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Wahre Liebe

von

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Kapitel 2
 

Zimmer 22c lag am Ende des Ganges. Im dem Zimmer war es ein wenig dunkel, denn die Vorhänge waren zugezogen. Was wohl daran lag, dass Dr. Piller den Verdacht einer Gehirnerschütterung hatte und der Patientin Ruhe verordnet hatte.
 

Mit einem freundlichen: "Guten Morgen", trat Gilbert an das Bett und sah auf das Krankenblatt das am Fußende befestigt war. Als er aufsah sah er eine junge, hübsche Frau mit rotem Haar, das in langen Wellen über ihre Schultern wallte. Am meisten beeindruckten ihn jedoch ihre Augen. Noch nie hatte Gilbert so schöne grau-grüne Augen gesehen. Das besondere an ihnen war, dass sie irgendwie zu glitzern schienen.
 

"Guten Morgen", erwiderte die junge Frau und lächelte ihm matt zu.
 

"Ich bin Dr. Blythe, ihr behandelnder Arzt. Wie geht es ihnen heute Morgen?"
 

"Eigentlich ganz gut, bis auf meinen Fuß."
 

"Keine Kopfschmerzen? Kein Schwindel?" fragte Gilbert und begann ihren Puls zu fühlen.
 

"Nein, nichts dergleichen. Müssen diese Vorhänge wirklich zu gezogen sein? Es ist so deprimierend, wenn man nicht mal aus dem Fenster sehen kann. Da hilft einem selbst die blühendste Phantasie nichts." Deprimiert sah sie zum Fenster.
 

Gilbert lacht über ihre Bemerkung und meinte: "Wenn sich Dr. Pillers Verdacht auf eine Gehirnerschütterung nicht bestätigt können wir die Vorhänge wieder öffnen. Man hat von hier einen wundervollen Blick auf den Park."
 

Sie strahlte ihn an: "Denn werde ich mir solange vorstellen, wie der Park aussieht. Bestimmt hat es Birken und Kastanien darin."
 

Gilbert lächelte breit. Er fand Gefallen an dieser jungen Lehrerin. Irgendwie war sie recht außergewöhnlich, aber auf eine nette Art.
 

"Es gibt sogar ein richtiges kleines Birkenwäldchen darin. Birken gefallen mir ganz besonders." Antwortete er ehrlich.
 

"Mir auch, ich mag alle Bäume. Aber Birken am allermeisten. Ihr weißer Stamm lässt sie so elegant aussehen, " ihre Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an. Auf ihrer Nase bemerkte er plötzlich einige Sommersprossen und irgendwie wurde ihm bewusst, dass sie eine außergewöhnlich hübsche Nase hatte. Er hatte den Sitz der Schiene an ihrem Bein kontrolliert und nickte zufrieden. Alles war in bester Ordnung.
 

"Ich denke nicht, dass sie eine Gehirnerschütterung haben. Wenn bis heute Mittag keine Kopfschmerzen oder sonstige Beschwerden auftreten, kann eine der Schwestern die Vorhänge wieder aufziehen." Mit Freude bemerkte er, dass ihre Augen fröhlich zu glitzern begannen. Es gefiel ihm, wenn er ihr eine Freude machen konnte.
 

Sein Blick streifte über ihren Nachttisch und er erblickte dort ein kleines Büchlein, dessen Einband schon ziemlich abgegriffen war.
 

"Mit dem Lesen sollten sie aber vorsichtshalber noch ein bisschen warten. Wir wollen es nicht übertreiben, " mahnte er lächelnd.
 

Anne bemerkte seinen Blick auf ihr Buch und lächelte: "Oh nein, ich brauche dieses Buch nicht zu lesen. Ich kenne jedes Wort darin auswendig. Es klingt vielleicht albern, aber ich möchte es einfach nur in meiner Nähe haben. Es hat schon so einiges mitgemacht, " sie griff nach dem Buch und strich behutsam über die eine Ecke, an der ein Stück fehlte. "Ich habe es schon, seit ich ein kleines Mädchen bin. Es ist ein Erbstück und ich hänge sehr daran. Aber zu lesen brauch ich es wirklich nicht." Sie schloss die Augen und begann zu rezitieren:
 

Weiden, Espen, silbern sirren. In dem Flusse Lichter flirren. Der seit Zeiten ohne irren, um die Insel fließt hinunter, zu dem Schlosse Camelot.
 

Vier Mauern grau, vier grau Türme, trotzen bunter Blütenstürme, in der Insel Stille weilte, die Lady von Shalott.
 

Plötzlich öffnete sie die Augen und ihre Wangen röteten sich. Auf einmal fragte Anne sich, was sie hier eigentlich tat. Wieso begann sie einfach ein Gedicht vor ihm zu rezitieren? Wahrscheinlich dachte er, sie sei vollkommen verrückt.
 

"Entschuldigung", stammelte sie und wagte es nicht ihn anzusehen. "Bestimmt haben sie besseres zu tun. Als mir hier zu zuhören. Ich...ich entschuldige mich."
 

"Das ist Tennyson", sagte Gilbert einfach nur. "Die Lady von Shalott ist eines seiner besten Gedichte."
 

Überrascht blickte Anne auf: "Sie kennen Tennyson?"
 

"Natürlich, er ist einer meiner Lieblingsdichter." Anne lächelte sanft. Dr. Blythe hatte ihr sofort gefallen, doch jetzt wusste sie, dass er eine verwandte Seele war.
 

"Mhmmm", von der Tür her war ein Räuspern zu vernehmen und beide drehten sich überrascht um. Martha stand in der Tür und hielt einige Krankenakten in der Hand. "Entschuldigen sie, Dr. Blythe aber es ist Zeit für die Visite." Merkte sie vorsichtig an.
 

"Äh...ja, natürlich, " sagte Gilbert und nickte ihr zu. "Ich komme gleich Martha." Er hatte überhaupt nicht bemerkte, dass er sich schon fast eine halbe Stunde lang hier aufgehalten hatte. Die Oberschwester nickte und schloss die Tür.
 

"Tut mir leid, wenn ich sie aufgehalten habe", sagte Anne und legte das Buch beiseite.
 

"Es war mir eine Freude, Miss Shirley." Er ging zu Tür und sah sich noch einmal lächelnd um, bevor er die Tür schloss.



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