gewohnt war, entweder gedämpft oder brüllend zu sprechen, je nachdem, wovon gerade sein Leben und das seiner Kameraden abhängig gewesen war.

Langsam kam Layla zu ihm herüber und setzte sich in den Korbsessel neben seinem. Sie war jetzt eine erwachsene Frau, aber in diesem riesigen Ding sah sie immer noch aus wie eine winzige Porzellanpuppe. Aus dem Augenwinkel beobachtete Igneel, wie sich ihre zarten Finger fest in ihrem Schoß falteten, während ihr Blick sich auf den Teich richtete.

„Lucy hatte wieder einen Albtraum…“

Bei all dem Schmerz in Laylas Zügen musste Igneel beschämt den Blick abwenden. Wieder einmal fragte er sich, was er hier verloren hatte. Er, der sich sein Leben selbst verpfuscht hatte, während Layla immer die richtigen Entscheidungen getroffen hatte. Sie hatte einen Beruf gewählt, der zu ihr passte, hatte einen Mann geheiratet, der sie auf Händen trug, hatte eine Familie gegründet – und dennoch war sie so gestraft worden. Das war nicht fair. Ganz und gar nicht fair. Igneel kam sich dagegen wie ein Jammerlappen vor.

Denn er hatte es sich vor zehn Jahren selbst ausgesucht. Statt vernünftig um seine Eltern zu trauern, hatte er in Windeseile sein Elternhaus ausgeräumt und verkauft, um sich dann für die Armee zu verpflichten – obwohl all seine Freunde mit Engelszungen auf ihn eingeredet hatten, um ihn zur Besinnung zu bringen. Er hatte seine Wurzeln hier im Dorf abgeschlagen und sich in ein Leben gestürzt, welches seine Eltern ihm nie und nimmer gewünscht hätten.

Und das mochte fast zehn Jahre lang gut gegangen sein. Er hatte sich zum Colonel hochgearbeitet, war von seinen Soldaten geschätzt worden, hatte schon die nächste Beförderung in Aussicht gehabt. Bis er eines Tages ein entscheidendes Detail übersehen und seine Leute in einen Hinterhalt geführt hatte. Die Hälfte seiner Einheit war vernichtet worden. Zweihundertfünfzig Mann, gnadenlos abgeschlachtet wie Mastvieh. Ihre Namen verfolgten Igneel bis in seine Träume: Atlas. Zirkonis. Levia. Animus. Cubellios…

Es hatte Untersuchungen gegeben. Noch im Krankenbett und mit einer kritischen Bauchwunde war Igneel verhört worden. Es hatte Anschuldigungen gegeben. Man hatte nach Erklärungen gesucht. Beinahe wäre Igneel sogar vorm Kriegsgericht gelandet, wenn einer der Generäle nicht aus irgendeinem Grund seine schützende Hand über ihn gehalten hätte.

Igneel hatte seinen Dienst quittiert und war in sein Heimatdorf zurückgekehrt, ohne überhaupt zu wissen, wo er hin sollte. Zu einem seiner alten Freunde, zu denen er zehn Jahre lang keinen Kontakt gehabt hatte und von denen er nicht einmal wusste, ob sie überhaupt noch hier in diesem winzigen Kaff lebten?

Es war purer Zufall gewesen, dass Weißlogia und seine langjährige Freundin Grandine ihn an der Bushaltestelle entdeckt hatten. Eigentlich hatte Igneel versucht, sich nichts anmerken zu lassen, seinen Besuch als Urlaub zu tarnen. Alles, um nicht zugeben zu müssen, wie sehr er versagt hatte. Doch Weißlogia hatte ihn natürlich sofort durchschaut und zu sich eingeladen.

Das war jetzt eine Woche her.

Eine Woche des Nichtstuns. Eine Woche voller Albträume und düsterer Gedanken.

Eine Woche, in der er mitangesehen hatte, was aus der früher so unbeschwerten Layla geworden war, nachdem der Mann, mit dem sie hatte alt werden wollen, viel zu früh und viel zu plötzlich aus ihrem Leben gerissen worden war.

An seinem zweiten Abend hier hatte Igneel von Weißlogia die Kurzfassung erfahren. Dass Layla nach dem Schulabschluss in Crocus auf Lehramt studiert hatte, wie sie es immer gewollt hatte. Dass sie sich dort in einen etwas versteiften, aber doch tüchtigen und anständigen BWL-Studenten verliebt und ihn nach zwei Jahren Beziehung geheiratet hatte. Dass sie seinetwegen in Crocus geblieben war und dort ihre Tochter zur Welt gebracht hatte. Dass im Grunde alles perfekt gewesen war bis zu jenem Tag, an dem ihr Mann mit der gemeinsamen Tochter nach der Abholung vom Kindergarten noch mal zu seinem Geschäft gegangen und in einen Überfall geraten war – vor den Augen der Vierjährigen war er niedergeschossen worden und innerhalb von Minuten verblutet. Dass Layla danach ihre Zelte in Crocus abgebrochen hatte, um zurück nach Magnolia zu kommen und bei ihrer Familie und ihren Freunden Trost zu finden.

Was war dagegen Igneels Schicksal? Immerhin hatte er es sich selbst ausgesucht. Er konnte wohl kaum so tun, als wäre es undenkbar gewesen. Im Krieg starben Soldaten. Das war schon immer so gewesen. Im Grunde hatte er sogar noch Glück gehabt, dass es nicht ihn selbst erwischt hatte. Nur fühlte sich das nicht wie Glück an…

„Igneel… Ich weiß, dass Weiß dir meine Geschichte erzählt hat“, durchbrach Layla behutsam das Schweigen. Als er sich ihr unsicher zuwandte, schüttelte sie mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf. „Das ist in Ordnung, wirklich. Du bist unser Beider Freund, du hast die Wahrheit verdient.“

„Freund“, echote Igneel dumpf. „Nachdem ich zehn Jahre lang von der Bildfläche verschwunden bin…“

„Du hattest gute Gründe dafür, das haben wir alle verstanden“, erwiderte Layla und ihre winzig kleine Hand legte sich auf seinen Unterarm. Ihre Finger fühlten sich angenehm kühl an. „Wir konnten damals nicht so für dich da sein, wie du es gebraucht hättest. Wir waren jung und hatten keine Ahnung davon, wie man mit so einer Situation umgeht. Ich habe nur immer gehofft, dass es dir irgendwann wieder besser geht und du zu uns zurück kommst, aber…“

Igneels Eingeweide verkrampften sich. Er hatte die Worte seines Kameraden Gildartz im Ohr, der mit einer Armamputation aus dem Hinterhalt heraus gekommen war. Dass er endlich die Gräber seiner Eltern besuchen sollte. Dass er gar nicht in die Armee gehörte und endlich darüber nachdenken sollte, was er eigentlich für ein Leben führen wollte.

Es war ein übler Scherz des Schicksals, dass Gildartz’ Verpflichtungsvertrag nur wenige Wochen nach dem Hinterhalt ausgelaufen wäre. Gildartz hatte schon alle möglichen Prospekte für Studiengänge und Wohnungsangebote studiert, um mit der Frau zusammen zu ziehen, von der er Igneel Ewigkeiten lang etwas vorgeschwärmt hatte.

„Igneel, du hast immer noch mit niemandem darüber gesprochen, was passiert ist“, fuhr Layla fort.

„Muss ich auch nicht“, murmelte Igneel unwillkürlich. „Das will keiner hören.“

Er war nicht dumm. Ihm war sehr wohl aufgefallen, wie viele Gelegenheiten zum Reden ihm von seinen Freunden eingeräumt worden waren. Silver und Ur waren mit ihrer Tochter vorbei gekommen und Silver war mit Igneel Stunden lang durch den Garten spaziert. Metallicana und Pantherlily hatten Igneel in den Pub vom Alten Bob eingeladen. Sogar Marl, Igneels alte Nachbarin, und ihr Freund Lucky waren mal vorbei gekommen, um Igneel zu einem Abendessen auf dem kleinen Bauernhof einzuladen, den sie gemeinsam betrieben. Ganz zu schweigen von all den Abenden, an denen Weißlogia sich hier auf der Veranda zu Igneel gesetzt und geduldig gewartet hatte.

Aber wie sollte er ihnen von seinem furchtbaren Fehler erzählen, der so vielen Menschen das Leben gekostet hatte? Wie sollte er vor allem Layla nach so einer Geschichte wieder in die Augen blicken können, die ihn vor zehn Jahren an der Bushaltestelle vor aller Augen unter Tränen angefleht hatte, nicht zur Armee zu gehen?

„Igneel.“ Laylas Stimme war nur noch ein zartes Hauchen. Ihr Morgenmantel raschelte leicht, als sie sich vor Igneels Korbsessel auf die Veranda kniete und seine Hände ergriff. „Was auch immer passiert ist. Was auch immer du getan hast… Du kannst mir alles erzählen. Alles.

Auf einmal saß ein Klumpen in Igneels Kehle, der das Schlucken qualvoll schwer machte. Er hatte keine Ahnung, warum seine Freunde und vor allem Layla sich solche Mühe mit ihm machten. Egal was sie über gute Gründe und dergleichen sagten, verdient hatte er es nicht. Und dennoch war ein kleiner Teil von ihm einfach unendlich dankbar dafür.

Zaghaft drückte er Laylas zarte Hände. Sie fühlten sich gut an, gaben ihm Ruhe. Beinahe wünschte er sich, er könnte sie immer so halten, aber das waren Gedanken, die nicht hierher gehörten. Auch wenn Layla gesagt hatte, dass er ihr alles erzählen konnte, das war etwas, was er ihr wirklich nicht erzählen konnte. Noch nicht. Vielleicht niemals.

Aber vielleicht konnte er hier und jetzt zumindest versuchen, mit etwas anderem anzufangen. Ob es wirklich half, darüber zu sprechen, was er getan hatte, bezweifelte er, aber dann wäre die Katze zumindest aus dem Sack. Und wenn überhaupt irgendjemand ihm sein Verbrechen verzeihen konnte, dann Layla.

Also begann er zu erzählen…

91. “I hope you like it.” (LuckyMarl)

„Vielen Dank, Marl, du bist eine Lebensretterin.“

Mit einem schiefen Lächeln nahm Igneel seinen brabbelnden Sohn entgegen. Lector hielt einen Beißring aus Holz umklammert, auf dem er eben noch herum gekaut hatte, aber jetzt begrüßte er seinen Vater mit einem glücklichen Jauchzer. Bei dem Anblick schmolz Marls Herz regelrecht dahin. Es war ewig her, seit Happy in diesem niedlichen Alter gewesen war.

Jetzt war er ein naseweiser Teenager, ständig auf Achse und nur mit Blödsinn im Kopf – besonders, seit die Familie Dragneel-Eucliffe das Nachbarhaus bezogen hatte. Die beiden älteren Söhne waren gut geratene, junge Männer und hatten das Herz am rechten Fleck, aber sie boten Happy nicht unbedingt das ideale Beispiel für erwachsenes Verhalten. Doch solange es nicht ausartete, wollte Marl ihren Sohn einfach machen lassen. Er war glücklich, das war für sie das Wichtigste.

„Dafür brauchst du wirklich nicht zu danken, Igneel“, wehrte Marl ab und schenkte dem Baby einen verliebten Blick. „Ich passe gerne auf Lector auf. Das habe ich dir und Weißlogia schon mindestens ein Dutzend Mal gesagt. Wenn Not am Mann ist, springe ich gerne ein.“

Igneel grinste verlegen, erhob jedoch klugerweise keinen Einspruch – den Marl sowieso nicht hätte gelten lassen. Seine pinken Haare waren noch feucht und noch wirrer als sonst. Anscheinend hatte er sich nach dem Noteinsatz nur die Zeit für eine schnelle Dusche genommen und die Haare nur notdürftig trocken gerubbelt. Dabei hätte er sich gar nicht so zu beeilen brauchen. Marl hatte wirklich ihre Freude an Lector gehabt.

„Es hätte eigentlich gar nicht notwendig sein dürfen. Ich habe mir extra ein freies Wochenende erbeten, während Weiß für diese Spießerveranstaltung in Hargeon ist“, erklärte Igneel und wiegte seinen Sohn zärtlich hin und her. „Aber es war wirklich ein Notfall und ausgerechnet dann müssen die Jungs auf Achse sein.“

Marls Mundwinkel zuckten. „Lass’ bloß nicht Weißlogia hören, dass du ihn einen Spießer genannt hast.“

„Der ist schon ganz andere Sachen von mir gewöhnt“, gluckste der Feuerwehrmann.

Marl versteckte ihr Lächeln hinter der Hand. Es war wirklich niedlich, wie verliebt Igneel und Weißlogia waren. Nach allem, was Marl mit gezielten, aber subtilen Fragen, bereits heraus gefunden hatte, waren die Beiden schon seit mehreren Jahren zusammen, auch wenn die Entscheidung, zu heiraten und ein gemeinsames Haus zu kaufen, um Lector adoptieren zu können, erst vor wenigen Monaten gefällt worden war. Dennoch umgab die Beiden noch dieser besondere Zauber von frisch Verliebten.

Im Vergleich zu Marls eigener war die Beziehung der Beiden ja auch tatsächlich noch taufrisch.

„Na, dann habt noch einen schönen ruhigen Samstag“, wünschte Marl und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie der atersschwache Wagen ihres Mannes vorfuhr. Doch noch einmal schenkte sie dem Baby in Igneels Armen ihre volle Aufmerksamkeit und strich über den feinen, rotbraunen Flaum auf dem winzigen Köpfchen. „Wenn irgendetwas ist, kannst du dich jederzeit bei mir melden. Ich helfe gerne, wirklich.“

„Das wird hoffentlich nicht nötig sein, ein Einsatz am Wochenende reicht“, schmunzelte Igneel und hob die Tasche mit den Babysachen auf, die er Marl gemeinsam mit seinem Sohn vor einigen Stunden rüber gebracht hatte. „Nochmals vielen Dank. Und euch auch einen schönen Samstag.“

Während Igneel das Grundstück über den mit hellem Granitstein gepflasterten Weg verließ, fuhr Lucky rückwärts auf die Auffahrt, an deren Ende zwei Schubkarren bereit standen. Gemächlich schlüpfte Mal in ihre Gartenschuhe und machte sich auf dem Weg zum Auto, um ihrem Mann dabei zu helfen, die Garteneinkäufe auszuladen.

Ursprünglich hatten sie heute Vormittag gemeinsam zum Center fahren wollen, aber nur eine halbe Stunde vor dem geplanten Aufbruch hatte Igneel bei ihnen geklingelt. Das hatte Marl dem Feuerwehrmann wohlweislich verschwiegen, denn es hatte ihr wirklich nichts ausgemacht, Zuhause zu bleiben und auf Lector aufzupassen. Igneel sollte keine Hemmungen haben müssen, Marl um Hilfe zu bitten. Für sie war solch ein Freundschaftsdienst unter Nachbarn selbstverständlich – insbesondere wenn er für sie selbst auch so angenehm war und sie die betreffenden Nachbarn so gern hatte.

