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Glückliches Schiff? - Von wegen!

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Die Idee zur Geschichte kam mir, nachdem ich dieses Musikvideo gesehen habe (echt traurig ;-;)
Ich hatte danach einfach das Bedürfnis, etwas zu schreiben.
Tjoa...und hier bin ich. Es ist zwar, wie immer, nicht wirklich gut, aber ich wünsche euch trotzdem
Viel Spaß beim Lesen Komplett anzeigen

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Shigure

Regen. Das war das Einzige, das Shigure im Moment hörte. Das unaufhörliche Prasseln des feinen Regens, als er in senkrechten Strahlen auf die Erde hinabsauste und auf ihrem Körper oder in der ruhigen See um sie herum landete. Seit Stunden regnete es nun schon so. Stunden, in denen das Prasseln des Regens das einzige Geräusch war, das sie hörte. Dementsprechend hatte sich dieses schon zu einem monotonen Rauschen entwickelt, das von ihr ausgeblendet wurde.
 

Der Körper des Flottenmädchens war komplett durchnässt – nasse Strähnen der kakaobraunen Haare hingen ihr ins Gesicht und die marineblaue Uniform klebte wie eine zweite Haut an ihr. Mittlerweile waren die weißen Hals- und Ärmelkrempen schon durchsichtig geworden. Aber Shigure war das egal, ihr Blick war apathisch und emotionslos in die Ferne gerichtet. Den Punkt hinter dem Horizont fixierte sie seit dem Auslaufen im Flottendistrikt alle paar Minuten. Dort hinten war ihr Ziel. Ihres und das des Konvois, den sie mit ihren Begleiterinnen beschützen sollte.
 

Die Braunhaarige versuchte zwar, es sich nicht anmerken zu lassen, aber sie war nervös. Sehr sogar. Nicht, weil es eventuell zu einem Kampf kommen könnte. Nicht, weil die Gefahr bestand, dass sie sinken würde. Letzteres würde ihr eigentlich ziemlich recht kommen. Ihre Angst bestand darin, dass diese Mission so enden würde wie die anderen davor. Egal ob Midway oder in der Surigao-Straße, wann immer sie an einer Mission beteiligt gewesen war, artete diese in einer Katastrophe aus. Von anderen wurde sie als „das glückliche Schiff“ bezeichnet, da sie jedes Mal die einzige Überlebende war. Aber sie glaubte nicht daran, dass sie besonders Glück hatte. Ihrer Meinung nach brachte sie Unheil und Zerstörung zu jedem, der sie auf einer Mission begleitete. Wie damals…
 

Shigure schloss die Augen und erinnerte sich zurück.
 

Vor ihrem inneren Auge erschien eine komplett andere Szenerie. Die See war aufgewühlt, das Donnern von Schiffskanonen grollte durch die Umgebung. Nach Westen und nach Osten wurde das Meer von steilen Klippen begrenzt, in denen sich das Grollen brach. Shigure kniete auf der Wasseroberfläche, mit Tränen in den Augen und zerfetzter Uniform, und hielt die Hand eines anderen Mädchens, welches ruhig auf der Wasseroberfläche lag. Ihr Zustand ließ sich am besten als grauenhaft beschreiben. Das ehemals schöne, weiß-rote Gewand war komplett zerfetzt, Ruß und Öl verunzierten ihre sonst bleiche Haut und die 6 14-Zoll-Geschütztürme auf ihrem Rücken, waren komplett zerstört. Einige waren explodiert, andere durch einschlagende Geschosse aufgerissen.
 

Das Mädchen war um einiges größer als Shigure, ungefähr zwei Köpfe, und hatte einmal lange, glatte, schwarze Haare gehabt. Auch ihre Frisur war jetzt in einem katastrophalen Zustand, Haarbüschel waren ausgerissen und noch mehr angebrannt. Dennoch, ihr Gesichtsausdruck war nicht verzerrt vor Schmerzen, die sie auf jeden Fall hatte. Doch sie lag ruhig da, während ihr Körper langsam, Zentimeter um Zentimeter, sank. „Fusou-san, bitte. Du musst wieder aufstehen!“ Shigures Stimme klang verzweifelt, heiße Tränen rannen über ihre Wangen. Fusou jedoch lächelte nur, hob schwach die Hand und wischte die Tränen aus dem Gesicht des Mädchens. „Es tut mir leid, Shigure-san. Aber es gibt nichts mehr, womit du mir noch helfen könntest.“ Sie senkte die Hand wieder und legte beide Hände auf ihren Bauch. Ihr Körper sank währenddessen immer weiter, mittlerweile ging es schon bis zu ihrem Schlüsselbein. „Ich habe nur eine Bitte an dich. Pass gut auf Yamashiro auf. Versprichst du mir das?“ Ein letztes Mal wandte sie ihren Blick zu dem jungen Zerstörer. Diese hatte natürlich nicht aufgehört zu weinen, sondern die Tränen flossen nach wie vor in Strömen ihr Gesicht hinab. Sie schniefte kurz, bevor sie einmal nickte. „Vielen Dank, für alles…Sayonara“ Mit diesen Worten schloss die Größere die Augen und ließ das Wasser seine Arbeit verrichten. Schnell schwappte es über den ehemals ansehnlichen Körper und zog sie nach unten, immer noch mit einem Lächeln auf den Lippen.
 

