Zum Inhalt der Seite

Der Drache und die Nacht

OneShots
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Endlich ist der OS auch fertig, der mich jetzt den letzten Nerv und drei Wochen gekostet hat. X___X Ich schiebe die Schuld dafür komplett Laxus in die Schuhe, weil er ein fürchterlicher Charakter zum Schreiben ist. :/ Dummerweise wird das nicht meine letzte Story mit Laxus!PoV sein, darum kommt mir die Übung ganz recht. ^^" Ich bin auch dankbar über jedes Feedback, das sich darauf bezieht.
Ich bin aber jetzt aber ziemlich zufrieden mit dem OS, nicht nur, weil er endlich fertig ist. Er hat allerdings auch viel Purple Prose, sorry. ^^"

Mag sein, dass für dieses 'verse noch mehr kommt, obwohl ich bis jetzt nur eine vage Ahnung habe, worum es geht. Aber ich steh voll auf Dark!Magical!Vaudeville, das ist ein sehr spannendes Setting. :)

Enjoy. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

[April | Flieder] Masked Hearts

Musik erfüllte den Raum, übertönte das Gemurmel der Gäste, deren Gespräche auch während der Show nicht nachließen. Darunter mischten sich Schritte, das Klirren von Geschirr und das Rascheln von Kleidung. Nur hin und wieder schnitt lautes Gelächter durch die Geräuschkulisse, sank aber rasch wieder ab.
 

Der weitläufige Raum war fast nur erhellt von den Kerzen, die auf den Tischen standen und in großen Ständern an strategischen Plätzen verteilt waren. Dazu kamen die gedimmten Lichter über der langen Bar und die hellen Scheinwerfer, die auf die Bühne gerichtet waren.
 

Dort wirbelten gerade zwei junge Frauen über die Bohlen, in langen Rüschenröcken, die sie über die Hüften erhoben hatten, um die langen Beine frei schwingen zu können. Darunter wurde die feine Spitzenunterwäsche und die langen Seidenstrümpfe für alle Augen präsentiert, das Strumpfband an den rechten Oberschenkeln nur das Tüpfelchen auf dem I.
 

Sie waren beide schön und zierlich und durch und durch weiblich, ihre schwarzen Kleider mit den blauen Akzenten lagen eng am Oberkörper an, und die langen Haare, einmal blond, einmal kräftig pink, bildeten einen starken Kontrast. Die Lächeln, die unbeirrbar auf ihren rosa angemalten Mündern lagen, in Kombination mit den dunkel geschminkten Augen, wirkten betörend und wie um Aufmerksamkeit heischend.
 

Doch trotzdem lagen die meisten Blicke auf der dritten Frau, die etwas abseits stand und im Moment mit tiefer, sinnlicher Stimme ins Mikrophon wisperte. Dann ging sie wieder in den melodischen Gesang über, der ihr den Spitznamen Engel vom Dark Mysterious eingebracht hatte. Sie war ein Ausnahmetalent, hinreißend, begabt, fleißig und betörend schön.
 

Ihre Tänzerinnen hatten sich inzwischen untereinander eingehakt und warfen die Beine in den bekannten Bewegungen des Cancans hoch. Die Rüschen ihrer Röcke tanzten in grandioser Geste um sie herum und unterstrichen die langen Beine noch einmal.
 

Die Sängerin war ähnlich aufgemacht wie die anderen beiden, doch ihr weißes Haar türmte sich auf ihrem Kopf auf, verziert mit Schleifen und Federn, und die Akzente ihres Kleides waren dunkelrot. Sie hielt den langen Rock in einer Hand, doch ihre fließenden Bewegungen waren weniger wild, weniger ausholend. Nur hin und wieder blitzte ihr weißes Spitzenhöschen darunter hervor, was ihren Tanz umso aufregender machte, denn jeder wartete auf diesen pikanten Moment.
 

Ihre vollen Lippen waren tiefrot geschminkt und zogen den Blick nahezu magisch an. Sie folgte ihrem einstudierten Text und den geübten Bewegungen in ihrer flirtenden, gespielt schamhaften und gleichzeitig aufreizenden Revuenummer. Dabei lächelte sie kokett in die Runde, blinzelte Gästen charmant zu und warf gefällige Kusshände in das Publikum.
 