„War Lector artig?“, fragte Lucky grummelig, kaum dass er aus dem Wagen gestiegen war.

„Sehr artig, er ist wirklich ein liebes Baby“, seufzte Marl hingerissen und gab ihrem Mann zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange, obwohl er deswegen brummelte – dabei entging Marl keineswegs, wie seine stets sauertöpfische Miene etwas weicher wurde.

„Nicht ganz so laut wie Happy damals“, murmelte Lucky und wandte sich abrupt dem Kofferraum zu, um die Klappe zu öffnen und den ersten Sack mit Blumenerde heraus zu holen.

Kichernd kümmerte Marl sich darum, die Düngerbehälter in die andere Schubkarre zu laden. Happy war tatsächlich ein ausgesprochen mitteilungsfreudiges Baby gewesen. Er hatte viel gelacht und ziemlich früh mit dem Sprechen angefangen. Für Lucky, der schon immer die Stille der Gartenarbeit geschätzt hatte, war das manchmal eine große Herausforderung gewesen, aber seit sie ihn damals einmal dabei erwischt hatte, wie er dem vor sich hinbrabbelnden Happy die Namen und Eigenschaften der Gemüsepflanzen aufzählte, die er gerade heran zog, hatte Marl sich nie wieder deswegen Sorgen gemacht.

In stiller Eintracht kümmerten sie sich darum, die Einkäufe auszuladen. Weil sie genau wusste, wie grantig ihr Mann jedes Mal deswegen wurde, überließ Marl ihm die schweren Säcke und kümmerte sich um die leichteren Sachen. Es sah ganz so aus, als hätte Lucky im Center alles bekommen, was sie vorher gemeinsam auf eine Liste geschrieben hatten. Sie wollten in den nächsten Wochen den Garten auf den Frühling vorbereiten. Im Wintergarten hatten sie bereits einige Pflanzen vorgezogen und im kleinen Vorgarten blühte es prächtig.

Marl freute sich auf den Beginn der Gartensaison und die viele gemeinsame Arbeit mit ihrem Mann, der seine ersten zwölf Lebensjahre auf einem Bauernhof nie vergessen hatte. Wenn der Hof seiner Eltern damals nicht pleite gegangen wäre, hätte Lucky ihn bestimmt geerbt und sein ganzes Leben dort verbracht. Manchmal tat es Marl Leid darum, dass ihr Mann sich diesen Traum nie hatte erfüllen können, aber andererseits hätte sie ihn sonst vielleicht nicht hier in Magnolia kennen gelernt.

„Das war alles, oder?“, fragte Marl schließlich und stemmte die Hände in die Hüften.

„Nein, ich habe noch das hier gekauft“, erklärte Lucky besonders knurrig – ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihm dieser Einkauf besonders wichtig gewesen war.

Ruppig drückte er Marl ein paar neuer Gartenhandschuhe in die Finger. Es waren sehr hochwertige und extra für kleine Hände gedacht, perfekt für Marl, die mit den Einheitsgrößen bei vielen Handschuhen nicht richtig arbeiten konnte.

„Als wir letztes Wochenende aufgeräumt haben, ist mir aufgefallen, dass deine Handschuhe nicht mehr in Ordnung sind“, brummelte Lucky. In seiner Stimme klang dieses besondere Summen mit, von dem Marl wusste, dass es außer ihr nur Happy zu hören bekam. „Ich hoffe, du magst sie.“

Es war eine sehr typische Geste für Lucky. Auf seine eigene Art und Weise, die bei vielen Leuten leider missverständlich ankam, war er sehr aufmerksam und fürsorglich. Er achtete auf seine Umgebung und ganz besonders auf seine Familie.

Doch so typisch das für ihn war, Marl bescherte es doch jedes Mal ein warmes Gefühl in der Brust. Es war zwischen ihr und Lucky ganz anders als bei Igneel und Weißlogia, aber irgendwie fühlte Marl sich auch nach zwanzig Ehejahren noch wie eine frisch Verliebte, wenn Lucky so lieb zu ihr war.

Bevor Lucky sich einfach wieder seiner Gartenarbeit widmen konnte, streckte Marl sich und gab ihm einen weiteren Kuss auf die Wange, ehe sie ihm ins Ohr flüsterte: „Sehr sogar. Danke.“

96. “I brought you an umbrella.” (Shenny)

Mit finsterer Miene stand Jenny im Foyer des Verlagsgebäudes, in welchem sich auch der Bürokomplex des Take Over befand, und starrte durch die deckenhohen Frontfenster nach draußen, wo gerade die Welt unter zu gehen schien.

Als Jenny heute Morgen aufgebrochen war, hatte es noch nach einem strahlenden Sommertag ausgesehen. Der Wetterbericht der Radionachrichten, die sie während ihrer morgendlichen Routine hatte laufen lassen, hatte auch nicht von Regen gesprochen. Dementsprechend gut war Jenny für den Regen ausgerüstet – nämlich gar nicht. Wenn sie mit ihrem neuen Kleid, das sie sich nach der letzten Gehaltsauszahlung gegönnt hatte, durch den Regen bis zum Bahnhof lief, würden in der Bahn noch mehr Männerblicke als sonst schon an ihr kleben.

Sie gehörte zwar nicht zu diesen fragwürdigen Kampflesben, die Männer als das Größte Übel der Menschheit beschimpften, aber das hieß nicht, dass sie es schätzte, wenn ihr Fremde auf den Busen und Hintern starrten. Selbige sollten eigentlich nur von den von Jenny auserwählten Frauen begutachtet werden dürfen – von allem weiteren ganz zu schweigen.

Schnaufend ließ Jenny sich in einen der mit kunterbuntem Plüsch überzogenen Sessel des Foyers fallen, die ihre alte Schulfreundin und nun Vorgesetzte Mirajane aus irgendeinem Grund niedlich fand. In Jennys Augen waren die Dinger einfach nur albern, aber zumindest musste sie jetzt anerkennen, dass sie ihr Elend erträglicher machten.

Vor sich hin brummelnd zog Jenny ihr Smartphone aus der Handtasche und scrollte durch ihre Kontaktliste, obwohl ihr schon klar war, dass niemand davon ihr aus ihrer misslichen Lage helfen konnte.

Mirajane hatte heute früher Feierabend gemacht und dabei immer vor sich hin gesummt, weil sie sich auf ihr Date gefreut hatte – hatte die ein Glück, dass sie zu einem Klassikkonzert wollten, ansonsten wäre das Date wohl ins Wasser gefallen –, und sowieso hätte Jenny selbst eine fünfminütige Autofahrt zum Bahnhof mit einer schwer verliebten Mirajane niemals ausgehalten.

Deren kleine Schwester Lisanna kam immer mit dem Fahrrad zur Arbeit – und in ihrem dicken Rucksack hatte die garantiert eher so ein Regencape für Radfahrer als einen Regenschirm. Hibiki hatte Urlaub und war mit seiner Freundin, einer passionierten – oder eher besessenen – Geschichtsstudentin, in Enca unterwegs. Und Eve war krank.

Damit blieben nur noch Ren, der heute allerdings länger machen wollte, weil er morgen einen Termin hatte, und-

„Ich habe dir einen Regenschirm mitgebracht.“

Überrascht blickte Jenny von ihrem Smartphone auf und hoch zu Sherry. Die Pinkhaarige trug ein bauchfreies Top und einen Wickelrock, was ihre Bombenfigur ausgezeichnet zur Geltung brachte. Ein Gedanke, der Jenny schon seit heute früh durch den Kopf ging und der sich selbst jetzt wieder zu Wort meldete.

Allerdings verdrängte Jenny den Gedanken schnell wieder und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den kleinen Gegenstand in Sherrys feingliedrigen Händen, bei dem es sich um einen knallpinken Taschenregenschirm handelte. Ganz offensichtlich gehörte Sherry zu jenen Menschen, die immer auf alles gefasst waren. Irgendwie wunderte Jenny sich nicht darüber.

Ihr Blick wanderte weiter zu den fast schon triumphierend funkelnden, blauen Augen der Gleichaltrigen, die erst vor drei Monaten beim Take Over angefangen hatte.

„Wir können zusammen zum Bahnhof gehen“, schlug Sherry vor.

Für einen Moment wog Jenny ihre Optionen ab: Sie könnte warten, bis Ren endlich Feierabend machte. Sie könnte in den anderen Büros nachfragen, ob ihr jemand einen Schirm leihen konnte. Oder sie nahm Sherrys Angebot an und ließ sich auf die kitschige Geste ein, welche der Pinkhaarigen unter Garantie im Kopf herum schwirrte.

Natürlich fand Sherry solche Bilder, bei denen die Pärchen eng nebeneinander liefen, um unter einen Regenschirm zu passen, sehr romantisch. Etwas anderes passte einfach nicht zu ihr. Sie war eine Romantikerin durch und durch. Eigentlich grenzte es an ein Wunder, dass sie sich auf einen One Night Stand mit Jenny eingelassen hatte, aber die Blondine hatte an diesem einen Abend vor einer Woche, als sie nach der Fertigstellung einer neuen Ausgabe feiern gegangen waren, alle Register gezogen – einfach weil sie sich von Anfang an von Sherry angezogen gefühlt hatte und weil sie sowieso noch nie etwas hatte anbrennen lassen.

Mit einem Schulterzucken ergab Jenny sich in ihr Schicksal und wuchtete sich aus den weichen Tiefen des Sessels auf. „Hoffentlich ist dein Schirm groß genug für uns Beide.“

„Ganz bestimmt“, erwiderte Sherry noch immer mit diesen Funkeln in den Augen.

„Ganz bestimmt“, echote Jenny amüsiert und beugte sich vor, um einen Kuss auf die Lippen der Anderen zu drücken.

Sie hatte noch nie etwas mit Romantik anfangen können. Vielleicht ein Nebeneffekt, wenn man sich in Mirajanes romantikverseuchtem Umfeld befand – deren Schwester gehörte ja auch nicht wirklich zu diesen romantikvernarrten Mädels, da hatte Mirajane wohl auch als abschreckendes Beispiel gewirkt. Bei Jenny jedenfalls ging es eher immer gleich ans Eingemachte.

Aber für Sherry konnte sie sich wohl mal darauf einlassen. Sie hatten zwar noch kein endgültiges Gespräch darüber geführt, was zwischen ihnen nun seit dieser einen Nacht war, aber Jenny war schon vor dem One Night Stand klar gewesen, dass sie mehr als nur ein bisschen Spaß wollte. Und sie war sich mittlerweile voll und ganz sicher, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte.

Nachdem Jenny sich wieder zurückgezogen hatte, setzten die beiden jungen Frauen sich in Bewegung. Sie traten durch die nervig träge Drehtür und unter der Überdachung, die vor der Tür angebracht worden war, spannte Sherry ihren Schirm auf. Er war tatsächlich winzig. Selbst für eine einzige Person war er eigentlich schon zu klein und obendrein wirkte das Pink im aufgeklappten Zustand noch viel schriller. Wie gut, dass Jenny in letzter Zeit Pink lieben gelernt hatte.

„Gib ruhig zu, dass du dieses Mistwetter bestellt und extra deinen alten Kinderregenschirm eingepackt hast“, schmunzelte Jenny, trat jedoch ohne Scheu näher an Sherry heran und legte ihr einen Arm um die Taille, damit sie so eng nebeneinander laufen konnten wie eben möglich.

„Erwischt“, lachte Sherry glockenhell und schlang ihrerseits den freien Arm um Jennys Taille.

Jenny verdrehte die Augen, aber auf ihre Lippen schlich sich unwillkürlich ein weiches Lächeln. Als sie sich in Bewegung setzten, war es ein angenehmes Gefühl, Sherry so nahe zu sein. Ihre Hand fühlte sich gut auf Jennys Hüfte an und ihre Haare rochen noch leicht nach einem blumigen Shampoo.

Jenny verspürte den Wunsch nach mehr davon. Nicht hier und jetzt, sondern dauerhaft und intensiver, mit Versprechen und mehr gemeinsamen Stunden und allem, was sonst noch so dazu gehörte. Von ihr aus auch mit noch mehr Romantik, wenn es Sherry solche Freude machte.

Denn sie musste zugeben: Manchmal waren kitschige Gesten doch ganz schön.

97. “I’ll pick you up at the airport.” (GildartzCornelia)

Seufzend ließ Gildartz noch einmal den Blick über den Inhalt seiner Reisetasche schweifen. Die Sachen waren alle ordentlich gefaltet, sogar die Socken paarweise ineinander gestülpt, alles geradezu piekfein übereinander gestapelt, sodass genug Platz für die anderen Sachen blieb, die Gildartz hatte einpacken müssen. Wie sehr er diese Ordnung vermissen würde…

Er schloss den Reißverschluss, um dem Anblick zumindest für eine Weile zu entfliehen. Wenn er in Pergrande seine Pritsche beziehen würde, würde er schon früh genug wieder sehen, was er hinter sich gelassen hatte. Wieder einmal.

Die Aufbrüche fühlten sich jedes Mal so an. So grundsätzlich falsch und verräterisch. Dabei hatte er das nun schon ein paar Mal hinter sich gebracht. Fünfmal war er bereits aufgebrochen. Dennoch hatte er sich jedes Mal wieder dafür entschieden. Denn so sehr er die Zeit hier auch genoss, letztendlich zog es ihn doch jedes Mal zurück an die Front. Zu seinen Kameraden. Zu seiner Pflicht. Dorthin, wo er etwas Nützliches tun konnte.

Er wusste, wie grauenhaft das klang, aber er war kein Mann des Friedens. Dreimal hatte er versucht, sich hier dauerhaft nieder zu lassen, hatte Ausbildungen angefangen, war sogar mal für ein Semester an die Uni gegangen, aber nichts lag ihm. Er hatte es ganz ernsthaft versucht – immerhin hatte er zwei sehr gute Gründe dafür –, aber genau wie Igneel, Silver und die Anderen war er letztendlich vor allem eines: Ein Soldat.

Als sich eine winzige Hand mit einem Stapel Karten in sein Gesichtsfeld schob, blinzelte Gildartz überrascht. Cana hatte sich quer auf die Reisetasche gelegt und hielt ihm die alten Karten hin.

