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Ta Sho

die Outtakes
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das hier wäre ein alternatives Ende zu Ta Sho - erste Schritte geworden, wenn sich April und Fireball nicht entschieden hätten, getrennte Wege zu gehen :).
Disclaimer: in diesem Kapitel gibt es einen Song, der mich sehr inspiriert hat, mir aber nicht gehört. Jon Bon Jovi - Never say die Komplett anzeigen

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Spirit

Er hatte sich früher aus dem Oberkommando geschlichen an diesem Tag. Seine Freunde waren von einer mehrwöchigen Mission endlich wieder nach Yuma zurückgekommen und hatten kurzerhand beschlossen, an diesem Abend etwas gemeinsam zu unternehmen. Der junge Captain schickte seiner Crew noch gutgelaunte Feierabendwünsche durch den Hangar, ehe er endgültig die Segel für diesen Tag strich. Fireball war gerne Captain der Air Strike Base 1, auch wenn er länger gebraucht hatte, um sich das Vertrauen aller zu verdienen als auf Ramrod. Aber mittlerweile hatten ihn alle in ihr Pilotenherz gelassen und ihn öfter als einmal schon offiziell in der Familie der Staffel willkommen geheißen. Und dennoch vermisste er Ramrod an so manchen Tagen. Das Schlimmste für den Piloten war immer noch, wenn der große Cowboy ohne ihn abhob und es somit bedeutete, dass er seine Freunde und April wieder für längere Zeit nicht sehen würde.

Geschmückt wie eine Kuh beim Almauftrieb, wie Colt das immer nannte, wenn er Fireball in der Uniform des Captains sah, war der Pilot im Begriff das Gelände zu verlassen. Er hatte ohnehin nicht übertrieben viel Zeit, denn seine Freunde hatten wieder mal nicht bedacht, dass ihr Feierabend nicht der selbe war, wie der von Fireball. Ramrod war nicht in das tägliche Geschehen des Oberkommandos eingebunden und hatte das, was einer freien Zeiteinteilung am nächsten kam, Bereitschaft. Da konnte man zumindest so etwas wie Freizeit unterbringen und das taten die vier immer wieder gern. Bestimmt brachte Colt an diesem Abend endlich wieder mal seine Zukünftige mit. Die hochschwangere Robin war der beste Beweis für die rosigen Zeiten, auf die sie alle irgendwann wirklich zusteuern würden. Der eine früher und der andere eben später. Sogar für Saber hatte sich in den letzten Monaten viel geändert. Der einsame Wolf, der er ohne Zweifel vor ihrer verrückten Zeitreise gewesen war, war er schon länger nicht mehr. Der Schotte hatte eine Frau gefunden, die seinen Sinn für Humor teilte und eine gewisse Erziehung genossen hatte. Aus Aprils Cousine June war im Laufe der Zeit eine gebildete, junge Frau geworden, die dem Säbelschwinger immer wieder mit Leichtigkeit ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

Irgendwo musste er falsch abgebogen sein. Fireball hatte an diesem Tag den Kopf voller Gedanken, die ihm nachweislich die Konzentration nahmen. Als er vor einem geschlossenen Tor stand, bemerkte er erst, dass er unterbewusst nicht den Weg in seine Wohnung eingeschlagen haben dürfte. Fireball kannte das eiserne Tor mit unzähligen Verschnörkelungen, lief er doch jeden Tag öfter als nur einmal daran vorbei. Es war der Eingang zum Militärfriedhof, vor dem er sich befand. Er schob es ein Stückchen auf und schlüpfte hinein. Das letzte Mal war er hier gewesen, als die Gedenkfeier stattgefunden hatte. Diese Farce, bestimmt war sie jedem nur wegen der unzähligen, langatmigen und heroischen Ansprachen im Gedächtnis geblieben, wenn überhaupt.

