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Finera - Path of Ice

Milas Geschichte
von

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Eisfüße und Trockenfleisch

Ich bezweifelte meine Zurechnungsfähigkeit bereits in dem Moment, in dem ich die Schneeraupe verlassen hatte. Der Fahrer hatte mich gegen ein kleines Entgelt bis zum oberen Ende der Skipisten mitgenommen, die in der Saison immer gut besucht waren, doch über die Wintermonate verirrten sich keine Touristen hier her, da die Schneestürme zu stark und unberechenbar waren.

Keine Touristen außer mir.

Ich musste ein lächerliches Bild abgeben, wie ich in meinen dicken, blauen Markenstiefeln mit einem riesigen, gefühlt mehrere Zentner schweren Koffer im Schlepptau durch den Schnee stapfte. Schon nach wenigen Metern steckte ich knietief fest und meine Arme schmerzten vom Kraftaufwand, den ich benötigte, um den Koffer überhaupt durch den Schnee zu ziehen.

Irgendwo hinter mir lachte der Fahrer der Schneeraupe, dann glitt der Lichtkegel einmal über mich und das Dröhnen wurde leiser. Er war gefahren – einfach so! – und hatte mich mitten im Nirgendwo zurück gelassen. Super, das läuft doch alles nach Plan. Wirklich ein super Plan.

Gemeinsam mit dem Koffer von Louis Vuibrava pflügte ich weitere gut zehn Meter durch den Schnee, dann ließ ich mich erschöpft auf den Koffer sinken und schaute hinunter ins Tal. Es war Mittag und der Himmel war strahlend blau, doch am Horizont kämpften sich bereits dunkle, mit Schnee beladene Wolken über die Bergspitzen. Schwester Joy hatte mich davor gewarnt, dass das Wetter so hoch oben in den Bergen sehr schnell umschlagen konnte, aber in meiner tollen Planung kam mit Sicherheit kein Schneesturm vor. Wie sollte ich ohne Orientierung den Weg bis zum Nebeltempel finden, wenn ich mich schon bei strahlendem Sonnenschein anstellte wie ein Dummisel?

Kurzerhand mobilisierte ich meine Kräfte, packte den Griff des Koffers und machte mich an den beschwerlichen und langsamen Anstieg. Wieso genau hatte der Fahrer mich eigentlich nicht gleich am Tempel abgesetzt? Ach ja, richtig, ich hatte gesagt, dass ich das kleine Stück von den Pisten bis zum Tempel alleine schaffe.

Minute um Minute verstrich und die dunklen Wolken rückten immer näher, als ich erneut eine Zwangspause einlegte und schnaufte. Mein Atem gefror sofort und meine Hände schmerzten trotz der Handschuhe stark. Immerhin hatte ich den Skilift, der im Moment außer Betrieb war, hinter mir gelassen und auch das Tal war jetzt außer Sichtweite. Stattdessen richtete ich meinen Blick nach vorne. Direkt am dunklen Gestein, das fast überall mit Schnee und Eis bedeckt war, erklomm ich Meter um Meter des Mount Ni.

Der Mount Ni war der höchste Berg in Finera und seine Spitze lag sogar noch oberhalb der Pokémon-Liga und Eisbergen, der letzten Stadt, die jeder Trainer in Finera besuchen würde, wenn er die Orden sammelte und bis zur Liga wollte. Eisbergen war ein Wintersportziel und ich erinnerte mich nur schwach an das eine Mal in meiner Kindheit, als ich mit meinen Eltern zusammen die Winterolympiade gesehen hatte. Obwohl Eisbergen ein beliebter Touristenort war, kam man nur auf zwei Wegen dort hin. Ein Weg führte über die Route zwischen Niburg und Eisbergen, die man Schneepfad nannte. Der zweite Weg war nicht minder mühsam und beinhaltete eine längere Busfahrt in einem alten, wackligen Bus, der sich im Schneckentempo über die Serpentinen nach oben arbeitete. Nur selten flogen Kleinflugzeuge oder Pokémon, was an den vielen Schneestürmen und Blizzards lag.

