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Written in the Scars (of Our Hearts)

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen!

Ich hoffe, ihr habt Zeit mitgebracht ;)

Viel Spaß mit dem nächsten Kapitel, dass so einige Überraschungen mit sich bringt! xD

LG
yezz Komplett anzeigen

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Prince and the Pauper

Byakuya fühlte sich mehr albern, als ‚inkognito‘. Dennoch musste er zugeben, dass Eishirō Kleidung ausgewählt hatte, in dem normalerweise noch nicht einmal ein toter Kuchiki entdeckt werden würde. Byakuya war sich noch nicht einmal sicher, aus welchem Material sein schlechtsitzendes Outfit gemacht worden war – Baumwolle vielleicht oder Hanf? Es war auf jeden Fall keine Seide. Der Schnitt und die Farbe konnte man einfach als geschmacklos bezeichnen und es war mindestens eine Nummer zu groß für ihn. Senbonzakura hing an seiner Seite, befestigt mit nicht mehr als einer dicken Kordel.
 

Der Reiseumhang mit Kapuze war allerdings ziemlich angenehm. Er war aus einer Art Öltuch und es fühlte sich warm und schützend an, vielleicht sogar wie eine leichte Rüstung.
 

„Glaubst du nicht, dass das zu auffällig ist?“, fragte Byakuya Eishirō, als sie das Anwesen über den Hintereingang verließen. Die Diener mussten zweimal hingucken, als sie an ihnen vorbeigingen.
 

„Nein“, sagte Eishirō. „Sie tragen eine Waffe. Ich musste sicherstellen, dass sie wie eine der Personen aussehen, die ihr weniges Geld in wichtige Dinge steckten: Guter Stahl und ein angenehmer, Allwetterumhang. Außerdem bezieht ihr Haushalt sie für ihre Gefolgsmänner. Es sieht nicht seltsam aus, wenn ich mit einem bewaffneten Bodyguard der Kuchiki reise.“
 

Es war offensichtlich, dass Eishirō das Ganze durchdacht hatte. Byakuya schob seine Haare aus seinem Gesicht und sagte: „Also gut.“
 

Eishirō blickte zu Byakuya und runzelte die Stirn, als er das Tor zur Handelsstraße öffnete. „Reden sie nur nicht so viel, in Ordnung, mein Herr? Machen sie ihre stille Nummer, ja?“
 

„‘Stille Nummer‘?“, spottete Byakuya. „Es ist keine ‚Nummer‘. Ich bin… von Natur aus nachdenklich. Und du solltest die Höflichkeitsformen sein lassen.“
 

„Ja, me…“, Eishirō unterbrach sich rechtzeitig. „Wie soll ich euch nennen?“
 

Sie gingen die Straßen der Seireitei entlang. Niemand schaute sie genauer, als mit einem umherschweifenden Blick an, als sie aus dem Hintereingang des Anwesens getreten waren. Die Straßen waren gefüllt mit dem frühen Abendverkehr. Karren rumpelten auf dem Pflasterstein. Einige Shinigami der 6. Division gingen mit einem kurzen Nicken an Eishirō vorbei. Ihre Blicke glitten kurz neugierig über Byakuya, doch sie erkannten offensichtlich ihren Kommandanten nicht, da sein Gesicht und Senbonzakura fast komplett versteckt waren. Sobald sie weg waren, spürte Byakuya, wie er durch eine seltsame Art von Stolz, dass man ihn nicht erkannt hatte, errötete. „Erinnerst du dich an den Namen, den wir nutzten, als ich jünger war?“
 

„Natürlich, mein Herr“, sagte Eishirō. Dann bemerkte er seinen Fehler und fing noch einmal von vorne an. „Ich meine, natürlich, Yuka.“
 

Die dümmliche Umkehrung des Mittelteils seines Namens ließ Byakuya lachen. Er war nicht sonderlich schlau oder erfinderisch in seiner Jugend gewesen, doch der Deckname war einfach und einprägsam genug gewesen, um im Kopf zu bleiben.
 

Als Eishirō sich nach Norden wandte und sie sich ihren Weg durch enge Straßen in Richtung des Tores der schwarzen Tiefe schlängelten, fragte sich Byakuya wieder über die Natur von Eishirōs Botengang. „Gehen wir in den nördlichen 1. Distrikt?“
 

„Das tun wir“, bestätigte Eishirō.
 

Byakuya unterdrückte ein Lachen. „Dieser Freund erwartet viel von dir. Es wird bis Einbruch der Dunkelheit dauern, bis wir überhaupt das Tor erreicht haben.“
 

Außerdem mussten sie das Territorium von Kenpachi durchqueren, welches, sobald die Sonne unterging, immer mehr zu einem groben Partydistrikt verkam.
 

„Vielleicht würde der junge Herr bevorzugen, mit der Sänfte zu reisen?“
 

„Der junge Herr würde Blitzschritt bevorzugen“, antwortete Byakuya in einem ebenso trockenen, aufziehenden Ton. „Muss ich dich daran erinnern? Ich bin jetzt ein erwachsener Mann. Ich könnte dich ohne Probleme tragen, Eishirō. Wir könnten in ein paar Augenblicken dort sein.“
 

„Und doch habe ich irgendwie nicht das Verlangen danach, Höchstgeschwindigkeiten zu erleben, wenn ich wie ein Sack Reis über eure Schultern geworfen wurde, Yuka“, sagte Eishirō.
 

„Würdest du bevorzugen, an meiner Brust zu liegen, wie ein Liebhaber?“, lächelte Byakuya.
 

„Sie können Vizekommandant Abarai tragen?“
 

Sie betraten den Rand des Gebietes um die 11. Division herum. Izakaya-Personal rollte Fässer mit Sake heraus und staubte die Sitze der Veranden ab, um sich auf die bevorstehende, erhöhte Aktivität in der Nacht vorzubereiten. Die Atmosphäre glich tatsächlich der einer Festivität, obwohl es noch nicht einmal Wochenende war. Essensstände wurden an der Straße aufgebaut und der Geruch von billigem, frittiertem Essen erfüllte die Luft. „Renji wiegt mindestens 15 Kilogramm mehr als ich. Außerdem hat er eine plumpe Größe. Es wäre schwierig, ihn so zu tragen. Ich dachte eher an Hisana. Du bist mehr ihre Größe, wenn überhaupt.“
 

„Seien sie gerecht“, sagte Eishirō mit einem Zungeschnalzen, klang dabei gekränkt. Er breitete eine Hand auf seiner gut gebauten Brust aus, über die schwarze Seide seines Bediensteten Kimonos. „Ich habe eine durchschnittliche Größe für einen Mann. Es ist nicht meine Schuld, dass ihr so groß geworden seid.“
 

„Sicher ist es das. Du warst dafür verantwortlich, mir zu essen zu geben“, sagte Byakuya. „Meine Größe ist vollkommen deine Schuld.“
 

Eishirō lächelte warm. „Ich denke, dann habe ich alles richtig gemacht. Sie sind gut genug geraten.“
 

War er das? Byakuya runzelte die Stirn, dachte über die Worte nach, die er mit Soi Fon ausgetauscht hatte. War es ihr ernst damit, dass sie ein Gefängnis für ihn hatte bauen lassen? Worauf stützte sich so etwas? Scham färbte seine Wangen, die zum Glück unter der Kapuze des Umhangs versteckt lagen, als er die Möglichkeiten durchging. War die Geschichte über den Unfall mit seinem jungen Liebhaber über die Familie hinausgegangen? Was war mit Senkei Senbonzakura Kageyoshi und dem Mann, dem er geschworen hatte, mit eigenen Händen zu töten? Waren die Neuigkeiten über diese weniger… kontrollierten Momente auf Reisen gegangen? Hatten sie ihm interne Feinde gemacht, die Byakuya bisher nicht realisiert hatte? Vielleicht gepaart mit der Tendenz zum Trotz gegenüber seiner Familie und Traditionen…
 

Ah, diese zerschmetternde Ironie. Er hatte sein ganzes Leben dafür gearbeitet, der perfekte, gesetzestreue, adlige Shinigami zu sein, nur um zu erkennen, dass er niemanden außer sich selbst damit geblendet hatte.
 

