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Heaven is a Halfpipe

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sending out an sos

Kapitel 1 – sending out an sos

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06.12.2015 - 07.12.2015 Heaven is a Halfpipe
 


 

Es gab da mal einen Mann, dem nichts Wichtiger war als seiner selbst. Einen Mann, welcher sich nicht darum kümmerte wie es anderen ging. Einen Mann der Ruhm und Anerkennung genoss, sowohl auf der Bühne als auch privat beim Betreten eines Clubs. Selten verbrachte er die Nächte allein, jedoch nie mit einer ihm bekannten Person. Wechselnden Beischlafpartner und provokante Flirts gehörten zu seinem Alltag, wie die morgendliche Zigarette und die Tasse Kaffee.

Bis er wieder in sein Leben trat.

Der Mann, welcher nicht mit sich spielen ließ und dennoch am Spiel teilnahm. Der Mann, welcher vor fünf Jahren noch ein kleiner Grünschnabel war, sich einfach nicht abwimmeln ließ und immer wieder kam. Auch dann, wenn man ihm offensichtlich abwies, ihm sagte dass es keinen Sinn hätte um irgendwelche Gefühle zu kämpfen, welche der Musiker nicht besaß.
 

Liebe.
 

Daisuke liebte nicht mit Gefühlen, er liebte allein mit seinem Körper. Wie oft hatte er es den damals 19-jährigen Yuuto gesagt? Wie oft warf er ihn raus, wie oft wies er ihn ab, pöbelte ihn an, beleidigte ihn, präsentierte seine neuen Spielgefährten für die kommende Nacht?
 

Es war Yuuto egal. Es war ihm schlichtweg egal, wie sehr Daisuke ihn verbal trat und verletzte – er kämpfte weiter dafür, den Mann zu bekehren, zu welchem er schon als kleiner Junge aufsah. Zu welchem er von jäher eine ganz besondere Beziehung aufbaute. Und das nur aus dem einfachen Grund, dass sie Nachbarn waren. Oft hatte er als Sechsjähriger bei Daisuke geklingelt, gefragt ob er mit ihm Fahrradfahren übt, weil seine Eltern nie die Zeit dafür fanden.

Oft kletterte er als Achtjähriger im Hinterhof über die Rosenbüsche und an den Efeubewachsenen Hausleitern zum ersten Stock hinauf, um an das Fenster des Kinderzimmers des 16-jährigen zu klopfen. Um zu fragen, ob er nicht mit ihm spielen wollte. Bis zu einem gewissen Alter konnte Daisuke dem kleinen Nachbarsjungen nie einen Wunsch abschlagen, konnte ihn kaum abweisen, außer er hatte wirklich keine Zeit. Doch schon mit 15 fing der damals bereits musikalische Junge mit diversen Liebschaften an. Wechselte die Partner, wie die Unterwäsche, wurde nicht all zu wenig von Yuuto dabei erwischt, wenn der sich sogar spät abends aus dem Haus schlich, um wieder an sein Fenster zu klopfen.
 

Er kannte Daisuke.

Er wusste oft schon vorher, was er sehen würde, sobald er das Fenster erreichte, lernte dadurch sehr früh dass nicht unbedingt immer Mann und Frau zusammen sein mussten. Daisuke erklärte den damals neunjährigen schließlich, dass Musiker das so machten. Die hatten nämlich keine Beziehungen oder gar Familie, weil sie sowieso nie zu Hause seien. Man wäre nur auf Tour, verbringe die meiste Zeit im Studio, habe gar keine Zeit für etwas Anderes, weil man das auch gar nicht wollte.

Und irgendwann … zog Daisuke von zu Hause aus, schenkte Yuuto seine Konsole und sein BMX Rad, weil der Kleine diese beiden Dinge so mochte und selbst nichts weiter hatte. Seine Familie war nicht unbedingt arm und Yuuto wurde auch nicht vernachlässigt im eigentlichen Sinne, wie man es glauben mochte. Dennoch war er viel auf sich allein gestellt, musste schon früh erwachsen werden, für sich selbst sorgen. Seine Eltern arbeiteten sehr lange und viel, um einmal Jährlich gemeinsam mit ihm und einer bekannten Familie in den Urlaub zu fahren. Die Zeit als Familie wurde in den beiden Wochen meist intensiv nachgeholt, und Dank Daisuke, sowie dessen Mutter, die den kleinen Yuuto oft von sich aus zum Essen einlud, fehlte dem Jungen an nichts.
 

Ihm fehlte kein Spielzeug, ihm fehlte keine Liebe.
 

Bis Daisuke fortging.
 

Es waren nur 20 Kilometer, aber für einen Zehnjährigen waren diese 20 Kilometer unendlich weit weg.
 


 

Wenn Yuuto sich heute an diese Zeiten zurückerinnerte, tat er dies mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Vielleicht war es nicht richtig unbedingt Daisuke, den rüpelhaften Nachbarsjungen als Vorbild zu nehmen. Vielleicht war es auch nicht richtig in dessen Fußstapfen zu treten was seine Bettgeschichten betraf, aber im Nachhinein bereute er keinen einzigen Schritt, welchen er ging. Auch nicht seine Alkohol- und Drogenexzesse mit gerade mal 13 Jahren. Er stürzte oft ab, entkam jedoch dem Sog der Abhängigkeit rechtzeitig – ganze fünf Mal. Bis auf den Nikotinkonsum hatte er allen anderen Laster eingestellt.
 

