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Kapitel 21

Kapitel 21:
 

„Alles was ich brauche Mila!“

Jetzt im hellen Tageslicht kommen mir Raphaels Worte unwirklich vor. Es war das letzte was er gesagt hat, bevor wir eng aneinander gekuschelt eingeschlafen sind. Momentan fehlt es der Vertrautheit der letzten Nacht total. Raphael steht am Wohnzimmerfenster seiner Wohnung. Die Hände tief in den Taschen seiner Jeans vergraben und die hellen Augen auf die Stadt gerichtet. Vor einer halben Stunde hat er einen Anruf bekommen, seitdem ist er kaum noch ansprechbar. Er reagiert nicht auf mich. Dabei war der ganzen Morgen doch so gut gelaufen. Wir haben alle gemeinsam gefrühstückt und sind dann her gefahren. Wir haben die Zeit bis zu diesem Anruf mit kuscheln auf dem Sofa verbracht. Und jetzt ist er wieder so distanziert. Verdammt. Ich muss etwas tun. Raphael so zu sehen tut mir in der Seele weh. Vorsichtig nähere ich mich ihm von hinten und schlinge meine Arme um seine Hüften.

„Hey, Süßer, was ist denn los?“ frage ich zaghaft, streiche über seinen Bauch. Er atmet zittrig durch. Antwortet aber nicht.

„Du kannst immer mit mir reden, das weißt du oder?“ Er dreht sich in meinen Armen und schiebt mich ein wenig von sich.

„Gibst du mir noch eine halbe Stunde? Ich muss mir über etwas klar werden!“ Seine Augen sehen durch mich hindurch. Irgendetwas liegt in seiner Stimme. Ich hebe meine Hand und streiche ihm über die Wange.

„Natürlich!“ Raphael geht zur Tür.

„Ich bin im Fitnessraum!“ Ich folge ihm bis zu seinem Schlafzimmer.

„Ihr habt in diesem Haus einen Fitnessraum?“ Er zieht sich Shorts und ein Tanktop über.

„Im Erdgeschoss, direkt neben dem Schwimmbad!“ nuschelt er.

„Okay. Ich bin hier, wenn du mich brauchst!“ Dann lasse ich Raphael an mir vorbei gehen, sehe seinem angespannten Rücken nach. Was ist nur los?
 

Als Raphael eineinhalb Stunden später immer noch nicht wieder hochgekommen ist entschließe ich mich ihn suchen zu gehen. Ich nehme eine Flasche Wasser und Raphaels Schlüssel aus der Schale neben dem Fahrstuhl. Zwar braucht man für den Aufzug einen Code, aber besser ich nehme sie mal mit. Im Eingangsbereich steige ich aus dem Aufzug und sehe mich unsicher um. Ich habe keinen Plan wohin ich muss…

„Hallo schöne Frau, kann ich ihnen zufällig helfen?“ Ich drehe mich um und sehe mich einem jungen Kerl gegenüber. Er trägt zerrissene Jeans, ein viel zu weites Karohemd und hat lange Haare.

„Ich bin auf der Suche nach dem Fitnessraum!“ Er grinst mich breit an.

„Da kann ich ihnen helfen, kommen sie!“ Er geht vorneweg zu einer Tür. Auf dem Tastenfeld daneben gibt er einen Code ein. Ich muss Raphael mal dringend nach den Codes fragen, selbst wenn ich nur Brötchen holen gehen sollte bin ich ausgeschlossen.

„Hereinspaziert die Dame!“ reißt der Fremde mich aus den Gedanken. Ich nicke ihm kurz zu und betrete dann den Raum. Er ist riesig. Mindestens doppelt so groß wie das Studio, das ich ein paar Wochen besucht habe bis ich festgestellt habe, dass das nichts für mich ist.

„Danke fürs herbringen!“ Dabei sehe ich mich bereits nach Raphael um. Allerdings kann ich ihn zwischen den teuren Geräten nicht entdecken.

„Soll ich ihnen noch die Geräte erklären?“ Der Kerl legt einen Arm um meine Schultern. Ich winde mich heraus und sehe ihn abwehrend an.

„Ich bin auf der Suche nach meinem Freund!“ Ich sehe wie er sofort das Interesse an mir verliert.

„Gut, dann brauchen sie mich ja nicht mehr!“ Und damit ist er auch schon verschwunden. Unsicher gehe ich tiefer in den Raum. Irgendwie ist das ziemlich gruselig. So alleine hier unten. Ganz hinten ist ein mit Matten ausgelegter Ring. Daneben hängen einige Boxsäcke von der Decke. Und dann entdecke ich Raphael. Schweißgebadet prügelt er auf einen davon ein.

„Raphael?“ Er reagiert nicht. So wie er momentan drauf ist sollte ich mich ihm nicht nähern. Ich setze mich auf eines der Geräte und warte. Nach einer guten halben Stunde lässt Raphael schweratmend die Arme hängen und starrt ins Leere. Ich stehe auf und sehe ihn einfach nur an. Seine schlanke Gestalt, sein blondes Haar, das nass so viel dunkler wirkt. Irgendwann dreht er sich um, seine hellen Augen finden mich.