Und dann war das Soi Fons letzte Drohung. Es war schmerzhaft klar geworden, dass Byakuya keine Kontrolle über die Bestie hatte, die tief in seiner eigenen Seele wütete. Daran zu denken, dass er einmal Renji ermahnt hatte, seine Dämonen nicht ausreichend im Griff zu haben. Byakuya hatte ganz offensichtlich keinen von seinen eigenen gemeistert.
 

„Ich bitte vielmals um Verzeihung“, ertönte Eishirōs Stimme, ungewöhnlich scheu und unsicher, zerriss Byakuyas dunkle Gedanken. „Ich sollte mich nicht erdreisten, mir anzurechnen, was für ein Mann sie geworden sind…“
 

„Unsinn“, sagte Byakuya und winkte ab, um das Missverständnis zu verbannen. „Du kannst mit Sicherheit Anspruch auf alles Gute in meinem Herzen erheben. Du und mein Vater waren meine ersten Tutoren und ihr habt mir alles darüber beigebracht, ein Gentleman zu sein.“ Was er natürlich nicht sagte war, dass Byakuyas Großvater vermutlich für den ‚adligen Byakuya‘ der er geworden war, verantwortlich war. Der, wie es scheint, alles andere als ein sanfter Mann war. „Ich habe nur an die Situationen gedacht, an denen ich daran gescheitert bin, deinen Anleitungen gerecht zu werden.“
 

Man musste Eishirō anrechnen, dass er noch nicht einmal versucht hatte, Byakuya dazu zu bringen, einen Fehler zu leugnen. Er nickte nur unverbindlich.
 

Sie gingen still nebeneinander her, durch die chaotischen Straßen. Die Mauern, die die Baracken der Elften umgaben, waren vor ihnen sichtbar. Ihre großen, groben Tore waren für den Tag geschlossen. Doch früh genug schwangen sie auf, entließen ihre marodierende, barbarische Horde. Zumindest die Nachbarschaft, schien sich über diesen Anblick zu freuen. Entlang der Straße waren überall Laternen angezündet und ‚geöffnet‘-Schilder herausgehangen. Kenpachis eigene, kleine, seltsame Wirtschaft, dachte Byakuya. Er beobachtete, wie die Essenshändler fröhlich die Gastwirte begrüßten, ganz klar begeistert von dem potenziellen Profit, den man dank der betrunkenen Prasserei erwirtschaften konnte.
 

„Bist du sicher, dass du mir nicht erlaubst, dich zu tragen?“, fragte Byakuya Eishirō.
 

„Versuche den Abend zu genießen, Yuka“, sagte Eishirō mit einem Lächeln und einer sanften Ermahnung.
 

„Geduld“, sagte Byakuya. „War niemals eine meiner besten Seiten. Besonders nicht, wenn eine sinnvolle Lösung verfügbar ist.“
 

„Ein Spaziergang am Abend ist kein Problem, das gelöst werden muss, junger Herr.“
 

Byakuya schnitt eine Grimasse, fühlte sich viel zu sehr wie das Kind, das er einmal war. „Ja, Shiyōnin-sama.“
 

Eishirō blickte scharf zu Byakuya hoch, doch schüttelte dann liebevoll den Kopf. „Es macht auch keinen Sinn, früher anzukommen. Der Horishi erwartet mich erst spät.“
 

Horishi? Byakuya stoppte seine Schritte. „Du denkst doch nicht darüber nach, dir ein Tattoo stechen zu lassen, oder Eishirō?“
 

Eishirō drehte sich zu Byakuya um, der auf dem Fußweg stehen geblieben war. Er blinzelte und hatte einen schuldbewussten Blick. „Oh, ich… Habe ich das laut ausgesprochen?“
 

„Das hast du.“
 

Byakuya wartete, während Eishirō abzuwägen schien, was er sagen sollte. „Oh, ähm…“, begann Eishirō und atmete dann ein, als würde er ins Wasser springen. „Keine Tattoos für mich. Ich überbringe nur die Bezahlung für den Horishi von jemanden anderem.“
 

Jemand anderes? Byakuya setzte sich wieder seufzend in Bewegung. „Renji“, vermutete Byakuya. „Es muss Renji sein. Wo um alles in der Welt hat er Platz für neue Tattoos gefunden?“
 

„Ich bin mir nicht sicher, mein Herr. Er hat sie mir nicht gezeigt“, sagte Eishirō. Als Byakuya wieder auf gleicher Höhe war, blickte Eishirō ihn interessiert an. „Sie sind nicht sauer?“
 

„Das Renji dich nach einem Botengang fragt? Oder dass er offensichtlich seine Rechnungen und Schulden vernachlässigt?“ fragte Byakuya mit einem leichten Achselzucken. „Ich finde nichts davon besonders überraschend. Aber ich wundere mich ein wenig über einen Tätowierer, der auf Rechnung arbeitet, doch Renjis Ruf ist solide genug, denke ich. Es ist nicht, als wäre er arbeitslos.“
 

„Ah ja, nun ja… Der Vizekommandant hat einen Pfand zurückgelassen“, sagte Eishirō, sein Blick glitt von Byakuya weg.
 

„Tatsächlich?“
 

Eishirō hustete.
 

Kein weiteres Wort war notwendig, Byakuya wusste es. Dieser rothaarige Idiot hatte die Halskette mit dem Kenseikan-Splitter zurückgelassen. „Mein Zeichen der Liebe“, sagte Byakuya dünn mit einem Kopfschütteln. „Ich verstehe. Ich werde ihn vielleicht doch töten müssen.“
 

Byakuya versuchte ruhig zu sprechen, ohne Zorn, doch Eishirō sog scharf die Luft ein. „Bitte, mein Herr. Ich bin mir sicher, dass es ein Fehler war. Als er zu mir kam, war er sehr verzweifelt, es zurückzubekommen.“
 

„Oh, ich bin mir sicher, dass er das war.“
 

Eishirō machte einen nervösen, kleinen Laut, offensichtlich bewusst, wie zornig Byakuya war und wie sehr es unter der Oberfläche brodelte. Unbewusst zogen Strudel seines Reiatsu an seinem Umhang. Wie konnte er nur? Wie konnte Renji so etwas Wertvolles und Persönliches eintauschen gegen etwas so Dummes und… nur Dummes.
 

Ihm fehlten die Worte. Byakuya war so sauer, dass er kaum noch gerade denken konnte.
 

Eishirō stolperte.
 

Für einen Moment registrierte Byakuya nicht, was passiert war. Dann nahm er mit Mühe das Reiatsu zurück, das drohte, die Dachziegeln hinunterzurütteln. Er hielt an, um Eishirō zurück auf die Füße zu helfen.
 

Hinter ihnen ertönte das knarzende Geräusch von Toren, die geöffnet wurden, gefolgt von dem johlenden Jubel der Elften, während sie sich in der Nachbarschaft verteilten, um ihre abendlichen Aktivitäten zu beginnen. Sobald Eishirō wieder sicher auf den Beinen und der Staub abgeklopft war, nahm Byakuya das Tempo auf. Das Letzte, was er im Moment wollte, war von feiernden Schlägern der Elften umgeben zu sein. Er wandte sich um, um zu den ausströmenden Raufbolden zu blicken und keifte zornig. „Ich mache denen Vorwürfe, das tue ich. In dieser Nacht wollte Renji nicht bei mir und Rukia bleiben. Er musste wegrennen und mit diesen jämmerlichen, früheren Kameraden zusammen sein, vermutlich auf einem Saufgelage. Was sollte ich erwarten? Diese Leute bringen immer sein Schlimmstes zum Vorschein.“
 

„Oh, nein“, sagte Eishirō leise. „Ich bin mir sehr sicher, dass das Wegrennen meine Schuld war.“
 

„Erfinde keine Entschuldigungen für ihn“, schnaubte Byakuya.
 

„Das mache ich nicht“, Eishirō trottete schon fast, um mit Byakuyas gesteigertem Tempo mithalten zu können. „Ich habe ihn an diesem Abend aufgebracht. Ich weiß, dass ich das getan habe.“
 

„Wie? Wie könnte etwas, dass du sagst ein Unterschied zwischen tobender Idiotie und einem gedankenlosen Tier machen?“, Byakuya hielt an, damit Eishirō aufholen konnte und atmete mehrmals tief ein, um sich unter Kontrolle zu halten. Es war schwer. Staub wirbelte um seine Füße herum, trotz seiner Anstrengungen.
 