Die Spannung, die im Raum herrschte, war geradezu greifbar. Jeder hoffte darauf, im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu stehen, wenn auch nur für einen winzigen Moment, darauf, ein Augenzwinkern von ihr zu erhaschen oder sogar auf einen der Luftküsse auffangen zu dürfen. Die Begierde der Männer war nahezu greifbar und sie bewegte sich darin, als wäre sie in ihrem Element.
 

Sie wusste genau, was sie tat, wusste, wie sie Reaktionen und Emotionen hervorlocken und halten konnte, ohne etwas von sich selbst zu geben. Sie war die Nymphe, die Unberührbare, die immer ein kleines Stück außerhalb der Reichweite war, gerade so viel, dass niemand sie erreichen konnte.
 

Sie war nicht nur der Engel des Dark Mysterious, sondern auch seine Sirene.
 

Aber Laxus fragte sich, wann der Augenblick kam, an dem sie es zuließ, dass ein Auserwählter den Abstand überbrückte, der ihre Hand fassen und ihre Lippen küssen durfte. Es wäre nicht das erste Mal. Nicht der erste Versuch.
 

Früher war sie öfter mit den attraktiven jungen Männern aus dem Publikum ausgegangen, hatte sich an ihre Tische gesetzt und mit den Wimpern geklimpert, bis sie sie in teure Restaurants ausgeführt, ihr Schmuck und Kleider gekauft und getan hatten, was sie wollte. Doch gleichzeitig waren das alles Versuche gewesen, um unsichtbare Ketten abzustreifen, aber keiner war erfolgreich gewesen. Mal um Mal war sie erneut enttäuscht worden.
 

Sie hatte so wenig getan dafür, dass ihr nahezu alles in den Schoß gefallen war. Oder nein, es war ihr gereicht worden auf einem silbernen Tablett, wie der wahren Femme Fatale, die sie gewesen war, als ihre Hoffnung noch hell gebrannt hatte und ihre Moral weit und offen.
 

Früher.
 

Vor Lisanna.
 

Vor Laxus.
 

Wie konnte ihr das, was er ihr bot, genug sein? Wie lange konnte sie ihre Hoffnung begraben, ihre Versuche aufgeben? Letzteres war immerhin der einzige ihnen bekannte Weg, um wieder frei zu sein… Und Laxus war sowieso verdammt.
 

Mirajane beendete ihr Lied mit einem großen Finale, die beiden jungen Frauen links und rechts hinter ihr hielten ihre Position mit den hoch erhobenen Beinen für einen Moment. Dann lösten sich die drei aus der Starre und sprangen auseinander. Während die Tänzerinnen zur Seite wirbelten, um sich zu zwei weiteren zu gesellen, die wie materialisiert plötzlich auf der Bühne standen, reichte die Sängerin ihr Mikrophon an einen Helfer weiter und stieg mit eleganten Bewegungen die kleine Treppe von der Bühne in den Publikumsbereich hinunter.
 

Sie lächelte einer Gruppe junger Männer, die sie beinahe mit den Augen auszogen, freundlich an und wandte sich zwei vornehmen Herren zu, die miteinander an einem der vordersten Tischen saßen. Nach einem kurzen Wortwechsel ließ sie sich bei ihnen nieder. Auf der Bühne wirbelten die vier jungen Frauen zu einem weiteren Cancan durcheinander, während über ihnen rasch die Vorbereitungen für Juvias Vertikaltuchnummer getroffen wurden.
 

„Wenn du weiter so finster starrst, wird irgendjemand die Polizei rufen.“, bemerkte eine dunkle, weibliche Stimme hinter ihm und Laxus wandte sich ertappt um.
 

Eigentlich hatte er den Raum im Blick halten wollen, wie es sein Job war. Hier, unauffällig in einer dunklen Ecke nahe des Notausgangs stationiert, hatte er den perfekten Überblick. In dem schwarzen Anzug fügte er sich nahtlos in das elegante Bild des Dark Mysterious ein, als wäre er ein Teil der Einrichtung. Sein steinerner Gesichtsausdruck und die stattliche Erscheinung unterstrichen dies nur, anstatt ihn hervorzuheben.
 

Doch wie angezogen von einem Magneten war sein Blick immer wieder zu Mirajane geglitten, als würde er die verschiedenen Shows hier nicht alle schon kennen. Sie hatte eine Wirkung auf ihn, die sie eigentlich nicht haben durfte, dazu war er schon zu vertraut mit solchen Auftritten, mit den Tricks und Kniffen.
 

