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Der Junge im Bus

von

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Im Fieber

Es war schummrig im Krankenzimmer.

Stiles war neun Jahre alt und er und seine Mom waren ganz allein.
 

Die Maschinen neben ihrem Bett gaben unterbrochen diese Pieptöne von sich. Sie würden Moms Herz überwachen, hatte Scotts Mutter ihm erklärt und dass sie bedeuteten, dass Claudia Stilinski noch lebte.

Trotzdem machten die Töne Stiles nervös.
 

Seine Mom sah blass aus; die Haut trocken und pergamentartig. Sie sah überhaupt nicht mehr aus, wie sie selbst.

Da sei etwas in ihrem Kopf nicht in Ordnung, hatte sein Dad ihm erklärt und auch, dass die Ärzte es nicht reparieren könnten.

Sein Dad hatte ihm auch gesagt, dass seine Mom nicht wieder gesund werden würde.

Stiles verstand, was das bedeutete.
 

Und er verstand es wiederum nicht!
 

Stiles hatte früher einen Hamster gehabt, den er Charlie getauft hatte. Eines Morgens war er aufgewacht und wollte Charlie zum Spielen aus seinem Käfig herausholen, doch dieser hatte sich nicht mehr bewegt.

Der kleine Körper war ganz steif und eingefallen gewesen und das sonst so seidige Fell wirkte stumpf, ebenso, wie die kleinen, schwarzen Knopfaugen.
 

Natürlich war Stiles traurig gewesen, denn er hatte Charlie lieb gehabt.

Sie hatten das Tier dann in einer Keksdose im Garten beerdigt, mit Blumen und einem kleinen Holzkreuz unter der knorrigen Eiche. Mom und er hatten ein Lied für ihn gesungen und er hatte geweint, doch nach ein paar Wochen war es wieder gut gewesen.

Hamster starben eben.

So war das Leben!
 

Aber Moms nicht!
 

Nein, Moms durften nicht sterben und er, Stiles, würde das einfach nicht zulassen!
 

Er schlief ganz einfach nicht mehr. So einfach war das!

Er konnte nicht riskieren, morgens aufzuwachen und seine Mutter lag in diesem scheußlichen Krankenbett, mit steifem Körper und stumpfen Haaren und Augen. Schon zu blinzeln wagte Stiles kaum. Sein Blick haftete fest auf ihr, damit der Tod es nicht wagte, sich ihr zu nähern.
 

Und dann war es trotzdem passiert!

Aus den regelmäßigen Pieptönen wurde ein langgezogener Sirenenschrei und es gab am Ende doch rein gar nichts, was er dagegen hatte tun können.
 

Ärzte und Schwestern kamen hereingerannt, machten grelles Licht an und bearbeiten den Körper seiner Mutter.

Einer der Ärzte schrie ihn an:

„Was machst du denn noch hier, Junge? Sieh´ zu, dass du raus kommst!“

Und dann achtete niemand mehr auf ihn, bis irgendwann Melissa McCall kam, die Arme um ihn legte und sagte:

„Es tut mir so wahnsinnig leid, mein Kleiner!“
 

Derek erwachte mit wehen Knochen mitten in der Nacht. Ein ungewohntes Geräusch hatte ihn geweckt.
 

Was war es gewesen?
 

Er versuchte sich zu orientieren.
 

Da war es wieder und es klang wie ein Schluchzen und Jammern.

Mühsam rappelte er sich hoch und dann erinnerte er sich, warum er in diesem wahnsinnig unbequemen Ungetüm schlief, anstatt in seinem eigenen Bett.
 

Stiles!
 

Derek knipste die Nachttischlampe an und blickte auf den schlafenden Jungen in seinem Bett, der sich wimmernd wand und nach seiner `Mommy´ rief. Die verschwitzten Haare klebten an seiner Stirn und sein Gesicht war gerötet und tränennass:

„Hey Kleiner! Wach´ auf!“ sagte Derek und schüttelte ihn sanft.