„Die Tante Masama“, sagte Eishirō, etwas außer Atem und er sah aus, als wäre er kurz davor, wieder in die Knie zu gehen. „Sie hat mich beauftragt, ein Reinigungsritual vorzubereiten. Da das Personal dabei nie zurückhängt, konnte ich mir vorstellen, für wen sie es gedacht hatte – besonders wenn man bedenkt, dass sie gerade von euch beiden gehört hatte. Als ich es im Vorbeigehen an diesem Abend erwähnte, schien es, als hätte Vizekommandant Abarai noch nie von dem Ritual gehört. Ich wollte nichts Falsches sagen. Ich dachte, er würde seine Fragen an euch richten, sie sind in einer viel besseren Position, um die Dinge angemessen zu erklären. Doch es scheint, als wäre er stattdessen weggelaufen.“
 

Ein Bild begann sich in Byakuyas Kopf zusammenzusetzen. Er war sich nicht sicher, ob all das Sinn ergab, doch er konnte sich vorstellen, dass es Renji geschmerzt hatte, zu erfahren, dass er in Tante Masamas Augen nicht ‚rein genug‘ genug war. Jeder konnte sich verletzt fühlen von ‚schmutzigen‘ Andeutungen in solch einer Sache, doch Renji… er hatte immer so viele Aspekte.
 

„Ich wünschte, er würde mit mir reden“, sagte Byakuya durch zusammengebissene Zähne, doch er spürte, dass der Großteil seines Ärgers schwand. „Bevor er solch lächerliche, idiotische Dinge tat, wie mein Zeichen der Liebe am ersten Abend wegzugeben, an dem ich es ihm gegeben habe.“
 

Eishirō nickte wortlos.
 

Sie gingen nun langsamer weiter Richtung nördliches Tor. Sie konnten den Kopf und den breiten Rücken des dunkelhäutigen Riesen Danzōmaru sehen, der das Tor bewachte und von weitem über den Dächern herausragte. Das Licht schwand, doch blockartige Streifen von Tribaltattoos waren auf den Kopf des Riesen erkennbar, was Byakuya an Renji erinnerte. „Ich verstehe ihn nicht“, gestand Byakuya, kämpfte immer noch damit, nicht zornig zu sein. „Er hat von dem Ritual erfahren und was entschieden? Dass er sich noch weitere Zeichen seiner niederen Herkunft zulegen musste und dafür meinen Kenseikan ausgeben muss?“
 

„Möglich“, sagte Eishirō. „Er ist sehr stolz.“
 

„Stolz?“, Byakuya hatte in diesem Moment viele Worte in seinem Kopf, um Renji zu beschreiben. Doch Stolz war keines davon.
 

Sie hatten fast das Ende der Straße erreicht. Hinter dem Tor konnte Byakuya die weiten Ausläufer des ‚Niemandslandes‘ sehen, dass den Rukongai von der Seireitei trennte. Der Riese nickte ihnen zu, als sie seine bergartige Form passierten. „Vielleicht ist Stolz nicht das richtige Wort“, sagte Eishirō. „Aber er ist sich immer dem sehr… bewusst, woher er gekommen ist und was es alles… gekostet hat. Herauszufinden, dass er immer noch nicht gut genug war, ließ ihn vielleicht… Nun ja, natürlich kann ich es nicht genau sagen, aber vielleicht ist er zu etwas zurückgekehrt, dass er kannte, von dem er wusste, dass er nicht scheitern könnte.“
 

Als sie in den Rukongai traten, konnte Byakuya das leichte Kitzeln auf seiner Haut spüren, als sie durch die Kidō-Barriere gingen. Eishirō hatte nichts über Renji gesagt, was Byakuya nicht bereits kannte, wenn er darüber nachdachte, doch der Hausverwalter hatte die Dinge in einer Weise ausgedrückt, die alles irgendwie klarer machte.
 

Verdammt. Es war unmöglich, im Licht solcher Plausibilität wütend zu bleiben. Byakuya ließ das meiste seines Ärgers mit einem Seufzen los.
 

„Bist du schon immer so lästig weise?“, fragte Byakuya nachdem sie eine Weile weitergegangen waren.
 

Eishirō lächelte nüchtern und beugte seinen Kopf. „Nein, mein Herr. Heute ist nur ein besonders guter Tag. Vielleicht haben die Sterne eine günstige Position.“
 

Tatsächlich würde es ein Wunder benötigen, um Renjis Denkweise zu entwirren. Auch wenn Byakuya glaubte, dass er den Impuls dank Eishirō verstehen konnte, würde er mit Renji immer noch ein paar ausgewählte Worte wechseln müssen. Es half dabei nicht, dass Byakuya wusste, dass Renji den Kenseikan hasste. Er hatte gehofft, dass Renji verstand, wie wichtig es war, wie wertvoll… Wertvoller als die beinhaltenden Teile von Jade und Knochen. Aber nein. Selbst es zum Symbol von Byakuyas Liebe und Hingabe zu machen, hatte Renji nichts bedeutet. Offensichtlich hatte er es bei der ersten Gelegenheit zur Seite geschoben.
 

Bloß Stunden später.
 

Er sei trotzdem verdammt.
 

Viele der Fensterläden der kleinen Stadthäuser im Rukongai waren für den Abend zugezogen, ihre Geschäfte hatten geschlossen und die Häuser waren fest verschlossen. So nah zu dem Tor blieben aber noch einige Geschäfte offen in der Hoffnung, Kunden von der anderen Seite der Mauer anzuziehen. Das hervorstechendste Stadthaus hatte Lattenwerk, das in einem dunklen Zinnoberrot angemalt war, was es als ein Okiya, einem Haus für Orian-Lehrlinge, auswies.
 

Daneben war ein Teehaus, sein Name war gut lesbar an der Front angebracht: „Teehaus am Tor der Schwarzen Tiefen“. Vom kärglichen Vorgarten her und vom Vorhang, der den Eingang verdunkelte wusste Byakuya jedoch, dass dort kein Tee serviert wurde.
 

Stattdessen stand eine junge Schülerin in einem strahlend goldenen und roten Kimono draußen. Ihre Haare waren aufwendig gemacht und mit Glasperlen geschmückt, deren Farben mit der untergehenden Sonne konkurrierten. Ihr Gesicht war angemalt, um ihre blasse Haut und dunklen Augen zu betonen. Sie lächelte sie höflich an, als sie vorbeigingen, blickte ihnen aber absichtlich nicht in die Augen.
 

Byakuya grunzte bei ihrem Anblick. „Renji hasst die Teehäuser, wusstest du das?“
 

„Nein, das wusste ich nicht“, sagte Eishirō, doch Byakuya bemerkte, dass der Hausverwalter seine Augen abwandte und sichtlich angespannt war, als sie an dem Laden vorbeigingen.
 

„Du ebenfalls?“
 

Eishirō sah aus, als habe man ihn erwischt. Seine Augen wurden weit und sein Mund arbeitete, doch er wusste ganz offensichtlich nicht, was er sagen sollte. „Ah, schauen sie. Wir sind fast dort. Ich sehe den Tattooladen direkt dort drüben.“
 

Byakuya runzelte die Stirn und blickte zurück über die Schulter zu dem Orian-Lehrling an der Tür des Teeladens. Sie hieß eine Gruppe von Shinigami mit grazilen Verbeugungen willkommen. „Ist es der Profit, den wir machen? Oder findest du etwas an ihnen geschmacklos?“
 

„Es ist nicht mein Platz, das zu kommentieren, mein Herr“, sagte Eishirō.
 

„Ist es, wenn ich dich frage“, bemerkte Byakuya.
 

Eishirō schüttelte seinen Kopf. „Meine Meinung ist in diesem Fall bedeutungslos. Ich bin verantwortlich für ihren Haushalt, nicht für ihre Geschäfte.“
 

„Ich verstehe“, sagte Byakuya, ließ die Angelegenheit auf sich beruhen. Immerhin war es klar, dass Eishirō Angst hatte, ihn in irgendeiner Weise vor den Kopf zu stoßen. Zudem war es deutlich geworden, dass auch der Hausverwalter rätselhafte Probleme mit dem Interesse der Kuchiki an den Teehäusern hatte. Vielleicht war es ganz gut, dass Byakuya sie dem 3. Offizier Miisho angeboten hatte.
 

