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Caelum

von
Koautor:  Puppenspieler

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Sasakuma Ichigou baumelte in Ikus Armen, die kleinen Pandaaugen neugierig auf Aoi gerichtet, das Köpfchen schief gelegt. Sein Herrchen sah ähnlich verwirrt drein, nur weniger nach Panda oder Teddybär; Iku war aus seinem kindlichen Image längst herausgewachsen, wurde Aoi gerade im direkten Vergleich zu seinem Haustier bewusst. Wann war er so erwachsen geworden?

Automatisch lächelte er, ein Reflex, den Arata durchschauen würde, wenn er denn hinsähe.

„Iku. Was macht ihr beiden denn hier?“

Iku grinste. Aoi bildete sich ein, Verlegenheit auf seinem Gesicht zu erkennen. Waren seine Wangen gerötet? Vielleicht die Anstrengung davon, den nicht gerade leichten Panda durch das Haus zu schleppen.

„Sorry! Wir sind geflüchtet, weil Shun-San einfach nicht mehr mit dem Jammern aufgehört hat. Wollte nicht riskieren, dass er das mit dem Verfluchen doch am Ende ernst meint…“

 

Iku sprach laut genug, dass die beiden Männer am Wohnzimmertisch auf sie aufmerksam wurden. Aoi lächelte verkrampft unter den Blicken von Mikazuki und Arata. Keiner von beiden schien zu merken, wie unangenehm die Situation war.

Arata sah aus wie immer. Sah ihn an, wie er es immer tat. Seine Augenbrauen zogen sich kaum merklich zusammen, wie immer, wenn er besorgt um Aoi war. Da lag etwas Fragendes in seinem Blick, eine stumme Aufforderung, sich über den offenkundig anstrengenden Tag auszusprechen. Seine Augen brannten, als Aoi blinzelnd den Blick abwandte, zu Mikazuki, als wäre das einfacher. Der Mann grinste amüsiert – an ihm vorbei. Mehr unbewusst folgte Aoi seinem Blick, bis er Iku wiederfand, der mit Panda auf dem Arm gerade zum Sofa hinübertrottete. Er ließ sich neben Mikazuki darauf plumpsen. Der Panda machte es sich augenblicklich auf seinem Schoß bequem und gab einen kleinen, behaglichen Laut von sich. Er sah ausgesprochen zufrieden aus.

„Tut mir Leid, dass ich so lange gebraucht habe. Der Kleine hier hat sich vor Shun-Sans dämonischer Aura versteckt und überhaupt keine Lust gehabt, unter meinem Bett vorzukommen.“ – „Dass er da überhaupt drunterpasst, ist ein Wunder“, kommentierte Arata trocken. Er hatte nicht einmal Unrecht damit. Die Vorstellung, wie der doch eher mopsig wirkende Panda sich unter Ikus Bett einkauerte, war wirklich ein bisschen unfassbar. Und vor Shun versteckt?

„Und dafür lässt du mich mit Yuzuru-San allein. Schämst du dich nicht?“

Iku lachte nur.

„Beschwer dich bei ihm? Er wollte den Panda kennenlernen.“ – „Ich muss die Konkurrenz eben abstecken.“

 

Langsam verstand Aoi gar nichts mehr. Gar nichts mehr. Er war nur noch verwirrt von der Gruppe dort drüben. Mikazuki und Arata, das ergab Sinn. Aber was Iku und Sasakuma Ichigou dabei zu suchen hatten, war – unbegreiflich für Aoi.

Er fühlte sich, als wäre er der Einzige, der das Drehbuch zu diesem irren Drama verpasst hatte.

 

„He, Satsuki. Willst du Wurzeln schlagen, oder weshalb stehst du da so rum? Wenn du nichts Besseres mit deiner Zeit anzufangen hast, sag mir mal, wo die Küche ist, ich bin durstig.“

„Ähm…“

Aoi blinzelte hilflos von Mikazuki zu Arata hinüber. Dessen Blick war von Sorge zu etwas anderem gewechselt, das Aoi seit Jahren als eine sehr aratahafte Form von Bettelblick kannte. Es war herzzerreißend vertraut und natürlich reagierte er darauf. Geschlagen warf er die Hände in die Luft und grinste schief.