Es dauerte eine Weile, ehe Stiles die Augen öffnete, doch wirklich ansprechbar erschien er dennoch nicht. Der Blick des Jüngeren war gehetzt und ängstlich und er atmete schwer.

Derek half ihm auf und versicherte:

„Es ist in Ordnung, Stiles! Du bist in Sicherheit!“ Dann schlug er vor: „Du und ich sollten vielleicht erst einmal mal ins Bad gehen, nun da du wach bist, oder?“

Stiles blickte ihn an, als sei diese Frage im Grunde zu schwer für ihn, doch dann nickte er schwerfällig.
 

Der Kranke erhob sich und ging auf wackligen Beinen, gestützt von Derek hinüber ins Badezimmer.
 

Kaum hatte Stiles die Wärme des Bettes verlassen, begann er zu zittern und mit den Zähnen zu klappern.
 

Derek verspürte keine große Lust, dem Jungen bei seinem Toilettengang zu assistieren, also fragte er:

„Kommst du hier klar?“

Stiles nickte und so ließ Derek ihn kurz allein, um in seinem Schrank nach einem Pyjama zu suchen, welcher Stiles passen könnte, denn T-Shirt und Boxershorts des Jungen waren beide klatschnass geschwitzt.
 

Nach einer Zeit, die ihm angemessen erschien, klopfte Derek an die Badezimmertür. Als er keine Antwort erhielt, trat er dennoch ein und fand Stiles vor, wie er kraftlos über dem Waschbecken hing.

Derek stützte ihn, damit er aufrecht stehen konnte und wollte wissen:

„Hast du…? Ich meine…?“

Er deutete ein wenig verlegen auf die Toilette.
 

Stiles schaute ihn fiebrig an und nickte:

„Gut!“ sagte Derek: „Ich habe hier etwas trockenes zum Anziehen für dich. Denkst du, du schaffst das allein?“

„Ja!“ behauptete Stiles krächzend.
 

Derek wollte die Nasszelle eben wieder verlassen, als er aus dem Augenwinkel erkannte, dass Stiles im Begriff war, zu fallen. Blitzschnell wandte er sich um und schaffte es gerade noch, den Jungen aufzufangen, ehe er der Länge nach hinschlug:

„Mensch Kleiner, was machst du denn!“ flüsterte er erschrocken, klappte den Klodeckel herunter und ließ Stiles dort Platz nehmen.
 

Er griff sich ein Handtuch vom Regal und trocknete zunächst einmal Stiles verschwitztes Haar, so gut es ging. Dann zog er ihm sein T-Shirt aus und erntete dafür einen erstaunten, müden Blick. Derek ignorierte ihn und versuchte, den schlaffen Körper in das Pyjamaoberteil zu manövrieren.
 

Dann kam der schwere Teil und zwar in mehr als einer Hinsicht. Derek zog Stiles wieder auf die Füße, machte sich selbst ein wenig Mut und zog dann dem im Grunde genommen wildfremden Kerl seine Boxershorts aus.

`Nicht darüber nachdenken, was er hier gerade tat!´ sagte er sich selbst, angelte nach der Pyjamahose und zog sie Stiles an.

Als das geschafft war, atmete Derek erleichtert aus.
 

Dann versuchte er, Stiles wieder dazu zu bewegen, ihm ins Schlafzimmer zu folgen, doch dem Patienten knickten immer wieder die Beine weg und so hob Derek ihn kurzerhand hoch und trug ihn hinüber.
 

Auch das Bett war feucht vom Schweiß, also legte er Stiles zunächst einmal in den Schlafsessel, zog das Bettlaken ab und stopfte es gemeinsam mit der Bettdecke, die zuvor zuunterst gelegen hatte und Stiles Kleidern in die Waschmaschine. Er kam mit einer neuen Bettdecke zurück, zog ein frisches Laken auf, verfrachtete den Kranken ins gemachte Bett und befand dann, dass Stiles etwas trinken müsse, nachdem er so viel Flüssigkeit verloren hatte und so holte er eine Flasche Fruchtsaft aus der Küche.