Von Shigure hingegen konnte man nicht behaupten, dass sie das gut verkraftet hatte – nach Mogami und Michishio war jetzt auch noch Fusou in dieser verdammten Schlacht gesunken, und Yamashiro stand unter heftigstem Beschuss. „Steh wieder auf!“, sie appellierte an sich selbst. Auch wenn das tragisch war, sie musste weitermachen. Um Yamashiro zu helfen. Um Fusous Bitte zu erfüllen. Langsam richtete sie sich auf, zuerst noch wackelig auf den Beinen. Aber schon bald, stand sie wieder sicher auf beiden Beinen, auch der Tränenfluss war versiegt, auch wenn ihr Gesicht nach wie vor feuerrot war von den Tränen. Sie war entschlossen.
 

Mit voller Geschwindigkeit setzte sie nun Kurs in Richtung Yamashiros. Hoffentlich war sie überhaupt noch an der Oberfläche… Sehen konnte sie sie nicht, Rauchschwaden, vermischt mit Nebel schränkten die Sichtbarkeit auf ein Minimum ein. Doch sie hatte sich noch keine 15 Sekunden bewegt, als sie eine Morsenachricht empfing. Wie so gut wie alle Schiffmädchen war sie dazu in der Lage. „Shigure, hier Yamashiro. Nimm Fusou und flüchte! Ich halte sie so lange wie möglich auf. Jetzt!“ Der Text war unmissverständlich, Yamashiro würde keinen Widerspruch dulden. Aber vielleicht sollte sie doch? Bei dem Gedanken schüttelte sie den Kopf. Nein, das konnte sie nicht machen. „Verstanden. Viel Glück“, morste sie in Kurzform zurück und drehte ab. Sie würde gerne etwas Anderes glauben, insgeheim wusste Shigure aber, dass Yamashiro keine Chance hatte. Nicht alleine. „Hoffentlich dauert es nicht zu lange…“ Schweren Herzens setzte sie Kurs in Richtung Flottenstützpunkt. Ihre Beine begannen zu zittern und in ihrer Brust machte sich ein beengendes Gefühl breit. Direkt danach brach sie zusammen und begann, hemmungslos zu weinen. Weit war sie nicht gekommen, mit knapper Not hatte sie den Strand der nächsten kleinen Insel erreicht, auf dem sie jetzt, zusammengerollt im Sand, ihren Tränen freien Lauf ließ.
 

Der Rest war bekannt – zwei Tage später wurde die komplett entkräftete und schwer beschädigte Shigure von einer Expedition gefunden und zurück in die Basis begleitet. Von der gesamten Flotte war nur sie übriggeblieben – und der auffällige Haarschmuck Yamashiros, der neben ihr an den Strand gespült worden war.
 

Ohne es zu bemerken hatte Shigure währenddessen begonnen zu weinen. Zwar lautlos, aber trotzdem liefen Tränen schnell ihre Wangen hinab. Sie hob eine Hand und berührte den Schmuck in ihrem Haar – das Einzige, das ihr von Yamashiro geblieben war. „Yamashiro, Fusou, Mogami, ihr alle. Ich hoffe, ihr seid nun an einem besseren Ort. Und habt euch wiedergefunden.“ Sie ballte die Hand zu einer Faust. Sie durfte jetzt nicht sentimental werden und die Mission aufs Spiel setzen! Die Anderen hätten es sicher nicht so gewollt. Mit dem Handrücken wischte sie ihre Tränen aus dem Gesicht und setzte ihren vorherigen Kurs mit erhöhter Geschwindigkeit und fest entschlossen fort, um wieder zur Gruppe aufzuschließen.
 

