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Freundschaftsband

Durch die Kraft des Bands der Freundschaft
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, es ist endlich soweit. Tut mir leid, dass es solange gedauert hat, aber ich wollte, dass hier alle ihre ersten Pokémon bekommen, und so wurde das Kapitel immer länger und länger. Dieses Kapitel hat fast 4.000 Wörter, welche länge findet ihr besser, die von den ersten zwei Kapiteln oder dieses hier? Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben!
Ich will nur kurz Bescheid sagen, dass ich jetzt die nächsten Tage auf Klassenfahrt bin und somit kein Internet habe. Darum bitte denkt nicht, ich hätte euch vergessen, wenn ich auf eventuelle Kommentare nicht sofort antworte. Das werde ich definitiv, wenn ich wieder daheim bin. Ich würde mich übrigens riesig freuen, wenn ich dann mit ein oder zwei Kommentaren zum neusten Kapitel begrüßt werden würde. ;) Das nur nebenbei. Jetzt aber viel Spaß mit dem Kapitel. Und ... Aktion! =D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Endlich, endlich, ENDLICH habe ich wieder Internet!! Und das heißt ich kann endlich das neue Kapitel hochladen. Auch wenn die drei irgendwie nicht das machen was ich will. Eigentlich wollte ich in diesem Kapitel schon in Bad Jeamik angekommen sein, aber ... was solls=) Kommt das eben erst beim nächsten Mal. Jedenfalls danke ich Gott dafür, dass er mir mein Internet zurückgegeben hat. Oder meinem Laptop, wie mans nimmt. Komplett anzeigen

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Die Ankunft

-Die Ankunft-
 


 

Ich erreiche Bad Jeamik am Morgen um acht Uhr mit meinen Eltern, kurz bevor die Umzugswagen ankommen. Sofort springe ich aus dem Auto und sehe mich um. Ist ja gar nicht so aufregend, wie ich mir den Ort vorgestellt habe.

Die ganzen Häuser, die allesamt aus Holzstämmen bestehen, bilden zusammen eine Kreis. In der Mitte ist eine Lagerfeuerstelle, um die mehrere Holzbänke stehen. Nach Osten führt ein Weg aus dem Ort raus. Wahrscheinlich zu Route 50.

Es rührt sich nichts. Keine Nachbarn, die einen bestürmen. Keine Leute, die einen kennenlernen wollen. Das finde ich schade, ich mag es Leute kennenzulernen und neue Freunde zu finden. Und wenn ich hier im Dorf keine Freunde finde, kann ich mir auch gleich einen Stempel auf die Stirn drücken, der sagt " Outsider". Mal davon ganz zu schweigen, dass das Dorf Leben ohne Freunde ziemlich langweilig und einsam wäre. Deshalb will ich mich gerade im Dorf etwas umsehen, da kommen die Umzugswagen und ich muss mit anpacken.
 

Nach sechs Stunden ist das Haus fertig eingerichtet und alles ausgepackt, also fahren die Umzugsleute wieder. Ich stelle meine Uhren auf 14.05 Uhr und gehe dann runter ins Wohnzimmer, von wo aus mein Vater mich gerade gerufen hat. Unser Haus ist wirklich schön eingerichtet. So hell und freundlich. Und mein Zimmer ist viel größer und schöner als mein altes. Ich bin sehr froh, dass wir hier her gezogen sind.

Meine Eltern sitzen im Wohnzimmer auf der Couch und sehen sich etwas im Fernsehen an. " Was denn?", frage ich, da bemerke ich, was meine Eltern da sehen und sofort setzte ich mich zu ihnen. Es ist meine Lieblingssendung, ein Dokumentarfilm über Trainer auf Reisen, die auf ihrer Reise gefilmt werden. Ich liebe diesen Dokumentarfilm einfach. Erstens weil man sehr viel lernt, zweitens kann ich so viel von unserer Region sehen, außerdem ist es so irgendwie als wäre ich doch auf einer Reise, weil ich alles hautnah miterlebe und zu guter Letzt gibt es bei der Sendung noch eine Besonderheit. Die Hälfte der Trainer weiß, dass sie aufgenommen wird, die andere nicht. Das ist immer sehr lustig mit an zu sehen. Und heute ist die letzte Folge dieser Staffel, ab morgen beginnt eine neue und das heißt, es gibt neue Trainer. Ich bin schon gespannt, wer es seien wird.