„Die hast du vergessen, Papa.“

In Gildartz’ Kehle bildete sich ein Kloß. Cana war ein kleiner Wildfang, prügelte sich immer wieder mit anderen Kindern – besonders mit dem Nachbarsjungen mit den vielen Hunden –, aber manchmal hatte sie trotz ihres jungen Alters von sechs Jahren bereits eine ungeheure Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Nicht nur mit ihren wunderschönen dunkelbraunen Haaren und den ausdrucksstarken Augen, sondern auch in ihrem Wesen. Sie hatte auf ihre eigene Art etwas sehr Fürsorgliches an sich.

Und sie war einer der Gründe, warum Gildartz mit dem Aufbruch immer solche Schwierigkeiten hatte, aber gleichzeitig war sie auch einer der Hauptgründe für seinen Aufbruch. Er wollte ein Vater sein, auf den Cana stolz sein konnte. Und er wollte mit seinen eigenen Händen für eine bessere Zukunft für seine Tochter und für all die Abermillionen von Kindern in der Welt schaffen. Er konnte nicht die ganze Zeit hier sitzen, während andere Männer und Frauen seinen Kampf kämpften.

Mit einem schwachen Dank nahm er die Karten an sich und verstaute sie sicher in seiner Brusttasche, ehe er Cana von der Reisetasche hob. Sobald sie auf eigenen Füßen stand, eilte sie wieder davon und Gildartz blieb alleine im Schlafzimmer, das so intensiv nach Heimat roch, dass ihm die Brust eng wurde.

Er sah die vielen Bilder an der Wand über dem Bett, sah den kleinen Schreibtisch, der über und über mit Skizzen und Stoffmustern bedeckt war, daneben die große, altmodische Nähmaschine am Fenster, über der ein halbfertiges Sommerkleid hing. Er sah die Modellpuppen, die Pinnwand mit den Aufträgen, Terminen, Messeflyern und dergleichen mehr. Er sah den riesigen Kleiderschrank – er hatte Metallicanas und Pantherlilys Hilfe gebraucht, um dieses Monstrum aus der ersten winzigen Wohnung, durch die halbe Stadt und bis hierher zu kriegen – und die breite Kommode, in der sich, wie er wusste, lauter Stoffbahnen und Nähzeug in allen möglichen und unmöglichen Varianten befanden.

Und er sah die vielen Postkarten über der Kommode. Die Motive waren oft mehrfach vorhanden. Es war praktischer, gleich mehrere Postkarten zu kaufen, wenn er mal die Gelegenheit fand, welche zu besorgen, das machte es einfacher, sein Versprechen zu halten, jede Woche eine Karte zu schicken…

Tief Luft holend hob er die Reisetasche vom Bett und schlang sich den Riemen um eine Schulter. Das Gewicht war vertraut, beinahe willkommen, versprach Monate der Entbehrungen und der Ängste, aber auch der Gewissheit, das Richtige zu tun.

Als er in den Flur trat, erwartete ihn Cornelia. Sie erwartete ihn immer im Flur. Sie gab ihm immer die Zeit, die er im Schlafzimmer brauchte. Wie immer hielt sie in ihren Armen eine kleine Umhängetasche mit all den Sachen, an die er selbst nie dachte und die er dann doch irgendwann brauchte – und sei es auch nur, um ein Stückchen Normalität in der Kaserne zu haben, wenn er ein paar Ausgaben seines Lieblingsautomagazins zum Lesen hatte.

Er fragte sich, womit er sie verdient hatte. Er, der nicht bei ihr und der gemeinsamen Tochter bleiben konnte. Er, den es immer wieder in die Ferne zog. In den Krieg.

Vor ihr blieb er stehen, um die Umhängetasche entgegen zu nehmen und ihren Riemen über seine andere Schulter zu schlingen. Ein weiteres vertrautes Gefühl. Etwas von Heimat und Familie und Frieden. Ein Hauch von Vertrauen und Treue.

Hinter Cornelia stand Cana und klammerte sich an die Hand ihrer Mutter, während sie sich auf die Unterlippe biss. Es war erst das zweite Mal, dass sie so etwas mitmachte, aber selbst sie schien schon eine Routine für solche Aufbrüche zu haben. Gildartz fragte sich, was das über ihn als Vater aussagte.

Zaghaft strich er durch Canas Haare. „Danke noch mal für die Karten, Kleines. Übe schön mit deinen eigenen, damit du mir ganz viele Tricks zeigen kannst, wenn ich wieder da bin, ja?“ Er war sich bewusst, dass seine Stimme belegt klang, aber das Versprechen hinter den Worten schien seine Tochter dennoch zu erreichen. Sie nickte hastig und sprang vor, um seine Beine zu umarmen und das Gesicht in seinen Bauch zu drücken.

Er strich nur durch ihre Haare. Wenn er zurück kommen würde, würde er sie hoch heben und küssen, sagte er sich. So tat er es immer. Es war besser so für ihn.

„Und pass’ gut auf deine Mutter auf, ja? Und prügle dich nicht so viel mit dem Bengel.“

„Der braucht das aber“, schniefte Cana in seinen Bauch.

Schmunzelnd trat Cornelia vor und legte die Hände auf Gildartz’ Brustkorb. In ihren Augen konnte er tausend Versprechen und noch viel mehr Bitten erkennen. Er hatte vor, jede einzelne zu erfüllen, selbst wenn er sie noch nie gehört hatte. Wenn er aufbrach, sprach Cornelia nur wenig. Wahrscheinlich weil sie sich genauso entzwei gerissen fühlte wie er selbst. Aber eines sagte sie jedes Mal, bevor sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um ihn mit einem Kuss zu verabschieden.

„Ich werde dich am Flughaften abholen.“

98. “Take a deep breath.” (Lysui)

Mit zitternden Fingern blätterte Hisui zum tausendsten Mal durch ihre Notizen und stierte dabei auf die Buchstaben, ohne noch einen Sinn hinter ihnen zu erkennen. Wochen lang hatte sie sich auf den heutigen Tag vorbereitet, hatte ihre Notizen immer wieder überarbeitet, hatte die Literatur, auf die sie sich für ihre Examensarbeit gestützt hatte, noch mal vollständig gelesen, hatte sich sogar noch handbeschriebene Lernkarten für unterwegs angelegt… aber jetzt war ihr Kopf wie leer gefegt. Ausgerechnet heute, am Tag ihrer finalen Prüfung.

Nur mit Mühe konnte Hisui sich davon abhalten, sich die Haare zu raufen. Damit würde sie sich nur den strengen Knoten ruinieren, den sie vor einer Stunde nach mehreren verzweifelten Versuchen endlich hinbekommen hatte. Und jetzt besaß sie erst recht keine Nerven mehr fürs Frisieren!

Vielleicht hätte sie sich an ihrer alten Schul- und nun Brieffreundin Lucy ein Beispiel nehmen sollen. Die hatte mit der Familientradition gebrochen und anstelle von BWL Kunst studiert – und damit einen Riesenkrach mit ihren Vater in Kauf genommen, der sie eigentlich als Nachfolgerin in seiner Firma hatte haben wollen.

Aber Hisui hatte sich von den Bekundungen ihres Vaters, sie sei nicht nur genauso schön, sondern auch genauso klug wie ihre Mutter, dazu anspornen lassen, in die Fußstapfen der Verstorbenen zu treten und Jura zu studieren. Das schien ihr einfach ein guter Weg zu sein, um ihren Vater mit seiner Arbeit bei der Stiftung später unterstützen zu können. Und es hatte trotz der unmenschlich hohen Ansprüche auch Spaß gemacht, aber hier und jetzt wünschte Hisui sich, sie hätte sich anders entschieden.

Was war, wenn sie hier versagte? Dann konnte sie ihrem Vater und der Stiftung nicht helfen – einer Stiftung, die so vielen Menschen Jahr für Jahr half. Schon als Kleinkind war Hisui immer mitgekommen, wenn ihr Vater die Einrichtungen der Stiftung besucht hatte. Die Obdachlosenheime, die Tafeln, die Jugendvereine, die Nachhilfeschulen, die Beratungszentren.

Hisui war mit dem Wunsch aufgewachsen, ihren Beitrag dafür zu leisten, damit all das fortbestehen und wachsen konnte, damit noch mehr Menschen geholfen werden konnte. Dafür war sie nach der Grundschule an ein Elitegymnasium mit wirtschaftlichem Schwerpunkt gegangen. Dafür war sie nach ihrem bravourösen Schulabschluss nach Margaret gezogen, der Stadt mit der besten Juristischen Fakultät des gesamten Landes, die sogar ein eigenes Institut für Wirtschaftsrecht besaß.

Natürlich, ihr Vater hatte immer gesagt, jeder konnte einen Beitrag leisten, egal was er gelernt haben mochte, aber Hisui hatte immer daran gedacht, was sie tun konnte, um so gut wie möglich darauf vorbereitet zu sein, den Familienreichtum und die Stiftung zu übernehmen, wenn ihr Vater in den wohlverdienten Ruhestand ging. Denn Darton, die rechte Hand ihres Vaters, würde wohl noch vor diesem in Rente gehen, und Arkadios kümmerte sich eher um die Arbeiten, bei denen man anpacken musste – der unmittelbare Aufbau der Zentren, die Rekrutierung von geeigneten Leuten für eben jene – , das war sein Spezialgebiet, mit der Bürokratie hatte er nicht so viel Erfahrung. Also war es Hisuis Aufgabe, diese Lücke zu schließen – oder besser: sie gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Ein wohlbekanntes Händepaar tauchte in Hisuis Blickfeld auf und ergriff ihre Hände, um sie behutsam von den Notizen zu lösen. Zaghaft hob Hisui den Blick und erkannte Lyon. Auf seinen Lippen lag ein verständnisvolles Lächeln.

„Atme tief durch“, sagte er leise und rieb mit seinen Daumen sanft über Hisuis Handrücken.

Er hatte gut Reden. Immerhin hatte er seine Prüfung schon letztes Jahr abgelegt und war jetzt Juniorpartner in einer renommierten Kanzlei für Familienrecht. Er hatte das alles schon hinter sich und – so streng Professor Obaba als Prüferin auch sicherlich gewesen war, sie konnte unmöglich so schlimm wie Professor Michello gewesen sein, der es darauf anlegte, die Prüflinge zu schikanieren. Hisui wünschte sich, sie hätte eine Wahl gehabt, aber sie hatte ihre Prüfung nun einmal in Wirtschaftsrecht ablegen wollen und da war Professor Michello der zuständige Prüfer.

Ihr mussten die Gedanken anzusehen sein, denn der Druck auf ihren Handrücken wurde einen Moment lang stärker, ehe die kreisenden Streichbewegungen wieder von vorn begannen. Eine sanfte, wortlose Ermahnung, mehr nicht.

Hisui seufzte leise und versuchte sich dann an einem wackeligen Lächeln. „Ich bin furchtbar nervös. Ich habe so hart für all das hier gearbeitet, aber was ist, wenn Professor Michello mich gegen die Wand redet?“

„Kann er nicht, Professor Gran Doma hat auch noch ein Wörtchen mitzureden“, erwiderte Lyon, ohne in seinen sanften Streichbewegungen inne zu halten. „Und allein, dass er dabei ist, zeigt schon, wie gut deine Chancen stehen.“

Da war etwas Wahres dran. Der Dekan der Juristischen Fakultät war bei besonders vielversprechenden Arbeiten auch bei der Verteidigung mit dabei. Vor einem Jahr war er auch bei Lyons Verteidigung dabei gewesen und hatte dem Absolventen sogar höchst persönlich das Zeugnis mit Summa cum Laude ausgehändigt. Als Hisui gehört hatte, dass Professor Gran Doma auch bei ihrer Verteidigung dabei sein würde, hatte sie sich noch gefreut. Die Nervosität war erst später gekommen.

„Hey.“ Ihr Kopf ruckte wieder hoch – sie hatte gar nicht bemerkt, wie er langsam nach unten gesackt war – und sie nahm wieder Blickkontakt zu Lyon auf. Seine Augen funkelten ermahnend und seine Finger übten wieder sanften Druck aus. „Atme tief durch. Du schaffst das.“

Weil sie das Gefühl hatte, sowieso nichts mehr zu verlieren zu haben, schloss Hisui die Augen und befolgte den Ratschlag. Ganz langsam und gleichmäßig atmete sie ein und aus, konzentrierte sich einzig und allein auf ihren Körper und auf Lyons Hände.

Selbst jetzt, da sie mit dem Kopf ganz woanders war, verursachten die vertrauten Glieder ein angenehmes Kribbeln auf Hisuis Haut, erhielten eine wohlig warme, sichere Glut in ihrem Inneren am Leben. Mit Lyon fühlte sich alles immer um so vieles besser an. Er hatte diese Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen und zu beruhigen, war immer einfühlsam, hatte immer die richtigen Worte und Gesten…

Hisui hatte noch nicht darüber nachgedacht, wie es mit ihnen weiter gehen würde, wenn sie ihr Examen in der Tasche hatte und nach Crocus zurückkehren konnte, aber irgendwie hatte sie keine Angst davor. Etwas sagte ihr, dass es mit ihnen nicht vorbei war. Dieses etwas ließ sich nicht klar definieren, es war einfach Gewissheit.

Als sie die Augen wieder aufschlug, brachte sie ein ehrliches Lächeln zustande und ihr Herz machte einen kleinen, aufgeregten Hüpfer, als sie das weiche Lächeln auf Lyons Lippen bemerkte. Ohne sich darum zu kümmern, ob jemand in der Nähe war, beugte er sich zu ihr herunter und gab ihr einen kurzen Kuss. Im Grunde war es nur ein flüchtiges Streifen ihrer Lippen, aber es genügte, um Hisui anzuspornen.

Während sie aufstand, beugte sie sich ihrerseits vor und hauchte einen Kuss auf Lyons Mundwinkel. Ein wortloses Versprechen auf mehr, wenn sie diese vermaledeite Prüfung endlich hinter sich hatte!

„Ich schaffe das!“, erklärte sie und straffte die Schultern.

Noch immer lächelnd blickte Lyon zu ihr auf und hielt ihr die Notizen entgegen. „Natürlich.“

99. “Be careful.” (Annalogia)

„Sei vorsichtig.“

Wenn eines gab, was Anna nie zu Acnologia sagen würde, dann das. Diese zwei simplen Worte, so wichtig sie für viele Andere auch waren, waren bei Acnologia schlicht und einfach fehl am Platz. Nicht weil das, was er tat, nicht gefährlich war, ganz im Gegenteil, sondern weil solche Worte nicht zu ihm und Anna gehörten – was auch immer sie Beide zusammen nun waren.

Anna war eine gestandene Frau, saß im Berufsleben fest im Sattel, hatte eine Tochter, auf die sie stolzer nicht sein könnte, und eine dreijährige Enkelin, die man keine Sekunde aus den Augen lassen konnte. In ihrem sozialen Umfeld galt Anna als jemand, der unerschütterlich war, immer seinen Kurs kannte, immer über die Dinge in der Welt Bescheid wusste. Zuweilen hatte Anna sogar das Gefühl, von ihren Jura-Studenten glorifiziert zu werden, auch wenn sie nicht den Eindruck hatte, allzu dick aufzutragen – ein bisschen schon, das musste man vor Gericht einfach.