Byakuya lenkte seine Aufmerksamkeit zum Tätowierer. Er war offensichtlich perfekt positioniert, denn der Laden stand zwischen dem Teehaus und einem Akachōchin, einer Kneipe mit roten Laternen. Es war eine Abfolge von Geldverprasserei, doch kein respektables Teehaus würde frisch tätowierten Betrunkenen erlauben, ihre Eingangshallen zu verdunkeln.
 

War es das? Die mögliche Gefahr für die Frauen, die in den Teehäusern arbeiteten? Bevor sie gingen, würde Byakuya dort vorbeischauen und sicher gehen, dass dort eine angemessene Anzahl an Bodyguards vorhanden war. Nebenbei wäre es eine exzellente Quelle für Gerüchte. Wie er von Hisana wusste, wussten Orian sehr viel, viel mehr als ein Durchschnittsbürger, von der lokalen Politik.
 

Die Zeichen auf einem Schild vor dem Laden des Horishi wiesen ihn als traditionell ausgebildet aus. Ein weiteres Schild am Fenster machte mehr als deutlich, dass die Arbeit im Voraus bezahlt werden muss. Als er das sah, schüttelte Byakuya seinen Kopf. Renji musste den Horishi wirklich umgarnt haben, bis er oder sie den Verstand verloren hatte.
 

Eishirō und Byakuya wurden an der Tür von einer schlanken Frau begrüßt, deren eine Gesichtshälfte ein verschlungenes Tattoo zierte, das sich ihren langen, eleganten Hals hinunterschlängelte und in dem Kragen ihres einfachen, ungefärbten Shitage verschwand. Die feinen Knochen ihres Gesichts wurden von den schwarzen, stacheligen Haaren betont. Die Kurven ihres Tattoos, dunkle Haare und scharfe, wütende Gesichtszüge erinnerten Byakuya viel zu sehr an einen bestimmten, verstobenen Shiba-Vizekommandanten und sein verdammtes Familienwappen. War sie denn überall, diese geächtete Adelsfamilie? Existierten sie bloß, um Byakuya zu verspotten und zu nerven?
 

Sie blickte ebenfalls nur einmal auf den Umhang aus Öltuch und murmelte mit gleichem Spott: „Kuchiki.“
 

Eishirō blickte zwischen ihnen hin und her, doch nachdem er sich räusperte, holte er einen Geldbeutel aus einer versteckten Tasche seines Kimonos. „Ich bin gekommen, um Vizekommandant Abarais Schulden zu begleichen und den Gegenstand abzuholen, welchen er versehentlich zurückgelassen hat. Ich habe verstanden, sie haben eine Abmachung getroffen?“
 

Die Horishi blickte Eishirō noch nicht einmal an. Ihr Blick klebte förmlich an Byakuya. Er dachte, dass es vielleicht eine Diskussion geben könnte oder die Forderung nach einer höheren Bezahlung, doch nach einem langen, angespannten Moment, zuckte sie mit den Achseln. Sie drehte sich um und ging zu ihrem Regal, dass alle Werkzeuge ihres Handels beinhaltete. „Ich sollte niemals Tauschgeschäfte annehmen“, murmelte sie wie zu sich selbst. „Aber wenn ich mich weigere, zu tauschen, verliere ich die Hälfte meiner Kundschaft.“ Nachdem sie es von einem sehr gut versteckten Ort geholt hatte, hielt sie den Splitter hoch. Er baumelte von ihren Fingern an der Silberkette. „Ich wusste, was es ist, wisst ihr. Eine weniger seriöse Person hätte es an den Höchstbietenden verkauft. Ich könnte jetzt in einem Anwesen leben.“
 

„Nur wenn sie einen Käufer gefunden hätten“, bemerkte Byakuya. „Wenn Wort davon das Anwesen erreicht hätte, dass es auf dem Schwarzmarkt gelandet ist, wäre angenommen worden, dass es gestohlen wurde. Sie hätten genauso gut dafür inhaftiert werden können.“
 

Die Horishi lächelte gekünstelt, als sie Eishirō im Tausch gegen das Geld die Kette aushändigte. „Ja, das habe ich mir auch gedacht. Dennoch hatte ich für einen Moment ein Vermögen.“
 

Das war, wie es schien, das Schicksal eines Shiba – die Welt in ihren Händen haben, wenn auch nur kurz. Er dachte an diese Familie, als Byakuya ruhig sagte: „Sie sind vielleicht zu anständig.“
 

Sie blinzelte ihn an und lachte dann. „Nah, ich bin nur ein riesiger Softie. Ich mag den idiotischen Rotschopf. Seine Körperkunst ist legendär. Mein Meister hat einiges seiner früheren Werke gemacht und ich war dankbar für die Chance, zu sehen, ob es wahr ist.“
 

„Zu sehen, was wahr ist?“, fragte Byakuya neugierig, beobachtete sie dabei, wie sie die Dinge auf ihrem Regal neu anrichtete und das Geld in irgendeinem versteckten Loch verschwinden ließ.
 

„Dass er unter der Nadel einschläft.“
 

Byakuya hatte keine Ahnung, ob das ungewöhnlich war, doch offensichtlich dachte sie, dass es das war. „Sind sie sicher, dass er nicht wegen dem Alkohol eingeschlafen ist?“
 

„OH, ich bin mir sicher, dass das seinen Teil dazu beigetragen hat. Es war trotzdem süß – wie er sabbernd und entspannt wie ein Baby da lag“, sagte sie mit einem kleinen Lachen, drehte sich wieder um und klopfte an ihrer Hose den Staub von den Händen ab. „Einfachster, verdammter Job meines Lebens. Erklärt, warum die Linien so sauber sind. Doch laut meinem alten Meister, Mizushuma, war es beim ersten Mal dasselbe. Und, vertrauen sie mir, nicht viele Leute schnarchen friedlich, wenn sie dem Inuzuri Bokukei gegenüber stehen.“
 

„Was ist Bokukei?“, fragte Byakuya und blickte zu Eishirō, um zu sehen, ob er es wusste. Eishirō erwiderte einen ähnlich verwirrten Blick.
 

Das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand plötzlich. „Oh. Ich vermute, das war ein Geheimnis. Nun ja, ich denke, die Katze ist aus dem Sack, dann kann ich es euch auch genauso gut sagen.“ Sie machte mit zwei Fingern eine kreisförmige Bewegung um ihren unteren Bizeps, genau da, wo Renji die Streifen auf seinen Armen hat. „Bestrafungstattoos. So ziemlich der einzige Job für einen Horishi in Inuzuri, versteht ihr. Das und Arbeiten für die Yakuza. Mein Meister hat beides gemacht, bis er genug Geld hatte, um in einen besseren Distrikt zu kommen. Wie auch immer, offensichtlich ist euer Junge eingenickt, als würde er eine Massage bekommen.“
 

Das war zu viel, als dass es Byakuya sofort verarbeiten konnte. Er stand auf, mit Tatami-Matten ausgelegten Boden ihres Stadthauses und blinzelte sie dümmlich an.
 

Während Gedanken durch seinen Kopf wirbelten, sprach sie weiter, gleichzeitig rückte sie Ausrüstungsgegenstände zurecht. „Man möchte meinen, dass die Anwesenheit von bewaffneten Wächtern genug wäre, um einen wach zu halten, aber nope, weg wie ein Baby. Opa Mizushuma hat mir die Geschichte bestimmt ein Dutzend Mal erzählt. Er war beeindruckt. Ich meine, eine Menge Typen weinen. Wirklich harte Jungs schluchzen und übergeben sich und all das. Es ist nicht, als würde man gekitzelt werden, wisst ihr. Einige gehen in eine Art Zen-Trance, das hatte Mizushuma erst angenommen. Doch dann ist dieses Kind, kaum ein Mann, glücklich in seine Arme gefallen und hat es komplett verschlafen, ohne auch nur zu zucken. Die Wachen haben versucht, ihn ein paar Mal wachzutreten, doch dann hatten sie aufgegeben.“
 

Byakuyas Hirn hing dem Geschwätz des Horishi noch zu weit hinterher. Er konnte das nicht verarbeiten, was sie gesagt hatte. Deutete sie an, dass Renji zuerst zur Bestrafung tätowiert worden war? „Für was?“
 

„Huh?“, die Horishi blickte Byakuya an.