Jetzt war nur noch die Frage, wie Derek das Getränk am geschicktesten in den bewusstseinsgetrübten Jungen bekommen sollte.
 

Er hockte sich neben Stiles ins Bett, lehnte ein paar Kissen an die Wand, um es bequemer zu haben, setzte nun Stiles auf, legte einen Arm um ihn, lehnte den Patienten an seine Brust und nahm dann das Glas in die freie Hand.
 

Er war heilfroh, dass niemand ihm bei dem, was er gerade tat zuschaute und Stiles sich höchstwahrscheinlich an nichts erinnern würde, wenn er wieder gesund war. ER in der Rolle als Florence Nightingale? Das war sogar für Derek selbst schwer zu glauben:

„Du musst das hier jetzt trinken, Stiles!“ befahl er und setzte dem Kranken das Glas an die Lippen.
 

Stiles gab einen unzufriedenen Laut von sich, doch sein Krankenpfleger war unerbittlich und ließ seinen Patienten erst wieder in Ruhe, als dieser den gesamten Inhalt der Saftflasche intus hatte.

Erst dann erlaubte er ihm wieder, sich hinzulegen.
 

Eigentlich hatte Derek nun vor, wieder seinen Platz auf dem Schlafsessel einzunehmen, doch Stiles schien nicht die Absicht zu haben, ihn gehen lassen zu wollen. Als Derek versuchte, vorsichtig von ihm abzurücken, folgte ihm Stiles mit seinem Körper.

Wie es schien, fror der Kranke immer noch, denn er litt spürbar unter Schüttelfrost.

Vermutlich hatte er deswegen offenbar keineswegs die Absicht, die Wärmequelle, welche Dereks Körper in diesem Moment darstellte freiwillig freizugeben, sondern schlang jetzt sogar die Arme um ihn.
 

Derek seufzte.
 

Und was nun?
 

Er hätte sich natürlich gewaltsam losmachen können, doch was war die Alternative? Zurück in den unbequemen Schlafsessel?
 

Und er würde sich schon keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn er einem kranken, frierenden Jungen ein wenig Gesellschaft leistete!
 

Da war doch nichts dabei, richtig?
 

Derek blieb also, wo er war und war wenig später eingeschlafen.
 

Als er das nächste Mal von einem Seufzen und Stöhnen wach wurde, klang es, als würde Stiles dieses Mal von einem Fiebertraum der ganz anderen Art geplagt, doch sicher war Derek nicht.
 

Bis der Junge sich ein wenig weiter in Derek Umarmung drehte und dieser dann etwas an seiner Hüfte spürte, was seine Befürchtung in eine Gewissheit verwandelte.
 

VERDAMMT!
 

DAS DURFTE DOCH WOHL NICHT WAHR SEIN!
 

Dereks erster Impuls war es, den Jungen gewaltsam aus dem Schlaf zu reißen und anzubrüllen, was ihm wohl einfiele.
 

Stattdessen knipste er die Nachttischlampe an und blickte auf Stiles hinab.

Es war offensichtlich, dass dieser keine Ahnung, was gerade passierte. Er sah ganz harmlos und unschuldig aus, mit seinem jungen Gesicht und den vom Fieber rosigen Wangen.
 

Aus irgendeinem Grund plötzlich sanfter gestimmt, verlegte Derek sich nun einfach bloß noch darauf, mit seiner Hüfte von Stiles abzurücken und dann zu versuchen, weiterzuschlafen.
 

Bis ihm dies wirklich gelang, verging eine weitere Stunde.
 

Als Derek ein weiteres Mal erwachte, schien bereits die Morgensonne durch die Jalousien und Stiles, der ebenfalls wach war, blickte ratlos auf ihn herunter:

„Wieso bin ich in deinem Bett? Mit dir? Was ist denn hier passiert? “ fragte er leise und ratlos.
 

Derek richtete sich auf und war mit einem Satz aus dem Bett gesprungen:

„Nichts!“ erklärte er schnell: „Gar nichts! Ich hab nur...ich meine, du wolltest...“
 

Derek hatte absolut keine Ahnung, was er zu seiner Verteidigung vorbringen sollte und Stiles schaute ihn mit fragend hochgezogenen Augenbrauen an:

„Ich schwöre, ich habe dich nicht angerührt!“ flüsterte der Ältere schließlich erschrocken.
 

