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Eine Hand wäscht die andere...

von

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Der Antrag

Vorschau:

"Was du willst, wo du willst...", versprach er mit dunkler Stimme.
 


 


 

„…außerdem werde ich in Kürze die Universität abgeschlossen haben und bereit sein, einen vortrefflichen Haushalt zu führen.“

Das Mädchen war süß und hatte ein sehr freundliches Lächeln.

Leider war es die Art Lächeln, das mit der Zeit zu einem der nervigsten Dinge werden würde, die ein Mann am Tag sehen konnte.

Neji nickte seinen Dank und trug sie in eine der Kategorien ein.

Alle Kategorien auf seinem Notizblatt, das ordentlich an einem Klemmbrett befestigt war, waren sorgfältig ausgefüllt. Nur eine war bisher vollkommen leer geblieben: „Das Kleinste Übel“

Es war die letzte Kategorie.

An diesem Sommernachmittag schien er jedoch Meilenweit von diesem Ziel entfernt.

„Dankeschön, wir melden uns.“ Mit einem Blick entließ er sie und bemerkte mit nicht wenig Bedauern wie eifrig und wohlgesinnt sein Onkel zu seiner Rechten Notizen nahm.

Beiläufig fragte Neji sich was er eigentlich bei seiner eigenen Brautschau zu suchen hatte, wo sein Onkel doch genug Elan für zwei an den Tag legte?

Neji schob das Klemmbrett unter den linken Arm, erhob sich geschwind, verabschiedete sich kühl von seinem Gastgeber und wandte sich zum Gehen.

Außerhalb dem Büro seines Onkels sorgte sein Abgang für viel Enttäuschung, denn die jungen Damen in ihren feinen Anzügen, Blazern, Blusen und Röcken wussten somit, dass heute keine weiteren Interviews mehr stattfinden würden.
 

***
 

Tenten schnallte sich den Sport-BH um; dann zog sie ihren Kopf durch das Top und band sich die Haare in einem Knoten am Hinterkopf zusammen.

In ihrem Kopf leiherte sie Alternativlösungen herunter. Und weshalb sie doch nicht funktionieren würden direkt hinterher:

Sie hatte keinerlei Familie, die ihr das Geld leihen konnte.

Ihren Job als einfache Polizistin konnte sie auch vergessen. Der warf nicht genug ab.

Und ihr Chef wollte auch nicht für ihre weitere Ausbildung zahlen.

Tenten war immer gut mit wenig Geld zurecht gekommen, doch nun stand sie vor einem Dilemma.

„Hier kommst du nicht mehr ’raus“, musste sie sich seufzend eingestehen und stellte einen Fuß auf die Bank, um ihre Schnürsenkel zu binden als wäre ihr dieser Umstand egal.

Es war Dienstagabend. In der Regel joggte sie alleine in ihrer Nachbarschaft ein paar Mal um den Block, doch dienstags hatte es sich eingebürgert, dass sie im Park mit einem Arbeitskollegen laufen ging.

Er war ein stiller Typ. Etwas unheimlich. Die anderen Kollegen konnten ihn nicht richtig leiden.

Tenten fand nichts zu bemängeln. Er war in Topform und wenn sie mit ihm lief, spornte es sie immer dazu an ihre Grenzen auszutesten, weil sie ihm sportlich in nichts nachstehen wollte.

„Was geht bei dir?“, fragte sie aus Gewohnheit als sie mit federnden Schritten zu ihm getrabt kam.

Obwohl es schon dunkel wurde, lungerte die Hitze des Tages noch in der Luft. Das Klima war erträglich.

Tenten hatte mit keiner Antwort gerechnet, weil sie aus Erfahrung wusste, dass sie keine bekommen würde. Sie sagte nur etwas, weil es ihr irgendwie falsch erschien wortlos aufeinander zu treffen.

Eine von vielen Überraschungen stand ihr bevor:

„Ich möchte nicht heiraten.“

Tenten wäre beinah gestolpert. Natürlich wartete er beim Laufen nicht auf sie. Hastig holte sie wieder zu ihm auf.

