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Babylon-6 - 02

Gegner im Dunkel
von

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Kommando der Verlorenen

Mit weit ausholenden Schritten eilte Generalmajor Lynden Benjamin Hayes durch die verlassen wirkenden Gänge von Flottenbasis MFB-VI-023, die von der Crew zumeist liebevoll nur BABYLON-6 genannt wurde.

Commander Irina Zaizewa, die sich in seiner Begleitung befand, hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten, und das obwohl sie um achtzehn Jahre jünger war als der bereits leicht ergraute Dreiundfünfzigjährige. Schmunzelnd beobachtete sie ihn von der Seite. Seit ihn, in ihrer Anwesenheit, der Anruf der Stationszentrale in seinem Büro erreicht hatte, dass die sieben neuen Kreuzer der ALPHA-II-KLASSE in unmittelbarer Umgebung der Station aus dem Hyperraum gefallen waren, benahm er sich wie ein kleiner Junge an Weihnachten.

„Sir, ich flehe Sie an, zügeln sie ihr Tempo. Ich bin genauso neugierig auf diese neuen Kreuzer wie Sie aber ich fürchte, dass ich bei diesem Tempo nicht mehr erleben werde wie sie aussehen. Bitte vergessen Sie nicht, dass ich erst vorgestern aus dem Krankenrevier entlassen worden bin.“

Hayes bremste bei den Worten der Stellvertretenden Stationskommandantin sein bisheriges Tempo spürbar ab und blickte die Telepathin beinahe entschuldigend an.

In seiner momentanen Begeisterung hatte der Kommandeur der Kampfgruppe-Epsilon und Oberbefehlshaber der Station MFB-VI-023, beinahe vergessen, von welcher schweren Verletzung seine XO der Station erst vor wenigen Tagen genesen war. Sie war bei einem Gefecht in ihrem STARFURY-Raumjäger schwer verwundet worden und hatte die letzten Wochen in der Krankenstation zugebracht.

Deutlich langsamer ausschreitend meinte Hayes schließlich: „Verzeihen Sie, Commander. Wie geht es Ihnen heute Morgen?“

Die Frau musterte ihren Begleiter mit ihren grün-braunen, irgendwie fast golden schimmernden, Augen und antwortete zögernd: „Ich muss zugeben, dass ich nicht besonders gut geschlafen habe, seit ich nicht mehr auf der Krankenstation bin. Ich denke, mir fehlen Ihre allabendlichen Besuche am Krankenbett, Sir.“

Hayes erwiderte ihren Blick und er erinnerte sich an die letzten Wochen. Nach der überstandenen Notoperation hatte Hayes die Telepathin an jedem Abend, pünktlich gegen 20:00 Uhr, auf der Krankenstation von BABYLON-6 besucht. Anfangs waren auch andere Kollegen und Freunde der Russin noch um diese Zeit zugegen gewesen. Doch bereits zu Beginn der zweiten Woche hatten diese gefühlt, dass es Irina Zaizewa und Hayes irgendwie lieber war unter sich zu sein, und ihre Besuche hatten fortan geendet, bevor der Generalmajor aufkreuzte. In den darauf folgenden zwei Wochen hatten sie so ihre Abende, oft bis weit nach Mitternacht, verbracht und mit einander geredet, und unmerklich waren sie sich dabei menschlich sehr nahe gekommen.

Ein fast melancholischer Zug lag in den braunen Augen des Mannes, als er sich räusperte und erwiderte: „Vielleicht habe Sie recht, denn mir ging es in den letzten Tagen ähnlich.“ Seine Miene hellte sich auf, als ihm etwas einfiel. „Was halten Sie davon, Commander, wenn wir heute Abend gemeinsam essen gehen würden. Ganz zwanglos natürlich. Sagen wir, um 19:30 Uhr?“

Ein Lächeln überflog das hübsche Gesicht der hochgewachsenen Frau. Mit einer fahrigen Bewegung fuhr sie sich mit den Fingern durch ihr langes, braunes Haar bevor sie freudig zustimmend erklärte: „Sehr gerne, Sir.“

Sie wurden abgelenkt, als sie das Schott zum Kommandozentrum erreichten und es ging mit ihnen dieselbe Wandlung vor. Beide strafften sich und setzten eine dienstliche Miene auf bevor sie hinter einander das Kommandozentrum betraten.

Während Hayes die runde Grube mit den Konsolen und Sitzen für die Operations-Offiziere auf der rechten Seite umrundete, schritt die Russin auf der linken Seite darum herum, begrüßte den Taktischen Offizier, Steven Falcone mit einem kurzen Nicken und traf am Frontfenster wieder mit Hayes zusammen.

Der Generalmajor bekam nur unterbewusst mit, wie ihm gemeldet wurde, dass die sieben neuen Kreuzer in wenigen Augenblicken in Sichtweite sein würden. Nun wieder ganz der Kommandierende Offizier starrte er angestrengt aus dem Panzerfenster hinaus, in die sternengesprenkelte Schwärze des Weltalls, bis er die ersten Konturen erkennen konnte, die sich gegen den dunklen Hintergrund abhoben. Wenig später wurden die sieben Kreuzer der ALPHA-II-KLASSE, die in Formation auf die Station zu flogen, besser erkennbar. Mit einer Länge über alles von mehr als 1000 Metern etwas größer als die alten Kreuzer der ALPHA-KLASSE, verfügten diese Kreuzer über eine Biowaben verstärkte Panzerhülle. Entgegen der früheren Entwürfe einer solchen Panzerung befanden sich die Biowaben in der Panzerschicht und nicht darauf. Wobei die Struktur der Waben sich farblich dunkel vom Panzerungsmaterial, einem exotischen Stahl-Kunststoff-Verbundstoff, absetzte. In ihrer Effizienz übertraf diese neue Panzerung jener der zerstörten IAS VICTORY und der IAS EXCALIBUR um rund 20 Prozent.

Anders als bei der Vorgängerklasse wurde beim Grunddesign dieser Schiffsklasse kein Platz durch eine Gitterstruktur verschwendet. Diese Kreuzer waren sehr kompakt, schlank, um nicht zu sagen schnittig und, entgegen der alten ALPHA-KLASSE, nach den modernen Designs der Erdstreitkräfte, wieder sichtbar kantiger konstruiert. Zudem gab es künstliche Schwerkraft an Bord der Schiffe dieser Klasse, wie auf allen Flottenneubauten seit dem Beitritt der Erde zur Interstellaren Allianz - kurz ISA.

Jeder dieser neuen Kreuzer besaß eine Masse von 8.720.000 Metrischen Tonnen und wurde von zwei schweren Ionentriebwerken neuester Fertigung, unterstützt durch zwei leichte Hilfstriebwerke, angetrieben. Die Bewaffnung bestand aus zwei schweren Partikelkanonen, vier Schweren Plasmakanonen, acht Mittleren Impulskanonen, und Fusionsraketen mit Gefechtsköpfen von beeindruckender Sprengleistung.