„Warum Renji diesem Bokukei gegenüberstehen musste, wie sie es nennen?“
 

Sie zuckte mit den Achseln. „Wer weiß? Aber denken sie nicht zu viel drüber nach. In Inuzuri wird die Antwort belangloser Diebstahl sein.“ Sie lächelte. „Der Junge muss ein echter Wiederholungstäter gewesen sein, doch mit genug Pech, dass er geschnappt wurde. Denn sonst hätten sie sich nicht die Arbeit mit ihm gemacht, sondern ihn einfach verprügelt und wieder laufen gelassen. Meine Vermutung ist, dass er mit mehr als nur dem Amtsrichter in Konflikt geraten ist… Denn es gibt nicht viele Wachen da unten. Eine rivalisierende Gang hat ihn vielleicht verpfiffen. Armer Junge. Doch schlau genug, um herauszufinden, wie er sie verstecken kann.“
 

„Ja“, stimmte Byakuya zu, dachte daran, wie nahtlos die Tigerstreifen in die Streifen um den Bizeps übergingen. „Tatsächlich sehr schlau.“
 

„Aw, ich habe ihn doch nicht in Schwierigkeiten gebracht, oder? Du bist sein Chef, richtig?“, fragte die Horishi. „Scheiße, Opa Mizushuma wird mich umbringen.“
 

„Euer alter Meister ist noch am Leben?“, fragte Byakuya.
 

Ihr Lächeln war matt. „Ja, der glückliche Bastard ist im Ruhestand. Hat vielleicht auch einen Kenseikan-Splitter bekommen und behalten.“
 

„Mein Herr“, meldete sich Eishirō in einem vorsichtigen, warnenden Ton zu Wort, als hätte er Byakuyas Denkweise vorausgeahnt. „Sie haben bereits weitaus mehr als genug gehört. Belassen wir die Dinge dabei. Vizekommandant Abarais Vergangenheit gehört ihm alleine. Wenn er wollte, dass sie es wissen, hätte er es ihnen gesagt.“
 

„Sie müssen in der Akademie übersehen worden sein“, sagte Byakuya zu Eishirō. „Ich bin mir sicher, dass Tattoos mit kriminellem Hintergrund nicht erlaubt sind.“
 

„Oh, ich weiß nicht. So versteckt?“, sagte die Horishi schelmisch, als wäre sie sehr erfreut, dass Renji mit einer solchen Täuschung durchgekommen war. „Sie wussten nicht, was sie waren, oder? Denken sie, irgendwer an ihrer extravaganten Schule wüsste es eher? Es ist nicht so, als hätten sie ihm Hund auf die Stirn geschrieben.“
 

Was sie hätten tun können. Byakuya sog geschockt die Luft ein. Seichi derart gebrandmarkt zu sehen, muss ein umso verheerenderer Schlag gewesen sein.
 

„Glück für ihren Freund, dass mein Meister sich geweigert hat, das in Inuzuri zu tun“, sagte sie.
 

In dem Moment glitt die Tür auf, einige betrunkene Shinigami standen schwankend im Türrahmen. „Ich möchte ein Einhorn“, leierte der Größere, seine Worte waren kaum verständlich. „Glitzernd! Mit einer lavendelfarbenen Mähne. Auf meinem Arsch. Und mach es gut bestückt, wie ich es bin!“
 

Es schien wie ihr Zeichen, um zu gehen. Auch wenn Byakuya gerne länger geblieben wäre, um der Horishi noch mehr Fragen zu stellen, ließ der betrunkene Shinigami bereits seinen Hakama fallen.
 

„Whoa, langsam, großer Bursche“, sagte sie, als die beiden in die Nacht hinausschlüpften. „Ich will erst dein Geld sehen.“
 


 

Eishirō war einfach nur glücklich, dass diese Angelegenheit mit dem Kenseikan-Splitter endlich erledigt war und sie nach Hause gingen. Direkt draußen an der Tür nahm er sich einen Moment, um die Kette über seinen Kopf zu ziehen und sie unter seinem Kimono zu verstecken, damit sie sicher war.
 

Das Tor war am Anfang der Straße sichtbar. Es war eine Erleichterung, den Riesen dort als Wache zu sehen. Das Erste, was Eishirō tun würde, wenn sie zurückkehrten war, dem Herrn mit einem netten Tee und Süßspeise zur Ruhe zu bringen und dann…
 

Ein leichter Ruck an seinem Ärmel dirigierte Eishirō zum Teehaus. Das Teehaus? Geschockt stoppte er mit genug Kraft, um den Griff seines Herrn von dem Stoff loszureißen. „Oh, ich…“, Eishirō wollte sich auf die Knie werfen und sich entschuldigen, aber er konnte nur seinen Kopf schütteln. „Ich kann da nicht reingehen, mein Herr. Ich bin ein verheirateter Mann! Meine Frau würde mich umbringen.“
 

Byakuya-sama kräuselte die Lippen – ein sehr angsteinflößender Anblick. Die Verkleidung, entschied Eishirō, funktionierte ein bisschen zu gut. Lord Kuchiki sah nicht aus, wie sonst. Er strahlte immer Macht aus, doch es perfektionierte nur seine Stattlichkeit mit dem Kommandanten-Haori und ordnungsgemäßen Uniform eines Shinigami.
 

In abgenutzter Kleidung, mit dem Haaren, die vor seinem verdecktem, im schattenliegendem Gesicht hingen, sollte er eigentlich abgewertet aussehen. Stattdessen sah er gefährlich, schurkisch und bedrohlich aus, wie ein Gesetzloser und Söldner.
 

„Meine Intentionen sind nicht das, was du denkst“, sagte Byakuya-sama mit einem kleinen, ungeduldigen Seufzen. „Ich habe kein Bedürfnis danach, Renji zu betrügen. Orian kennen meist die besten Gerüchte. Ich hoffe, einem Gerücht nachgehen zu können.“
 

Ah! Natürlich! Nun war Eishirō etwas beschämt über seine Vermutungen. Er überdeckte es, indem er neugierig fragte: „Dürfte ich fragen, was für Gerüchte?“
 

„Es scheint mir, als gäbe es eine ungewöhnliche Menge an Rastlosigkeit im Rukongai. Renjis Bruder und die Angelegenheiten mit der Patrouille und die Gerüchte darüber, dass sie Shinigami Frauen attackieren. Renji sagte mir, dass er eine organisierte Hand dahinter vermutet. Die Orian wissen vielleicht nicht viel davon, was so weit draußen geschieht, aber sie wissen, wenn Frauen misshandelt werden. Vielleicht sehen sie ein Muster darin, dass wir nicht sehen.“
 

Eishirō nickte, doch schielte lange zum Tor.
 