„Wie bitte?“, stieß sie verunsichert aus. Er ließ sich so viel Zeit mit der nächsten Antwort, dass sie schon glaubte sich seinen dunklen Baritone nur eingebildet zu haben.

Den kurzen Seitenblick, den er ihr in dieser Zeit zu warf, bemerkte sie nicht.

„Mein Onkel…“, begann er zögernd. „…lädt junge Damen zu Vorstellungsgesprächen ein.“

Tenten hörte die Worte und versuchte sich mehr auf die Muskeln in ihren Beinen als auf das Gesagte zu konzentrieren.

„...und erwartet, dass ich eine davon zur Frau nehme.“

Er erklärte es als würde er ihr erzählen, was es mittags in der Kantine gegeben hatte. Außerdem war dies womöglich die längste, zusammenhängende Ansprache, die Neji ihr gegenüber jemals gemacht hatte.

Tentens Schritte wurden kürzer. Er ließ sie zurück. Dann hielt sie endgültig an.

Als er es bemerkte und zu ihr zurückkam, auf der Stelle tretend vor ihr anhielt und sie ihn mit einem undeutbaren Blick fragte, weshalb er ihr das alles erzählte, zuckte er nur mit der Schulter.

„Aber du erzählst doch sonst auch nie was bei dir so los ist“, gab sie zu bedenken und joggte wieder an seiner Seite. Dass der stille Riese auch ein Privatleben hatte, traf sie unvorbereitet.

„Sonst ist ja auch nie etwas los.“

Tenten fand seinen letzten Satz etwas traurig. Was für ein langweiliges, tristes Dasein er wohl fristete. Und wie krank die Familienverhältnisse sein mussten, wenn der Onkel einen solchen Vorschlag äußerte…

Sie versuchte nicht mehr darüber nachzudenken. Es war ja nicht ihr Problem.

Der Laufweg um den Stadtsee war noch etwas schlammig. Daher musste Tenten mit ihren reparaturbedürftigen Turnschuhen Acht geben und war schon wieder unvorbereitet.

Die nächste Frage klang als hätte ihr Laufpartner sie aus den Tiefen seiner Kehle gerungen und dann mit Mühe ausgespuckt:

„Und du?“

„Wie bitte?“, wollte Tenten wissen und wich einer aus dem Boden aufragenden Wurzel aus.

„Was geht bei dir?“ Es klang wie ein Gorilla, der gerade das Konzept der Sprache ausprobierte.

Ein Gorilla, der den Blick starr nach vorn gerichtet hielt.

Ein surrealistisches Gefühl kroch ihren Rücken hinauf als sie begann diesem bekannten Fremden ihr Herz auszuschütten. Sie erzählte ihm von dem Studium.

Und dann seine Reaktion. Nichts.

Sie hatte versucht einen besonders nüchternen Ton anzuschlagen, doch trotzdem fühlte sie sich wie ein Jammerlappen als nicht einmal eine winzige Beileidsbekundung ob ihres Schicksals von ihm kam.

Sein unsensibles Verhalten hatte zur Folge, dass sie nach einer Runde schon abbog und den Weg zurück zur Umkleide und dem Parkplatz einschlug.

Sie hatte nicht damit gerechnet, doch es war klar, dass er ihr gefolgt war, als sie seinen polternden Schritt hinter sich auf der Grasfläche donnern hören konnte.

Sie hatte sich die Gewichte bereits von den Handgelenken gerissen und winkte ihm ihren Abschied zu.

„Tschüss, ich bin für heute fertig!“ Sie brachte ein Lächeln zustande, damit er nicht den Eindruck bekam, dass er einen Nerv getroffen hatte, obwohl das durchaus der Wahrheit entsprach.

Doch er war noch nicht fertig mit ihr.