„Ist okay, ich hol was. Erdbeermilch für Arata, und… Iku? Mikazuki-San?“

Iku wollte einen Tee, Mikazuki lieber Kaffee, weil er noch einen langen Abend vor sich hatte, wie er sagte. Insgeheim war Aoi dankbar um die Gelegenheit, sich zurückzuziehen und seine verwirrten Gedanken sortieren zu können. Während er Tee und Kaffee kochte, starrte er Löcher in die Luft. Es gab nicht viele Möglichkeiten, was hier eigentlich los war. Eigentlich gab es so ziemlich nur zwei. Die eine, die naheliegende, ergab keinerlei Sinn. Aoi kannte Arata viel zu gut! Er konnte nicht– Er würde eine Beziehung niemals vor ihm verheimlichen. So betrachtet konnte er gar nicht mit Mikazuki zusammen sein.

Und überhaupt hatte Arata doch bisher nur Interesse an Frauen gezeigt!

Irgendwo in seinem Hinterkopf meldete sich ein leises Stimmchen, das ihn daran erinnerte, wie Arata ihn nach der Vorpremiere angestoßen hatte, um ihm Iku und Mikazuki zu zeigen, die in ein lebhaftes Gespräch verwickelt gewesen waren. Natürlich. Iku hatte der Film wahnsinnig gut gefallen, und er hatte schon auf dem Weg hinaus aus dem Vorführsaal nicht mehr den Mund zugekriegt darüber, wie authentisch die Geschichte gewesen war, und wie gut die einzelnen Rollen gespielt waren.

Es hatte Sinn ergeben, dass er sich mit einem der Hauptdarsteller darüber unterhalten würde.

 

Jetzt ergab es irgendwie Sinn, dass Iku und Mikazuki gemeinsam auf dem Sofa saßen.

 

Iku und Mikazuki. Aoi erstickte ein überfordertes Lachen in seiner Hand. Arata hatte keine Geheimnisse.

 

 
 

***

 

 

Ikus Beziehung brachte einen ganz schönen Wirbel mit sich.

 

Im Nachhinein konnte Aoi sehr gut verstehen, dass er und Mikazuki aus Procellas Wohnräumen geflüchtet waren. Selbst Wochen später war Shun noch am Lamentieren, wann immer Aoi ihn sah.

„Hajime! Es wird Zeit, dass wir unsere Liebe der ganzen Welt zugänglich machen. Es geht nicht, dass Ikkun uns so sehr die Show stiehlt.“

Absehbar, ganz egal, wie oft Shun es versuchte, blieb Hajimes Antwort gleich – „Es gibt nichts zu zeigen.“

 

(Aoi, nach all den Jahren, wusste immer noch nicht, ob Shun seine Liebe nun ernst meinte oder nicht. Manchmal war er sich sicher, es war nur einer von Shuns theatralischen Anfällen, die er doch aus jedem Unfug machen konnte. Dann wieder gab es Momente… Kurze Blicke, Gesten. Ein Lächeln, eine flüchtige Berührung.

Aoi wusste es wirklich nicht. Und wenn nicht irgendjemand irgendwann die Mutprobe annahm, Hajime ernsthaft zu fragen, ob da nicht doch etwas mit Shun lief, würden sie es wohl nie erfahren.)

 

Es war nicht nur Shun. You machte ein ganz schönes Aufheben um die ganze Sache, einfach nur, weil er es konnte. Kai, ganz der große Bruder, der er war, hielt Mikazuki wohl ernsthaft eine wunderbare großer-Bruder-Rede. Natürlich hatte Arata auch seinen Spaß an der Sache. Selbst Hajime und Haru mischten sich mit ein paar freundlichen Worten – Drohungen – ein, als sich die Gelegenheit ergab.

Aoi hielt sich lieber zurück. Er gönnte Iku sein Glück, und er bewunderte es, dass er den Mut gefunden hatte, offen zu seiner Beziehung zu stehen.

 

Er war mit Sicherheit nicht der Erste, der es zu einer Liebschaft gebracht hatte, und er würde mit Sicherheit nicht der Letzte bleiben. Bisher hatte sich schlicht niemand offen zu irgendetwas bekannt. Gut. Es gab You und seine Mädchengeschichten, die immer mal wieder den Weg in Klatschpresse und Internetblogs fand, aber es schien nie etwas Ernstes zu sein. Wenn man You und seinem schalkhaften Grinsen glauben durfte, dann liebte er doch sowieso nur Yoru.

Gerüchteweise traf sich einer der Jungs von SolidS schon seit mehr als einem Jahr mit dem gleichen Mädchen. Einer der Quell-Zwillinge hatte angeblich schon seit vor ihrem Debüt eine feste Freundin.