An Defensivsystemen verfügten die sieben neuen Kreuzer, neben der beeindruckenden Wabenpanzerung, über MK.III Verteidigungsnetz-Energieprojektoren, die um fast 80% leistungsfähiger waren, als die älteren MK.II Projektoren.

Ihre Einsatzdauer, ohne eine Werftüberholung, lag bei achtzehn Monaten.

Mit einem beinahe glücklichen Lächeln rieb sich Lynden B. Hayes die Hände und seine Augen leuchteten in einem besonderen Feuer.

Irina Zaizewa, die ihren Vorgesetzten dabei ertappte schmunzelte unterdrückt. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, was momentan in ihm vorging, denn auch sie spürte Erleichterung und Stolz, beim Anblick der sich nähernden Kreuzer. Erleichterung vor allem deshalb, weil diese Kreuzer eine signifikante Verstärkung der Kampfgruppe-Epsilon darstellten.

Generalmajor Hayes ließ den erhabenen Eindruck auf sich wirken, bevor er sich losreißen konnte und die Russin an seiner Seite auffordernd ansah.

Auch ohne die Gedanken ihres Vorgesetzten zu lesen verstand ihn Irina Zaizewa und gab von sich aus den Befehl an die Besatzungen der alten ALPHA-Kreuzer, an ihren jeweiligen namentlich identischen Pendants anzudocken. Die Rumpfbesatzungen der neuen Kreuzer würden danach auf die alten Schiffe umsteigen, während die Crews der ALPHA´s im Gegenzug die neuen Schiffe bemannen würde. Das alles war schon vor Tagen festgelegt worden und würde reibungslos vonstatten gehen. Danach würden die Überführungscrews die alten Schiffe der ALPHA-KLASSE zum Sonnensystem fliegen, wo sie über dem Mars, in Orbitaldocks, demontiert werden würden. Mit an Bord der neuen Schiffe würden dabei die benötigten, zusätzlichen Besatzungsmitglieder bleiben, die den Überführungsflug mitgemacht hatten. Ihre erste Aufgabe war es, die Crews der alten Kreuzer einzuweisen und sie mit den wichtigsten Neuerungen an Bord vertraut zu machen. Zwar hatten die Crews in der letzten Zeit reihum immer wieder an theoretischen Kursen, auf der Station, teilgenommen, doch die Praxis sah stets etwas anders aus, als die beste Theorie.

Commander Zaizewa blickte zu Hayes, als er meinte: „Ich habe vor, heute Nachmittag einen der neuen Kreuzer besichtigen, Commander. Wollen Sie mich dabei begleiten?“

Die Russin nickte begeistert. „Gerne, Sir. Die neuen Schiffe finde ich sehr beeindruckend und natürlich würde ich eins davon gerne von Innen sehen. Habe Sie schon eine bestimmte Uhrzeit ins Auge gefasst?“

„Ich würde sagen 14:00 Uhr Bordzeit. Das lässt den Crews genug Zeit um sich auf ihren neuen Schiffen häuslich einzurichten, und Ihnen, um sich einen Überblick über Ihre routinemäßigen dienstlichen Obliegenheiten zu verschaffen.“

Die Telepathin nickte zustimmend. „Einverstanden, Sir. Wir treffen uns also dann um 14:00 Uhr in Andockrampe-07. Ich werde es genießen endlich wieder raus zu kommen, wenn auch nur an Bord eines Shuttles, und nicht mit meinem Jäger.“

„Ihr Jäger ist Schrott“, konterte der Generalmajor trocken. „Da werden wir erst einmal einen Neuen für Sie finden müssen.“ Hayes grinste beinahe lausbubenhaft, als er augenzwinkernd hinzufügte: „Aber zuerst bezahlen Sie mal den geschrotteten Jäger ab.“

Die Russin grinste schief und erkundigte sich scheinheilig: „Dann ist meine Forderung nach mehr Sold von Ihnen bewilligt worden, Sir?“

Die Antwort des Dreiundfünfzigjährigen bestand aus einem kurzen Auflachen. Dann erwiderte er das Thema wechselnd: „Falls etwas ungewöhnliches passieren sollte, finden Sie mich in meinem Büro, Commander. Ansonsten sehen wir uns gegen 14:00 Uhr Bordzeit.“

Damit wandte sich Hayes ab und schritt zügig zum Ausgang des Kommandozentrums.

Irina Zaizewa blickte dem Generalmajor sinnend nach. Ihr momentanes Arbeitsverhältnis war geradezu beängstigend gut, in Hinsicht darauf, wie heftig sie gleich in den ersten Tagen aneinandergeraten waren, kaum dass Hayes das Kommando der Station offiziell übernommen hatte. Doch diese Anlaufschwierigkeiten schienen nun hinter ihnen zu liegen. Sie räusperte sich, als sie Shinji Okasakis unmerkliches Schmunzeln bemerkte.

Für den Zweiten Offizier der Station stellte dies bereits so etwas wie ein Gefühlsausbruch dar. Der japanische Lieutenant-Commander beobachtete amüsiert, wie sich die Russin räusperte, die Hände auf den Rücken legte und langsam zu ihm an das erhöht liegende Hauptkontrollpult schritt.

„Ich hoffe, sie werden sich nicht zu Tode schmunzeln, Shinji“, bemerkte Irina Zaizewa, so leise, dass nur der Japaner ihre Worte mitbekam. „Sie sind ein tüchtiger Offizier, und ich würde Sie nur sehr ungern auf diese Weise verlieren.“

Die Haltung des etwas schmächtig gebauten Lieutenant-Commanders straffte sich leicht und seine Miene zeigte gleich darauf wieder die fast unerschütterliche Gleichmut, für die der Zweite Offizier der Station bekannt war. Das Thema wechselnd erwiderte er: „Ich bin erleichtert darüber, dass Sie und der Generalmajor sich momentan so gut verstehen. Zu Beginn seines Kommandos hegte ich schon die Befürchtung, dass es richtig krachen würde, zwischen Ihnen beiden.“

Die Russin nickte in Gedanken. Dann meinte sie grinsend: „Wer sich seinen Kommandierenden Offizier nicht erzieht, der ist selbst Schuld.“ Zufrieden über die Reaktion des Asiaten, dessen Augen sich deutlich weiteten, gab sie zu: „Zu Beginn hegte ich dieselbe Befürchtung, aber im Moment kommen wir gut mit einander aus. Wir haben in den letzten Wochen sehr intensiv mit einander gesprochen und wir konnten die anfänglichen Reibungspunkte aus der Welt schaffen. Aber zurück zum Dienst, Shinji. Wie ist der Status der ALPHA-Kreuzer?“