Bezaubernd, betörend, verführerisch… Bei einem Fehler tödlich…
 

Ohne hinzusehen wusste er, dass die Tänzerinnen auf der Bühne ihre letzten für den Tanz kennzeichnenden Beinwürfe hinlegten und Juvia über ihnen sich dazu bereitmachte, sich in die Tiefe zu stürzen, nur gehalten von einem Tuch. Die Sängerin nahm gerade ein Weinglas von der Bedienung entgegen, ihre rot geschminkten Lippen zu einem freundlichen Lächeln verzogen. Einer der ‚Herren‘ an ihrem Tisch glotzte ihr derweil unverfroren auf den Ausschnitt, als ob er nicht zur Elite der Stadt gehören würde, ein erfolgreicher Anwalt mit eigener Kanzlei, sondern nur ein pubertierender Junge wäre, der seine Hormone noch nicht unter Kontrolle hatte.
 

Gewaltsam richtete Laxus seine Aufmerksamkeit auf die Frau, die so plötzlich neben ihm aufgetaucht war. Sie war kleiner als er, was nicht sehr viel zu bedeuten hatte, und langes, haselnussbraunes Haar umgab ihr hübsches, hochmütiges Gesicht. Die schicke Uniform des Dark Mysterious tat kaum etwas, um ihre üppigen weiblichen Formen zu verbergen und das gedimmte Licht blitzte auf ihren Brillengläsern in einem geschmackvollen, dünnen Gestell.
 

„Du siehst aus, als würdest du gleich ein Messer nehmen und unseren armen Engel erdolchen.“, erklärte sie ihre vorherigen Worte näher und richtete seine Krawatte, ehe sie ihm die Brust tätschelte. „Ich sehe natürlich die versteckte Leidenschaft und Liebe in deinem Blick“, fuhr sie etwas zu pathetisch fort, um nicht höhnisch zu klingen „aber nicht jeder kennt dich so gut wie ich, mein Lieber.“
 

„Lass das, Evergreen.“, grummelte er dazwischen und schob ihre Hände weg, auch wenn sie beide wussten, worauf sich seine Worte tatsächlich bezogen. Er war nicht in der Stimmung, aufgezogen zu werden, vor allem nicht über dieses Thema. Was, wenn Mirajane doch entschied, dass er nicht gut genug für sie war?
 

Er tat sein Bestes, aber mehr als alle anderen kannte er seine eigenen Defizite und auf diesem Gebiet waren sie groß und er wusste nicht wirklich, was er dagegen tun konnte. Dazu kam noch eine wichtige Sache: er würde ihr niemals das geben können, was sie wirklich wollte und verdiente.
 

Das spöttische Lächeln verschwand von ihrem Gesicht, das schlagartig ernst wurde. „Wenn du dir solche Sorgen darum machst, dann frag sie. Sprich mit ihr darüber.“
 

„Du weißt genau, was das große Problem hier ist.“ Laxus kniff die Lippen zusammen und wandte den Blick wieder wachsam in den Raum, um seinem Job nachzugehen. Einer der Herren nahm Mirajanes Hand und küsste sie und die junge Frau kicherte mädchenhaft, die Geste versteckt hinter der freien Hand. Laxus ballte unwillkürlich die eigenen Hände zu Fäusten und ließ den Blick weiterschweifen, obwohl es ihn weit mehr Anstrengung kostete, als eine Gruppe Rüpel aus dem Varieté zu werfen.
 

Evergreen neben ihm stemmte nur die Hände in die breiten Hüften. „Du bist hoffnungslos. Ich weiß gar nicht, was sie in dir sieht, du beziehungsunfähiger Trampel.“ Ihre Worte waren nur gezischt, so leise, dass außer ihnen niemand sie hören konnte, aber nachdrücklich genug, dass er sie unwillkürlich wieder anblickte. „Eine Beziehung funktioniert nicht, wenn die beteiligten Parteien nicht miteinander sprechen. Mirajane kann nicht riechen, was du denkst. Und natürlich hast du trotz allem ein Recht darauf, dass sie dich fair behandelt.“
 

Sie verdrehte die Augen und holte etwas hinter ihrem Rücken hervor. Es war ein kurzer Ast, kaum mehr als ein Blütenstand mit zahlreichen, fliederfarbenen Blüten und ein paar grünen Blättern daran. Der intensive, süße Geruch der zarten Gewächse stieg einen Moment später in seine Nase und er runzelte die Stirn. „Ein Flieder? Was soll ich damit?“
 

Er hatte zu viel Zeit in Evergreens Gegenwart verbracht, um nicht über Blumen und ihre Sprache Bescheid zu wissen. Und er wusste genau, was der Flieder aussagte.
 

