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Corrupt Me!

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das ist das allererste Mal, dass ich eine Fanfiction im PWP-Bereich schreibe. Sie wird aber nicht ausschließlich nur aus Sexszenen bestehen, sondern auch zwischendurch ein wenig Handlung haben. Und dann erfahren wir natürlich auch mehr zu Christoph und Crow. Den Anstoß für dieses Experiment hat mir WhiteMaid mit ihrer Fanfiction „How To Train Your Petboy“ gegeben, die ich wahnsinnig klasse finde. Und da dachte ich mir spontan „Warum machst du das nicht auch?“ Christoph Strauss und Crow sind Charaktere, die ich für meine Death Note Fanfiction Down Hill geplant hatte. Wenn ich endlich wieder meinen roten Faden wieder finde und die FF weiterschreibe, werden die beiden definitiv auch vorkommen. Nur wird Crow da kein Tätowierer sein, sondern ein gefährlicher Krimineller und Copkiller. Und Christoph wird nur geringfügig geändert. Die Idee, die beiden als Pairing einzubringen, war schon lange geplant, aber jetzt hatte ich einfach mal Lust, den beiden hier eine eigene Geschichte zu geben. Und ich hoffe, ich mach auch einen guten Job. Erfahrungen mit Sexkapiteln hab ich ja inzwischen schon ganz gut gesammelt.

Ich wünsche euch allen auf jeden Fall viel Spaß beim Lesen ;-) Komplett anzeigen

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The Deal

Ein gelbes Augenpaar starrte ihn an. Lauernd wie das eines Raubtieres. Wartend darauf, eine Unsicherheit oder zumindest einen kurzen Zweifel zu sehen. Der junge Mann, den er vorhin erst mit einer Nadel bearbeitet hatte, hatte die Jagdlust geweckt und ohne es zu wissen, hatte sich die Beute bereitwillig in die Fänge ihres Jägers begeben. Wie ein schwarzer Panther, der sich gleich auf den finalen Sprung vorbereitete um sich auf sein Opfer zu stürzen, hatte sich der knapp 1,94 Meter große und durchtrainierte Tätowierer mit verschränkten Armen vor ihm aufgebaut und ein tückisches Lächeln zierte seine Lippen. Es war für ihn recht überraschend gewesen, dass dieser Kerl, den er vorhin noch tätowiert hatte, ihn plötzlich sprechen wollte und dann noch so eine verrückte Bitte hatte. Und noch wusste Christoph nicht, auf was er sich da einließ. Dennoch war er bereit, alles auf eine Karte zu setzen. Er war sich so sicher, ihn endlich gefunden zu haben: den Menschen auf der Welt, bei dem all seine Wahrscheinlichkeitsberechnungen und Logarithmen versagten. Jemand, den er nicht so leicht durchschauen konnte und der sich nicht nach irgendwelchen Gewohnheiten richtete. Der Chaos-Faktor. Seit Jahren hatte er danach gesucht, nachdem er schon so viel Zeit damit verbracht hatte, die ganze Welt in mathematische Formeln zu packen. Matrizen, Algorithmen und Logarithmen. Wahrscheinlichkeitsformeln und vieles mehr. Wirklich alles auf der Welt war für ihn eine gigantische Sammlung von Formeln, die sich direkt vor seinen Augen offenbarten. Für viele aufregend, für ihn aber mit der Zeit nur noch eine langweilige Vorhersehbarkeit. Er konnte sogar schon die Lottozahlen berechnen und hatte sich die Fähigkeit angeeignet, die nächsten Schritte vorauszuberechnen, die seine Mitmenschen gehen würden. Rein theoretisch konnte er sogar ihre ganzen Entscheidungen „vorhersehen“, indem er einfach die Wahrscheinlichkeiten durchging, die er binnen Sekunden in seinem Kopf berechnete. Er galt ja schon seit seinem vierten Lebensjahr als mathematisches Genie. Aber das hatte ihm nicht gereicht. Im Gegenteil, es hatte für ihn die Welt nur noch eintöniger und langweiliger gemacht. Nichts mehr vermochte ihn noch zu überraschen. Alles war für ihn vorhersehbar geworden. Selbst die Menschen. Sie waren allesamt so verdammt berechenbar, dass er es mit der Zeit immer mehr hasste, überhaupt mit ihnen zu tun haben zu müssen. Nicht zuletzt, weil sowieso niemand verstand, wie seine Welt aussah. Keiner verstand ihn, nicht mal seine Adoptivfamilie. Ein ziemliches Armutszeugnis und er hatte irgendwann damit begonnen, das Leben eines exzentrischen Eigenbrötlers zu führen, der in seiner eigenen Welt lebte und nur in dieser lebte. Und dann, als wäre es Schicksal gewesen, hatte er das Studio betreten, um sich den linken Unterarm tätowieren zu lassen, nachdem der andere Laden schließen musste. Er hatte diesen Typ gesehen und direkt damit begonnen, ihn zu analysieren und seine nächsten Handlungen vorauszuberechnen. Immerhin kannte er die Vorgehensweise von Tätowierern und konnte den Kerl, der sich selbst einfach nur „Crow“ nannte, sehr grob einschätzen: düsterer Zeitgenosse, strikter Einzelgänger, mangelndes Sozialverhalten und vermutlich auch noch sadistische Veranlagung. Auf jeden Fall ein sehr dominanter Mensch.

Danach war es aber mit seiner Einschätzung vorbei. Denn Crow entzog sich seit ihrer ersten Begegnung jeden erdenklichen Berechnungen, die er wie immer durchführte und die nicht mal eine große Anstrengung für ihn bedeuteten. Doch seit sein erster Versuch einer Wahrscheinlichkeitsberechnung zunichte gemacht wurde, als Crow, statt mit den üblichen Begrüßungsfloskeln am Anfang, einfach damit begann, schon mal die Nadeln vorzubereiten und erst dann fragte, was für ein Motiv es denn sein sollte. Seine Abläufe waren chaotisch, entzogen sich einer vernünftigen Struktur und Reihenfolge und brachten damit Christophs ganzes Konzept durcheinander. Es war für ihn unverständlich gewesen, wie dieser Mensch da in so einer chaotischen Reihenfolge ohne erkennbares logisches Prinzip seiner Arbeit nachgehen konnte. Es existierte keine Ordnung, keine vernünftige Abfolge, wie man es überall kannte. Doch es war für ihn eine Offenbarung gewesen. Er war sich sicher, das gefunden zu haben, wonach er all die Jahre vergeblich gesucht hatte: den Chaos-Faktor. Etwas, das ohne vernünftige Struktur und Beständigkeit arbeitete und sich dadurch nicht mit irgendwelchen Formeln vereinbaren ließ. Keine Statistiken, keine Wahrscheinlichkeitsrechnungen… keine Matrizen und Algorithmen… Dieses Chaos, was Crow da ausgelebt hatte, war mathematisch nicht zu fassen. Und in diesem Moment war für ihn klar gewesen: er musste unbedingt mehr darüber herausfinden. Er musste diesen Chaos-Faktor studieren, nachdem er ihn endlich gefunden hatte.
 

„Also was ist?“ fragte der Tätowierer lauernd. Seine Stimme klang tief und dunkel. Die Aura eines gefährlichen Raubtieres ging von ihm aus und seine schwarzen Haare, die unnatürlich gelben Augen und die Haut mit der dunklen südländischen Bräune verliehen ihm etwas Wildes und Unzähmbares. Eine Aura, die nicht spurlos an Christoph vorbeiging. Ja sie übte auf ihn auch eine gewisse Faszination aus. Nicht zuletzt aber dieses unberechenbare Verhalten, das sich so mancher Logik entzog. „Weshalb willst du mich sprechen?“

Christophs Gefühl verriet ihm, dass der Tätowierer, der knapp vier Jahre älter war als er, bereits etwas ahnte, oder zumindest einen leisen Verdacht hegte. Auf jeden Fall wusste er, dass da gewisse Hintergedanken dabei waren. Und als er sein Anliegen erklärte und versuchte, ihm die Sache mit dem Chaos-Faktor zu verdeutlichen, da rechnete er auch zuerst nicht damit, dass Crow ihn verstand. Wieso denn auch? Selbst so manche Dozenten an der Uni hatten ihre Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Er war in ihren Augen und in denen seiner Studenten seltsam, ein Exzentriker. Und doch… als er das amüsierte Lächeln und das Lauern in diesen bernsteinfarbenen Augen sah, da widerlegte sich seine Einschätzung.

„Du willst also eine Art Verhaltensstudie an mir durchführen“, schlussfolgerte der 28-jährige Tätowierer und ließ ein amüsiertes Schnauben vernehmen. Doch Christoph blieb dabei.

„Ich berechne seit zwanzig Jahren die gesamte Welt. Geometrie, Stochastik, Trigonometrie… wirklich alles kann ich berechnen, weil alles einer gewissen Logik folgt. Nur bei dir scheint das nicht zu klappen und darum bin ich mir sicher, den Chaos-Faktor endlich gefunden zu haben. Und aus diesem Grund will ich mehr darüber herausfinden. Für den Aufwand bin ich auch bereit, eine Entschädigung zu zahlen.“

Wieder lachte Crow, als amüsierte es ihn, dass Christoph ihn für die ganze Aktion sogar Geld anbot.

„Glaubst du wirklich, ich hätte Interesse daran? Oder denkst du etwa, ich hätte es so nötig, Mr. Akademiker?“ Nun kam er auf ihn zu. Christoph, der mit knapp 18 Zentimetern weniger sichtlich kleiner war als er, wurde gegen die Wand gedrängt. Die Beute saß nun in der Falle. „Nein danke, auf dein Geld kann ich verzichten. Was wärst du denn sonst noch bereit, dafür zu zahlen?“
 

Diese dunkelgrünen Augen sowie auch das Gesicht blieben verschlossen und zeigten weder Unsicherheit noch Angst. Nach Crows Einschätzung musste dieser Kerl entweder Nerven aus Stahl haben, oder er musste völlig verrückt sein. Oder aber er war von seinem Leben so dermaßen frustriert und gelangweilt, dass er verzweifelt nach einem Nervenkitzel suchte. Ja, er wollte das Chaos, weil es ihm den Reiz des Unerwarteten gab. Er suchte nach der Gefahr und dem Risiko. Nun, in dem Fall war Crow ihm gern behilflich, denn eines stand für ihn fest: so leicht würde er diesen Schlauberger nicht davonkommen lassen. Und als würde er es direkt darauf anlegen, fragte Christoph nach.

„Was verlangst du?“

Auf diese Frage hatte Crow gewartet. Und er freute sich schon auf die Reaktion seiner Beute, wenn er ihr seine wahren Absichten offenbarte. Denn für ihn stand fest: er würde sie mit Haut und Haaren verschlingen. Diesen für seine Maßstäbe klein geratenen Streber würde er aus seiner Langeweile herausholen und ihm noch ganz andere Seiten zeigen.

Nun war er ihm noch näher gekommen und sah ihm tief in die Augen. In Christophs Augen spiegelte sich eine sehr schwache Unsicherheit, aber auch Neugier wieder. Ja, ganz eindeutig: er suchte den Reiz bei der ganzen Geschichte. Er wollte das Chaos, um aus all diesen Routinen und geordneten Strukturen geholt zu werden. In eine Welt, die er nicht so leicht berechnen konnte und die nicht so vorhersehbar und unspektakulär war wie die, die er schon lange satt hatte. Und das würde Crow ihm noch geben. Darauf konnte sich dieser kleine Streber von der Uni verlassen. Er würde sein Leben noch in ein Chaos verwandeln. Ein Lächeln zog sich über Crows Lippen und er hob Christophs Kinn, um ihn näher zu betrachten. Zugegeben, auch wenn er ein verdammter Akademiker war, er sah gut aus. Das rotbraune Haar unter der Strickmütze gab ihm etwas Freches, sein Gesicht war schmal, wie auch sein Körper und sein Gesicht war bereits von einigen Piercings gezeichnet. Nicht gerade typisch für einen Mathematiker. Aber das hatte auch gewissermaßen sein Interesse geweckt: er war kein verweichlichter Nerd, den man am liebsten verprügeln würde wie in der High School. Da war etwas Aufmüpfiges in seinem Wesen und das reizte den Tätowierer nur noch mehr.

„Was hältst du von deinem Körper?“ fragte er lauernd und drückte Christophs Handgelenk gegen die Wand. „Ich gebe dir das, was du willst, wenn du mir dafür deinen Körper gibst.“

Es war kein Entsetzen in seinen Augen zu sehen. Auch folgte keine abweisende oder panische Reaktion. Viel eher schien es sogar, als hätte Christoph ein Stück weit darauf gewartet, diese Worte zu hören. Und das erstaunte den 28-jährigen nun doch ein wenig. Hatte der Kerl es etwa so dringend nötig, dass er tatsächlich in Betracht zog, sich auf diesen Deal einzulassen? Nun, Crow wusste um seine Wirkung auf andere. Er strahlte etwas Wildes und Unbezwingbares aus und das war es wahrscheinlich auch, was Christoph an ihn so faszinierte. Vermutlich hatte der Kerl zu lange sein Eigenbrötlerdasein gefristet und suchte nun nach drastischen Veränderungen, um seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Er wollte Chaos in seine so vorhersehbare und geordnete Welt bringen. Und wenn es eben auf diese Weise geschah. Auf eine gewisse Art und Weise ein Armutszeugnis, aber andererseits war dies wiederum auch zu Crows Vorteil.

„Was würde das alles beinhalten?“ Diese Frage ließ den Tätowierer schmunzeln.

„Eine ganze Menge, denn ich stehe nicht so wirklich auf einfachen Sex. Ich habe da gewisse Vorlieben.“ Immer noch keine abweisende Reaktion. Und das amüsierte Crow umso mehr. „Sag bloß, du stehst auf Kerle.“

Hier verfinsterte sich Christophs Gesicht. Widerspenstigkeit funkelte in seinen Augen. „Tut das unbedingt etwas zur Sache?“ Nun, es konnte auch egal sein. Solange der Kerl tatsächlich bereit war, sich auf den Deal einzulassen, war doch alles bestens. „Aber ich mach sicher nichts mit, was absolut krank ist.“

„Und das wäre?“ fragte der Dunkelhäutige lauernd und entwickelte immer mehr Spaß an der ganzen Sache.

„Ich mach sicher keine Orgie mit, oder verkauf mich an irgendjemanden.“
 

Na zumindest scheint er ja zu wissen, worauf er sich da einlässt, dachte sich der 28-jährige und ließ langsam von Christoph ab und ließ ihm etwas mehr Raum. Wenigstens war er in der Hinsicht nicht allzu naiv, das konnte ansonsten ziemlich lästig werden.

„Na schön. Wenn du willst, können wir das Ganze auch gerne schriftlich festhalten. Ist mir auch so viel lieber, dann kannst du mir wenigstens nachher nichts anhängen. Aber überstürz das erst mal nicht. Schlaf mal eine Nacht drüber, bevor du noch etwas tust, was du vielleicht bereuen könntest. Du kannst ja morgen wieder herkommen, wenn du es dir überlegt hast.“ Auch wenn es Crow widerstrebte, ihm diese Wahl zu lassen, aber noch weniger gefiel ihm der Gedanke, dass Christoph noch auf den Gedanken kam, dass das alles doch nichts für ihn war. Und bevor er ihm noch ein Trauma fürs Leben verpasste, ließ er ihm lieber die Möglichkeit, es sich noch mal zu überlegen.

„Ich brauche nicht zu überlegen“, erklärte der 24-jährige Mathematiker und wirkte sehr selbstsicher. „Ich weiß, was ich will.“ Das gefiel ihm umso mehr. Ein Waschlappen war der Typ jedenfalls nicht. Der würde schon so einiges aushalten können. Nun, Crow hatte sowieso nicht das geringste Interesse an solchen Heulsusen. Ein bisschen widerspenstig durfte sein Beuteschema ruhig sein. Dann machte es wenigstens Spaß. Und auch wenn dieser Christoph Strauss ein landesweit bekanntes mathematisches Genie war, das schon als Wunderkind berühmt geworden war und er Akademiker mehr als alles andere auf der Welt verachtete, so hatte er dennoch eine gewisse Schwäche für ihn entwickelt. Vielleicht, weil er nicht wie ein typischer hochnäsiger Besserwisser war, der sich für etwas Besseres hielt und es dementsprechend auflebte. Er war bodenständig, wenn auch vielleicht etwas exzentrisch, aber er schien keinerlei Berührungsängste zu haben. Und er ließ sich nicht so schnell einschüchtern. Also eigentlich genau sein Beuteschema. Auch vom Aussehen her sah er nicht übel aus. Nicht zu hager und unsportlich, aber auch nicht allzu groß und muskulös. Eigentlich genau ideal und mit Sicherheit auch um so einiges belastbar.

„Na gut. Wenn du dir so sicher bist, halten wir es gleich am besten schriftlich fest. Nur zur Sicherheit, damit du mir später nichts anhängen kannst und damit du auch festlegen kannst, was für dich absolut nicht infrage kommt. Aber ich warne dich trotzdem: ich mag es hart im Bett.“ Wieder war dieser Funke in Christophs Augen. Aufregung lag darin und Neugier auf diesen Nervenkitzel, auch wenn der Rest seines Gesichts eher Desinteresse und Langeweile ausstrahlte. „Also gut, so machen wir es.“
 

Um diesen Teil zu erledigen, gingen sie in Crows Büro und setzten sich an den Tisch. Bei einer Tasse Kaffee besprachen sie die Details. So wurde festgehalten, dass schwere Verletzungen sowie das Zufügen von Wunden und der Einsatz von Drogen verboten waren. Erstellung von Fotos und Videos waren verboten, niemand sonst durfte darüber in Kenntnis gesetzt werden und vor allem waren weitere Sexpartner nicht erlaubt. Auch was Sexpraktiken mit Fäkalien und dergleichen betraf, war nicht erwünscht und beide verpflichteten sich zudem noch, sich auf Geschlechtskrankheiten untersuchen zu lassen. Das Zufügen offener Wunden oder gefährliche Praktiken wie Breath Control, die unter Umständen gesundheitsgefährdend sein könnten, waren ebenfalls verboten. Außerdem gewährleistete der Vertrag, dass ein Ausstieg jederzeit möglich war, sollte es sich Christoph anders überlegen. Im Gegenzug verpflichtete er sich dafür, Crows Anweisungen Folge zu leisten, solange sie nicht gegen die Bedingungen des Vertrags verstießen. „Und zudem sollten wir ein Safeword ausmachen“, ergänzte Crow. „Glaub mir, es wird so einiges auf dich zukommen. Darüber solltest du dir im Klaren sein. Such dir ein einfaches Wort aus, das du dir gut merken kannst.“
 

Aber auch das schreckte den Mathematiker nicht ab. Er war noch nie jemand gewesen, der sich vor einer Herausforderung gedrückt hatte. Und auch wenn er noch nie vorher so etwas getan hatte wie das hier jetzt, würde er dennoch nicht kneifen. Auch wenn er diesen Crow überhaupt nicht kannte und nicht mal seinen richtigen Namen wusste, so reizte ihn der Gedanke, sich auf diese völlig neue Situation einzulassen. Und sonderlich Hemmungen hatte er auch nicht. Wenn er ehrlich war, hatte ihn dieser wilde Eindruck eines gefährlichen Raubtieres schon eine große Wirkung auf ihn. Und die Tatsache, dass er Crow einfach nicht richtig in mathematische Formeln fassen konnte, weil dieser das Chaos auslebte, war er fasziniert von ihm. Nicht zuletzt musste er zugeben, dass Crow ihm auch vom Aussehen her gefiel. Man sah ihm an, dass er südländische Wurzeln hatte, eine raue und dominante Natur besaß und dieser große und kräftige Körper unterstrich dies zusätzlich. Zugegeben, er hatte ein Mal an der High School eine gleichgeschlechtliche Beziehung gehabt, aber er war dem Ganzen auch nicht sonderlich abgeneigt. Wenn es Crow war, hatte er kein Problem.

„Und wozu dient das Safeword?“ hakte Christoph sofort nach. Und daraufhin erklärte ihm der Tätowierer „Das wird beim Bondage verwendet. Dir muss ja schon klar sein, dass du dich dann nicht genug bewegen kannst, um abzuhauen. Und das Safeword dient als Sicherheit für dich. Wenn du es sagst, wird die ganze Aktion sofort abgebrochen, egal was gerade läuft.“

Als das Wort Bondage fiel, war da wieder dieser Funken Neugier zu sehen. Darum vermutete der Tätowierer auch, dass Christoph wahrscheinlich schon gewisse Vorstellungen hatte. Nun, vermutlich hatte er schon während der High School genug Pornos gesehen. Oder er hatte schon mal gewisse Fantasien gehabt. Ihm war das nur recht, da brauchte er wenigstens keine Überzeugungskunst zu leisten. Crow lächelte zufrieden und konnte nicht glauben, was für ein Fisch ihm da ins Netz gegangen war. Das war fast wie ein Sechser im Lotto.

„Okay“, kam es von Christoph. „Dann nehmen wir Spüle als Safeword.“
 

Es war wirklich interessant, dass er ohne großartig zu zögern einfach Ja sagte und dann noch zu einem Fremden. Ein recht risikofreudiger Mensch. Und auch abenteuerlustig. Nein, so ganz konnte man es nicht nennen. Christoph war hungrig nach einem Abenteuer. Und das konnte er gerne haben.

„Also gut. Dann würde ich sagen, du gibst mir deine Handynummer. Ich werde dich ausschließlich über diese anrufen, wenn wir ein Treffen vereinbaren. Ebenso gebe ich dir meine für den Fall, dass du es dir doch noch anders überlegen solltest.“

Damit holte der 24-jährige sein Handy hervor und ließ sich von Crow die Nummer nennen. Er speicherte sie ein und klingelte ihn kurz an, um ihm auch seine Nummer zu geben. Zufrieden lächelte der Tätowierer und speicherte sie bei seinen Kontakten unter dem Namen „Chris“. Das klang gleich viel flotterer.

„Also gut, Chris. Dann werde ich mich bei dir melden, wenn ich Zeit habe. Du kannst mir aber auch jederzeit eine Nachricht schicken, wenn du es dir anders überlegen solltest. Das musst allein du wissen. Eines muss ich aber wissen: bist du noch Jungfrau? Ich muss das wissen, weil… du kannst dir ja denken, dass das erste Mal schmerzhaft ist und da wäre ich gerne vorgewarnt.“

„Bin ich“, antwortete Christoph mit betonter Gelassenheit und einer Spur Gleichgültigkeit, als würde ihn das alles recht wenig beeindrucken. Aber das lag auch daran, weil er es allgemein vermied, seine Gefühle allzu offen zu zeigen. Und außerdem zählte es sowieso nicht zu seinen Charakterzügen, als Feigling da zu stehen. Er hatte sich hierfür entschieden und wenn dieses vielleicht vollkommen absurde Sexabkommen mit diesem Crow der beste Weg war, um endlich den erhofften Kick in sein für ihn so monoton erscheinendes Leben zu bringen, dann würde er sicherlich nicht kneifen, oder lange zögern. Und selbst wenn, er hatte durch diesen Vertrag genügend Freiheiten, um jederzeit wieder aussteigen zu können. Zwar bestand eine gewisse Gefahr, dass Crow es nicht ganz so mit der Ehrlichkeit hatte und sich als gefährlich entpuppen könnte, aber Christoph war bereit, es dennoch zu wagen. Immerhin hatte er es endlich gefunden: den Chaos-Faktor, der seinem Leben eine neue Richtung geben konnte. Raus aus der gewohnten Welt der Mathematik und der Berechenbarkeit. Er wollte den Nervenkitzel und das Risiko. Nachdem alle Punkte besprochen waren, machte Crow eine Kopie des Vertrages. Beide Exemplare wurden unterschrieben und jeder bekam eines. Damit war es endgültig besiegelt. Und wenn Christoph ehrlich war, so war er schon recht gespannt darauf, wann sich Crow denn melden würde.

Master And Slave

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Punishment Games

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Let's Talk

Selbst am Tag nach der letzten Session war Christoph ziemlich erschöpft gewesen und hatte sich so gerädert gefühlt, dass er mit dem Auto zur Uni fahren musste, weil er es zu Fuß sonst nicht geschafft hätte. Seine Kollegin Dr. Mary Chamber, die im Bereich Neurobiologie tätig war, hatte im ersten Moment schon gedacht gehabt, er sei krank und hatte ihm schon geraten, zum Arzt zu gehen. Aber zum Glück ging es ihm heute deutlich besser und er hatte wieder seine Energie zurück. Also ging er wieder zu Fuß zur Uni, da sie ja eh nicht allzu weit entfernt lag. Außerdem brauchte er die Bewegung auch, um seinen Kopf sortiert zu bekommen, auch wenn er von sich selbst behauptete, ziemlich faul zu sein. Aber es hatte auch etwas Erholsames, wenn man natürlich die Tatsache außer Acht ließ, dass er selbst auf seinem Spaziergang das Rechnen nicht sein lassen konnte. Es war auch immer der gleiche Weg, den er ging. Dieselbe Ampel, die alle fünf Tage 0,34 Sekunden länger brauchte, dieselbe Strecke von knapp 25,446 Minuten Fußmarsch, wenn er sein Lauftempo konstant hielt. Er fragte sich manchmal, wie andere das aushielten, immer diese Konstante in ihrem Leben zu haben. Dieselben Wege, dieselben Tagesabläufe. Es gab einfach zu viel Ordnung in dieser Welt. Zu viel Vorhersehbares und zu viel Berechenbares. Dahingegen erschienen ihm die Sessions mit Crow wie eine willkommene Abwechslung. Es war wie eine Flucht aus seinem geordneten Leben, weil Crow diese Ordnung zerstörte und ihm die Kontrolle über seine Handlungen und über seinen Körper entzog. Er ließ ihn Dinge tun und spüren, die für Christoph noch nie vorstellbar gewesen waren. Auch wenn viele Menschen es vielleicht als unnormal und eventuell sogar als krank empfunden hätten, dass er so etwas machte, so bereute er diese Entscheidung durchaus nicht. Dieses Abenteuer brachte ihm den Nervenkitzel, den er brauchte und er konnte es offen gestanden kaum erwarten, dass es bald wieder soweit sein würde, auch wenn diese Demütigungen und die körperlichen Züchtigungen gewisse Spuren hinterlassen hatten.

Da er keine Lust hatte, in der Kantine der Universität zu essen, hatte er sich einfach vom Chinaimbiss in der Nähe gebratene Nudeln geholt und wollte sich in sein Büro verkriechen. Er war sowieso gerade dabei, eine weitere Wahrscheinlichkeitsformel zu berechnen und er ließ seine Arbeit nur ungern unvollendet. In der Hinsicht war er fast genauso pedantisch wie mit seiner Rechnerei. Nur bemühte er sich halt damit, anderen damit nicht auf die Nerven zu gehen. Das konnten viele Akademiker ganz gut und deshalb hatte er auch nicht viel für diesen „Klugscheißer-Verein“ übrig. Zumindest galt das für jene, die meinten, man müsse unbedingt die ganze Welt wissen lassen, dass man intelligenter als der Durchschnitt war.

Mit seinem Mittagessen ging er in sein Büro und wollte es sich an seinem Schreibtisch gemütlich machen, doch als er die Tür öffnete, sah er einen groß gewachsenen Mann mit südländischem Teint und dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren. Er war fast zwei Meter groß, hatte kräftige Oberarme und trug eine schwarze Lederjacke, schwere Stiefel und eine Jeans mit Nietengürtel. Obwohl er den Rücken zu Christoph gewandt hatte, erkannte dieser sofort, dass es Crow war. Und zu seinem Erstaunen war der Tätowierer gerade dabei, die Formel zu seiner Wahrscheinlichkeitsberechnung zu ergänzen. Ja, er hatte sie sogar korrekt gelöst. „Crow?“ Der Tätowierer drehte sich um und legte den Stift beiseite.