Der Lieutenant-Commander schaltete augenblicklich um. „Die Kreuzer sind dabei längsseits der neuen Schiffe anzudocken, Commander. Die THALIA und die EIRENE haben das Manöver bereits erfolgreich abgeschlossen und die Mannschaften setzen über.“

Irina Zaizewa nickte dem Mann zu und erwiderte: „Behalten Sie während des gesamten Manövers die Jagdstaffeln in Bereitschaft. Wir haben den Unbekannten, die BABYLON-6 vor einigen Wochen entdecken konnten, zwar eine Schlappe beigebracht, aber vielleicht sind einige der unbekannten Gegner entwischt ohne dass wir es ahnen. Ich möchte nicht, dass sie uns auf dem linken Fuß erwischen falls die plötzlich wieder in diesem Raumsektor auftauchen sollten.“

Shinji Okasaki machte eine zustimmende Geste. Ich habe zwei Staffeln auf Nahpatrouille, zwei weitere können innerhalb weniger Sekunden starten.“

Die Russin quittierte die Worte des Japaners mit einem lächeln und schritt langsam zu Steven Falcone zur Taktischen Station.

Der Italo-Amerikaner blickte auf, wobei seine dunklen Augen lebhaft funkelten. Im Dienst zumeist recht beherrscht, legte der Sechsundzwanzigjährige privat gelegentlich ein sehr viel lebhafteres Gebaren an den Tag. Als Commander Zaizewa bei ihm ankam meldete er unaufgefordert: „Das Schutzgitter ist in Bereitschaft, Commander, ebenso die Geschütze der Station. Falls unangemeldeter Besuch auftauchen sollte dann bekommt er so schnell eins übergebraten, dass er das Wiederkommen vergisst.“

„Ich freue mich immer, wenn Leute Spaß an ihrem Dienst haben, Lieutenant“, grinste die Frau amüsiert. „Passen Sie bloß auf, dass ihre Kanonen nicht aus Versehen losgehen und unsere eigenen Schiffe erwischen. Ich garantiere Ihnen, so etwas würde der General nicht lustig finden.“

Der Lieutenant nickte. „Kein Gedanke, Commander. Sie halten mich doch wohl nicht für einen schießwütigen, blöden Draufgänger?“

„Garantieren Sie mir, dass es nicht so ist?“, antwortete die Russin trocken. Damit ließ sie einen etwas verblüfften Lieutenant zurück, als sie wieder zu den Hauptkontrollen schritt. Sie selbst glaubte zwar nicht, dass es ausgerechnet in den nächsten Stunden zu unerwarteten Schwierigkeiten kommen würde, aber tief in sich spürte sie ein Gefühl drohenden Unheils. Aber im Moment hätte sie nicht sagen können warum, oder aus welcher Ecke ihnen Ungemach drohen sollte.

 
 

* * *

 

Pünktlich um 14:00 Uhr war Generalmajor Lynden B. Hayes bei Commander Zaizewa in Andockbucht-07 erschienen, und beide kletterten hinter einander in das Zubringershuttle. Nachdem die Liftplattform zur Hauptschleuse hinauf gefahren war, startete Commander Zaizewa die Systeme des Shuttles und hob das kleine Raumfahrzeug ab, kaum dass die Startfreigabe erfolgt war.

Durch die breite Frontscheibe des Shuttles sahen die beiden Offiziere die massiven Wände der Schleuse zur Seite entschwinden und sie blickten schließlich auf die samtene Schwärze des Weltalls, die nur durch die zahllosen Lichtpunkte der Sterne unterbrochen wurde.

Auf dem rechten Sitz des Co-Piloten lehnte sich Hayes leicht zurück und meinte sinnierend: „Sterne - Nadelstiche im Mantel der Nacht.“

„Von welchem Dichter ist dieser Satz?“, erkundigte sich Irina Zaizewa, ohne den Blick von den Kontrollen zu nehmen.

Der Generalmajor wandte sich nach Links. „Von gar keinem. Ich habe diesen Satz mal in irgendeinem alten Film gehört. Ich finde ihn gar nicht so unpassend. In früherer Zeit haben Menschen das vielleicht wirklich gedacht.“

„Vielleicht waren sie mit diesem Wissen, oder besser Nichtwissen, besser dran, als wir.“

Etwas erstaunt musterte Hayes seine Begleiterin von der Seite und erkundigte sich dann spöttisch: „Ist das russischer Optimismus oder haben Sie doch noch Schmerzen, von denen Sie den Ärzten auf der Station nichts erzählt haben?“

Irina Zaizewa blickte kurz zu Seite. „Nein, das ist es nicht, Sir. Ich will nicht unken, aber ich werde bereits den gesamten Tag schon das Gefühl nicht los, dass etwas unangenehmes passieren wird. Ich hatte das schon früher, und zumeist haben sich diese düsteren Vorahnungen bewahrheitet.“

Verständnis flackerte in den braunen Augen des Mannes, als er erwiderte: „Nach den Vorkommnissen vor einigen Wochen ist ein solches Gefühl durchaus verständlich. Ich bin kein Psychologe, Commander, aber ich denke, dass Sie sich momentan noch verletzlich fühlen, aufgrund des Abschusses ihres Jägers, und der Tatsache, dass Sie momentan nicht aktiv an einem Weltraumgefecht teilnehmen könnten, falls der Gegner sich wieder melden sollte.“

Die Hände der Russin umklammerten das Steuerhorn des Shuttles fester. Ein Teil von ihr ahnte, dass der General bis zu einem gewissen Grad Recht hatte mit seiner Vermutung. Sich langsam wieder entspannend antwortete sie leise: „Das mag auch ein Grund sein, General. Aber da ist auch noch etwas Anderes – etwas, das ich nicht in Worte fassen kann.“

Hayes seufzte schwach. „Man wird uns noch früh genug wieder ans Leder wollen, Commander. Also bitte keine düsteren Vorahnungen mehr, bis wir die Besichtigung der THALIA hinter uns haben und wieder auf der Station sind.“

Der Grauhaarige wechselte abrupt das Thema, indem er sagte: „Captain Naeryn Kalimah ist eine meiner besten Kreuzer-Kommandantinnen. Ich bin gespannt auf ihre Meinung zu dieser neuen Raumschiffsklasse. Sie traf die Entscheidung zu den Erdstreitkräften zu gehen aufgrund des Telepathen-Krieges. Später, während der Ausbildung an der Akademie, wurde sie von der Drakhseuche überrascht, doch sie schloss ihre Ausbildung an der Akademie ab, fest daran glaubend, dass die EXCALIBUR ein Gegenmittel finden wird. Eine sehr beeindruckende Frau, wie Sie feststellen werden.“

Vor dem Shuttle tauchte die brandneue EAS THALIA auf. Der ALPHA-Kreuzer gleichen Namens hatte bereits wieder abgelegt und wurde momentan durchgecheckt für den Rückflug zum Sonnensystem.