Sie drückte ihm die Pflanze gegen die Brust, so dass er unwillkürlich zugriff, und lächelte liebenswürdig. „Du überreichst ihn deiner Liebsten, natürlich.“, erklärte sie langsam, als würde sie mit einem Idioten sprechen. Manch einer würde sagen, dass sie es tatsächlich tat. „Wenn du die Worte schon nicht anständig über die Lippen bringst. Mirajane weiß, was das auszusagen hat. Und jetzt husch.“ Sie wedelte mit der Hand. „Warte in ihrer Garderobe auf sie.“
 

Laxus runzelte die Stirn und seine Finger zerknitterten unwillkürlich Blätter. „Ich kann meinen Posten nicht einfach so verlassen.“
 

„Bixlow übernimmt das für dich.“, fegte sie seinen Einwand beiseite, sich bereits abwendend, und von der Seite konnte er sehen, wie sich sein ähnlich hochgewachsener, aber schlanker gebauter Kollege und Freund näherte. Das war anscheinend von langer Hand von ihr geplant, dieser Hexe.
 

Evergreen warf ihm noch einen Blick über die Schulter zu und ihr Tonfall war untypisch sanft. „Du willst diese Frage doch endlich beantwortete haben, oder? Nun geh schon.“
 

Laxus warf einen kurzen Blick auf die Blume in seiner Hand hinunter und verdrehte dann die Augen. Aber sie hatte Recht. Er wollte diese Antwort haben, ein kleines Stück Sicherheit, das Mirajane ihm geben konnte, auch wenn es nur Worte waren. Worte waren noch nie seine Stärke gewesen.
 

Statt einer Antwort löste er sich von seinem Platz und ging mit langen Schritten auf die unauffällige Tür zum Personalbereich zu. Ein langer, dunkler Gang führte an verschiedenen Türen vorbei in den offenen Backstagebereich direkt hinter der Bühne, in dem die letzten Vorbereitungen für die Auftritte getroffen wurden und wie immer große Betriebsamkeit herrschte.
 

An zwei Schminktischen in der Ecke wurden sichtbare Katastrophen behoben, in Regalen und Schränken stapelten sich diverse Requisiten und wichtiges Zubehör, an einer Wand stapelten sich Kisten und Möbel, die gebraucht wurden, und und und. Leute liefen kreuz und quer herum, darunter zahlreiche Helfer, die immer so geschäftig waren wie Arbeiterameisen, und diverse Showmitglieder wie die Tänzerinnen, die gerade schnatternd in ihrer Gemeinschaftsgarderobe verschwanden, um sich für den nächsten Auftritt umzuziehen.
 

Als Laxus eintrat, wurde er beinahe geköpft, als unvermittelt ein Schwert auf ihn zu schnellte. Hastig duckte er sich unter der scharfen Klinge weg und warf ihrer rosahaarigen Besitzerin einen finsteren Blick zu. Ikaruga in ihrem offenherzigen Kimono schenkte ihm nur ein nachsichtiges Lächeln und ihre Augen unter den schweren Lidern huschten schon an ihm vorbei, als wäre er nicht ihre Aufmerksamkeit wert.
 

Laxus hielt sich nicht mit ihr auf, das war die Mühe einfach nicht wert; sie hielt sich für besser als alle anderen hier, als wäre sie nicht denselben Deal eingegangen. Wortlos drängte er sich an ihr vorbei, rannte nach drei, vier Metern beinahe Natsu über den Haufen, der seine Aufmerksamkeit zwischen der Kiste in seinen Armen und seinem plappernden jüngeren Bruder aufgeteilt hatte. Beide waren schon im Kostüm, was aus einer lockeren Hose und einem breiten Gürtel bestand und sonst nichts. Mit ihrer Feuershow waren Die Drachenbrüder direkt nach Juvia dran.
 