Wenn es allerdings um Acnologia ging, fühlte Anna sich, als würde ihre sonstige Souveränität außer Kraft gesetzt werden. Bei ihm hatten so viele Dinge eine andere Bedeutung – wenn überhaupt eine. Gesten, die für Andere von schier unermesslichem Wert waren, wurden von ihm nicht einmal beachtet, geschweige denn gewürdigt. Und die in der heutigen Gesellschaft obligatorischen Platituden prallten einfach an ihm ab.

Im Umgang mit Acnologia hatte Anna eine neue Sprache gelernt. Eine Sprache aus wortlosen Lauten, winzigen Veränderungen in der Körperhaltung und schwer zu deutenden Blicken. Eine Sprache, die von der Umgebung, der Tageszeit und noch vielerlei mehr Faktoren abhängig war. Eine Sprache, die selbst nach mehreren Monaten ein Rätsel blieb.

Doch Anna hätte sich nicht als Alleinerziehende zur besten Staatsanwältin der Stadt hochgearbeitet, wenn sie vor so einer Herausforderung zurück schrecken würde. Jeder noch so winzige Erfolg war all die voran gegangenen Fehltritte zehnfach wert, jeder Tag ein neues Abenteuer, jede Erkenntnis ein neuer Schritt auf einem Weg, der einfach um seiner selbst willen beschritten werden wollte…

Und manchmal gab es diese Momente, in denen es so aussah, als würde Acnologia auch versuchen, ihre Sprache zu sprechen. Jetzt war so ein Moment, denn genau die Worte, die Anna nicht einmal dann verwendete, wenn sie erraten hatte, dass Acnologia zu einem Auslandseinsatz musste, waren soeben aus seinem Mund gekommen.

Er stand hinter ihr, während sie das letzte Mal an ihren zu einem strengen Knoten hochgebundenen Haaren zupfte, um auch die letzte widerspenstige Strähne zu bändigen. Acnologia trug nur eine Jogginghose, sodass Anna durch den Spiegel einen guten Blick auf den sonnengebräunten, muskulösen Oberkörper hatte. Wie immer blieb sie kurz an seinem rechten Oberarm hängen, der vom Handgelenk bis zur Schulter eine einzige große Tätowierung zeigte, ein abstraktes Schnörkelmuster, das auf dem ersten Blick keinen Sinn ergab. Eines der Rätsel, die Anna noch immer nicht gelöst hatte, denn sie war sich sicher, dass hinter diesem Muster eine Bedeutung stecken musste. Acnologias wilde, weiße Mähne war noch etwas zersauster als sonst, weil er gerade erst aus dem Bett gestiegen war.

Weil er gestern erst mitten in der Nacht von einem Einsatz wieder gekommen war – und sich wie immer ohne Vorwarnung bei Anna einquartiert hatte –, hatte sie sich wider besseren Wissens bemüht, leise zu sein. Sie hatte heute nicht den Luxus, ausschlafen zu können, sie musste in zwei Stunden vor Gericht ihr Plädoyer halten.

„Ich fahre nur zum Gericht und danach zu meinem Büro. So gefährlich sind die Straßen hier noch nicht“, antwortete sie trocken, als ihr bewusst wurde, wie lange sie Acnologia bereits durch den Spiegel angestarrt hatte.

Sie ließ ihre Hände sinken und drehte sich herum, um dem Mann direkt in die Augen blicken zu können. Heute schaffte sie es nicht, etwas darin zu lesen. Sein Blick blieb unverständlich hart. Genau das verriet ihr, dass er aus irgendeinem Grund auf der Hut war. Fast so, als wollte er seine Deckung nicht fallen lassen. Immer der kampfbereite Soldat eben.

„Es wird Sturm geben“, sagte er einfach nur, ohne zu erklären, woher er das wusste. Erklärungen waren nichts für ihn. „Sei einfach vorsichtig.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte er sich wieder um und verschwand in der Küche. Mit einer Mischung aus Verwirrung und Amüsement blieb Anna im Badezimmer zurück und griff langsam nach ihrer ledernen Armbanduhr. Ein letztes Mal überprüfte sie ihre Frisur im Spiegel, dann trat sie in den Flur hinaus, um in ihren Mantel und die flachen Pumps zu schlüpfen.

Neben ihrer Aktentasche lag der schwarze Taschenschirm, den sie eigentlich in einer der Schubladen des Flurschranks aufbewahrte. Sie wunderte sich gar nicht erst darüber, warum Acnologia von der Existenz dieses Regenschirms gewusst hatte. Sie würde ihm sogar zutrauen, dass er ihre Wohnung mal auf verdächtige Gegenstände überprüft hatte.

Einen Moment lang wog Anna den Regenschirm nachdenklich in der Hand, dann drehte sie sich zur Hälfte um und rief einen knappen Dank zurück in die Wohnung, ehe sie die Tür öffnete und sich auf den Weg machte.

So sehr sie sich bemühte, Acnologias Sprache zu entziffern, manchmal musste sie ihn auch mit ihrer Sprache konfrontieren. Dass er sie heute sogar selbst angewendet hatte, ließ Anna hoffen, dass er auch all das hinter dem simplen „Danke“ verstanden hatte, was in Worte zu fassen auch ihr noch immer so schwer fiel…

101. "Kannst du mir helfen?" (RogueStina)

„Kannst du mir helfen?“

Überrascht blickte Rogue von seinem Buch auf und direkt in ein paar tiefblauer, von langen, blonden Wimpern umkränzter Augen. Vor seinem Lieblingsplatz unter der alten Eiche, deren herausragende Wurzeln ihm einen wunderbaren Sichtschutz nach links und rechts boten, hatte sich eine junge Frau aufgebaut, die er noch nie gesehen hatte.

Ihre Bermudahosen und das Tanktop hätten auch einem Mann gepasst – tatsächlich wirkte letzteres an ihr beinahe wie ein nur etwas zu knapp geratenes Kleid, was den Verdacht erhärtete, dass es aus der Männerabteilung stammte. An den Füßen trug sie Flipflops und die blonden Haare hatte sie zu einem anscheinend gezielt unordentlichen Zopf geflochten, der bis zu ihrer Hüfte reichte.

Soweit hätte man sie auf dem ersten Blick tatsächlich für einen Jungen halten können, aber der feine Schwung der Hüften und die Brüste waren selbst unter den lässigen Klamotten gut genug zu sehen. Und so burschikos ihr Auftritt auch war, ihr Gesicht war doch eindeutig das einer Frau. Sie hatte große, ausdrucksstarke Augen, eine gerade, schmale Nase mit vielen Sommersprossen – neben den unter den Tanktopträgern hervorblitzenden Bräunungsstreifen und den gebleichten Strähnen im Haare der beste Beleg dafür, wie viel Zeit sie an der Sonne verbrachte – und ein spitzes Kinn, das sich immer herausfordernd vorzurecken schien. Eine feine Narbe spaltete die rechte Augenbraue und am linken Ohr baumelte ein einzelner Ohrring in Kristallform, die Ponypartie fiel ihr wild in die Stirn. Und auf ihren ungeschminkten Lippen lag das breiteste Grinsen, das Rogue jemals bei überhaupt irgendeinem Menschen gesehen hatte.

Erst als das Grinsen sogar noch etwas breiter wurde – wie auch immer das mit einem normalen Mund noch möglich sein sollte –, wurde Rogue bewusst, das er die Fremde in der letzten Minute, seit sie ihn angesprochen hatte, einfach nur angestarrt hatte. Mit einem Räuspern senkte er den Blick wieder auf sein Buch, fischte das Lesezeichen aus dem Gras neben ihm und legte es ins Buch, ehe er selbiges zuklappte und aufstand.

Aus dieser Perspektive wurde ihm klar, dass die junge Frau ein gutes Stück kleiner und schmaler als er war, aber er erkannte an den Oberarmen fein definierte Muskeln. Ganz offensichtlich war sie Sportlerin.

„Kennen wir uns?“, fragte er und zermaterte sich den Kopf, ob die Blondine in einer seiner Vorlesungen saß, aber so wenig er sich sonst für die zweihundert anderen Gestalten in den stickigen Sälen interessierte, er war sich ziemlich sicher, diese Frau hier wäre ihm nicht entgangen. Ganz zu schweigen davon, dass sie absolut nicht wie eine Jurastudentin auf ihn wirkte.

„Noch nicht“, erwiderte die junge Frau und stemmte mit funkelnden Augen die Hände in die Hüften.

So langsam fiel bei Rogue der Groschen, aber das stürzte ihn gleich in einen neuerlichen Fragenstrudel. Wie kam die Blondine ausgerechnet auf ihn? War das nicht ein bisschen arg direkt? Und… wie sollte er darauf antworten?

Die letzte Frage löste sich in Wohlgefallen auf, als die junge Frau ihm eine Hand anbot. „Ich bin Stina, Erstsemester, Musik.“

Dann war sie zwei Jahre jünger als Rogue und tatsächlich keine Jurastudentin. Dabei wäre der Gedanke von ihr als Anwältin oder Richterin definitiv mal eine Abwechslung, aber Musik passte eindeutig besser zu ihr. Mit einem Anflug von Neugierde fragte Rogue sich, was für Instrumente sie wohl spielte.

„Ich bin Rogue“, stellte er sich langsam vor und erwiderte die Geste.

Stinas Händedruck war überraschend fest, ihre Fingerkuppen rau, aber ihre Hand war und blieb die einer Frau, winzig, zierlich, weich – Rogue ertappte sich bei dem Gedanken, dass er diese Hand gerne länger halten würde. Belämmert ließ er Stina gewähren, als sie seine Hand enthusiastisch schüttelte.

„Also, da wir einander nun kennen…“ Taten sie? Rogue kam es so vor, als hätte er jetzt noch viel mehr Fragen im Kopf, die um Stina kreisten. Zum Beispiel, warum er es bedauerte, als Stina seine Hand los ließ. „Kannst du mir nun helfen?“

„Wobei denn?“, fragte er vorsichtig.

„Ich suche das Studierenden-Service-Center. Eigentlich wollte meine Schwester mir das zeigen, aber sie musste spontan bei ihrem Job eine Schicht übernehmen, weil jemand krank geworden ist. Mann, war die sauer. Ich wette, das liegt daran, weil ihr Kollege sie immer anbaggert.“

Rogue hatte Mühe, aus diesem hemmungslosen Redeschwall das heraus zu filtern, was für ihn relevant war.

„Das SSC ist im Verwaltungstrakt“, erklärte er und deutete zur anderen Seite des Campus, der jetzt, so kurz vor Beginn des neuen Semesters, noch verhältnismäßig leer war. Ein Segen für Rogue und der Grund, warum er sein Buch ausnahmsweise mal nicht in der Bibliothek las, sondern hier draußen.

„Und wo da genau?“, fragte Stina prompt und blickte unter ihren langen Wimpern beinahe herausfordernd zu ihm hoch.

Mittlerweile war selbst für Rogue offensichtlich, dass Stina mit ihm flirtete und es darauf anlegte, Zeit mit ihm zu verbringen. Subtilität schien nicht unbedingt ihre Stärke zu sein, aber ihre schonungslose Offenheit hatte etwas Entwaffnendes – und gleichzeitig Provozierendes. Dabei ließ es Rogue normalerweise vollkommen kalt, wenn eine Frau ihm schöne Augen machte, wenn er es denn überhaupt mitbekam – seiner besten Freundin zufolge hatte er diesbezüglich eine lausige Aufmerksamkeitsspanne. Aber Stina war eindeutig anders als die Frauen, mit denen Rogue bisher zu tun gehabt hatte.

„Ich könnte es dir zeigen?“, schlug er vor.

Was könnte dabei schon schief gehen? Im schlimmsten Fall stellte es sich als Flop heraus und dann gingen sie einfach wieder getrennter Wege, aber vielleicht wurde es sogar ganz angenehm? So angenehm, wie ein Gang zum Studierenden-Service-Center eben werden konnte.

Das strahlende Lächeln, das sich auf Stinas Gesichtszügen ausbreitete, machte etwas Merkwürdiges mit Rogues Körperfunktionen. Sein Magen schlug einen Salto und sein Herz klopfte auf einmal heftig gegen seine Brust. Er war wirklich kein Kunstmensch, aber hier und jetzt ertappte er sich bei dem Gedanken, dass er dieses Lächeln gerne für die Ewigkeit festhalten würde.

„Das wäre super!“, jubelte Stina und stieß übermütig eine Faust in die Luft. „Dafür lade ich dich auf Kaffee und Kuchen ein! Nicht hier in der Cafeteria, davor hat meine Schwester mich schon gewarnt, ich habe auf dem Weg hierher ein Café gesehen. Du magst doch Kuchen, oder? Ach, natürlich, jeder mag Kuchen!“

Es war, als hätte Rogue es mit einer Naturgewalt zu tun. In einem Moment hatte er noch geglaubt, endlich aufgeholt zu haben, aber jetzt machte Stina aus der ganzen Sache schon ein Date!

Aber als Rogue sich umdrehte, um seine Tasche vom Boden aufzuheben, während Stina hinter ihm aufgeregt auf der Stelle herumhibbelte, konnte er nicht anders, als zu lächeln. Diese Frau war eindeutig etwas Besonderes. Sie war in mehr als nur einer Hinsicht anziehend. Warum es also nicht auf ein Date ankommen lassen?

Was sollte schon passieren…?

102. "Steig ein." (LuLi)

Mürrisch stapfte Lucy die Straße entlang. Ihre hohen Absätze gerieten immer wieder zwischen die Kopfsteinpflaster und der Wind brachte die Frisur durcheinander, in welche sie so viel Zeit und Sorgfalt gesteckt hatte. Und zu allem Überdruss spürte Lucy, wie sich ihr Heuschnupfen so langsam meldete. In der Erwartung, dass sie heute eigentlich gar nicht so viel Zeit im Freien hätte verbringen sollen, hatte sie heute morgen keine Tablette dagegen genommen und nun begannen ihre Augen zu brennen. Ganz toll! Wenn die auch noch tränen würden, war ihr Make up auch noch ruiniert!

„Dieser Vollidiot!“, schimpfte Lucy und trat so heftig auf einen Pflasterstein, dass ihr Absatz dessen Rundung herunter rutschte und sie beinahe das Gleichgewicht verlor. Vor Schreck entfuhr ihr ein sehr unrühmliches Quietschen und sie wedelte wild mit den Armen, um nicht auch noch eine unliebsame Bekanntschaft mit dem Boden zu machen. Das hätte ihr gerade noch zu ihrem Unglück gefehlt!