Irina Zaizewa verzögerte das Shuttle und fragte dabei abwesend: „Sie sagten, dass sich Captain Kalimah aufgrund des Telepathen-Krieges den Streitkräften anschloss. Ich hoffe nur, dass sie keine Vorbehalte gegen Telepathen hat.“

Für einen Moment spürte Generalmajor Hayes die schon überwunden geglaubte Spannung zwischen sich und Commander Zaizewa erneut aufflammen. Etwas verstimmt erwiderte er: „Nein, in dieser Hinsicht bin ich der einzige Extremist der Kampfgruppe, wie mir scheint.“

„General, das wollte ich damit nicht...“

„Schon gut, Commander“, unterbrach Hayes die Russin bestimmt. „Lassen Sie uns nicht davon sprechen.“

„Wie sie wünschen, Generalmajor.“

Die Spannung schien sich zu verstärken und Hayes suchte nach einer Möglichkeit etwas zu sagen um seine vorherigen Worte etwas abzumildern, doch ihm wollte nichts einfallen. Darum schwieg er und blickte starr aus dem Frontfenster.

Die THALIA war zu beachtlicher Größe vor dem Shuttle angewachsen. Nur wenige Augenblicke später steuerte Irina Zaizewa das Shuttle geschickt, durch das energetische Sperrfeld in den Hangar des neuen Kreuzers und landete es am dafür vorgesehenen Platz. Die Russin deaktivierte die Aggregate des Shuttles und folgte Hayes dann zum Ausstieg des kleinen Raumfahrzeugs.

Captain Naeryn Kalimah hatte neben dem Ausstieg des Shuttles eine Ehrenwache von sechs Crewmitgliedern antreten lassen. Der Dienstältesten von ihnen pfiff Seite auf einer Bootsmannspfeife, als der Generalmajor auf den Boden des Hangars trat, und die Südafrikanerin trat zu ihrem Kommandeur vor und salutierte zackig. „In meinem Namen und im Namen der gesamten Besatzung der THALIA heiße ich Sie, und Commander Zaizewa, an Bord herzlich willkommen, Generalmajor.“

Hayes und Zaizewa erwiderten den Gruß und der Generalmajor antwortete: „Danke, Captain Kalimah. Bitte um Erlaubnis, mit Begleitung, an Bord kommen zu dürfen.“

„Erlaubnis erteilt“, antwortete die Afrikanerin protokollgerecht und deutete einladend zum Ausgang des Hangars. „Ich denke, Sie und der Commander wollen zuerst die Brücke des Schiffes sehen, Sir?“

Hayes nickte der 1,77 Meter großen Frau lächelnd zu. „Sie denken richtig, Captain. Ich bin sehr gespannt darauf, wie die neuen Kontrollorgane aussehen und wie sie auf diesen neuen Kreuzern angeordnet sind.“

Naeryn Kalimah gab ihren Leuten einen Wink abzutreten und führte ihre beiden Gäste dann aus dem Hangar heraus. Die Gänge des Schiffes machten einen nüchternen, funktionellen Eindruck, wie Hayes auch von der SHERIDAN gewohnt war. Mit einem Aufzug fuhren sie die obere, zentral gelegene Finne hinauf, in deren oberen Drittel die etwas vorspringende Brücke lag.

Während sie hinauf fuhren fragte Hayes die Kommandantin des Kreuzers: „Irre ich mich, Captain, oder herrscht auf der THALIA eine höhere Schwerkraft, als 1 Gravo?“

Die kräftig gebaute, dunkelhäutige Frau lächelte beinahe verschmitzt. „Sie haben Recht, General. Ich habe einen Wert von 1,1 Gravos einstellen lassen. Einerseits werden die Muskeln dadurch stärker trainiert, andererseits verliert die Crew bei einem möglichen Gefecht nicht so schnell die Bodenhaftung. Die Crew wird sich daran gewöhnen.“

Hayes nickte schmunzelnd. Ihm wäre nie eingefallen Naeryn Kalimah in dieser Sache irgendwelche Vorschriften zu machen – solche Entscheidungen lagen ganz im Kommandobereich eines Schiffscaptains. Nur im Falle, dass eine solche Entscheidung die Gesundheit der Crew oder ihre Gefechtsbereitschaft beeinträchtigte, stand es Hayes zu lenkend einzugreifen. Aber eine solche Gefahr bestand nach seiner Meinung in diesem Fall nicht, also ließ er die Frau gewähren.

Sie erreichten das Kommandodeck und betraten kurz darauf die Brücke des Kreuzers.

Beeindruckt blieb Lynden B. Hayes stehen und ließ den ersten Eindruck auf sich wirken. Neben ihm blickte sich Irina Zaizewa um, die ähnlich zu empfinden schien, wie der General, bei diesem beeindruckenden Anblick.

Die primären Stationen befanden sich im Frontbereich der zwanzig Meter breiten und halb so langen Brücke. Dahinter, leicht erhöht, der Sitz des Kommandanten und, anders als auf älteren Raumschiffen der Erd-Allianz, der seines Ersten Offiziers – umgeben von Status-Displays. Durch die großen Panzerglasscheiben des Frontsektors, und beider Seitenbereiche der Kommandozentrale genossen beide Führungsoffiziere einen fantastischen Rundblick von annähernd 180 Grad. Die Steuerelemente und Arbeitsoberflächen der Konsolen entsprachen den neuesten Standards.

Gemeinsam mit Hayes schritt Irina Zaizewa zum Frontbereich, bis sie durch die Frontscheiben der Brücke einen Teil des vorderen Schiffsrumpfes erkennen konnte. Zu ihrer Linken schwebte die gewaltige Station, MFB-VI-023, mit leichter Überhöhung im All.