Tenten ließ ihn verschwitzt stehen und beeilte sich mit dem Umziehen. Aber nicht zu sehr. Sie wollte, dass er bereits weiter gelaufen war, bevor sie sich wieder blicken ließ.

Allerdings hatte sie nicht viel Sorge, dass er sie konfrontieren würde. Er hatte wieder einmal bewiesen, dass er dafür nicht der Typ war.

Bevor sie sich auf zu ihrer alten Schrottkarre machte, nahm Tenten sich einen Augenblick, um sich in das frische Gras zu legen. Wenn sie den Kopf drehte, kitzelten die Halme ihre Nase. Sie fühlte sich dann wieder wie ein Kind, nicht ganz sorglos, aber irgendwie doch besser.

Ein dunkler Schemen löste sich aus dem Schatten einer nahen Baumgruppe. Neji hatte schon oft beobachten können, dass sie manchmal den Hang hatte etwas Kindisches, Verrücktes zu tun und in der Regel ignorierte er es schlichtweg.

Nicht so heute.

Tenten wandte erschrocken den Kopf als sie spürte wie etwas Großes sich neben ihr im Gras niederließ. Sie staunte nicht schlecht als sie erkannte, dass es Neji war, den sie gar nicht mehr in der Nähe vermutet hatte.

Vorsichtig strichen seine großen, groben Hände über die Grasnarbe. Plötzlich stierte er sie an mit diesem kalten durchdringenden Blick, den er nun einmal besaß.

Als es wirklich anfing unangenehm zu werden, streckte er sich langsam auf dem Boden aus, sodass er auf einer Augenhöhe mit ihr war und ihre Schultern sich beinah berührten.

Eins seiner ausdruckslosen Augen war von frühlingsgrünen Grashalmen durchzogen als er es sagte:

„Heirate mich.“
 

Und da hatte die Idee sie das erste Mal angesprungen wie eine wilde, kleine Bestie.
 

***
 

Tenten stopfte immer mehr Papier in ihre Schublade. Frustriert, wütend.

Sie saß an ihrem Schreibtisch, auf dem Revier. Sie hatte eigentlich genug Arbeit zu tun, doch sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie hatte versucht an ihrer Arbeitsstelle Klarschiff zu machen, doch die einzige Folge dieser Aktion waren zerknitterte Fallberichte und wiedergefundene Steuererklärungsformulare.

Sie nippte an ihrem Eistee, den sie im Drive-Thru eines Wendys mitgenommen hatte. Zu süß.

Der ganze Morgen war im Eimer.

Heute war der Akzeptanzbrief eingegangen. ‚Herzlichen Glückwunsch, Tenten…’, dachte sie bitter. Sie wurde an ihrer Traumuni angenommen, deren Semesterkosten Sie jedoch leider nicht übernehmen konnte.

Sie seufzte, brach ihre Verwüstungswut hinter ihrem Schreibtisch ab und dachte bitter an den Abend vor ein paar Tagen zurück, an dem man ihr einen Ausweg präsentiert hatte.
 

“Heirate mich.”

Ihr Herz setzte einen Augenblick aus. Diese Worte von solch dünnen, kalten Lippen zu hören, brachte die Haare in ihrem Nacken zum Stehen. Der tote, lieblose Ausdruck seiner immersteten Augen half nicht.

Doch das war nur einen Augenblick lang so.

Natürlich blieb sie nicht seelenruhig im Gras liegen, sondern war flink auf den Füßen und kam hoch.

Er erhob sich nur in eine sitzende Position und starrte sie mit demselben ruhigen Blick an. Ruhe fand Tenten jedoch vollkommen unpassend. Er hätte beschämt, entschuldigend, verzweifelt oder zumindest ein kleines bisschen plemplem dreinsehen sollen.

Als sie überlegte, einfach wegzurennen oder ihm erst einen Tritt in die Fresse zu geben und dann wegzurennen, führte er weiter aus:

„Wenn du mich heiratest, kannst du studieren was immer du willst. Wo immer du willst.“

Tenten war schon genug Verrückten begegnet.