Dementsprechend bin ich ganz gebannt von dem Bildschirm, trotzdem bemerke ich, wie meine Eltern sich immer wieder angrinsen.

Doch eine halbe Stunde und einige Verabschiedungen und Tränen später, ist die Sendung leider vorbei, genauso wie meine Taschentuchpackung sich dem Ende zu neigt. Meine Mutter schaltet schließlich den Fernseher aus, es kommt so wie so nur noch Mist und bemerkt: " Du hängst wohl ganz schon sehr an den Trainern."

Ein Schniefen ist meine Antwort.

"Dann haben wir eine tolle Nachricht für dich." Ich gucke hoch. Einen Moment sagt niemand etwas. Dann platzt es schließlich aus meinem Vater heraus. " Du wirst heute von Professor Aquilon dein erstes Pokémon erhalten!"

Ich erstarre, höre auf zu Atmen, bekomme keinen Ton heraus. Dann kippe ich von der Couch, mein Kopf schlägt an der Tischkante an und alles wird schwarz.
 


 

Ein Wassertropfen läuft in meine Nase. Blinzelnd schlage ich die Augen auf und fahre gleich darauf prustend hoch, denn auf meinen ganzen Gesicht liegt irgendetwas kaltes, nasses und blaues. Ich kann es nicht genau identifizieren, denn das blaue bedeckt auch meine Augen. Als ich auffahre, fällt das etwas in meinen Schoß und ich stelle fest, das es bloß ein blauer, nasser Waschlappen ist, den mir jemand über Augen und Stirn gelegt haben muss, als ich- ja, was genau eigentlich? Das letzte, woran ich mich erinnere, ist die Tischkante, die plötzlich auf mich zu kam, aber davor, was war davor?

Auf einmal bemerke, das ich nicht alleine bin. Meine Eltern sitzen neben mir und scheinen schon eine Zeit lang auf mich einzureden, aber ich habe sie irgendwie nicht gehört. Langsam dringt das was sie sagen, an mein Ohr.

" Oh, Gott sei Dank, du bist wach, Svenja, Liebling, wie geht es dir? Tut dir was weh?", fragt meine Mutter in leicht hysterischem Ton, vermutlich weil ich ihr immer noch nicht antworte.

" An was kannst du dich erinnern, mein Liebling?", wirft jetzt mein Vater ein. Und da fällt es mir wieder ein. Ich werde ein Pokémon bekommen. Nein, ich werde heute ein Pokémon bekommen. Nein, ich werde heute mein erstes Pokémon bekommen!

Mit einem Schrei springe ich von meinem Bett auf, so dass meine Eltern schnell rückwärts stolpern. Sofort ist meine Mutter bei mir. " Tut dir was weh, Liebling? Wie geht es deinem Kopf?" Ich wehre Kopfschüttelnd ihre Hände ab, die an meine Stirn greifen wollen und sehe stattdessen meinen Vater an. Er ist immer der ruhigere von meinen Eltern gewesen. So auch jetzt.

" Maria, lass sie doch erst mal zu Atem kommen. Das war wahrscheinlich einfach nur zu schnell für sie. Wir setzten uns jetzt alle hin, atmen tief durch und beruhigen uns wieder und dann erklären wir alles. Okay?", will er wissen und sieht uns beide an. Ich nicke und lasse mich auf mein Bett plumpsen. Irgendwie kann mein Gehirn gerade keine Informationen verarbeiten. Auch meine Eltern setzen sich auf die kleine Couch in meinem Zimmer. Meine Mutter atmet tief durch, dann sieht sie mir fest in die Augen und stellt eine Stumme Frage. Bin ich bereit für das was jetzt kommt? Ich nicke, auch wenn ich mir nicht sicher bin.