Und dann gab es den Nebeltempel.

Der Nebeltempel lag noch höher als Eisbergen und schmiegte sich an die Spitze des Mount Ni. Hier oben lebte nur eine einzige Familie – die Tempelfamilie, die seit Generationen über den Tempel des Bergwächters wachte. Ich hielt nicht viel von der Verehrung von Legendären Pokémon, umso mehr gefiel mir aber die Abgeschiedenheit des Tempels, der seit einigen Jahren Fremdenzimmer besaß. Die Kosten für Übernachtung und Verpflegung waren ziemlich hoch, dafür hatte man garantiert seine Ruhe und konnte in der kalten, eisigen, reinen Luft und der heißen Quelle seine Gesundheit wiederherstellen. So hieß es jedenfalls.

Genug ausgeruht! Ich schnappte mir wieder meinen Koffer und kämpfte mit den Schneemassen. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich bereits seit einer halben Stunde durch den Schnee stapfte und es sollte noch eine weitere Dreiviertelstunde hinzukommen, bis ich endlich den Tempel erblickte und sich meine Schritte wie magisch noch einmal beschleunigten.

Vollkommen erschöpft und außer Atem erreichte ich das kleine Plateau, auf dem sich der Tempel befand. Hier oben wuchsen natürlich keine Pflanzen, stattdessen ersetzten Felsformationen und kleine und große Steinfiguren die Dekoration des Geländes. Das Haupthaus des Tempels besaß zwei Stockwerke und wirkte gedrungen, das dunkle Holz, die schwarzen Dachschindeln und die grauen Steine der Fassade standen im Kontrast zu dem weißen Schnee, der mich blendete, sobald ich die Sonnenbrille abnahm.

Vom Haupthaus gingen zu beiden Seiten eingeschossige, schmale Anbauten ab, von denen einer einen etwa quadratischen Grundriss haben musste und der andere in einen abgezäunten Bereich überging, aus dem Dampf aufstieg. Dort befand sich dann wohl die heiße Quelle, von der ich schon so viel gehört hatte.

Zuerst stellte ich meinen Koffer an der Türschwelle ab, dann klopfte ich mit dem eisernen Türklopfer gegen die Tür. Eine elektrische Klingel gab es nicht. Ob die hier überhaupt Strom hatten? Es tat sich nichts und ich klopfte erneut.

Genau in diesem Augenblick wurde die Tür von innen geöffnet und mir aus der Hand gerissen. Eine kleine, alte Frau schaute mich aus wachen, hellen Augen an. Ihr Gesicht war faltig, hatte Altersflecken und die Mundwinkel hatten im Laufe der Jahre so tiefe Furchen gegraben, dass ich mich fragte, ob diese Frau überhaupt jemals in ihrem Leben gelacht hatte.

„Was willst du, Mädchen?“

Ich lächelte sie an. „Guten Tag, mein Name ist Mila Mayham und ich …“

Sie unterbrach mich sofort. „Es ist mir egal, wie du heißt.“ Argwöhnisch betrachtete sie mich. „Was willst du hier? Wer schickt dich?“

„Niemand schickt mich“, antwortete ich etwas verdattert. „Ich habe ein Zimmer reserviert und heute ist der Tag der Anreise.“

„Ach, du gehörst also zu jenen Außenstehenden, die meinen Tempel beschmutzen.“ Sie schnalzte mit der Zunge, öffnete die Tür jedoch und ließ mich samt Koffer eintreten. „Ich habe meiner Enkelin von Anfang an gesagt, dass Traditionen nicht dazu da sind, um gebrochen zu werden. Zu meiner Zeit hätte es eine Vermietung von Tempelzimmern nicht gegeben. Niemals.“ Ein Hustenanfall schüttelte ihren alten Körper durch und sie schlug die Tür hinter mir zu, dann drehte sie sich um und brüllte mit erstaunlich lauter Stimme: „Minako!“