„Ah Chris, da bist du ja. Und ich dachte schon, du wärst untergetaucht. Eine nette kleine Arbeit hast du da. Sag bloß, du machst solche Wahrscheinlichkeitsberechnungen häufiger. So etwas ist ja für eine Uni nicht gerade anspruchsvoll.“

„Ist eine Art kleine Nebenaufgabe von mir“, erklärte Christoph und setzte sich auf seinen Stuhl. „Die ganzen Professoren und Doktoranden kommen mit verschiedenen Anliegen zu mir, weil zum Beispiel Experimente durchgeführt werden müssen. Wenn sie sehr kostspielig sind, berechne ich ihnen die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs und Misserfolgs. Mit der Zeit wird die Arbeit auch recht eintönig und die einzige Herausforderung für mich ist das Suchen von Lösungsansätzen für ungelöste und teilweise auch als unmöglich lösbar eingestufte mathematische Probleme, sowie die Berechnung der nächsten Lottozahlen.“

„Dann musst du ja ziemlich viel Kohle haben, wenn du die Lottozahlen ausrechnen kannst.“

Crow nahm nun auf dem anderen Stuhl Platz, sodass er Christoph genau gegenüber saß. Er nahm eine recht bequeme Haltung ein und erinnerte nicht wenig an einen Rocker mit seiner Aufmachung. Er trug eine Silberkette mit einem Medaillon um den Hals und auf seinem weißen Shirt, welches seine Haut nur noch dunkler erscheinen ließ, hatte er einen Weißkopfadler als Aufdruck. „Ich behalte das Geld nicht“, erklärte der Akademiker, um auf diese Bemerkung zu antworten. „Ich spende es.“

„An Hilfsorganisationen?“

„An das Waisenhaus, in dem ich aufgewachsen bin, bevor ich adoptiert wurde.“

Crows Blick hatte nach wie vor etwas Lauerndes. So als warte er nur darauf, dass sein Gegenüber eine Schwäche zeigte oder anderweitig einknickte. Vielleicht bildet sich Christoph das aber auch nur ein. Dieser begann nun sein Mittagessen zu essen, da er allmählich Hunger verspürte. Auf seine Frage, ob er Crow etwas anbieten könnte, lehnte der Tätowierer ab. Nach den ersten Bissen merkte der Akademiker an „Ich hätte nicht gedacht, dass du etwas von Stochastik verstehst.“

„Ich hab selbst mal studiert. Näher gesagt Medizin, Psychologie und Neurobiologie“, gab Crow zu und verschränkte die Arme. Diese neue Erkenntnis erstaunte Christoph, denn das hätte er jetzt nicht erwartet. Und natürlich wollte er daraufhin wissen, wieso Crow dann ausgerechnet Tätowierer geworden war. Doch sofort verfinsterte sich der Blick des 28-jährigen und man sah ihm deutlich an, dass er keine näheren Einzelheiten nennen wollte. Stattdessen antwortete er nur damit, dass er seine Gründe dafür hätte und sie nicht weiter benennen wollte. Und damit beließ es der Mathematiker. Stattdessen interessierte ihn noch etwas anderes. Als er nämlich nach Crows IQ fragte, zuckte dieser mit den Schultern und erklärte, dass er sich nicht mehr an den genauen Wert erinnern könnte, aber es war irgendetwas zwischen 150 und 160. Und das verwunderte Christoph noch mehr. „Und wieso arbeitest du dann als Tätowierer?“

„Weil es besser ist, als mit diesem Akademikerpack arbeiten zu müssen. Das ist halt eine sehr lange und schwierige Geschichte, die aber auch niemanden etwas angeht.“

Nun, es brachte wohl nichts, weiter in diese Richtung nachzufragen. Also entschied sich Christoph dazu, lieber die Richtung zu wechseln. Denn da gab es nämlich noch etwas, was ihn dann doch interessierte und wo Crow schon mal hier war, um seine Fragen zu beantworten, dann konnte er die Situation gleich nutzen, um ihn etwas besser kennen zu lernen.

„Hast du südländische Wurzeln?“

„Ich bin so einiges“, antwortete der Tätowierer und musste lachen. „Ich habe japanische, chinesische, brasilianische und indianische Wurzeln. Mein Vater ist halb Japaner und Chinese und meine Mutter teils Brasilianerin und Indianerin. Geboren bin ich in Japan, genauer gesagt in Murakami. Aufgewachsen bin ich aber in Brooklyn. Von meinen asiatischen Wurzeln sieht man aber eh nichts.“ Christoph war erstaunt, denn so eine bunte Mischung hätte er bei Crow jetzt nicht vermutet. Wobei er aber beim genaueren Hinsehen dann doch bemerken musste, dass an den Augenwinkeln sehr schwach gewisse asiatische Züge vorhanden waren. Aber dazu musste man schon sehr genau hinsehen. „Und was willst du noch von mir wissen?“ hakte der 28-jährige schließlich nach und wirkte ein wenig rastlos. Irgendwie gewann Christoph immer mehr den Eindruck, als würde sich Crow hier nicht sonderlich wohl fühlen. Lag es an dem Büro, oder allgemein an der Uni? Nun, es war bekannt, dass Crow Akademiker verachtete und das bekam auch seine Kundschaft hin und wieder zu hören. Zwar war Christoph bisher immer nur bei dessen Angestellter Satori Horikawa gewesen, aber die hatte auch so einiges über ihren Chef erzählt.

„Wie bist du eigentlich auf SM gekommen?“

„Das kam ganz spontan. Als ich gemerkt habe, dass mir das Ganze irgendwie gefällt, hab ich es zu meinem Hobby gemacht und hab mit der Zeit mein Repertoire an Geräten und Spielzeugen immer weiter ausgebaut. Ich mach halt das, was mir gefällt und von meinen Entscheidungen her war ich schon immer recht impulsiv gewesen. Aber weißt du, Chris… ich habe mal über dein Gerede vom Chaos-Faktor nachgedacht und ich hab so den Eindruck, als wärst du ein ganz schön kopflastiger Mensch. Zwar kenne ich dich nicht wirklich, aber du scheinst mir jemand zu sein, der instinktiv nach einer Logik in dieser ganzen Welt sucht. Du hast für dich eine gewisse Ordnung in deiner Welt und bist mit Sicherheit auch ein kleiner Pedant.“
 

Crow betrachtete Christoph aufmerksam und allein an dessen Reaktion konnte er sehr gut erkennen, dass er mit seiner Einschätzung gar nicht mal so falsch lag. Aber es war auch ziemlich offensichtlich, in welche Kategorie er seinen kleinen Akademiker einordnen konnte. Er hatte nicht umsonst Psychologie studiert und zudem verfügte er über eine äußerst gute Einschätzung, was seine Mitmenschen betraf. Nicht zuletzt wegen Prof. Bloom, den er am liebsten wieder aus seinem Gedächtnis streichen wollte und das am besten für immer.

„Ich kann mir schon denken, wieso du dich auf die ganze Sache eingelassen hast“, fuhr er fort. „Du bist gelangweilt von diesem Leben und suchst Abwechslung. Etwas, das dir hilft, von dieser Routine und deiner Gewohnheit loszukommen, die ganze Welt in ein System zu bringen.“ Der etwas verunsicherte Blick bei dem 24-jährigen amüsierte ihn. Für ihn war der Junge fast genauso wie eine frustrierte Hausfrau, die die üblichen Spielchen leid war und keine Lust mehr hatte, immer in denselben Trott gefangen zu sein. „Hinter deinem Chaos-Faktor steckt kein großes Geheimnis, du denkst einfach nur zu umständlich. Es ist einfach so, dass Menschen den Drang verspüren, Kontrolle auszuüben, aber auch kontrolliert zu werden. Es gibt devote und dominante Menschen. Sogar die Männer aus der Chefetage suchen sich eine Domina, weil ihnen der Ausgleich fehlt. Bei dir ist es nicht anders: du braucht einen Ausgleich, wo auch mal du die Kontrolle abgeben kannst und dich von jemand anderem beherrschen lässt. Denn dann brauchst du nicht mehr über deine ganzen Formeln nachzudenken. Insbesondere dann nicht, wenn dein Kopf vollkommen ausgeschaltet ist.“ Ein spielerisches Lächeln zog sich über seine Lippen und er konnte sehr gut beobachten, dass Christoph ein wenig rot um die Wangen wurde. Mit Sicherheit musste er wieder an die zwei Sessions denken. Und allein schon als er sah, dass der 24-jährige etwas unruhig auf seinem Platz saß, konnte er sich natürlich denken, dass dieser das nächste Treffen kaum abwarten konnte. Nun, er hatte ihn vorgestern auch deutlich mehr rangenommen als bei der ersten Session, aber er wollte auch nicht, dass sein Spielgefährte auf den Trichter kam, sie könnten es jeden Abend machen. Nein, er musste ihn auch mal ein wenig zappeln lassen, damit es nicht noch zur Gewohnheit wurde. Außerdem musste der gute Chris lernen, dass es nicht nach seinen Wünschen ging und er sich dementsprechend unterzuordnen hatte Wenn er dann sogar noch überreizt war, machte es umso mehr Spaß. Außerdem hasste Crow es, wenn die Dinge eine gewisse Regelmäßigkeit entwickelten. In der Hinsicht war er fast genauso wie Christoph, nur unter einem anderen Aspekt.

„Der Unterschied zwischen uns beiden ist einfach, dass du so kopflastig bist, dass du es von alleine gar nicht mehr abschalten kannst. Da macht auch der Sex mit Frauen keinen Spaß, wenn die obendrein noch zu der devoten Sorte im Bett gehören. Sex ist ein sehr gutes Mittel, um komplett abzuschalten und sich, anstatt von seinem Kopf, einfach von seinen Sehnsüchten und seinem tiefsten Verlangen beherrschen zu lassen. Ich für meinen Teil lasse mich schon lange nicht mehr von meinem Kopf beherrschen, sondern nehme mir einfach das, was ich will und lebe das aus, was ich auch will. Und dabei denke ich auch nicht lange über irgendwelche Wahrscheinlichkeiten nach. Ich spiele gerne auf Risiko und gehe dabei aufs Ganze. Meiner Meinung nach solltest du dich mehr nach dem richten, was du dir gestochen hast.“

Dabei tippte er auf die Stelle auf Christophs Brust, wo er unter der Kleidung die Schlangentätowierung hatte.

„Wenn du die Symbolik verstehen würdest, dann müsstest du, dass es tu, was du willst bedeutet und besagt, dass du deinem wahren Willen folgen solltest. Und nichts ist schwieriger als das. Aber keine Suche ist lohnenswerter als die nach dem wahren Willen.“
 

Als es langsam Nachmittag wurde, verabschiedete sich Crow und sagte ihm noch, dass er sich kurzfristig für das nächste Treffen melden würde. So war Christoph für den Rest des Tages allein im Büro und dachte über das nach, was der Tätowierer ihm gesagt hatte. Er sollte seinem wahren Willen folgen… Was würde das in seinem Fall bedeuten? Was wollte er denn? Wollte er mehr von dem, was Crow ihm gezeigt hatte und mehr von dieser Welt sehen, der er sich bisher noch nie so wirklich genähert hatte, weil er nie einen Anlass dazu gesehen hatte? Wollte er mehr von diesen Züchtigungen und Liebkosungen spüren? Oder war es viel eher sein Wille, sich voll und ganz der Mathematik zu widmen und das zu tun, was er am besten konnte? Auch wenn er diese ganze Ordnung leid war, änderte es nichts an der Tatsache, dass er die Mathematik liebte und gerne alles im Kopf berechnete. Es war für ihn eine wunderbare Spielerei, nur war halt das Problem da, dass sie einfach zu viel von seinem Leben beanspruchte. Er brauchte einen gewissen Freiraum. Einen Lebensbereich, den seine Mathematik nicht vereinnahmen konnte… einen Ausgleich… Genauso wie Crow es gesagt hatte.

Als sich seine Arbeitszeit dem Ende zuneigte, packte er seine Tasche und verließ sein Büro, die Tür schloss er gleich ab. Auf dem Weg nach Hause begann es zu regnen und da er keinen Schirm dabei hatte, kam er etwas durchnässt nach Hause. Er wurde direkt an der Haustür von seiner Adoptivmutter in Empfang genommen, die ihm erst mal ein Handtuch brachte.

„Schatz, wieso hast du nicht angerufen? Ich hätte dich doch abholen können!“

„Weil mir der Spaziergang auch mal ganz gut tat. Außerdem bin ich kein kleiner Junge mehr, Mum.“

Kopfschüttelnd machte sie ihm Platz und sagte nichts weiter dazu. Sie kannte seine Launen inzwischen schon zur Genüge und beließ es dabei, dass sie ihn darauf hinwies, dass er gleich zum Essen kommen könne. Helen Strauss war im Gegensatz zu ihrem Mann keine Akademikerin und konnte nicht mit dem Niveau ihrer beiden Männer mithalten. Doch davon hatte sie sich auch nie beirren lassen und hatte stets die Meinung vertreten, dass es reichte, wenn sie Harold eine gute Ehefrau und Christoph eine gute Mutter sein konnte. Und als resolute Hausfrau wusste sie sich gegen die beiden durchzusetzen und sich gegen ihren Intellekt zu behaupten, auch wenn sie selbst nie das College besucht hatte. Nicht gerade die beste Kombination, wenn man bedachte, dass Harold Strauss sowohl drei Doktortitel besaß, sondern auch noch den Status als Professor genoss. Aber er war auch stets bemüht, den „Akademiker“ bei der Arbeit zu lassen und zuhause ein normaler Vater und Ehemann zu sein. Und so etwas hatte sich auch Christoph angewöhnen müssen, denn nicht selten hatte er seine Adoptivmutter zum Verzweifeln gebracht, als er ihr mit zehn Jahren das Collatz-Problem erläutern wollte und versucht hatte, einen eventuellen Lösungsweg zu entwickeln. Ganz zu schweigen, als er den Großen Fermatschen Satz auseinandergepflückt hatte, um auch wirklich zu sehen, ob die Gleichung a^n + b^n = c^n für positive ganze Zahlen a,b,c, n mit n>2 keine Lösung hatte. Sie konnte da absolut nicht mitreden und hatte ihm deshalb klar gemacht, sich während der familiären Unternehmungen mit seinen Zahlen zurückzuhalten. Und daran hatte er sich auch immer gehalten, oder zumindest meistens.

Bevor er aber zum Essen kam, ging er erst mal nach oben in seine Wohnung und zog sich um, damit er wenigstens aus den nassen Klamotten rauskam. Als er sich halbnackt im Spiegel betrachtete, stellte er fest, dass tatsächlich keine Spuren zu sehen waren. Keine Abschürfungen, keine blauen Flecken. Und als er das AURYN-Tattoo auf seiner Brust betrachtete, musste er sich an Crows Worte erinnern und tatsächlich schmunzeln. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dieser Typ seine Lieblingslektüre aus seiner Zeit im Waisenhaus kannte? Hauptsächlich hatte er sich das AURYN-Motiv stechen lassen, weil es sich in einer perfekten elliptischen Symmetrie befand und es ein wunderbares dualistisches Motiv darstellte. Aber die Botschaft dahinter hatte er fast schon vergessen. Tu, was du willst. Eigentlich konnte er diese Botschaft ja auf sein derzeitiges Dilemma beziehen. Im Grunde war die Lösung für dieses Problem, dass er halt tat, was er wirklich wollte. Aber die Schwierigkeit bestand eben halt darin, zu erkennen, was er wirklich wollte. Das war nämlich nicht ganz so einfach.

Nachdem er sich umgezogen hatte, ging er nach unten in die Wohnung seiner Adoptiveltern. Harold saß bereits am Tisch und freute sich sichtlich über den Besuch. „Christoph! Das ist ja auch mal wieder schön, dass man dich zu Gesicht bekommt. Da wohnst du schon über uns und trotzdem sieht man dich kaum.“

„Ich war viel mit Arbeit beschäftigt“, erklärte der Angesprochene und nahm nach der Ermahnung seiner Adoptivmutter die Mütze ab, als er sich an den Tisch setzte. „Wenn ich nicht mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu tun habe, arbeite ich noch an der Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer und am P-NP-Problem. Dr. Becker meinte, dass sich das Problem auch mit der Polynomialzeitreduktion klären lässt, weil man es somit in deterministischer Polymialzeit lösen könnte, womit also P = NP wäre. Nur müsste dafür erst mal ein solcher Algorithmus her und solange der nicht gefunden wird, gilt also P≠NP. Lösbar wäre das Problem also dann, wenn sich ein Algorithmus findet, sodass bewiesen wird, dass P≠NP und vielleicht auch logisch unabhängig von ZFC ist. Oder aber es findet sich eine nicht-konstruktive Technik, mit der bewiesen werden kann, dass P = NP gilt, ohne dass man einen expliziten Algorithmus konstruieren müsste.“

„Jungs, ich hab doch gesagt: keine Fachgespräche am Tisch, wenn ich dabei bin!“

Sofort unterbrachen sie ihr Fachgespräch und beschlossen, es später fortzusetzen. Auch wenn Christoph seinen Adoptivvater in vielen Bereichen längst überholt hatte, holte er sich dennoch oft bei ihm Ratschläge ein, da Harold etwas hatte, was ihm wiederum mangelte: lange Berufs- und Lebenserfahrung. Und manchmal brachte sein Adoptivvater ihn auch hin und wieder mal mit einem guten Ratschlag auf die richtige Spur und dann kam er auch der Lösung näher.

„Sag mal Christoph, was war denn eigentlich gestern mit dir los?“ fragte Helen, als sie das Essen auf den Tisch stellte. Es gab Steaks mit Kartoffeln und Gemüsebeilage. Der 24-jährige nahm sich eine etwas kleinere Portion, da er nach dem Essen in der Mittagspause noch keinen allzu großen Appetit verspürte. „Ich hatte mich vorgestern ziemlich verausgabt, deshalb war ich auch noch etwas neben der Spur. Aber es geht schon wieder. Ich fühl mich bestens.“

„Ja, das sieht man auch. Du wirkst ausgeglichener als sonst.“

Diese Bemerkung überraschte ihn nun doch. War es denn so deutlich zu sehen, dass er durch diese Sessions nicht mehr ganz so frustriert und übellaunig war wie sonst? Zugegeben, es war eine wirklich wunderbare Abwechslung und es gab ihm auch gewissermaßen den Kick. Und als Helen natürlich nachfragen musste, was genau er jetzt machte, überlegte er nicht lange und sagte einfach, dass er zu einer Art Therapie gehen würde, die auch mit sportlichen Aktivitäten verbunden sei. Naja… ganz ehrlich war es jetzt nicht, aber komplett gelogen war es auch nicht. Allerhöchstens etwas umformuliert.

„Ach das ist ja wunderbar! Und wie ist dein Therapeut so?“

„Er nimmt mich ganz schön ran, aber er versteht sein Fach.“

„Na das ist ja wohl die Hauptsache. Und wenn es dir dadurch besser geht, ist es doch wunderbar!“

Christoph musste bei dem Gedanken fast schmunzeln, dass er doch tatsächlich diese BDSM-Sessions als Therapie bezeichnete. Naja… aus einem gewissen Blickwinkel betrachtet, könnte man es tatsächlich als ziemlich ungewöhnliche Therapie betrachten. Immerhin half sie ihm, ihm einen guten Ausgleich zu seiner Arbeit zu geben und er merkte ja auch selbst, dass diese Sessions ihm das gaben, was er die ganze Zeit gesucht hatte. Aber trotzdem war die Vorstellung einfach schräg, dass er Crow als Therapeuten bezeichnete und seine Adoptiveltern keinen blassen Schimmer hatten, dass er sich von einem Hobby-Dominus an einem Pranger fesseln und den Allerwertesten versohlen ließ. Wenn die das erfahren würden, Hellen würde erst mal vor Schreck einen Herzinfarkt kriegen und sich fragen, was sie in der Erziehung falsch gemacht hatte. Und Harold würde auch erst mal ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. Aber so wie Christoph ihn auch einschätzte, würde er es etwas gefasster aufnehmen. Unter Männern verstand man sich eben etwas besser und er war auch sehr liberal. Immerhin pflegte seine Nichte als Vollblutgothic auch keinen stinknormalen Lebensstil. Aber fürs Erste bestand sowieso noch keine Veranlassung, irgendeiner Menschenseele von seiner neuen Vorliebe zu erzählen. Wozu denn auch? Es war seine eigene Privatangelegenheit und es konnte ihm eh vollkommen egal sein, was andere darüber dachten. Solange er zufrieden bei der ganzen Geschichte war, war auch alles in bester Ordnung. Und es war eh vertraglich abgesegnet, dass Stillschweigen bewahrt wurde. Zumindest hätte Christoph nicht gesagt, wer sein „Therapeut“ war. Aber wem hätte er es denn schon erzählen sollen? Seine Adoptiveltern mussten es ja nicht unbedingt wissen, zumindest noch nicht und richtige Freundschaften hatte er auch nicht. Er war ohnehin noch nie der sozialste Typ gewesen und aufgrund der Tatsache, dass er einen so extrem hohen IQ hatte, war es ihm schon als Kind sehr schwer gefallen, Freunde zu finden. Wenn man mit zehn Jahren schon zur Uni ging und alle anderen knapp zehn bis zwanzig Jahre älter waren, dann hatte man eben ziemlich Pech. Da war man nicht mehr mit Gleichaltrigen in der Schule. Hochbegabung machte einsam, das hatte Christoph früh erkannt und es akzeptiert. Etwas anderes blieb ihm ja auch nicht übrig. Und da er schon immer eher zu den Einzelgängern zählte, der nicht wirklich auf freundschaftliche Kontakte angewiesen war, hatte er auch nicht sonderlich viele Probleme damit gehabt.

„Und was genau machst du bei dieser Therapie?“

„Jetzt bedräng den Jungen doch nicht gleich wieder, Helen“, kam es von Harold herüber, der sich bis jetzt nicht oft zu Wort gemeldet hatte. Aber nun sah er sich doch gezwungen, etwas dazu zu sagen und seine Frau ein wenig zu bremsen. „Wenn du in einer Therapie wärst, wenn es dir nicht gut geht, dann würdest du auch nicht über Einzelheiten sprechen wollen.“

„Aber ich mache mir doch nur Sorgen! Wieso denn überhaupt ein Therapeut? Hast du Ärger auf der Arbeit oder bekümmert dich irgendetwas?“

„Es ist nichts Ernstes“, versicherte Chris und goss sich ein Glas Wasser ein. Seine Kehle fühlte sich irgendwie trocken an. „Es ist nur halt so, dass ich mit mir selbst im Moment unzufrieden bin und diese Therapie als inneren Ausgleich brauche, um von meiner Unzufriedenheit wegzukommen.“

Das war ja nicht mal gelogen, nur eben halt in eine elternfreundliche Version umformuliert worden. Er konnte ja wohl schlecht sagen, dass er darauf stand, körperlich gezüchtigt und dominiert und wie ein Sklave behandelt zu werden und dass es ihm den Ausgleich zu seinem routinierten und kontrollierten Alltag gab. Welche Eltern wollten so etwas denn auch schon gerne hören?

„Auf jeden Fall braucht ihr euch keine Sorgen zu machen. Wie gesagt: es ist nichts Ernstes. Ich brauch einfach nur ein Ventil, um auch mal von diesem Frust loszukommen. Und ich denke, dass die Therapie auch ganz gut ist und ich sie weiterhin machen werde.“

Let's Talk (2)

Es war spät geworden, als Crow die Marshall Street erreichte und in die Bar ging, die den Namen Johnny’s trug. Eine ungemütliche Absteige, in der die Luft stickig war und nach Zigarettenqualm stank. Hier trieb sich allerhand Gesindel herum, wodurch die Bar den Ruf weg hatte, ein Sammelpunkt für Kriminelle zu sein. Und tatsächlich trieben sich hier auch ehemalige Häftlinge herum oder jene, die das Glück hatten, noch nicht ins Visier der Polizei geraten zu sein. An der Bar bestellte er sich einen Scotch und setzte sich an den Tresen. Den Barkeeper kannte er schon seit Jahren. Mick war zwar nicht sein Kumpel, aber kam oft zu ihm, wenn er einfach mal ein wenig reden, oder wie heute einfach nur einen trinken wollte. Neben Satori war er so ziemlich der Einzige, mit dem er redete.

„Hey Crow!“ grüßte Mick ihn, der gerade dabei war, Gläser zu wischen. „Was treibt dich wieder hierher? Ich hab dich schon seit knapp einem Jahr nicht mehr gesehen.“

„Mir war einfach danach. Und hier schmecken die Drinks wenigstens.“

In einem Zug leerte er sein Glas und bestellte sich gleich etwas nach. Seine Laune war schlecht, was vor allem daran lag, weil er doch allen Ernstes Christoph etwas aus seinem Leben erzählt hatte. Zum Glück nicht allzu viel, denn außer seinem abgebrochenen Studium und seinem IQ konnte er ja sonst nicht viel vorweisen. Zumindest nichts, was für ihn sprechen würde.

„Ich hatte halt viel zu tun, wie du weißt. Die Arbeit im Studio beansprucht mich halt.“

„Weißt du Crow, es ist mir echt ein Rätsel, wieso du ausgerechnet so etwas machst. Hattest du nicht mal gesagt, du willst Arzt werden? Du bist doch so intelligent und du hast Talent, oder nicht? Warum machst du nichts daraus?“

„Finde mit meinem Vorstrafenregister einen Job in die Richtung, geschweige denn eine Uni. Das kannst du vergessen, Mick. Ich hab diesen Traum schon lange aufgegeben und ich hab mich damit arrangiert, dass ich nie in meinem Leben mal Arzt werde. Das ist lange vorbei.“

Er kannte Mick schon seit Jahren und dieser wusste von seiner Geschichte. Wahrscheinlich sah sich der Barkeeper als eine Art väterlicher Freund und war deshalb immer ein aufmerksamer Zuhörer gewesen. Nun, Crow war auch ganz dankbar dafür, denn er hatte sonst niemanden zum Reden. Seit sich dieser Vorfall vor sechs Jahren ereignet hatte, sprach sie eh kein Wort mehr mit ihm und machte auch kein Geheimnis daraus, dass sie ihn dafür hasste, was er getan hatte. Und Crow hatte ihr ohnehin nie verzeihen können, dass sie die Familie zerstört hatte und wegen ihr alles erst so sehr hatte eskalieren müssen. Hätte sie damals nicht dieses Verhältnis angefangen, dann wäre es niemals so weit gekommen. Sie hatte das alles doch provoziert und wäre sie nicht so egoistisch gewesen, dann hätte so vieles nicht passieren müssen. Und er wäre vielleicht nicht im Gefängnis gelandet. Aber ihr die ganze Schuld zu geben, war natürlich auch nicht richtig, das wusste er ja auch. Er hatte ebenso Mitschuld, immerhin war es seine Entscheidung gewesen, dass er damals so gehandelt hatte und so hatte er seinen Absturz vom talentierten Genie mit Studium und Zukunftsperspektiven zum vorbestraften Tätowierer irgendwann einfach akzeptiert und machte sich in der Richtung auch keine Hoffnung mehr. Sein Leben hatte kaum noch Perspektiven, aber es war immer noch besser, als wenn er einfach nur herumgesessen hätte. Und lieber war er ein vorbestrafter Tätowierer mit zerstörten Träumen, als ein aufgeblasener Akademiker, der meinte, er könnte mit allem durchkommen. Arzt würde er nie werden, das war Fakt. Träume hatte er eigentlich keine mehr, auch keine Herzenswünsche. Darum hatte er sich auch damals sein erstes Tattoo umändern lassen, weil es ihm falsch erschien, es noch weiterhin zu haben. Um seinem Herzenswunsch zu folgen, musste man ja einen haben und den hatte Crow schon längst nicht mehr.

„Das ist doch schon Jahre her und du hast deine Strafe abgesessen“, meinte Mick schließlich, der ihn wohl aufmuntern wollte. „Und es gibt sicher genug Leute, die Verständnis für solch eine Situation hätten.“

„Ach ja? Glaubst du wirklich, jemand würde Verständnis zeigen, wenn ich ihm erzählen würde, dass ich einen Menschen zu Tode geprügelt habe? Das glaubst du doch wohl selbst nicht.“

Mick schwieg nun und wischte weiter die Gläser. Crow verspürte nicht wenig Lust, sein Glas einfach gegen die Wand zu werfen und sich auf diese Art und Weise abzureagieren. Aber er beherrschte sich und versuchte die Gedanken zu verdrängen. Eigentlich konnte er ja von Glück reden, dass der Richter und die Jury die Umstände berücksichtigt hatten und er mildernde Umstände bekommen hatte. Aber vier Jahre Gefängnis waren dennoch viel gewesen. Und seine Tat hatte er auch nie bereut, auch wenn es Totschlag war. Aber es änderte nichts daran, dass er seiner Mutter auch Mitschuld daran gab, dass sein Leben einen solchen Absturz nehmen musste.

„Hey du Pisser, das ist mein Platz!“

Eine Hand packte Crow grob an der Schulter und als er sich umdrehte, sah er einen ziemlich verwahrlosten Kerl mit Zahnlücke, der offenbar nicht gerade zu den freundlich gesinnten Zeitgenossen zählte. Doch er blieb unbeeindruckt und meinte nur „Da steht nirgendwo dein Name drauf, also verzieh dich lieber, sonst werde ich ungemütlich.“

Das schien dem Kerl mit der Zahnlücke überhaupt nicht zu passen.

„Willst du etwa Stress, du Würstchen? Verpiss dich sofort, oder ich…“

Bevor der Mann weiterschreien konnte, hatte Crow ihm einen Schlag ins Gesicht verpasst. Wie ein nasser Sack fiel der Mann zu Boden und dann stieß ihm der 28-jährige seinen Stiefel gegen den Brustkorb, als er aufstand und wie ein Mahnmal des Unheils über ihn stand. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten gefährlich und wirkten furchteinflößend und bedrohlich.

„Oder was?“ fragte er gereizt. „Willst du Prügel? Die kannst du gerne haben, wenn du es unbedingt darauf anlegen willst.“

„Crow, lass das besser“, mischte sich nun Mick ein. „Lass dich nicht von ihm provozieren und komm wieder runter.“

Die ermahnenden Worte des Barkeepers beruhigten den Tätowierer ein wenig und so setzte er sich wieder. Doch der andere wollte wohl nicht wirklich die Sache auf sich beruhen lassen und war stinksauer. Immerhin hatte der 28-jährige ihm die Nase blutig geschlagen. Etwas wankend kam er wieder auf die Beine und zog ein Messer.