„Das Nervenzentrum dieses Kreuzers ist sehr beeindruckend“, ließ sich Hayes neben der Telepathin vernehmen. Er wandte sich zu Naeryn Kalimah und meinte: „Ich denke wir sollten uns auch den Rest des Kreuzers ansehen, finden Sie nicht?“

„Absolut, General.“

Zusammen mit Hayes und Zaizewa verließ die Südafrikanerin die Kommandozentrale des Schiffes und fuhr mit ihnen im Lift hinunter in den zentralen Bereich des Raumschiffs. Von dort aus schritten sie durch einen der Längsgänge zum Heckbereich. Neugierig erkundigte sich Hayes bei Captain Kalimah: „Was denken Sie? Wie stark sind diese neuen Kreuzer Ihrer Meinung nach?“

Die Afrikanerin blickte den General an und ein Glitzern erfüllte ihre Augen, als sie erwiderte: „Ich habe die Spezifikationen studiert und allein die besagen, dass diese neuen Kreuzer mindestens doppelt so schlagkräftig sein werden, wie die veralteten Schiffe. Aber darauf gebe ich nicht allzu viel, ich schätze mehr die praktischen Werte. Doch allein, was ich bisher gesehen und erlebt habe führt zu der Annahme, dass diese neuen Kreuzer halten werden was sie versprechen.“

Hayes nickte in Gedanken. „Zum Testen der Schiffe werden Sie noch genügend Gelegenheit bekommen, Captain. Auch ich bin bereits auf die Ergebnisse gespannt.“

Unterwegs inspizierten sie die Messe, den Freizeitsektor und einige der Quartiere, bevor sie die gewaltige Maschinenhalle der Hauptenergieerzeugung betraten. Von einer umlaufenden Galerie aus blickten sie auf die riesigen Aggregate, die alle Schiffssysteme mit Strom versorgten. Im Bug gab es ein redundantes System für Notfälle. Sie umrundeten die Maschinenhalle und betraten wenig später den Hauptmaschinenraum, von dem aus die Energieerzeugung und die Leistung der Triebwerke gesteuert und überwacht wurde. Sie sprachen eine Weile mit dem Chefingenieur des Kreuzers, bevor sie sich schließlich in den Bugsektor aufmachten, wo sie abschließend die Projektoren zur Etablierung eines Hyperraum-Fensters inspizierten.

Tief beeindruckt standen sie eine Stunde später wieder im Hangar des Kreuzers, den sie zu guter Letzt inspiziert hatten. Hier hatte besonders Commander Zaizewa wieder stärkeres Interesse gezeigt, da sie als Jagdpilotin natürlich mehr über die verbesserten STARFURY-Jäger hatte wissen wollen. Sowohl die Reichweite, wie auch die Bewaffnung waren verbessert worden. Acht der kampfstarken Jagdmaschinen, also eine komplette Staffel, führte der Kreuzer mit sich.

Generalmajor Hayes reichte Naeryn Kalimah zum Abschied die Hand und meinte abschließend: „Ich danke Ihnen, Captain, dass Sie sich die Zeit für diese Führung genommen haben. Ich weiß das zu schätzen, denn mir ist bewusst, dass Sie gerade in der nächsten Zeit eine Menge um die Ohren haben werden.“

Naeryn Kalimah erwiderte mit erstaunlich festem Griff den Händedruck des Generals und nickte ihm und Commander Zaizewa zu. „Kein Problem, Sir. Sie sind jederzeit herzlich willkommen auf meinem Schiff.“

Hayes schmunzelte leicht und verzichtete darauf klarzustellen, dass die THALIA grundsätzlich den Steuerzahlern der Erd-Allianz gehörte, denn er wusste, dass jeder Kommandant eines Raumschiffs das Schiff als sein Schiff zu bezeichnen pflegte. Inklusive ihm selbst.

Nachdem sie wieder im Shuttle saßen und Irina Zaizewa es aus dem Hangar der THALIA steuerte, blickte Hayes die Frau an seiner Seite fragend an. Sie hatte sich während der gesamten Führung kaum zu Wort gemeldet und der General fragte sich, ob es eine Nachwirkung ihrer Unterhaltung war, die sie auf dem Hinflug geführt hatten. Er zögerte einen Moment, bevor er schließlich mit rauer Stimme sagte: „Es tut mir leid, dass ich auf dem Hinflug etwas harsch auf Ihre Worte reagiert habe, Commander. Ich möchte mich dafür entschuldigen.“

Die Russin blickte ihn kurz an, bevor sie flüchtig lächelnd antwortete: „Schon vergessen, Sir. Ich hatte meine Worte wirklich nicht in diesem Sinne gemeint.“

Hayes nickte unangenehm berührt. „Ja, das hätte mir eigentlich klar sein sollen. Nun, ich bin froh, dass wir dieses kleine Missverständnis ausgeräumt haben. Ich freue mich bereits auf unser Abendessen, Commander. Ich hoffe, sie werden danach auch an meiner Seite sein, wenn wir die ALPHA-Kreuzer verabschieden. Die sieben Kreuzer brechen gegen 22:00 Uhr Standard auf.“

Das Lächeln der Frau vertiefte sich. „Ich freue mich auch darauf, General, und ich bin sehr gerne an Ihrer Seite, wenn die Kreuzer nach Hause starten.“

 
 

* * *

 

Auf der EAS KLOTHO war, ebenso wie auf allen anderen sieben Kreuzern der ALPHA-KLASSE, alles klar für den Rückflug zum Sonnensystem.

First-Lieutenant Eireene Connally, die Commander Jason Hrrurfuhruhurr bei diesem Flug als Erster Offizier zur Seite stand, wie bereits beim Hinflug, fuhr sich mit gespreizten Fingern durch ihr blondes schulterlanges Haar und meldete ihrem Vorgesetzen: „Commander Hrrurfuhruhurr, der Kreuzer-Verband ist klar zum Rückflug. Der festgesetzte Starttermin um 22:00 Uhr Standard kann auf jeden Fall eingehalten werden.“

Commander Jason Hrrurfuhruhurr nickte dankend in Richtung der jungen Frau und blickte sich auf der Brücke um, auf der nur die wichtigsten Stationen besetzt waren. Das Schiff wurde normalerweise von einer Crew aus 356 Männern und Frauen bemannt – im Moment waren es gerade mal vierzig. Aber das Raumschiff flog ja auch zur Demontage und nicht ins Gefecht.

Jason Hrrurfuhruhurr freute sich bereits darauf, nach diesem Flug einen längeren Urlaub anzutreten. Zeit, die er mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern, im Alter von vier und zwei Jahren, zu verbringen gedachte. Alle drei hatte er bereits seit über einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Sie wohnten, seit etwa fünf Jahren, seit er mit Yandra verheiratet war, auf dem Mars. Seine Frau leitete dort ein kleines aber exklusives Touristik-Unternehmen, das vorwiegend von reichen Kunden in Anspruch genommen wurde. Sie hatten sich vor acht Jahren auf der Transferstation IO kennengelernt. Damals war er dort als junger Lieutenant stationiert gewesen, und Yandra hatte sich an ihn gewandt, nachdem sie sich vollkommen auf der Station verirrt hatte. So war seine Yandra: hübsch, intelligent, geschäftstüchtig, aber sie verlief sich selbst in einer Abstellkammer. Jason Hrrurfuhruhurr stellte sich ihre großen rehbraunen Augen vor – wie Yandra ihn damals dankbar angesehen hatte, nachdem er sie gerade noch rechtzeitig zu ihrem Shuttle gebracht hatte, mit dem sie nach einem geschäftlichen Flug nach Proxima-III die Erde zu erreichen gedachte. Das war der Moment gewesen in dem er sich rettungslos in sie verliebt hatte.