Die Alte ließ mich einfach stehen und zog sich in ein Zimmer im hinteren Bereich des Tempels zurück. Irgendwie war sie ganz schön gruselig und herrisch. Gleichzeitig tauchte am oberen Treppenabsatz eine schlanke Frau um die fünfzig auf und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. Die Treppe schien sie geradezu herunter zu schweben und am Körper trug sie einen bodenlangen Wollkimono, der flauschig und bequem aussah. „Sie müssen die junge Frau Mayham sein. Herzlich Willkommen. Hatten Sie eine gute Anreise?“

Das war also die aktuelle Tempelwächterin, Minako Ito. Sie schien überhaupt nichts mit ihrer Großmutter gemeinsam zu haben, wenn man von den hellen Augen und dem hellblonden Haar, das bei der Alten längst weiß war, absah. „Es war ganz schön beschwerlich, wenn ich ehrlich bin.“

„Ach …“ Der Blick der Tempelwächterin glitt an mir hinab zu meinen Winterstiefeln, an denen Eis- und Schneestücke hingen, die langsam in der Wärme des Gebäudes zu schmelzen begannen. „Sind Sie zu Fuß gekommen?“

„Natürlich“, erwiderte ich und zog die Handschuhe aus. Hm, auch nicht viel besser, meine Finger waren steif und rot.

Die Wächterin schüttelte verwundert den Kopf. „Warum hat Hans Sie nicht einfach zu uns gebracht? Er fährt einmal am Tag vom Pokémoncenter los und bringt uns Post und Einkäufe.“

„Das, also …“ Verdammt! Hatte der Fahrer mich hereingelegt und deshalb so amüsiert gelacht? Ich verstand nicht, wieso er mir diesen Streich gespielt hatte, denn lustig war das ganz bestimmt nicht. Trotzdem wechselte ich das Thema und zog den Reißverschluss der Jacke auf. „Hätten Sie vielleicht einen Tee oder ein anderes Heißgetränk zum Aufwärmen? Über eine Stunde in der Kälte dort draußen und ich habe Eisfüße bekommen.“

„Oh, natürlich, Verzeihung. Ach und Sie können mich Minako nennen. Nehmen Sie Ihren Koffer, dann zeige ich Ihnen das Zimmer und danach bringe ich Ihnen einen Tee.“

Ich nickte dankbar und nachdem ich die Winterstiefel gegen Hausschuhe ausgetauscht hatte, folgte ich Minako in das obere Stockwerk, in dem früher wohl die ganze Familie gelebt hatte, nun befanden sich hier jedoch die Fremdenzimmer und ein Badezimmer, das sich alle Besucher teilen mussten. Vom Flur gingen vier Zimmer ab, zwei davon hatten ein kleines Holzschild an der Tür hängen, auf dem Belegt stand. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich am Rand des Holzschildes eine kleine Rexblisar-Figur. Das Zimmer gegenüber hatte ein Glaziola-Schild.

„Danke“, sagte ich, nahm den Schlüssel entgegen und betrat das Rexblisar-Zimmer. Ich war froh, als die Tür hinter mir leise ins Schloss fiel und ich endlich angekommen war. Sofort landeten meine Handschuhe und die Winterjacke vor der Heizung, dann wechselte ich die dicke Thermohose gegen eine normale Jeans aus und hängte auch die Hose auf den Stuhl, den ich vor die Heizung schob.

Links von der Heizung, die unter dem Fenster angebracht war, stand ein gemütlich aussehendes Holzbett mit dicker Matratze und weißer Bettwäsche, rechts befanden sich ein Tisch und eine niedrige Kommode. Das Zimmer war mit Tatamimatten ausgelegt, hatte bis auf Hüfthöhe Holzvertäfelung und darüber eine normale, weiße Tapete. Über dem Schreibtisch hing ein Landschaftsgemälde, gegenüber über dem Bett entdeckte ich mehrere kleine Bilder, die regionale Pokémon als Ölbilder zeigten. Ob Minako sie wohl gemalt hatte?