„Na warte du Scheißkerl“, knurrte der Kerl mit der lädierten Nase. „Das kriegst du alles wieder zurück!“

Damit wollte er angreifen, doch Crow gelang es, sein Handgelenk zu greifen und es so zu verdrehen, dass das Messer fallen gelassen wurde. Dann packte er den Mann im Genick und stieß ihn mit dem Kopf auf den Tresen und warf ihn daraufhin zu Boden. Das Messer kassierte er selbst und ging damit auf den Angreifer zu, der noch völlig benommen am Boden lag. Mit einer Hand zerrte er ihn am Kragen hoch und hielt ihm die Klinge vor die Nase.

„Beim nächsten Mal kastrier ich dich eigenhändig, wenn du mir auf die Nerven gehst. Also verschwinde lieber und such dir einen anderen Idioten, dem du ans Bein pinkeln kannst, oder ich mach gleich hier und jetzt eine Frau aus dir.“

Da der Mann es offenbar doch mit der Angst zu tun bekam, entschied er sich lieber, einen Abflug zu machen und verließ die Bar. Crow drückte Mick das Messer sowie 20$ mit den Worten „Sorry für das Chaos“ in die Hand und ging ebenfalls. Die Lust war ihm nun endgültig vergangen und er hatte einfach nur das Bedürfnis, am besten weit weg zu gehen und nie wieder zurückzukommen. Raus aus der Stadt und vielleicht sogar raus aus diesem Land. Aber was würde es denn bringen? Er würde doch nur davonlaufen und er war kein Feigling, der beim ersten Anzeichen von Problemen das Weite suchte. Dennoch konnte er nichts dagegen tun und war in einer entsetzlichen Machtlosigkeit gegen sein eigenes Schicksal gefangen. Was war sein Leben doch für ein einziger Scherbenhaufen. Aber er war nicht der Typ Mensch, der sich selbst bemitleidete oder jammerte. Er war schon immer ein zäher Kämpfer gewesen und hatte auch das Gefängnis überlebt. Egal wie viele Rückschläge noch auf ihn warten würden, er wusste, wie er sich durchbeißen konnte. Und so ganz hoffnungslos war sein Leben momentan ja auch nicht. Immerhin hatte er Christoph, seinen kleinen Spielgefährten. Der Akademiker mit dem Supertalent für Zahlen… Ja, der war eine wunderbare Abwechslung für zwischendurch und an ihm konnte er auch nach Herzenslust seine sadistische Ader auslassen. Zumindest in einem gewissen Rahmen… vorläufig. Und morgen konnte er ja schon mal mit den Vorbereitungen für die nächste Session beginnen. Dann hatte er wenigstens eine gute Ausrede dafür, sich vor dem Familientreffen zu drücken. Aber andererseits… er war eh nicht erwünscht. Die Familie hatte ihn schon längst aus ihrem Leben gestrichen, da war es auch nicht mehr relevant, ob er dort antanzte oder nicht. Also konnte er sich ohne schlechtes Gewissen um sein Hobby kümmern. Und er hatte auch schon eine Idee, was er mit Christoph so alles anstellen würde. Der Gedanke munterte ihn ein wenig auf und so zündete er sich eine Zigarette an und machte sich auf den Weg zu seiner Wohnung. Das Haus in der Hampton Street war lediglich sein Hobbybereich, da seine Wohnung irgendwann einfach nicht mehr ausgereicht hatte. Das Haus hatte er ziemlich günstig erworben, da sich mal dort ein Doppelmord ereignet hatte. In solchen Fällen waren die Häuser immer recht günstig und das Geld dafür hatte er sich im Knast „verdient“. Sein Psychologiestudium war ihm beim Kartenspiel zugute gekommen, denn es wurde teilweise mit ziemlich hohen Summen gespielt und das hatte er für sich genutzt. Auch was gewisse „Geschäfte“ innerhalb des Gefängnisses anging, hatte er aktiv mitgewirkt und sich auf die Weise was zusammensparen können. Auch mit dem Tattoostudio hatte er gut verdient, nachdem er es von Keith übernommen hatte, der bei einer Bandenschießerei ums Leben gekommen war. Der Großteil seines zusammengesparten Geldes war inzwischen wieder ausgegeben, aber er kam ganz gut über die Runden und konnte auch sein Hobby finanzieren.
 

Als er nach knappe einer halben Stunde Fußmarsch seine Wohnung erreichte, die in einem riesigen Apartmentblock in einem etwas schmutzigen und heruntergekommenen Viertel lag, dröhnte ihm schon laute Musik entgegen. Genervt seufzte er und öffnete die Tür, woraufhin ihm der ungefilterte Lärm entgegenkam. Er ging direkt ins Wohnzimmer, wo seine Mitbewohnerin Satori gerade dabei war, sich die Fußnägel zu lackieren. Sofort schnappte er sich die Fernbedienung und schaltete die Musikanlage aus.

„Verdammt noch mal, musst du die Musik so laut machen?“

„Ist ja schon gut, Crow“, gab die Japanerin zurück und setzte in aller Seelenruhe ihre Arbeit fort. Satori war seine Angestellte, Mitbewohnerin und fast schon etwas wie eine gute Freundin. Aber auch nur fast, denn mit Freundschaft hatte er es schon seit seiner Inhaftierung nicht mehr so wirklich. Satori war eine sehr talentierte und kreative Tätowiererin, war aber chronisch pleite, sodass sie zu der Idee kamen, eine Art Wohngemeinschaft zu gründen. Die meiste Zeit funktionierte es auch, aber an manchen Tagen war auch viel Streit vorprogrammiert. Satori war mit 1,66m fast 30cm kleiner als er, hatte langes schwarzes Haar und ein hübsches mädchenhaftes Gesicht. Ihr Körper war mit diversen Blumentätowierungen, Schmetterlingen und Kolibris versehen und sie war sehr zierlich. Nicht selten wurde sie deshalb noch für sehr jung gehalten, obwohl sie gerade mal zwei Jahre jünger war.

„Hast du irgendwie schlechte Laune?“ erkundigte sie sich direkt, doch Crow gab keine Antwort darauf und legte seine Jacke aufs Sofa. Danach ging er erst mal in die Küche und holte sich noch ein Bier. Er hatte irgendwie das dringende Bedürfnis, seinen ganzen Frust und die ganzen Gedanken und Sorgen zu vergessen und sie einfach im Alkohol zu ertränken. Ein echt beschissenes Gefühl und er hasste es.

„Deine Mutter hat heute angerufen.“

„Was wollte die denn?“

„Keine Ahnung, sie hat mir nichts Genaueres gesagt. Wahrscheinlich wollte sie nur mit dir reden.“

Crow hätte fast gelacht. Als ob seine Mutter einfach nur so mit ihm reden wollte. Das bezweifelte er arg. Wenn sie gerade kein Geld brauchte, weil sie meinte, sie könne ihn wie eine Weihnachtsgans ausnehmen, nur weil sie das Talent besaß, ihm immer wieder aufs Neue Schuldgefühle einzureden, war sie sicher wieder auf Streit aus und hielt ihm vor, dass sie es bereute, ihn überhaupt auf die Welt gebracht zu haben, weil er eine absolute Schande wäre. Ständig kam sie damit an, dass er ihr das schuldig sei, weil er ihr Leben zerstört habe. Aber die Nummer klappte bei ihm schon lange nicht mehr und inzwischen hatte er eine gewisse Gleichgültigkeit entwickelt, wenn seine Mutter wieder auf der Matte stand und Geld von ihm wollte.

„Und was hast du gesagt?“

„Dass du sie nicht mehr sehen willst.“

„Gut…“

Doch Satoris Augen blieben an ihm heften und er ahnte, dass sie nicht locker lassen würde. Er hatte schon oft genug über seine Familiensituation und seine Vergangenheit erzählt, aber wahrscheinlich war es dieses Mal etwas anderes, das sie wissen wollte. Und tatsächlich begann sie nachzufragen, was denn mit der Sache mit diesem Akademiker geworden war und was er wollte. Nun, Crow hatte noch nichts darüber gesagt, aber da Satori zu dem Zeitpunkt im Laden gewesen war, hatte sie natürlich mitgekriegt, dass Christoph ihren Chef sprechen wollte. Und da sie wusste, dass Crow Akademiker wie die Pest hasste, hatte sie sich natürlich gewundert, warum er Christoph nicht hochkant rausgeschmissen hatte. Zuerst dachte er daran, ihr von dem Deal zu erzählen, aber er entsann sich wieder an den Vertrag, den er unterschrieben hatte. Und auch wenn er kam Geheimnisse vor Satori hatte und sie auch von seinem Hobby wusste, würde er nicht gegen den Vertrag verstoßen. Die Gefahr bestand, dass Christoph Schwierigkeiten bekommen könnte und er war nur äußerst ungern dafür verantwortlich. Vor allem wollte er keinen Ärger riskieren, nur um dann wieder im Knast zu landen.

„Darüber kann ich nicht reden. Ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet.“

„Wie bitte was? Äh… musstest du eine Schweigepflichtserklärung unterschreiben oder wie?“

„So etwas in der Art.“

„Aha…“, kam es langsam und gedehnt von der Japanerin, die wieder nachdachte und versuchte, für sich selbst ein paar Antworten zu finden. Dann aber kam ihr doch eine Idee und sie fragte, ob es vielleicht mit seinem Hobby zu tun habe. Er sagte dazu nichts, aber man konnte ihr ansehen, dass sie sich schon ihren Teil dachte. Sie grinste breit und kicherte leise. „Na wer glaubt’s denn? Da hast du dir ja einen süßen Kerl geangelt.“

„Hör auf, so einen Blödsinn zu reden. Das zwischen uns hat nichts Tieferes zu bedeuten. Und so etwas Lästiges wie Gefühle werde ich mir ganz sicher nicht antun. Dieser ganze Liebesquatsch bedeutet doch sowieso nur Ärger. Und jetzt lass uns auch nicht mehr weiter darüber reden, okay? Ich will mir gleich die Nachrichten ansehen.“

Und somit schnappte er sich die Fernbedienung vom Fernseher und schaltete den entsprechenden Kanal ein, um sich die Nachrichten anzusehen. Danach würde er sich wahrscheinlich schlafen legen, denn irgendwie fühlte er sich heute ziemlich müde und erschöpft.

A Reward

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Just A Little Game

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

The Abandoned One

Es war ein ziemlich heruntergekommenes Viertel. Noch heruntergekommener als jenes, in dem er wohnte und eigentlich hätte nichts auf der Welt ihn dazu gebracht, dorthin zu gehen. Zumindest nicht zu jener Adresse, wo seine Mutter wohnte. Seit mehreren Monaten hatten sie kein Wort mehr miteinander gesprochen und Crow war es auch ganz recht so gewesen. Hauptsache, er musste sich nicht mit ihr herumärgern, aber da er halt etwas zu erledigen hatte, ließ es sich ja nicht vermeiden. Nur widerwillig betätigte er die Klingel, auf der der Mädchenname seiner Mutter stand: Da Silva. Nun, der Name wäre ihm damals auch viel lieber gewesen als der chinesische Nachname seines Vaters. Aber andererseits wollte er mit der Frau auch nicht direkt etwas zu tun haben und deshalb war er ja froh genug, dass er ganz einfach nur Crow war. Das war ein Leben, das er sich selbst geschaffen hatte und was nichts mit seiner Vergangenheit zu tun hatte. Weder mit seinem Verbrechen, noch mit seinem Absturz oder seiner Familie, die er hasste. Er atmete tief durch und betätigte dann die Klingel. Die Tür wurde geöffnet und er ging die Treppen des Apartmentgebäudes hoch, bis er die Wohnung seiner Mutter erreichte. Ariyana Da Silva war trotz ihres Alters von knapp 52 Jahren eine hübsche Frau mit pechschwarzem Haar und dunkler Haut. Sie trug ein etwas abgetragenes gepunktetes Kleid und große Armreifen an ihren Handgelenken. Begeistert wirkte sie nicht gerade, ihn zu sehen und sie baute sich mit einem feindseligen Blick vor ihm auf und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.

„Was willst du?“ fragte sie abweisend. Dabei war ihr brasilianischer Akzent deutlich zu hören. „Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du dich nicht mehr hier blicken lassen sollst? Du bist nicht mehr mein Sohn, du bist für mich gestorben.“

„Als ob du mir das nicht schon oft genug vorgehalten hättest. Da ist nur ein Päckchen für dich von Grandma gekommen und das passt nun mal bedauerlicherweise nicht in deinen Briefkasten, sonst hätte ich mir die Mühe auch gespart.“

Damit gab er ihr das Päckchen, welches sie entgegennahm. Eigentlich wollte er wieder gehen, doch da hielt seine Mutter ihn zurück, da sie noch etwas zu sagen hatte. Und obwohl er wusste, dass nur die üblichen Vorwürfe und Kränkungen kamen, blieb er stehen, um es sich anzuhören.

„Ich werde dir niemals verzeihen, was du getan hast. Wärst du nie geboren worden, dann wäre ich glücklich geworden! Seit du au der Welt warst, hast du mir mein Leben zerstört. Und ich wünschte, die hätten dich niemals aus dem Gefängnis gelassen.“

Hier aber drehte sich Crow zu ihr um und funkelte sie finster an. Das wollte er nicht unkommentiert auf sich sitzen lassen, sondern auch sagen, was Sache war.

„Das ist auch das Einzige, was du kannst, oder? Immer nur die Schuld bei anderen suchen und herumjammern, wie schlecht es dir doch geht. Du bist doch mit diesem Professor Bloom ins Bett gegangen und hast zugelassen, dass Dad seinen Frust an mir auslässt und mich verprügelt. Du hast dich doch immer nur für dich selbst interessiert und die Familie war dir doch immer egal. Aber das erzähle ich dir sowieso schon seit Jahren. Und nur damit du es weißt: ich hab ihn damals verprügelt, weil ich dich trotz allem, was du mir angetan hast, retten wollte und ich hab ganz sicherlich nicht gewollt, dass er dabei stirbt.“

„Und das soll ich dir glauben?“ fragte Ariyana und ließ einen verächtlichen Laut vernehmen. „Womit habe ich es nur verdient, dass mein einziger Sohn ein Verbrecher wird? Du warst damals so begabt und hattest Medizin studiert. Du hättest Karriere machen und ein erfolgreicher Arzt werden können. Aus dir hätte wirklich etwas werden können. Aber jetzt sieh dich doch an. Du bist ein Mörder, ein heruntergekommener Tätowierer und du wirst es zu nichts mehr bringen. Welche Uni nimmt dich denn noch? Wer will einen Verbrecher wie dich schon als Arzt einstellen? Du bist für mich tot und ich bereue wirklich den Tag, an dem ich dich zur Welt brachte.“

In diesem Moment überkam Crow ein unbändiger Anflug von Wut. Als seine Mutter die Tür schließen wollte, schlug er mit der Faust dagegen und es gab einen lauten Knall. Am liebsten hätte er ihr eine reingehauen, aber er wollte es nicht. Selbst nicht nach all den Dingen, die sie gesagt hatte, obwohl er sie damals nur hatte beschützen wollen. Diese undankbare Frau hätte eine Ohrfeige verdient, aber dummerweise schlug er aus Prinzip keine Frauen.

„Wenn ich dein Leben so sehr ruiniert habe, wieso hast du mich dann überhaupt erst zur Welt gebracht, hm?“

Hier blickte ihm ein pechschwarzes Augenpaar entgegen, das nichts als Hass und Verachtung in sich trug. Und man merkte Ariyana Da Silva an, dass sie keine mütterlichen Gefühle für ihn hegte. Das hatte sie noch nie. Er war ihr schon immer lästig gewesen und hatte ihn mehr oder weniger sich selbst überlassen. Für sie war er ein Störfaktor für ihr Glück und er selbst hatte nie wirklich so etwas wie Liebe von dieser Frau erfahren. Das einzige Mal, wo sie ihm so etwas wie Zuneigung entgegengebracht hatte, war nur, als sich herausgestellt hatte, dass er hochbegabt war. Und er wusste auch wieso sie da so aufmerksam gewesen war: weil er für sie endlich mal von Nutzen war. Als erfolgreicher Arzt hätte er viel verdient und sie hätte ein schönes Leben gehabt und davon hätte sie auch profitieren können. Aber nun, da er vorbestraft war und seine Zukunft auch somit komplett verbaut war, hatte sie keinen Nutzen mehr für ihn. In ihren Augen war er nur ein krimineller Versager und Mörder. Und das wollte sie ihn immer wieder aufs Neue spüren lassen.

„Es war zu spät für eine Abtreibung und dein Vater wollte dich unbedingt, deswegen konnte ich dich auch nicht zur Adoption freigeben. Hätte ich lieber nicht auf ihn gehört, dann hätte ich mir eine Menge Ärger erspart.“

„Fahr doch zur Hölle.“

Damit ging Crow und er hörte nur noch, wie seine Mutter ihm etwas auf Portugiesisch hinterher rief, doch er reagierte nicht wirklich auf die Beleidigung und ging wieder nach draußen. Die frische Luft tat ihm gut und er war heilfroh, es hinter sich gebracht zu haben. Na hoffentlich musste er dieser Frau so schnell nicht wieder über den Weg laufen. Aus der Innentasche seiner Lederjacke holte er eine Zigarettenschachtel und sein Benzinfeuerzeug heraus. Er sollte wirklich mal ernsthaft in Betracht ziehen, mit dem Rauchen aufzuhören, aber jetzt war ihm einfach danach. So zündete er sich einen Glimmstängel an, nahm einen tiefen Zug und blies dann den bläulichen Nikotinqualm aus. Vielleicht sollte er nachher mal im Johnny’s vorbeischauen und was trinken gehen. Er konnte ja mit Mick ein wenig reden. Das war immer noch besser als nichts und Satori war eh im Studio. Er nahm noch einen tiefen Zug von seiner Zigarette und als er sie nach einer Weile ausgeraucht hatte, warf sie dann zu Boden und trat sie aus, dann ging er zu seiner Harley, die er sich kurz nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis gekauft hatte und neben seinem Hobby zu seinen wertvollsten Besitztümern gehörte und fuhr in Richtung seiner Stammkneipe. Auf dem Weg aber sah er Christoph, der etwas angeschlagen wirkte und der offensichtlich wieder Magenschmerzen hatte. Er sah ihn in eine Apotheke reingehen. Vielleicht sollte er mal einen Arzt aufsuchen, dachte Crow und für einen Moment kam ihm die verrückte Vorstellung, dass er dieser Arzt wäre und er Christoph untersuchte und sich um ihn kümmerte. Doch sofort verwarf er diesen Gedanken wieder. Nein, die Zeiten waren vorbei. Er würde niemals Arzt werden und das hatte er doch schon längst akzeptiert. Folglich also würde diese Fantasie auch eine bleiben. Er war einfach zu pragmatisch, um sich an irgendwelche Träume zu klammern. Diese hatte er eh schon aufgegeben. Und diese Verbindung zu Christoph würde auch nie eine andere, als eine rein sexuelle Beziehung sein. So war es für alle Beteiligten am einfachsten und Gefühle würden alles nur komplizierter machen. Und bevor er schlimmstenfalls wirklich Gefühle für Christoph entwickelte, würde er ihn einfach absägen und den Kontakt zu ihm abbrechen.

Doch trotzdem ließ es ihm keine Ruhe, dass Christophs Gesundheitszustand nicht zum Besten stand und das offenbar schon länger. Krank war er jedenfalls nicht gewesen, das hätte er sofort gemerkt, als sie ihre letzte Session hatten. Und dass es daran lag, dass er etwas Schlechtes gegessen hatte, klang für ihn nicht zu hundert Prozent plausibel. Nein, irgendwie hatte er ein ziemlich mieses Gefühl bei der Sache und es störte ihn ja allein schon, dass Christoph einfach so auf den Trichter gekommen war, Tabletten zu nehmen, um fit zu bleiben, obwohl er sie nicht nötig hatte. Das war recht untypisch, denn auch wenn Crow ihn nicht wirklich kannte, konnte er sich doch auf seine Menschenkenntnis und seine Erfahrung aus seinem Psychologiestudium verlassen. Er war sich sicher, dass da mehr dahintersteckte. Vielleicht sollte er sich die Sache mal genauer anschauen und Christoph ein wenig aushorchen, um mehr zu erfahren. Zwar konnte dieser Akademiker mit seinem Hirngespinst vom Chaos-Faktor ihm ja auch komplett egal sein, aber das war leider nicht der Fall. Als er Satori eher versehentlich davon erzählt hatte, weil die es nämlich wunderbar verstand, ihn unauffällig auszuhorchen, hatte sie da eine recht interessante Vermutung gehabt. Da Christoph erfolgreicher Mathematiker mit Doktortitel und einer heilen Familie sowie einem stabilen Leben war, hatte er all das, was Crow selbst nicht hatte. Und statt Neid zu empfinden, wollte er offenbar dessen Erfolg wahren und ihn vor denselben Schicksalsschlägen bewahren, die ihm widerfahren waren, damit Christoph nicht denselben Absturz erleiden musste. So ungewöhnlich war das nicht, denn es gab genug Mütter, die ihre Träume durch ihre Töchter auslebten, indem sie diese zu kleinen Schönheitsköniginnen erzogen. Und vermutlich war es ja bei ihm genauso. Nun, das war ja auch nicht weiter tragisch. Damit konnte er bei weitem besser leben, als damit, dass er doch tatsächlich Gefühle für einen anderen Menschen entwickeln könnte. Allein der Gedanke daran erschien ihm unangenehm und er wollte auch nicht weiter daran denken. Für ihn war Liebe eine Last… eine Schwäche. Und nichts fürchtete er mehr, als schwach zu sein so wie damals, wenn sein Vater ihn verprügelt hatte.

Gerade wollte er wieder weiterfahren, doch da hatte Christoph ihn auch schon bemerkt, als er wieder aus der Apotheke rauskam und winkte ihm zu. Crow gab es auf, schnell abhauen zu wollen und fuhr an den Bürgersteig heran und stieg vom Motorrad ab, wobei er versuchte, so normal wie immer zu wirken, auch wenn die Begegnung mit seiner Mutter ihm noch tief in den Knochen steckte.

„Hey Chris, du sahst schon mal besser aus.“

„Ja, die Magenschmerzen sind nicht ohne. Ich war gerade in der Apotheke, um mir Kohlepräparate zu holen, wie du vorgeschlagen hast. Vielleicht geht es damit etwas besser. Und wo wolltest du hin?“

Beinahe hätte Crow geantwortet, dass er bei seiner Mutter gewesen war, doch darüber schwieg er lieber. Er wollte nicht, dass Christoph mehr als nötig über ihn wusste. Darum sagte er einfach nur, dass er privat zu tun hatte. Das war ja auch nicht mal gelogen, aber diese Antwort zeigte auch mehr als deutlich, dass er nicht ins Detail gehen wollte. Und bei der Gelegenheit stellte er ihm auch gleich noch eine Frage, die ihn beschäftigte:

„Nimmst du eigentlich noch Provigil?“

Christoph verneinte diese Frage und erklärte, dass er mit seinem Kollegen Dr. Becker noch mal ein ernstes Wort gesprochen hatte und beide hatten eingesehen, dass es eine dumme Idee gewesen war. Und auf eine kurze Nachfrage hin erfuhr der Tätowierer, dass dieser Dr. Will Becker ebenfalls Mathematiker war und gemeinsam mit Christoph an einem Algorithmus arbeitete, um zu beweisen, dass P=NP galt. Sein Blick wurde ernster und man sah ihm an, dass er nachdachte. Irgendwie hatte er eine böse Vorahnung. Zwar hatte er weder Indizien noch Beweise, aber ihm kam ein gewisser Verdacht, was hier vor sich gehen könnte. Aber er schwieg darüber und behielt diesen Gedanken erst mal nur im Hinterkopf. Noch war es zu vorschnell für einen solchen Verdacht und vielleicht auch etwas übereilt. Fest stand aber jedenfalls, dass er selber aktiv werden und ein paar Maßnahmen treffen musste. Man konnte natürlich meinen, dass er übertrieb und unnötig die Pferde scheu machte, aber er wusste aus Erfahrung, dass der Knast und die Uni eines gemeinsam hatten: jeder war sich selbst der nächste, insbesondere wenn es um so ein wichtiges Projekt ging. Denn die Lösung eines mathematischen Problems bedeutete nicht nur internationalen Ruhm als Mathematiker und dass man seinen Namen in den Geschichtsbüchern finden würde. Nein, es war auch mit Profit verbunden. Denn die Lösung eines mathematischen Problems bedeutete ein Preisgeld von knapp einer Million. Christoph selbst ging es dabei nicht um das Geld, sondern allein um die geistige Herausforderung, aber bei anderen Menschen konnte man sich da nicht allzu sicher sein. Viele waren bereit, für Geld alles zu tun. Im Gefängnis hatte er da auch keine Ausnahme gebildet. Er hatte sich einer gefährlichen Bande angeschlossen und geholfen, Drogen in den Knast zu schmuggeln und zu verticken und er hatte andere Häftlinge in Pokerrunden abgezockt. Im Gefängnis hatten halt andere Regeln geherrscht und wer nicht untergehen wollte, der musste zu den Starken gehören, die das Sagen hatten. Und er hatte sich trotz seines damals noch recht jungen Alters von 22 Jahren Respekt verschafft und teilweise auch sehr skrupellos agiert. Hätte er es nicht getan, wäre er einer von den „Frischlingen“ gewesen, die erbarmungslos auseinandergenommen worden wären. Fressen oder gefressen werden… Er hatte sich für das erste entschieden, um zu überleben und dabei auch kein Mitleid mit anderen gezeigt, die er verprügelt oder eingeschüchtert hatte.

„Nimmst du eigentlich noch diese Energy Drinks?“

„Klar, die helfen halt auch bei der Arbeit.“

Und damit holte Christoph zur Demonstration einen Energy Drink raus. Es war einer von solchen, die wieder verschließbar waren und er war gefärbt wie ein typischer ISO-Drink. Die Marke kannte Crow, es war ein ziemlich billiger Energy Drink und man konnte ihn überall kaufen. Er selbst hatte aber noch nie so etwas getrunken, weil er süße Getränke eh nicht so wirklich mochte.

„Und wie ist das Zeug so?“

„Extrem süß, aber auch etwas scharf im Abgang.“

„Scharf?“ fragte Crow skeptisch. Normalerweise waren diese Getränke doch extra so zusammengepanscht, dass sie nur süß schmeckten. Er schraubte den Verschluss auf und trank einfach einen Schluck. Als er aber dann die extreme Süße auf seiner Zunge schmeckte, spuckte er es sofort wieder aus und verzog angewidert das Gesicht. Und tatsächlich… es war scharf.

„Das ist ja nichts als Zuckerwasser und Koffein. Wahrscheinlich kommen deine Magenprobleme von diesem Zeug hier, wenn du dir das tagein tagaus reinzischst.“

Damit gab er Christoph die Flasche wieder und um diesen ekelhaften Geschmack loszuwerden, schob er sich einen Streifen Pfefferminzkaugummi in den Mund. Der 24-jährige begann daraufhin die Flasche mit der neongrünfarbenen Flüssigkeit zu betrachten und er sah so aus, als würde er tatsächlich darüber nachdenken, ob seine Magenschmerzen nicht vielleicht daher kamen, dass er die Energy Drinks nicht vertrug.

„Dann werde ich sie wohl erst mal nicht mehr trinken.“

„Ist vielleicht besser so.“

Eigentlich wollte Crow wieder gehen und Mick im Johnny’s einen Besuch abstatten, doch daraus wurde nichts, denn da bot Christoph ihm an „Wollen wir irgendwo was essen gehen?“ Doch Crow lehnte sofort ab. Zusammen essen gehen bedeutete meist, dass mehr daraus werden konnte. Und mehr als eine sexuelle Beziehung wollte er nicht. Alles andere bedeutete nur Probleme und auf die hatte er keine Lust.
 