„Verdammter Blödmann!“, jammerte Lucy wieder und blieb am Straßenrand stehen, einfach um ihren Frust ins Nichts hinaus rufen zu können. „Penner! Prahlhans! Idiot! Wie kann er es nur wagen?!“

„Wow, du bist ja richtig kreativ.“

Mit einem erschrockenen Aufschrei wirbelte Lucy herum und erkannte Lisanna. Die junge Tierarztstudentin mit den zwei kecken, weißen Zöpfen lehnte an ihrem winzigen Auto, das so geschickt zwischen dicken Bäumen stand, dass Lucy es in ihrer Wut vorhin gar nicht bemerkt hatte. Die Daumen hatte Lisanna in die Gürtelschlaufen ihrer Jeanshotpants eingehakt, während ihre ungeschminkten Lippen sich zu einem breiten Grinsen verzogen.

„Ich hätte ja nicht gedacht, dass du fluchen kannst.“

„W-was machst du denn hier?!“, japste Lucy, während ihr das Blut schwindelerregend schnell in den Kopf schoss.

„Eine Pause“, erklärte Lisanna und deutete auf ihre festen Wanderschuhe, ehe sie ihr Fernglas anhob. „Hier in der Nähe ist ein Adlerhorst. Ich habe nachgesehen, ob man schon Schlüpflinge erkennen kann.“

„Ah…“, machte Lucy wenig klug.

Vage erinnerte sie sich, dass Natsu ihr mal etwas davon erzählt hatte, dass Lisanna neben ihrem Studium ehrenamtlich im Vogelschutz arbeitete. Kartierungen und Beringungen und Zählungen und was auch immer es da noch gab. Lucy hatte nicht einmal einen blassen Schimmer davon und Natsu war zwar ein Plappermaul, aber das bezog sich für gewöhnlich eher auf seine eigenen mitunter sehr kuriosen Erlebnisse als darauf, über Andere zu tratschen.

Wenn Lucy ehrlich war, hatte sie da auch nie nachgehakt. Erstens weil sie nicht unbedingt von sich behaupten konnte, dass sie sich für Veterinärmedizin oder für Ornithologie interessierte, und zweitens weil Lisanna einfach die Sandkastenfreundin von Natsu war, mit der Lucy nun einmal nicht wirklich etwas zu tun hatte. Lucy war erst zwei Jahre vorm Schulabschluss nach Magnolia gekommen und hatte sich mit einigen ihrer neuen Klassenkameraden angefreundet, zu denen sie den Kontakt auch nach dem Beginn ihres Studiums aufrecht erhalten hatte, darunter eben auch Natsu. Aber Lisanna war eben in keinem ihrer Kurse gewesen und auch sonst hatte es keine Kontaktpunkte gegeben.

„Und was machst du hier?“, fragte Lisanna noch immer grinsend. „Du siehst nicht so aus, als wärst du für eine Wanderung aufgebrochen.“

Sofort verdüsterte sich Lucys Stimmung wieder. „Ich bin auf dem Heimweg.“

Amüsiert blickte Lisanna die Straße auf und ab. „Sind das nicht noch zwei Kilometer?“

Es war überflüssig, auf diese Frage zu antworten. Jeder in der Kleinstadt kannte das opulente Anwesen der Heartfilias. Mit der riesigen historischen Villa, dem Park mit eigenem See, den Stallungen und Koppeln und sogar einem kleinen Gebäudekomplex für die dauerhaft stationierten Angestellten war das Gelände im Grunde fast ein Dorf für sich. Lucy lebte dort erst, seit ihr Vater ihrem Betteln nachgegeben und sie aus dem Internat heraus geholt hatte. Anfangs war sie immer von einem Chauffeur in die Stadt gefahren worden, mittlerweile hatte sie ein eigenes Auto – das nun allerdings in der Garage neben den Autos ihres Vaters stand. Da war es ihr natürlich nicht von Nutzen.

„Ich hatte ein Date und wurde abgeholt“, knurrte Lucy.

Sie erstickte beinahe an den Worten. Nicht dass sie unbedingt eine große Romanze von Dan Straight erwartet hatte. Er war eher ein Kandidat ganz nach den Vorstellungen ihres Vaters mit seiner einflussreichen Familie und dem Job als Juniormanager in einer angesehenen Bank. Im Grunde hatte Lucy Dan einfach nur diese eine Chance geben wollen, um sich von ihrem Vater nichts vorwerfen lassen zu müssen, der ihretwegen doch schon so einige Umstellungen hatte hinnehmen müssen.

„Lief wohl nicht gut?“, fragte Lisanna mit einem schiefen Lächeln.

„Das kann man wohl laut sagen!“, rief Lucy und riss die Arme hoch. „Dieser Blödmann!“

Im Grunde war das Date schon zum Scheitern verurteilt gewesen, als es noch gar nicht richtig begonnen hatte. Bei der Abholung auf dem Anwesen hatte Dan noch den Kavalier gemimt, aber Lucy hatte wohl einfach schon zu lange Kontakt mit Natsu und den Anderen. Die großen Gesten ihres Dates hatten sie von Anfang an genervt. Und als sie losgefahren waren, hatte Dan nur noch von sich und seiner steilen Karriere geredet und wie im Nebensatz erwähnt, dass Lucy für ihn ein gutes Trittbrett sei – zwar nicht wortwörtlich, aber Lucy verstand Andeutungen, wenn sie sie hörte.

Zugegebenermaßen hätte sie aller Wut zum Trotz wenigstens daran denken sollen, ihre Handtasche mitzunehmen, aber sie hatte sich dermaßen aufgeregt, dass sie bei voller Fahrt die Autotür aufgerissen hatte und heraus gesprungen war, kaum dass Dan eine Vollbremsung hingelegt hatte. Als er ihr gefolgt war, hatte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. Ihre Hand kribbelte immer noch davon und sie hoffte, dass Dan noch eine Weile etwas von dieser Schelte hatte. Verdient hatte er es!

„Das klingt, als müsstest du dich mal so richtig auskotzen“, stellte Lisanna fest und öffnete die Beifahrertür ihres winzigen Autos. „Steig’ ein.“

Verdutzt blinzelte Lucy. „Was?“

„Steig’ ein“, wiederholte Lisanna und umrundete ihr Auto, um nun auch die Fahrertür zu öffnen. „Was hältst du von einem Drink im Satan Soul? Oder auch ein paar mehr? Je nachdem, wie lange du brauchst, um dich abzureagieren. Ich lade dich ein.“

„Ist das…“ Lucys Gedanken überschlugen sich und ganz unwillkürlich huschte ihr Blick nochmals über Lisannas Körper.

Die Weißhaarige war attraktiv, keine Frage. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer sportlichen Art wirkte sie auf dem ersten Blick zart, war sehr feminin und hatte kein Problem damit, auf erfrischend offensive Art zu zeigen, was sie hatte. Ihr Selbstbewusstsein und ihre kameradschaftliche Art waren Lucy schon bei der ersten Begegnung aufgefallen, aber damals hatte sie noch nicht so intensiv darüber nachgedacht. Ihr Coming Out war später gekommen.

Schon wieder wurden Lucys Wangen feuerrot. Wohin galoppierten denn ihre Gedanken auf einmal?! Sie wusste doch nicht einmal, ob Lisanna auf Frauen stand! Das könnte auch eine ganz unverfängliche Einladung unter Bekannten sein!

„Kein Date“, antwortete Lisanna, als hätte sie Lucys Gedanken gelesen, und grinste schelmisch. „Bei einem Date würde ich besser aussehen und du hättest von Anfang an bessere Laune.“

Sollte das etwa heißen, dass…? Oder war das nur hypothetisch gemeint? Wie war Lisanna eigentlich darauf gekommen?

Während Lucy noch dumm da stand und glotzte, ließ Lisanna sich auf den Fahrersitz fallen, zog die Tür zu und beugte sich über den Schaltknüppel, um zu Lucy hoch blicken zu können. „Ich kann dich auch einfach nach Hause fahren. Deine Entscheidung. Steig’ ein.“

Nach Hause fahren? Und dann ihrem Vater erklären, dass sein Wunschkandidat ein moderner Menschenhändler war?

Lucy machte einen zögerlichen Schritt auf das Auto zu, dann blieb sie stehen und schüttelte energisch den Kopf. Pah! Die Genugtuung würde sie diesem Blödmann Dan nicht geben! Von dem würde sie sich nicht den Tag verderben lassen! Erst recht nicht, wenn sich ihr solch eine Gelegenheit anbot!

Entschlossen straffte sie die Schultern und überwand den Abstand zum Auto. Es war ungewohnt, sich in so ein winziges Auto zu quetschen, aber Lucy störte sich nicht daran. Nach Natsus antiker Schrottmühle konnte sie kein Auto der Welt mehr schocken.

„Also?“, fragte Lisanna mit einem ahnungsvollen Lächeln, während Lucy die Tür zuzog und sich anschnallte. „Nach Hause oder zum Satan Soul?“

„Zum Satan Soul“, antwortete Lucy, ohne noch mal zu zögern. Mochte es nun Date heißen oder nicht, Lisannas Signale waren vollkommen eindeutig und Lucy musste sich eingestehen, dass sie das sehr anziehend fand. „Aber du musst mich wirklich einladen, ich habe meine Handtasche vergessen.“

„Kein Problem.“ Lisanna startete den Motor und legte den Gang ein. Auf ihren Lippen lag beinahe schon ein herausforderndes Lächeln bei ihren nächsten Worten. „Du kannst mich dann ja beim nächsten Mal einladen.“

103. "Willkommen zurück." (Fem!Gruvia)

Als durch das Zugfenster endlich die ersten Ausläufer Magnolias zu erkennen waren, machte Juvias Herz einen kleinen Hüpfer vor Aufregung. Jetzt war es nicht mehr weit bis zum Hauptbahnhof. Sie war die Strecke oft genug gefahren, um sie quasi im Minutentakt nachvollziehen zu können.

Der Zug würde jetzt nach und nach das Tempo drosseln, aber es reichte, wenn Juvia sich erst beim Anblick der Kardia Kathedrale von ihrem Sitz erhob. Sie hatte ja nur ihre kleine Reisetasche dabei und wenn sie jetzt schon an den Türen stand, war sie zwar vielleicht die Erste, die nachher aus dem Zug heraus kam, aber damit wäre sie dann auch dem ganzen Gedränge ausgesetzt und sowieso verging die Zeit dort an der Tür noch viel langsamer als hier an ihrem Platz.

Also begnügte sie sich damit, betont langsam das Bosco-Wörterbuch und ihre fast vollendete Übersetzung ordentlich in ihren kleinen Rucksack zu stecken und noch einen Schluck zu trinken. Sie musste sich so viel Zeit wie möglich damit lassen, um ihre Aufregung im Zaum zu halten, aber ihre Füße drippelten dennoch auf dem Boden herum und ihre Lippen zuckten immer wieder, als wollten sie das Lächeln für nachher üben.

Juvia hatte die Zeit bei ihrer Familie in Boscun wirklich genossen. Ihr kleiner Bruder Rogue war in dem halben Jahr, das sie ihn nicht gesehen hatte, gefühlt einen halben Meter gewachsen und hatte sich wirklich gemacht – dabei kam es Juvia wie gestern vor, dass sie mit ihm auf Augenhöhe gewesen war. Wenn er nächstes Jahr auch nach Magnolia kommen würde, um dort zu studieren, würden die Studentinnen wahrscheinlich Schlange stehen, um mit ihm ausgehen zu können.

Ihr Vater und ihre älteren Brüder hatten sich kaum verändert, wenn man davon absah, dass Totomaru seit der Geburt seiner Zwillinge quasi die Glückseligkeit auf zwei Beinen war und nun erst recht alle Garstigkeiten von Gajeel an sich abprallen ließ. Juvia war auch ganz hingerissen von Gemi und Mini. Allein schon, um die Beiden, die schon vor einem Monat, also genau in Juvias stressiger Klausurenzeit, auf die Welt gekommen waren, endlich zu sehen, hatte sich die fünfstündige Fahrt nach Boscun mehr als nur gelohnt.

Aber bei aller Freude über das Wiedersehen mit ihrer Familie und mit ihrer alten Schulfreundin Kinana hatte Juvia es, kaum dass sie in Boscun in den Zug gestiegen war, doch kaum erwarten können, nach drei Wochen endlich wieder zurück nach Magnolia zu fahren. Dabei war sie vor drei Jahren noch furchtbar nervös gewesen, als sie von ihrer kleinen Heimatstadt in die Studentenmetropole Magnolia, von einem beschaulichen Einfamilienhaus in ein riesiges Studentenwohnheim, gezogen war.

Wie sich die Dinge doch ändern konnten…

Als sie in der Ferne den massiven Bau der Kardia Kathedrale mit dem grünen Bogendach und den vier zylindrischen Türmen erkennen konnte – sogar das gewaltige Eingangstor war aus der Entfernung noch zu erkennen! –, stand Juvia auf, schlang sich die Riemen des Rucksacks über beide Schultern und trat auf den Gang hinaus, um die Reisetasche aus dem Gepäckfach zu holen. Um sie herum herrschte bereits hektischer Betrieb. Die meisten Leute hatten es eilig, zur Tür zu kommen, dabei war den überall angebrachten Informationsbildschirmen deutlich zu entnehmen, dass noch fast zwei Minuten Zeit waren. Aber vielleicht ging es einigen von ihnen ja genau wie Juvia und sie brannten darauf, endlich wieder nach Magnolia zurück zu kommen.

Geduldig folgte Juvia dem Fahrgaststrom in Richtung Tür, als der Zug endlich hielt. Dabei fühlte sie sich eigentlich ganz und gar nicht geduldig. Sie konnte es kaum noch erwarten, endlich auf den Bahnsteig zu kommen und nach einer ganz bestimmten Person Ausschau zu halten. Aber deshalb musste sie ja nicht anfangen, beide Ellenbogen auszustrecken und zurückzuschubsen.

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis zur Tür zu kommen, wo Juvia es dann trotz ihrer kleinen Reisetasche schwer hatte, nicht die kleine Trittleiter auf den Bahnsteig hinunter zu fallen, da hinter ihr jemand meinte, drängeln zu müssen. Sie beeilte sich, weg von der Tür zu kommen, ehe sie sich die Zeit nahm, Ausschau zu halten.

In all dem Gedränge von Leuten, die ausgestiegen waren, noch einsteigen wollten, auf Ankommende warteten oder Wegfahrenden hinterher winken wollten, hatte Juvia natürlich keine Chance auf Erfolg, aber sie stieß dennoch einen enttäuschten Seufzer aus. Sie verzehrte sich geradezu danach, endlich wieder in diese faszinierenden schwarzen Augen zu blicken!