Kurzerhand ließ ich mich auf das Bett fallen. Ich war müde, kaputt, erschöpft, ausgelaugt. Von Illumina City in Kalos hatte ich drei Tage hier her gebraucht und jetzt wollte ich einfach nur schlafen. Wie lange Minako wohl noch für den Tee brauchte? Die Zeit reichte doch bestimmt, um kurz die Augen zu schließen …
 

***
 

Als ich die Augen aufschlug, schaute ich an die Zimmerdecke und fühlte mich beobachtet. Ich blickte zur Seite und ein kalter Schauer überkam mich, als die alte Tempelfrau mich aus zusammengekniffenen Augen anstarrte. Sie stand mitten in meinem Zimmer und hielte meine Handschuhe mit den Fingerspitzen fest. Was sollte das denn bitte?

„Ehm …“, machte ich mich bemerkbar und setzte mich auf. „Was gibt’s?“

Sie schnaubte und warf die Handschuhe zurück auf den Stuhl, wo meine Sachen inzwischen getrocknet waren. „Louis Vuibrava, ja? Ihr jungen Leute gebt das hart erarbeitete Geld eurer Eltern für solch teuren Marken-Schnickschnack aus. Richtige Werte, das Leben nah an der Natur, das alles kennt ihr verwöhnten Bälger gar nicht mehr.“

Hatte sie mich gerade beleidigt? „Entschuldigen Sie mal, was ich mir von meinem Geld kaufe, ist immer noch meine Sache!“

Sie keckerte, ging zur Tür und sagte im Gehen: „Mach dich fertig, Kind, das Abendessen wartet nicht. Wer zu den Mahlzeiten nicht pünktlich da ist, bekommt keine Extrawurst, wir sind hier schließlich kein Hotel.“ Rumms, war die Tür im Schloss.

Ich widerstand dem Drang mich einfach wieder ins Kissen fallen zu lassen und stand auf. Dafür, dass mich eine Übernachtung mit Vollpension 10.000 Pokédollar pro Tag kostete, benahm sich die Alte wie eine Schreckschraube. Der Tempel bekam für seine Abgeschiedenheit einen fetten Bonuspunkt, denn genau deswegen war ich hier, aber wenn sie weiterhin in meinen Sachen herumschnüffelte wie eines von Rockys Fukano, konnte das noch heiter werden. Die gebuchten drei Wochen kamen mir bereits jetzt wie eine Ewigkeit vor.

Im Erdgeschoss fand ich hinter dem kleinen Eingangsbereich eine geräumige Wohnküche, die gleichzeitig als Aufenthaltsraum und Esszimmer diente. Hier saß man noch ganz traditionell auf Kissen, die direkt auf die Tatamimatten am Boden gelegt worden waren. In der Mitte stand ein großer, quadratischer, flacher Holztisch, auf dem für vier Personen gedeckt war. Die anderen aßen bereits und die Alte warf mir einen bösen Blick zu, als ich mich ihr gegenüber nieder ließ.

„Ich wollte Sie nicht wecken“, sagte Minako sofort und reichte mir eine der dampfenden Schüsseln.

Ich nickte, lächelte und erkannte den Inhalt der Schüssel als eine einfache Nudelsuppe. Zumindest schien die Alte mich nicht auch noch vergiften zu wollen, denn zutrauen würde ich es ihr. „Ist schon in Ordnung, ich hätte vermutlich auch bis morgen früh durch geschlafen, wenn Ihre werte Frau Großmutter nicht mitten in meinem Zimmer gestanden und sich über meinen Kleidungsgeschmack geäußert hätte.“

„Oma!“ Minako schaute ihre Großmutter fassungslos an. „Du hast doch nicht wirklich …“

„Eine Lappalie, nichts weiter.“ Die Alte versuchte nicht einmal, sich zu verteidigen! „Ich habe das Mädchen zum Essen geholt, weiter nichts. Kann ich etwas dafür, wenn ihre Kleidung überall im Weg liegt? Das Zimmer sieht schon jetzt unordentlich aus. Ein unordentliches Zimmer steht für einen unordentlichen Geist.“ Sie schüttelte tadelnd den Kopf und nippte an ihrem Tee.

Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie der zweite Gast des Tempels, ein Junge in meinem Alter, in sich hinein grinste. Er schien es zu genießen, dass die Alte sich offen mit mir anlegte. Ich schaute dem Jungen direkt ins Gesicht, woraufhin er den Blick senkte und den Rest seiner Nudelsuppe schlürfte. Schweigend tat ich es ihm gleich. Wieso er wohl hier war? Seine Kleidung war von keinem bekannten Label, wenn er also reich war, zeigte er es nicht durch solche Statusobjekte. Schokobraune Locken standen ihm wirr vom Kopf ab und waren so lang, dass er im Nacken vermutlich einen winzigen Pferdeschwanz binden konnte. Er hatte breite Schultern, war aber von schlanker Statur, sodass der Pullover an ihm aussah wie an einer Kleiderstange. Hm, geschah ihm recht.

Ich widmete mich meinem Abendessen und beachtete ihn nicht weiter. Stattdessen dachte ich an meine Eltern, die vermutlich gerade das Abendprogramm von Kalos TV überwachten. Mein Vater arbeitete dort als Nachrichtenredakteur. Er wusste immer über alles Bescheid, scheute aber den Gang vor die Kamera und hielt sich stets im Hintergrund, obwohl er das passende Gesicht hätte. Meine Mutter war Programmdirektorin und für alles zuständig, was mit Pokémonkämpfen zu tun hatte, was die Übertragung der jährlichen Kalos-Liga einschloss. Ihr war es zu verdanken, dass die Kampf-Châtelaines einem breiten Fernsehpublikum bekannt geworden waren und nun eine Art Kult-Status besaßen – und ihrem Ehrgeiz war es geschuldet, dass ich vor drei Jahren einen Bericht über meine Cousinen moderierte, in den Umfragewerten gut ankam und daraufhin eine wöchentliche Sendung über die Highlights der Arenakämpfe bekam. Ich mochte die Arbeit beim Fernsehen, genoss das Geld und den Ruhm, die vielen Fans, aber … es machte mich nicht glücklich. Ich fühlte mich ausgebrannt und genau das hatte mich in die Einsamkeit des Mount Ni getrieben. Wo würde ich mich erholen können, wenn nicht hier?

„Wusstest du, dass die feine Mila Mayham Sachen von Louis Vuibrava hat?“ Die Alte lachte trocken. „Sündhaft teures Zeug, das reichen Kids dient, um bei anderen Minderwertigkeitsgefühle auszulösen.“

Gut, vielleicht gab es bessere Orte als hier.

„Großmutter, bitte.“ Minako lächelte entschuldigend. „Du wolltest dich um das Essen kümmern, nicht wahr?“

Die Alte ließ mich nicht aus den Augen, ging rüber in die Küche und kam mit vier weiteren Schüsseln zurück. In einer dunklen, undefinierbar riechenden Brühe schwammen harte Streifen von … etwas. Minako aß ungerührt weiter, doch der Junge betrachtete das Essen ebenfalls skeptisch. „Was genau ist das?“ Er fragte, damit stand ich wenigstens nicht dumm da, und mir fiel positiv auf, wie tief und weich seine Stimme war.