Stiles nahm unter Ächzen und Stöhnen eine sitzende Position ein, setzte ein müdes und dennoch schelmisches Grinsen auf und erwiderte:

„Du meinst sicher abgesehen davon, dass du mir die Kleider vom Leib gerissen hast, oder? Denn diesen Pyjama habe ich mir nicht selbst angezogen, soweit ich mich erinnere.“
 

Derek ließ den Kopf hängen und entlockte Stiles damit ein verschnupftes, kleines Kichern.
 

Und so berichtete Derek, wie es dazu gekommen war, dass sie beide im selben Bett geschlafen hatten, wobei ihn die ganze Zeit das Gefühl nicht losließ, dass er dich gerade rechtfertigte, ganz so, als habe er etwas Unrechtes getan.

Schließlich versicherte er sogar ein weiteres Mal, dass er Stiles ganz bestimmt nicht angerührt habe, doch dieser winkte leise lächelnd ab:

„Weiß ich doch!“ versicherte Stiles und fügt noch hinzu: „Mir tut es leid, dass ich offensichtlich so aufdringlich war und mich im Schlaf an dir festgekrallt habe. Aber ich schwöre, ich wusste nicht, was ich tat. Warum hast du mich denn nicht einfach auf dem Sofa schlafen lassen? Das wäre doch auch in Ordnung gewesen und mehr wollte ich doch gar nicht.“
 

„Du bist krank!“ erwiderte Derek empört: „Hätte ich dich allein etwa allein da drüben liegen lassen sollen und riskieren, dass du unbemerkt an deinem Fieber verreckst?“
 

Stiles war beinahe zu Tränen gerührt, über die Fürsorge dieses praktisch fremden Menschen:

„Danke!“ sagte er mit krächzender Stimme: „Weißt du eigentlich, was du für mich getan hast, Derek? Ich schätze, du hast mir wohl das Leben gerettet. Da draußen auf der Straße wäre ich heute Nacht mit Sicherheit draufgegangen! Ich weiß wirklich nicht, wie ich das jemals wieder gutmachen soll.“ Er ließ sich wieder in die Kissen zurücksinken: „Gott, ich fühle mich, als hätte mich ein Lastwagen überfahren. Aber ich sollte mich wohl schleunigst wieder auf den Weg machen. Erstens will ich dir nicht länger zur Last fallen und zweitens bringt das vielleicht meinen Kreislauf in Schwung.“
 

Der Kranke machte einen kläglichen Versuch, sich aus dem Bett zu erheben doch Derek drückte ihn energisch wieder zurück ins Bett und schimpfte:

„Bist du von allen guten Geistern verlassen! Du wirst in den nächsten Tagen NIRGENDWO hingehen, nur weil du dich heute morgen vielleicht ein kleines bisschen besser fühlst. Du bist noch längst nicht über den Berg! Der einzige Weg, den ich dir erlaube, ist der Umzug vom Bett auf´s Sofa, falls du das willst.“
 

Stiles blickte den Älteren sprachlos und überwältigt an:

„Und was ist, wenn ich dich anstecke?“ fragte er kleinlaut:

„Ich werde nicht krank!“ behauptete Derek mit dem Brustton der Überzeugung.
 

Als er einen Augenblick später verkündete, er werde jetzt noch einmal Fieber messen, blickte Stiles den Älteren ein wenig misstrauisch an, was in diesem eine Mischung aus Empörung und Belustigung hervorrief:

„IM OHR! Also mach dir keine Hoffnungen!“ erwiderte er kopfschüttelnd
 

Stiles errötete und Derek fragte sich ein klein wenig gehässig, ob dies der rechte Moment wäre, dem Jungen von seinem erotische Fiebertraum der letzten Nacht zu berichten, verzichtete dann allerdings darauf, aus Gründen der Menschlichkeit.
 