Byakuya-sama folgte Eishirōs Blick und fragte: „Würdest du mich begleiten? Ich bin abgeneigt dich zurückzulassen, damit du alleine den Weg zurück zum Anwesen durch die Nachbarschaft der Elften antrittst“, sagte er und blickte dann in die Richtung des Teehauses. Das dünne, junge Ding, das in diesem strahlenden Kimono vor der Tür arbeitete, blickte sie schüchtern, aber dennoch wissend an. „Es sollte nur einen Moment dauern und wir können dann sofort aufbrechen.“
 

Eishirō schüttelte den Kopf, blickte dabei das Mädchen an. Wie alt war sie? Hatte Miki nicht noch eine Schwester in diesem Alter, die immer noch draußen im Rukon lebte? „Ich kann nicht.“
 

„Wäre deine Frau glücklicher, wenn wir mit einem Jungen reden?“
 

„Oh, sehr sogar, aber ich denke immer noch nicht, dass es eine gute…“
 


 

Weitere Argumente wurden abgeschnitten, da Byakuya-sama das Mädchen bereits zur Seite winkte. Sie erschien vor ihnen mit dem Klackern ihrer Geta auf dem Pflasterstein. „Haben sie auch Kagema?“, fragte Byakuya-sama mit der Autorität eines Mannes, der genau wusste, was er wollte. Sie beugte den Kopf in demütiger Bejahung, die Glasperlen klirrten. Zu ihrem Nicken fügte Byakuya-sama hinzu: „Dann möchten wir zu ihrem Beliebtesten geführt werden – jemand der sehr oft angefordert wird, verstehen sie?“
 

„Ja“, sagte sie, auch wenn sie kurz missbilligend auf Eishirōs Dienerkimono blickte. „Hier entlang, meine Herren.“
 

Sobald sie hinter dem Vorhang waren, schien Byakuya-sama sich umzublicken, um die Anzahl der Bodyguards oder Ausgänge oder Gott weiß was zu beurteilen, doch es verstärkte nur das Gefühl nach einem Mann, der auf Ärger aus ist. Ärger, den Eishirō ganz sicher nicht wollte, also stand er eng an der Seite des Herren, als das Mädchen ihnen einen Tisch in einer privaten Ecke des belebten Raumes zeigte. Männer, die meisten davon Shinigami niederer Ränge, saßen an niedrigen Tischen im Raum verteilt und bekamen… heißes Wasser serviert? Falls hier Tee aufgebrüht wurde, könnte Eishirō noch nicht einmal einen Hauch davon riechen.
 

Nun ja, dachte er, als er sich im Seiza gegenüber von Byakuya-sama niederließ, Tee war teuer. Es konnte einfach gestohlen… oder gegessen werden, vermutete er, wenn man sehr verzweifelt war. Dennoch machte die höchst extravagante Kleidung an den puppengesichtigen Damen und der Mangel an echtem Tee die ganze Szenerie surreal, fast schon wie eine Farce. All diese Leute spielten Vornehmheit, wie auf einer riesigen, vorgetäuschten Teegesellschaft.
 

Byakuya-sama musste genauso denken, denn trotz der Natur ihres Anliegens, sagte er: „Yachiru würde es hier lieben.“
 

Eine ältere Frau erschien an ihrem Tisch und stellte feine Schalen aus. Als sie sich hinkniete, um ihnen zu servieren, fragte sie mit leiser Stimme: „Haben sie bereits ein Konto oder wünschen sie eins anzulegen?“
 

„Es gibt ein Konto“, rumpelte Byakuya-samas Stimme unter der Deckung der Kapuze. „Für Yuka Ume.“
 

„Ume? Yuka Ume? Oh!“, sie schien erschrocken von dem lächerlich klingenden Namen. Sie atmete tief durch, riss sich zusammen und ihr Kopf beugte sich zu Boden. „Unser Haus ist ihnen zu Diensten. Was möchte mein Herr?“
 

„Das Gleiche, wonach ich an der Tür gefragt habe“, sagte Byakuya-sama ungeduldig. „Von eurem beliebtesten Kagema bedient zu werden.“
 

Sie stand von ihrer Verbeugung auf und blickte Eishirō an, ganz offensichtlich um sich vorzustellen, wie er in die ganze Sache hereinpassen würde. Schlussendlich fragte sie vorsichtig: „Nur einen? Wird unser junger Mann sie beide unterhalten?“
 

„Für den Moment wird einer ausreichen. Ich benötige vielleicht einige eurer besten“, sagte Byakuya-sama ohne Zögern.
 

Eishirō war sich ziemlich sicher, dass er bis zu den Spitzen seiner Ohren errötete. Was musste sie von ihnen denken? Ein Diener, der augenscheinlich alles mit seinem Herrn machte – und ein solch unersättlich klingender Herr!? Eishirō hätte auf der Stelle sterben können, wenn er nicht zu beschämt darüber wäre, dass seine Frau Satomi seinen Körper von solch einem Ort überführen müsste.
 

Doch die Frau lächelte gierig. „Das ist kein Problem. Soll ich ein privates Zimmer für ihre Gesellschaft vorbereiten lassen?“
 

„Noch nicht, wir nehmen einstweilen Tee. Ich möchte den in Frage kommenden jungen Mann erst einmal ein wenig kennenlernen“, sagte Byakuya-sama.
 

„Ah, natürlich“, sagte sie. „Daisuke wird sofort herauskommen.“
 

Daisuke? ‚Großer Helfer‘? War sein Name ein Witz oder eine Art Wortwitz über seinen Beruf? Das war so ein Albtraum. Es half dabei auch nicht, zu hören, wie einfach der junge Herr Kuchiki solche flitterhaften Dinge besprechen konnte. Byakuya-sama fühlte sich offensichtlich in einer Weise hier behaglich, die bei Eishirō das genaue Gegenteil verursachte. Auch wenn die Atmosphäre im Raum ruhiges Vergnügen ausstrahlte, bekam Eishirō Gänsehaut. Während er seinen Blick über die bemalten Gesichter der Mädchen gleiten lies, hatte er nur einen Gedanken: Sie sind alle so jung. Sein eigener Sohn war nicht viel älter als viele dieser Mädchen.
 

Byakuya zog die Kapuze von seinem Kopf und ließ seine Finger durch das Haar gleiten. „Versuch nicht ganz so sehr auszusehen, als hättest du etwas Saures verschluckt.“
 

Eishirō hatte nicht realisiert, dass er so viele Emotionen zeigte. „Ich bitte um Entschuldigung, mein Herr.“
 

Byakuya-samas Augen lagen im Schatten und er richtete die Worte an die Wand, als er sagte: „Ich vermute, du hast nicht gewusst, dass mein Konto aktiv geblieben ist.“
 

Es war Eishirō niemals in den Sinn gekommen, doch nun, da es so war… hatte Byakuya-sama den Service genutzt, nachdem Hisana gestorben war? Wenn er das hatte, musste er sich nachts herausgeschlichen haben, während er die ganze Zeit den am Boden zerstörten Witwer gespielt hatte…?
 

Als könne er Eishirō Gedanken lesen, schüttelte Byakuya den Kopf. „Der Buchführer hat es von selbst gemacht. Als Mitglied der Kaufmannsklasse hatte er sich wohl vorgestellt, dass ich irgendwann wünsche, meine Kollegen zu beeindrucken, in dem ich mein Reichtum vorführe.“ Byakuya lachte verächtlich bei dem Gedanken. Eishirō schüttelte den Kopf, offensichtlich verstand der Buchführer das Oberhaupt kein bisschen. Er fuhr fort: „Nach den unschönen Geschehnissen mit der Shiba-Familie und was mit Yoruichi passiert war, habe ich entschieden, dass die Teehäuser vielleicht ein gutes Versteck abgeben, sollte ich jemals einen Ort benötigen, zu dem ich im Rukongai verschwinden müsste. Die Konten werden im Geheimen und Vertrauen geführt, also kann ich es mit Glück immer noch mit dem Decknamen verwenden, den du eben gehört hast.“ Da er Eishirōs hochgezogene Augenbrauen falsch verstand, erklärte er weiter: „Dieser Ort ist wie eine Festung bewacht und gefüllt mit dutzenden Fluchtwegen und geheimen Ausgängen. Ich sollte mir vielleicht einen besonderen Fluchtplan ersinnen, besonders wenn man daran denkt, was Soi Fon…“
 

Eishirō war so geschockt von der Tatsache, dass Lord Kuchiki für einen solch katastrophalen Vorfall Pläne schmiedete, dass die Worte ohne den gewöhnlichen Filter den Weg aus seinem Mund fanden. „Aber das Personal! Sie würden uns selbst überlassen, ohne Ressourcen oder Rückhalt?“
 

Byakuya-sama öffnete den Mund, doch hielt dann inne, schien das Ganze zu überdenken. „Ich werde mit dem Buchhalter sprechen. Du hast Recht. Das Haushaltspersonal sollte ebenfalls Geld als unantastbare Reserve haben. Ich werde sicherstellen, dass es so schnell wie möglich erledigt wird. Natürlich wirst du eine Vollmacht erhalten, doch es gibt keine Planung, dass ich gezwungen bin, ins Exil zu gehen. Das war nachlässig von mir.“
 

Tatsächlich war das Ganze weitaus rücksichtsvoller, als Eishirō von Lord Kuchiki erwartet hatte. Es war offensichtlich, dass das Zuschauen bei den Demontagen zweier Adelshäuser in seiner Lebensspanne Eindruck bei dem jungen Herren hinterlassen hatte. Zu sehen, dass beide Familienoberhäupter entkommen waren, hatte ihn über seine eigene prekäre Situation nachdenken lassen.
 