" Wie geht es deinem Kopf?", will meine Mutter schließlich wissen. Überrascht fahre ich an meine Stirn und fühle dort ein Pflaster. Doch es schmerzt nicht. " Alles gut, es tut nicht weh." Meine Mutter seufzt erleichtert und sieht dann meinen Vater an. Also soll er mir das alles erklären. Mein Vater nickt, dann beugt er sich näher zu mir und sieht mir fest in die Augen. Auch er stellt mir die selbe stumme Frage und wieder nicke ich, diesmal sofort. Ich will jetzt alles wissen!

" Heute bekommst du dein erstes Pokémon", sagt mein Vater ohne Vorbereitung. Ich schwanke erneut, doch diesmal trifft es mich nicht so unvorbereitet. Mein Vater sieht mich prüfend an, dann fährt er fort. " In einer viertel Stunde übergibt er dir und einigen anderen Kindern ihre Pokémon." Ich schnappe entsetzt nach Luft. Okay, das haut mich jetzt schon eher um. " Sobald schon?" stoße ich schließlich hervor. Meine Mutter nickt. " Ja, wir haben dich dafür angemeldet, direkt nach dem klar war, dass du die Pokémon World Schule schaffen wirst."

" Das war bereits vor drei Monaten", rufe ich entsetzt und da wird mir etwas klar. " Wir sind deshalb hier her gezogen, stimmts?" Meine Eltern nicken, warten meine Reaktion ab. Ich renne auf sie zu und umarme sie stürmisch. " Danke, Danke, Danke!" jubele ich. Meine Eltern sind einen Moment überrascht, dann umarmen sie mich ebenfalls. " Also bist du nicht sauer?" will meine Mutter schließlich wissen. " Wie könnte ich, wenn ihr mir gerade meinen Lebenstraum erfüllt habt?" Meine Mutter lächelt, erleichtert, stolz und glücklich zu gleich.
 

" Aber da gibt es noch etwas", sagt mein Vater auf ein mal. Ich sehe ihn erschrocken an. Was soll denn jetzt noch kommen? Etwas besseres gibt es doch gar nicht, also haben sie sich wohl die schlechtere Nachricht für zum Schluss aufgehoben. Nur was könnte das sein?

" Setzt dich." Mein Vater deutet auf mein Bett und ich lasse mich langsam darauf sinken.

" Die Sendung, die wir vorhin geguckt haben", beginnt mein Vater, aber ich unterbreche ihn aufgeregt. " Die über die Trainer auf Reisen?"

" Genau die."

" Das ist meine Lieblingssendung! Sie ist so cool!", rufe ich laut. Mein Vater seufzt. " Das weiß ich. Darf ich jetzt fortfahren?" Ich nicke und sehr betreten auf meine Hände, die ich in meinem Schoß zusammengefaltet habe.

" Die Staffel deiner Lieblingssendung ging heute zu Ende. Vor einem Monat gab es eine Ausschreibung, ob sich jemand vielleicht dafür anmelden möchte. Morgen beginnt eine neue Staffel. Und du wirst eine von den Trainern sein, die offiziell nicht wissen, dass sie gefilmt werden", endet mein Vater. Und zack, da kommt mir auch schon der Boden entgegen und ich bin weg.

Abschied

"Wenn sie jedes mal in Ohnmacht fällt, wenn sie etwas zu sehr überrascht, wird diese Fernsehsendung wirklich sehr peinlich. Vielleicht sollten wir es sein lassen", ist das erste was ich höre, als ich langsam aus meiner zweiten Ohnmacht für diesen Tag erwache. Es ist mein Vater, der das ganze förmlich vor sich hin knurrt. Aber was sagt er da? Wir sollen es sein lassen? Heißt das, ich würde heute kein Pokémon bekommen? Nein, dass darf ich nicht zulassen!