Ein amüsiertes Lächeln überflog das Gesicht des Commanders bei diesen Gedanken bevor er sich wieder auf seine Aufgabe konzentrierte. Ein kurzer Blick zur Uhr belehrte ihn darüber, dass es weniger als zwanzig Minuten waren bis der Verband planmäßig in den Heimatsektor starten sollte. Die Überführungs-Crews hatten gute Arbeit geleistet.

Zusammen mit ihm und Lieutenant Connally weilten noch drei weitere Crewmitglieder im Kommandozentrum des Kreuzers. Für die Überführung reichte diese Minimalbesetzung der Brücke, da die Taktischen Stationen, und die Posten für die Notsysteme nicht besetzt werden mussten. Ansonsten wären hier mindestens zehn Leute erforderlich gewesen.

Mit einem Gefühl von Stolz setzte sich der Commander in den Kommandantensessel und nahm die letzten Checks seiner Systeme vor. Unter normalen Umständen saß hier ein Offizier im Rang eines Captains, da ließen die Regeln der Flotte keine Ausnahmen zu. Dass ein Commander während des Rückfluges zum Sonnensystem hier sitzen durfte lag darin begründet, dass der Kreuzer nun quasi bereits als ausgemustert galt, denn offiziell war bereits der neue Kreuzer desselben Namens, um 18:00 Uhr, in Dienst gegangen. Dennoch blieb das erhabene Gefühl in Hrrurfuhruhurr bestehen. Irgendwann würde er als Captain ein Kampfschiff der Erdstreitkräfte führen und dann saß er nicht nur an einem solchen Platz um das Schiff seiner letzten Bestimmung zuzuführen. Letztlich war er deswegen den Erdstreitkräften beigetreten. Captain eines Kriegsschiffes, das war das Ziel aller Kadetten der Akademie, oder besser, das sollte das Ziel sein, nach Hrrurfuhruhurrs Meinung.

Während der Commander diesen Gedanken nachhing dachte Eireene Connally über ganz andere Dinge nach. Vor dem Aufbruch aus dem Heimatsektor hatte sie sich von ihrem Freund getrennt. Das war zwar schon seit längerer Zeit absehbar gewesen, aber dennoch hatte es weh getan den endgültigen Schlussstrich zu ziehen. Sie hatten einander versprochen Freunde zu bleiben. Hohle Phrasen, wie Eireene fand. Aber was hätten sie einander sonst sagen sollen, vor dem finalen Abschied. Warum fiel Leuten, nach drei Jahren nichts Gescheiteres ein? Die blonde Frau strich sich nachdenklich eine Strähne ihrer Haare hinter das rechte Ohr und atmete tief durch. Vielleicht war es gescheiter so. Musa war Zivilist und sie sahen sich, bedingt durch ihren Dienst, nur wenige Wochen im Jahr. Sie konnte verstehen, dass Musa eine Andere kennengelernt hatte. Wenigstens war er so anständig gewesen sofort mit ihr zu reden, als ihm klar geworden war, dass er zukünftig lieber mit dieser anderen Frau zusammen sein wollte. Er hatte ihren Namen nicht genannt, und sie selbst hatte ihn nicht danach gefragt. Besser war das. Sie nahm sich vor, sich in der nächsten Zeit voll und ganz auf den Dienst zu konzentrieren, was später kam würde sie dann schon sehen. Positiv denken. Nach ihrer Rückkehr hieß es erst einmal: Urlaub. Zeit sich zu besinnen und neu zu orientieren. Vielleicht würde sie ihre Schwester besuchen. Sie hatten sich schon seit einem Jahr nicht mehr gesehen.

Schneller als Eireene Connally gedacht hatte, war die Zeit bis zum Start vergangen. Sie bekam mit, wie Generalmajor Hayes mit den Interimskommandanten der sieben Kreuzer in Verbindung trat und ihnen abschließend eine gute Heimreise wünschte. Nachdem der Kanal geschlossen war, lehnte sich der Commander etwas im Sitz zur Seite und blickte sie an. „Nun denn, Lieutenant. Dann werden wir jetzt aufbrechen. Geben Sie den übrigen Kreuzerkommandanten Bescheid, dass sich die KLOTHO an die Spitze setzt. Der Rest folgt in der abgesprochenen Formation durch den Hypervortex, sobald die Station ihn etabliert hat.“

Kaum hatte Lieutenant Connally die Anweisung des Commanders weitergeleitet, als die Spitzen der Doppelgabel, in Front der Militärbasis grell aufleuchteten und einhundert Kilometer vor der Station eine gelber Energiewirbel entstand der gewaltige Dimensionen annahm. Im Zentrum des Hypervortex erkannte Eireene Connally den Übergang zum Hyperraum. Wenige Augenblicke später nahm der Vortexwirbel bereits das gesamte Sichtfeld ein, das von den Fenstern des Kommandozentrums abgedeckt wurde. Wie immer war nicht das Geringste zu spüren, als die KLOTHO und ihre sechs Begleitschiff signifikant im Vortex beschleunigt wurden. Im nächsten Moment wechselte das leuchtende Gelb einem düsteren Rot. Sie befanden sich im Hyperraum, einer mit menschlichen Sinnen nicht erfassbaren Dimension. Mit Fahrtwerten, wie sie im Einsteinraum niemals möglich gewesen wären, jagten die sieben Kreuzer durch dieses rote Wirbeln und Strömen, ihrem fernen Ziel entgegen.

Eireene Connally kontrollierte ihre Instrumente und meldete dann: „Alle Kreuzer befinden sich planmäßig im Hyperraum und folgen in vorgeschriebener Formation, Sir. Wenn nichts dazwischen kommt, dann werden wir in knapp sechseinhalb Tagen über dem Mars ankommen. Es sei denn, wir machen unterwegs einen Zwischenstopp.“

Der Commander erlaubte sich ein verschmitztes Grinsen. „Dazu sehe ich keinerlei Veranlassung. Die Aggregate der Schiffe wiesen keinerlei Unregelmäßigkeiten auf, als wir sie durchgecheckt haben. Ich sehe also keinen Grund dazu unsere Reise unnötig in die Länge zu ziehen, Lieutenant.“

Eireene Connally nickte nur. Die Besatzungen zur Überführung der Schiffe waren bunt zusammengewürfelt, und so hatte sie Commander Hrrurfuhruhurr erst auf dem Flug nach BABYLON-6 kennengelernt. Für einen Moment war sie versucht ihn zu fragen, ob am Ende dieser Reise jemand auf ihn wartete, doch dann befand sie, dass diese Frage zu persönlich sei. Insbesondere da man sich vermutlich nach der Überführung kaum wiedersehen würde, da dann jedes Crewmitglied wieder in seiner angestammten Einheit Dienst tun würde. Die Blondine freute sich schon darauf, einige ihrer Kameraden und Kameradinnen wiederzusehen. Sie würden ihr in der nächsten Zeit dabei helfen, über die momentan nicht so glücklich verlaufende Phase ihres Privatlebens hinweg zu kommen. Beinahe sechs Stunden ereignislosen Fluges lagen nun vor ihr, bevor ihre Ablösung erscheinen würde. Dieser Sechsstundenrhythmus würde die Crew davor bewahren zu glauben, dass die Zeit gar nicht mehr vergehen wollte – schienen einem diese sechs Stunden ohnehin schon fast so lang zu sein, wie ein ganzer Tag. Diese eine Woche würde ihr vorkommen, wie ein Monat.