„Wie lange sitzt du schon da?“ fragt er erschöpft.

„Eine Weile! Geht es dir besser?“ Ich lege den Kopf schief und versuche und versuche in seinem Gesicht zu lesen. Er zuckt nur mit den Schultern, greift nach einem Handtuch neben sich und rubbelt sich über das Haar. Ich habe das dunkle Gefühl, er will immer noch nicht reden. Es bringt doch nichts das alles in sich hineinzufressen. Aber Raphael zum Reden zu bringen ist sicherlich auch nicht die beste Idee. Also unterdrücke ich einen Seufzer und beschließe nicht weiter nachzubohren. Ich werde warten bis er bereit ist mit mir zu reden.

„Was machen wir heute?“ frage ich also. Verwirrt legen sich seine hellen Augen auf mich.

„Hmm?“

„Du hast etwas davon gesagt, dass wir nicht in der Stadt bleiben?!“ erinner ich ihn.

„Geht nicht. Die Polizei war gestern bei mir im Büro, sie haben mir verboten die Stadt zu verlassen.“ Müde lehnt sich Raphael an die Wand.

„Warum das? Sollten die Ermittlungen nicht abgeschlossen sein, wenn der Prozessbeginn bereits festgelegt ist?“ frage ich verwirrt. Er seufzt leise.

„Ja, nur habe ich das Gefühl irgendjemand versucht den Prozess zu boykottieren. Keine Ahnung, ich werde mich jedenfalls daran halten.“ Genau das scheint das Thema zu sein, das Raphael so unbedingt meiden will. Er wendet sich von mir ab und geht Richtung Ausgang. Ich folge ihm. Hat das Telefonat etwas mit dem Prozess zu tun? Ich muss aufhören mich sowas zu fragen. Wenn Raphael reden will, dann wird er es schon tun.

„Wir können auch hier in der Stadt etwas unternehmen.“ Ergreife ich im Aufzug schließlich wieder das Wort.

„Worauf hast du Lust?“ Immerhin schafft Raphael ein schwaches Lächeln.

„Es ist Kunsthandwerkermarkt?!“ Das ist das erste was mir einfällt.
 

Eine dreiviertel Stunde später steigen wir in der Innenstadt aus Raphaels Wagen. Ein wenig besorgt greife ich nach der Hand meines Freundes. Während er duschen war habe ich Mittagessen gemacht. Von dem Raphael kaum etwas angerührt hat. Langsam schlendern wir an den kleinen Ständen vorbei. Ich betrachte die Kunstgegenstände, während Raphael eher mich ansieht.

„Hältst du nach irgendetwas bestimmtem Ausschau?“ fragt er mich schließlich. Noch immer hat er seine Finger mit meinen verschränkt. Ich schüttle den Kopf.

„Nein, eigentlich nicht. Aber manchmal kann man hier ganz schöne Dinge entdecken… oder seltsame!“ füge ich hinzu als ich einen Esoterikstand entdecke. Nichts gegen Esoterik, aber die Frau dort sieht schon sehr … gewöhnungsbedürftig aus.

„Komm mal mit!“ Raphael zieht mich zu einem Stand an dem es Schmuck zu erwerben gibt.

„Das ist schon ein Klischee, das weißt du?“ frage ich neckend. Raphael grinst kurz.

„Wer sagt denn, dass ich dir Schmuck kaufen will?“ erwidert er.

„Für wen suchst du denn etwas? Kann ich helfen?“ Ich lasse meinen Blick über die Auslage schweifen und bleibe an einem kleinen silbernen Engelsflügel hängen.

„Der ist schön!“ Der Standbetreiber lächelt uns an.

„Auf Wunsch graviere ich ihnen die Anhänger auch gerne!“ Raphael registriert das mit einem Nicken und beantwortet dann meine Frage.

„Für meine Stiefschwestern. Zwei zehnjährige Mädchen. Sie haben in zwei Wochen Geburtstag.“ Mit dieser Information lasse ich meinen Blick erneut über die Auslage schweifen. Ich erinnere mich dunkel daran irgendwo gelesen zu haben, dass Edgar Wegner neben Danny noch Zwillinge hat. Sie müssen also Halbgeschwister sein. Danny und die Mädchen.

„Wie findest du die Schmetterlinge?“ Ich deute auf zwei identische filigrane Schmetterlinge. Der einzige Unterschied ist die Farbe der in die Flügel eingesetzt ist. Einer in Gelb, der andere in blau. Raphael folgt meinem Finger und lächelt kurz.

„Die sind perfekt!“ Dann bittet er den Verkäufer noch die Anhänger zu gravieren. Auf den blauen ein I und auf den anderen ein A.

„Wie heißen deine Schwestern?“ frage ich neugierig, als er bezahlt hat.