Christoph entging nicht, dass Crow etwas beschäftigte und er sich sehr abweisend verhielt, was solche normalen Dinge betraf. Aber so ganz verstand er das nicht. Was hatte der Tätowierer bloß für ein Problem mit ihm? Als hätte dieser seine Gedanken gelesen, bekam er die Erklärung „Nimm’s nicht persönlich, aber ich steh halt nicht so wirklich auf dieses ganze zwischenmenschliche Getue.“ Dann ist er also ein strikter Einzelgänger, fast so wie ich, dachte sich Christoph und irgendwie war ihm diese Situation unangenehm. Er wollte mehr über Crow wissen und ihn verstehen. So ganz konnte er sich den Grund auch nicht dafür erklären. Vielleicht, weil der vier Jahre ältere Tätowierer mit den bernsteinfarbenen Augen eine Art besondere Anziehungskraft auf ihn ausübte. Sie hatten so viele Gemeinsamkeiten und hatten sich dennoch in völlig verschiedene Richtungen entwickelt. Er war Mathematiker und Crow „nur“ ein Tätowierer. Im Grunde wusste er doch kaum etwas über ihn, nicht mal seinen wahren Namen. Und er wollte mehr von ihm wissen. Er wollte mehr von seiner Welt erfahren und verstehen, was in ihm vorging und warum er so war wie er war. Vor allem aber wollte er ihm nah sein. Nicht nur auf einer rein körperlichen Ebene, sondern auch auf einer zwischenmenschlichen. Und dabei… dabei hatte Crow doch erst diese ganze Vertragsgeschichte angezettelt und von ihm Sex als Bezahlung gefordert für die Infos, die er haben wollte. Jeder andere Mensch hätte mit großer Wahrscheinlichkeit anders reagiert, warum also er nicht? War er Crow inzwischen so sehr verfallen, dass er nicht mehr in der Lage war, seine eigenen Gefühle und sein eigenes Denken zu verstehen? Konnte es sein, dass der Chaos-Faktor bereits sein ganzes Denken beeinflusst hatte und er deshalb Schwierigkeiten hatte, eine vernünftige und vor allem logische Entscheidung zu treffen? Vor allem beschäftigte ihn eine Frage: was genau war er für Crow? Nur ein sexuelles Vergnügen, oder vielleicht mehr? Allein als er daran zurückdachte, wie heftig dieser auf die Tablettengeschichte reagiert hatte, konnte er sich nicht helfen, aber es hatte für ihn den Anschein gehabt, als würde sich Crow Sorgen um ihn machen. Und das, obwohl er nicht wirklich danach aussah, als würde er sich großartig um andere scheren. War das zwischen ihnen immer noch nur eine Sexbeziehung, oder begann da bereits mehr daraus zu werden? Auf all diese Fragen vermochte Christoph keine Antwort zu geben.

„Warum machst du dir eigentlich Sorgen um mich?“

Okay, vielleicht klang diese direkte Frage ein wenig dämlich, berechtigt war sie aber nach Christophs Ansicht alle Male. Crows Augenbrauen zogen sich zusammen und es war schwer zu erkennen, was ihm gerade durch den Kopf ging, aber so wie es aussah, schien er einen wunden Punkt getroffen zu haben. Und offenbar wollte der 28-jährige auch nicht so wirklich darauf antworten. Das sah man allein schon an seiner Körpersprache.

„Keine Ahnung, was du meinst. Du bist alt und intelligent genug, um auf dich alleine aufzupassen. Da habe ich es nicht nötig, mir irgendwie Sorgen um dich zu machen. Ich glaube, du hast da irgendetwas in den falschen Hals gekriegt, mein Lieber. Wenn du auf die Provigilgeschichte ansprechen willst, erkläre ich es dir gerne: ich war einfach nur sauer, dass der Mensch mit dem höchsten je gemessenen IQ so verdammt dämlich ist und Medikamente einwirft, die er gar nicht braucht. Leute, die ihr Leben einfach so leichtfertig wegwerfen, obwohl sie bereits alles haben, kotzen mich halt an!“

„Warum? Wieso interessiert dich das?“

„Weil ich nicht das Glück hatte, ein solches Leben wie du zu haben. Ob du es glaubst oder nicht, aber es gibt Menschen, deren Leben nicht so verläuft wie deines. Du hast ein geregeltes und normales Leben, du hast deine Begabung zum Beruf gemacht und dein einziges Elend ist, dass du gelangweilt bist. Weißt du, wie das auf Leute wirkt, die halt Pech im Leben haben? Dass du ein verwöhnter Bengel mit Luxusproblemen bist.“

Crows Worte trafen ihn hart und er zuckte zusammen, als dieser laut wurde. Erschrocken sah er ihn an und verstand nun. Offenbar hatte es der Tätowierer nicht wirklich leicht im Leben gehabt und so einiges durchmachen müssen.

„Crow…“

Doch dieser schüttelte nur den Kopf, wandte sich ab und ging.
 

Es war zu viel gesagt worden. Crow musste schnell verschwinden, bevor er noch mehr ausplauderte und versehentlich noch seine ganze miserable Lebensgeschichte offenbarte. Das ging niemanden etwas an. Niemand sollte erfahren, was ihm widerfahren war oder was er getan hatte. Er wollte weder Verurteilung noch Mitleid, er wollte einfach nur, dass man endlich aufhörte, in seiner Vergangenheit herumzubohren. Vor allem weil er nicht wieder daran erinnert werden wollte, wie es sich anfühlte, schwach und hilflos zu sein. Und niemand sollte wissen, dass er mal schwach gewesen war. Auch nicht Christoph. Doch da spürte er plötzlich, wie eben jener ihn am Arm fest hielt.

„Es tut mir leid, Crow. Die Sache ist doch nur, dass ich dich verstehen will.“

„Wofür? Für deine Forschungen etwa?“

„Nein! Ich will ich verstehen, weil ich doch kaum etwas über dich weiß.“

„Ich bin, der ich bin und das ist das Einzige, was du über mich wissen musst und ich habe dir doch erklärt, dass ich nichts über mein Privatleben erzählen will. Also hör einfach auf, mich über mein Leben auszufragen!“

„Wovor hast du Angst?“

Bei dieser Frage konnte sich Crow nicht beherrschen. Sein Faustschlag traf Christoph ins Gesicht und dieser war durch den Schlag so benommen, dass er nach hinten taumelte und stürzte. In ihm kochte unbändige Wut und am liebsten hätte er noch mal zugeschlagen.

„Ich habe keine Angst“, erwiderte er. „Und beim nächsten Mal schlag ich fester zu, darauf kannst du Gift nehmen!“

Damit ging Crow nun endgültig von dannen und ließ Christoph zurück. Er stieg wieder auf seine Harley und fuhr los.

Three Weeks Alone

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Why Did You Betray Me?

Wie lange Christoph geschlafen hatte, konnte er selbst nicht sagen. Als er dann aber allmählich wieder aufwachte, fühlte er sich erschöpft und ziemlich gerädert. Langsam setzte er sich auf, spürte dann aber doch einen leichten Schmerz in seinem Hintern und biss sich auf die Unterlippe. Ach ja stimmt, dachte er sich und erhob sich langsam von seinem Bett. Crow war ja gestern hier gewesen und wir haben eine ziemlich wilde Nacht gehabt.

Ob er wieder nach Hause gegangen war? Vermutlich, immerhin hatte er sicherlich besseres zu tun, als hier zu schlafen. Also ging Christoph direkt ins Bad, um zu duschen. Eine heiße Dusche war genau das Richtige, um seine müden Lebensgeister zu wecken. Und zugleich gab es ihm auch das angenehme Gefühl, als würde sein Körper zugleich von den schmutzigen Dingen sauber gewaschen werden, die er mit Crow getan hatte. Nicht, dass er sie bereute oder dass sie ihm im Nachhinein unangenehm waren. Aber ohne so eine heiße Dusche hatte er irgendwie das Gefühl, als wäre er immer noch in dieser Rolle, die Crow ihm zugeteilt und die er bereitwillig angenommen hatte. Dieses so alltägliche Prozedere war für ihn sozusagen ein Weg, um wieder in sein normales Leben als Christoph Strauss zurückzukehren. Und während er unter dem Strahl des warmen Wassers die restlichen Spuren der vergangenen Nacht abwusch, musste er wieder an die Worte von Crow denken, welche dieser ihm letzte Nacht zugeflüstert hatte: „Du bist wirklich verdammt heiß.“ Es war so gut wie nie vorgekommen, dass Crow ihm so ein Kompliment machte. Und allein wenn er an diese Worte dachte, fühlte er sich glücklich. Auf eine gewissen Art und Weise war es komisch, so etwas von dem sonst so distanzierten Crow zu hören, der ja eine Schwäche zeigte oder etwas von sich preisgab. Und obwohl diese Worte vielleicht auch gar nichts zu bedeuten hatten, fühlte sich Christoph dennoch sehr glücklich, sie zu hören. Und allein die Tatsache, dass sie es dieses Mal nicht in Crows Haus, sondern hier gemacht hatten, erweckte irgendwie bei dem 24-jährigen das Gefühl, als könnte da vielleicht mehr draus werden. Aber was war denn „mehr“? Im Grunde hatte er doch eigentlich genau das, was er so gerne haben wollte. Er hatte endlich auch etwas anderes gefunden, als nur seine Zahlen und diese gelegentlichen Abenteuer mit Crow waren verdammt heiß und für ihn auch unverzichtbar geworden. Und doch… obwohl er endlich den gewünschten Chaos-Faktor in seinem Leben gefunden hatte und nun etwas existierte, das ihn beherrschte und nicht umgekehrt, fühlte er dennoch, dass es nicht genug war. Das alles bedeutete ihm nicht sonderlich viel, wenn er Crow nicht haben konnte. Ja, inzwischen hatte er so langsam das Gefühl, dass es nicht der Sex mit ihm war, den er unbedingt gewollt hatte. Es war Crow selbst. Und wenn er die verschiedenen Faktoren seiner emotionalen und körperlichen Zustände abwog, ließ sich eine Wahrscheinlichkeit von exakt 81,099% errechnen, dass er sich auch emotional zu ihm hingezogen fühlte und nicht bloß allein körperlich. Und was hieß das im Klartext? Dass er dabei war, Gefühle für Crow zu entwickeln? Nun, Christoph hatte auf diesem Gebiet nicht sonderlich viel Erfahrung. Zwar hatte er schon mal die eine oder andere Beziehung gehabt, aber da er so sehr seine Zahlen und Formeln im Kopf hatte, war es ihm schwer gefallen, auch seine Gefühle richtig wahrzunehmen. Vielleicht hatte er auch bislang nie wirklich das empfunden, was man schlichtweg als „Liebe“ bezeichnete. Familiäre Liebe kannte er selbstverständlich. Er liebte seine Adoptiveltern und konnte sie auch ganz klar erkennen. Aber diese andere Liebe zu einem anderen Menschen… da fehlte ihm die Erfahrung.

Als er frisch geduscht in sein Schlafzimmer zurück ging und sich anzog, suchte er die Küche auf, um sich einen Kaffee zu kochen. Dort wartete die wohl größte Überraschung auf ihn: Crow saß am Tisch und trank eine Tasse Kaffee, während er in dem alten Buch las, welches der 24-jährige seit dem Waisenhaus hatte. Perplex blieb der Akademiker stehen und wusste das erst nicht ganz einzuordnen, weshalb er erst mal wie angewurzelt stehen blieb, bis Crow sich ihm dann schließlich zuwandte und ihm zum Gruß zuwinkte.

„Moin, Chris. Ich dachte schon, du wärst ins Koma gefallen…“

„Wie spät ist es denn?“

„Fast zwölf.“

Fast zwölf? Christoph konnte nicht glauben, dass er tatsächlich so lange geschlafen hatte. Aber selbst jetzt fühlte er sich noch ziemlich müde und er war froh, dass es Sonntag war. Heute brauchte er sich also nicht in Arbeit zu stürzen.

„Na was soll’s. Ist eh Sonntag… Und hast du heute noch nichts vor?“

„Ich bin nachher zu einem Termin, aber bevor ich abzische, brauchte ich erst mal Koffein.“

Crow wirkte auch etwas übernächtigt und ihn so entspannt am Tisch sitzen zu sehen, war irgendwie ein merkwürdiger Anblick. Er wirkte viel „menschlicher“ als sonst. Zwar ging immer noch ein gewisses Charisma von ihm aus, aber er wirkte nicht mehr ganz so unnahbar. Und das faszinierte Christoph fast noch mehr als seine unnahbare Ausstrahlung. Crow wirkte auf ihn wie ein Buch mit sieben Siegeln, das er unbedingt öffnen wollte. Und so ganz unverfänglich zusammen am Tisch zu sitzen, ohne diese Master & Slave Beziehung, war auch recht fremd für ihn. Aber so wie es schien, konnte Crow alles ganz gut trennen und es gab für ihn eben eine Zeit, wo er die Rolle des Dominanten einnahm und dann wiederum eine andere Zeit, wo er eine reine Privatperson war. Irgendwie gefiel Christoph der Gedanke, eine ganz neue Seite an Crow entdeckt zu haben und tatsächlich huschte ein kleines Lächeln über seine Lippen. Das bemerkte der Tätowierer zum Glück nicht. Schließlich aber wurde diese vertraute Stille unterbrochen, als es plötzlich an der Tür klingelte. Hieraufhin stand Christoph auf und ging nachsehen, während Crow weiter seinen Kaffee trank. Als er die Tür öffnete, sah er seinen Adoptivvater Harold.

„Hey Dad, was gibt’s?“

Etwas unauffällig sah sich der Angesprochene um und fragte nach kurzem Zögern: „Hast du noch Besuch?“

Christoph blieben die Worte im Hals stecken, als er das hörte. Wenn Harold das fragte, dann bedeutete dies, dass er das gestrige Schäferstündchen gehört hatte. Und das wiederum bedeutete, dass sein Adoptivsohn deutlich zu laut gewesen war. Daran war aber auch nur dieses blöde Aphrodisiakum schuld. Er spürte, wie seine Wangen heiß wurden vor Verlegenheit und er räusperte sich, wobei er murmelte: „Sorry, dass ich so laut war. Beim nächsten Mal passe ich auf. Bist du deswegen hier?“

„Nein. Deine Mutter war in der Apotheke und hat Magenberuhigungsmittel geholt. Vielleicht hilft ja das gegen deine Magenschmerzen. Aber sag mal, hast du vielleicht auch mal in Betracht gezogen, dass es vielleicht vom Stress kommen kann?“

„Glaub ich nicht. Ehrlich gesagt ging es mir selten besser, Dad. Ich habe nächste Woche aber sowieso einen Termin bei Dr. Baker. Vielleicht weiß der ja, was ich mir eingefangen habe.“

„Pass aber trotzdem etwas mehr auf dich auf.“

Damit legte Harold mit ernster Miene eine Hand auf seine Schulter. Es war eine sehr väterliche Geste und Christoph wusste, dass sich seine Adoptiveltern Sorgen um ihn machten. Es war ja nicht das erste Mal, dass es ihm gesundheitlich so schlecht ging. Vor knapp sechs Jahren wurde er mit Fieber und heftigen Magenkrämpfen ins Krankenhaus eingeliefert, als bei ihm eine Blinddarmentzündung festgestellt wurde. Der Chirurg hatte damals gesagt, dass es für ihn tödlich ausgegangen wäre, wenn er noch ein paar Minuten länger gewartet hätte. Es war Rettung in allerletzter Sekunde gewesen. Darum konnte er es seinen Adoptiveltern nicht verdenken, wenn sie sich Sorgen um ihn machten.

„Es ist alles in Ordnung. Ich werde mich untersuchen lassen und da wird Dr. Baker schon herausfinden, was mir fehlt. Eine Blinddarmentzündung kann es ja nicht sein. Das Teil haben sie mir ja beim letzten Mal rausgeschnibbelt.“

Christoph versuchte die Geschichte möglichst runterzuspielen, aber er wusste dennoch, dass sein Adoptivvater das alles nicht so entspannt sehen würde. Also gab er es auf und versuchte stattdessen nun das Thema zu wechseln.

„Will und ich haben einen neuen Algorithmusansatz für unseren Beweis für P=NP aufgestellt. Würdest du ihn dir vielleicht nachher mal ansehen? Ich hab es immer ganz gerne, wenn jemand noch mal drüberschaut, der jetzt nicht direkt mit in die Arbeit involviert ist und damit einen neutralen Blick hat.“

Damit war Harold herzlich gerne einverstanden und es freute ihn auch, dass sein Adoptivsohn ihn um Rat fragte, obwohl er nicht an seine Intelligenz herankam. Manchmal war es ja sogar noch so, dass Christoph ihm noch etwas beibringen konnte und auf der einen Seite erfüllte ihn dies mit Stolz, auf der anderen Seite plagte ihn dann aber doch die Sorge, Christoph würde ihn nicht mehr brauchen. Doch da der 24-jährige nicht die gleiche Lebenserfahrung besaß wie sein Adoptivvater, fragte er ihn dennoch gerne um Rat. Denn auch wenn die Lösung vielleicht nicht immer die richtige war, so war allein schon der Ansatz oft hilfreich.

Nun aber näherten sich langsam Schritte von schweren Stiefeln. Offenbar war es Crow. Christoph wandte sich kurz um und sah, dass es tatsächlich der Tätowierer war, der nun auch seine Motorradjacke angezogen hatte und sich offenbar auf den Weg machen wollte. Überrascht fragte er deshalb: „Du gehst schon?“ Sofort mischte sich Harold dazwischen, der natürlich sofort wissen wollte, ob sein Adoptivsohn tatsächlich Besuch hatte. Doch kaum, dass die Frage ausgesprochen war, standen er und Crow sich auch schon gegenüber. Einen Moment lang herrschte Totenstille und es regte sich nichts. Der 24-jährige Akademiker merkte sofort, dass da etwas zwischen den beiden war. Harold Strauss sah erst verwirrt aus, dann war es eine Mischung aus Staunen und Schreck und seine Augen weiteten sich. Auch bei Crow ging ein ähnlicher Prozess von statten. Zuerst war es Verwunderung, dann aber funkelte Wut und Hass in seinen bernsteinfarbenen Augen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und man spürte förmlich, wie sehr es in ihm brodelte und dass er nur einen falschen Kommentar davon entfernt war, sofort zuzuschlagen, wenn man ihn zu sehr reizte. Er sprach kein Wort. Erst als Harold ein erstauntes, aber auch fassungsloses „Raphael?“ zustande brachte, da explodierte etwas in dem 28-jährigen. Ohne Vorwarnung packte er den Physiker am Kragen und stieß ihn gegen die Wand. In seinen Augen loderte ein solcher Zorn, dass man meinen konnte, er wolle ihn gleich eigenhändig umbringen.

„Sie!“ schrie er und drückte ihn noch fester gegen die Wand. „Endlich sehe ich Sie auch mal wieder, Professor. Mit Ihnen habe ich auch noch eine Rechnung offen, Sie verdammter Bastard!“

Ein Faustschlag ins Gesicht folgte und als Christoph das sah, wollte er schon dazwischen gehen, doch Crow stieß ihn zurück. Harold, der durch den Schlag etwas benommen war, taumelte erst ein wenig, bevor er wieder am Kragen gepackt wurde.

„Wie können Sie nachts noch ruhig schlafen, nachdem Sie mich damals im Stich gelassen haben? Wie können Sie nach allem so weiterleben wie bisher und in aller Seelenruhe ein Familienleben führen, nachdem Sie mich einfach so fallen gelassen haben, wo ich Sie am meisten gebraucht habe? Wo waren Sie bei der Gerichtsverhandlung? Wieso haben Sie nicht ausgesagt, dass es keine Absicht gewesen war? Vier Jahre saß ich im Gefängnis, weil mir niemand geglaubt hat. VIER VERDAMMTE JAHRE! Sie haben mir Ihr Wort gegeben, dass Sie mir helfen werden. Wo waren Sie also?“

Christoph sah abwechselnd zu Crow und Harold und verstand nicht, was da zwischen ihnen von statten ging. Alles, was er aus dem Kontext herausinterpretieren konnte war, dass sein Adoptivvater wohl einen Gerichtstermin versäumt hatte und Crow danach vier Jahre ins Gefängnis gehen musste. Aber das war auch schon alles und daraus ließ sich leider nicht sehr viel interpretieren. Doch jetzt musste er Crow erst mal daran hindern, dass er erneut zuschlug.

„Crow, lass meinen Dad in Ruhe!“

Hierauf ließ der Tätowierer sofort von Harold ab, allerdings lag dies wohl kaum daran, dass er auf Christophs Aufforderung gehört hatte. Nein, es schien eher daran zu liegen, dass ihn dieses „Dad“ so aus dem Konzept gebracht hatte. Mit einem Mal war es so, als würde all die Wut in ihm erlöschen und damit auch seine Energie. Bittere Enttäuschung lag in seinem Blick und ihn so zu sehen, brach Christoph das Herz. Er spürte, dass wohl etwas sehr Dramatisches in der Vergangenheit geschehen sein musste und sein Adoptivvater hatte offenbar irgendwie damit zu tun. Aber was? Crow sah kurz zu Christoph, dann wieder zu Harold und seine Körperhaltung erschlaffte ein wenig. Er wirkte zutiefst enttäuscht und verletzt.

„So ist das also“, sagte er leise. „Jetzt verstehe ich das alles und warum Sie nie Ihr Versprechen eingehalten haben. Sie haben mich ersetzt, weil ich Ihnen zu problematisch war und haben mich dann bei der nächstbesten Gelegenheit abgesägt, was? Alles nur, damit Sie bloß keine Schwierigkeiten haben. Hauptsache, Sie bewahren Ihren Ruf und wie es anderen dabei geht, ist Ihnen genauso scheißegal, so wie allen anderen. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, was Sie mir angetan haben? Ich saß vier Jahre lang im Gefängnis, ich werde nie wieder studieren können und das nur, weil Ihnen der eigene Ruf wichtiger war. Wissen Sie was? Sie sind doch eh nicht besser als der ganze restliche Akademikerabschaum, der sich selbst immer am wichtigsten ist. Ich war dumm, dass ich Ihnen vertraut habe.“

Und nach einem kurzen Schweigen wandte er sich Christoph zu. Dieser ahnte, dass Crow gleich etwas sagen würde, das ihn tief verletzen würde. Er hatte Angst davor. Er wollte Crow nicht verlieren, doch er wusste, dass dies unvermeidlich sein würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass Crow zu ihm auf Abstand gehen würde, lag nahezu bei hundert Prozent. Seine Brust schnürte sich zusammen und er hoffte innerlich, dass er sich doch noch irrte.

„Der Vertrag ist hiermit beendet“, verkündete der Tätowierer ihm tonlos. „Es wäre besser, wir wären einander niemals begegnet. Ist nicht gegen dich persönlich, aber unter diesen Umständen kann es nicht weitergehen.“

Damit wollte Crow gehen, doch Christoph lief ihm nach. So schnell wollte er noch nicht aufgeben. Nicht, nachdem er erkannt hatte, wie wichtig Crow ihm inzwischen war. So ergriff er dessen Arm und hielt ihn zurück.

„Crow!“ rief er. „Wieso machst du das? Ich verstehe das alles nicht. Was ist denn zwischen dir und Harold passiert, dass du so wütend auf ihn bist? Erklär mir das doch.“

Doch Crow war deutlich anzusehen, dass er es nicht wollte, aus welchen Gründen auch immer. Selbst jetzt in dieser Situation wollte er sich niemandem öffnen, niemanden in seine wahre Welt blicken lassen und wie es in ihm drin aussah. Keine Blöße zeigen, um damit auch keine Angriffsfläche zu bieten und damit auch keine Schwäche zu zeigen. Das war seine Lebensweise.

„Warum sollte ich das dir oder irgendjemanden sonst erzählen? Es hat sich doch ohnehin nie irgendjemand einen Dreck um mich geschert.“

„Doch! Ich tue das.“

„Ja klar, für deine Forschung, was? Dir ging es doch auch bloß immer nur um dich und du siehst auch immer nur dich. In der Hinsicht seid ihr doch alle gleich, ihr verdammten Akademiker. Ihr seid so auf euch selbst fixiert, dass ihr euch nur dann für jemand anderen interessiert, wenn für euch ein eigener Vorteil herausspringt. Und wenn euch jemand lästig wird, sägt ihr ihn einfach ab. Du hast doch auch nur deinen persönlichen Nutzen aus der ganzen Sache gezogen, genauso wie ich. Aber ihr verschwendet nicht einen einzigen Gedanken an andere.“

Diese Worte verletzten Christoph zutiefst und seine Brust schnürte sich zusammen. Ein Vorwurf nach dem anderen prasselte auf ihn ein, aber letzten Endes war dies nur das Endergebnis von all der aufgestauten Wut und Enttäuschung, die Crow wohl zu lange in sich getragen hatte. Diese ganzen Vorwürfe richteten sich nicht mal direkt gegen ihn, sondern gegen jene, die diese tiefen Wunden in seine Seele gerissen hatten. Crow war so aufgebracht, dass er nun ein Stück von sich preisgab, wenn aber auch noch nicht alles. Doch es war genug, damit Christoph erkennen konnte, dass das Leben des Tätowierers ein einziger Scherbenhaufen war und er dabei nicht einmal die Hauptschuld daran trug. Aber er wollte es nicht einfach so enden lassen. Es war nicht bloß so, dass er nur diese Sexabenteuer mit ihm haben wollte. Nein, er wollte Crow nicht verlieren und auch nicht diese Nähe zu ihm und wenn sie halt erst mal nur auf einer rein körperlichen Ebene stattfand, weil Crow sich emotional so sehr verschlossen hatte, dass niemand zu ihm durchdringen konnte.

„Das mag vielleicht am Anfang so gewesen sein, aber du bist mir auch so wichtig geworden und ich will dich verstehen und dir helfen. Warum kannst du mir nicht vertrauen?“

Sofort schlug Crow Christophs Hand weg und entfernte sich zwei Schritte von ihm. Wieder kehrte sein finsterer Blick zurück, der von Kälte und Unnahbarkeit zeugte. Egal was auch geschah, Crow wollte sich niemandem anvertrauen, geschweige denn Hilfe annehmen. Er war ein Einzelkämpfer und wollte es auch so beibehalten, weil er vermutlich nie etwas anderes gekannt hatte.

„Weil ich niemandem vertraue, kapiert? Ich habe es nicht nötig, irgendjemandem zu vertrauen, außer mir selbst. Und Hilfe brauche ich schon mal gar nicht. Es hat mir doch eh nie jemand geholfen und ich bin all die Jahre ganz allein gut klar gekommen, ohne dass ich irgendeinen Menschen brauchte. Das Einzige, was du von mir willst, ist dein Spaß und nichts weiter. Den kannst du dir gerne bei jemand anderem holen, aber das zwischen uns ist vorbei.“

„Darum geht es mir doch nicht!“ Als Crow gehen wollte, stellte sich der Mathematiker ihm in den Weg, um ihn daran zu hindern. Doch von dieser Entscheidung konnte er ihn nicht abbringen. Und fast schon aus Verzweiflung rief er schon fast „Du bedeutest mir inzwischen wirklich viel und ich… ich will nicht bloß den Spaß mit dir. Ich will in deiner Nähe sein.“

Es war ihm schwer gefallen, das zuzugeben. Aber selbst diese Worte vermochten Crow nicht umzustimmen. Stattdessen sah dieser ihn mit einem Blick an, der nur allzu deutlich sagte „Mach dich nicht lächerlich, Chris. Es gibt niemanden auf der Welt, dem ich auch nur im Ansatz etwas bedeute.“ Und mit Schmerz musste er erkennen, dass diese Distanz zwischen ihnen weitaus tiefer ging, als er zunächst gedacht hatte. Offenbar hatte Crow in seinem Leben so viele Enttäuschungen und so wenig Zuwendung erfahren, dass es für ihn deshalb unmöglich erschien, einem Menschen vertrauen zu können. Und tief in seinem Herzen erkannte er auch die Botschaft hinter Crows Worten: „Mich hat doch nie jemand geliebt. Wie soll ich denn da in der Lage sein, selbst zu lieben?“

Und irgendwie musste Christoph da wieder an diese Konversation bezüglich der AURYN-Tätowierung denken… Tu was du willst. Der Wunsch, zu lieben und selbst geliebt zu werden… Das war sein Herzenswunsch und vielleicht war dies auch Crows. Aber er hatte ihn aufgegeben, weil sich dieser Wunsch nie erfüllte. Das Einzige, was er kannte, war die Kontrolle über andere. Es war für ihn der beste Ersatz gewesen, den er kriegen konnte. Crow kannte diese Liebe nicht, deshalb konnte er sie auch nicht erwidern.

„Es wäre besser für dich, du würdest es nicht tun. Ein so berühmter und erfolgreicher Akademiker wie du sollte sich nicht mit einem verurteilten Mörder abgeben. Wir beide leben in verschiedenen Welten, das hat keine Zukunft. Du hast eine liebevolle Familie, einen tollen Job und du kannst deine Träume und Ziele noch erreichen. Mein Leben ist bereits zerstört und ich bin eben nicht das, was man als guten Umgang bezeichnen könnte. Das wird dir dein Adoptivvater sicherlich auch sagen. Sieh es ein, es ist vorbei!“

Christoph erkannte, dass es jetzt keinen Sinn hatte, zu diskutieren. Crow würde sich nicht umstimmen lassen. So verschwanden seine Schritte und wenig später wurde die Haustür geöffnet und zugeknallt, als Crow durch diese verschwand. Kurz darauf hörte man das laute Motorendröhnen von seiner Harley, als er davonfuhr.

Christoph blieb wie angewurzelt auf der Treppe stehen und fühlte sich entsetzlich hilflos. Er war ratlos und zutiefst verletzt. Er hatte Crow nicht aufhalten können…

Dann aber erwachte er langsam wieder aus seiner Starre und ging wieder hoch zu seinem Adoptivvater, der sich noch von der Abreibung erholen musste. Harold wusste die Antworten und er war der Grund, wieso Crow so wütend geworden war. Und nun, da Christoph schon so einiges klar war, wollte er endlich ein paar Antworten von ihm haben.