Solche und ähnliche Gerüchte gab es genug. Bestätigt war nichts.

Wenn Aoi ehrlich war, er würde es selbst wohl nicht anders halten. Arata würde er es natürlich erzählen, keine Frage, aber darüber hinaus? So sehr er besonders Gravi und Procella schon als Familie betrachtete, das war ein Thema, das nur ihm gehörte. Er würde sich auch gar nicht trauen, es offen zuzugeben. Vermutlich ging es den anderen ähnlich damit, aus welchen Gründen auch immer.

 

Natürlich war es Iku, der es anders hielt.

Hätte man Aoi im Vorfeld gefragt, wer von ihnen wohl am Ehesten geneigt wäre, seine Beziehung offen zuzugeben, er hätte ohne zu zögern auf Iku getippt. Es passte zu Iku, geradeheraus und ehrlich zu sein. Er hatte es schließlich auch geschafft, sich völlig ernsthaft vor seine Bandkollegen zu stellen und zu verkünden, dass er  hart daran arbeiten würde, irgendwann männlich und cool genug zu sein, um selbst in glitzernden Idol-Outfits noch ernstzunehmend auszusehen.

Er hatte es geschafft.

 

„Du grübelst.“

 

Aoi hob den Blick von der Falte auf der Bettdecke, die er gefühlt seit Minuten angestarrt hatte. Er lachte leise, lächelte Arata zufrieden zu.

„Nicht wirklich. Hab eher geträumt.“

Aratas hochgezogene Augenbrauen fragten, wovon. Aoi musste noch mehr lachen, als ihm bewusst wurde, wie dumm seine Antwort klingen würde. Von Iku. Nicht wirklich, aber das kam der Sache wohl am Nächsten, huh? Er schüttelte den Kopf.

„Beziehungen“, bot er schließlich als Kompromiss zur Antwort. Es klang nicht halb so verfänglich und war genauso wahr. Jetzt war es an Arata, den Kopf zu schütteln. Er lehnte sich bequemer gegen sein Kopfkissen zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

„Dachte, du wärst nicht der Typ dafür? Hast du nicht den letzten Liebesbrief auch wieder mit nem Korb beantwortet?“

 

Natürlich hatte Aoi das! Er kannte diese Mädchen nicht, also wie sollte er ihre Liebe erwidern?

„War mehr ein generelles Träumen.“

Und weil er nicht mehr darüber reden wollte, weil er selbst nicht wusste, wie er wirklich zu dem Thema stand, weil er gar nicht darüber nachdachte, warf er Arata lieber das zweite Kissen ins Gesicht und grinste. Diese Momente taten gut. Einfach beieinander sein zu können, herumzualbern, wie sie es immer getan hatten. Aoi liebte jeden einzelnen Augenblick, der ihm wieder versicherte, dass Arata immer noch bei ihm war und noch lange sein würde.

Die große Veränderung würde kommen. Irgendwann. Aber es würde noch lange, lange dauern. Aoi war sich sicher, dass es dauern würde. Noch einmal würde er sich nicht von seiner Paranoia zu lächerlichen Überinterpretationen bringen lassen.

Er lachte herzlich, als das Kissen zurückgeflogen kam, fing es auf und knautschte es im Schoß zusammen. Arata sah so empört aus, wie er eben aussehen konnte – nicht sonderlich empört also. Und im Grunde war er amüsiert, seine Augen funkelten kaum merklich.

„Und du? Oder hast du endlich aufgegeben, You und seine Eskapaden einholen zu wollen?“

 

Kam das Gespräch auf Beziehungen, verlief es im Endeffekt immer gleich – flapsige Fragen, flapsige Antworten, ein paar stichelnde Scherzen in beide Richtungen, bis sie sich in liebevollem Spott über You und sein Womanizer-Image verloren.

 

Arata antwortete nicht sofort. Er sah Aoi an, unlesbar, richtete sich langsam in eine weniger lümmelnde Position auf. Nervosität begann an Aois Herzen zu zupfen und er schluckte, das Grinsen in seinem Gesicht verblasste zu einem vorsichtigen Lächeln.

„Arata?“

Was auch immer jetzt kam, es war nicht die flapsige Antwort, auf die Aoi gewartet hatte.

 

Eigentlich wusste Aoi auch, was kommen würde. Aoi wusste es, und es schnürte ihm die Kehle zu. Er schüttelte den Kopf, noch ehe er es hörte, überfordert, hilflos.

 

Veränderung.