„Annabell und Isabell. Bei Gelegenheit stell ich sie dir vor.“ Dann nimmt er das kleine Tütchen entgegen, macht einen Schritt und zögert dann.

„Ich glaube ich erfülle das Klischee doch!“ Ernst sieht er mich an.

„Raphael du brauchst mir keinen Schmuck kaufen.“ Ich verdrehe die Augen.

„Ich will aber, also geh mal ein paar Stände weiter und lass dich überraschen!“ Ich seufze leise, gehorche aber. Irgendwie ist das ja schon süß von ihm. Also schlendere ich zu einem Stand, der nach Kräutern und frischem Brot duftet. Ein älteres Paar steht dahinter und lächelt mich freundlich an.

„Hier riecht es unheimlich gut.“ Erkläre ich fröhlich und lächle breit zurück.

„Möchten sie probieren?“ Der Mann hält mir ein Holzbrett entgegen auf dem kleine Butterbrote angerichtet sind.

„Danke! Ich greife nach einem und beiße hinein.

„Mmhhhh, das ist unglaublich lecker!“ Ich schlucke.

„Ich nehme ein kleines Brot, bitte.“ Der Mann packt mir einen Leib ein. Währenddessen sehe ich mir den Stand genauer an.

„Ich habe hier verschiedene Kräutermischungen anzubieten. Diese hier passt zum Beispiel gut zu Fisch und diese hier…“ schaltet sich jetzt auch die Frau ein.

„Danke, aber mein Freund ist ziemlich empfindlich. Er verträgt vieles nicht.“ Mein Blick bleibt an kleinen Metalldosen am oberen Standende hängen.

„Haben sie auch Tee?“ Die Frau nickt.

„Für sie oder ihren Freund?“ Wie? Verwirrt sehe ich sie an.

„Tee kann ich ihnen beliebig mischen. Wenn sie das möchten.“ Ich zögere kurz.

„Dann für meinen Freund!“

„Okay, beschreiben sie mir ihn und seine Probleme.“ Kurz sehe ich mich nach Raphael um. Er steht noch immer an dem Schmuckstand.

„Naja er ist stressanfällig, obwohl das stimmt eigentlich nicht. Er hat nur viel Stress… Momentan mehr als sonst. Sein Magen ist ziemlich empfindlich und neigt zu Krämpfen. Und er hat Probleme damit sein Gewicht zu halten.“ Das trifft es eigentlich ganz gut… denke ich.

„Schafgarbe und Fenchel würde ich für den Magen empfehlen. Dazu Koriander. Zur Entspannung ein Bad mit Hopfen oder Massageöl mit Melisse. Wenn das etwas für sie ist.“ Fügt sie schließlich hinzu, als ich nicht antworte. Ich überlege kurz. Das mit dem Bad ist eher nichts für ihn. Massageöl wollte ich sowieso besorgen, also warum nicht gleich hier.

„Der Tee klingt gut, das mit dem Massageöl auch. Aber Raphael ist nicht der Typ, der gerne badet!“ Ich zücke meinen Geldbeutel und zahle. Zwei starke Arme legen sich von hinten um meine Taille.

„Hey! Was hast du gekauft?“ Raphael lugt zu der Tüte, die ich gerade entgegen nehme.

„Brot und Tee. Und du?“ Er grinst schwach.

„Das zeige ich dir später!“ Jetzt bin ich aber verdammt neugierig.

„Ach komm schon… Verrate es mir!“ bettle ich und drehe mich zu ihm um. Raphael wirkt noch immer angespannt aber in seinen hellen Augen liegt zumindest ein kleiner Funken Schalk.

„Nein, das wäre doch langweilig!“ Am liebsten würde ich ihm gegen die Schulter boxen. Aber ich lasse es sein, fahre stattdessen mit der Hand durch sein blondes Haar. Ich ziehe seinen Kopf zu mir und lege meinen Mund an sein Ohr.

„Du bist schon ganz schön fies!“ flüstere ich. Er lacht. Ein echtes Lachen. Und das entschädigt mich dafür, dass er mir nicht verraten will was er gekauft hat. Ich löse mich von ihm und Raphael fasst wieder nach meiner Hand und verschränkt seine Finger mit meinen. Gemeinsam schlendern wir weiter.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Yamasha
2016-10-24T07:21:39+00:00 24.10.2016 09:21
So schnell wieder ein Kapitel! Ich bin begeistert :)
Und auch echt schön. Wobei ich genauso neugierig bin wie Mila worum sich dieses Telefonat gedreht hat. Muss ja ziemlich wichtig sein.
Antwort von:  kateling
24.10.2016 21:57
Ja, außnahmsweise war ich mal flotter...
Spannung hochhalten ;)
Von:  Sunshinera
2016-10-23T17:16:15+00:00 23.10.2016 19:16
Klasse Kapitel echt toll gemacht.
L.g Sunshinera
Antwort von:  kateling
24.10.2016 21:57
Danke sehr


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