Stiles Temperatur lag heute Morgen bei achtunddreißig sieben- immer noch verflucht hoch:

„Und SO willst du auf die Straße?“ Murmelte Derek kopfschüttelnd: „Sag´ mir lieber, was du frühstücken willst!“

„Ich habe keinen Appetit!“ erwiderte Stiles:

„Danach habe ich nicht gefragt!“ grollte Derek: „Du siehst aus wie ein mahnender Aufruf der Organisation `Brot für die Welt´, also wirst du gefälligst irgendetwas essen. Die hast die Wahl zwischen Toast mit Erdnussbutter und Gelee, Haferbrei oder Rührei.“
 

Nicht nur den Worten, auch dem Tonfall und dem Gesichtsausdruck war deutlich zu entnehmen, dass ein `Nein Danke!´ als Antwort nicht durchging, also antwortete Stiles kleinlaut:

„Kann ich geriebenen Apfel zu meinem Haferbrei bekommen?“

„Kannst du!“ gab Derek zurück:

„Aber ich werde mir das selbst zubereiten. Sag´ mir nur, wo alles steht!“ sagte Stiles und war schon wieder im Begriff, aus dem Bett aufzustehen.

Derek drückte ihn nicht allzu sanft erneut zurück in die Kissen und fluchte:

„Sag´ mal, willst du mich böse machen? Du bleibst liegen, kapiert? Ich bin gleich wieder da.“
 

Stiles war gerade dabei, wieder einzudösen, als Derek mit seinem Frühstück zurückkam:

„Soll ich dich füttern, oder kriegst du das allein hin?“ wollte der Ältere wissen.
 

Stiles Augen weiteten sich entsetzt.

Das ging nun wirklich eine Spur zu weit! Er war doch kein verdammter Säugling mehr:

„Allein!“ erwiderte er bestimmt und nahm sein Kinderessen entgegen.
 

Unter dem strengen Blick von Derek auf dem Sessel neben dem Bett, begann Stiles sich seinen Brei einzuverleiben.

Es hätte sich nach seiner Ansicht hierbei auch um gesüßten Tapetenkleister handeln können, denn sein Geschmackssinn war durch die Grippe vollkommen außer Betrieb, doch das sagte er Derek nicht. Auch nicht, dass das Schlucken sich wie Tantalusqualen anfühlte, weil sein Hals eine offene Wunde und seine Lymphknoten tüchtig geschwollen waren, so dass sich selbst die Breispeise wie Stahlwolle anfühlte und der Saft des Apfels wie Batteriesäure.

Er aß artig auf und hatte anschließend das Gefühl, Schwerstarbeit geleistet zu haben:

„Willst du nun hier liegen bleiben und schlafen, oder dich mit mir ins Wohnzimmer setzten und ein bisschen fernsehen?“ Wollte Derek wissen.

„Fernsehen!“ bestimmte Stiles, erhob sich sehr langsam und behäbig und tapste los. Derek trug ihm seine beiden Decken hinterher und deckte ihn zu.
 

Stiles wusste vor Verlegenheit nicht, was er sagen sollte, schaute Derek lediglich mit riesigen Augen an und dieser zwinkerte ihm als Antwort zu.
 

Die beiden Männer verbrachten den Vormittag auf sehr unterschiedliche Weise. Zwar hockten beide an unterschiedlichen Enden desselben Sofas, doch während Stiles dalag wie der sterbende Schwan und sich mit der Fernbedienung durch die hundertachtzig zur Verfügung stehenden Kanäle zappte und gelegentlich mal bei einer spanischen Telenovela, einer Talkshow, oder einer Dauerwerbesendung hängenblieb, hatte Derek sich Kopfhörer auf die Ohren gezogen, über welche er zweifelsohne klassische Musik hörte, während er eine ledergebundene Ausgabe von Dostojewskies `Der Idiot´ las.
 

Irgendwann schlief Stiles einfach ein und als er wieder erwachte, war der Fernseher aus, Derek las noch immer und die Musik, die dieser zuvor über seinen Kopfhörer gehört hatte, erfüllte nun leise den Raum.