Dann erreichte er endlich die Tür, die zu der langen Reihe der kleineren Garderoben führte, die die Stars einzeln oder zu zweit nutzten. Mirajanes war eine der ersten; ein kleiner Raum, der auf den überfüllten, weißen Schminktisch an der hinteren Wand ausgerichtet war.
 

An einer Wand stand ein langes Regal mit allem möglichen Schnickschnack und Nippes, teilweise Geschenke von Verehrern, teilweise teurer Schmuck wie in Auslagen präsentiert, teilweise Requisiten für Shows. Gegenüber stand ein langer Kleiderständer mit den zahlreichen Kostümen, die die Sängerin für ihre aktuellen Shows benötigte. Das einzige Licht kam von der Deckenlampe, denn keine der Garderoben hatte Fenster, die für die wichtigeren Räumlichkeiten vorbehalten waren.
 

Laxus beäugte einen Moment den Stuhl, der ihm am nächsten stand, ein geradezu fragil wirkendes Stück im viktorianischen Stil und entschied sich dann dafür, dass das Ding sein Gewicht nicht aushalten würde. Es hatte rein gar nichts damit zu tun, dass dies hier Mirajanes Reich und er ungebeten eingetreten war.
 

Doch er brauchte nicht lange auf sie zu warten, denn schon wenige Minuten später stieß sie die Tür auf und trat ein, einen riesigen Strauß tiefroter Rosen in den Armen. Sie warf ihm ein Lächeln zu und küsste ihm im Vorbeigehen auf die Wange. „Einen Moment.“, bat sie ihn, während sie zum Regal trat und eine Vase herausfischte, um sie an dem unauffällig angebrachten Waschbecken zu füllen.
 

Stirnrunzelnd beobachtete er sie dabei, wie sie die Blumen in das Wasser stellte und das ganze Gebilde auf einem hohen Beistelltisch platzierte, der extra zu diesem Zweck gekauft worden war. Hastig entspannte er sein Gesicht zu etwas weniger Miesepetrigem, als sie sich zu ihm umdrehte, die Finger vor dem Körper verschränkt.
 

Sie sah wirklich wunderschön aus in diesem langen Kleid, unter dem die hohen Schnürstiefel mit den schmalen Absätzen deutlich zu sehen waren. Der herzförmige Ausschnitt hob ihr Dekolleté um Aufmerksamkeit heischend deutlich hervor und das Korsett unterstrich ihre schlanke Figur. Die tiefroten Lippen bildeten einen deutlichen Kontrast zu ihrer milchweißen Haut und ihre großen blauen Augen blickten fragend zu ihm hoch. „Evergreen sagte, dass du etwas mit mir besprechen musst?“
 

Ihre Worte zeigten deutlich, dass sie wusste, dass dies nicht seine Idee gewesen war, aber trotzdem schlüpfte nur ein zögerliches „Uuuuh…“ über seine Lippen. Wo war seine durch wenig zu beeindruckende Contenance hin? Warum schaffte sie es, ihn mit einem Satz, einem einzigen Blick so aus dem Gleichgewicht zu bringen? Was hatte sie an sich, dass sie sich dafür nicht einmal anstrengen musste?
 

Im Grunde waren das dumme Fragen, denn er wusste die Antwort darauf, auch wenn er es sich nicht einmal in Gedanken eingestehen wollte, geschweige denn ihr gestehen würde. Aber sie war ihm wichtig, wichtig auf eine Art, wie es noch nie jemand vorher gewesen war. Und er wollte sie nicht verlieren. Ging es hier nicht genau darum?
 

„Laxus…?“
 

„Ich… Wir…“ Er schluckte, plötzlich war sein Mund trocken und seine Zunge klebte an seinem Gaumen.
 

Sie zog fragend eine feine Augenbraue hoch, ihr Gesicht unleserlich. Genau wie er hatte sie es nie geschafft, sich ihm gegenüber völlig zu öffnen. Da stand immer noch etwas zwischen ihnen, etwas, das sie nicht so einfach aus dem Weg schaffen konnten, nicht mit Worten, nicht mit Mut oder dem Bezwingen des eigenen Stolzes.
 

Er gab sich einen Ruck. „Ich wollte … etwas mit dir besprechen.“
 

Ein verwirrtes, aber ermutigendes Lächeln zog ihre Mundwinkel nach oben und warum, verdammt noch mal, war er so schlecht mit diesem Scheiß?! Wenn er so weitermachte, würde sie ihn verlassen, weil er zu feige war, mit ihr über Dinge zu sprechen, die sie beide etwas anging! Fuck!
 