„Was ist passiert, Dad? Erkläre mir mal, was das sollte und wieso Crow so wütend reagiert hat. Ihr kennt euch doch, oder? Warum hat er dich geschlagen und gesagt, dass er wegen dir im Gefängnis war?“

Doch Harold wich seinem Blick aus und es war Schuld in seinem Gesicht zu sehen. Doch Christoph wollte keine Ausflüchte und er wollte sich auch nicht einfach so abspeisen lassen. Darum wurde er auch lauter.

„Sag es mir schon! Was ist zwischen dir und Crow gewesen und wieso sagt er, dass du ihn im Stich gelassen hast? Entweder du sagst es mir, oder ich frage Mum.“

Hier aber reagierte der Angesprochene endlich und hielt ihn davon ab. „Das bringt nichts. Sie weiß nichts davon. Ich werde es dir erklären, aber nicht hier im Hausflur. Lass uns lieber reingehen.“

„Und ich will die ganze Wahrheit hören!“

Harold versprach es und gemeinsam gingen sie wieder rein und setzten sich in die Küche an den Tisch und dann begann der 58-jährige mit seinem Geständnis.

Unloved And Left Behind

Nachdem Christoph Kaffee eingeschenkt hatte, atmete Harold tief durch und wusste wohl nicht so recht, wo er anfangen sollte. Schließlich aber fragte er „Warum hast du ihn eigentlich Crow genannt?“

„So nennt er sich immer, weil er seinen richtigen nicht nennen will.“

„Ach so“, murmelte der 58-jährige und gab etwas Zucker in seinen Kaffee. Er wirkte tief in Gedanken versunken und Christoph befürchtete zunächst, er müsse näher nachfragen, aber sein Adoptivvater setzte dann schon wieder zum Reden an. „Das ist ja auch verständlich nach all den Dingen, die sich in der Vergangenheit zugetragen haben.“

Etwas genervt atmete Christoph geräuschvoll aus und rief „Jetzt lass dir die Infos doch nicht einzeln aus der Nase ziehen, Dad!“

„Ist ja gut“, beschwichtigte ihn der Mathematiker und Physiker und seufzte leise, wobei ihm anzumerken war, dass diese Geschichte nicht spurlos an ihm vorbeiging. Doch es fiel ihm schwer, darüber zu sprechen. Vermutlich, weil ihm unter anderem auch das schlechte Gewissen plagte.

„Als ich in Physik promoviert hatte, da war ich knapp 33 Jahre alt, da habe ich einen hochintelligenten und talentierten Jungen kennen gelernt. Ich war zu dem Zeitpunkt in einer Schule, um den Kindern das Studieren näherzubringen. Dieser Junge galt als Raufbold und Unruhestifter. Er hat sich mit anderen Kindern geprügelt, nie im Unterricht aufgepasst und galt als schwierig und da er eh aus einem komplizierten Umfeld kam, hatte er es nicht gerade leicht. Seine Arbeiten hatte er allesamt vermasselt und er hatte die schlechtesten Noten. Aber als ich ihn dann alleine dasitzen sah, wie er ein Buch über Anatomie und Medizin las, da lernte ich diesen Jungen von einer anderen Seite kennen. Ein Freund von mir machte Tests mit ihm und es zeigte sich, dass er hochbegabt und deshalb vollkommen unterfordert an der Schule war. Daraufhin versuchte ich mit seinen Eltern zu sprechen, aber da wurde mir schnell klar, wo sein aggressive Verhalten her kam. Sein Vater war ein Choleriker und hat oft Streit gesucht, insbesondere wenn er getrunken hatte. Und seine Mutter hatte sich nicht für ihren Sohn interessiert und auch keine Verbindung zu ihm. Er war quasi auf sich allein gestellt und so beschloss ich, diesem Jungen zu helfen. Ich ließ meine Beziehungen spielen und ermöglichte ihm einen Platz in einer sehr guten Privatschule, für die er ein Stipendium bekam und später unterstützte ich ihn auch dabei, an der Universität aufgenommen zu werden. Da er wohl nie so etwas wie elterliche Liebe erfahren hatte, begann er mich als eine Art Vaterfigur zu betrachten. Ich schloss den Jungen ins Herz, aber an manchen Tagen machte sein aggressives Verhalten mir Schwierigkeiten. Er prügelte sich nach wie vor mit anderen Kindern, er wurde oft mit blauen Flecken gesehen und lief des Öfteren auch von zuhause weg. Es kam auch der Verdacht auf, dass er von seinen Eltern misshandelt wird, aber er hatte sich niemals irgendjemandem anvertraut und als ich mit ihm sprach, fragte er mich, was er dafür tun müsse, damit seine Eltern ihn zur Adoption freigeben. Ich war erschrocken, dass er tatsächlich wollte, dass seine Eltern ihn endgültig verstoßen und ihn in ein Heim stecken. Und dann fragte er mich auch, ob ich ihn dann nicht adoptieren würde.“

„Und was hast du gesagt?“

„Ich hab ihn vertröstet, denn für mich war es zu dem Zeitpunkt eine sehr schwierige Entscheidung gewesen, auch wenn ich schon 34 Jahre alt war. Aber der Junge war schwierig. Er kam aus einem sozialen Brennpunkt und er war nicht einfach zu handhaben. Ich hatte das Gefühl gehabt, ich würde nicht mit ihm umgehen können. Darum hielt ich ihn auf Abstand, versuchte ihm aber dennoch zu helfen und ihm beizustehen, damit er sich ein vernünftiges Leben aufbauen konnte. Und er war wirklich ein kluger Kopf. Er hat mit Begeisterung Medizin studiert und träumte davon, eines Tages Arzt zu werden. Aber die Sache wurde komplizierter, als mein guter Freund Professor Gregory Bloom, der übrigens auch den Intelligenztest bei ihm durchgeführt hat, eine Affäre mit der Mutter des Jungen begann. Für ihn war sie ein kleiner Spaß, aber die Mutter wollte mehr. Schließlich wollte diese ihre Familie verlassen, um mit Professor Bloom glücklich zu werden. Der Vater des Jungen erfuhr schließlich von der Affäre und es kam zu einem heftigen Streit. Der Junge, der zu dem Zeitpunkt eigentlich schon gar kein Junge mehr war, sondern bereits 22 Jahre alt, rief mich an und bat mich um Hilfe, weil sein Vater bewaffnet sei und die Mutter umbringen wollte. Ich machte mir große Sorgen um ihn und beeilte mich, zu ihm zu kommen. Als ich in der Wohnung eintraf, war die Situation völlig eskaliert. Der Vater war ausgerastet und hatte versucht, die Mutter mit einem Messer zu attackieren. Der Junge verlor daraufhin die Beherrschung und schlug zu. Ich versuchte ihn aufzuhalten, doch er war nicht zu bremsen. Ich weiß nicht, ob er so zugeschlagen hat, um sich gegen seinen tyrannischen Vater zur Wehr zu setzen, oder weil er seine Mutter beschützen wollte. Vermutlich war es beides. Jedenfalls schlug er so heftig zu, dass sein Vater zu Boden stürzte. Und als er nach dem Messer greifen wollte, trat der Junge noch mal gegen seinen Kopf und die Verletzung war letztendlich tödlich. Der Vater starb an einer Hirnblutung, die von den Verletzungen stammte.“

Stille trat ein und nun verstand Christoph endlich die ganze Geschichte. Crow hatte seinen Vater geschlagen, weil dieser wieder ausgerastet war und seine Mutter verletzen wollte. Er hatte sie beschützen und sich selbst auch mal zur Wehr setzen wollen und dabei hatte er ihn getötet. Ja aber wenn Crow seine Mutter doch beschützen wollte, dann hätte er doch wegen Notwehr freigesprochen werden müssen. Immerhin war sein Vater doch bewaffnet gewesen und wer weiß, was passiert wäre, wenn Crow ihn nicht daran gehindert hätte.

„Ja aber… warum ist er dann im Gefängnis gewesen, wenn es doch eindeutig Notwehr war? Ich meine, Crow ist zwar etwas rabiat, aber ich glaube nicht, dass er einfach so einen Menschen umbringen würde. Wenn er seine Mutter beschützen wollte, hätte der Richter ihn doch freisprechen müssen.“

„Das dachte ich ja auch“, seufzte Harold und wirkte ziemlich unglücklich. „Selbst seine Mutter hätte auch aussagen sollen, dass er sie beschützen wollte. Aber stattdessen hat sie offenbar gelogen, weil sie ihm den Mord an ihrem Mann nicht verzeihen konnte. Ariyana hatte für ihren Sohn noch nie etwas übrig gehabt und diesen Vorfall nutzte sie dann, um ihr Kind für immer aus ihrem Leben zu streichen.“

Eine Weile sagte Christoph nichts. Aber nun verstand er auch endlich Crows Verhalten und wieso er vehement abgeblockt hatte. Warum er zu Aggressionen neigte und zugeschlagen hatte und warum er nun ein Leben als einfacher Tätowierer fristete, obwohl er die Begabung für akademische Berufe hatte. Weil seine Mutter aus Rache gegen ihn ausgesagt hatte und Harold Strauss als Zeuge nicht erschienen war, war er wegen Totschlags verurteilt worden. Er war einfach im Stich gelassen worden und hatte ganz alleine klar kommen müssen. Seine Zukunft war zerstört, sein Traum von einer Karriere als Arzt genauso. Er hatte niemanden gehabt und die Person, der er als einzige vertraut hatte, hatte ihn einfach im Stich gelassen. Und bei diesem Gedanken kochte die Wut in ihm hoch und er schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Warum hast du nicht für ihn ausgesagt? Wenn er seine Mutter vor seinem gewalttätigen Vater beschützen wollte, dann hätte er freigesprochen werden können. Er hätte dann noch eine Chance gehabt. Warum hast du ihm nicht geholfen?“

„Das ist nicht so einfach“, erwiderte Harold etwas stotternd und fuhr sich durch sein lichter werdendes brünettes Haar. „Als die Verhandlung war, da bist du ins Krankenhaus eingeliefert worden und als ich hörte, dass du fast gestorben wärst, da… da musste ich mich entscheiden.“

„Jetzt komm mir bloß nicht mit Ausreden!“ rief Christoph und fühlte nur noch diese Wut gegen seinen Vater. Er war enttäuscht von ihm, hatte er doch immer zu ihm aufgesehen und was war? Dieser ließ einen Menschen im Stich, obwohl dieser ihm so sehr vertraut hatte.

„Du hattest doch bloß Schiss wegen deiner Karriere. Crow hatte vollkommen Recht. Er hat dir vertraut, verdammt. Du warst wie ein Vater für ihn und die einzige Bezugsperson, die er wahrscheinlich hatte. Und du behandelst ihn wie ein Problemkind und lässt zu, dass sie ihn verurteilen. Ihm ging es so viel schlimmer als mir, aber mich hast du sofort adoptiert, weil ich karrierefördernd für dich war, oder was?“

„Das lasse ich mir nicht unterstellen“, entgegnete der 58-jährige und stand auf. „Du weißt genau, dass wir dich adoptiert haben, weil wir dich lieben und wir haben dir das auch immer gezeigt, dass du für uns wie unser eigen Fleisch und Blut bist.“

„Aber Crow hat euch mehr gebraucht!“ erwiderte der 24-jährige und stand nun ebenfalls auf, um mit seinem Adoptivvater auf eine Augenhöhe zu sein. „Im Heim hat mich nie jemand geschlagen oder misshandelt und die Heimleiter haben sich gut um uns gekümmert. Ich will dir jetzt keinen Vorwurf machen, dass du mich adoptiert hast. Ich bin dir und Mum wirklich dankbar dafür. Aber ich kann es nicht akzeptieren, dass du Crow nicht mal geholfen hast, als du wusstest, dass sein Vater ihn schlägt. Du hättest wenigstens das Jugendamt einschalten können, damit er vielleicht in eine Pflegefamilie kommt. Du hättest ihm helfen sollen, anstatt einfach nur wegzusehen! Und weißt du was? Ich kann Crow da auch so langsam verstehen, dass er so wütend ist und dir eine reingehauen hat. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich das vermutlich auch getan. Weißt du was, Dad? Du bist ein Feigling! Und mir reicht es auch erst mal. Morgen werde ich zu Crow gehen und versuchen, mit ihm zu reden. Und du solltest dir mal ernsthaft darüber Gedanken machen, was du getan hast. Jetzt möchte ich dich bitten zu gehen.“

Geschlagen nickte Harold Strauss und ging aus der Wohnung. Er wusste um die Fehler, die er gemacht hatte und die er nicht wieder rückgängig machen konnte. So war Christoph alleine und musste das alles erst einmal verarbeiten, was er erfahren hatte. Noch nie war er dermaßen enttäuscht von seinem Adoptivvater, dass er so etwas tun konnte und er konnte in der Hinsicht auch Crow verstehen, wenn dieser erst einmal Abstand nehmen wollte. Er fühlte sich mies und fragte sich, ob er nicht noch mal vernünftig mit ihm reden konnte. Gerade wollte er seinen Kaffee austrinken, da überkam ihn ein heftiger Magenkrampf. Ihm wurde schlecht und er schaffte es noch rechtzeitig ins Bad, bevor er sich endgültig übergeben musste.

Verdammt, als wäre der Vorfall mit Crow nicht schon schlimm genug, jetzt auch noch das. Warum mussten diese verdammten Magenschmerzen auch immer zu den ungünstigsten Zeitpunkten kommen? Das Beste war vielleicht, er legte sich hin und suchte Crow morgen im Tattoostudio auf, um mit ihm zu reden. Vielleicht ließ sich ja trotz allem noch eine Lösung finden. Crow… ob es je wieder eine Chance zwischen ihnen beiden geben würde? Insgeheim hoffte Christoph es ja, aber nach all den Dingen, die er erfahren hatte, würde es nicht einfach werden. Vielleicht würde er auch gar nicht zu Crow durchdringen und seine Bemühungen würden dann auch nichts bringen. Niedergeschlagen und demotiviert ging er ins Wohnzimmer und legte sich auf die Couch, nachdem er etwas von dem Magenberuhigungsmittel, das sein Adoptivvater ihm mitgebracht hatte. So langsam hatte er die Vermutung, dass er vielleicht einen grippalen Infekt hatte, der noch nicht ganz ausgebrochen war. Manchmal hatte er eine Halsrötung und sogar kurzzeitig einen Hautausschlag gehabt. Irgendetwas lag da im Argen bei ihm, aber solange er noch nicht beim Arzt war, konnte er nicht sagen, was mit ihm nicht stimmte. Und dabei hatte er sich doch so auf einen entspannten Tag gefreut. Sich nachher eine Tiefkühlpizza oder eine Fünfminuten-Terrine fertig machen, Mortal Kombat zocken, oder vielleicht auch alle Filme von Freitag der 13. ansehen. Aber bei seinem Zustand würde er wohl nichts runterkriegen. Und außerdem war ihm nach all diesen Dingen eh nicht zumute. Nicht nach dem, was passiert war. Am liebsten wollte er wieder zu Crow. Er wollte wieder seine Stimme hören und vor allem seine Nähe spüren. Und er wollte ihm beweisen, dass seine Gefühle wirklich für ihn echt waren. Er wollte, dass Crow ihm glaubte und diese Liebe erwiderte. Ja, das war es, was er wirklich wollte und wonach er sich wirklich gesehnt hatte. Er wollte Crows Liebe. Aber… würde das auch wirklich gelingen? Der Tätowierer hatte seinerseits deutlich klar gemacht, dass er niemandem vertrauen wollte, ebenso wie er auch keine Hilfe annehmen wollte. Er war immer alleine gewesen und kannte es deshalb auch nicht, wenn sich jemand um ihn kümmerte. Das Einzige, was er kannte war, andere zu beherrschen. Nie wieder wollte er in diese alte Rolle zurück, in der er selber beherrscht und unterdrückt wurde, so wie von seinem Vater. Es war nicht bloß ein Hobby für ihn, sondern irgendwie auch eine Flucht vor seinem alten Leben, wo er das Opfer war. Zumindest schien das so in Christophs Augen zu sein.

Während er so auf der Couch lag und sich schließlich aus reiner Lustlosigkeit und Langeweile einen Porno ansah, konnte er nicht aufhören, an Crow zu denken. Nun, vielleicht hätte er bei der Wahl der Filme etwas mehr nachdenken sollen…
 

Crow war, nachdem die Beerdigung seiner Mutter vollzogen war, direkt zu seinem Haus gefahren, da er keine Lust hatte, direkt in seine Wohnung zurückzufahren. Außerdem war Sonntag und diese verbrachte er damit, sein Spielzeug und die Geräte zu reinigen und zu desinfizieren. Und so hatte er wenigstens eine Beschäftigung und konnte sich ablenken. Nun gut, zwar reinigte er seine Sachen nach Benutzung eh, aber ein Mal die Woche machte er eine Grundreinigung, um alles möglichst rein zu halten. Hygiene war eben das A und O bei diesem Hobby und in der Hinsicht war er auch eben sehr kleinlich.

Hier in diesem Haus hatte er das Sagen und die vollständige Kontrolle. Es war sein persönliches Reich, wo es sein altes Ich überhaupt nicht gab. Deshalb gab es hier auch keine persönlichen Gegenstände wie Fotos oder Erinnerungsstücke. Das Haus war einfach nur da, um seinen Zweck zu erfüllen, nicht mehr und nicht weniger. Hier konnte er in seine Welt abtauchen. Als er die Tür öffnen wollte, hörte er ein „Kuro!“ und drehte sich um. Eine hübsche asiatische junge Frau mit einigen Tattoos und Piercings kam auf ihn zu. Sie hatte eine kleine Tüte bei sich und strahlte übers ganze Gesicht. Es war Honoka, Satoris ältere Schwester. Er war Stammkunde in ihrem Erotikshop und sie hatte die Angewohnheit, ihn immer Kuro, statt Crow zu nennen. Das lag auch ein wenig daran, weil die japanische Aussprache für Crow dem japanischen Kuro sehr ähnlich klang. Und da er meist immer schwarze Kleidung trug, passte es ja auch. Zur Begrüßung umarmte die Japanerin ihn, wobei sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste, da er für sie viel zu groß war. Voller Stolz gab sie ihm die Tüte, wobei sie verkündete „Ich hab dir neues Spielzeug mitgebracht. Sollen wir ins Haus gehen?“ Da Honoka sein Hobby kannte und als Mitarbeiterin eines Erotikshops ohnehin ziemlich locker war, hatte Crow nichts dagegen und ging mit ihr rein. Sie gingen in den Keller, wo er meist seine deutlich härteren Bestrafungen durchzog. Er hatte vorgehabt, Christoph eines Tages in seinem Bestrafungskeller zu bearbeiten, wenn ein paar Sessions erfolgt waren, aber das konnte er jetzt auch abhaken. Das hatte sich inzwischen erledigt.

Honoka stellte die Tüte auf dem Tisch ab und holte nach und nach das neueste Zubehör raus.

„Ich hab hier drei neue Penisring und -manschettenmodelle, einen Prostatavibrator, einen Kugeldildo, Sextoy Cleaner und einen O-Ring-Knebel. Zusätzlich habe ich noch ein Cup Set und einen Shock Wave Elektrodildo. Und deine Bestellung ist auch da: eine Analkette mit Dogtail. Die anderen Sachen sind momentan im Sonderangebot.“

Crow sah sich die verschiedenen Stücke genauer an, die Honoka ausgebreitet hatte. Und als er seine Bestellung sah, die eigentlich für Christoph vorgesehen war, wurde ihm ganz anders zumute. Er fühlte tiefe Enttäuschung und für einen kurzen Moment bereute er auch seinen Entschluss, dass er den Vertrag beendet hatte. Mit ihm hatte er eben seinen Spaß gehabt und es lag auch nicht nur allein daran, weil er es liebte, Christoph zu dominieren und ihn das machen zu lassen, was er wollte. Der Akademiker war schon recht heiß und er hatte sich auch ein Stück weit wohl gefühlt mit ihm. Er hatte die Sessions wirklich genossen. Mehr noch als mit seinen bisherigen Partnern. Aber nachdem er erfahren hatte, dass er der Adoptivsohn von Prof. Dr. Harold Strauss war, konnte er sich nicht mehr mit Christoph treffen. Auch wenn es schwer war, aber es war besser, als wenn er wieder mit Harold zu tun hatte, der ihn einfach abgesägt und ersetzt hatte. Christoph selbst gab er aber nicht die Schuld daran. Dieser hatte ja nicht wissen können, was alles passiert war und dieser war sicher dankbar dafür, wenigstens eine Familie zu haben. Aber wenn er erst hinter die Maske von „Crow“ geblickt und den wahren Menschen dahinter erkannt hatte, würde er sich auch abwenden. Der Tätowierer konnte es ihm ja nicht mal verübeln. Er wusste selbst, dass er kein Vorzeigemensch war. Er war wegen Totschlags verurteilt und unter der Voraussetzung war ein Studium nicht mehr möglich. Seine Hobbys waren auch nicht gerade gewöhnlich und er neigte zu leichter Reizbarkeit und Aggression. Er wurde schnell gewalttätig, wenn er zu wütend war und das lag nun mal auch daran, weil er in einer Familie aufgewachsen war, in der so etwas halt an der Tagesordnung stand. Wenn Christoph das alles erst mal erkannte, würde er sich auch lieber einen anderen suchen. Einen, der nicht so „schwierig“ war.

„Kuro?“ fragte Honoka, die offenbar bemerkte, dass er nicht ganz bei der Sache war. „Ist etwas nicht in Ordnung? Du wirkst sehr bedrückt.“

„Schon okay“, winkte er ab und schüttelte den Kopf. „Ich hatte nur einen etwas aufreibenden Vormittag gehabt. Also ich nehme den Knebel, die Manschetten und den Vibrator. Was kostet der Spaß?“

Honoka holte ihre Liste hervor und begann zu rechnen.

„Also zusätzlich zu den Rabatten wären wir jetzt bei 41,97$.“

Crow holte aus seiner Jackentasche sein Portemonnaie und drückte Honoka 45$ in die Hand mit den Worten „Stimmt so.“ Da Honoka selbst Zeit hatte, zog sie sich gemeinsam mit Crow Handschuhe an, schnappte sich den Reiniger und half ihm bei der Säuberungsarbeit. Dabei kamen sie auch ein wenig ins Gespräch, wobei die Asiatin ihn direkt fragte „Hast du eigentlich schon mal Fifty Shades of Grey gelesen?“

„Ich hab davon nur grob was gehört, aber ich steh nicht so auf solche Bücher. Ich finde es langweilig, über Sex nur zu lesen.“

„Es geht doch nicht nur um Sex!“ rief Honoka sofort, doch als sie Crows skeptischen Blick sah, seufzte sie und korrigierte sich. „Zumindest nicht die meiste Zeit. Es ist eine BDSM-Romanze.“

„Ja ich weiß. Hässliches Entlein trifft auf supersexy Schönling mit viel Kohle. Das absolute Märchenklischee… Ein weiterer Grund, warum ich diesen Schwachsinn nicht lese.“

„Ich finde es toll. Jedenfalls geht es darum, dass eine Studentin ein Interview mit dem charismatischen Milliardär Christian Grey hat. Sie verliebt sich, er führt sie in seine Welt ein und sie machen dann einen Vertrag. Sie lernen sich näher kennen und sie lässt sich auf die ganze Sache ein, damit sie ihm wenigstens auf diese Art und Weise nah sein kann, aber er will nur Sex mit ihr. Dann stellt sich halt heraus, dass er eine ziemlich beschissene Kindheit hatte.“

Ein lautes Klappern erfolgte, als Crow die Sachen aus der Hand gefallen waren, als er das hörte. Verwundert wandte sich die Japanerin ihm zu und fragte „Was ist los?“

Doch Crow schüttelte nur den Kopf und murmelte „Ich… ich geh eben kurz eine rauchen.“

Dass ihn diese erschreckende Ähnlichkeit mit seiner Geschichte ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte, erzählte er lieber nicht. Ansonsten würde Honoka das noch überall erzählen und darauf konnte er wirklich verzichten. Da die 32-jährige auch eine Zigarette vertragen konnte, unterbrachen sie vorerst mal die Putzaktion und gingen wieder nach oben, setzten sich im Garten auf die Bank und zündeten sich je eine Zigarette an. Inzwischen war es deutlich bewölkt und vermutlich würde es nachher noch ordentlich regnen.

„Und darf ich raten?“ setzte Crow wieder an das Gespräch an. „In dem Roman gibt es ein Happy End.“

„Natürlich. Hinterher heiraten die beiden sogar und sie überstehen jede Krise. Auch wenn Christian ein ziemlicher Kontrollfreak ist, schafft Ana es ja zum Glück, sich gegen ihn zu behaupten und sich durchzusetzen.“

Ja und daran sieht man, dass es Romane sind: weil sie pure Fiktion sind, dachte sich Crow und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Das Leben schreibt nicht immer Happy Ends. Es ist verdammt hart und unfair. Ja, das stimmte. Wahres Glück war nun mal ein Luxus, der nicht jedem Menschen vergönnt war. Dennoch ließ ihn diese Vorstellung nicht los, sein Leben hätte tatsächlich Parallelen zu einem Buch, was er noch nie zuvor gelesen hatte. Und dabei kam ihm auch der Gedanke, dass es vielleicht eine winzige Chance gab, dass auch er so ein Happy End haben würde, so kitschig und dämlich das auch klang. Er und Christoph… trotz ihrer vielen Unterschiede ein Paar. Aber das war nur Wunschdenken und fernab jeglicher Realität. Als würde so etwas jemals funktionieren.

„Sag mal, Kuro… Wie läuft es denn eigentlich mit diesem Akademiker? Meine Schwester hat ja nicht allzu viel erzählt und ich frage mich dann auch, wie es dazu kommt, dass jemand wie du sich auf einen solchen Typ einlässt. Ich meine, keiner hasst Akademiker so sehr wie du.“

Crows Miene verfinsterte sich und wieder dachte er an Christoph, aber vor allem an Harold. Der Mann, der ihn einfach im Stich gelassen hatte, obwohl dieser wie ein Vater für ihn war. Und allein bei dem Gedanken an Harold kochte die alte Wut wieder in ihm hoch. Darum sagte er nur „Das ist vorbei“ und drückte seine Zigarette aus. Honoka sagte eine Weile nichts, sondern betrachtete ihn mit ihren dunklen Augen. Dann aber schüttelte sie den Kopf und meinte nur „Ich verstehe dich echt nicht.“

„Wie meinst du das?“ fragte Crow, aber eigentlich hatte er nicht so wirklich Lust darauf, mit ihr zu reden. Er wollte niemanden sehen und alleine sein.

„Du hast deutlich bessere Laune gehabt, als du deinen Spaß mit ihm hattest, das ist auch Satori sofort aufgefallen und sie ist in manchen Dingen eine kleine Blindschleiche. Ich hab zwar keine Ahnung, was da zwischen euch vorgefallen ist, dass du die Sache beendet hast, aber du bist gerade noch wortkarger und verschlossener als sonst und ich kapiere wirklich nicht, wieso du den Schwanz eingezogen hast. Klar weiß ich, dass du nicht willst, dass dir irgendjemand zu nah kommt. Aber man hat echt das Gefühl gehabt, du würdest auch mal zur Abwechslung gute Laune haben und die hast du so gut wie nie. Höchstens, als du dir die Harley zugelegt hast. Satori meinte schon, dass dieser Christoph dir eigentlich ganz gut tut, aber du verbaust dir gleich alles wieder, nur weil du wegen deiner Vergangenheit Schiss davor hast, je wieder einem Menschen zu vertrauen.“

Genervt stand Crow auf und drückte seine Zigarette aus. Er hatte keine Lust, sich das weiter anzuhören.

„Ich habe keine Angst“, erwiderte er gereizt. „Ich habe diese Vereinbarung beendet, weil sein Adoptivvater genau der Mensch ist, der mich so eiskalt im Stich gelassen hat.“

„Aber dafür kann er doch nichts“, erwiderte die Japanerin und versuchte, ihm zu folgen. Doch so ganz leicht fiel es ihr nicht wirklich. Aber darauf nahm Crow auch keine Rücksicht. Er wollte diese Unterhaltung beenden und zwar so schnell wie möglich.

„Das weiß ich selbst“, sagte er nur und ging weiter, ohne auf Honoka zu warten. Dann aber hatte sie ihn endlich eingeholt und bekam seinen Arm zu fassen.

„Was ist es dann, was dich davon abhält, endlich mal glücklich zu werden?“

„Weil es keine Zukunft hat!“ rief er und schlug ihre Hand weg. Für einen Moment sah er so aus, als wollte er am liebsten alles kurz und klein schlagen, aber er beherrschte sich noch. Stattdessen senkte er den Blick und wirkte in diesem Moment sehr unglücklich und einsam.