Ein Tag später
 

Es waren mittlerweile mehr als 30 Stunden vergangen, seit sie auf hoher See war. 30 Stunden ohne richtigen Schlaf und ohne Pause. Aber diese Zustände war sie gewohnt. Es waren schon zu viele Schiffsmädchen gesunken, als dass man alle ersetzen konnte, auch die Ressourcen wurden knapp. Daher mussten die Überlebenden immer längere Schichten mit immer kürzeren Pausen schieben. Das hieß nicht, dass es ihr nichts ausmachte – sie war todmüde, klatschnass und fror erbärmlich. Aber sie würde weitermachen müssen. Ihr Körper hielt das aus, genauso wie alle anderen. Da konnte sie nicht einfach zurückfallen.
 

Dennoch litt ihre Konzentration darunter, das Sichtfeld verschwamm, ab und zu nickte sie für wenige Sekunden im Stehen weg. Alles in ihrem Körper schrie nach Schlaf. Schlaf, den sie ihm aber bis zum nächsten Zwischenstopp nicht gewähren konnte. Nur mehr drei Stunden… Drei Stunden, dann hatte sie es geschafft, dann konnte sie ihre Kleidung an der kleinen Außenbasis wechseln, schlafen und essen. Ihr Mund öffnete sich zu einem langgezogenen Gähnen, wobei sie den Kopf kurz nach oben streckte. Womit sie sich die letzte Chance nahm, den verräterischen weißen Strahl zu erkennen, den der Torpedo, der auf sie zuhielt, hinter sich herzog.
 

Sie spürte noch, wie etwas ihr Bein rammte. Dann gab es einen lauten Knall und alles um sie herum wurde schwarz.
 

Wenige Sekunden später erlangte Shigure das Bewusstsein wieder. Ihr ganzer Körper schmerzte höllisch…und zwar wirklich ihr ganzer Körper. Die Schultern fühlten sich an, als würden sie herausgerissen werden, ihre Haut brannte und ein schmerzhaftes Ziehen erfüllte ihren Bauch. Langsam blinzelnd konnte sie die Augen wieder öffnen. Zuerst nahm sie alles nur verschwommen wahr, aber schnell wurde ihr Blick wieder klarer. Unter dem Himmel lag die nach wie vor ruhige See, ein paar Kleidungsfetzen trieben auf dem Wasser. Marineblau…waren das ihre?
 

Wie durch Watte hörte sie eine Stimme: „Shigure?“ An sich wollte sie ja antworten, aber ihr Körper verweigerte ihr den Dienst. Ein Gesicht beugte sich über sie: Ein sehr Bekanntes sogar. Lange, blonde Haare, ein schwarzes Band in den Haaren, zu einer Schleife gebunden und rote Augen. Das Gesicht ihrer Schwester, Yuudachi. „Keine Angst, alles wird gut, poi!“ Nein. Sie wusste genau, dass das nicht so war. Warum konnte sie nicht sagen, aber sie wusste es einfach. Mit großer Anstrengung schaffte sie es, den Kopf zuerst nach links, dann nach rechts zu drehen – ein Kopfschütteln in Zeitlupe. „Was soll das heißen? Du hast schon schlimmeres durchgemacht, poi!“ Diese Antwort entlockte ihr nur ein sanftes Lächeln.
 