Am anderen Ende des schmalen Raums teilte sich der Vorhang. Ein unglaublich gutaussehender Jüngling mit verwuschelten, blonden Haaren und großen, neugierigen Augen blickte sich in dem Raum um, bis er sie bemerkte. Als er erkannte, dass Eishirō zurückschaute, verschwand sein Kopf in einer ulkigen Bewegung wieder hinter dem Vorhang. Ein paar Sekunden später, zusammengerissen und mit gesenktem Blick, kam der gleiche Junge heraus und trug ein Teetablett.
 

Eishirō wollte nicht starren, aber der Junge war außerordentlich attraktiv. Eishirō hatte jemanden erwartet, der filigran, klein und bescheiden war – ehrlich gesagt jemand mit der Schönheit von seinem Herrn, der bereits am äußersten Rand der Schönheit wandelte. Doch dieser junge Mann sah vital, verspielt und energetisch aus.
 

Er trug einen wunderschönen Kimono, die Farben erinnerten an fallendes Wasser – Blautöne aller Schattierungen mischten sich mit einem Hauch schimmernden Grüns. Wie die Damen trug er Geta, doch ohne Tabi. Im Gegensatz zu den Frauen war sein Obi dünn und das Gesicht unbemalt, was den frischen, enthusiastischen Eindruck nur verstärkte.
 

Eishirō schielte nervös zu Byakuya-sama hinüber. Dieser Junge könnte sehr wohl der Typ des Herrn sein. Doch falls er den näherkommenden Burschen wahrnahm, ließ er sich nichts anmerken. Er schien immer noch Konten und Katastrophenpläne zu sortieren.
 

Als der Bursche sich niederkniete, schien Byakuya-sama endlich Notiz zu nehmen. Dann glitten seine Augen über den Jungen, schienen kurz an einigen Merkmalen hängen zu bleiben. Schlussendlich sagte er: „Du bist älter, als ich erwartet hatte.“
 

Der Junge errötete, eine sehr anziehende Färbung um seiner Nase herum, doch er sagte ohne zu zögern: „Sie haben nach dem Beliebtesten gefragt, mein Herr, nicht nach dem Jüngsten.“
 

„Das habe ich tatsächlich“, lachte Byakuya-sama.
 

Daisuke schenkte Byakuyas Tee aus, seine Augen blieben dabei die ganze Zeit nach unten gerichtet. Er begegnete kurz Eishirōs Blick, als er darüber zögerte, ob er oder ober er nicht das Gleiche für ihn tun sollte. Eishirō konnte nur den erstaunlich blassgrünen Augen gegenüber mit den Schultern zucken. Normalerweise hätte Eishirō niemals in Erwägung gezogen, Tee am selben Tisch wie Lord Kuchiki zu trinken. Tatsächlich fühlte es sich sehr bizarr an, dass jemand anderes ihm den Tee einschüttete. Der Junge lächelte leicht über den unsicheren Blick von Eishirō – ein umwerfend schalkhaftes Funkeln zierte sein Gesicht und dann schenkte er kühn Eishirō eine eigene Schale ein.
 

Es war, erkannte Eishirō, echter Tee. Mit Perfektion gebraut. Jeder andere spielte Teegesellschaft, doch sie bekamen welchen serviert.
 

„Bleiben sie länger im Rukongai, meine Herren?“, fragte Daisuke und setzte sich zurück auf seine Fersen. Sein Tonfall war leicht und er hielt seinen Blick auf seinen Schoß gerichtet. Seine Stimme war schwer und voll, wie die eines Schauspielers, sein Stimmbruch war eindeutig schon etwas her. Eishirō dabei atmete erleichtert durch. Es gab Hoffnungen, dass er zumindest Volljährig war. Daisuke lächelte wieder. „Oder sind sie nur für diesen Abend von der Seireitei hierhergekommen?“
 

Byakuya fragte: „Was lässt dich denken, dass wir aus der Seireitei kommen?“
 

„Neben der Tatsache, dass mir gesagt wurde, dass sie den Ort hier besitzen und ich es mir nicht versauen soll mit dem großen Chef?“, er lächelte wieder teuflisch, lachte hell und wagte sich sogar, kurz den Blick zu heben. „Das war bei weitem mein größter Anhaltspunkt. Doch ich hätte es vermutlich trotzdem erraten. Eure Kleidung ist vielleicht zerschlissen, aber es ist kein Staub von der Straße daran. Euer Umhang sieht nützlich für einen Mann auf Wanderschaft aus, doch er ist neu. Es sind immer noch Falten an den Schultern, da er vor nicht langer Zeit gefaltet in einem Regal lag. Sie sitzen Seiza. Sie haben einen Diener.“ Er hob seine gut gebauten Schultern. „Senbonzakuras Griff ist markant. Selbst wenn ich dessen Namen nicht durch seinen Ruf kennen würde, könnte jeder sagen, dass sie kein gewöhnliches Schwert mit sich führen, mein Herr.“
 

Byakuya blickte zu Eishirō. „Hmpf, ich hatte keine wirkliche Chance, jemanden an der Nase herumzuführen, oder?“
 

„Vermutlich nicht, mein Herr“, sagte Eishirō reumütig. Auch die Tätowiererin hatte sie direkt durchschaut gehabt. „Ich bitte um Entschuldigung.“
 

Byakuya grunzte wegwerfend, als wolle er sagen, dass es egal sei. Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder Daisuke zu. Er studierte ihn intensiv für einen Moment und sagte: „Du bist genau das, was ich mir erhofft habe. Ich bin sehr erfreut.“
 

Daisukes Augen wurden Groß und sein Mund formte ein überraschtes ‚Oh‘. Die Röte, die den Ansatz seiner Nase verfärbt hatte, vertiefte sich über die Wangen hinweg. Finger spielten mit dem Knoten des Obi und Eishirō dachte, dass er da ein leichtes Beben der Hände des Jungen wahrnahm. Hatte er… Angst?
 

Byakuya schien von der Reaktion, die er hervorrief, nichts zu ahnen, da er fortfuhr: „Was sonst hast du noch mit deinen schlauen Augen bemerkt?“
 

„An ihnen, mein Herr?“, fragte Daisuke scheu, schaute dabei nicht auf.
 

„Nein“, sagte Byakuya mit einem leichten Lächeln. „Es ist mir klar, dass du bereits viele meiner Geheimnisse aufgedeckt hast und ich benötige im Moment nicht noch mehr Schmeicheleien. Sind deine anderen Gäste Shinigami? Reden sie mit dir über ihre Patrouillen?“
 

„Einige“, sagte Daisuke, ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Doch vielleicht hat mein Herr bemerkt, welche Einrichtung am Nächsten liegt? Die Shinigami, die ich unterhalte, sind oftmals nicht sonderlich gesprächig, fürchte ich.“
 

Eishirō konnte nicht verhindern, dass er einen kleinen, mitleidigen Laut von sich gab. Ein Kagema für die Elfte!
 

Daisuke fuhr fort. „Von den Kaufleuten höre ich mehr. Unser Distrikt hatte schon immer einen groben Ruf, mit der Situation hier vor Ort, doch die Leute fühlen sich im Westen und Süden weniger sicher, als sie das mal taten. Der Osten ist gleich geblieben, doch das ist ein zweischneidiges Schwert für sie schon immer gewesen. Da gibt es kein Versteck spielen bei Straftaten unter den unerbittlichen Kontrollen der 2. Division und der möglichen, versteckten Überwachung durch die Zwölfte.“
 

Daisuke schenkte eine zweite Schale Tee für Byakuya aus. Seine Hände waren nun ruhig und seine Haltung entspannter, während er weiter redete. „Natürlich erholen sich die Kaufleute immer noch von der ‚Großen Versiegelung‘, wie sie den kürzlichen Aufruhr nennen. Tagelang ging nichts hinein oder hinaus, während sie die rätselhaften Besucher bekämpften.“ Er blickte auf. „Schlecht fürs Geschäft, wissen sie? Aber der Handel floriert in den Baustellen. Lieferanten für Stein und Keramik-Ziegeln machen Überstunden“, fügte er mit einem leisen Kichern hinzu. Dann fiel das Lächeln in sich zusammen. „Und das Geschäft für Trostsuchende auch. Viel mehr Sake geht weg. Viele verwundete Herzen, die einfache, unkomplizierte Gesellschaft suchen, kommen heraus.“
 

Eishirō war überrascht von dem tiefgreifenden Verständnis, dass der junge Mann von dem kürzlichen Ärger hatte. Er kannte vielleicht keine Details, aber er verstand, dass es eine Art Verrat gegeben hatte, der den Willen gebrochen hatte. Einen Willen den er, in seiner eigenen Weise, half wieder zu errichten.
 