„Trockenfleisch, was denn sonst?“ Die Alte kaute auf einem der zähen Stücke herum. „Hier oben kommt man nur schwer an eine ausgewogene Ernährung. Unsere Vorfahren haben monatelang von Eingelegtem, selbstgebackenem Brot und Trockenfleisch gelebt. Das ist gesund und gibt Kraft.“

„Das ist das Fleisch von toten Pokémon“, erwiderte der Junge und sein ohnehin blasses Gesicht wirkte mit einem Mal aschfahl. Er rührte die Schüssel nicht mehr an und trank stattdessen nur noch seinen Tee.

Auch ich wusste nicht so recht, ob ich das essen konnte – nicht, weil ich prinzipiell gegen den Konsum von Fleisch war, wie es viele in der heutigen Gesellschaft waren, sondern weil dieses Trockenfleisch in Aussehen und Konsistenz einer Schuhsohle gleich kam. Mit dem zarten Karpadorfilet oder Miltank-Steak, die es bei den Schönen und Reichen zu essen gab, hatte das nichts zu tun. Nein, die Entscheidung war gefallen, ich konnte das nicht essen, also schob auch ich die Schüssel weg und goss mir stattdessen von dem Tee ein, den die Alte und der Junge so langsam süffelten.

Eine dunkelrote, würzig riechende Flüssigkeit füllte meinen Becher und zu spät bemerkte ich das schelmische Funkeln in den Augen der Alten, als ich einen großen Schluck Tee trank. Im nächsten Augenblick fing mein Rachen Feuer und ich begann wild mit den Händen zu fuchteln.

„Tamottee“, sagte die Alte ungerührt und wandte sich dann an ihre Enkelin. „Louis Vuibrava und dann verträgt sie nicht einmal einen anständigen Tee. Verweichlicht, habe ich doch von Anfang an gesagt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Hexenhund
2015-06-14T08:22:36+00:00 14.06.2015 10:22
Diese Alte erinnert mich an meine Großmutter....... O.O #unter schock steht
Ich muss gestehen dass ich immenoch dachte Quinn's Gedankengang zu folgen und fand es ganz schön gemein als die Alte ihm Mädchen nannte und er nicht mal reagierte XDD
Ist der Junge Quinn? Wenn ja wie schafft er es das alles zu bezahlen, seine Eltern haben ihm ja garantiert nicht das Geld dafür freiwillig gegeben
Antwort von:  Kalliope
14.06.2015 12:32
Doch sein Vater und er haben sich da gegen die Mutter durchgesetzt und Quinn bekommt die Kur bezahlt :) Seine Mutter findet das aber natürlich trotzdem nicht gut.
Antwort von:  Hexenhund
14.06.2015 15:59
Ahhhh! hahaha ich habe erst jetzt bwim ernwuten durchlesen des ersten Kapitels kapiert dass er nicht hwimlich abgehauen ist XD
Von:  yazumi-chan
2015-05-31T20:20:46+00:00 31.05.2015 22:20
Kann ich die Alte adoptieren? xDDD
Okay, ich hab erstmal bei Louis Vuibrava auf dem Schlauch gestanden und dachte, Mila wäre Quinn und dass Quinn den Koffer von einem Louis geklaut hat. Bis Mila sich vorgestellt hat, habe ich mich gewundert, wie Quinn den Aufstieg schafft, wenn er schon bei Treppen vorsichtig sein muss. Mein Fehler :D Aber Louis Vuibrava klingt sehr cool^^
Also, die Alte. Ich liebe sie. Sie und Quinn sind ab jetzt meine Lieblingscharaktere. Und als sie den Tee eingegossen hat, war mir so klar, dass jetzt der Tamottee kommt xD Abby würde sich dort sehr wohlfühlen.
...
Wenn sie Geld hätte.

aber ich in meiner tollen Planung kam mit Sicherheit kein Schneesturm vor. -> Das ich musst du streichen :)