Daisuke selbst trank häufig einen über den Durst, kam oft sturzbetrunken nach Hause, genehmigte sich hin und wieder einen Blunt. Aber es störte Yuuto nicht. Nicht mehr, seitdem er ihn vor fünf Jahren endlich wiedersah. Neun Jahre waren vergangen. Nie hörte er von einem Durchbruch der Schulband des Nachbarsjungen, nie sah er ihn per Zufall in der Stadt oder anderswo. Es war, als wäre er 2000 Kilometer weit weg gezogen – und eventuell war er das Zwischenzeitlich auch. Wo Daisuke bis vor fünf Jahren lebte brachte Yuuto nie in Erfahrung, als er plötzlich vor ihm stand. Sehr viel Älter geworden, nicht mehr Jugendlich wirkend. Ein junger Erwachsener stand ihm da gegenüber, als Yuuto von einer Pipe stürzte bei einem seiner Wettkämpfe und durch einen Beinbruch ausschied.
 

Daisuke hatte das Rad aufgehoben, ihn mit erhobenen Brauen angesehen und amüsiert den Kopf geschüttelt. „Dass dieses alte Teil noch fährt ist ja unglaublich.“
 

Der Teenager, welcher von anderen Hilfe bakam und gerade versuchte sein Bein zu belasten, welches unfassbar schmerzte, blickte mit verzogenem Gesicht zu den im ersten Moment fremden Mann auf, ehe der Schmerz binnen Sekunden wie aus dem Nichts verschwand.

Hastig blickte das Augenpaar in die des Mannes, huschten von links nach rechts, musterten dessen Gesichtszüge innständig.
 

Das konnte unmöglich wahr sein!
 

* * *
 

„Ich konnte es nicht glauben.

Konnte einfach nicht fassen, dass er plötzlich vor mir stand.
 

Nach all den Jahren habe ich mich oft gefragt, wie es wohl sein wird, wenn er vor mir steht.
 

Ob ich ihn wiedererkennen würde.

Ob er mich überhaupt noch in Erinnerung behielt.

Ich fragte mich oft was aus ihm geworden ist, was er heute tat, ob er eventuell sogar eine Familie gegründet hat.
 

Jetzt muss ich über all diese Fragen schmunzeln, denn Daisuke war schlichtweg nur erwachsen geworden und nahm all seine unliebsamen Eigenschaften mit in diesen Lebensabschnitt.
 

Alles – nur mich nicht.
 

Er sagte nichts weiter an jenem Tag des Zusammentreffens und auch ich startete keine Konversation. Allein dass er sein altes Rad wiedererkannte und mir zuzwinkerte, wie er es als Teenie schon immer tat, so kess und unbekümmert, versicherte mir dass er mich nie vergessen hatte.
 

Da er den Kontakt zu seinem Elternaus pflegte – wenn auch extrem sporadisch - und sich seine Mutter nach wie vor noch sehr gut mit meiner verstand, kam er im Laufe der Woche zu uns nach Hause.
 

Krankenbesuch.
 

Es war eine komische Situation, aber irgendwie war es auch so, als wäre er nie weg gewesen. Erzählte mir von seinen Saufgelagen, seinem Job als Eventmanager, der ihn genauso einspannte, wie es wohl die Musik getan hätte. Diese gab er auf weil sie keinen Durchbruch schafften, musizierte nur noch sehr selten, wenn er Zeit hatte und ließ die beiläufige Bemerkung fallen, dass ich ziemlich groß geworden sei.
 

Ich wiederum musste feststellen dass Daisuke einfach umwerfend attraktiv aussah und meine kindliche Bindung, die ich damals zu ihm aufbaute blühte erneut auf. Allerdings blühte sie erwachsener, reifer, blühte in einem anderen Licht. Ich verstand nicht genau, was das sein sollte, bis ich eines Abends erneut auf Daisuke traf. In einem Szeneclub, was durchaus kein Zufall war. Durch die Gespräche wusste ich wo er sich herumtrieb, suchte von da an gezielt dessen Nähe und musste ihn begreiflich machen, dass ich kein kleiner Junge mehr war, der ihn zum Spielen aufforderte.
 

Ich war erwachsen. 19 Jahre alt, versuchte nun auf ganz andere Ebene mit ihm zu spielen. Es war ein harter Kampf. Stets lehnte er mich ab, sah noch immer den kleinen Jungen vor sich, redetet von unmoralischen Dingen, bis ich es schließlich schaffte ihn zum Spielen aufzufordern.
 

Wie damals.
 

Ich wusste mittlerweile wo er wohnte – klingelte bei ihm. Um ehrlich zu sein wäre ich vielleicht erneut die Wände hochgeklettert, aber inmitten der Innenstadt an der Frontseite einer Altbaufassade hinaufzuklettern hätte wohl in einer speziellen Jacke ein vorzeitiges Ende gefunden.
 

Mit 20 zog ich endlich aus von zu Hause und mit einem guten Freund in eine WG. Auch er liebte das Biken, teilte meine Leidenschaft und wir verbrachten jede freie Minute auf unseren Rädern, übten Moves, Styles, bereiteten uns auf diverse Wettkämpfe vor. Mein Leben war nahezu perfekt. Ich schwelgte nach wie vor nicht in Ruhm, ging einen einfachen Job als Kellner nach, trainierte viel, traf mich mit Daisuke, schlief mit ihm … aber genau da lag das ‚nahezu‘.
 