Mit einem Satz fahre ich hoch und reiße entsetzt die Augen auf. "Nein, ich werde heute mir heute ein Pokémon aussuchen und in diese Fernsehshow kommen. Sagt mir schnell alles was ich wissen muss, ich weiß nicht wie viel Zeit mir noch bleibt!", rufe ich hektisch. Sie dürfen mir diese Chance, die sie mir gerade erst gegeben haben, jetzt nicht einfach so wieder weg nehmen! Das werde ich nicht zulassen!

Meine Eltern sehen mich etwas erschrocken an, vermutlich weil ich ohne Vorwarnung aus meiner Ohnmacht erwache und dann gleich rum schreie. Schließlich sagt meine Mutter: "Du hast noch fast zehn Minuten Zeit." Ich stoße einen spitzen Schrei aus und springe von meinem Bett. "Zehn Minuten?! Das ist viel zu wenig, um meine Tasche zu packen und alles vorzuereiten, mir alles zu erklären und überhaupt!" Ich bin den Tränen nah. Mein Traum und meine Hoffnung scheinen kurz davor, zu zerplatzen wie eine Seifenblase.

"Liebling, es ist alles gut", versucht mich meine Mutter zu beruhigen. "Wir haben schon alles vorbereitet." Ich sehe sie erstaunt an. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. "Ja, wir haben schon deine Tasche mit allem nötigen gepackt und haben auch schon Klamotten für dich gekauft, du musst sie nur noch anziehen. Aber vorher erkläre ich dir noch den Rest", meint jetzt auch mein Vater. "Okay, dann los."

"Also, du wirst heute mit einigen anderen Kindern von Prof. Aquilon bekommen", beginnt mein Vater. Ich nicke. Das habe ich inzwischen verstanden und auch so ziemlich verkraftet. Mein Vater fährt nahtlos fort. "Einige von diesen Kindern sind ebenfalls in der Sendung, einige davon wissen, dass sie gefilmt werden, andere eben nicht. Du bist eine von denen, die offiziell nichts von den Kameras weiß." Ich nicke wieder. Auch das habe ich jetzt verstanden. "Ich glaube, du hast es noch nicht ganz verstanden. Egal, was auch passiert, du wirst immer gefilmt werden. Selbst wenn dir etwas passiert, wenn dich ein wildes Pokémon angreift, du verletzt wirst. Die Leute werden dir nicht helfen, das dürfen sie nicht. Und alles wird im Fernsehen über tragen. Sollte dich jemand auf deine Serie ansprechen, musst du überrascht sein und kannst es nicht glauben, denn du wirst nie eine von den Kameras zu Gesicht bekommen. Die Dinger sind zu klein, können fliegen, sich tarnen und so weiter. Du weißt ja, wie das abläuft, du kennst die Serie ja jetzt schon seid Jahren. Aber vermutlich wirst du sie nach einiger Zeit so wie so vergessen haben und dich ganz normal verhalten." Mein Vater sieht mich schief an. Das stimmt zwar, aber das es so ernst ist, das wusste ich nicht. Und ich glaube nicht, dass ich jemals vergessen könnte, dass ich im Fernsehen bin. "Wer noch zu den Trainern gehört, dürfen wir dir nicht sagen und du solltest auch nicht mehr diese Sendung sehen. Es kommt sehr seltsam rüber, wenn die Leute vor dem Fernseher sehen, wie Leute sich selbst im Fernsehen sehen und dann nicht ausrasten." Ich nicke erneut. Hört sich ja alles ganz logisch an. Mein Vater sieht mir fest in die Augen. "Hast du das wirklich alles verstanden?" Ich fasse schnell zusammen.

"Ich weiß nichts von den Kameras, werde diese auch nie sehen, die Leute davor dürfen mir unter keinen Umständen helfen, alles wird gezeigt. Wenn mich jemand anspricht, raste ich komplett aus, da ich im Fernsehen bin, darf die Sendung aber nicht sehen. Alles richtig?" Meine Mutter nickt.