„Ich mache mir nur Gedanken… Du bist… Ich meine…“ Er fuhr sich durch die Haare, plötzlich noch nervöser als vorher. Wie sprach man seine Freundin darauf an, dass man sich über ihre Treue Sorgen machte? Zumal noch gar nichts vorgefallen war, selbst in einer Situation wie ihrer?
 

Mirajanes Gesichtsausdruck hatte sich noch nicht verändert, aber auch ihre Geduld würde ihr Ende erreichen und sein Gestammel half sicher nicht. Sie verdiente das Beste, aber in dieser Situation, in der sie sich beide befanden, konnte er es ihr wirklich geben? Bestand diese Möglichkeit überhaupt mit den Ketten, die sie an das Dark Mysterious fesselten, die Versprechen, die sie gegeben hatten an Personen, die ihnen wichtiger waren als das eigene Schicksal, und den Schwüren, die sie so fest in den Klauen eines wahren Teufels festhielten?
 

Das Dark Mysterious ließ seine Besitztümer nicht so einfach gehen.
 

Wen es einmal in seinen Bann gezogen hatte, wer seine Seele an es verkauft hatte, hing in ihm fest wie im Netz einer riesigen Spinne, ob er nun gewusst hatte, auf was er sich da einließe oder nicht. Laxus hatte ganz genau gewusst, mit was er bezahlen würde, als er den Vertrag unterschrieben hatte, und Mira hatte zumindest eine umfassende Idee gehabt. Für sie gab es keine Entschuldigungen.
 

Und letzten Endes war es genau das, was diesen Keil zwischen sie trieb, denn so tief ihre Liebe auch ging und so sehr sie wuchs, sie konnten sich am Ende nicht das geben, was jemand von außerhalb tun konnte: die eigene, freie Seele aufs Spiel setzen und den anderen befreien. Denn sie konnten nicht mit etwas handeln, das ihnen schon lange nicht mehr gehörte.
 

Schließlich hob er einfach den kleinen Ast, den er noch immer in der Faust hielt. Die untersten Blüten und alle Blätter waren zerquetscht von seinen groben Fingern, aber die meisten der zartvioletten Blüten waren frisch und schön wie zu dem Zeitpunkt, als Evergreen sie ihm in die Hand gedrückt hatte.
 

Mirajane blinzelte überrascht, als sie das Geschenk mit einer geübten Handbewegung entgegennahm. Automatisch führte sie den Ast zu ihrer Nase und roch daran. Für einen Moment blickte sie mit gesenkten Lidern auf die Blume hinunter und ihre langen Wimpern warfen tiefe Schatten auf ihre Wangen.
 

Dann sah sie auf, ihre Augen scharf. „Flieder?“ Der Tonfall zeigte, dass sie genau wusste, welche Frage hinter dieser Blume stand.
 

Wirst du auch treu sein?
 

Ihre gerunzelte Stirn und die zusammengezogenen Augenbrauen zeigten, dass sie nicht erfreut über seine Zweifel war. Für einen Moment fragte er sich, ob das ein Fehler gewesen war, so direkt damit herauszuplatzen oder sie überhaupt zu fragen.
 

Doch Laxus hielt ihrem Blick stand, auch wenn er schlucken musste. Ihr Zorn konnte fürchterlich sein, aber er musste eine Antwort darauf haben und sie durfte sie ihm nicht verwehren. Er war bereit, ihr alles zu geben, was er konnte, aber er brauchte ihre Versicherung, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Dass er nicht der Einzige war, der schon viel zu tief gefährlich tief – drinsteckte.
 

Nach einem Moment jedoch wankte ihre Haltung und sie senkte sich abwendend den Kopf. „Ich kann wohl nur mir selbst die Schuld dazu geben, dass du dir überhaupt solche Gedanken machst.“, gestand sie, doch ihr abgewendetes Gesicht und die Haare, die darüber fielen, verhinderten auch jetzt, dass er sie direkt ansehen konnte, dass er ihre Gefühle offen wahrnehmen durfte.
 

„Das ist nicht wahr.“, widersprach er ihr und sie zuckte mit den Schultern. Mit einem Mal wirkte ihre Haltung niedergeschlagen, beinahe elend.
 