„Seien wir doch mal realistisch, Honoka. Das Leben ist keine verdammte Schnulze mit einem Happy End wie in deinem Buch, okay? Es ist verdammt unfair und für manche Menschen gibt es halt kein Glück. Ich habe es längst aufgegeben, darauf zu hoffen, dass es mal besser wird. Aber wenn nicht mal meine eigenen Eltern mich lieben konnten, wer soll es dann tun? Ich bin es einfach leid und ich kann das auch nicht mehr, Honoka.“

„Du bist ein Vollidiot, Kuro! Wenn man den Willen dazu hat, dann findet man einen Weg. Aber du gibst schon auf, bevor du es überhaupt versucht hast, weil du Angst vor dem Versagen hast.“

Der Tätowierer warf ihr einen finsteren Blick zu, der wirklich einschüchtern konnte. Normalerweise hätte er das nicht so auf sitzen lassen, aber er hielt an seiner eisernen Regel fest, niemals eine Frau zu schlagen. Zumindest nicht aus solchen Motiven. Und tief in seinem Herzen wusste er doch, dass sie nur das aussprach, was sie dachte und so ganz falsch lag sie auch nicht. Und das war es auch, was ihn daran hinderte, so etwas wie Gefühle für jemanden zuzulassen. Es war einfach besser, als wenn es wieder nur Enttäuschungen gab. Und die würde es garantiert geben. Wer wollte auch schon etwas mit einem Problemfall wie ihm auf die Dauer etwas anfangen?

Everything's Fine Now?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

New Chances

Der nächste Tag hielt nichts als Regen bereit und es donnerte zwischendurch sogar. Aus diesem Grund wurde das Treffen auch schließlich auf ein nahe gelegenes Café verlegt und als Christoph es betrat, sah er Raphael bereits an einem Tisch sitzen. Der 28-jährige Tätowierer machte einen etwas gereizten Eindruck, aber vielleicht hatte es ja auch nichts weiter zu bedeuten. Nur merkte man, dass die Kellner einen dezenten Bogen um ihn machten, weil er so bedrohlich wirkte. Christoph ging zu ihm hin und setzte sich, wobei er ihn nun auch mit seinem richtigen Namen grüßte. Doch Raphael wirkte etwas wortkarg und tatsächlich war er auch recht missgelaunt. Und deshalb fragte der Mathematiker auch gleich nach, was denn los sei. Raphael, der seinen Kaffee offenbar schwarz trank, schwieg erst eine Weile bevor er erklärte: „Ich musste heute zur Polizei. Sie haben den Mörder meiner Mutter gefunden. Allem Anschein nach war es ein registrierter Sexualstraftäter und er hat schon zwei Male eingesessen. Einer von den unbelehrbaren Schwachköpfen, die eigentlich nie hätten freikommen sollen. Naja, was soll’s.“

„Das tut mir wirklich Leid mit deiner Mutter.“

„Ach was. Da war eh nie eine Bindung zwischen uns. Es war nur ziemlich nervenaufreibend mit der Polizei gewesen. Die springen nicht sonderlich sanft mit einem Vorbestraften um, selbst wenn er rein gar nichts mit der Sache zu tun hat. Aber das ist jetzt auch nicht wichtig.“

Es machte irgendwie den Eindruck, als wollte Raphael das Thema so schnell wie möglich beenden, weil er nicht darüber sprechen wollte. Nun, sonderlich verübeln konnte Christoph es ihm ja auch nicht. Also beließ er es dabei und ging nicht weiter darauf ein. Es gab eh Wichtigeres, was geklärt werden musste. Er räusperte sich und bestellte bei der Kellnerin einen Cappuccino.

„Also worüber ich mit dir reden wollte… Ich habe noch mal mit Harold gesprochen und er will Wiedergutmachung leisten. Die ganze Sache tut ihm wirklich leid und er geht heute zur Polizei, um seine Aussage zu machen.“

An Raphaels Miene war deutlich zu sehen, dass er sehr abwehrend auf diesen Namen reagierte und es sah fast danach aus, als würde er gleich ausrasten, so wütend wirkte er. Nun, wer konnte es ihm auch verdenken? Wenn Harold damals seine Aussage gemacht hätte, dann wäre er wegen Notwehr freigesprochen worden. Doch stattdessen hatte dieser ihn einfach im Stich gelassen und Raphael war vier Jahre im Gefängnis gewesen. Und warum? Nur weil Harold Angst um seine Karriere gehabt hatte. Christoph verstand ihn gut und wenn er in dieser Situation gewesen wäre, hätte er auch nicht anders reagiert.

„Wiedergutmachung?“ fragte Raphael wütend. „Wie will er mir die vier Jahre wiedergeben, die ich verloren habe? Nichts macht diese Zeit wieder ungeschehen und deshalb verzichte ich auch darauf. Ich brauche keine Hilfe, klar? Ich komme auch wunderbar alleine zurecht.“ Damit wollte er die Sache abhaken, aber der Mathematiker blieb hartnäckig und wollte nicht eher Ruhe geben, bis er ihn nicht überzeugt hatte.

„Jetzt hör mir doch erst mal zu. Wenn der Fall neu aufgerollt wird und Harold bestätigt, dass du von deinen Eltern misshandelt wurdest und du deinen Vater getötet hast, um deine Mutter zu beschützen, wird man dich im Nachhinein freisprechen und du bist nicht mehr länger vorbestraft. Und dann hast du auch Chancen zu studieren.“

Doch es sah nicht so ganz danach aus, als würde das Raphael in diesem Moment sonderlich interessieren. Er war immer noch der felsenfesten Überzeugung, dass er auf niemanden angewiesen war und alles alleine schaffte. Das mochte zwar so sein, aber hier ging es um seine Zukunft. Aber das sah er wahrscheinlich nicht so, weil er viel zu gefangen in seinem Denken war, dass er nichts und niemanden brauchte und er sowieso keinem Menschen vertrauen konnte. Er hatte all seine Träume begraben und sich damit abgefunden, dass er ein vorbestrafter Tätowierer bleiben würde. Es war einfach unvorstellbar für ihn, dass er je wieder seinen wahren Träumen nachgehen könnte und darauf hinarbeiten würde, ein Arzt zu werden.

„Jetzt mach dich nicht lächerlich, Chris. Selbst wenn ich im Nachhinein freigesprochen werde und ich vor der ganzen Welt unschuldig bin, es wird immer ein Restzweifel zurückbleiben. Du kannst die Denkweise der Menschen nicht ändern. Wenn der Ruf einmal ruiniert ist, dann kannst du nichts mehr daran ändern.“

„Du versuchst es ja nicht einmal“, erwiderte Christoph und blieb standhaft. Denn so leicht wollte er sich gewiss nicht geschlagen geben. „Das mag vielleicht sein, dass es ein paar Menschen geben wird, die dich immer noch als Vatermörder sehen. Aber wenn es wirklich dein Traum ist, Arzt zu werden, dann solltest du auch dafür kämpfen, okay? Und dazu gehört es auch, die Hilfe von anderen anzunehmen und anderen zu vertrauen. Ich will dir bei deinem Traum helfen, Raphael. Du hast mich aus meinem Loch rausgeholt, jetzt mache ich dasselbe mit dir und ich werde dementsprechend dafür sorgen, dass du nachträglich freigesprochen wirst, damit du wieder zur Uni gehen kannst. Aber dazu musst du auch bereit sein, mitzuarbeiten und auch für dein Recht zu kämpfen, anstatt immer direkt zu kapitulieren und zu sagen, dass eh alles hoffnungslos ist. Der Einzige, der dir jetzt noch im Weg steht, bist allein du!“

Raphael schwieg nun und diese Worte brachten ihn wohl zum Nachdenken. Wahrscheinlich war es selten und vielleicht auch sogar nie vorgekommen, dass man ihm so zugeredet hatte. Aber für Christoph stand fest, dass er Raphael helfen würde. Ganz egal was dazu auch erforderlich war, er würde ihm helfen, endlich wieder für seinen Traum zu kämpfen.

„Wieso machst du das alles überhaupt? Welchen Nutzen hast du denn bitteschön davon, dir meinetwegen den Arsch aufzureißen?“

„Weil es nun mal dazu gehört, wenn man jemanden liebt.“

Diesem Argument konnte Raphael nichts entgegensetzen und er starrte Christoph mit einem unbestimmten Blick an. Er, der von Dingen wie Liebe keine Ahnung hatte, kannte so etwas nicht und deswegen überrumpelte ihn dies auch erst. Aber nun merkte man auch, wie er sich langsam aber sicher wieder beruhigte. Stattdessen senkte er nur ein wenig den Blick und schwieg.

„Ich habe alles genau durchdacht“, fuhr der 24-jährige schließlich fort. „Und die Wahrscheinlichkeit, dass du tatsächlich wieder studieren kannst, wenn du bereit bist, Hilfe anzunehmen, liegt bei exakt 94,8876%.“

Bei diesen Worten verzog Raphael kurz die Mundwinkel und ließ ein teils amüsiertes Schnauben vernehmen, wobei er noch „Du mit deiner Mathematik“ meinte. Aber Christoph ließ sich davon auch nicht beirren.

„Ich will dir helfen, Raphael. Es war doch dein Traum, Arzt zu werden und wenn eine Chance besteht, dass du wieder studieren kannst, dann solltest du sie auch nutzen. Oder bist du zufrieden mit deinem Leben als Tätowierer?“
 

Raphael schwieg und sah zum Fenster hinaus. Es war ziemlich bewölkt und es sah aus, als würde es gleich regnen. Sein Verlangen nach einer Zigarette wurde immer stärker und darum beschloss er, kurz an die frische Luft zu gehen. Christoph folgte ihm nach draußen und als sie vor der Tür des Cafés standen, zündete sich der 28-jährige eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, bevor er auf die Frage antwortete.

„Ich habe nie behauptet, zufrieden oder unzufrieden zu sein. Als Tätowierer kommt man selbst als Vorbestrafter einigermaßen über die Runden und es ist besser als nichts. Aber ich bin in solchen Dingen eher pragmatisch. Was ich will oder nicht will, ist nicht von Bedeutung. Allein der Nutzen zählt und mehr nicht. Nicht jeder hat den Luxus das zu tun, was ihm Spaß macht.“

Als der Tätowierer bemerkte, dass Christoph still geworden war, blies er eine Nikotinwolke aus und fügte hinzu „Das sollte jetzt kein Vorwurf sein. Ich will nur, dass du verstehst, wie ich die Dinge sehe. Was meinst du, ist der gravierende Unterschied in der Motivation von Kindern, die in behüteten Familien aufwachsen und jenen, die aus dem Ghetto stammen?“

„Die Ghettokinder versuchen das Beste aus ihrer Situation zu machen.“

„Ganz genau. Kinder, die diesen Luxus nicht kennen, versuchen nur zu überleben. Und dafür werfen sie auch all ihre Moral über Bord und lassen sich nicht von Gesetzen aufhalten. Behütete Kinder wollen sich das Leben lediglich so komfortabel wie möglich gestalten und jagen ihren Träumen nach. Und das ist auch der Unterschied zu uns beiden. Du kennst das Milieu nicht, in welchem ich lebe oder zumindest kennst du es nicht so wie es wirklich ist.“

Ein Regentropfen traf Christophs Gesicht und als wäre dies eine stille Ankündigung gewesen, brach mit einem Mal der Regen herein. Also kehrten sie wieder ins Café zurück, nachdem Raphael seine Zigarette ausgedrückt hatte und redeten noch eine Weile miteinander. Christoph wollte die Zeit ja auch nutzen, um Raphael besser kennen zu lernen, allerdings war es manchmal schwierig, mehr von ihm zu erfahren. Es mochte daran liegen, dass Raphael nur äußerst ungern über seine Vergangenheit und allgemein über sich selbst sprach. Denn das bedeutete ja auch, seinem Gegenüber zu vertrauen und das fiel ihm wirklich schwer. Aber Christoph blieb geduldig wie immer und erfuhr so, dass Raphael schon seit seiner Kindheit ein „schwieriger Fall“ war und ein Wutproblem hatte. Manchmal brauchte es nicht sonderlich viel, um ihn wütend zu machen und meist schlug er dann sofort zu. Nun, im Grunde deckte sich seine Version größtenteils mit der von Harold ab. Nur wurden sie auch teilweise aus einer ganz anderen Sicht erzählt, die oftmals auch ein anderes Licht auf den Sachverhalt warf. So erfuhr Christoph auch, dass Raphael oft von anderen damit aufgezogen wurde, dass er ein Immigrantenkind war und im Ghetto lebte. Und auch, dass sein Vater ihn verprügelte, hatten sie oft zum Anlass genommen, um ihn zu hänseln. Da er seine eigenen Vergehen auch direkt zugab und auch nicht herunterspielte, glaubte Christoph ihm seine Version auch. Aber dann wechselte der 28-jährige die Richtung und begann nun selbst damit, den Mathematiker zu befragen.

„Und wie kommt es, dass du ausgerechnet zu mir gekommen bist?“

„Nun ich… ich war irgendwie fasziniert von dir. Ich habe mich irgendwie zu dir hingezogen gefühlt und ich war von deiner rauen Art und deiner Ausstrahlung angetan.“

„Dann hast du entweder einen ziemlich ungewöhnlichen Geschmack oder eine ziemlich masochistische Ader.“

„Vielleicht auch beides“, meinte Christoph halb lapidar und hatte ein recht freches Lächeln auf den Lippen. Raphael schüttelte den Kopf und sagte nichts weiter dazu. Dem konnte man eben nicht viel entgegensetzen. Es war ein ungewohntes Gefühl, so mit jemandem zu reden. Selbst mit Satori unterhielt er sich nicht so und auch sonst vermied er es, persönlich mit jemandem zu werden. Zugegeben, es war auch ein wenig anstrengend und kostete ihn auch eine gewisse Überwindung, aber das gehörte wohl irgendwie dazu, wenn man wohl eine engere Beziehung zueinander aufbauen wollte. Aber so ganz verstand er das trotzdem nicht, wozu es unbedingt nötig war, alles über den anderen zu wissen. Immerhin waren sie doch auch ganz gut miteinander zurechtgekommen, als er nur Crow war. Er musste ja auch nicht jedes Detail über Christoph wissen. Naja… zumindest nicht mehr als unbedingt nötig. Bis jetzt hatte er ja immer noch nichts von der Überwachung erzählt und er hielt es eh für besser, ihn erst mal im Unwissen zu lassen. Solange er noch keine konkreten Beweise hatte, wollte er das alles erst einmal im Geheimen durchführen. Nicht nur, weil Christoph sonst alles noch durcheinander bringen könnte, sondern weil er ihn auch schützen wollte. Es reichte schon, wenn sein Leben verbaut war, da wollte er zumindest ihn davor bewahren. Ein sonderlich schlechtes Gewissen hatte er dabei auch nicht sonderlich. Es geschah ohnehin äußerst selten, dass er seine Handlungen bereute, auch wenn sie vielleicht falsch waren. Er fand immer eine überzeugende Rechtfertigung und dementsprechend war es mit seinem Gewissen auch nicht weit her. Der Zweck heiligte eben die Mittel. Zumindest war das seine Sicht der Dinge, denn aufgrund seiner Herkunft und seiner Vergangenheit hatte er in manchen Dingen recht wenig Skrupel.

„Wie steht es denn eigentlich mit deiner Gesundheit?“

„Es schwankt“, gab Christoph zu und begann sich hinterm Ohr zu kratzen. „Teilweise ging es mit den Magenschmerzen besser, aber letztens hatte ich noch eine Halsrötung und Ausschlag.“

„Ausschlag?“

Raphael zog die Augenbrauen zusammen und er war verwundert. Diese Symptome passten überhaupt nicht zu seinem Verdacht und ein wenig verwundert war er auch. Und als er nachfragte, ob Christoph noch diese Energy Drinks trank, gab dieser zu, nur noch ein Mal so einen getrunken zu haben und danach war er auf Tee umgestiegen, um seinen Magen zu schonen. Das alles wurde immer merkwürdiger und der Tätowierer ahnte, dass er so langsam aber sicher handeln musste. Offenbar wurde die Sache langsam aber sicher ernst und wenn er nicht schnell handelte, konnte es noch gefährlich für Christoph werden. Aber um ganz sicher zu gehen, hakte er noch mal nach.

„Was isst du denn so?“

„Entweder bestell ich mir was vom Chinesen oder ich geh in die Kantine der Uni.“

„Ah, Kantinenessen“, murmelte der 28-jährige und deutete ein leicht abschätziges Lächeln an. „Ich fand den Fraß dort genauso schlimm wie in der Schule.“

„Ach, eigentlich ist es ganz in Ordnung. Nur in der letzten Zeit schmeckt es immer furchtbarer. Wahrscheinlich haben sie den Koch ausgetauscht.“

Hier begann Raphaels Hirn zu arbeiten und er ging alles noch mal genauer durch. So war das also. Langsam aber sicher hatte er den Sachverhalt so einigermaßen durchschaut. Es fehlte ihm nur noch der Beweis. Aber den würde er noch bekommen. Am besten noch heute. Also stand er auf und schnappte sich wieder seine Jacke.

„Sorry Chris, aber ich habe da noch ein paar wichtige Dinge zu tun. Ich melde mich.“

„Jetzt so plötzlich?“

„Ist was Wichtiges, das ich nicht aufschieben kann.“

Er sah die Enttäuschung bei dem 24-jährigen Mathematiker, aber darauf konnte er jetzt auch keine Rücksicht nehmen. Seine Pläne hatten jetzt absoluten Vorrang und duldeten keinen Aufschub. Ansonsten könnte Christoph noch ernsthaft Schaden nehmen oder schlimmstenfalls mit dem Leben bezahlen. Also verabschiedete er sich und verließ das Café. Draußen regnete es immer noch, aber davon ließ er sich auch nicht sonderlich abschrecken. Als er seine Harley erreichte, setzte er seinen Helm auf, startete den Motor und fuhr los. Bevor er aber zu seinem geplanten Zielort fuhr, machte er erst einmal bei sich zuhause einen Zwischenstopp.
 

Als er die WG erreichte, hörte er wieder laute Musik, die aus den Lautsprechern tönte. Satori saß gemütlich auf der Couch und arbeitete an neuen Tattoomotiven. Leise summte sie zur Musik und schien vertieft in ihre Arbeit zu sein. Zuerst überlegte Raphael, sie kurz zu grüßen, aber da er sowieso gleich wieder weg war, konnte er sich das auch sparen. Also ging er direkt in sein Zimmer und holte aus einem kleinen Metallkoffer, der mit einem Vorhängeschloss gesichert war, seine STI Eagle, die er auch einfach nur „Adler“ nannte. Sicher war sicher und er konnte nicht abschätzen, wie gefährlich die ganze Sache noch werden würde und darum war es besser, für den Fall der Fälle seine Waffe bei sich zu haben. Die Pistole hatte er sich kurz nach seiner Entlassung besorgt, legal natürlich. Nachdem er sich im Knast einige Feinde gemacht hatte und auch in einem nicht gerade sicheren Viertel lebte, war so eine Pistole auch das eine oder andere Mal hilfreich und gab zumindest ein Gefühl von Sicherheit. Als er dann aber wieder gehen wollte, bemerkte Satori ihn schon und rief „Crow? Du bist schon zurück?“

„Ich bin auch gleich wieder weg. Ich musste nur etwas holen gehen.“

Die tätowierte Japanerin sah ihn überrascht an und blinzelte kurz. Sie wirkte etwas verwundert und fragte schließlich „Hattest du etwa keine Session gehabt?“

„Nein, heute nicht. Es war nur ein normales Treffen, so mit Reden und so…“

Nun wirkte sie noch verwirrter und schüttelte den Kopf. Immerhin kannte sie ihn ganz anders. Er traf sich niemals einfach so mit jemandem zum Reden, wenn es nicht um irgendetwas Wichtiges oder Geschäftliches ging. Aber es war ihr ohnehin nicht entgangen, dass ihr Chef und Mitbewohner sich in den letzten Tagen verändert hatte. Er merkte es ja schon selbst.

„Sag mal… kann es sein, dass es wegen diesem Mathenerd ist, dass du so… so anders bist?“

„Kann sein. Ach ja… es kann sein, dass der Fall von damals noch mal neu aufgerollt wird. Und wenn es soweit ist, müssen wir uns zusammensetzen und über einige Dinge sprechen. Darunter auch wie es vielleicht mit dem Studio weitergehen soll.“

„Willst du etwa verkaufen?“

Etwas unsicher zuckte der 28-jährige mit den Schultern und murmelte nur „Kann sein, dass eine Möglichkeit besteht, dass ich wieder studieren kann. Und da werde ich für das Studio wohl keine Zeit mehr haben. Aber das ist erst mal eh nur Zukunftsmusik. Im Moment hab ich noch ein paar andere Sachen zu tun.“

Immer noch ruhten Satoris Augen auf ihn und schienen ihn zu prüfen. Sie konnte es nicht genau benennen, aber sie merkte deutlich, dass ihr Chef und Mitbewohner in den letzten Tagen irgendwie menshclicher geworden war und auch sonst nicht ganz so verschlossen wirkte. Es schien so, als wäre wieder ein Stückchen Leben in ihn zurückgekehrt. Und da fragte sie sich natürlich, ob da nicht vielleicht sein „Spielgefährte“ da nicht vielleicht etwas damit zu tun hatte.
 

Ob es vielleicht möglich war, dass er sich tatsächlich verliebt hatte? Nein, das war vollkommener Unsinn. So jemand wie Raphael war nicht der Typ für so etwas. Aber andererseits… es war ja schon seltsam genug gewesen, dass sich ausgerechnet er mit einem Akademiker abgab, obwohl niemand Akademiker so sehr verachtete wie er. Irgendwie war er nicht mehr derselbe. Es war, als würde so langsam aber sicher sein kaltes Herz auftauen…

Aber wozu brauchte er eine geladene Pistole? Satori wagte es lieber nicht, nachzufragen. So wie sie ihren Chef einschätzte, würde es vielleicht gefährlich werden, wenn sie zu viel wusste.

The Traitor

Nach dem plötzlichen Abgang von Raphael wollte Christoph eigentlich wieder nach Hause gehen, aber daraus wurde nichts, denn da bekam er einen Anruf von Dr. Becker, der ihn unbedingt sprechen wollte. Eigentlich hatte Christoph noch einen Krankenschein, aber da es sehr wichtig klang, machte er sich direkt auf den Weg zur Uni und erreichte schließlich Beckers Büro. Der Mathematikdozent wirkte sehr ernst und hatte ungeduldig auf Christoph gewartet.

„Gut, dass du da bist, Laplace. Ich habe da nämlich etwas entdeckt. Als ich deine Notizen für den nächsten Algorithmusentwurf gesucht habe, um mit der Arbeit weiterzumachen, habe ich das hier gefunden.“

Damit wies er auf einige winzige Geräte auf dem Tisch, die Christoph eindeutig als Minikameras identifizieren konnte. Dieser Anblick löste einen leichten Schauer bei ihm aus und ihm wurde übel. Seit wann waren denn die Kameras in seinem Büro und wer hatte ihn ausspioniert? Was für einen Grund sollte es denn geben? Verwirrt sah er zu Dr. Becker, der aber auch recht ratlos wirkte und dann erzählte, dass auch sein Büro überwacht worden war. Ratlos schüttelte Christoph den Kopf und setzte sich auf einen der Stühle.

„Ich verstehe das nicht. Wer zum Teufel soll uns denn beide bitteschön überwachen und wieso?“

„Vermutlich wollte die Person an den Algorithmus, wenn wir fertig geworden wären.“

„Das ist doch Quatsch. Ich meine, derjenige müsste genug Ahnung von Mathe haben und das wären Newton, Dr. Phineas, Prof. Ernestine und Prof. Walker und die kommen ja wohl kaum infrage. Dr. Phineas sitzt im Rollstuhl und kann wohl kaum die Kameras so gut versteckt haben, ohne dass jemand etwas bemerkt hätte und die beiden anderen sind auf einer Tagung in Europa. Newton selbst ist gerade erst wieder zurück und so abgebrüht ist er nicht, dass er so etwas tun würde. Und ich glaube kaum, dass ein Dozent so etwas tun würde. Vermutlich waren es Studenten, die an Informationen zu den nächsten Prüfungen kommen wollten. Immerhin sind ja bald die nächsten Termine.“

„Das glaubst du doch wohl selbst nicht.“

„Ach ja? Glaub mir ruhig, Studenten sind verdammt kreativ, was das betrifft. Wir sollten die Sache einfach erst mal im Auge behalten.“

Doch so ganz überzeugt schien Dr. Becker nicht zu sein und Christoph entging nicht, dass er mit einem sehr misstrauischen Blick beäugt wurde und irgendetwas an Dr. Beckers Blick war merkwürdig. Allerdings konnte er noch nicht sagen, was es war.

„Ich halte es für besser, wenn wir unsere Arbeit woanders fortführen, einfach deshalb, um kein Risiko einzugehen. Immerhin geht es hier um verdammt viel.“

Christoph atmete ein wenig entnervt aus und verschränkte die Arme. Er verstand nicht so wirklich, was Dr. Beckers Problem war und wieso er so eine Geheimhaltung darum machen musste. Natürlich war die Lösung eines mathematischen Problems verbunden mit einer Geldsumme und Ruhm. Aber darum ging es ihm nicht. Für ihn ging es doch einfach nur um eine geistige Herausforderung und mehr nicht. Auf die Million war er nicht angewiesen und das Geld hätte er größtenteils eh an das Waisenhaus gespendet. Aber Dr. Becker dachte anscheinend anders über die ganze Sache. Für ihn ging es um Ruhm und Profit. Und darum wollte er auch nicht zulassen, dass irgendjemand anderes an die Lösung zu ihrem mathematischen Problem kommen würde. Und da er keine Lust hatte, sich mit ihm zu streiten, gab er sich geschlagen und seufzte.

„Also gut. Dann machen wir es so, wie du es vorgeschlagen hast. Und wohin sollen wir die Arbeit verlegen?“

„Ich habe da ein Apartment in der Lexter Street, das könnten wir nutzen.“

Die Lexter Street? Soweit Christoph sich richtig erinnerte, war das nicht gerade eine Gegend, wo man sich nach Anbruch der Dunkelheit aufhalten sollte. Es lag nicht weit entfernt von einer alten Chemiefabrik entfernt, die während der Wirtschaftskrise geschlossen wurde. Und auch sonst war es nicht gerade eine Gegend, in die Christoph freiwillig gehen würde. Etwas skeptisch schaute er zu Dr. Becker und fragte „Die Lexter Street? Wirklich?“

„Dort gibt es eine alte Nachhilfeschule, die wir nutzen können. Mir kannst du ja erzählen, dass es ein Student ist, aber ich habe letztens einen Mann aus deinem Büro kommen sehen.“

„Ein Mann?“ fragte Christoph und runzelte die Stirn. „Was für ein Mann?“

„Wahrscheinlich ein Mexikaner. Dunkelhäutig, schwarzhaarig und riesig mit ziemlich finsterer Visage. Irgendwie ziemlich zwielichtig.“

Dunkle Haut? Schwarzhaarig? Riesig? Dann musste das wohl Raphael sein. Wahrscheinlich hatte Dr. Becker ihn gesehen, als diese verrückte Sache mit dem Vibro-Ei gewesen war. Nun, wenn den so war, dann konnte er ja auch gleich Entwarnung geben, bevor sich Dr. Becker noch in irgendwelche Wahnideen reinsteigerte und noch anfing, an eine Verschwörung zu glauben.

„Ach du meinst Raphael? Keine Sorge, er ist ein Freund und hat für mich etwas vorbeigebracht. Und er ist nicht mexikanischer, sondern teils brasilianischer Herkunft. Er mag zwar etwas unheimlich aussehen, aber er ist in Ordnung.“

Doch so ganz überzeugt wirkte der Mathematikdozent nicht so wirklich, aber er sagte nichts dazu. Dann schließlich atmete er geräuschvoll aus und durchschritt den Raum. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen, das sah Christoph sofort.

„Jetzt komm erst mal runter“, sagte er schließlich. „Ich bin mir sicher, dass es lediglich ein Versuch von den Studenten war, auf die Weise mehr über die Lösungen für die Prüfungen zu erfahren. So etwas haben einige aus meinem Jahrgang auch gemacht. Das ist zwar keine Entschuldigung, aber zumindest eine vernünftige Erklärung. Und jetzt entschuldige mich, aber ich habe nachher noch einen Arzttermin.“

„Arzttermin?“

„Ja, wegen meiner Magenschmerzen und den anderen Symptomen. Vielleicht kann der endlich feststellen, was mit mir los ist.“

„Aha…“, murmelte Dr. Becker etwas geistesabwesend und schien nicht mal richtig zugehört zu haben. Offenbar dachte er über irgendetwas nach. Wahrscheinlich saß ihm diese Kamerageschichte noch tief in den Knochen und er musste das alles erst mal sacken lassen. Also verabschiedete sich Christoph fürs Erste und sie einigten sich darauf, dass sie sich am nächsten Mittag in der alten Nachhilfeschule der Lexter Street treffen würden. Danach fuhr Christoph nach Hause, um sich noch ein wenig auszuruhen, da seine Magenschmerzen wieder schlimmer wurden. Aber diese ganze Kamerageschichte machte ihn doch etwas stutzig. Es machte doch überhaupt keinen Sinn, bei ihm heimlich Kameras anzubringen. Immerhin gehörte er nicht zu den Prüfern und unterrichtete auch nur im Vertretungsfall. Nun, bei Dr. Becker war es verständlicher, weil er auch die Mathekurse leitete. Aber es war dennoch nicht ganz schlüssig. Es machte kaum bis gar keinen Sinn, sie beide auszuspionieren und die Tatsache, dass Raphael in seinem Büro gewesen war, beschäftigte ihn ebenso. Zwar konnte es genauso gut ein Zufall sein, aber welchen Grund sollte der Tätowierer haben, ihn und Dr. Becker auszuspionieren? Ob er mal anrufen sollte? Christoph dachte noch eine Weile nach und entschied sich dann, doch lieber bei ihm auf dem Handy anzurufen. Also schnappte er sich sein Smartphone und wählte die eingespeicherte Nummer. Es dauerte eine Weile, bis der Tätowierer endlich ranging.