Ich hatte mich verliebt.
 

Ich hatte mich total in Daisuke verliebt und als ich es ihm sagte, lachte er nur. Diese Reaktion habe ich ehrlich gesagt erwartet, genauso wie die folgenden Worte, dass er nicht auf solchen Kram stünde und ich mir jemanden suchen sollte, der mich verdiente. Der mir gut tat, der mit mir gemeinsam in die Zukunft ging. Nur konnte man Gefühle nicht ändern oder abstellen, weswegen ich weiterhin versuchte an ihn heranzukommen, ihn irgendwie auf den Geschmack zu bringen, wie es wäre, würden wir eine Beziehung führen. Doch je mehr ich es versuchte, umso deutlicher wurden seine provokanten Spiele mit anderen, welche er mir vor dem zu Bett gehen noch fein präsentierte.
 

War ich eifersüchtig?
 

Aber natürlich war ich das …
 

Hatte er angebissen?
 

Oh ja … und wie er das hat. Sonst wäre er jetzt nicht hier.

Er säße nicht bei mir am Krankenbett, um darauf zu warten dass ich endlich die Augen öffnen würde nach meiner gestrigen Operation …
 

* * *
 

Fünf Jahre waren ins Land gegangen. Fünf Jahre in welchem sich die beiden Männer ganz neu wieder kennen lernten, neue und alte Gemeinsamkeiten austauschten. Jahre, in welchem sich Yuuto, welcher mittlerweile 23 war, fast die Zähne ausbiss an dem alten Granit, welches sich Daisuke schimpfte und gestern seinen 31 Geburtstag feierte.
 

Er schien es langsam geschafft zu haben Daisuke auf den Geschmack zu bringen, so etwas wie eine Beziehung zu führen, auch wenn sie nie darüber sprachen. Doch er ließ den Jüngeren nahezu bei sich wohnen, überreichte ihm den Zweitschlüssel zu seiner Wohnung, brachte seit einigen Wochen keine Liebeleien mehr mit nach Hause – vögelte Anstandshalber außerhalb. Es war okay für Yuuto, solange man ihm nicht unter die Nase rieb, was der Ältere trieb und vor allem mit wem. Allerdings frustrierte es ihn immer wieder, wenn Daisuke ihm schrieb, dass er nicht zum Abendessen nach Hause käme, wegen der Arbeit.
 

Welche Arbeit er nun meinte – beruflich oder Freizeit – hinterfragte Yuuto nie, wollte nicht kaputt machen, was er schaffte und räumte die Sushi Häppchen zurück in den Kühlschrank, blies die Kerzen auf dem Tisch aus und beseufzte wenige Momente später das Display seines Smartphones, als die Nachricht erneut gelesen wurde. Vielleicht kam eine weitere?
 

Doch da wartete Yuuto vergebens in der Wohnung des Älteren, bekam stattdessen eine Nachricht von Toshiya – seinem WG Kumpel und ‚BB‘ – Biker-Bro, wie sie es so schön nannten.
 

Ob er nicht Lust habe auf eine Runde in der Halle.
 

Normalerweise überlegte Yuuto nicht, doch an jenem Abend las er auch diese Nachricht erneut, blickte auf den gedeckten Tisch und anschließend aus dem Fenster über die Dächer der Stadt. Überall bunte Lichter. Überall Schnee. Überall Menschen, welche noch schnell einige Tage vor Heilig Abend die letzten, oder generell die Geschenke einkauften.

Irgendwo dort war auch Daisuke in jenem Augenblick und würde keine Sekunde an Yuuto denken bei dem was er tat. Er würde nicht vorzeitig nach Hause kommen, würde sich nicht entschuldigen dass er ihr Date hatte platzen lassen, wobei sich der Jüngere extra freigenommen hatte, um alleine mit Daisuke dessen Alt sein nach zu feiern.
 

Ganz in Ruhe.

Wie es sich als Greis gehörte.
 

Aber er kam nicht.

Hatte gestern mit den Callboys eine menge Spaß gehabt, war mit einem ordentlichen Kater zur Arbeit gegangen und schien sich nun davon längst erholt zu haben, um alten Gewohnheiten nachzugehen.
 

Natürlich war das frustrierend, aber sie waren kein kitschiges Pärchen, wie er immer betonte, also tippte der Kellner ein schnelles „In 30 Minuten an der Halle. Verlierer zahlt ;)“, in das Handy und machte sich anschließend auf den Weg.
 

Die Halle lag am Randgebiet der Stadt, war eigentlich vor vielen Jahren eine Turnhalle gewesen, bis sich damalige Jugendliche nach deren Stilllegung daran machten eine Halle zum Biken daraus zu machen. Übergänge vom Außen zum Innengelände wurden geschaffen, eine richtige Traumlandschaft, woran sich auch Yuuto und sein Kumpel beteiligten. Stets wurde neues dazu gebaut, altes erneuert, sie waren eine richtige kleine Gemeinschaft geworden. Im Winter nutzten sie nur die Innenhalle, dennoch war immer viel los.
 

Nur nicht an jenem Abend.
 