„Ich wusste, worauf ich mich einlasse, als ich hierherkam.“, antwortete sie und drehte das Gesicht zur Seite, so dass er nichts tun konnte, als auf ihren Hinterkopf zu starren und auf ihre komplexe Frisur mit den Kämmen und Schleifen und buschigen Federn darin. Was sollte er sagen, außer die Frage zu wiederholen, die sie noch zwischen den langen Fingern hielt?
 

„Ich habe nur nicht damit gerechnet, dich zu treffen. Das hat alle meine Pläne durcheinandergeworfen.“
 

Damit blickte sie auf und zu ihm und sah ihn direkt an, so dass er alle ihre Gefühle lesen konnte, die offen in ihr Gesicht geschrieben waren. Sie machte nicht einmal den Versuch, sie zu verstecken und er wusste, was es bedeutete: dass sie bereit war, ihm ihr Herz zu geben und ein Stück ihrer Seele. Das war mehr, als er gefragt hatte, mehr als er verlangen konnte – und mehr, als sie geben durfte.
 

Die Verletzlichkeit in ihren Augen, der Schmerz und die Sehnsucht darin stahlen ihm den Atem von den Lippen und er wollte zu ihr treten und sie in die Arme nehmen, um sie vor allem zu beschützen, das sie verletzen konnte. Wenn er es könnte, würde er dieses verdammte Gebäude um sie herum niederbrennen, um sie beide von seinem Bann zu befreien. Und damit auch aus den Klauen des teuflischen Besitzers, der sie voll und ganz in der Hand hatte und nach seinem Willen tanzen ließ wie Marionetten.
 

Aber er war wie erstarrt und sie wandte sich wieder ab, um zu ihrem Schminktisch zu treten. Mit zitternder Hand legte sie vorsichtig den Flieder auf die polierte Oberfläche und nahm ihren Lippenstift auf. „Ich muss jetzt wieder hinaus.“, erklärte sie in beinahe geschäftsmäßigem Tonfall, während sie die Farbe auf ihren Lippen erneuerte.
 

Rot und glänzend würden sie die Blicke wie magisch auf sich ziehen, doch Laxus konnte ihr nur in die Augen sehen, die ihn durch den Spiegel ansahen. Dann nahm sie den Flieder auf und entfernte sorgfältig die kaputten Blüten und Blätter davon, die unbeachtet auf den Boden fielen. Mit bedächtigen Bewegungen klemmte sie ihn schließlich neben ihrer Feder fest und er wirkte, als würde er dorthin gehören, ein weiteres Accessoire ihres Kostüms.
 

Dann drehte sie sich um und trat zu ihm. Wortlos blickte er auf sie hinunter, während ihre Hände an seinem Revers zupften, dann an dem Knoten seiner Krawatte, als hätte Evergreen dies nicht vor kurzer Zeit gemacht, als könnte er es nicht selbst. Sie war nervös.
 

„Ich…“, begann sie und ihre Finger kamen flach auf seiner Brust zu liegen. Er konnte das schwache Beben darin fühlen, das ihm mehr sagte als Worte. „und du… Wir…“ Sie blickte auf und ihre seelenvollen Augen waren tief und offen und sagten, was sie nicht aussprechen konnte.
 

Ihre Lider senkten sich langsam, während sie sich auf die Zehenspitzen erhob und ihm die geöffneten Lippen auf den Mund presste. Automatisch kam er ihr näher, umfing ihre zarte Gestalt mit zu viel Kraft, zog sie an sich, als wollte er sie nie wieder loslassen. Der Kuss war wild und verzweifelt und gleichzeitig zärtlich und sie legten beide die Gefühle hinein, die sie nicht aussprechen konnten.
 

Nicht aussprechen durften.
 

Zögerlich trennten sie sich nach viel zu langen Augenblicken wieder und sie glitt langsam an ihm vorbei, seine Hand erst im letzten Moment loslassend. Die Hand auf die Klinke legend, blickte sie ihn noch einmal an. „Auch wenn es mich die Chance kostet, meine Seele zurückzugewinnen…“, erklärte sie ernst. „Ich bereue dies nicht.“ Ihre Stimme war fest und sicher und ihr fehlte jegliche Neckerei, jeglicher flirtende Tonfall, der ihr sonst so oft anhaftete. Es klang wie ein Versprechen. Dann wandte sie sich um und verließ den Raum.
 