 

„Ich bin verliebt.“

 

 
 

***

 

 

„Du hast dich verändert.“

 

Aoi stolperte auf dem kirschblütenblättergepflasterten Weg. Er sah Arata an, ohne wirklich zu begreifen, was sein Freund ihm gerade gesagt hatte. Er lächelte, sichtbarer, als Aoi es gewöhnt war, und in seinem Blick lag mehr Emotion, als es sonst oft der Fall war.

Arata hatte sich verändert. Noch mehr, seit dem letzten Mal, dass sie durch den kirschbaumgesäumten Park spaziert waren. Ein Jahr. War es wirklich schon ein Jahr her, dass sie hier gestanden hatten?

Und bei aller Veränderung waren sie immer noch zusammen.

„Findest du?“

 

Aoi fand nicht, dass er sich veränderte. Er war immer noch er selbst. Trat auf der Stelle, wo die anderen voranliefen. Klammerte sich lieber an altbewährtes, statt neues auszuprobieren, zumindest in einigen Belangen. Er hatte immer noch Angst vor der Veränderung, die irgendwann dafür sorgen würde, dass ihre Wege sich trennen würden.

Er hatte Angst vor Aratas Gefühlen, weil Liebe etwas so viel größeres und unbeständigeres war als Freundschaft, viel unsicherer, und weil der Pfad, den sie wies, so unbeschritten und wild war.

 

Er beobachtete, wie Arata die Schultern zuckte, die Hände in den Hosentaschen. Sein Blick wanderte, folgte den Kirschblüten bei ihrem leisen Tanz zur Erde. Aoi konnte und wollte den Blick nicht von ihm abwenden.

„Du hast aufgehört, wegzulaufen, oder?“ – „Eh?“

Aratas Blick wanderte wieder. Aus dem Augenwinkel fixierte er Aoi auf eine Art, die beinahe unangenehm scharfsinnig war.

„Du bist früher immer vor unangenehmen Gedanken weggelaufen. Du hast angefangen, dich mit ihnen auseinander zu setzen.“

 

Aoi blieb verblüfft stehen, wo er stand, während Arata abdrehte und wieder lostrottete. Es war die absolute Selbstsicherheit, mit der Arata sprach, die Aoi innehalten und wirklich darüber nachdenken ließ.

Er lief nicht mehr fort.

Es stimmte. Er hatte begonnen, sich mit den Gedanken auseinanderzusetzen, die ihm Angst einjagten. Veränderung. Liebe. Die Zukunft als großes, ungewisses Ganzes. Es waren keine schönen Gedanken, und er war weit davon entfernt, dass er zu einer Erkenntnis kam, mit der er zufrieden sein konnte. War das wirklich schon genug, um als Veränderung zu gelten?

Und wenn ja…

 

Was würde sie bringen?

 

Arata wurde langsam kleiner, während er den Weg entlanglief. Alleine. Aoi wollte zu ihm aufschließen. Selbst wenn es nur noch für ein paar Tage sein mochte. Oder Wochen. Er wusste, dass irgendwann der Tag kommen konnte, an dem sich ihre Pfade unabdingbar voneinander trennten. Sie würden neue Pfade finden, beeinflusst von zahllosen Dingen, die Aoi heute gar nicht einschätzen konnte. Freunde, Familie, Karriere.

Gefühle.

 

Vielleicht muss nicht jeder neue Weg ein einsamer sein.

 

„Arata!“

Er blieb stehen, drehte sich um. Aoi sah auf die Entfernung, dass sein Freund lächelte; er schien zu wissen, welche Antwort Aoi für sich gefunden hatte, obwohl er nichts gesagt hatte. Vielleicht hörte er es am Klang seiner Stimme. Unwillkürlich verzogen sich auch Aois Mundwinkel, während er zu Arata aufschloss.

Dass er sich ausgerechnet diesen Moment aussuchte, um die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen, war wie eine stumme Aufforderung, der Aoi nachkam, ohne darüber nachzudenken. Aratas Hand war warm an seiner.

 

Egal, wie viel Veränderung noch mit den Kirschblüten kommen würde, und egal, wohin all diese Veränderung führen würde. Die Zukunft lag in der Zukunft, unerreichbar und unvorhersehbar.

Heute wollte Aoi genießen, was er hatte. Ohne Angst davor, was morgen kommen könnte. Ohne Angst davor, wohin der neue Pfad führen mochte, den er einschlug.

 

„Ich liebe dich, Arata.“

 

„Ich weiß.“



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