Der weiße Kiesel knirschte unter seinen Schuhen, als er den Weg entlang schritt. Fireball hatte sich bis dato immer geweigert, hier her zu kommen, bisher war er noch kein einziges Mal alleine hier gewesen. Ganz kurz hatte er das Mahnmal mit seiner Mutter besucht, vor der offiziellen Gedenkfeier. Es war eine kleine Stippvisite gewesen, Fireball hatte sich unbehaglich gefühlt und hatte es nicht lange ausgehalten. Und natürlich die pompöse Gedenkfeier zum zwanzigsten Jahrestag der Outriderangriffe. Das Theater hatte unglaubliche vier Stunden gedauert, in der größten Mittagshitze wohlgemerkt. Die Piloten der Air Strike Base 1 waren symbolhaft an dem Denkmal Spalier gestanden, jeder mit einem Foto der Helden, die damals gestorben waren, in Händen. Und natürlich hatte der Captain der heutigen Air Strike Base 1 das Foto des damals gestorbenen Captains in Händen gehabt.

Und nun stand er hier, die tiefstehende Sonne im Rücken und warf einen langen Schatten auf das Kriegerdenkmal. Auf dem Steinblock waren alle Namen kunstvoll eingraviert worden. Es waren so viele, die damals gestorben waren. Viel zu viele. Über den Namen hatte man einen kleinen Spruch eingravieren lassen.

‚Niemals werden wir vergessen,

Niemals aufhören euch zu vermissen‘

Fireball nahm sich zum ersten Mal wirklich die Zeit, über die Namen zu lesen, die alle auf diesem Steinblock standen. Nicht nur durch die Geste auf der Gedenkfeier, sondern vor allem durch den Dienst, den er in der Vergangenheit im Oberkommando geleistet hatte, hatten viele Namen ein Gesicht dazu. Mehr noch als das. Für den jungen Japaner hatten sie zu dem Namen auch Charakterzüge bekommen. Seine Gedanken drifteten weit weg von diesem Denkmal, sie sprangen förmlich in die Zeit zurück, wo die Helden alle noch gelebt hatten, in eine Zeit, in der er mit seinem Vater zusammen gearbeitet hatte. Er erinnerte sich nicht gerne daran, weil er jedes Mal auch daran dachte, wie sein Vater dann doch noch trotz besseren Wissens zu diesem gottverdammten Manöver geflogen war. Fireball hatte mit seinem Vater damals über das Sterben gesprochen…
 

They asked me what I want engraved

On the gravestone where I lie
 

… Resignierend schüttelte Shinji den Kopf und trank den letzten Schluck von seinem Bier, ehe er einen Hinweis aussprach: „Welten sind nicht mehr ganz so unerreichbar wie vor Jahren noch. Merk dir eines, Kurzer, wenn du sonst schon nichts lernen willst.“, er legte Geld auf den Tisch und trat einige Schritte von Fireball weg: „Talent und Können allein machen nicht glücklich, wenn man seine Erfolge mit niemanden teilen kann. Das wird Firenza noch lernen und du bestimmt auch irgendwann.“

Nun ließ Fireball den Kopf hängen. Unbestimmt gab er zurück: „Das nicht. Aber man stürzt niemanden ins Unglück, wenn einem Talent und Können nicht mehr helfen und es zu spät ist.“…

Stur und unbedacht hatte er seinem Vater widersprochen. Und dennoch. An Fireballs Meinung hatte sich bisher diesbezüglich nichts geändert. Immer noch glaubte er, niemals verstehen zu können, wie man seine Familie für etwas verlassen konnte, das einem niemand danken würde. Ja, man wurde dadurch für viele Menschen zum Helden, aber niemand verschwendete einen einzigen Gedanken an die, die dieser Held zurück gelassen hatte. Keiner konnte wissen, wie sehr Kinder ihre Väter und Frauen ihre Männer vermissten. Die Brüder, Schwäger, Onkel und Freunde brachten fromme Gedanken nicht wieder zurück.

Talent und Können allein machten nicht glücklich, das war wahr. Fireball hatte reichlich davon, das hatte er mehr als einmal bereits unter Beweis gestellt. Richtig glücklich war er dennoch nicht.
 