Sie versuchte es noch einmal und diesmal schaffte sie es, Wörter aus ihrem Mund zu bringen. Zwar langsam und leise, aber doch. „Yuudachi…mein Körper…“, sie verzog das Lächeln zu einer Grimasse des Schmerzes. Das Reden tat höllisch weh – dennoch machte sie weiter. Sie wusste, dass das würden ihre letzten Worte sein. „es tut weh…sehr sogar. Auch…in mir. Ich kann nicht mehr aufstehen.“ Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich wieder und sie seufzte leise. „Es tut mir leid. Ich habe euch immer nur Umstände gemacht…“ „Das stimmt nicht, poi!“ „Doch…jedes Mal, ist jeder andere gesunken. Immerhin…“, jetzt grinste sie leicht, während ihre Stimme schwächer wurde. „dieses Mal hat’s wenigstens mich erwischt…“ Unter großer Anstrengung hob sie ihren Arm. Ihre Schulter stach, als würde sie jemand mit einem Schwert an dieser Stelle durchbohren. Aber sie machte weiter. Shigure umgriff mit einer Hand das Schmuckstück in ihren Haaren, die andere streckte sie zu Yuudachi. „Deine Hand.“ Sie fasste sich schon kurz, um Kraft zu sparen. Dieses Mal gab es auch keine Widerworte, ihre Schwester streckte ihr die Hand entgegen. Vorsichtig entfernte sie den Schmuck, legte ihn in Yuudachis Hand und schloss ihre Finger um das Stück. „Pass gut darauf auf. Und...auf den Admiral.“ Jetzt schloss sie die Augen. „Sayonara, Yuudachi. Ich bin froh, deine Schwester gewesen zu sein…“ Etwas Warmes tropfte auf ihre Wange. Zuerst nur ein Tropfen, dann zwei, dann immer mehr. Ein weinerliches „Po…poi…“ konnte man noch hören, dann verkrallten sich zwei Hände in ihrer zerfetzten Uniform und etwas presste sich gegen ihren Körper. Yuudachi begann zu heulen. Wie sie damals bei Fusou. Das erste Mal, dass sie miterlebte, wie ihre Schwester weinte. Und es wäre ihr lieber, wenn sie nicht angefangen hätte zu heulen. Schwach legte sie einen Arm auf den Kopf ihrer Schwester. „Yuudachi…es ist gefährlich…geh zurück zu den anderen…“ Sie spürte, wie der Griff langsam leichter wurde und die Hände sich dann komplett entfernten. „Arigatou…“, wisperte sie dem sich entfernenden Mädchen nach. Hoffentlich hielt sie sich daran und kam nicht wieder alleine zurück.
 

Es fühlte sich wie Stunden an, die Shigure auf dem Wasser trieb. Stunden, Minuten, Sekunden… es verlor ohnehin alles an Bedeutung. Es war eigentlich auch egal, wie lange sie schon auf dem Wasser trieb. Einen Unterschied machte es ohnehin nicht. Ihr Gesichtsausdruck war die ganze Zeit ein seliges Lächeln. Wieso sie wohl so lange zum Sinken brauchte? Sie wusste nicht warum, aber sie konnte spüren, dass das schon noch kommen würde. Die Frage war nicht ob sondern wann. Aber es war ja nicht so, als hätte sie noch etwas zu erledigen. Sie hatte schon mit allem abgeschlossen, ihren geistigen Frieden gefunden. Um ehrlich zu sein…sie freute sich in gewisser Weise darauf. Dann würde sie niemandem mehr Unglück bringen können. Es war wohl besser für alle…
 

Plötzlich spürte sie, wie sich ein Schatten über ihr Gesicht legte. Mit großer Anstrengung schaffte sie es, ein einzelnes Auge zu öffnen – und erblickte das weiße Gesicht eines feindlichen U-Boots. Der Körperbau war derselbe wie der eines jeden Schiffmädchens auch – der Unterschied lag darin, dass wie bei allen anderen auch die Haut weiß und die Haare pechschwarz waren. Das gelbe Glühen aus dem einen Auge, das nicht von den Haaren verdeckt wurde, verriet, dass sie es mit einem Flaggschiff zu tun hatte. Schon in vollkommen funktionsfähiger Verfassung hätte sie kaum eine Chance gehabt – also jetzt erst recht nicht. „Du hast den Torpedo abgefeuert, oder?“ Shigure wusste nicht warum, aber sie fragte einfach. Aber wie erwartet kam keine Antwort. Das Gesicht des U-Boots verzog sich zu einem diabolischen Grinsen, Arme schlossen sich um Shigures Körper und zogen sie unter Wasser.
 

Träge blickte sie den Luftblasen nach, die nach oben zur Wasseroberfläche stiegen, an der sich das Licht brach, während es um sie herum immer dunkler wurde. „Das war es dann wohl…“ Sie schloss die Augen und atmete in einem langen Seufzer die restliche Luft in ihren Lungen aus, die blubbernd zur Wasseroberfläche stieg.
 

Fusou, Yamashiro… bald sehe ich euch wieder“ Shigure lächelte. Dann verlor sie das Bewusstsein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Vielen Dank fürs Lesen. Meiner Meinung war der Oneshot ja nicht wirklich berauschend, aber ich hatte einfach das Verlangen, etwas zu schreiben, nachdem ich dieses Lied hier gehört und gesehen habe.
Ich hoffe es war keine zu große Zumutung – über Feedback würde ich mich freuen!

Mfg,
Lorekeeper Zinnia
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