„Hier bist du.“

Juvia wirbelte herum, als die wohl vertraute und ach so geliebte Stimme neben ihr erklang. Tatsächlich! Da stand sie! Die immer etwas struppig wirkenden, schwarzen Haare zu einem simplen Pferdeschwanz gebunden, in ein schwarzes Tanktop und knielange Shorts gekleidet, trotz des Sommerwetters in Turnschuhen und wie jeden Tag mit der Silberkette mit Kreuzanhänger am Hals. Auf den markanten, ungeschminkten Gesichtszügen lag der übliche mürrische Gesichtsausdruck, der gewiss dem Gedränge auf dem Bahnsteig galt.

Dennoch war Juvia überglücklich, ließ ihre Reisetasche auf den Boden fallen und warf der Gleichaltrigen die Arme um den Hals. „Grayana! Juvia hat dich ja so sehr vermisst! Hast du ihre Briefe gekriegt? Und die Fotos?“

„Mein Handy hat keine Ruhe gegeben“, brummte die Schwarzhaarige, aber ihre Arme schlossen sich kurz um Juvias Taille und drückten zärtlich.

Mit einem strahlenden Lächeln trat Juvia einen Schritt zurück, um Gray – ihr voller Name war eigentlich Grayana, aber alle Anderen nannten sie immer nur Gray – betrachten zu können. Sie war ordentlich gebräunt, wahrscheinlich hatte sie die viele Freizeit in den Semesterferien gemeinsam mit Erza genutzt, um viel Sport im Freien zu betreiben. Ansonsten hatte sie sich gar nicht verändert. Nur ihre Gesichtszüge wirkten jetzt etwas weicher und ihre schwarzen Augen verursachten bei Juvia das altbekannte Kribbeln auf der Haut und heftiges Herzklopfen.

Mit ihrer burschikosen Art machte Gray es den Leuten nicht unbedingt leicht. Im Studentenwohnheim eckte sie bei so einigen Mitbewohnerinnen an, aber Juvia war schon von dem Tag an von ihr fasziniert gewesen, als sie im Wohnheimzimmer neben ihr eingezogen war. In einigen Punkten hatte Gray sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit Juvias maulfaulen und eigenbrödlerischen Brüdern Gajeel und Rogue, aber gerade weil Juvia mit diesem Menschenschlag schon so vertraut war, hatte sie auch schnell gesehen, wie viel mehr bei Gray dahinter steckte.

Wie loyal sie gegenüber ihren Freunden war – selbst gegenüber ihrem Sandkastenfreund Natsu, mit dem sie sich eigentlich bei jeder Gelegenheit zoffte, und gegenüber Lucy, die mit ihrer betont fraulichen Aufmachung und Haltung einen besonders scharfen Kontrast zu Gray darstellte – und dass sie eine gewisse Schwäche für Tierbabys hatte und an keinem Hund vorbei gehen konnte, ohne ihn zu streicheln.

Den Ausschlag hatte letztendlich jedoch gegeben, als Gray etwa ein halbes Jahr nach Juvias Einzug eben jene davor bewahrt hatte, von den anderen Studentinnen auf ihrer Etage wegen ihrer heimlichen Bisexualität angegangen zu werden. Ohne jede Scheu hatte Gray sich selbst als lesbisch geoutet und die Studentinnen sehr nachdrücklich davor gewarnt, irgendwelchen Ärger zu machen. Dass Gray so schamlos zu ihrer Sexualität stand, obwohl sie dafür hinter vorgehaltener Hand sogar als Kampflesbe beschimpft wurde, hatte Juvia sehr imponiert.

Von da an hatte Juvia alles daran gesetzt, ihrer Nachbarin näher zu kommen – und je mehr sie von ihr erfahren hatte, desto mehr hatte sie sich in sie verliebt.

„Lass’ uns gehen, hier wird es nicht gemütlicher“, murmelte Gray und griff wie selbstverständlich nach Juvias Reisetasche.

Das Gepäckstück war nicht überragend schwer, dennoch freute Juvia sich über die Geste und nutzte die Gelegenheit, sich mit beiden Händen an Grays freien Arm zu klammern. Eigentlich war es viel zu warm für so viel Körperkontakt, aber Gray erhob keinen Protest. Das tat sie schon lange nicht mehr – zumindest nicht ernsthaft.

Obwohl Gray als Lesbe nicht von Juvias Annäherungsversuchen abgestoßen gewesen war, hatte sie sich wirklich lange Zeit zurückgehalten. Während Juvia vom Moment ihrer Rettung an gewusst hatte, dass Gray die Richtige für sie war, hatte diese viel länger gebraucht.

Aber in zweieinhalb Jahren hatte sich schon viel verändert. Sie lebten jetzt mit einer gemeinsamen Freundin in einer WG – und zum Glück war Levy diskret genug, nichts dazu zu sagen, dass eines der Schlafzimmer schon seit einer Weile nicht mehr über Nacht genutzt wurde.

Als sie sowohl den Bahnhof als auch den Platz davor hinter sich gelassen hatten und in eine der ruhigeren Gassen eintauchten, die ins Innere der Stadt führten, atmete Gray erleichtert aus und löste ihren freien Arm aus Juvias Umklammerung, um ihn um die Taille der Blauhaarigen zu schlingen. Noch einmal sah sie sich um, dann beugte sie sich herunter und gab Juvia einen kurzen Kuss.

Es war nur eine winzige Geste, aber für Juvia war sie dennoch ein unglaubliches Geschenk. Bei Grays nächsten Worten hatte sie das Gefühl, vor lauter Glück platzen zu können. Denn sie mochten nur genuschelt sein und Gray hatte sogar etwas verlegen den Kopf weg gedreht, aber die Bedeutung dahinter war unmissverständlich.

„Willkommen zurück.“

104. “You can trust me.” (F!RogueStina)

Für gewöhnlich war es Rogue lieber, sein Leben einfach zu gestalten. Deshalb distanzierte er sich von dem heutzutage so beliebten Konzept, dass Firmenleiter ihre Mitarbeiter persönlich kennen lernen sollten, und hielt sich allein an Zahlen bei der Leitung seiner Firma. Deshalb pflegte er keine richtigen Freundschaften – Rakheid zählte nicht, er war mit seinem Super-Ego so einfach zu lesen, dass seine Handlungen wenig Interpretationsbedarf hatten. Deshalb hatte in seiner Wohnung und in seinem Tages- und Wochenablauf alles einen festen Platz.

Eigentlich hatte sich diese Philosophie auch auf seine sexuellen Bedürfnisse erstreckt. Es war einfacher, gelegentlich ein darauf spezialisiertes Etablissement aufzusuchen, dort ein angemessenes Trinkgeld auf den eigentlichen Stundenpreis aufzuschlagen und danach ungestört seinen gewohnten Rhythmus wieder aufzunehmen.

Eine vorlaute und beinahe schon schamlose Kellnerin aus seinem Freitag-Abend-Restaurant regelmäßig für eine Nacht ins nächste Hotel mitzunehmen, war jedoch nicht Teil dieser Philosophie…

Schweigend saß Rogue auf dem großen Ledersessel, zu seiner Linken eine lange Fensterfront mit einem hervorragenden Blick auf die nimmermüde Großstadt. Zu seiner Rechten das großzügige Hotelappartement mit Sitzecke an einem elektrischen Kamin, einem Arbeitsplatz und einem geradezu obszön großen Bett. Rogue blickte aus dem Fenster, aber er achtete nicht auf die unzähligen Lichter draußen, sondern nur auf die Reflexion des Bettes.

Zwischen zerwühlten Laken räkelte sich dort eine schlafende Schönheit. Ihre Blöße waren nur zur Hälfte bedeckt, ihre langen, blonden Haare breiteten sich über dem schwarzen Satinstoff aus und ihr Gesicht war entspannt, richtig friedlich, als wäre nichts dabei, mit einem de facto Fremden in einem Hotel zu übernachten, dessen Zimmerpreise ihren halben Monatslohn schlucken würden.

Sie war sportlich. Ihre Waden waren straff, ließen auf regelmäßiges Lauftraining schließen. An den Oberarmen deuteten sich Muskeln an. Ihr Bauch war flach. Sie war weniger kurvig als der Frauenschlag, der Rogue normalerweise zur Befriedigung seiner Bedürfnisse diente, eher sehnig und schlank wie eine junge Birke, aber doch so viel verführerischer mit festen Brüsten und einem delikaten Hintern.

Das wirklich Faszinierende an ihr war jedoch ihr Gesicht: Die hauchfeine Narbe, die ihre rechte Augenbraue schräg spaltete, der einzelne Kristallanhänger an ihrem linken Ohr, die unzähligen Sommersprossen, die sich über Nasenrücken und Wangen ausbreiteten. Und wenn sie wach war: Ihre tiefblauen Augen, die immer abenteuerlustig zu funkeln schienen.

Ihr Name war Stina Eucliffe und sie hatte etwas an sich, was Rogue davon abhielt, seine selbst auferlegten Regeln in Bezug auf seine Gespielinnen einzuhalten. Er fühlte sich von ihr angezogen und in einer Weise befriedigt und unterhalten, die tiefer ging als seine früheren Intermezzi. Vor allem aber suchte ihn dieses Bild von Stina, wie sie da zwischen den Laken lag wie eine sehr zufriedene Katze, immer häufiger heim.

Rogue versuchte, die Freitagabende mit ihr in diesem Hotelappartement als neue Routine zu betrachten. Es passte gut in seinen Wochenplan und ersparte ihm die Notwendigkeit, andere Frauen aufzusuchen. Da war es zu verschmerzen, dass er nun unterm Strich mehr für seine Befriedigung bezahlen musste – wegen des Hotels, wohl bemerkt, Stina hatte schon in der ersten Nacht klargemacht, dass sie kein Geld von ihm wollte.

Als in das Reflexionsbild Bewegung kam, wurde Rogue aus seinen Gedanken gerissen – eine ungewohnte Erfahrung, war er sich normalerweise doch zu jeder Tageszeit voll und ganz seiner Umgebung bewusst und ließ sich nie überraschen. Er verdrängte das Gefühl der Verwirrung und richtete seinen Blick direkt auf das Bett, wo Stina sich langsam aufrichtete.

Außer einigen goldglänzenden Strähnen ihres Haars verhüllte nun nichts mehr ihren Oberkörper, aber sie machte sich keine Mühe, nach einem der Laken zu greifen, sondern sah sich suchend um, die langen Wimpern noch verschlafen flatternd, zwischen den feinen Augenbrauen eine kleine Falte.

Schließlich fiel ihr Blick auf Rogue, aber die Falte blieb. „Steigst du eigentlich jedes Mal sofort aus dem Bett, wenn wir fertig sind?“ Sie klang, als hätte Rogue sie beleidigt.

Ja, das tat er. Weil er es nicht gewohnt war, einen warmen Körper neben sich zu spüren. Weil Stina nach dem Sex etwas ausstrahlte, was verwirrende Reaktionen bei ihm hervor rief. Weil er sich selbst im Griff behalten wollte.

Aber anstatt das richtig zu erklären, zuckte Rogue ungerührt mit den Schultern und antwortete mit seiner Lieblingswaffe: Trockenem Spott: „Du schienst das Bett für dich alleine zu brauchen.“

„Pah!“, schnaubte Stina äußerst undamenhaft und stellte sich breitbeinig auf das Bett, um das Gleichgewicht auf der weichen Matratze zu wahren. „Du glaubst vielleicht, dass ich blöd bin, aber ich habe sehr wohl verstanden, dass das eine Beleidigung sein sollte!“

„Von Glauben kann keine Rede sein“, murmelte Rogue und richtete seinen Blick wieder auf das Fenster, dieses Mal in der festen Absicht, nur auf die Stadtlichter zu achten, aber die Reflexion von Stina war fesselnder.

„Hey! Das mit der falschen Bestellung heute war nicht meine Schuld! Die haben die Nummerierung der Gerichte geändert, ohne mir Bescheid zu sagen!“, verteidigte Stina sich und warf ihm einen empörten Blick zu.

Zur Antwort winkte Rogue nur träge ab. Er wusste auch so, dass Stina nicht dumm war. Irgendetwas musste sie ja drauf haben, wenn sie gleich zwei Fächer studierte und sich nebenher in einem so anspruchsvollen Restaurant als Kellnerin halten konnte. Ihr Charakter passte eigentlich eher in eine quirlige Studentenkneipe, aber anscheinend hatte sie sich gut genug im Griff, dass die Gäste mit ihren chicen Abendkleidern und Anzügen Stinas überschäumendes Temperament eher als charmant empfanden. Insbesondere jüngere Männer schienen dazu zu neigen, der Blondine jedes Mal ein stattliches Trinkgeld zu geben. Wahrscheinlich befanden sich auf den kleinen Zetteln, die sie Stina manchmal zusätzlich zusteckten, auch noch ihre Handynummern. In Rogues Augen ein äußerst armseliges Verhalten…

Schon wieder wurde Rogue aus seinen Gedanken gerissen, als Stina vom Bett stieg und immer noch nackt auf ihn zu kam. Schamlos setzte sie sich rittlings auf seinen Schoß und sofort hatte Rogue das Gefühl, dass es um mehrere Grad wärmer geworden war. Während er noch überlegte, wie er reagieren wollte, ergriff Stina sein Kinn und drehte sein Gesicht, bis er sie ansehen musste.

„Wie lange willst du eigentlich noch den gefühllosen Klotz spielen?“, fragte sie gnadenlos direkt.

In ihren tiefblauen Augen lag ein intensives Glühen, von welchem Rogue sich merkwürdig berührt fühlte. Es war verwirrend.

Er ergriff Stina an beiden Handgelenken und hielt sie weit genug von sich, dass Stina sich nicht weiter zu ihm runter beugen und ihn noch mehr mit ihrer Nähe verwirren konnte. Zu seiner Überraschung wehrte sie sich nicht. Ausnahmsweise entschloss er sich dazu, seine Gedanken in Worte zu fassen.

„Was willst du von mir? War irgendetwas an unserem bisherigen Arrangement missverständlich?“

Stina verdrehte die Augen, wehrte sich jedoch immer noch nicht gegen den Griff an ihren Handgelenken. „Jedes Mal, wenn dir sonst nichts einfällst, benutzt du lauter hochgestochene Wörter. Dabei will ich einfach nur wissen, warum du jedes Mal sofort das Bett verlässt.“

Auch wenn er es nie zugegeben hatte, Rogue war sich durchaus darüber in Klaren, dass er nicht gut darin war, die Gefühle anderer Menschen zu verstehen. Er war mit kalter Logik und strenger Disziplin großgezogen worden, Gefühle hatten in seinem Leben nie wirklich Platz gehabt. Doch seltsamerweise war er sich dieses Mal sicher, dass hinter Stinas Worten noch etwas ganz Anderes steckte. Etwas, dessen sie sich selbst nicht einmal ganz bewusst zu sein schien. Aus irgendeinem Grund wirkte ihr Blick, so intensiv bohrend er im ersten Moment auch war, gleichzeitig auch… verletzlich…?