Es war Klassik, wie Stiles vermutet hatte, Klavier, ohne weitere Begleitung:

„Das ist schön!“ kommentierte Stiles heiser.
 

Derek blickte mit einem kleinen Lächeln von seinem Buch auf:

„Chopin! Die `Nocturnes´!“ erklärte er und las weiter.
 

Stiles schüttelte sein Kissen auf und legte sich dann so, dass er Derek anschauen konnte.

Zum ersten Mal, erlaubte er sich, sich etwas einzugestehen.
 

Derek war attraktiv!
 

Und das war eigentlich die Untertreibung des Jahrhunderts, denn in Wirklichkeit war er wohl der schönste Kerl war, den Stiles je gesehen hatte.

Außerdem war Derek lieb, wenn auch auf eine manchmal ziemlich griesgrämige Art und Weise.

Er mochte merkwürdige Sachen, wie alte Bücher und Filme und klassische Musik.
 

Und er kam Stiles sehr einsam vor, auch wenn er dies an nichts wirklich festmachen konnte.

Es war nur so ein Gefühl.
 

Stiles wusste, dass er möglicherweise einfach nur die Dankbarkeit gegenüber seinem Retter mit etwas anderem verwechselte, doch einen flüchtigen Moment lang hatte er das Gefühl, dass er sich früher oder später in Derek verlieben könnte.
 

Dieser Gedanke erschreckte Stiles so sehr, dass er ihn schnell wieder hinter der kleinen Tür in seinem Geiste verbarg, aus der er gekommen war. Nein, es waren nur die schwermütige Musik und sein körperlicher Zustand, welche ihm solche Gedanken eingaben. Er schüttelte sich, um sie loszuwerden.
 

Stattdessen fragte er Derek:

„Sag´ mal, warum machst du das eigentlich alles für mich. Seit wir uns begegnet sind, tust du nichts anderes, als mich permanent zu retten. Wieso?“

Derek blickte auf und sah ratlos aus:

„Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll, Stiles.“ Erwiderte er: „Du hast Hilfe gebraucht, ich konnte helfen: So einfach ist das!“
 

`Nichts Persönliches also!´ dachte Stiles ein klein wenig verletzt. `Einfach nur einer von diesen Gutmenschen, die jedes verletzte Kätzchen aufpeppelten.´
 

Er rollte sich traurig zusammen und war bald darauf wieder eingeschlafen.
 

Derek blickte den Jungen noch eine Weile nachdenklich an.

Irgendetwas war ihm gerade entgangen, auch wenn er keinen Schimmer hatte, was das sein mochte.
 

Am frühen Abend begann sich Stiles Zustand wieder zu verschlechtern. Er zappelte, murmelte und weinte im Schlaf und als Derek die Temperatur des Jungen überprüfte, stellte er entsetzt fest, dass das Fieber sich bedenklich der Vierziggradmarke näherte. Er musste jetzt etwas unternehmen, doch natürlich hatte er keine Medikamente im Haus, denn sie wirkten bei ihm ja nicht und brauchen tat er sie ebensowenig. Rausgehen und etwas besorgen mochte er allerdings auch nicht, weil er Stiles in diesem Zustand nicht allein lassen wollte und so tat er das eigentlich Unfassbare und griff nach seinem Handy:
 

„Wer stört?“ knurrte Peter atemlos ins Telefon:

„Du musst mir helfen und für mich in die Apotheke gehen!“ erwiderte Derek:

„Ich glaube kaum, dass ich das muss.“ erwiderte Peter barsch: „Ich habe zu tun und lege jetzt auf!“
 

Derek wusste genau, was sein Onkel zu tun hatte, so wie er schnaufte:

„O.K. Peter! Bring es für dich und sie...oder ihn...oder wer auch immer gerade bei dir ist, zu einem schnellen, glücklichen Abschluss und dann setz` deinen Hintern in Bewegung und besorge mir aus der Apotheke etwas Fiebersenkendes und alles was sie gegen Erkältung da haben.“
 

Schweigen in der Leitung.
 