Tell them it’s just my bones that died there
 

Man konnte von niemandem, der verheiratet war oder sogar Kinder hatte, verlangen, in den Krieg zu ziehen. Fireball seufzte unglücklich und schloss die Augen. Die Erinnerung an seinen Vater tat weh, mehr noch als zuvor. Für ihn war sein Vater nie mehr als ein Phantom gewesen, von dem ihm seine Mutter manchmal erzählt hatte. Für alle war der Captain ein Held gewesen, nur für den Piloten nicht. Oft hatte er Zorn und Groll gegen ihn gehegt, weil das Vermächtnis seines Vaters nicht zu tragen war. Das hatte sich mit ihrem Abstecher in der Vergangenheit geändert. Aus diesem übermenschlichen Schatten, der seit jeher über Fireball geschwebt war, war ein Mensch aus Fleisch und Blut geworden. Aus dem Namen, den man selbst nie hatte wollen, war ein Freund geworden. Fireball hob den Blick und schielte auf den ersten Namen des Denkmals, Captain Shinji Hikari. Sein Vater hatte sein eigenes Schicksal doch in Händen gehabt, warum nur hatte er es trotzdem geschehen lassen? Shinji hatte alles von Saber und den anderen erfahren, er hätte sich anders entscheiden können, wieso nur hatte er sich dann immer noch gegen seine Familie, gegen seinen Sohn entschieden? Fireball war den Tränen nahe.
 

To save the tears they’ll cry
 

Der Japaner schluckte die Tränen hinunter und fuhr sich durch die Haare. Sein Vater hatte es für den Frieden getan. Er hatte sein eigenes Leben für die Menschen geopfert, die nach ihm kommen würden. Shinji hatte ihnen die Zeit verschafft, die sie gebraucht hatten, um sich von den ersten Angriffen zu erholen und Ramrod zu entwickeln. Er war letztendlich mit der Gewissheit gestorben, das Richtige getan zu haben, es für die Zukunft seines Sohnes getan zu haben. Denn nur dank seines Vaters stand er heute hier. Hätte sich der Captain anders entschieden, vielleicht hätte der quirlige Pilot nicht so unbeschwert aufwachsen können, wie er es schließlich getan hatte. Er war mit einer liebevollen Mutter gesegnet worden, auch wenn sie ihn als die Wiedergeburt ihres Mannes ansah. Natürlich, die Vergleiche seiner Mutter mit diesem, für ihn seither unerreichbaren, Helden waren schmerzhaft gewesen, aber…
 

‘Cause my spirit is still running

Somewhere in this night
 

…jetzt verstand er ihre Worte. Fireball verstand die Bedeutung ihrer Worte, denn er hatte es selbst bemerkt. Egal, wie sehr er sich dagegen auch gewehrt hatte, wie sehr er es abgestritten hatte, letztlich war er der Sohn seines Vaters. Obwohl er sich dagegen gesträubt hatte und alles getan hatte, um sich nicht so zu entwickeln, das Schicksal hatte sich nicht davon abbringen lassen. Er war geworden, wie sein Vater.

Fireball führte das Erbe des großen Captain Hikari fort. Nicht nur als Captain der Air Strike Base 1, sondern vor allem, als das, was er war. Die braunen Augen des Japaners schimmerten wieder. Der Geist seines Vaters war niemals verschwunden, er war immer hier gewesen. Er war in Fireball, durch ihn lebte Captain Hikari weiter.
 

And it’s these three words that come to me

As I kiss this world goodbye
 

Er hob den Kopf und trat an das Denkmal heran. Vorsichtig berührten seine Finger den ersten Namen unter dem kleinen Spruch. Es war der Name seines Vaters. Es war sein Name. Fireball hatte endlich gelernt, dass es keine Bürde war, der Sohn dieses Helden zu sein. Er musste nicht mehr dagegen ankämpfen, er brauchte nur zu sein, wie er eben war. Er spürte, wie dieser Krieg, der in seinem Inneren seit jeher tobte, endlich ein Ende nahm. Er konnte akzeptieren, dass er ohne seinen Vater aufgewachsen war. Fireball konnte das Erbe annehmen. Nach so langen Jahren hatte er begriffen, dass das Schicksal eines jeden vorherbestimmt war. Und das hier war sein Schicksal. Fireball konnte seinem Vater verzeihen. Denn er begriff, dass er nicht anders gehandelt hätte, wäre er in diese Situation geraten. Tief in sich wusste der Captain der Air Strike Base 1 plötzlich mit einer seltsamen Gewissheit, dass auch er jederzeit für den Frieden sterben würde. Er würde auch mit Familie die selbe Entscheidung treffen.