„Ja Chris, was gibt’s?“

eine Weile schwieg der Mathematiker und war sich nicht ganz sicher, ob es ratsam war, diese Frage zu stellen. Wenn er hier eine falsche Verdächtigung machte, würde das doch zeigen, dass er Raphael nicht vertraute. Aber andererseits wollte er den Verdacht auch gerne ausräumen. Darum sagte er auch nach einer kurzen Pause „Es wurden Kameras bei mir im Büro gefunden… und bei Dr. Becker. Du warst doch bei mir im Büro. Ist dir irgendetwas oder irgendjemand vielleicht aufgefallen?“

„Nein, nicht direkt.“

„Aha…“

„Mag auch daran liegen, weil ich es war.“

Beinahe wäre Christoph das Handy aus der Hand gefallen. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Raphael hatte die Kameras angebracht? Gehörte das irgendwie zu seinen komischen Spielchen dazu oder was hatte das alles zu bedeuten? Einen Moment lang schwieg er, bis er dann endlich ein „Warum?“ über die Lippen brachte. Er hoffte noch auf eine vernünftige Erklärung, doch stattdessen bekam er nur die Antwort: „Das erfährst du später noch. Tu mir nur einen Gefallen und bleib im Haus.“

„Was ist denn bitte los? Wieso soll ich im Haus bleiben? Ich muss nachher zum Arzt und wenn du mir nicht erklärst, was hier los ist…“

„Du bist in Gefahr, Chris.“

Raphael klang sehr ernst und das machte dem 24-jährigen nun doch Sorgen. Irgendetwas stimmte doch nicht.

„Jetzt sag schon, was los ist!“

„Das erfährst du später. Bleib im Haus und verschieb den Arzttermin. Ich melde mich später.“

Bevor Christoph nachfragen konnte, hatte Raphael auch schon aufgelegt und damit das Gespräch beendet. Etwas entnervt atmete der Mathematiker laut aus und schüttelte den Kopf. Was zum Teufel war bloß los und was sollte das alles? Irgendetwas stimmte da doch nicht. Aber für ihn stand fest, dass er den Arzttermin nicht verschieben würde. Er hatte lange genug mit Magenkrämpfen ausgehalten und der Hautausschlag sah auch nicht gut aus, ganz zu schweigen von der Halsrötung. Und da Raphael nicht mit der Sprache rausrücken wollte, sah er auch keinen triftigen Grund, wieso er im Haus bleiben sollte. So wichtig konnte es ja wohl nicht sein und selbst wenn tatsächlich Gefahr drohen sollte, er hatte einen schwarzen Gürtel in Karate und wusste sich zur Wehr zu setzen. Also schnappte er sich seine Jacke, setzte noch seine Mütze auf und zog seine Jacke an. Zur Sicherheit nahm er noch einen Schirm mit und verließ das Haus. Na hoffentlich gewitterte es nicht gleich noch. Am liebsten wäre er ja mit dem Auto gefahren, nur war da das Problem, dass er in der Innenstadt nirgendwo Parkplätze fand. Also war die beste Alternative, zu Fuß zu Dr. Bakers Praxis zu gehen. Solange er noch nicht bettlägerig war, würde ihm der Fußmarsch auch nicht wehtun.

Um ein wenig Unterhaltung zu haben, setzte er seine Kopfhörer auf und hörte ein wenig Apocalyptica auf seinem Smartphone. Während seines Fußmarsches fragte er sich schon, was mit Raphael los gewesen war und wieso sich dieser so merkwürdig aufgeführt hatte. Und vor allem: was sollte denn bitte diese ganze Geheimnistuerei? Sollte das mal einer verstehen. Das Haus nicht verlassen… wofür hielt sich der Kerl denn bitte? Und überhaupt: diese Überwachungsaktion war doch auch ziemlich seltsam. Wenn es zu seinem Spielchen dazugehörte, ihn zu beobachten, war das schon seltsam genug, aber wieso musste er Will Becker überwachen? Christoph versuchte die Fakten zusammenzusetzen und einen Sinn dahinter zu erkennen. Wann hatte Raphael damit angefangen, sich so seltsam zu verhalten? Tja, das war leider schwer zu sagen. Nun, das war gewesen, als er von der Provigil-Geschichte erfahren hatte. Da hatte er ziemlich wütend reagiert und sich auch ganz schön aufgeregt. Verständlicherweise, wenn man es recht bedachte. Immerhin war das ja auch gefährlich gewesen. Und danach? Christoph hatte ihm von den Energy Drinks und seinen Magenschmerzen erzählt und Raphael hatte ihm angeraten, das Zeug nicht mehr zu trinken und Kohlepräparate zu nehmen. Dummerweise hatte der 24-jährige nicht viel Ahnung, in welchen Fällen man die Dinger alle nahm, da er sich mit Medizin rein gar nicht auskannte. Auf dem Gebiet war er ein absoluter Idiot, das gab er auch offen zu.

Plötzlich blieb er stehen und er begann langsam einen roten Faden zu sehen. Das Provigil, die Energy Drinks, die Magenschmerzen… Diese ganzen gesundheitlichen Beschwerden hatten angefangen, als er die Arbeit zur Lösungsfindung für das Problem P=NP angefangen hatte. Will hatte ihn auf den Trichter mit dem Provigil gebracht und ihm die Energy Drinks angedreht. Was, wenn…

Noch bevor Christoph diesen Gedanken zu Ende führen konnte, traf ihn ein harter Schlag gegen den Hinterkopf und raubte ihm das Bewusstsein.
 

Das Erste, was er wahrnahm, als er langsam das Bewusstsein wiedererlangte, waren heftige Kopfschmerzen. Sein Schädel dröhnte und er brauchte eine Weile um zu realisieren, was passiert war. Irgendjemand musste ihn niedergeschlagen haben. Aber wer hatte das getan und warum? Benommen hob Christoph den Kopf und bemerkte, dass er gefesselt war. Er lag auf einem dreckigen und verstaubten Boden und alles, was er erblickte, war ein ziemlich heruntergekommenes Zimmer, das so verkommen aussah, dass es unwahrscheinlich war, dass hier jemand wohnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit war es eines dieser abrissreifen Häuser, die schon seit Ewigkeiten leer standen und schlimmstenfalls gab es hier sogar Ratten. Der Boden war staubig und es roch muffig. Mit Mühe konnte er sich aufsetzen und bemerkte, dass man ihm auch die Fußgelenke zusammengebunden hatte. Wo genau war er denn und wieso war er niedergeschlagen und gefesselt worden? Aber am allerwichtigsten war die Frage, wer ihm das angetan hatte. Ein schlimmer Verdacht kam ihm und als er Schritte in einem Nebenraum hörte, rief er zögerlich: „Will?“

Eine Tür, die offenbar ins Badezimmer führte, öffnete sich und tatsächlich war es Dr. Will Becker, sein Kollege und derzeitiger Projektpartner. Er trug Latexhandschuhe, einen Mundschutz und eine Schutzbrille, was irgendwie den Anschein erweckte, als wäre er aus einem Chemielabor herausgekommen. Ihn zu sehen und zu wissen, dass er es war, der für die Entführung verantwortlich war, versetzte Christoph einen Stich in die Brust. Auch wenn er kurz vor seiner Ohnmacht erkannt hatte, dass die einzig logische Schlussfolgerung jene war, dass Will Becker ihn aus dem Weg räumen wollte, traf es ihn doch sehr. Immerhin kannten sie sich schon seit Jahren. Christoph hatte mit ihm zusammen gelernt und die Prüfungen gemacht und auch wenn es nie eine tiefe Freundschaft war, hatte er immer gerne mit Will zusammengearbeitet und ihm vertraut. Und er konnte einfach nicht glauben, dass ausgerechnet Will ihm das antun würde.

„Ah, schon wach?“ stellte Will recht kühl fest und kam direkt auf ihn zu, wobei er ein kaltes Lachen vernehmen ließ. „Na? Hattest du angenehme Träume, Laplace?“

Christophs Blick verfinsterte sich und Wut kochte in ihm auf.

„Warum, Will? Warum machst du das? Wir sind Kollegen und kennen uns schon seit wir selber noch Studenten waren. Erklär mir das mal!“

Ein Tritt ins Gesicht folgte, der Christoph beinahe wieder das Bewusstsein raubte. Stöhnend fiel er wieder zu Boden und war erst mal zu benommen, um wieder aufzustehen. Ein weiterer Tritt in die Magengrube erfolgte und der Schmerz war so heftig, dass der 24-jährige sich stöhnend zusammenkrümmte.

„Du willst eine Erklärung haben?“ rief Will und klang nun nicht mehr so gut gelaunt und freundlich wie sonst. Nein, er war wütend, ziemlich wütend und als Christoph den Blick hob, sah er den Hass im Gesicht seines Kollegen, den er fast schon wie einen Freund angesehen hatte.

„Ich bin es leid, dass du immer derjenige bist, der die Lorbeeren einsackt. Ich habe hart für meinen Doktortitel arbeiten müssen und mir hat niemand mein Studium finanziert. Jahrelang habe ich mir den Arsch aufgerissen, um es zu etwas zu bringen, aber dir fällt alles in den Schoß. Für dich ist das alles nur ein langweiliger Zeitvertreib und du brauchst dich für rein gar nichts anzustrengen. Und was ist? Alle feiern dich als großes Wunderkind mit einem Wahnsinnsintelligenzquotienten und selbst das Ausrechnen der Lottozahlen ist doch bloß eine Spielerei für dich. Du kriegst alle wichtigen Projekte zugeteilt und wo bleiben Leute wie ich? Ich darf gucken wo ich bleibe und bekomme kaum ein Projekt zugeteilt, weil du hier das Genie bist. Aber damit ist Schluss. Wenigstens ein Mal in meinem Leben werde ich den Ruhm einheimsen und nicht du. Der Algorithmus wird meine Entdeckung bleiben und ich werde den Ruhm und das Geld bekommen und nicht du!“

Christoph blieb still, als er das hörte. Er hatte nicht gewusst, wie Will über diese Dinge dachte und was ihn so störte. Aber musste er sich da Vorwürfe machen? Er konnte doch nichts dafür, dass er mit dieser Gabe geboren wurde und oftmals wünschte er sich ja selber, dass er ein normales Leben führen konnte, wo er auch mal seine Ruhe vor der Mathematik hatte. Er hatte es gehasst, dass er als kleiner Junge schon viel reifer als die anderen war und nicht so unbeschwert spielen konnte. Aber nie und nimmer hatte er vorgehabt, Will in den Schatten zu drängen, das war auch nicht seine Art. Er schätzte seine Kollegen und es war ihm auch wichtig, dass auch sie die Anerkennung bekamen, die ihnen zustand. Aber es änderte nichts an der Tatsache, dass er eben schon als 9-jähriger berühmt wurde als das Wunderkind mit einem IQ, den nicht mal Stephen Hawking oder Albert Einstein erreicht hatten. Er hatte es sich nicht ausgesucht, es war einfach so und natürlich tat es ihm leid, dass Leute wie Will es eben schwerer hatten.

„Es tut mir leid, okay?“ rief er deshalb. „Aber das ist doch nicht meine Schuld! Man kann solche Dinge doch auch anders regeln!“

„Ach hör du mir doch auf, Laplace. Du bist hier nicht in der Position, um zu verhandeln. Wenn du erst mal weg vom Fenster bist, dann werde ich es sein, der endlich mal den ganzen Erfolg erntet. Das Lösen der abc-Vermutung war mein Projekt, verstehst du? MEIN PROJEKT! Und was war? Sie haben mir meine Arbeit weggenommen und dir zugeteilt! Und wer heimst hinterher ohne große Anstrengungen die Lorbeeren ein? Natürlich du! Es dreht sich doch alles immer nur um den großen Christoph Strauss, das Wunderkind aus dem Waisenhaus, adoptiert von einem hochrangigen Professor. Aber damit ist jetzt Schluss, ich habe mir das lange genug gefallen lassen. Ich lasse nicht zu, dass solche Klugscheißer wie du meine ganze Arbeit zunichte machen!“

„Du hast sie doch nicht mehr alle!“ rief Christoph und als Will auf ihn zuging, reagierte der 24-jährige schnell und schaffte es, ihm kräftig gegen die Beine zu treten und ihn somit zu Fall zu bringen. Zwar mochten seine Hände und Füße gefesselt sein, aber so schnell wollte er nicht aufgeben. Als Will auf dem Boden lag, wollte Christoph ihm gegen den Kopf treten, um ihn außer Gefecht zu setzen, doch da war sein Kontrahent schneller und rappelte sich auf, dann richtete er eine Pistole auf den Gefesselten. Ein Schuss wurde abgefeuert, der Christophs Kopf nur knapp verfehlte.

„So, jetzt reicht es mir aber“, rief der Mathematiker und packte seine Geisel am Schopf. „Ich hab endgültig die Schnauze voll von dir. Eigentlich wollte ich dich langsam und schleichend umbringen, ohne dass irgendjemand Verdacht schöpft. Aber da du mir ja diesen Ex-Knacki auf den Hals gehetzt hast, ist endgültig Schluss mit lustig. Und dann werde ich dir endlich mal dein Maul stopfen!!!“

„Wie bitte? Was… was redest du da? Was für ein Ex-Knacki?“

„Stell dich nicht dümmer an als du bist. Ich hab doch gesehen, wie dieser Mexikaner in deinem Büro ein und aus ging und er war es doch, der damit gedroht hat, mich an die Polizei zu verpfeifen.“

Mexikaner? Meinte er damit etwa Raphael? Hatte dieser etwa gewusst, was Will Becker vorgehabt hatte? Christoph verstand die Welt nicht mehr. Was zum Teufel spielte Raphael denn für eine Rolle in diesem Spiel?

Grob wurde Christoph hochgezerrt und in Richtung Bad gezerrt. Doch dann wurde er plötzlich fallen gelassen, als Will abrupt stehen blieb und ihn losließ. Zuerst verstand der 24-jährige nicht, was hier vor sich ging, bis er dann das Klicken einer Pistole hörte, die entsichert wurde. Und das war nicht Wills Waffe. Irgendjemand stand hinter ihm.

„Nur zu deiner Info“, hörte er eine sehr vertraute Stimme sprechen. „Ich bin kein Mexikaner. Und jetzt die Hände hoch, bevor ich sie dir breche, Arschloch!“

Fatal Shot

Mit Mühe hob Christoph den Blick und sah tatsächlich, dass Raphael direkt hinter Will Becker stand und ihm eine Pistole an den Hinterkopf drückte. Er wirkte ziemlich sauer und man hätte echt meinen können, dass er abdrücken würde. Und wahrscheinlich musste sich der Tätowierer auch in diesem Moment wirklich beherrschen, um diesem Verlangen nicht nachzugeben, denn wenn er wütend wurde, dann konnte er auch gewalttätig werden. Aber so ganz verstand der 24-jährige das nicht. Woher wusste Raphael, dass sie hier waren und wie hatte er so schnell herkommen können?

„Raphael… woher…“

„Nachdem ich erfahren habe, dass du einen Arzttermin hast, war mir klar, dass der Kerl hier alles tun würde, um zu verhindern, dass ans Tageslicht kommt, dass er dich seit geraumer Zeit mit Frostschutzmittel und Abflussreiniger vergiftet und dich deshalb abfängt. Darum habe ich dein Handy geortet und mich direkt auf den Weg gemacht.“

„Frostschutzmittel?“ fragte Christoph und konnte es kaum glauben. Wie zum Teufel hatte Will es denn geschafft, ihm so etwas unterzujubeln, ohne dass er irgendetwas gemerkt hatte? Er hätte doch irgendetwas merken müssen. Raphael, der sich mit so etwas offenbar auskannte, erklärte es ihm.

„Er hat die Energy Drinks mit Frostschutzmittel versetzt, sodass es aufgrund des extrem süßen Geschmacks nicht auffällt. Allerdings hatte mich der scharfe Nachgeschmack stutzig gemacht und ich hatte da schon so einen gewissen Verdacht. Darum hatte ich dir angeraten, die Kohletabletten zu nehmen und die Drinks nicht mehr anzurühren. Gegen so eine Vergiftung sind diese Präparate sehr hilfreich. Da ich aber keine Beweise und keine belegbaren Indizien hatte, sondern nur vage Vermutungen, konnte ich nichts tun. Also installierte ich daraufhin die Kameras, um deinen Kollegen auf frischer Tat zu ertappen, aber der Kerl hat sich geschickter angestellt als erwartet und als du mir die Halsrötung und den Hautausschlag beschrieben hast, hatte ich geahnt, dass er wohl auch dein Essen mit Abflussreiniger vergiftet. Darum habe ich ihm heute einen Besuch abgestattet und ihm gedroht, ihn an die Bullen zu verraten, nachdem ich endlich filmen konnte, wie er während deiner Abwesenheit heimlich dein Essen vergiftet hat. Und zudem habe ich durch ein paar Recherchen erfahren, dass er große Mengen an Fluorsulfonsäure unter einem falschen Namen bestellt hat. Er hätte deine Leiche einfach darin aufgelöst, ins Abwasser gekippt und diese Weise würde deine Leiche nie gefunden werden, was es extrem schwierig gestalten würde, ihn mit dem Mord in Verbindung zu bringen. Vor allem, wenn es weder Leiche noch Tatort gibt. In diesen Fällen ist die Aufklärungsrate sehr niedrig. Und wären die Bullen dennoch aufmerksam geworden, hätte er den Verdacht einfach auf mich gelenkt. Ich bin ja sowieso wegen Totschlags vorbestraft und da wäre es kein Kunststück gewesen, wenn er mir den Mord untergeschoben hätte. Das wäre für die Bullen ein gefundenes Fressen gewesen und für sie wäre es um einiges logischer gewesen, wenn ein verurteilter Totschläger einen Akademiker umbringt, zu dem er Kontakt hatte und den er eh überwacht hat. Niemand würde dann noch den Kollegen mit der vermeintlich weißen Weste verdächtigen. Blöd nur, dass ich genug Ahnung von Medizin habe, um die Symptome für solche Vergiftungen zu erkennen und damals den gleichen Gedankengang hatte, als ich mir überlegt habe, wie ich meinen Vater aus dem Weg räumen könnte. Da brauchte ich auch kein Genie sein, um auf den Einfall mit der Säure zu kommen, um eine Leiche zu vernichten.“

Will Becker war wie erstarrt und kreidebleich im Gesicht. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass Raphael die ganze Sache so durchschauen würde. Selbst Christoph hätte so etwas nicht erwartet. Offenbar hatte der Tätowierer schon die ganze Zeit ein wachsames Auge auf ihn gehabt und die ganze Zeit Beweise gegen Will gesammelt, um ihm das Handwerk zu legen. Darum wollte er also nicht, dass ich das Haus verlasse, dachte sich Christoph und begriff so langsam die ganzen Zusammenhänge. Er wollte verhindern, dass ich in Schwierigkeiten gerate. Und damit ich nicht auch noch zu Will renne und in Gefahr gerate, hat er mich extra im Unwissen gelassen, damit er das alleine klären konnte.

„Du… du hast die ganze Zeit versucht, mich zu beschützen?“

„Hey, ich mag zwar so einiges auf dem Kerbholz haben und nicht gerade der Vorzeigetyp sein, aber ich lasse doch nicht zu, dass hier irgendjemand umgebracht wird. So und jetzt zu dir, du Dreckskerl… Jetzt legst du schön die Knarre weg, nimmst die Hände hinter den Kopf und stellst dich mit dem Gesicht zur Wand!“

Raphael sah wild entschlossen aus. Und seinem Blick war deutlich anzusehen, dass er im Notfall sogar schießen würde, wenn es zu brenzlig werden würde. Er war bereit, so etwas zu tun, weil er Christoph um jeden Preis beschützen wollte. Genauso wie er damals seine Mutter beschützen wollte und dafür seinen Vater totgeprügelt hatte. Doch dieses Mal war es anders. Denn jetzt war er bereit, seine Freiheit und seine Zukunft für jemanden aufs Spiel zu setzen und ihn mit allen Mitteln zu beschützen, der es auch wert war, beschützt zu werden. Christoph war der erste Mensch, der ihn so lieben konnte wie er war und darum würde er nicht zulassen, dass ihm etwas passierte.

Ein eiskaltes Lachen kam von Will, der sich nicht so schnell eine Blöße geben wollte.

„Wieso? Willst du mich erschießen?“

Hieraufhin drückte Raphael die Mündung seiner Pistole noch fester gegen den Hinterkopf und musste sich wirklich beherrschen, um sich nicht schon wieder von seiner Aggression übermannen zu lassen, die ihn schon allzu oft in Schwierigkeiten gebracht hatte.

„Das hättest du wohl gerne was? Mach schon, oder ich werde dir deine Zähne einzeln rausschlagen, bevor ich dir ein drittes Nasenloch verpasse.“

Damit befolgte Will gehorsam Raphaels Anweisungen und so widmete sich der Tätowierer Christoph und nahm ihm die Fesseln ab, wobei er sich noch erkundigte, ob alles in Ordnung sei. Der 24-jährige nickte und war froh, dass es nur Tritte waren, die er hatte einstecken müssen. Wenn Raphael später gekommen wäre, dann hätte er jetzt garantiert im Säurebad gelegen. Zum Glück hatte Schlimmeres verhindert werden können. Erleichtert atmete er auf und wollte aufstehen, allerdings tat ihm der Kopf noch ziemlich weh und er wankte ein wenig. Ihm war schlecht und bei ihm drehte sich alles. Schlimmstenfalls hatte er eine Gehirnerschütterung. Er geriet ins Straucheln und wäre gestürzt, hätte Raphael ihn nicht aufgefangen.

„Hey Chris, mach bloß nicht schlapp!“

Diesen kurzen Augenblick der Unachtsamkeit, in der Raphael seine ganze Aufmerksamkeit kurz Christoph widmete, nutzte Will Becker, der zuvor noch mit einer Waffe mattgesetzt worden war. Dieser hob blitzschnell seine Pistole und zielte damit auf Raphael und Christoph. Raphael, der gerade den benommenen Christoph festhielt, konnte nicht mehr schnell genug reagieren, um die Waffe auf Will zu richten. Er wusste, dass er nur eine Wahl hatte.

„Chris! Runter!“

Damit packte er ihn stellte sich schützend vor ihn. Einen Moment später hallten drei Schüsse durch den Raum.
 

Christoph war für einen kurzen Moment wie taub durch den ohrenbetäubenden Knall der Schüsse. Durch den heftigen Kopfschmerz und das leichte Pfeifen im Innenohr war er wie benommen und wurde mit zu Boden gerissen, als Raphael, der ihn immer noch schützend festhielt, zusammenbrach. „Raphael?“ Christoph befreite sich aus dem Griff und sah mit Entsetzen zwei Schussverletzungen in Raphaels Rücken. Ihm war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen werden. Sein Verstand war wie gelähmt und er war nicht fähig, auch nur irgendetwas zu tun. Eine lähmende Hilflosigkeit überkam ihn, als ihm klar wurde, was passiert war. Raphael hatte sein Leben riskiert, um ihn zu beschützen.

„Raphael!“

Der Tätowierer brachte nur ein schwaches Keuchen zustande und regte sich kaum noch. Seine Wunden bluteten stark und schlimmstenfalls waren wichtige Organe oder Arterien verletzt worden! Raphaels Gesicht war von Schmerzen gezeichnet und sein Atem ging flach und keuchend. Entsetzliche Angst überkam Christoph. Wenn niemand kommen würde, um sie zu retten, dann würden sie sterben und Will würde sie beide erschießen. Wie um alles in der Welt hatte es nur so weit kommen können, dass sie in so eine Situation hineingeraten waren, in der sie dem Tod ins Auge sehen mussten? Hatte er irgendeinen Fehler gemacht und trug in irgendeiner Weise Schuld an dieser Situation? Gab es denn überhaupt keine Hoffnung mehr? Würden sie hier wirklich sterben müssen? Christoph sah zu Will, der die Pistole auf ihn gerichtet hielt und den Mundschutz abgenommen hatte.

„So, jetzt reicht es mir endgültig. Es wird Zeit, dass du endlich verschwindest!“

Christoph wusste, dass es nichts mehr gab, was er tun konnte. Er war nicht schnell genug, um einer Kugel auszuweichen und in diesem Schockzustand würde er ohnehin noch länger brauchen, bis sein Körper endlich reagieren würde. Und Raphael war schwer verletzt und konnte sich kaum bewegen.

Es hieß, dass im Augenblick des Todes das Leben an einem vorbeiziehen würde wie ein Film. Nie hatte Christoph daran geglaubt. Doch nun, da er selbst den Tod vor Augen hatte, war ihm, als würde sein Leben tatsächlich noch ein einziges Mal wie ein Film vor seinem geistigen Auge ablaufen. Er musste an seine Kindheit denken, die er relativ alleine verbracht hatte, da ihn die Welt der Mathematik mehr fasziniert hatte als alberne Kinderspiele. Wie er ein Teil der Familie Strauss geworden war und mit 16 Jahren nach seiner Mutter gesucht hatte, um zu erfahren, warum sie ihn ausgesetzt hatte. Er dachte an die Zeit in der Uni und seine Arbeit. Wie er die russische Wissenschaftlerin Dr. Kasakowa bewundert hatte, die nicht nur geistig, sondern auch körperlich in Topform gewesen war und sogar zweimalige Weltmeisterin in MMA gewesen war. Er erinnerte sich, wie er daraufhin selbst mit dem Kampfsport angefangen hatte… auch belanglose Dinge wie sein Alltag oder die wenigen Frauengeschichten kamen ihm in den Sinn. Und irgendwie blieb dieses beschissene Gefühl zurück, als wäre das alle nicht wirklich das gewesen, was er wirklich wollte. Wirklich alles hatte er überlebt. Er hatte als Säugling überlebt, als seine Mutter ihn in einer Mülltonne „entsorgt“ hatte und als er beinahe einen Blinddarmdurchbruch gehabt hatte und die Knochenbrüche bei der Karate Weltmeisterschaft hatte er überstanden. Und nun würde er im Alter von 24 Jahren in einem heruntergekommenen Apartment erschossen werden. Was für ein scheußlicher Gedanke, insbesondere weil er wusste, dass Will ihre Leichen einfach in Säure auflösen und ihre verflüssigten Überreste in die Kanalisation kippen würde. Doch dieser Gedanke an das, was ihm nach seinem Tod blühen würde, erschien ihm nicht so schlimm als der Gedanke daran, dass er so früh sterben musste, nachdem ihm sein Leben so einsam und trostlos erschien. Nun, im Grunde stimmte es auch. Er hatte kaum Freunde und selbst seine Arbeit erschien ihm nicht mehr länger von Bedeutung. Alles, was er je wollte, war…

Seine Brust schnürte sich zusammen und er ergriff Raphaels blutverschmierte Hand. Tränen sammelten sich in seinen Augen und selten hatte er sich etwas so sehnlich gewünscht, als jemanden an seiner Seite zu haben, der ihm die Liebe geben konnte, die ihn niemand hatte geben können. Er wollte bei Raphael bleiben und ihn besser kennen lernen. Alles, wirklich alles war nicht mehr wichtig für ihn, aber er wollte wenigstens eine einzige Chance bekommen, um noch etwas Zeit mit Raphael zu verbringen.

Als wäre sein Wunsch tatsächlich erhört worden, spürte er, wie Raphael seine Hand drückte.

„Chris…“

Christoph hielt seine blutverschmierte Hand fest und bereitete sich innerlich auf das Unvermeidliche vor. Er sah in Raphaels kreidebleiches Gesicht und spürte, wie sich seine Brust schmerzhaft zusammenschnürte.

„Chris“, brachte Raphael mit Mühe hervor. „Schlie… schließ die Augen.“

Langsam nickte Christoph und schloss die Augen und drückte Raphaels Hand. Nie hätte er gedacht, dass er jemals solche Angst vor dem Tod haben würde.

Ein eiskaltes Lachen ertönte und er hörte, wie Wills Schritte immer näher kamen.

„So und jetzt ist endgültig Schluss! Fahrt zur Hölle!“

Und damit hallte ein erneuter ohrenbetäubender Schuss durch den Raum und traf sein tödliches Ziel.