Byakuya nippte nachdenklich an seinem Tee und schien sich auf eine Sache zu fokussieren. „Der Westen ist für Händler unsicher? In welcher Weise?“
 

So viel Stolz war immer in den Verantwortungen der 6. Division eingehüllt. Eishirō probierte seinen eigenen Tee und setzte sich zurück auf seine Fersen, um zuzuhören.
 

Daisuke faltete seine Hände wieder im Schoß. „Ich glaube, viele Männer lassen ihre Familien jetzt zu Hause und heuern mehr Wachen an. Normalerweise gehen sie ohne Eskorte durch die Landwirtschaftsdistrikte, aber da alle Shinigami wegen den neulichen Problemen eingezogen wurden, sind einige Straßen gesetzlos geworden und von Plünderern und Banditen besetzt. Da gibt es noch andere… Gerüchte“, Daisuke blickte einen Moment zum Raum hinter ihm und senkte dann seine Stimme zu einem Flüstern: „Ich habe gehört, da gibt es eine Anzahl von Shinigami, die auf dieser Seite gefangen waren, als die Mauern runterkamen. Manche sagen, dass ein paar froh waren, die Chance zu nutzen um abtrünnig zu werden.“
 

„Deserteure?“
 

Byakuya klang erschüttert, als könnte er sich nichts Schlimmeres vorstellen. Eishirō und Daisuke tauschten einen wissenden Blick aus. Nicht alle Shinigami waren so edelmütig, wie die aus der Sechsten. Ein Zanpakutō im Rukongai zu haben, bedeutete viel Macht.
 

„Sicher werden sie bereits von der Zweiten eingekreist“, fuhr Byakuya mit einem Kopfschütteln fort. „Das ist ihr Job.“
 

Weise murmelte Daisuke nur eine Zustimmung und sagte sonst nichts. Byakuyas Ton ließ kein Gegenargument zu. Doch Eishirō fühlte sich genötigt zu fragen: „Aber wissen sie, wer fehlt? Da waren so viele Verluste, so viel Zerstörung – es wäre einfach, einen Namen auf der Rolle mit den Toten hinzuzufügen, jetzt wo die Mauern wieder geöffnet sind.“
 

„Im Westen? Nein. Ich weigere mich, das zu glauben. Niemand unter meinem Kommando würde seinen Platz im Krieg verlassen…“, Byakuya hielt plötzlich inne, schnitt sich selbst die Worte ab, erinnerte sich offenbar an die spektakuläre, öffentliche Desertation seines eigenen Vizekommandanten. Nach einem langen, dunklen Moment, in dem keiner am Tisch wagte, auch nur zu atmen, sagte Byakuya endlich: „Vielleicht verstehe ich nun, wie das passiert sein könnte. Mein Haus war in Unordnung und ist immer noch verwirrt. Ich war abgelenkt durch… viele Dinge, nicht zuletzt von diesem verdammten, gierigen 3. Offizier und seinen verräterischen Absichten, die Möglichkeit gegeben haben, alles wieder zu ordnen.“
 

Eishirōs Herz sank. Renji würde dafür verantwortlich gemacht werden, er konnte es spüren. Vielleicht nicht direkt, aber es schien sehr offensichtlich, dass Byakuya-sama sich schuldig fühlte, dass er so viel seiner Energie auf seinen Liebhaber, statt der Division fokussiert hatte.
 

Eishirō blickte auf und bemerkte, dass Daisuke versuchte, Blickkontakt mit ihm aufzubauen. Er nickte subtil in Byakuyas Richtung und formte mit dem Mund ‚Braucht er einen Drink?“
 

Eishirō schüttelte vehement den Kopf. Alkohol war das Letzte, was Lord Kuchiki brauchte.
 

Der schlaue junge Mann schien sofort zu verstehen, seine Augen weiteten sich und dann nickte er, als er leise fragte: „Niemals oder nur, wenn er zornig ist?“
 

Da Byakuya weiterhin grübelte, riskierte Eishirō ein schnelles „Niemals“. Wenn er sicher gewesen wäre, dass man sie nicht belauschte, hätte er noch hinzugefügt: Niemals an einem solchen Ort, niemals mit einem Jungen wie dich.
 

Tatsächlich war es schon längst Zeit zu gehen. Vorsichtig sagte Eishirō: „Mein Herr? Es wird dunkel. Wir haben immer noch einen langen Weg zurück zum Anwesen.“
 

Byakuya blickte auf, schien wieder zu sich zu kommen. „Ja, natürlich. Ich sollte dich sicher nach Hause bringen.“
 

Mit einer Welle der Erleichterung folgte Eishirō Byakuya auf die Füße, doch musste innehalten, als Byakuya eine Hand auf die Schulter des Jungen legte und sich vorbeugte, um etwas leise in Daisukes Ohr zu flüstern. Eishirō strengte sich an, um ein paar Wörter aufzuschnappen, doch er konnte nichts verstehen. Er konnte jedoch sehen, wie das Blut aus Daisukes Gesicht wich und er flatternd seine Augen nach unten richtete. Er nickte bebend und sagte: „Ja, mein Herr. Es wird mir ein Vergnügen sein.“
 

Warum klang ‚es‘ nach nichts anderem, als das? Und warum setzte Eishirōs Herz, vor Sorge um diesen intelligenten und schlauen Jungen, einen Schlag aus? Er versuchte, einen weiteren, geheimen Blickkontakt mit Daisuke aufzubauen, doch die Augen des Jungen waren auf seinem Schoß fokussiert.
 

Er richtete sich nach Byakuya auf und sehnte die Tage zurück, als er eine Antwort von dem Jungen unter seinem Schutz fordern konnte. Nun konnte er dem Mann nur still folgen, besorgt über seine Schulter blicken, zu Daisuke, der immer noch still wie ein Stein da saß.
 

Die angespannte Stille zog sich, während sie durch die dunklen Straßen gingen. Byakuya zog sich die Kapuze ins Gesicht, als sie sich dem Tor näherten und sagte mit einer Stimme, die kalt war wie Eis: „Du wirst Vorkehrungen treffen, dass Daisuke einmal in der Woche zu mir geschickt wird. Ich werde seine Verlegung in das westliche Teehaus veranlassen, um es einfacher zu machen.“
 

Denn er würde ein Spion werden, erinnerte sich Eishirō. Egal, wie es geklungen hatte, sicherlich war es das, was Lord Kuchiki meinte.
 

Es musste so sein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Bemerkung:
Die Bestrafungstattos sind in der Edo-Periode von Japan historisch sehr korrekt. Ich habe dazu einen ganzen Tumblr-Beitrag geschrieben (mit Bildern), die meine Theorie erklärt: http://junko222.tumblr.com/post/52103814429/renjis-curious-arm-band-tats (Ihr seid gerne eingeladen, mir zu folgen, wenn ihr ständig all die ByaRen-Bilder sehen wollt).

Meine Argumente über das Timing sind so: Wenn es in der Zeit passiert ist, in der Renji ein junges Kind war (und ärmellos im Anime) und als er dann total super-heiß erwachsen ist, sehen wir ihn nie ärmellos in der Akademie. Auch wenn er seine Arme hebt, als er Rukia gehen lässt und wir keine Anzeichen davon sehen… es könnte immer noch passiert sein.


Vorschau Kapitel 13:
Renji und Byakuya verbringen ihre Tage, bis sie endlich für ihr Wochenend-Date in der Welt der Lebenden wieder zusammen sind… Komplett anzeigen

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