Diese Gewissheit stärkte Fireball. Er warf noch einen letzten Blick auf das Kriegerdenkmal. Niemand hier war umsonst gestorben, die Familien, Geschichten und Schicksale hinter den Helden hatten dieses Opfer nicht umsonst gebracht. Nichts geschah in dieser Welt ohne Grund. Es hatte nur gedauert, bis Fireball das erkannt hatte.
 

Never say die
 

Innerer Frieden erfüllte Fireball mit jedem Schritt mehr, den er vom Denkmal wegmachte. Er war endlich soweit, wirklich in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Fireball würde nicht mehr dagegen ankämpfen, das brauchte er nicht mehr. Denn so, wie es jetzt war, war es richtig.

Sie wartete an dem großen Tor. Eigentlich hatte sie ihn im Büro abholen wollen, doch Fireball war schon weg gewesen. Martin hatte April gerade noch rechtzeitig gesehen, bevor sie wieder gegangen war und hatte der Navigatorin die hilfreiche Auskunft gegeben, dass ihr Liebster zum Friedhof gegangen war. April hatte ihn gesehen, als sie am Eingang angekommen war, das Kriegerdenkmal stand mitten auf dem grünen Platz, der nur von wenigen Kieswegen durchbrochen wurde. Augenblicklich hatte sie sich entschieden, Fireball mit seinen Gedanken alleine zu lassen. April hatte sich solange auf die Bank vor der Friedhofsmauer gesetzt und auf ihn gewartet.

Als er das Tor hinter sich schloss, hob April den Blick zu ihm empor und stand auf. Fireball lächelte sie schweigend an, aber es war kein aufgezwungenes Lächeln. Sie erkannte sofort in seinen Augen, dass er für sich Frieden geschlossen hatte und ein schwieriges Kapitel, vielleicht sogar das schwierigste seines Lebens, abschließen konnte. Er brauchte dafür noch nicht einmal etwas zu sagen. April wusste es einfach.

Schweigend legte sie ihm einen Arm um die Hüften und schmiegte sich an ihn. Nichts mehr als das hatte sie tun wollen, seit sie in Yuma gelandet waren. Seit geraumer Zeit brauchten sie sich nicht mehr zu verstecken. April genoss seitdem jede Berührung umso mehr, endlich gab es dabei keine Schmerzen mehr. Die Blondine konnte das unglaublich schöne Gefühl seiner Nähe genießen. Nichts stand mehr zwischen ihnen. Wirklich nichts.

Fireball legte den Arm um seine Freundin. Ein Blick in ihre blauen Augen genügte, sie wusste, was gerade in ihm vorging. Sanft küsste er ihren Scheitel, während er sie noch enger an sich drückte. Leise hauchte er: „Lass uns zu den anderen gehen. Sonst glauben die, wir wollten Kinder kriegen.“

April schmiegte sich an ihn und schmunzelte. Sie schüttelte leicht den Kopf: „Nicht doch.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sury
2016-12-27T18:25:29+00:00 27.12.2016 19:25
❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤❤
Wunderbar, einfach wunderschön geschrieben!
Ich hatte Gänsehaut bei der Vorstellung wie Shinji mit seinen Händen langsam über den eingravierten Namen seines Vaters strich 😢
Man spürt richtig wie er sich seiner selbst hingibt...
die Vergangenheit und auch Gegenwart, wie er tiefe Atemzüge nimmt, die geschlossenen Augen, der andächtige Moment in dieser Situation darin Frieden, auch einwenig stolz zu finden und mit sich selbst nicht mehr ausbrechen/verzweifeln zu wollen.
Sehr bewegend findeich April' s Reaktion auf dieses fast andächtige Bild das sich vor ihren Augen abspielt. Sie gibt Shinji Zeit sich alleine damit auseinander zu setzen, ihn jedoch gedanklich stützt und beisteht.
Ein neues kleines Meisterwerk von dir lesen zu dürfen...
💓boa Herzklopfen💓
Hoffentlich dürfen wir noch viele viele weitere Werke von dir bewundern, darin versinken und in dieser kleinen Welt zuflucht finden!
Vielen vielen lieben Dank für diese gefühlvollen Zeilen!
Fantastisch fantastisch fantastisch fantastisch und
BITTE BITTE BITTE BITTE BITTE BITTE BITTE BITTE
MEHR MEHR MEHR MEHR MEHR MEHR MEHR

LG Sury



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