„Weißt du, ich habe da so eine Ahnung“, durchbrach Stina die Stille. „Du bist immer alleine im Restaurant, bestellst immer dasselbe, bist wortkarg und ungesellig und gibst dich gerne als Oberarschloch… Aber mir kannst du vertrauen, Rogue.“

Vielleicht war es nicht einmal Absicht, aber jetzt war Stinas Blick ganz offen verletzlich und ob es dieser Blick oder die Worte waren – Worte, die noch nie jemand an Rogue gerichtet hatte –, es weckte etwas in Rogues Inneren. Dieses Etwas schwoll an und fühlte sich immer überwältigender an.

Alles, was Rogue einfiel, um sowohl Stina als auch diesem merkwürdigen Gefühl Paroli zu bieten, war, die Handgelenke der Blondine fallen zu lassen, um sie stattdessen für einen harten, bestimmenden Kuss zu sich runter zu ziehen. Er hatte keine Ahnung, was er erwartet hatte – hatte er Stina verschrecken oder ihr sogar Schmerzen zufügen wollen? –, aber sie schmiegte sich in den Kuss und an seinen Körper, ohne sich von der Grobheit brechen zu lassen. Sie blieb stark und unerschütterlich. Beinahe fühlte es sich an, als würde sie Rogue auffangen.

Also… ließ er sich weiter fallen. Nicht wegen ihrer Worte und Taten. Einfach weil er die Macht über sie hatte und weil sein Körper sie wieder wollte. Alles andere wäre nicht seine Art gewesen.



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Von: Arianrhod-
2019-01-30T16:52:47+00:00 30.01.2019 17:52
Weißt du … hin und wieder kannst du auch mal Pronomen verwenden anstatt immer nur die Namen. Das geht gut und die Leute verstehen, wen du meinst, insbesondere, da hier sogar unterschiedliche Pronomen genutzt werden. Das würde auch die dauernden Namenswiederholungen effektiv rausnehmen. Ist ganz einfach.
Okay, Scherz beiseite, das ist mir bei dir schon öfter aufgefallen, aber hier war das ja echt extrem. Wenn zweimal im Satz der gleiche Name verwendet wird und das in mehreren Sätzen, dann ist das ein wenig störend, muss ich ehrlich sagen. Ja, ich weiß, dass es um X geht! Du musst mir das nicht alle fünf Sekunden sagen.
Aber das nur nebenbei.

Der OS erinnert mich sehr stark an den anderen mit F!Rogue. ^^“ Im Grunde nur ein paar Stunden später (und Sting ist halt weiblich) und in dem anderen PoV. Wobei mir Rogue ziemlich gut gefiel. Wie du schon sagtest, der Manga gibt nicht gerade viel Material, mit dem man bezüglich F!Rogue arbeiten kann und das ist dort schon eine Extremsituation. Du hast einiges aus ihm herausgeholt und ich fand ihn sehr stimmig und passend. Nur bei einem Punkt gehen unsere Meinungen offensichtlich auseinander, denn ich halte ihn nicht so für den Typ mit Routinen. Aber gut, das ist halt eine andere Interpretation. Ich würde mich auf jeden Fall darüber freuen, mehr von ihm zu hören. :)

Wer mir aber noch besser gefiel, war Sting. Ich fand ihn – oder in diesem Fall halt sie – eine sehr gelungene Übersetzung von Männlein zu Weiblein. Du hast Stina echt hervorragend hingekriegt, es hat viel Spaß gemacht, sie zu lesen. Du hast gerade genug Femininität in Sting einfließen lassen, um ihn/sie ein wenig weniger aggressiv wirken zu lassen, ein wenig runder. Nicht, dass Stina nicht ihre eigenen Kanten hätte. Wie gesagt, ich fand sie sehr gelungen. ^^

Kein Wunder, dass sie Rogue mit ihrer Art aus der Bahn wirft. Und das hat man ganz deutlich gemerkt, vor allem während dem Gespräch, aber auch schon vorher. Sie geht ihm unter die Haut und er ist emotional zu sehr verstockt, als dass er es einordnen könnte. Ich würde schwören, es ist ihm auch erst fürchterlich spät aufgefallen. Da schaltet sogar Stina früher und legt natürlich prompt den Finger genau in die Wunde. Blöd ist sie ja ganz und gar nicht. Und da kann Rogue protestieren, wie er will, sie hat ihn doch durchschaut. ^^“

Ich weiß nicht, was ich jetzt sonst noch sagen soll, hm…
Mir hat der OS auf jeden Fall echt gut gefallen! :) Trotz all meinem Gemecker. Ich warte geduldig auf den nächsten.
Gruß
Arian
Von:  Votani
2018-12-03T19:48:51+00:00 03.12.2018 20:48
Natuerlich musste ich auch diesen OS mit Stina noch lesen. :D Ich bin ein totaler Fan von ihr! Lass mich wissen, wenn du mehr ueber sie schreibst. Zwar hat mir F!Rogue/Stina mehr gefallen, aber auch Rogue/Stina ist unheimlich suess. Stina laesst sich einfach nicht abschuetteln. Ich kann sie mir auch gut als Musikstudentin vorstellen, waehrend Rogue Jura studiert. Find ich cool. :)
Antwort von:  Yosephia
03.12.2018 20:55
Zwei Kommentare an einem Tag! *~*
Vielen lieben Dank, es freut mich so sehr, dass dir meine Stina so zusagt :D
Irgendwann will ich in "Lieder von Luft und Liebe" auch mal etwas mit RogueStina schreiben und ich habe auch ein mittelgroßes Projekt, in dem RogueStina auch seine eigene Story kriegen würde (plus ein Stina-Dobengal-Broship-Prequel). Vielleicht komme ich ja irgendwann mal dazu >_<
Von:  Votani
2018-12-03T19:15:52+00:00 03.12.2018 20:15
Hey du. :) Eigentlich steh ich nicht unbedingt auf Modern AU, aber ein weiblicher Sting hat mich doch angelockt - und ich habe es nicht bereut. Die Beschreibung fuer Stina fand ich klasse und sie kam mir wirklich wie eine weibliche Form von Sting vor. *-* Auch die Beziehung mit Rogue und wie dieser von den Gefuehlen, die sie in ihm ausloest, verwirrt ist, hast du super ruebergebracht. Ich hab es beim Lesen sehr geshippt (und haette gern weitergelesen *lach*). F!Rogue fand ich auch total in Ordnung so, wie du ihn geschrieben hast. Hat alles klasse gepasst. Jedenfalls wollte ich dir nur schnell dalassen, dass ich den OS toll fand! :D
Antwort von:  Yosephia
03.12.2018 20:21
>////////////<
Danke, das freut mich wirklich sehr, dass dir sowohl Stina als auch F!Rogue und allgemein der OS so gefallen haben!
Ich hatte beim Schreiben schon so meine Schwierigkeiten mit dieser Konstellation, wollte es aber auch unbedingt mal ausprobieren^^'
Von: Arianrhod-
2018-09-26T21:45:45+00:00 26.09.2018 23:45
Ich bin ein wenig hin und her gerissen, was diesen OS angeht. Auf der einen Seite mag ich ihn und er ist wirklich süß und sowieso, Gray und Juvia sind einfach toll. >////< Auf der anderen Seite leidet dieser OS unter dem ‚zu viele Infos ohne Sinn und Zweck‘-Syndrom. In einer langen Geschichte ist viel Hintergrund ja schön und gut, aber in so einem kleinen Snippet interessiert es nun wirklich nicht, ob Juvia in ihrem Urlaub ihre alte Schulfreundin getroffen hat oder ob ihr Bruder gewachsen ist – die beide, nebenbei bemerkt, außer in diesen Nebensätzen weder aufgetaucht sind noch eine weitere Rolle gespielt haben. Letzten Endes lief das auf viel ‚Tell‘ und wenig ‚Show‘ hinaus.
Ich weiß auch nicht. ^^“ Ich meine, es fügt sich alles wunderbar zusammen und ich mag ihren Background, aber um ihn wirklich wirken zu lassen, muss er mehr sein als eine unwichtige Hintergrundinfo. Im Grunde müsstest du die Story über Juvia und Grayana von vorne bis hinten komplett erzählen (und es wäre eine tolle Story! Coming-of-Age, Coming Out, Selbstfindung, Gruvia… ♥) Dann hätte das alles mehr Chancen, sich zu entfalten. Aber so wirkt es einfach nur überladen.

Naja, nachdem meine Kritik aus dem Weg ist, jetzt zu den erfreulichen Dingen der Geschichte.
Juvias Aufregung und ihre Vorfreude auf Gray sind so typisch und ebenso niedlich. Ihre Sehnsucht nach ihrer Freundin und die Freude darauf, sie endlich wiederzusehen (obwohl 3 Wochen ja gar nicht so lang erscheinen), sind deutlich spürbar. ^^ Ebenso ihre Enttäuschung, als sie niemanden auf dem Bahnsteig findet. Ganz nebenbei find ich es sehr gut, wie du ihre Charaktereigenschaften hindurchblitzen lässt, das gefiel mir wirklich sehr gut!

Aber natürlich wird sie trotzdem von Gray vom Bahnhof abgeholt. :D Auch wenn die immer so mürrisch tut, ich bin ganz sicher, dass sie sich ebenso auf das Wiedersehen gefreut hat. Das hat man auch gemerkt.
Wo wir gerade bei Gray sind – ich finde deine Übersetzung von Gray zu Grayana sehr überzeugend und passend. :) Das hast du wirklich gut hingekriegt, vor allem auch die Details – angefangen bei dem offensichtlichen wie dem Spitznamen, über ihre Freunde bis hin zu der Schwäche für Tiere und insbesondere Hunde, und auch ihre ungezwungene Art, wie sie mit ihrer Sexualität umgeht.
Der Background, wie Juvia und sie sich nähergekommen sind, passte gut hinein und irgendeinen Verknüpfungspunkt brauchten sie ja. So auf den ersten Blick haben sie nicht viel gemeinsam (wobei Juvia ja schon von Anfang fasziniert war – die Schwierigkeit ist halt immer, Grays Interesse zu wecken. XD“), tatsächlich sind sie ein fast klischeehaftes Butch x Femme-Paar, aber das muss ja kein Grund sein, sich nicht zu verstehen. Da würde ich aber trotzdem nur zu gerne mehr lesen. XP
Das Ende war natürlich reinster Zucker. Gray lässt sich ja nicht so oft zu öffentlichen Liebesbekundungen hinreißen, auch wenn niemand zusieht. Aber dass sie es hier doch tut, das sagt ja wohl mehr als tausend Worte. Wie gut, dass Juvia diese Sprache versteht. ;) Sehr süß!

Ich freu mich auf jeden Fall auf den nächsten OS. ;)
Gruß
Arian
PS. Heh. Da hab ich ja doch noch was hingekriegt. XD“
Von:  Kooriko_Cosplay
2018-09-06T00:24:34+00:00 06.09.2018 02:24
Also ... wenn ich nur daran denke, bricht es mir das Herz. NaLu gehört mit zu meinen Lieblingen. Das Setting ist interessant und die Berufswahl passt so gut zu den dreien. Allerdings ... muss ich gestehen. Mein Freund ist selber Soldat und ich kenne die Angst , die Lucy hat. Weil als Soldat hilft er ja nicht nur, wenn nötig muss er im Kriegsfall ja halt auch aufs Schlachtfeld. Wobei ich sagen muss ... ich an Natsus Stelle würde um Lucy kämpfen. Weil ich nicht glaube, dass er sie nicht mehr liebt oder so.

LG K
Antwort von:  Yosephia
06.09.2018 14:33
Freut mich, dass das alles so für dich plausibel war^^
Was das mit "um Lucy kämpfen" betrifft: Davon kann an der Stelle wohl kaum die Rede sein. Natsu weiß, dass Lucy wahrscheinlich bei jedem seiner Einsätze auf ihn warten würde, aber das will er ihr eben nicht zumuten. Er will, dass sie ihr Lebe unabhängig führen kann, so wie er selbst es auch tut.
Ist halt wirklich eine schwierige Situation^^'
Von: Arianrhod-
2018-08-14T20:37:11+00:00 14.08.2018 22:37
Irgendwie wirkt der OS ein wenig vollgestopft. ^^“ Du hast in den nicht mal 2.ooo Worten Laylas Geschichte, Igneels Geschichte und das Kennenlernen sowie diversen Background untergebracht. Dabei kam irgendwie kaum Gefühl auf bzw. es wurde immer wieder unterbrochen, so dass es nicht wirklich greifbar wurde. :( Das hat dem OS ein wenig genommen.

Igneels Story floss noch am besten bzw. es hat mir gefallen, wie du das eingebracht hast. U.a. lag es auch daran, weil die Infos nach und nach kamen und eigentlich immer noch recht spärlich sind und die Ereignisse nie genau benannt wurden. Das lag vermutlich daran, dass er der PoV-Charakter ist.
Er tut mir auch fürchterlich leid – die überhastete Entscheidung, zum Militär zu gehen, darüber, dass seine Eltern gestorben sind, hat fürchterlich für ihn geendet, auch wenn es eine Weile vielleicht nicht so aussah. Aber in diesem letzten Gemetzel ist für ihn vermutlich alles zusammengebrochen – seine Karriere, seine Welt, seine Freundschaften und nicht zuletzt auch seine Psyche. Ich hoffe, Layla schafft es, ihn zu einem guten Psychologen zu bringen und sich auf eine Therapie einzulassen. Denn genau das ist es, was er braucht. :(

Und der Rest…
Da waren so viele Namen und Beziehungen, die letzten Endes keine wirkliche Rolle gespielt haben (Weiß/Grandine, Silver/Ur, Lucky/Marl…), das war einfach viel zu viel. Das war irgendwie so reingestreut, aber letztendlich war es überflüssig, weil es nichts mit der Story an sich zu tun hatte.
Laylas Hintergrund war nötig, aber irgendwie stellt das einen Bruch in der Story dar, der die Erzählung nochmal vom eigentlichen Thema wegreißt. Wobei ich jetzt auch nicht weiß, wie du das hättest besser machen können? Hm.