Craving for Love

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Acquittal and Alcohol

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Happy Birthday!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

The Journey Begins

Es war ein ziemlich warmer und sonniger Tag. Das perfekte Wetter für eine Tour. Etwas ungeduldig wartete Christoph am vereinbarten Treffpunkt und fragte sich, wo Raphael denn blieb. Zwar hatte dieser eine SMS geschrieben, dass er sich wohl etwas verspäten würde, weil er noch etwas zu erledigen hatte, aber seitdem hatte er nicht mehr auf irgendwelche Nachrichten reagiert. Vor allem fragte sich Christoph, was Raphael am Flughafen wollte. Naja, er würde es ja noch herausfinden, wenn sein Freund hier war und er ihn somit fragen konnte. Plötzlich klingelte sein Handy und als er nachschaute, sah er, dass es Raphael war. Sofort nahm er das Gespräch an und hielt sein anderes Ohr zu, um sich nicht von den Umgebungsgeräuschen ablenken zu lassen.

„Raphael? Wo bist du denn und was wolltest du am Flughafen?“

„Entschuldige, aber Dr. Wernicke hat mich darum gebeten, jemanden vom Flughafen abzuholen. Zwei Fachärzte aus Japan. Eigentlich sollte er das für Prof. Hauser erledigen, aber er ist wohl kurzfristig krank geworden.“

„Was hat dieser Schwachkopf denn jetzt schon wieder?“

„Offiziell eine Magendarminfektion.“

„… darf ich raten? Er hat sich mal wieder was bei einer Nutte eingefangen.“

„So schaut es aus. Und da er keinen anderen kannte, der Japanisch spricht, hat er mich darum gebeten. Ich dachte, ich schaffe es rechtzeitig, aber der Flug hatte jetzt Verspätung und ich musste auf Dr. Heian und Dr. Sagano warten. Ich hab sie jetzt zum Hotel gebracht und mach mich auf den Weg. Wollte nur Bescheid sagen, dass ich gleich da bin.“

„Ist gut.“

Dieser verdammte Wernicke, dachte sich Christoph und bekam nicht wenig Lust, zu diesem Idioten hinzufahren und ihm die Meinung zu geigen, nur weil der Trottel zu dumm war, um an Verhütung zu denken und sich deswegen ständig irgendetwas bei den Bordsteinschwalben einfing. Und andere durften seine Blödheit ausbaden. Aber das würde der Kerl noch büßen. Spätestens nach dem Urlaub. Und ausgerechnet Raphael hatte es erwischen müssen, wo er doch Urlaub hatte. Naja… wenn man bedachte, dass jemand gebraucht wurde, der Japanisch verstand, dann konnte man nichts machen. Trotz seiner Latino-Erscheinung hatte er immer noch japanische Wurzeln und beherrschte die Sprache seines Geburtslandes noch halbwegs.

Wenig später traf Raphael ein und schien sich ziemlich beeilt zu haben. Seine Sachen hatte er bereits alle dabei und sah auch abreisebereit aus. Christoph hatte sich während der Wartezeit schon mal eine Zigarette genehmigt und sich auf die Weise wieder etwas beruhigt. Er hob zum Gruß die Hand und Raphael stieg von seiner Harley ab.

„Was für ein Scheiß“, grummelte der 29-jährige und nahm den Helm ab. Jetzt brauchte er selbst erst mal eine Zigarette. „Erinnere mich daran, dass ich diesem verdammten Wernicke den Arsch aufreiße, wenn wir wieder zurück sind.“

„Lass mir auch noch was übrig. Ist ja nicht das erste Mal, dass so etwas passiert und garantiert auch nicht das letzte Mal. Schon als er eigentlich meine Vorlesung übernehmen sollte, damit ich bei deiner Gerichtsverhandlung dabei sein konnte, hat er sich krank melden müssen. Wäre Newton nicht eingesprungen, hätte ich es gar nicht geschafft.“

Nun genehmigte sich Raphael auch erst mal eine Zigarette. Die Zeit konnten sie sich noch nehmen, bevor ihre Reise losging.

„Und wer genau sind die beiden Fachärzte, die du abholen solltest?“

„Kein Plan. Vermutlich Bekannte von Prof. Hauser. Irgendwie hatte er doch mal ein Projekt an der Universität in Tokio gearbeitet. Naja, zum Glück ist alles reibungslos über die Bühne gegangen. Wie es aussieht, will Dr. Heian dauerhaft hier bleiben und Dr. Sagano soll wohl geschäftlich hier zu tun haben. Es hat mich überrascht, dass dieser Heian fließend Englisch spricht. Im Grunde hätte jeder x-beliebige andere Heini die beiden abholen können. Aber… es ist halt wie es ist. Konnte ja keiner ahnen, dass einer der beiden die Landessprache beherrscht. Zumindest konnten wir uns ganz gut unterhalten. Mein Japanisch ist ja auch schon so ziemlich eingerostet.“

„Man muss ja auch kein Sprachtalent sein.“

„Das stimmt schon. Nur nervt es halt, wenn man immer für einen Mexikaner gehalten wird und man ständig auf Spanisch angesprochen wird, obwohl ich kein Wort verstehe.“

Ja, das war ein kleines Dauerproblem und auch schon fast ein Running Gag, wenn man es so betrachtete. Und irgendwie passierte dies Raphael ständig und das auch schon seit seiner Kindheit. Immerzu hielt man ihn für einen Mexikaner, weil sein asiatisches Erbteil überhaupt nicht bei ihm durchgekommen war. Zumindest wirkte er nicht mehr so einschüchternd und bedrohlich auf andere so wie vor knapp eineinhalb Jahren noch. Zwar gab es immer noch einige, die sich von seiner Körpergröße einschüchtern ließen, aber dank der Aggressionstherapie, die ihm das Gericht damals aufs Auge gedrückt hatte, war er deutlich entspannter geworden und regte sich nicht mehr so schnell auf wie früher. Auch sonst war er nie wieder gewalttätig geworden. Naja… zumindest nicht bis auf das eine Mal, als er mal wieder in Johnny’s vorbeigeschaut hatte und es dabei eine Prügelei gab, bei der auch eine Frau verletzt wurde. Und Raphael, der nichts mehr hasste als Gewalt gegen Frauen, war sofort dazwischen gegangen. Zum Glück war es nicht weiter eskaliert und es hatte keinen weiteren Ärger gegeben. Ansonsten war Raphael deutlich umgänglicher geworden und man konnte ihn schon fast als normal bezeichnen. Wären da nicht sein abstruser Stammbaum, seine enorme Körpergröße und seine Vorliebe für BDSM. Aber auch wenn er in den letzten Monaten deutlich umgänglicher geworden war, so besaß er immer noch eine andere Seite, die er nur wenigen Menschen zeigte. Nämlich die eines Sadisten, der es liebte, andere zu unterdrücken und dabei die Ausstrahlung eines gefährlichen Raubtieres hatte. Und das war es auch, was Christoph am meisten an ihn liebte. Diese Ausstrahlung und seine Fähigkeit, im einen Moment ein ruhiger, aufmerksamer und starker Beschützer zu sein und im nächsten Moment ein dominanter und kompromissloser Sadist, der seine Sache durchzog und sich von niemandem etwas sagen ließ. Man konnte schon sagen, dass Christoph einen sehr exotischen Geschmack hatte.

„Hm… was meinst du, wie lange wir bis zu unserem ersten Ziel brauchen?“ fragte der 25-jährige schließlich und warf seine Zigarette zu Boden, die er anschließend austrat. Raphael tat es ihm gleich und überlegte kurz.

„Also… wenn wir ohne Zwischenstopps durchfahren, müssten wir das Hotel in gut zwei Stunden erreichen. Also dann… sollen wir los?“

Damit stieg Raphael wieder auf sein Motorrad und wollte gerade seinen Helm aufsetzen, doch da hielt Christoph ihn kurz zurück und küsste ihn.

„Danke, Raphael. Ich glaube, ich kann dir nicht oft genug sagen, wie froh ich bin, dass du…“

Hier aber unterbrach der 29-jährige ihn, indem er ihm einen leichten Klaps auf den Kopf gab.

„Jetzt werde mir bloß nicht sentimental, sonst krieg ich noch Sodbrennen. Mag sein, dass wir jetzt zusammen sind, aber das heißt nicht, dass ich hier irgendwie weichgespült werde. Und wenn du weiterhin solchen Kitsch von dir gibst, werde ich dir wohl wieder „Nachhilfestunden“ geben müssen.“

Ja, da hat er auch wieder Recht, dachte sich Christoph und stieg nun ebenfalls auf sein Motorrad. Wir beide wissen, wie wir füreinander fühlen. Da muss man noch lange nicht wie ein liebeskrankes Paar reden und sich schlimmstenfalls noch irgendwelche Kosenamen geben. Allein der Gedanke ist schon schaurig genug.

Gemeinsam starteten sie die Motoren und Raphael rollte ein Stück vor, sodass er nun direkt neben ihm stand.

„Aber weißt du was?“ rief der Student ihm durch den Motorenlärm zu. „Eine Sache habe ich durch dich gelernt: das Leben mag manchmal ein verdammt ungerechtes und mieses Arschloch sein. Aber das heißt noch lange nicht, dass man sich von so einem miesen Bastard ficken lassen sollte.“

Bei der etwas groben Wortwahl, die auch wiederum ein wenig typisch für den ehemaligen Tätowierer war, musste Christoph lachen und nickte zustimmend.

„Da hast du wohl Recht.“

„Klar hab ich das. Und jetzt lass uns endlich losfahren, bevor einer von uns noch mehr Weibergewäsch von sich gibt.“

Damit fuhren sie nun los und traten ihre erste lange gemeinsame Reise an.
 

Das Leben schreibt manchmal die merkwürdigsten Geschichten und es hat oftmals die Angewohnheit, Menschen auf die seltsamste Art und Weise zusammenzubringen. Mochte es ein simpler Zufall oder vielleicht das Schicksal gewesen sein, das Christoph vor mehr als eineinhalb Jahren in Raphaels Tattoostudio geführt hatte, um einen Ausweg aus seiner Frustration und Unausgeglichenheit zu finden. Letzten Endes hatte ihr Treffen sie beide verändert. Mochte es zum Guten oder zum Schlechten sein. Im Grunde hatten sie beide erkennen müssen, dass sie beide je auf ihre eigene Weise in einer Sackgasse steckten und einander brauchten. So viele Gemeinsamkeiten wie sie hatten, so hatten sie auch genauso viele Gegensätze. Sie beide waren auf ihre Weise gesegnet und verflucht gewesen und hatten sich in vollkommen verschiedene Richtungen entwickelt. Und sie beide wussten, dass die Zukunft nicht einfach für sie werden würde. Das Leben verstand es nämlich, jeden Einzelnen auf die Probe zu stellen. Doch das machte ihnen nichts aus, denn sie hatten für sich ihren Leitfaden gefunden, nachdem sie jahrelang ziellos umhergeirrt hatten:
 

Folge deinem wahren Willen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Zur kurzen Abwechslung gibt es mal ein sexfreies Kapitel, um (wie schon angekündigt) auch ein klein wenig Handlung in die Geschichte zu bringen. Zugegeben, bei Crows ethnischem Hintergrund habe ich einiges dazugedichtet. In der Originalversion, die für Down Hill geplant war, sollte er japanischer und spanischer Abstammung sein, allerdings hatte er einen rein japanischen Namen: Konoe Jinmu. Aber da ich ihm einen so bunten Mischmasch als Stammbaum angedreht habe, hat er inzwischen auch wieder einen anderen Namen.

Aber… die BDSM-Sessions allen Ernstes als Therapie zu bezeichnen… im Nachhinein frage ich mich, ob nicht irgendjemand was in meine Cola getan hat, als ich das geschrieben habe. Gott, musste ich lachen, als ich das noch mal gelesen habe. Ist aber auch eine nette Umschreibung, oder? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich kam gerade nach Hause und hab meinen PC wieder eingeschaltet, um am 6. Kapitel weiterzuschreiben und was war? Die komplette Datei ist kaputt! Die ganze Fanfiction ist weg und ich hab keine Ahnung, wie das passieren konnte TT-TT
Zum Glück lade ich jedes Kapitel sofort hoch, wenn es fertig geschrieben ist, sonst hätte ich das fünfte noch mal komplett neu schreiben dürfen. Noch mal Glück in Unglück gehabt, nur ist mir das schon einmal passiert. Naja, vom 6. Kapitel habe ich bereits eineinhalb Seiten geschrieben gehabt, aber das lässt sich zum Glück verschmerzen, das ist ja nicht ganz so viel.

Auf jeden Fall geht es im nächsten Kapitel wieder heiß her, nachdem ich eine kurze Fortsetzung zu "Let's Talk" geschrieben habe, um mal das Leben aus Crows Sicht zu zeigen. Und recht schnell haben wir gelernt, dass unser Crow eine ganz schön düstere Vergangenheit hat. Stellt sich nur die Frage: wen hat er vor sechs Jahren getötet und warum? Tja, das finden wir noch heraus, aber ein anderes Mal. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, da scheint noch so einiges an Arbeit zu warten, wenn es mit den beiden mal was werden soll. Crows Reaktion war zwar nicht die beste, aber verstehen kann man ihn ja auch gewissermaßen. Hier ist übrigens ein Bild zu Crows Harley, wer mal neugierig ist:

https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/736x/38/d1/8a/38d18a3c8668e22da62944937eb7f0b3.jpg Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe lange gegrübelt, wie Harold in die ganze Geschichte passt, denn ich hatte ohnehin vorgehabt, dass er die Hintergrundgeschichte zu Crow kennt und mit ihm zu tun hatte. Aber ich hatte keinen Plan, in welcher Beziehung die beiden zueinander gestanden haben könnten. Ein Verhältnis zwischen den beiden war nicht ganz nach meinem Geschmack (und auch völlig unpassend), als leiblicher Vater kam er auch nicht infrage, weil das doch etwas zu klischeehaft wäre und eine Affäre mit Crows Mutter… naja… dafür gab es ja diesen Prof. Bloom. Schließlich aber hatte ich dann doch eine rettende Idee und wie die aussieht, erfahrt ihr im nächsten Kapitel, wo Crows Vergangenheit gelüftet wird. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nur zur Info: Fifty Shades of Grey hab ich nie gelesen, ich hatte nicht mal eine Ahnung, was genau darin passierte. Ich wusste nur, es geht um viel Sex und Fesselspiele. Meine Mutter, die das Buch gelesen hat und rein zufällig erfuhr, was ich hier schreibe (und Gott sei Dank kennt sie keine genauen Details, sondern weiß nur, dass ich etwas erotische Sachen schreibe), da meinte sie sofort, dass es ziemlich viele Ähnlichkeiten mit ihrem Buch gibt. Irgendwie schon verrückt. Ob deswegen so viele meine Geschichte lesen, weil das hier quasi „Fifty Shades of Gay“ ist? Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tjaja… was Raphael wohl mit der Pistole vorhat? Na hoffentlich will er keine Bank ausrauben gehen xD

Schon bald kommen wir näher hinter seine Pläne und was für einen Verdacht er hegt. Und so viel kann ich schon mal versprechen: gefährlich wird es alle Male.

Ich versuche jedenfalls wieder öfter neue Kapitel hochzuladen. Aber die letzten Tage waren wirklich die Hölle und jetzt hat sich der Stress ein wenig gelegt, aber entspannt ist die Lage trotzdem nicht. Darum bitte ich auch um ein wenig Rücksicht, wenn es mal etwas länger dauert. Ich bin auch nur ein Mensch. Ansonsten hoffe ich, ihr habt weiterhin viel Spaß mit der Fanfiction, meine lieben. Und vergesst nicht: ihr seid nicht nur Yaoi-Fans, ihr seid eine Yaoi-Armee. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ach ja, wie sehr habe ich mich auf diese Szene gefreut. Und jetzt kommt Raphael und macht Will die Hölle heiß. Ehrlich gesagt wollte ich mit diesem Kapitel noch etwas warten, aber andererseits hätte die Geschichte noch darunter gelitten, wenn ich alles zu sehr in die Länge gezogen hätte. Ich hasse es ja selbst, wenn sich gewisse Dinge wie ein verdammter Kaugummi in die Länge ziehen (was auch der Grund ist, warum ich mit Detektiv Conan, One Piece und Naruto aufgehört habe…) und darum versuche ich, meine FFs nie länger als nötig zu halten und lieber weniger Kapitel aber dafür umso spannendere Geschichten zu schreiben. Die einzige Ausnahme ist meine Death Note Yaoi „Last Desire“ mit 13 Teilen, 2 Fortsetzungen und einem Extra und einem geplanten Sequel, aber auch nur, weil mir genug neue Ideen gekommen sind.

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Da ich mit dem ganzen Renovierungsstress bei mir zuhause durch bin und auch endlich wieder einen freien Kopf habe, kann ich endlich wieder regelmäßiger schreiben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, damit hätte wohl niemand gerechnet, was? Will Becker ist ein skrupelloser Giftmischer und aus der Rettungsaktion wird ein absolutes Horrorszenario. Nennt mich ruhig eine Sadistin, aber auf diese Szene hatte ich mich schon irgendwie gefreut. Ich liebe eben solche dramatischen Momente und ich kann mir gut vorstellen, dass einige unter euch jetzt erst mal ziemlich geschockt sind. Aber leider ist es halt bei mir so, dass ich oft und gerne solch heftige Szenarien einbaue. Bei Last Desire hab ich auf diese Weise mehr als fünf Charaktere über den Jordan gehen lassen. Aber wartet bitte mit den Fackeln und Heugabeln noch! Die Fanfiction ist ja noch nicht vorbei. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe dem Ende mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegengesehen. Alles ist wunderbar gelaufen und das Ende lässt genug Raum offen für eine eventuelle Fortsetzung ;-)

Dafür, dass ich am Anfang noch etwas planlos dieses Experiment gestartet habe, scheine ich euch ja doch sehr unterhalten zu haben. Tatsächlich war „Corrupt Me!“ die allererste FF, bei der ich zu Anfang kein direktes Konzept hatte, nur eine sehr grobe Vorstellung, aber sonderlich Handlung war noch nicht vorgesehen gewesen. Es kam vieles erst im Nachhinein und so hat sich aus dem Experiment ein Projekt entwickelt, bei dem ich sehr viel Spaß hatte und was mich dazu motiviert hat, weiter dran zu bleiben und mehr in diese Richtung zu machen. Chris und Raphael gehören wirklich zu meinen Lieblingspairings und aufgrund ihres Fetischs haben sie sogar mein Favo-Pairing Rion x Fayette aus meiner FF „La Vie de Fayette“ abgelöst. Tja, ich stehe halt drauf, wenn zwei so unterschiedliche Menschen zusammenkommen. Am besten noch, wenn sie eigentlich verfeindet sind und sich am liebsten gegenseitig an die Gurgel gehen (wahrscheinlich hab ich meine Neigung für BDSM-Yaois ja daher…)
Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich mir deinen Charakter Dr. Sagano gaaaanz kurz ausgeborgt habe, WhiteMaid. Ich konnte mir diesen Spaß einfach nicht verkneifen, insbesondere da Dr. Heian ja auch in meiner nächsten FF auftreten wird. Aber ich hab halt die Angewohnheit, meinen Lieblingscharakteren wie Jesse Wyatt und Alice Evergreen alias „Eren Gale Verice“ kurze Cameos zu widmen. Genauso wie ich es liebe, alte Charaktere zu „recyclen“ und ihnen eine neue Geschichte zu geben. Manche mögen es unkreativ oder einfach zu faul nennen, sich neue Charaktere auszudenken. Aber für mich sind meine Charaktere halt wie meine Kinder, die ich eben sehr ins Herz geschlossen habe und sie nicht in Vergessenheit geraten lassen will. Und lieber verwende ich alte Charaktere neu, die man schnell ins Herz schließt, als andauernd neue, die nicht mit derselben Liebe erschaffen wurden. Klingt vielleicht bescheuert, aber so bin ich halt.

Ob und wann eine Fortsetzung von „Corrupt Me!“ folgen wird, kann ich derzeit noch nicht sagen. Erst einmal werde ich mit „Mesmerize Me!“ weitermachen in der Hoffnung, dass ich die Story so gut umsetzen kann, wie ich es mir erhoffe.

Ich hoffe, ich sehe euch in meinem nächsten Projekt wieder und niemals vergessen: I don’t care, I ship it! Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (86)
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Von:  queen006
2021-11-20T05:39:48+00:00 20.11.2021 06:39
Der Verdacht den Crow hat,liegt irgendwie nahe.Er denkt sicher,das Chris mit irgendwas vergiftet wird.Zumindest will ihn jemand lahmlegen.Sicher dieser Becker.Geht schliesslich um ne Menge Geld wegen der Berechnung.
Hoffentlich macht Crow nix dummes und gefährdet so erst recht das er sein Studium fortsetzen kann.
Tschüßi 😊
Von:  queen006
2021-11-19T18:04:34+00:00 19.11.2021 19:04
Heilige Scheisse.(Sorry).Aber mit dieser Wendung hab ich überhaupt nicht gerechnet.Jetzt bin ich aber mal neugierig was Herold zu erklären hat.Muss ja ganz schön heftig sein wenn sogar seine Frau nichts weiss.
Auf Crow stürzt es ja zur Zeit mächtig ein.Erst seine Mom,jetzt die Begegnung mit Herold.Bis dann.

Von:  queen006
2021-11-19T16:40:56+00:00 19.11.2021 17:40
Chris hat ein ziemliches Durchhaltevermögen. Andere würden nach so einer Session nicht mehr aufstehen,sondern sofort wegpennen.Bin ganz schön gespannt auf Crows Geschichte,und ob er Chris alles erzählt.
Tschüßi
Von:  queen006
2021-11-19T12:56:10+00:00 19.11.2021 13:56
Praktisch eine BDSM Sessionaös Therapie auf Rezept.
Da ist wohl Crow entsprechend wunderbar geeignet.
Das Crow auch eine fabelhafte Ausbildung hat ist ja ein krasser Zufall.Eine Ausbildung hat ja nix mit dem Äußeren zu tun.
Machs gut und bis dann.
Von:  queen006
2021-11-19T11:30:02+00:00 19.11.2021 12:30
Da hast du wohl recht,immer das gleiche ist langweilig.Die Liste von Spielzeug, mit denen Crow den lieben Chris fliegen lassen kann ist auf alle Fälle sehr lang.
Ich frage mich oft,wenn ein Herr seinen Sklaven bestraft,ist das doch eher eine Belohnung und zwar für beide. Naja,vielleicht Das-nicht-kommen- dürfen ist sicher kacke,aber ansonsten,stehen sie doch auf (Lust)Schmerz.
Tschüßi
Von:  queen006
2021-11-19T08:44:02+00:00 19.11.2021 09:44
Hallo Sky
Wenn man diese Art zu spielen ausprobieren möchte,sollte man sich nur in fachkundige Hände begeben.
Wenn Crow so aussieht wie ich ihn mir vorstelle,hat Chris sich schon mal den richtigen ausgesucht.
Vielleicht hätte Chris in seinem Zimmer ja auch den Chaos Faktor gefunden.
Tschüß, bis dann.
Von:  Mamesa
2017-05-27T20:27:25+00:00 27.05.2017 22:27
💖💖💖💖
Ich liebe diese Story
Sorry das der Komi so kurz ist aber ich bin echt geflasht

Von:  Streber_Nr1
2016-02-21T00:33:11+00:00 21.02.2016 01:33
I love you♥
Du schreibst die besten storys ever ♡♥
Immer weiter so
Ich könnte jetzt ewig weiter sagen, dass du die besten storys schreibst, aber dann würde ich jahre lang hier noch sitzen.
♥♥♥lg streber¤♡
Antwort von:  Sky-
21.02.2016 09:05
Dankeschön! Das haut mich jetzt echt vom Hocker dass dir meine Geschichten so sehr gefallen. Aber ich freue mich auch wahnsinnig darüber und hoffe, dass dir meine FFs auch in Zukunft so gut gefallen.
Von:  Nephlima
2016-02-20T22:42:30+00:00 20.02.2016 23:42
Hallihallo :)
So da ich mir fest vorgenommen habe deine ganzen Story's zu lesen hab ich mit 'Corrupt Me!' gleich mal angefangen und sie in einem Rutsch durch gelesen und ich bereue es nicht immer mal wieder zwischen durch ei Review für dich geschrieben zu haben... naja ich hol das ja nach ^^'

Ich finde deine Idee sehr schön umgesetzt obwohl ich mitbekommen habe das sie doch am anfang etwas planlos war :) hat mich persönlich nun nicht gestört :) wer mich aber an und an gestört hatte war Chris... was aber seinen Charakter betraff -gott er hat ein IQ von 235 wenn ich nicht irre berechnet alles und jeden und bekommt trotzdem nichts mit was Will vorhatte- oh himmel... aber egal :D Naivität sei verziehen ^^' Crow -Gott *___*!- reicht die Aussage? Ich liebe Dominante Menschen und liebe es wirklich sie du ihn dargestellt hast einfach so unnahbar und trotzdem in einigen momentan einfach soooo cut~ Fangirli und so... *hust*

Dennoch hat mich etwas gestört an deiner Story... der schnelle Ablauf... vielleicht kommt es mir nur so vor oder es liegt daran das es eben PWP ist ich habe keine Ahnung aber irgendwie ging alles ziemlich schnell...

Nun es ist kein großer stör faktor :) und abgesehen davon ist dir die Story wirklich gut gelungen :)
Antwort von:  Sky-
20.02.2016 23:55
Nun, Corrupt Me war ja mein erstes PWP-Experiment gewesen. Ich hatte tatsächlich erst mal keinen Plan, wie ich dieses Genre am besten angehen sollte und war auch sehr unerfahren. Zwar hatte ich bereits Yaoi-FFs geschrieben, aber eher mit wenig Sex-Kapiteln und ausschließlich Handlung. Darum war auch der Anfang etwas holprig, was ich auch ohne Umschweife zugebe aber durch die Resonanz meiner Leser konnte ich mich letztendlich doch verbessern und die Story wieder komplett rumreißen.

Dass Chris trotz seines extremen IQs nicht gemerkt hat, was sein Projektpartner vorhatte, erscheint erst mal ziemlich schwer zu glauben. Aber wenn man schon jahrelang mit dieser Person zusammen gearbeitet hat und sie gut kennt, würde man ihr auch nicht sofort einen Mordversuch zutrauen. Selbst Genies können auf zwischenmenschlicher Ebene naiv sein.

Die Story mag tatsächlich etwas schnell abgelaufen sein, allerdings wollte ich die Handlung auch nicht unnötig wie Kaugummi in die Länge ziehen, da ich Angst hatte, dass sie sonst zu langweilig werden könnte. Und wie gesagt: ich war da noch blutige Anfängerin gewesen und habe diese Fanfiction erst mal als Experiment gesehen. Ich denke, dafür habe ich mich in den nachfolgenden PWPs doch mehr verbessert.
Antwort von:  Nephlima
21.02.2016 00:03
Sei dir in allem verziehen :)! Alleine das du dich als Anfängerin darin gewagt hast verzeih ich dir das die FF alles andere als schlecht ist :) und ich kann auch deine Argumentation sehr gut verstehen :) und ja deine anderen PWP's sind sehr gut :) und auch zu diesen werde ich dir ausführlich erzählen was ich denn von diesen halte -nicht nur von deinen pwp's werde auch deine anderen FF's lesen :)

Von:  Concilio
2016-02-10T13:23:05+00:00 10.02.2016 14:23
Hey,
Deine Story ist echt Super. Ich war vom ersten Kapitel gefesselt von deiner Idee. Chris und Raphael sind beide echt gut ausgearbeitete Charaktere und durch deinen Schreibstil kommt alles so Realistisch rüber und fesselt einen richtig. Auch fand ich es gut das es eine richtige und vorallen so fesselnde Hintergrundgeschichte gab. Außerdem - auch wenn ich wirklich ein Fan von BDSM-Stories bin - fand ich es gut das es nicht nur darum ging und die Anteile von Krimi und auch einwenig Drama haben eine fesselnde Geschichte gesponnen die nur zu empfehlen ist.

LG Concilio

PS: Sollte deine Story jemals als Buch veröffendlicht werden, würde ich es mir sofort Kaufen ; )
Antwort von:  Sky-
10.02.2016 14:38
Erst einmal vielen Dank für deinen Kommi!

Nun, einige hatten den etwas holprigen Anfang etwas kritisiert, aber ich experimentiere auch gerne hin und wieder mal ein wenig herum, um meinen FFs einen etwas eigenen Stil zu geben. Corrupt Me war mein allererstes PWP-Projekt und auch wenn für dieses Genre keine tieferen Handlungsstränge vorgesehen sind, wollte ich meinen Charakteren trotzdem eine Geschichte geben. Denn wenn man sie nicht wirklich kennen lernt, kann man sich auch nicht mit ihnen identifizieren. Für einen Autor ist das sehr problematisch. Auch wenn ich Chris am Anfang ein wenig schwierig fand und nicht ganz mit ihm warm wurde, hat sich alles doch ganz gut entwickelt. Aber mein Liebling bleibt definitiv Raphael, weil ich auf Bad Boys stehe.

PS: Ich bekomme öfter zu hören, dass ich meine Bücher mal veröffentlichen sollte, aber ehrlich gesagt möchte ich sie lieber auf Seiten wie diesen hier teilen, wo ich auch ein direktes Feedback bekomme. Und das ist mir auch sehr wichtig, um mich noch weiter zu verbessern.

LG

Slenderman


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