Als Yuuto sein BMX, mit welchem er täglich unterwegs war, aus Daisukes Kellerabteil holte und durch die Schneelandschaft fuhr, sowie dabei Treppengeländer und Parkbänke zum Aufwärmen nutzte, stellte er beim Ankommen an der Halle fest, dass absolut keiner da war. Auch Toshiya schien noch nicht da zu sein, denn das Licht in der Halle war noch aus und am Tor wartete keiner als er langsam im Sitzen darauf zurollte und sich umsah. Eine kleine Eisscholle unter der Schneedecke brachten ihn kurzweilig ins Schlingern, sodass er sich vom Sattel erhob um sein Gleichgewicht auszubalancieren. Selbst über sich schmunzelnd deswegen, rollte er bis vor das Tor, freute sich tierisch darüber gewonnen zu haben und beschloss dann schon einmal reinzugehen, stieg vom Rad und schob es neben sich in der Mitte des Lenkers haltend in die Halle.
 

Es war ein Wunder dass noch keine Randalen stattfanden, obwohl nie abgeschlossen war. Es machte wenig Sinn, da überall offene Stellen waren, um die Fahrbahnen miteinander zu verbinden, um Pipes zwischen Innen und Außen zu erschaffen. Immer wieder aufs Neue war der junge Sportler begeistert von dem Antlitz, sobald er den großen Schalter neben der alten doppeltürigen Hallentür betätigte und der Himmel auf Erden vor ihm erstrahlte. Vermengt mit dem Geruch von neuer Farbe und altem Holz, setzte er sich wieder auf sein Rad, machte damit eine halbe Drehung um nach draußen zu sehen.
 

Noch immer kein Toshiya.
 

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass die halbe Stunde noch längst nicht um war und er nicht lange brauchte. Zehn Minuten hatte der WG Kumpel noch, doch so lange wollte Yuuto nicht warten, schwang sich grinsend nochmals herum und fuhr eine normale Hallenrunde, nahm zunächst nur kleine Hindernisse, fuhr die Schrägwand nur zur Hälfte an und nutzte den Schwung derer um auf die angrenzende Pipe einzulenken.
 

Viele Jahre fuhr er nun schon.

Kannte diese Halle In- und auswendig, hatte es Daisuke zu verdanken, dass er diesen Sport für sich entdeckte. Hatte ihm all sein Training zu verdanken, hatte es ihm zu verdanken, dass er sich dabei frei und unbefangen fühlte, dass er Adrenalin in sich spürte, sich mehr und mehr traute, sich immer neuen Herausforderungen stellte.
 

Auch in jenem Moment war es Daisuke zu verdanken, dass er vom Boden abhob. Dass er durch die Luft glitt, dabei die Füße vom Rad nahm, in der Luft neben diesem herlief, um anschließend sicher und gekonnt mit beiden Rädern auf dem Boden zu landen. Was für andere Kunst und Musik war, war für Yuuto sein BMX.

Einige Ehrungen durfte er schon verzeichnen, hatte Urkunden und diverse Preise in der WG in einer großen Kiste verstaut. Er war kein Protzer, brauchte keine Preise. Nur wenn er eines Tages auf dem ganz großen Treppchen stünde bei der Weltmeisterschaft, dann würde er diesen Preis zumindest in sein Zimmer stellen. Die letzten beiden Male als er teilnahm reichte es leider nur für die Top 10 und die Top 5. Natürlich spornte das an beim nächsten Mal zur Landes Meisterschaft unter die Top 3 zu kommen. Denn dann könnte er sofort zur Weltmeisterschaft die Nummer eins werden.
 

So, oder so ähnlich gestalteten sich zumindest seine Träume, als er mal wieder schmunzelnd über sich selbst den Kopf schüttelte. Wie lange träumte er nun davon auf dem Siegertreppchen zu stehen? Wie lange buhlte er schon darum? Es war manchmal so lächerlich, wenn die 13 Jahre bildlich vor dem inneren Auge aufleuchteten und er noch immer kein Treppchen bei einer Weltmeisterschaft gewann. Nur bei den Landesmeisterschaften kam er stets unter die Top 5, einmal unter die Top drei, welches Yuuto jedoch nicht wertete. Eigentlich wäre er auf Platz vier gewesen und kam unter großem Augenzudrücken auf das Treppchen.
 

Es zählte nicht für ihn.

Wenn, dann wollte er mit geöffneten Augen einen Preis verdienen. Für sein Können und nicht für Nettigkeiten anderer, als ein Schatten hinter ihm den Gedankenkreisel schließlich entschleunigte und zum Erliegen brachte.
 

„Bist du über Hawaii geschwommen?“, feixte Yuuto, als Toshiya von der Bande sprang und Rückwärts neben ihm weiterfuhr mit einem breitem Schmunzeln. „Laber nich!“

Yuuto nickte ihm entgegen. „Amsterdam?“

„Alter, es liegt Schnee, ich hab die U-Bahn genommen bis zur Postbank.“

„Was?!“, stieß der Jüngere der Beiden belustigt aus, sprang über eine Erhöhung, drehte sich dabei und lehnte sich mit der gewisse Dosis Schwung nach vorn, sodass nur noch das Vorderrad den Boden berührte, glich das Ungleichgewicht mit seinem Körper aus, indem er mit einem Fuß auf einem Pedal stand, mit den anderem wiederum das Vorderrad andrehte, um neben Toshiya ebenso rückwärts weiterzufahren. „Ist das dein Ernst? In der Stadt liegt kaum Schnee auf den Straßen, wieso bist du nicht da lang gefahren?“