Eireene Connally hätte die Ereignislosigkeit des bevorstehenden Fluges sicherlich weniger schnell verflucht, hätte sie geahnt, was sie in etwas weniger als drei Tagen erwartete.

 
 

* * *

 

Im Kommandozentrum des Raider-Trägerschiffs STORMBRINGER warf Galen Kilrain einen Blick auf den automatischen Kalender. Soeben war der 13. März des Jahres 2291 angebrochen. Ein Freitag – doch das hatte nichts zu besagen. Galen Kilrain war nicht abergläubisch.

Vor einem halben Tag bereits hatte sein Verband, der aus fünf beeindruckenden Raider-Trägerschiffen und dem Experimental-Raumschiff DISTORTION-WARRIOR bestand, an dem Punkt Stellung bezogen, wo der Hyperfeld-Destruktor eingesetzt werden sollte. Eins der Schiffe, die APOCALYPTICA, hatte im Hyperraum Position bezogen und ortete mit speziell getunten Scannern nach den sieben Kreuzern, die sich bereits seit etwa drei Tagen auf dem Weg zur Erde befinden mussten. Natürlich, so überlegte Kilrain, konnte es zu Verzögerungen gekommen sein, doch damit würde er zurecht kommen. Nicht zuletzt deswegen weil er nicht zu den nervösen und ungeduldigen Typen gehörte, hatte Cameron Grant ihm die Leitung dieser Aktion anvertraut – und er würde das Vertrauen Grants bestätigen. Er wusste, dass in den Bereitschaftsräumen der Jagdgeschwader seiner fünf Trägerschiffe gleichfalls Männer und Frauen darauf brannten, dass es endlich losging und sie mit ihren deltaförmigen Jagdmaschinen starten durften. Ihre Aufgabe würde es vordringlich sein, die Schildnetzprojektoren und die Funkantennen zu zerstören. Die großen Schiffe würden sich zunächst zurückhalten, da man zu große Schäden an den sieben Kreuzern unbedingt vermeiden wollte. Cameron Grant legte größten Wert darauf, diese Kreuzer bald einsetzen zu können.

Grants fünf Trägerschiffe stellten eine verbesserte Variante jenes Prototypen dar, der im Jahr 2258 durch einen noch immer ungeklärten Zwischenfall, zerstört worden war. Es gab Gerüchte, dass die Schatten dahinter gesteckt hatten, doch dafür fehlten bis heute die Beweise.

Größer, mit mehr Jägern ausgestattet und besser bewaffnet als diese Prototyp, bildeten diese fünf Schiffe zwar einen beträchtlichen Machtfaktor – aber sie waren den modernen Kriegsschiffen der Großmächte unterlegen. Die sieben ALPHA-KLASSE Kreuzer jedoch waren hoffnungslos unterbesetzt. Außerdem rechneten die Crews dieser Kreuzer nicht mit einem Angriff, noch damit, dass es jemandem gelingen konnte den Hyperraumflug ihrer Kreuzer an einer willkürlich gewählten Stelle zu unterbrechen.

Galen Kilrain rechnete damit, dass die Überführungs-Crews für eine Weile verblüfft sein würden, wenn der Hyperfeld-Destruktor zum Einsatz kam. Diesen Schockmoment – den kurzen Moment der Handlungsunfähigkeit - gedachten der Ire und seine Leute zu nutzen. Die ersten Sekunden, nach dem Rücksturz in den Normalraum würden die entscheidenden Momente des Überfalls sein, so viel stand fest.

Sekunden reihten sich zu Minuten – Minuten zu einer Stunde. Dann noch eine Stunde, doch von den sieben Erd-Kreuzern noch keine Spur. Als eine weitere Stunde zur Hälfte herum war fiel die APOCALYPTICA plötzlich in den Normalraum zurück und gab des erhoffte Codesignal, welches die baldige Ankunft der ALPHA-Kreuzer in diesem Sektor ankündigte.

Galen Kilrain gab Vollalarm.

Elektronische Warntöne schrillten durch die Abteilungen der fünf Trägerschiffe. Schwere Stiefel der Fliegermonturen, die von den Jagdpiloten getragen wurden, die nun zu ihren Jägern rannten, erzeugten ein donnerndes Stakkato auf den Böden der Gänge. Keine Zwei Minuten später gab der letzte Pilot das Signal bereit zum Start zu sein und Kilrain befahl umgehend den Start aller Jäger. Gleichzeitig nahm er Verbindung zur DISTORTION-WARRIOR auf und wies den Kommandanten an, das Destruktor-Feld aufzubauen.

Unsichtbare Energiewellenbündel schossen nun aus den Emittern des Spezialschiffes und begannen damit auf den Hyperraum einzuwirken. Nur auf den Energie-Scannern konnte der unheimliche Vorgang, der mit den Maschinen an Bord der DISTORTION-WARRIOR in Gang gesetzt wurde, verfolgt werden.

Galen Kilrain wusste, dass der Hyperraum nun in einem Radius von einem viertel Lichtjahr beeinflusst, und ein Verbleiben im Hyperraum unmöglich gemacht wurde. Kilrain verstand von dem Vorgang nur so viel, als dass er wusste, dass nun jeden Moment die Raumschiffe der Erd-Allianz aus dem Hyperraum ausgespien werden würden. Kilrain lächelte finster. Er und seine Leute waren bereit zu handeln.