Laylas Rolle selbst gefiel mir. Ich kann sie mir gut als die stille, aber standhafte Stütze vorstellen, die Person, die im Hintergrund alles am Laufen hält und dafür sorgt, dass es allen gut geht, auch wenn es manchmal ihre Zeit dauert. Und das versteht sie, auch wenn es sie schmerzt (--> siehe Lucy), aber sie bleibt geduldig. Die Lehre hat sie vermutlich aus ihrem eigenen Leben gezogen, so tragisch wie ihre Liebesgeschichte geendet hat. :(
Igneels Falls ist ein besonderer, aber trotzdem nähert sie sich ihm an, versucht ihr Bestes und dringt auch tatsächlich zu ihm durch. Wundert mich irgendwie gar nicht, dass ausgerechnet sie es schafft, nicht nach seinem Geständnis (wenn auch nur gegenüber sich selbst). Auch wenn er es nicht schafft, ihr zu sagen, was ihn wirklich mitnimmt. Und das vermutlich auch noch eine ganze Weile nicht tun wird,

Sorry, ich war nicht ganz sicher, wie ich den OS kommentieren sollte, aber ich wollte es unbedingt zeitnah machen und im Moment hab ich auch nichts Besseres zu tun, also. >.< Sorry, wenn es etwas wirr ist. ^^“

Gruß
Arian
Von: Arianrhod-
2018-08-13T17:30:56+00:00 13.08.2018 19:30
Die Idee, dass Jenny und Sherry zusammen so einen kleinen Selfmade-Shop aufmachen (was auch immer), finde ich ja irgendwie total süß. ^^“ Und tolle Keramik finde ich auch toll, nur ist die immer so teuer. Egal, ich finde das Setting allein total toll. :) Und dass der Laden gut läuft, freut mich auch für die beiden. XD

Auch die Hintergründe stimmen – Jenny, die sich nicht so leicht beeindrucken lässt, Sherrys Großmutter (Obaa-babaasama?), die sich gleich einmischen muss, Hibiki und Ren mit ihrem Modeljob, die Aufmerksamkeit, die die beiden erhalten, die kleinen Hinweise auf ihre Freunde (Yuka, Toby), die Herkunft der Kette…
Das Detail mit der weißen Schokolade fand ich ja irgendwie liebenswert. Keine Ahnung, warum mir das so ins Auge gesprungen ist, aber es fiel mir auf.

Was ich ebenfalls sehr süß fand, war, wie nervös Sherry plötzlich ist, als Ren auftaucht. Das kann ich mir bei ihr absolut vorstellen. Man merkt natürlich sofort, was mit ihr los ist, auch wenn sie vorhin so erwachsen und reif wirkte mit ihrem eigenen Geschäft und dem Stand und allem. Aber dann fällt sie aus allen Wolken, als er so plötzlich vor ihr steht. Hibiki ist auch gleich so freundlich, sie sofort alleine zu lassen. XD“ Das macht sie natürlich noch nervöser. Nebenbei gemerkt kommt ihre Schwärmerei auch durch (--> der Campingstuhl als Thron).
Ren dagegen wirkt sehr unbeeindruckt, auch wenn ich wette, dass er das ganz und gar nicht ist. Aber er tut ja immer so, als wäre ihm die Frau seiner Träume egal und als würde ihn nichts beeindrucken.

Trotzdem scheint er es sich vorgenommen zu haben, Sherry gegenüber diesmal deutlich zu werden (sprich: zu hinten), dass er ihre Gefühle erwidert. Die Kette finde ich dafür ein schönes Mittel, zumal es ein außergewöhnliches Schmuckstück ist. Und Lapislazuli ist ein sehr, sehr schöner Stein! Ich kann mir auch vorstellen, dass er Sherry gut steht, denn wie es Ren aufgefallen ist, ihre Augen haben eine ähnliche Farbe.
Fand ich sehr schön. :)
Dumm nur, dass Jenny genau in dem Augenblick aufgetaucht ist, aber dann muss Ren halt doch noch etwas mehr aus sich rauskommen…

Gruß
Arian
PS. Shenny ist trotzdem viel toller. Ich kann mit Ren einfach rein gar nichts anfangen.
Von: Arianrhod-
2018-08-07T21:37:48+00:00 07.08.2018 23:37
So, weil ich mir auch vorgenommen habe, zumindest das heute zu machen, muss ich endlich einen Anfang finden. >.< Daran hapert es nämlich gerade ein wenig. Aber dieser OS soll das Lob kriegen, das er verdient, denn er ist einfach nur super. Ich liebe ihn! Er ist dir wirklich gelungen von hinten bis vorne.

Okay, ich hatte ein paar Probleme beim Einstieg, aber das lag vermutlich daran, dass ich nicht so ganz in der richtigen Stimmung war. ^^“ Und das hat sich auch sehr schnell gelegt. Ich wurde sehr schnell mitgerissen von diesem kleinen Moment zwischen den beiden, die Frage, was vorgefallen ist, und was zum Teufel zwischen ihnen steht.

Das Dragon’s Nest (ich mag den Namen übrigens, auch wenn er nicht so übermäßig einfallsreich ist. Aber er passt, kurz und knackig und bei sowas sollte es eh nicht zu kompliziert werden) wirkt ziemlich einladend und gemütlich. Ist sicher ein toller Platz zum Abhängen mit Freunden oder um jemanden zu treffen oder einfach nur einen netten Abend zu verbringen. (Wo wir gerade dabei sind, dieser kleine, feine Unterschied zwischen Gast und Kunde, obwohl das wirklich etwas ist, an das nicht viele Leute sich aufhängen würden.)
Dagegen wirkt die Stimmung zwischen den beiden jedoch sehr gedrückt und das, obwohl das anscheinend ihre Date Night ist – Kinder aus dem Haar, traute Zweisamkeit, nur die beiden… und doch steht etwas zwischen ihnen und das merkt man sofort. Nicht nur, weil Weiß‘ Gedanken immer wieder dahin zurückkehren, sondern einfach, weil da eine gewisse Entfernung zwischen ihnen zu sein scheint.

Ich fand es auch geschickt gemacht, wie du nach und nach mehr Infos gegeben hast, was passiert ist, erst einmal, dass da etwas vorgefallen ist, was ihre Beziehung ins Straucheln hat geraten lassen, dann nach und nach, dass es mit den Kindern zusammenhängt, mit den Leuten um sie herum, und schließlich dann der Ring.
Dass er auf Igneels Nachttisch steht, sagt einiges aus. Wie oft er wohl dort sitzt und ihn ansieht, sich ausmalt, was wohl gewesen wäre, wenn Weiß schon das erste Mal Ja gesagt hätte? Wie ihr Leben jetzt aussehen würde? Die Geste, dass er den Ring an Weiß‘ Finger stecken möchte, nur um zu wissen, wie es aussieht, sagt ebenfalls sehr viel aus.
Trotzdem versucht er, das Ganze nicht zwischen sie kommen zu lassen, versucht, Weiß‘ Entscheidung zu akzeptieren und darüber hinwegzukommen. Ich glaube nicht, dass es ihm ganz gelungen ist. Aber wie könnte es auch? Das war sicher keine einfache Zeit, für keinen der beiden. Dieses ‚Ist das okay?‘ ist so beladen und zerbrechlich. :( (Perfekt verwendeter Prompt. Ich würde fast sagen, mein Liebling jetzt.)

Aber das ist kein Wunder, dass ausgerechnet diese Geste und Worte Weiß‘ Widerstand brechen lassen, dass er seine eigene Sehnsucht Überhand nehmen lässt. Er will es ja auch, das merkt man zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ganz deutlich. Er wirkt fast, als würde er an seinen eigenen Gefühlen ersticken, aber Igneel gibt ihm Luft, wenn du mir die kitschige Metapher einmal erlaubst.

Das darauffolgende Gespräch fand ich vom Fluss und der Geschwindigkeit sehr passend so. Alles hat sich perfekt zusammengefügt – Weißlogias Sorgen, Igneels Zuversicht, dann sein ‚Geständnis‘, dass er das schon einmal durchgemacht hat. (Den kleinen Hinweis auf Silver fand ich ja sehr interessant, über diese Geschichte würd ich gern mehr erfahren. ^^“)
Dass das Ganze darin gipfelt, dass Weiß‘ doch noch ‚Ja‘ sagt, war irgendwie abzusehen, aber nichtsdestotrotz fand ich es schön! :) Und gar nicht kitschig, btw. Die Wiederholung von dem ‚Ist das okay‘, der Antwort und der erneuten Wiederholung passt perfekt, ein hoffnungsvolles Echo. Und das ‚Mehr als nur okay‘ am Ende war die perfekte Abrundung für die Story! :D

Ich frage mich, was die Entscheidung zu heiraten und zu ihrer Beziehung und zueinander zu stehen, nachher für Auswirkungen auf sie hat. Auf ihre Jobs? Auf die Kinder? Insbesondere Sting, der ja noch recht jung ist, aber auch Natsu, der gerade in einem Alter ist, wo man besonders anfällig für solche Dinge ist, in die eine oder andere Richtung. Und selbst auf Zeref, der ja eigentlich gar nicht mehr vor Ort ist. Wie wird es für Sting sein, wenn er nachher selbst mit dem Thema zu kämpfen hat? Das wird ihm ein Coming-Out nicht leichter machen, auch wenn er schon ganz genau weiß, dass seine Familie hinter ihm steht?
Wie du siehst, diese Ausgangslage bietet sehr, sehr viel Material für mehr, du hast dir selbst damit eine Steilvorlage gegeben, die du echt nutzen solltest. Wäre sonst echt Verschwendung… Was ich damit sagen will, ich würde gerne eine Fortsetzung lesen!

Mach weiter so! :)
Bis dann
Arian
PS. Soso, Lehrerspielchen.
PPS. Yay, ich hab es noch geschafft! :D :D :D Reicht dir das? XP
Von: Arianrhod-
2018-08-05T21:33:15+00:00 05.08.2018 23:33
In dem OS ist alles eher angedeutet…
Laxus ist ja wirklich kein Typ, der in Sachen Romantik oder ganz allgemein, Beziehungen, wirklich viel zu sagen hat oder direkt ist. Tatsächlich weiß ich nicht genau, was ich aus all dem machen soll. ^^“ Irgendwie ist der Funke für mich nicht übergesprungen. :(

Die Zusammenfassung der Situation fand ich gut und logisch. Natsu ist absolut der Typ, der nochmal in ein brennendes Haus rennt auf den vagen Verdacht hin, dass noch jemand darin ist. Gut, dass Gray und Laxus ihm gefolgt sind, gut für die Kinder und auch gut für Natsu, dass er recht hatte. ^^“ Aber trotzdem übereilt und kopflos wie immer.
Allgemein fand ich die Rollen allerdings ganz gut verteilt. :)

Dass Laxus sich danach erstmal zurückzieht um seine Wunden im Geheimen (oder so ‚Geheim‘ wie es ihm in diesem Moment möglich ist) zu lecken, wundert mich gar nicht. Dass Lucy und Juvia ihn trotzdem finden, wundert mich ebenfalls nicht. Die beiden haben vorher bestimmt noch sichergestellt, dass Natsu und Gray ebenfalls versorgt sind, um sich ganz Laxus widmen zu können. Dass er sie nicht rundheraus abweist, sagt auch eigentlich schon sehr viel aus.

Na danke, Lxaus‘ Einschätzung der Freunde der beiden ist ja nett! XD“ Er kommt umgekehrt ganz sicher ähnlich gut an. Vermutlich versteht da niemand, was die beiden so in einem Muffel wie Laxus sehen. Und gerade jetzt zeigt er mal wieder prächtig, wie er so drauf ist.

Ein wenig unpassend fand ich, wie Juvia und Lucy auf die Situation reagieren. Sollten sie nicht etwas professioneller sein, auch wenn es sich um ihr ‚Objekt der Begierde‘ handelt? Die Situation ist/war trotz allem nicht ungefährlich. Gut, die Tatsache, dass alles überstanden ist, bringt sicher einen Rausch, aber trotzdem, irgendwie fühlte sich das ein wenig seltsam an. kA, kann ich nicht gut erklären. ^^“

Was mir allerdings gefiel, war die ‚Gegenüberstellung‘ von Juvia und Lucy und gleichzeitig die Schlussfolgerung, wie sehr sie sich gegenseitig ergänzen. Auch die kleinen Einblicke auf die niedliche Beziehung, die sie bereits haben, fand ich gut eingefügt.
Außerdem die Art, wie verwirrt der arme Laxus ist. So eine Situation ist sicher nicht leicht für ihn und er wird sicher noch etwas Hilfe brauchen, ehe er alles sortiert hat und bereit ist, sich auf etwas einzulassen.

Bis dann
Arian
Von: Arianrhod-
2018-08-05T21:33:13+00:00 05.08.2018 23:33
Aquarius ist echt herrlich! :D Du hast sie phantastisch getroffen, ihren kratzbürstigen, auf ihre Art professionellen und auch leicht widersprüchlichen Charakter gut eingefangen. Inklusive der Erklärungen und Bemerkungen, die so nebenbei eingeflossen sind (siehe: ihr Privatleben, das sie nicht mit ihrem Arbeitgeber teilen will, egal wie nahe sie sich stehen.)

Dagegen steht ihre Art, wie sie mit Scorpio umgeht (wenn sie sich in trauter Zweisamkeit wähnt XD“) und ihn sieht. Das sich hinter ihrer kühlen Art eine feurige und gleichzeitig sehr anschmiegsame Person verbirgt, wissen vermutlich nicht viele Leute, aber ich glaube, Scorpio ist sich dieses Privilegs durchaus bewusst.

Das ‘verse mag ich eh gerne und du hast die Zodiac Spirits gut eingefügt in den Haushalt der Familie, deren Namen ich jetzt nicht nennen werde, weil ich ihn für überflüssig lang halte. XP
Capricorn verdient eine besondere Erwähnung dabei und das Bild von ihm und den Kindern find ich ja ehrlich zuckersüß. <3 Das passt sehr gut zu ihm und ich kann mir gut vorstellen, dass er auf diese Weise einfach in die Familie integriert wurde und er darin auch voll aufgeht (im Gegensatz zu Aquarius).

Die Story an sich fand ich auch echt niedlich. :)
Dass sie sich ein wenig ziert zusammenzuziehen, passt gut zu ihr, aber ebenfalls, dass sie sich auf der anderen Seite auch nach ihm sehnt, bei ihm sein und ihre Zeit mit ihm verbringen will, ebenfalls. Sie ist bei diesem Thema eben sehr widersprüchlich. Darum fand ich es sehr süß, dass sie von sich aus doch mit dem Türschlüssel angefangen hat, weil sie ihn einfach keine Sekunde zu viel missen möchte.
Es dauert wohl nicht mehr lange, da wird eine gemeinsame Wohnung gesucht. XP Oder zumindest werden Schlüssel ausgetauscht. ò__ó Hat Scorpio sich doch wohl verdient, oder?

Gruß
Arian


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