„Schon vergessen was los ist? Vorweihnachtszeit, die Bullen verstärkt überall unterwegs, ich hab echt kein Bock auf Stress gehabt.“

„Pf“, stieß ein verächtlicher Laut aus der Kehle, während beide Füße auf den hinteren Fußrasten landeten und sich der Körper samt Bike herumdrehte, um vorwärts weiterzufahren, die nächste Pipe ansteuernd. „Bin ich froh dass ich durch den Park kann, da hab ich solche Überlegungsprobleme nicht“, zog er Toshiya kumpelhaft auf, der nur mit den Augen rollte und mit diversen Aufwärmkunststückchen um die Pipe herumfuhr. „Wann bist du eigentlich mal wieder in der WG?“

„Heute.“

„Heute? Ich dachte du und dein Mr. Lieblingsarschloch habt ein ‚Date‘?“, setzte er mit beiden Händen vom Lenker genommen in Anführungszeichen und sah zu Yuuto, welcher mit den Fußrasten einem Geländer entlanggrindete, den Lenker zum Schluss um die eigene Achse drehen ließ, um mit einer komplett halben Drehung auf den Boden aufzukommen, wo er sich zunächst ausrollen ließ, und stehen blieb im Sitzen. „Und trotzdem fragst du nach, ob ich Zeit hätte?“, warf er ungläubig aus, löste dem anderen ein Lachen. „Oh man, Yuuto. Ganz ehrlich“, seufzte er lauthals, kam neben ihm gerollt, blieb ebenso stehen. „Du bist doch hier, oder nicht?“
 

Stille kehrte ein.

Er mied Toshiyas musternden Blick, fühlte sich ertappt und hob die Schultern schnaufend an. „Er muss halt arbeiten.“

„Mhm.“ Es klang nach einer Verteidigung „Wie lange willst du dir das noch antun?“

„Was denn antun?“ Yuuto verstand nicht, runzelte die Stirn.

„Du weißt genau was ich meine. Du und Daisuke. Ihr werdet kein Paar. Er ist nicht dafür gemacht Yuuto. War er nie, wird er nie. Wann kapierst du das endlich?“

„Du kennst ihn doch gar nicht.“ Aber er hatte wahrscheinlich Recht und genau das wollte der Kellner einfach nicht hören.
 

Die Wahrheit.

Er ertrug sie nicht.

Für ihn war Daisuke in diesem Augenblick auf Arbeit. Plante ein Event. Baute ein Festzelt ab. Die Option dass er in anderen Betten lag oder es sich direkt in einem Szeneclub besorgen ließ gab es nicht. Sobald diese Gedanken aufkeimten, schob er sie weg. Weit weg.
 

Wieder holte Toshiyas Seufzen ihn aus den Gedanken und wieder kehrte einen Moment Stille ein, ehe ein tiefes Luftholen Yuuto vermittelte, dass das Gespräch auf etwas Anderes hinauslaufen sollte.
 

„Ich meine nur. Du bist andauernd bei ihm. Irgendwas wird er dir geben, sonst wäre es nicht so. Es ist nur … wir sind damals in die WG gezogen, um gemeinsam Party zu machen, weißt du noch? Seitdem Daisuke wieder in dein Leben getreten ist bist du kaum noch anzutreffen, außer zum Biken. Das ist ja auch okay, wirklich, ich habe damit kein Problem. Nur ist dein Zimmer ungenutzt und da meine Freundin und ich überlegen zusammenzuziehen, habe ich überlegt, ob wir die WG nicht aufgeben sollten.“
 

Aha.

Geschickter Übergang und geschickte Einleitung, dennoch traf es Yuuto unvorhergesehen und er klemmte die Unterlippe angestrengt nachdenkend zwischen die Zähne. Schüttelte seicht den Kopf. „Und dann? Ich kann mir keine eigene Wohnung leisten, so viel verdiene ich nicht und das bisschen was bleibt geht ins Biken.“

„Ja, ich weiß. Aber wie ich bereits sagte bist du doch sowieso die meiste Zeit bei Daisuke und-“

„Aber ich wohne da nicht.“

„Hast du nicht gesagt einen Schlüssel bekommen zu haben?“

„Jaaa, schon.“ Wie sollte er das denn plausibel erklären? Wie erklärte man einen Retro veranlagten Heterotypen eine extravagante Homo-Vergesellschaftung?

„Ich lass dich nicht auflaufen Yuuto. Ich werde erst ausziehen wenn du eine geeignete Lösung gefunden hast. Vielleicht finden wir auch jemanden für mein Zimmer, aber so wie es ist und sich die Dinge entwickeln hat die WG keine Zukunft, meinst du nicht?“
 

Klang plausibel, natürlich.

Dennoch überraschte es den Kellner, der nur wieder tief Luft holte und resignierend die Schultern hob. „Das ist gar keine Überlegung mehr von dir, oder?“

Toshiya schüttelte den Kopf. Wollte es Yuuto nur schonend beibringen, ohne ihre Freundschaft darunter leiden zu lassen und der schien es auch zu verstehen, wenn auch mit hängendem Kopf.
 