Aggressive Verrückte, weinerliche Verrückte, verrückte Verrückte und solche, bei denen man nur anhand eines bestimmten Funkeln der Augäpfel erkennen konnte, dass man den Drink besser nicht annahm. Doch noch nie war ihr einer untergekommen, der so still dasaß, so sehr von seiner Ratio überzeugt war wie der Verrückte vor ihr. Nur wenige Zentimeter von ihrer Fußspitze entfernt.

Statt aggressiv zu werden, wandte sie sich nur mit eigentümlichen Bauchschmerzen um und ging so schnell sie konnte ohne gleich zu rennen fort.
 

***
 

„He, du kaust schon wieder an deinen Nägeln!“

Ihr Kollege klatschte ihr auf die Finger und riss sie aus ihren Gedankengängen. Erschrocken sah sie auf und hoffte niemand konnte ihr ansehen, dass sie mit sich selbst haderte. In letzter Zeit war sie oft geistig abwesend und kaute an ihren Nägeln. Es war eine nervöse Angewohnheit.

Die Runde, die sich um ihren Tisch versammelt hatte, unterhielt sich gerade über den neusten Klatsch.

Sie nahm einen langen Zug aus ihrem Eisteebecher, beschwerte sich nicht bei ihrem Zurechtweiser, obwohl sein Hintern auf ihren Unterlage geparkt war, sondern nahm die neusten Infos über die Ehe ihres Chefs auf. Offenbar war seine Frau kurz davor ihn zu verlassen, was bei ihren Kollegen für allgemeine Schadenfreude sorgte.

‘Schon wieder etwas Negatives über eine Ehe’, dachte sich Tenten.

Wenn man sie gefragt hätte, ob sie je für Geld heiraten würde, so wäre ihre Antwort ‘Nein, natürlich nicht’ gewesen.

Aber das läge zum einen daran, dass man in aller Öffentlichkeit nicht zugab, dass die persönliche Hemmschwelle für das Verwerfen von feministischen Prinzipien tiefer als erwartet lag und zum anderen daran, dass sie sich Dinge gern selbst erarbeitete.

Während ihre Kollegen allerhand Vermutungen über die sexuelle Potenz ihres Chefs anstellten, kontemplierte Tenten ob sie käuflich war oder nicht.

Tenten hatte nie viel Geld gehabt; das Problem des Geldes gehörte mit zum Paket, wenn man eine Waise war. Keine Eltern, keine Kohle.

Du beginnst bei Null, nichts worauf du aufbauen kannst, nichts woran du dich orientieren kannst, hatte sie gelernt.

Aber mit der Zeit lernte man das Beste daraus zu machen und das Beste war nicht der Traum einer guten Ehe und ein Dasein als perfekte Hausfrau.

Sie wollte weg von Null.

Jetzt hatte sie eine Chance. Mehr und mehr überkam sie das Gefühl etwas zu verpassen, sollte sie nicht annehmen.

Sie hatte die ganze letzte Woche nicht aufhören können daran zu denken. Immer wieder tauchten seine Lippen vor ihrem geistigen Auge auf und formten die verheißungsvollen Worte. Dann musste sie hart schlucken und daran denken was sie sich wirklich für ihr Leben wünschte.

Sie wünschte sich keine katholische Kirchenhochzeit mit der Liebe ihres Lebens. Sie wollte studieren. Und studieren konnte man verheiratet oder geschieden.

Sie tauchte kurz aus ihrer marternden Gedankenwelt auf, um mitzubekommen wie ihr zurechtweisender Kollege, Naruto, ihren Chef beim Liebesspiel nachäffte. Sie verdrehte die Augen und starrte in ihren Eistee. Die schmelzenden Eiswürfel hinterließen Schlieren im braunen Getränk.

Sie dachte an Neji, einer der Kollegen, der sich in der Mittagspause nicht um Tentens Tisch scharrte. Um ehrlich zu sein, hatte sie nicht den leisesten Schimmer wo er seine Mittagspause verbrachte.