Ich freue mich schon sehr auf die Weiterführung von Mila vs. Die Alte xDD
Antwort von:  Kalliope
31.05.2015 22:41
Du kannst Itsukis Oma gerne haben xD (Minako ist Itsukis Schwester und kam in Finera NA mal kurz vor.)
Louis Vuibrava, ja, den Namen mag ich auch :D Stell dir Louis Vuitton mit einem Vibrava-Logo vor. Wie gesagt, du kannst die Alte gerne unter den Arm klemmen und sie mitnehmen, aber ich garantiere dir, dass sie in einer Tour nörgeln wird und dich am Ende mit einem Stock schlägt oder sowas xD
Antwort von:  yazumi-chan
31.05.2015 22:42
Mir ist das egal. Ich setz sie zu Abby und die kann gucken, wie sie damit klar kommt. Oder sie kommt zu Cornelia und die beiden werden BFFs xD
Antwort von:  Kalliope
31.05.2015 22:51
Haha, das würde sogar passen xD Im nächsten Kapitel erfährt man das Alter der Alten, danach werden ihre Auftritte abnehmen. Ich finde sie aber auch sehr lustig, sie hackt doch so gerne auf Mila rum :D
Antwort von:  yazumi-chan
31.05.2015 22:54
Und Quinn hat dabei auch seinen Spaß xD Arme Mila, aber da muss sie durch.
Antwort von:  Kalliope
31.05.2015 23:03
Jeps, da muss sie durch :D Sie ist auch selbst schuld, wenn sie wie so ein Prinzesschen in Markenkleidung rumläuft und sich dann noch von dem Fahrer verarschen lässt.
Von:  Yurippe
2015-05-31T19:27:41+00:00 31.05.2015 21:27
Oh, schon wieder was zu lesen von dir! <3

"Endgeld" heißt Entgelt. ;) Bei Skipisten habe ich übrigens erst nicht geschnallt, was das für ein Wort ist, und erst mal schön im Kopf mit dem k ausgesprochen wie eine neue Religion oder eine neue Forscherströmung: Die Skipisten. (Betonung auf der zweiten Silbe.)
"Ich hielt nicht fiel von der Verehrung von Legendären Pokémon" → Freudscher Verschreiber? ;) Wird Mila noch tief fallen?

Einige Kleinigkeiten sind mir aufgefallen. Auf Tatami-Matten stellt man normalerweise keine schweren Möbel, und traditionelle Tempelkost ist fleischlos. Ich finde es aber gut, dass du das Thema ansprichst, da ich ja auch Vegetarierin bin. (Ich meine, Pokémon essen wir ja alle nicht... X'D)

Ich bin schon gespannt, was alles passieren wird!


Antwort von:  Kalliope
31.05.2015 21:34
Keine Ahnung, wie ich von Entgelt zu Endgeld gekommen bin :"D Das mit den Skipisten finde ich lustig, ich musste da gerade erstmal rumprobieren, wie du das meinst xD Den anderen Schreibfehler habe ich auch ausgebessert.

Ja, Mila sitzt am Anfang noch etwas auf ihrem hohen Ross, das gibt sich in den folgenden Kapiteln aber schnell.

In meiner Vorstellung ist der Esstisch nicht wie bei uns, sondern eher wie das hier. Ich habe lange überlegt, ob ich Fleisch in den Tempel bringen soll oder nicht, habe mich dann aber dafür entschieden, um die Alte ein wenig "unmodern" erscheinen zu lassen, weil die modernen Menschen aus moralischen Gründen auf den Fleischkonsum verzichten, während die ältere Generation vielleicht noch nicht so gut mit Lebensmitteln versorgt war und damals auf Fleisch angewiesen war. In einem späteren Kapitel kommt dann vegetarisches Sushi vor, bisher gibt es Fleisch nur an dieser einen Stelle.
Antwort von:  Yurippe
31.05.2015 21:40
Ich meinte die Möbel in Milas Zimmer.

Und in buddhistischen Tempeln wird vegetarisch gegessen:
http://en.wikipedia.org/wiki/Buddhist_cuisine
Antwort von:  Kalliope
31.05.2015 21:42
Ah, danke für den Link, das lese ich mir mal durch. :)


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