„Eigentlich schade dass das mit euch beiden nicht klappt. Sonst hättest du einfach bei ihm bleiben können, dann wäre Ayumi bei mir eingezogen und wir hätten die WG einfach genutzt.“

„Ach? Soweit seid ihr schon mit eurer Planung, ja?“ Er wurde zornig, denn aus der zunächst fixen Idee einfach die WG aufzulösen, wurden nun ausgereifte Pläne wovon er nichts ahnte!

Vorwurfsvoll blickte er zu seinem Freund der nur augenrollend den Kopf schüttelte. „Wir planen noch gar nichts, das sind nur Überlegungen und weil du eben, wie schon gesagt, sowieso kaum noch da bist und du schon im Besitz eines Schlüssels bist dachten wir-“

„So! Dachtet ihr also, hm? Was dachtet ihr denn, mich einfach rauszuwerfen, weils die einfachste Lösung ist für euer beschissenes Liebesnest?“

„Alter, komm wieder runter.“

„Ich bin noch gar nicht oben!“, fauchte der Jüngere erbost, rollte wenige Zentimeter vor und zurück mit seinem Rad und schnaufte hörbar durch die Nase. Kräftig schubste der Schwung des Körpers das Rad zum Fahren an, kreiste um den WG Kumpel, welcher die Augen schloss und seufzte.
 

Yuutos Reaktion war zu erwarten.
 

„Reg dich ab. Ich sagte doch bereits dass ich nicht ausziehen werde, bevor du was gefunden hast, oder jemand nachrückt.“

„Oho, warte kurz!“ Yuuto stemmte einen Fuß fest in den Boden, drehte mit dem anderen das Pedal zurück um diesen darauf abzustellen und sah mit zusammengekniffenen Augen zu seinem Gegenüber. „Suchst du etwa schon? Einen Nachmieter?“

Toshiya stöhnte auf, suchte den Blick des anderen, setzte sich auf den Sattel und schob sich mit den Füßen zurück, um auf Augenhöhe mit seinem Gesprächspartner zu sein. „Ist es denn so schlimm? Wenn alles so bleibt wie es ist, kann es doch egal sein wer nachkommt – falls sich überhaupt einer meldet. Du bist sowieso nie da. Und ich habe ehrlich gesagt keine Lust noch ewig zu warten. Ayumi will auch endlich raus von zu Hause und-“

„Ach, so ist das also. Und dann beschließt du einfach mal selbst wer bei MIR einzieht?!“

„Nein, man! Ich würde dir die Leute vorher zeigen, die sich das Zimmer ansehen. Das war nur so gesagt, weil’s doch wirklich egal ist wer-“

„Mach doch was du willst!“, fuhr Yuuto dem anderen abermals ins Wort, welcher ebenso abermals kopfschüttelnd aufstöhnte und die Diskussion aufgab, indem er in die Pedale trat und den Spieß umdrehte – ihn umkreiste.

„Ich hätte nichts über deinen Kopf hinweg entschieden, klar? Und was ich mit meinem Zimmer anstelle, kann dir egal sein, sei froh dass ich so ein Kumpel bin und dir die Nachfolger vorstelle, ja, dir sogar Zeit gebe, falls sich keiner findet, bis du die beste Lösung für dich findest! Meine Meinung ändert sich jetzt auch nicht, nur weil du wieder rumstresst, klar? Ich werde ausziehen, sobald es geht, also kümmere dich bitte um eine Bleibe oder sieh zu dass du bei deinem Mr. Großkotz bleibst!“

„Ich bin noch nicht soweit!“

„Wie meinst du das?“, wollte Toshiya weiterhin umkreisend von dem Anderem wissen, sah ihn skeptisch an.

„Das verstehst du nicht.“

„Weil ich nicht schwul bin oder was?“, belustigten sich die gesagten Worte, brachten Yuuto erneut dazu den Kumpel zornig anzusehen, umgriff den Lenker fest und trat nun selbst in die Pedale. „GENAU das!“

Wieder lachte Toshiya kopfschüttelnd auf, wies eine abwertende Handbewegung auf. „Oh man. Ehrlich Yuuto, ich kann nichts dafür dass er dich schon wieder alleine zu Hause versauern lässt, um sich Tripper und Syphilis bei irgendwelchen Schwuchteln abzuholen die ihm gut genug zum durchknallen sind. Such dir endlich jemanden der dich verdient! Es gibt auch Schwule da draußen, die ganz normale Beziehungen führen wie wir spießigen Heteros.“

„Und? Wenn alle dir sagen dass du Ayumi verlassen sollst weil sie ´ne Schlampe ist, würdest du’s tun?“

Toshiya hob die Schultern, fuhr ein letztes Mal um Yuuto, welcher den Kreis schloss und den anderen zur Tür folgte. „Wenn sie wirklich eine wäre, ja.“

„Also liebst du sie nicht.“

„Was hat das Eine mit dem Anderen zu tun? Ich liebe keine Frau die es mit tausend anderen Typen treibt.“

„Wenn du sie aber schon lange kennst? Nie anders erlebst? Und Sie dir trotzdem immer hilft und für dich da ist?“

„Ach, Yuuto … das hat keinen Sinn. Du und Daisuke-“

„Es gibt kein Ich UND er, das weiß ich! Trotzdem tut er mir gut! Er hilft mir, er ist immer für mich da und er hat mir schon seit jeher gesagt, dass er niemals eine Beziehung führen wird und möchte!“