Sie redigierte ihr Gedankenspiel von vorhin: Was hätte sie wohl gesagt, wenn man sie gefragt hätte, ob sie den stillen Neji für Geld heiraten würde...

Sie schüttelte den Kopf. Gelacht hätte sie. Die beiden Realitäten, die Neji und Heirat einschlossen, befanden sich nicht einmal im selben Universum.

Sie biss sich auf die Lippe.

Sicherlich hatte er das nie und nimmer Ernst gemeint.

„Heirate mich“, sagte sie laut. Das klang doch schon doof… und nicht ernst gemeint und ein bisschen wahnsinnig und auf jeden Fall sehr befehlerisch und sie wusste nicht was davon sie am schlimmsten fand.

Weiter konnte sie den Gedanken jedoch nicht verfolgen, denn sie bemerkte Narutos schrägen Blick.

“Was hast du gerade gesagt?”, wollte er zweifelnd von ihr wissen. Erschrocken schlürfte sie an ihrem Tee und rülpste danach.

“Nichts. Musste nur ein bisschen Kohlensäure loswerden”, versicherte sie ihm heiter und wischte sich über den Mund.

Sein Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass er davon nicht unbedingt überzeugt war. Doch er ließ es dabei bebleiben, denn es wurde nach seiner Aufmerksamkeit verlangt.

“Hey, Naruto!”, rief ein Kumpane mit vollem Mund. “Ich hab gehört, du hättest letztens erzählt, dass der komische Kauz namens Hyuga den Arsch voller Geld hat. Stimmt das?”

Narutos Gesicht wurde vielsagend. “Klar stimmt das. Seine Familie besteht aus voll den Megabonzen”, gab er zum Besten.

Ein neuer hellhäuptiger Arbeitskollege bestätigte das: ,„Der Vater ist bei einem Autounfall umgekommen und jetzt sitzt er auf einem Haufen Geld.“ Der Neue war nur wenig älter als der Rest, war von einer anderen Präfektur hierüber gekommen und Tenten von Anfang an sympathisch gewesen.

„Woher weißt du das?“, wollte sie in einem beiläufigen Tonfall wissen.

„Ja“, bestärkte einer aus der Drogenfahndungstruppe sie. „Woher weißt du das, Naruto?“

Naruto, der auf seinem Schreibtisch gesessen hatte, sprang herab und antwortete:

„Hat mir Jiraiya erzählt.“

Er deutete mit dem Daumen auf einen der Detectives, noch einer aus der alten Schule. Tenten hatte immer vermutet, dass JIraiya nur das Glasauge fehlte und sie hätten einen zweiten Columbo. Er und Naruto hatten einen ähnlichen Humor und verstanden sich daher trotz des Altersunterschiedes prächtig.

Lachend sah Jiraiya von seinem Kaffeebecher auf.

„Auf einer Fete hab ‘mal den CEO einer Firma für Sicherheitssysteme kennengelernt”, vertraute er ihnen an. “Und der kannte Neji persönlich. Eigentlich kannte der sogar die ganze Familie persönlich. Nejis Onkel und dessen Familie lebt noch.“

Tenten besah sich die Gesichter in der Runde. ‘Seltsam’, dachte sie. Obwohl sie Neji jeden Tag auf der Arbeit sahen, wäre keiner von ihnen auf die Idee gekommen je „Neji Hyuuga? Klar, den kenn ich persönlich!“ zu sagen.

Er arbeitete zwar mit ihnen zusammen und sie konnten Aussagen über ihn machen wie „Der behält ‘nen kühlen Kopf“. Aber er schien sehr entrückt und sie kannten ihn nicht wirklich.

Jiraiya, zum Beispiel, war da ganz anders. Jeder kannte Jiraiyah. Jeder kannte ihn persönlich, sehr persönlich. Wenn Jiraiya einen Burito aß, dann erzählte er jedem am nächsten Tag wie dick die Wurst gewesen war, die er gelegt hatte oder wie oft er hatte furzen müssen.