Laxus starrte auf die geschlossene Tür, die ihm den Blick auf sie verbarg, und wusste, dass er seine Antwort hatte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und dann geht er raus und Evergreen fängt ihn ab, um ihm die Lippenstiftspuren aus dem Gesicht zu wischen. Trotz allem Spott gehört sie ja doch zum Laxus-Fanclub.

Also, ich hoffe, es hat gefallen, auch wenn da so viel nur angedeutet wurde. ^^" Also, ich hoffe, Laxus und Mira sind mir gelungen, irgendwann komme ich sicher nochmal zu ihnen. :)

Eine der Blumen fehlt mir jetzt noch, der OS wird aber etwas länger, ich hoffe aber, dass er mir schneller von der Hand geht, weil ich mit den Charakteren mehr Erfahrung habe. ^^" Danach kann ich mich endlich anderen Dingen widmen, yay!

Gruß
Arian Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yosephia
2017-05-28T19:33:28+00:00 28.05.2017 21:33
Wow, also ich muss schon sagen, dass der erste Part eine unglaubliche Stimmung erzeugt! Diese Show mit den Tänzerinnen (waren das Jenny und Sherry???) und Mira und ganz besonders Miras Wirkung auf die Zuschauer... Das war mitreißend, aufregend, faszinierend, aber irgendwie haftete dem Ganzen doch auch etwas... Düsteres an? Der Eindruck hat sich wohl durch das erhärtet, was später noch so passiert ist!

Laxus' Gedankengänge passen sehr gut zu ihm. Er ist grob und maulfaul, aber eindeutig ein Grübler. Dass er Mira so aufmerksam beobachtet - deutlich aufmerksamer, als sein Job es eigentlich erfordern würde - und sich dabei so viele Fragen stellt, klingt einfach so hundertpro nach ihm.

Ein Glück hat er Evergreen! Die war so dermaßen IC, als würdest du jeden Tag etwas mit ihr schreiben. Energisch, schnippisch, herrisch, aber auf ihre eigene Art doch auch führsorglich... Das passt perfekt!^^b

Der Blick hinter die Kulissen war auch spannend und gleichzeitig verblüffend. So viele Leute, so viele unterschiedliche Shows. Das macht voll neugierig, wie die Leute eigentlich alle da rein gekommen sind, was für Hintergründe sie dafür hatten usw. usf.

Und dann das Gespräch zwischen Mira und Laxus. Typisch Laxus, dass er den Mund nicht aufkriegt. Evergreen hat ihm ja nicht umsonst den Flieder mitgegeben, ansonsten wäre das ja wohl nie etwas geworden^^'
Sehr faszinierend fand ich den Kontrast, den du dabei bei Mira aufgetan hast. Auf der Bühne war sie absolut souverän, hatte ihren Körper, ihre Situation, ihre Zuschauer, einfach alles unter Kontrolle, hat sich nicht eine Sekunde lang in die Karten schauen lassen, war die Versuchung pur und alles... Und dann in ihrer Garderobe mit Laxus und diesem Flieder kommt eine ganz andere Mira zum Vorschein: Verletzlich, sehnsüchtig, unsicher, hilflos... Einfach unglaublich toll inszeniert!

Gespräch kann man es letztendlich kaum nennen, weil Laxus ja doch wieder kaum etwas gesagt hat, aber er hat seine Antwort bekommen und ich hatte zum Ende hin das Gefühl, dass auch Mira dieses Gespräch irgendwie gebraucht hat. Vielleicht weil sie sich ihrer Gefühl auch erst einmal bewusst werden musste? Oder eher der Intensität ihrer Gefühle? Auf alle Fälle war das Ganze von vorn bis hinten sehr stimmig und sowohl Laxus als auch Mira waren für mein Empfinden sehr IC!

Dieser OS macht wirklich Lust auf mehr, ich wäre einer weiteren Story in diesem 'verse also definitiv nicht abgeneigt :D

Das Einzige, was mir bei dem Ganzen irgendwie vollkommen unklar geblieben ist, ist, was genau eigentlich mit Lisanna ist. Ihr Name ist am Anfang mal in den Raum geworfen worden und sie scheint irgendwie teilweise der Grund zu sein, warum Mira im Variete ist? Aber das war halt ziemlich kryptisch^^'

Jetzt freue ich mich total auf den letzten Blumen-OS! *~*
LG
Yosephia


Zurück