„Oh Yuuto. Er tut dir alles, aber sicherlich nicht gut! Mach endlich die Augen auf! Ihr seid erwachsen, DU bist erwachsen, du brauchst Daisuke nicht mehr! Mag sein dass er mit offenen Karten spielt, aber genauso gut weiß er auch wie es in dir drin aussieht und steigt trotzdem mit dir in die Kiste, gibt dir jede noch so kleine Hoffnung dass sich da irgendwann einmal etwas ändert und er dich als seinen Partner wünscht. Aber Yuuto, wach auf! Das wird nicht passieren! Es passiert schon seit 31 Jahren nicht, wieso jetzt? Wieso morgen, wieso in drei Jahren, meinst du, sollte sich daran etwas ändern?“

„Ich will doch nur bei ihm sein!“

„Und wo ist er jetzt? Yuuto, sag mir, wo ist er jetzt?!“

„Arbeiten!“

„Hör doch auf! Du weißt genau wo er ist!“

„Du bist so ein Arschloch!“
 


 

Die Wahrheit war manchmal schwer zu ertragen, wenn sie direkt ausgesprochen wurde. Sie zu kennen, aber stets heimlich zu verdrängen und sie zu hören ohne jegliche Möglichkeit zu haben auszuweichen waren zwei gefährliche Emotionscocktails. Das Gemisch war hoch explosiv, trübte die Sinne, ließen keinen klaren Gedanken mehr fassen.

So wandte Yuuto Toshiya den Rücken zu mit seinem Rad, fuhr durch die offene Hallentür hinaus, ohne zu wissen, worum es ursprünglich in diesem Gespräch ging.
 

„Yuuto! Yuuto, jetzt warte doch! Hey, jetzt hau nicht ab, lass uns das in Ruhe klären!“, rief Toshiya aufgewühlt durch die Nacht, betätigte den Schalter, um das Licht zu löschen und fuhr dem anderen nach, wollte ihn einholen. Doch die Eisscholle, welche Yuutos Ankunft bereits ins Schlingern brachte, hinderte nun auch den Älteren daran seinen Freund schnellstmöglich zu folgen, welcher sich genauso im letzten Moment fing um nicht zu stürzen. Erschrocken über das Unvorhergesehene, sah sich das Augenpaar im Mondschein und im Glanze der Straßenlaternen um, erblickte überall glitzernde Schollen und befand es für zu gefährlich mit seinem Rad über diese Flächen zu fahren. Er hob den Blick, sah im matten Schein des Lichtes wie Yuuto auf die Hauptstraße zufuhr, als eine Schneeflocke auf seiner Nase landete.
 

Es begann erneut zu schneien.

Der Wind frischte auf, sodass der Schal höher gezogen wurde. Der Atem zauberte kleine Wölkchen in die Nachtluft, die Nase begann zu laufen.
 

„Yuuto! Yuuto warte!“

Sie sollten besser zu Fuß gehen, auch wenn Yuuto das so gut wie nie tat, welcher mit rasantem Tempo über den verschneiten und gefrorenen Schotterweg fuhr und nicht daran dachte auf den anderen zu warten. Der erzählte ihm wie Gefühlskalt Daisuke doch sei. Dass er ihm nicht gut tat, dass er jemanden anderen verdient hätte der sich wirklich für ihn interessierte und verletzte den jungen Mann mit dieser anderen Art der Ehrlichkeit genauso sehr, wie es Daisuke tat!

Natürlich ging es Yuuto in der Beziehung zu dem Eventmanager nicht gut! Natürlich setzte er ihn anfangs immer wieder vor die Tür, betitelte ihn mit Worten, welche er nicht einmal denkend wiederholen wollte, da er ihn loswerden wollte. Nicht bei sich haben wollte. Er schlief mit der ganzen Welt - wann er wollte, wo er wollte, gab Yuuto tatsächlich immer wieder einen kleinen Grashalm, an welchem er sich klammerte und einen Funken Hoffnung entzündete, nur um am Ende wieder vergebens auf den Älteren zu warten.
 

War das dumm?

Naiv?

Hirnlos?
 

Wahrscheinlich.

Aber wer konnte schon selbst darüber entscheiden, wie die Liebe handelte? Wer lenkte diese Gefühlswelten, welche diese absurde Krankheit mit sich brachte gezielt selbst, bestimmte über seine Worte, seine Taten?
 

Niemand, oder?

Niemand konnte der Gefühlswelt entfliehen.

Niemand verstand sich selbst wenn die Gefühle Worte formten, die man vor einem Jahr noch nicht einmal kannte. Man geriet in Streitigkeiten mit geliebten Menschen, weil sie die einzigen waren, die diese Welt betraten. Nur sie lösten diese Gefühle aus, weil sie der Seele nahe standen. Weil sie Zutritt zum Herzen hatten. Wäre Toshiya nicht längst ein sehr guter Freund, wäre es Yuuto wahrlich egal gewesen, ob dieser mit Ayumi in eine gemeinsame Zukunft starten wollte. Ihm wäre es auch egal gewesen, hätte man ihn an jenem Abend nicht schon wieder versetzt.
 

Wenn sie nicht da gewesen wären.
 

Die Wahrheit.

Die Gefühle.

Die Emotionen.
 