 
 

* * *

 

Der Flug war bisher genau so langweilig verlaufen, wie es sich Eireene Connally vorgestellt hatte. Sie gewann das Gefühl bereits seit Wochen, und nicht erst seit gut drei Tagen unterwegs zu sein, und sie fragte sich wiederholt, ob es etwas Schlimmeres geben konnte, als an Bord eines unterbesetzten Kreuzers sieben Tage am Stück durch den Hyperraum zu gondeln. Während der Freiwachen hatte sie sich mit einigen Leuten der Crew unterhalten, aber wirklich kennengelernt hatte sie dabei keines der Crewmitglieder. Während der letzten Freiwache hatte sie einige Stunden geschlafen und danach etwas gegessen. Einigermaßen ausgeruht und bereit weitere sechs ereignislose Stunden auf der Brücke zu verbringen hatte sie vor einigen Minuten wieder ihren Dienst angetreten. Etwas mürrisch blickte sie zu Commander Jason Hrrurfuhruhurr und murmelte: „Meine ich das nur, oder sieht der Hyperraum an dieser Stelle besonders trostlos aus?“

Der Commander blickte durch die Frontscheiben hinaus auf das Wirbeln sämtlicher Rottöne zwischen Blutrot und beinahe Schwarz und zuckte schmunzelnd die Schultern. „Überall gleich würde ich sagen. Bisher haben unsere Wissenschaftler nicht einmal bestätigt, ob dieses rote Wallen nicht nur die Einbildung überreizter Sehnerven ist.“

„Danke, Commander“, erwiderte die blonde Frau mürrisch und blickte den Mann so anklagend an, als könne er persönlich etwas für dafür, wie der Hyperraum aussah. „Das tröstet mich ungemein. Vielleicht sollte nächstes Mal einer dieser Wissenschaftler hier draußen herumfliegen.“

Commander Hrrurfuhruhurr war versucht etwas darauf zu sagen, doch er kam nicht mehr dazu. Von den Instrumenten des Operations-Offiziers kam ein durchdringendes Schrillen und etwas ratlos blickte der junge Ensign zu seinem Vorgesetzten auf und meldete: „Sir, ich messe einen signifikanten Energieanstieg direkt in Flugrichtung an. Er scheint sich rasend schnell auszuweiten und wird uns in etwa zehn Sekunden erreicht haben.“

Es dauerte einen Moment, bis Commander Hrrurfuhruhurr diese unglaubliche Meldung verdaut hatte. Etwas konsterniert erwiderte er: „Aber das ist doch nicht möglich, Ensign. Woher soll hier im Hyperraum ein Energieanstieg kommen? So etwas gab es noch nie.“

Im selben Moment stieß Eireene Connally einen unartikulierten Laut der Überraschung aus und sie deutete mit zitternder Hand zum Frontfenster.

Hrrurfuhruhurr blickte hinaus in den Hyperraum und er erkannte, was Lieutenant Connally aus der Fassung gebracht hatte. Vor dem Schiffsverband wuchs in aberwitziger Geschwindigkeit eine Kugel aus düster-roten, bis grell orangenen Energieblitzen auf, und nur wenige Augenblicke später schien eine Energiewand auf den Verband einzudringen.

„Oh mein Gott...!!“, rief der Commander fassungslos aus – unfähig irgendeinen sinnvollen Befehl zu erteilen.

Im nächsten Moment prallte die äußere Schicht der gewaltigen, sich weiter ausbreitenden, Energiekugel gegen die Schiffshüllen der sieben ALPHA-Kreuzer.

Auf der KLOTHO wurden Commander Hrrurfuhruhurr und Eireene Connally von den Beinen gehoben und wie Puppen durch die Kommandozentrale geschleudert. Unsanft landeten sie auf dem Boden, wobei sich der Commander eine blutende Risswunde an der Stirn zuzog.

Auf den Kreuzern HERMES und AGLAIA starben zwei Crewmitglieder durch einen Genickbruch und einer an einem Schädelbruch, als die Raumschiffe erfasst wurden.

Bereits im nächsten Augenblick schien alles vorbei zu sein, doch dieser Eindruck hielt nur für eine Schrecksekunde an, bevor ein deutlich spürbares Vibrieren durch die Schiffszellen lief. Einen Moment später wurden die Besatzungen der sieben Kreuzer wild durchgerüttelt.

Auf der KLOTHO schaffte es Hrrurfuhruhurr sich in den Sessel des Befehlshabers zu zerren und in schräger Haltung darauf Platz zu nehmen. Neben sich sah er Eireene Connally über den Boden kriechen. Er griff nach ihr um sie irgendwie festzuhalten und erwischte sie an der Schulter.

Im nächsten Moment war es vorbei und mit einem Gefühl soeben noch auf einem Rüttelsieb gewesen zu sein blickte sich der Commander verwirrt um.

Durch die Scheiben drang die gewohnte Schwärze des normalen Weltalls mit all seinen Myriaden von Sternen. Irgendwer wimmerte leise. Sich besinnend donnerte Hrrurfuhruhurrs Stimme: „Nach Objekten scannen und feststellen, was passiert ist und in welchem Raumsektor wir uns befinden?“ Er half Lieutenant Connally dabei aufzustehen und raunte ihr leise zu: „Was zur Hölle war das? Wir befinden uns nicht mehr im Hyperraum. Ein natürliches Phänomen?“

Eireene Connally, die sich noch sammelte blickte ihren Vorgesetzten an und machte eine hilflose Geste, die nur allzu deutlich besagte, dass sie keinerlei Vorstellung von dem, was soeben passiert war, hatte.

Fast im selben Moment meldete sich der Operations-Offizier: „Commander, es kommen Raumschiffe und Jäger auf uns zu. Aus 025.003 und aus 298.007.“

„Identifizieren!“, verlangte der Commander, während er mit dem Ärmel seines Uniformhemdes das Blut von seiner Stirn wischte. Ein unangenehmes Brennen machte sich an seiner linken Schläfe bemerkbar und Hrrurfuhruhurr fluchte leise.

Im nächsten Moment meldete der junge Ensign: „Sir, es handelt sich um Schiffe, wie sie früher von den Raiders benutzt wurden, bevor diese Gefahr von unserer Flotte gebannt wurde. Ich scanne sechs kapitale Raumschiffe und zwei Wellen von insgesamt 120 Jägern.“

Hrrurfuhruhurr blickte ungläubig zu Connally. „Lieutenant begeben Sie sich zur Taktischen Station und aktivieren sie das Schutzschildgitter und unsere Waffen.“

Während sich Eireene Connally beeilte die Order auszuführen, befahl Hrrurfuhruhurr: „Alarm für den gesamten Verband. Wir werden von Unbekannten angegriffen. Kommunikation: Einen Notruf absetzen. Das werden wir alleine nicht...!“

Ein Schlag traf das Schiff.

Der Ensign schrie dazwischen: „Die Unbekannten eröffnen das Feuer auf unseren Verband. Sie haben die Kommunikation zerstört. Notruf nicht möglich!“

Gleichzeitig meldete Connally: „Waffen und Schildgitter nicht zu aktivieren, Commander.“

Wie versteinert sank Hrrurfuhruhurr in den Kommandosessel und blickte hinaus ins All, wo schemenhaft die fremden Schiffe und ihre Jäger sichtbar wurden. „Dann schütze uns Gott.“



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