Allerdings wusste auch jeder, dass Jiraiya aus seltsamen Gründen, die niemand so richtig verstand, einen guten Job machte, selbst wenn er dabei die ganze Zeit nur herumzualbern schien.

Oft durfte er mit dem Captain auf irgendwelche Parties gehen, die die Bürgermeisterin für die Elite der Stadt schmiss. Kein Wunder, dass er immer wusste, was bei der Creme de la Creme vorging.

Gerade erzählte er schon wieder etwas aus diesem Bereich, nämlich, dass Sasuke Uchiha, junger Erbe, CEO seiner eigenen Firma, eine Affäre haben sollte.

“Na ja, ob das stimmt”, mutmaßte Naruto.

Doch Tenten interessiert das eigentlich nicht im Geringsten, aber sie bewunderte Jiraiya für seinen Erfolg. Gleichzeitig konnte sie sich nicht vorstellen, dass solche Parties sehr spaßig waren.

Tenten betrachtete den alten Detective kurz und fragte sich, ob die Elite und Jiraiya auf solchen Parties die gleiche Beziehung hatten wie all die seltsamen englischen Adeligen früher, die sich Äffchen aus Afrika hatten mitbringen ließen. Sie schüttelte die Vorstellung von Jiraiya, der tanzte, um Sasuke zum Lachen zu bringen, ab und verstaute die Erkenntnis, dass Neji Geld hatte in einem sicheren Eckchen ihres Hirns.
 

***
 

Ein paar Tage darauf saß Tenten schon wieder vor ihrem morgendlichen Eistee. Kaffee konnte sie nicht leiden und den Sinn Tee heiß zu trinken hatte sie noch nicht begriffen, denn erstens war es Sommer und zweitens weckte ein kaltes Getränk eher auf.

Sie nahm einen Schluck und dachte, dass sie schon ziemlich schlimme Dinge getan hatte, um genug Geld für die Akademie zusammenzukratzen.

Mehrere Nebenjobs und ein paar Experimente mit Männern, die Tenten den ganz hübschen Mädchen vorgezogen hatten, weil sie gewillt war, die unheimlichen und seltsamen Dinge durchzuziehen. Außerdem hatte sie ganze Arbeiten und Hausaufgaben für andere Leute geschrieben.

Sie betrachtete ihre verkümmerten Prinzipien, die in einer Ecke ihres Hirns in Ketten gelegt waren. Halb verhungert hingen sie da und murmelten irgendetwas vor sich hin, doch Tenten konnte es nicht verstehen.

Sie zuckte mit den Schultern und schüttete sich noch ein Glas ein. In ihrer winzigen Küche musste man noch nicht einmal vom winzigen Küchentisch aufstehen, um an die Anrichte mit der Karaffe zu kommen. Man musste nur den Arm ausstrecken und das noch nicht einmal besonders weit.

Im Prinzip war eine Heirat für Geld nichts anderes als ein lästiger Nebenjob. Eine Heirat konnte man kündigen. Scheidung hieß das.

Außerdem war sie sowieso nicht der Typ, der darauf wartete einen netten Kerl kennen zu lernen mit einem netten Job, damit sie ein paar nette Kinder haben konnte, rief sie sich abermals ins Gedächtnis. Dafür hatte sie nicht so hart gearbeitet und um ehrlich zu sein, war Neji gar nicht so übel für einen Snob. Die meiste Zeit hielt er seine Klappe und war daher ertragbar. Sie überlegte, ob sie nicht besser Temari anrief und um Rat fragen sollte, doch sie verwarf den Gedanken schnell wieder als absurd. Als ob Temari mehr von Heirat verstünde.

Es klang immer noch wie eine verrückte Idee, doch nach diesen letzten zwei Wochen wusste sie überhaupt nicht mehr, worüber sie so empört gewesen war als Neji sie gefragt hatte.
 