Sie trübten nicht nur den Sinn und den Verstand, sie machten genauso blind, wie die Liebe selbst. Rasend vor Wut, Zorn und Verzweiflung trat Yuuto in die Pedale, ignorierte die heftigen Aussetzer seines Hinterrades, sobald das Eis den Reifen wegzog und steuerte die derzeit wenig befahrene Hauptstraße an. Kurz zuvor drosselte er jedoch das Tempo Dank seines Handys, welches sich meldete. Eine bestimmte Melodie ließ ihn sofort wissen, dass es Daisuke war, der anrief – jemand anderes hätte ihn nicht zum Halten gebracht, sodass er wenige Sekunden später endlich stehen blieb und leicht außer Atem abnahm.
 

„Ja?“

Als wüsste er nicht wer am anderen Ende sei.
 

„Wo bist du?“, wollte Daisuke wie nebenbei gefragt wissen und brachte den Jüngeren zum Murren. „Wo ICH bin?“

Daisuke lachte verhalten. „Ich fahre gleich nach Hause, ich muss nur noch den Drucklauf durchlassen von 500 Blatt.“

„Ach komm schon! Denkst du wirklich ich bin so blöd und weiß nicht dass du in irgendeinem Club deinen Schwanz rumreichst?“

„Warum so gereizt? Ich hab dir rechtzeitig Bescheid gesagt dass ich es nicht schaffe, wie du´s dir gewünscht hast.“

Yuuto biss die Zähne fest zusammen, schluckte und schloss die Lider für einen Augenblick.
 

Wie er es sich gewünscht hat …
 

„Mal davon abgesehen hatten wir heute ein Date, oder nicht? Es wäre also höchst unsensibel von mir gerade heute auf einem anderen Spielplatz zu spielen, meinst du nicht?“
 

„Und wieso tust du’s dann?! Wieso?! Bin ich dir nicht gut genug?! Sag schon, was stört dich an mir!“

„Was soll der Mist jetzt schon wieder?“

Yuuto stieg auf beide Pedale, fuhr unachtsam und auch unbewusst im Stehen weiter, geriet noch mehr ins Wanken als zuvor durch den glatten Untergrund und war den Tränen nahe.
 

Er wusste doch, dass er diesen Mann niemals für sich haben konnte. Er wusste, dass er Daisuke nicht zu einem Heteromäßigen, spießigen Homoleben verleiten konnte. Und dennoch blieb er dran, versuchte es über all die Jahre hinweg, nur um Letzen Endes einen Zweitschlüssel in der Hand zu halten, den er nur deswegen bekam, weil dem anderen das Klingeln auf den Sack ging. Es war kein Sieg. Es war kein Schritt nach vorn. Es war der besagte dritte Platz in der Landesmeisterschaft mit zwei zugedrückten Augen und eventuell einem Hauch Nettigkeit.
 

Mehr nicht.

Mehr würde es nie sein.
 

Daisuke seufzte in den Hörer. „Erst machst du mir Szenen, weil ich nicht Bescheid sage, jetzt machst du mir Szenen, weil ich Bescheid sage – kann man´s dir überhaupt mal Recht machen? Und was sind das für Geräusche? Bist du draußen?“ War er gar nicht zu Hause, also … bei ihm?

Die Vorbeifahrende Autokolonne verriet dem Anrufer dass der Jüngling draußen zu sein schien, welcher die Tränen einfach laufen ließ, im Glauben darüber dass die Straße frei sei, ohne nochmals nachzusehen, ohne zu antworten. „Also wenn du mir jetzt so kommst, fahre ich dann direkt ins ‚Peach‘.“

Yuuto lächelte wehmütig, schluckte den harten Kloß hinunter und spürte deutlich wie sehr sein Herz gegen die Brust schlug.
 

Weil es nicht damit einverstanden war.

Es war nicht damit einverstanden ständig ignoriert und unterdrückt zu werden von irgendwelchen Hirngespinsten die sich mechanisch behaupteten!
 

„Wie wenn du da nicht schon längst bist …“

„Glaub was du willst, ich bin dir keine Rechenschaft schuldig, wann kapierst du das endlich mal?“

„Ein Abend Daisuke! Ein verschissener Abend, nur mit mir, ist selbst das zu viel? Ich sitze andauernd da und warte wie ein beschissener Köter auf dich, obwohl ich genau weiß dass du nicht kommen wirst!“ Er war verzweifelt, ließ Toshiyas Worte in sich aufgehen, welche er eigentlich abwehrte und leugnete.
 

Daisuke schien noch etwas zu antworten, doch Yuuto hob den Kopf, irritiert von einer plötzlich geblendeten Lichtquelle und einer lauten Hupe, die dumpf in den Gehörgang eindrang. Ebenso dumpf drang wie aus dem Nichts Toshiyas Geschrei zu ihm hindurch, als der Hinterreifen erneut den Gripp verlor.
 

Ebenso dumpf war die Erschütterung, welche durch seinen Körper bebte. Ebenso dumpf und unklar … wurde die Umwelt.
 

„Scheiße, nein! Scheiße! Scheiße, man, Yuuto! Yuuto!“
 

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Next?

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  LeeAnn
2015-12-07T19:58:30+00:00 07.12.2015 20:58
Ich würde gern wissen wie es weiter geht
Antwort von:  xManja
08.12.2015 14:58
schon in Arbeit ;)
Antwort von:  LeeAnn
08.12.2015 17:56
Frei mich schon 😀❤


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