Dann wollte Peter wissen:

„Wozu brauchst du das? Hat sich dein kleiner Stricher `nen Schnupfen eingefangen, oder was ist los?“
 

Derek knurrte böse:

„Stiles ist kein Stricher, verdammt! Hör´ auf , ihn so zu nennen! Er ist...er ist noch Jungfrau, verdammt nochmal! Also, was ist nun? Machst du es?“
 

„Eine Jungfrau in Nöten also, wie? Na das ist etwas anderes. In einer Dreiviertelstunde bin ich da!“ erwiderte sein Onkel kichernd:
 

„PETER!“ sagte Derek scharf: „Es geht hier nicht darum, dass du den Jungen in die Geheimnisse des bedeutungslosen Quickies einführst, sondern darum das er nicht stirbt. Verstehst du, was ich sage?“
 

„Laut und deutlich!“ schmollte Peter: „Du gönnst mir aber auch nicht den kleinsten Spaß. Wir sehen uns später!“
 

Ein Tuten in der Leitung verriet Derek, dass Peter aufgelegt hatte; zweifellos, um in aller Ruhe erst einmal die schäbige Nummer fortzusetzen, während der er gerade so unhöflich unterbrochen worden war.
 

Derek schüttelte sich!
 

Dann bemühte er eine Internetsuchmaschine mit der Frage, wie er Stiles Fieber mit den Mitteln senken konnte, die er im Augenblick zu Hand hatte. Er entschied sich, Wadenwickel auszuprobieren.

Stiles murrte unzufrieden, als er Bekanntschaft mit dem kalten Wasser machte, doch hier ließ Derek nicht mit sich verhandeln.

Hernach ließ Derek Stiles noch lauwarmes Wasser trinken, um Dehydrierung vorzubeugen und Stiles erhielt ein kühles Tuch auf die Stirn.
 

In seinem Fieber und der Erschöpfung sah sein Patient sehr jung aus. Beinahe konnte man das Kind erahnen, das er einmal gewesen sein musste.

Ohne darüber nachzudenken, begann Derek dem Jungen sacht die Wange zu streicheln.
 

Er fragte sich, was in ihn gefahren war, als er sich selbst dabei ertappte.
 

Endlich klingelte es.
 

Peter platzte in die Stille, wie eine Dampfwalze, warf einen Blick auf den kranken Stiles und macht:

„Uagh! Sieht aus, wie etwas, dass die Katze angeschleppt hat und dann lieber doch nicht fressen wollte. Der ist ja total verrotzt! Das sind definitiv nicht die Körperflüssigkeiten, auf die ICH es abgesehen habe.“
 

„Shht!“ machte Derek ärgerlich: „Er schläft! Also poltere hier nicht so herum. Was hast du mitgebracht?“
 

Peter bewarf Derek mit einer Packung Aspirin mit dem Kommentar:

„Fiebersenkend! So wie er aussieht, gibst du ihm am besten gleich drei Stück.“

Dann packte Peter noch einen Haufen anderes Zeug aus: Hustensaft, Nasentropfen, irgendwelche Tabletten, Kapseln und Tinkturen und aus einem unerfindlichen Grund auch Zwiebeln, Honig und Zitronen.
 

Mit dem Kinn auf Stiles deutend wollte Peter wissen:

„Sag mal, was treibst du hier eigentlich? Was willst du von dem Jungen? Wieso hilfst du ihm? Wenn es hier nicht darum geht, ihn flachzulegen, was soll das Ganze dann?“
 

Derek fuhr hoch und knurrte:

„Typisch für dich Peter! Du beurteilst Menschen nach ihrem Gebrauchswert. Was sollte ich denn deiner Meinung nach tun? Ihn nach draußen bringen, wie Müll und auf der Straße verrecken lassen?“
 

Ja, Derek war wütend, doch im Grunde war die Frage seines Onkels berechtigt. Warum tat er das alles für diesen Fremden?
 

Er hatte keine wirkliche, wahrhaftige Antwort darauf.



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