***
 

Neji war davon überzeugt, dass er nicht mehr viel daran dachte.

Von klein auf hatte Neji gelernt, dass das Leben Enttäuschungen in Fülle für einen bereithielt und seine Persönlichkeit hatte eine ähnlich effektive Methode zur Handhabung solcher entworfen wie sie schon zuvor bei dem Umgang mit der Familie getan hatte:

Obwohl sein Gehirn unglaublich leistungsfähig war, war er nicht die Sorte Person geworden, die diese Leistungsfähigkeit überall einbrachte. Während die Gehirne anderer Leute in einem konstanten Murmeln vor sich hin ratterten und immer über irgendetwas nachdachten, schien sein Hirn Ruhepausen zu haben.

Neji mochte keine Konfrontationen und das hatte sein Hirn vor langer Zeit herausgefunden. Statt Neji also mit all den Gedanken zu konfrontieren, die das Hirn an einem Tag so abarbeitete, versuchte es diese vor ihm zu verstecken und nur zu präsentieren, wenn es nützlich war. So kam es zum Beispiel, dass Neji die perfekte Lösung auf einem Silbertablett entdeckt hatte und noch in derselben Sekunde „Heirate mich“ gesagt hatte. Dass die perfekte Lösung binnen einer Sekunde in seinem Kopf aufgetaucht war ohne, dass er sich vorher mit dergleichen beschäftigt hatte, nannte er also ‚leistungsstark’ und sein Gehirn nannte es gutes Timing. So kamen die beiden ganz gut miteinander klar.

So ließ es sich einfacher mit der Enttäuschung leben, dass sein Onkel ihn einfach nicht in ruhe lassen wollte und auch damit, dass sein Antrag mit einem wütenden davonstürmen quittiert wurde.

Als Tenten jedenfalls am zweiten Tag an ihn herantrat und fragte „Ehrlich jetzt – War das ernst gemeint?“ wusste Neji sofort worüber sie sprach und auch, dass es tatsächlich ernst gemeint war. Diese Sicherheit, so sagte er sich selbst, derivierte daher, dass er so ein leistungsstarkes Hirn hatte, das diese Entscheidungen binnen einer Sekunde mit absoluter Sicherheit fällen konnte. Es hatte selbstverständlich nichts damit zu tun, dass in den dunklen Hinterkammern seines Kopfes seine Gedanken schon die ganze Zeit dieses Problem bearbeitet hatte und nicht für einen Augenblick aufgehört hatte über Tenten nachzudenken.

Aber eins konnte er nicht vorhersehen. Nämlich, dass der nächste Laut aus seinem Mund Nejis Leben komplett auf den Kopf stellen würde:

„Ja“, antwortete er.

Sie war erstaunt wie schnell er sicher sein konnte. Da war keine einzige Gefühlsregung in seinen Augen. Sie glaubte, mit diesem Kerl konnte sie arbeiten.

„Was immer, wo immer ich will?“, ließ sie sich versichern und er antwortete sofort mit seiner bekannten Bestimmtheit:

„Ja.“

Sich vornehmend sich später den Kopf über die Details dieses absurden Geschäfts zu zerbrechen, hielt sie sich gerade noch davon zurück in die Hand zu spucken, bevor sie sie ihm offerierte.

Er schlug ein und wandte sich danach sofort ab. Ein wenig überrumpelt kam sie zu dem Schluss, dass es vorerst wirklich nichts mehr zu sagen gab und wandte sich ebenfalls zum Gehen, um an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Was sie nicht mehr mitbekam war, dass Neji ein Klemmbrett aus seiner Arbeitstasche nahm und einen einzigen Namen in eine vollkommen leere Kategorie eintrug, weil er die Dinge gern richtig und vollständig erledigte. Er hatte es gefunden: Das kleinste Übel.

Zu Hause würde er außerdem einen Haken hinter den Worten ‚eine Braut finden’ machen auf einer Liste, die noch andere seltsame Punkte enthielt wie ‚Polizeichef werden’.



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