"Ja, alles richtig. Liebling, du musst dich jetzt fertig machen, es bleibt nicht mehr viel Zeit. Hier, das haben wir für dich gekauft", sagt meine Mutter und reicht mir eine Einkaufstüte. Danach stehen die beiden auf, um aus dem Zimmer zu gehen, damit ich mich in schneller Ruhe umziehen kann.
 

Sobald die beiden draußen sind, stülpe ich die Tüte über meinem Bett aus und sehe mir alles an. Ich bin begeistert. Mama hat mir einen kürzeren, weißen Rock gekauft, der Mittig einen lilafarbenen breiten Streifen mit schönen, schwarzen Ornamenten hat. Dazu hat sie mir ein Top in dem selben Lilanen Farbton gekauft, was gerafft ist, am Ausschnitt schwarze Rüschen hat und am Ende des V Ausschnitts sind Schnüre, je nachdem, ob ich es enger oder weiter tragen will. Dazu hat sie mir noch eine weiße, dicke Strumpfhose, eine weiße Jacke mit schwarzen Ornamenten und reichlich Wechselsachen gekauft. Außerdem hat sie mir noch offene Handschuhe gekauft, die ebenfalls die selbe Lila Färbung haben, allerdings sind die Rüschen daran nicht schwarz, sondern türkis-blau, fast im selben Ton wie meine Augen. Doch das allerbeste ist das, was ich als letztes finde. Es sind Kopfhörer, in dem selben türkis-blau wie die Rüschen und der Sound ist viel besser als bei meinen alten Kopfhörern. Die Dinger sind unglaublich!

Musik ist meine große Leidenschaft. Sollte ich es nicht schaffen Champ zu werden, sollte mir das Trainer Leben keinen Spaß mehr machen und sollte ich als Schauspielerin nach dieser Sendung auch keinen Durchbruch erleben, werde ich auf jeden Fall Musikerin. Vielleicht werde ich komponieren, allerdings finde ich es fast noch cooler, als DJ auf der Bühne zu stehen.

Aber ich werden ja sehen, was die Zukunft so alles für mich bereit hält.
 

Schnell ziehe ich mir alles an, mache dann auch noch meine leicht rot-blonden Haare für die Kameras zurecht, schminke mich allgemein noch etwas und packe dann alles, was ich sonst noch so brauche in meinen Rucksack. Dann blicke ich auf meine Armbanduhr. " Schitt!" entfährt es mir. Es ist genau 15 Uhr. Jetzt geht die Pokémon Verteilung los. Mit laut gemurmelten Flüchen renne ich schnell die Treppe hinunter und versuche nicht zu fallen. Doch auf der letzten Stufe passiert es dann doch. Ich stolpere über meine eigenen Füße und denke schon, dass jetzt der dritte Ohnmachtsanfall für heute dran ist, doch plötzlich steht da meine Mutter und hält mich. Fest schließt sie mich in die Arme und sagt kein Wort. Obwohl ich mich wirklich beeilen muss, verweile ich dennoch in der Umarmung und atme ihren ganz persönlichen Geruch tief in mich ein, um ihn für meine Reise immer bei mir zu behalten. Meine Mama riecht nach zu Hause, nach Geborgenheit und Sicherheit, ich möchte sie am liebsten gar nicht mehr loslassen. Ihr fällt es ebenso schwer, sich von mir zu verabschieden. Doch ein Räuspern erinnert uns an die davon laufende Zeit. Ich löse mich langsam aus der Umarmung und gehe dann zu meinem Vater. Während ich ihn umarme, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie meine Mutter sich die Tränen aus den Augen wischt. Ich schließe die Augen. Ich will nicht sehen, wie sehr mein Fortgehen sie verletzt.

Wenigstens mein Vater hat sich im Griff. Nach der Umarmung packt er mich an den Schultern und erklärt mir in ruhigem Ton: "Denk daran, sobald du durch diese Tür gehst, bist du auf jedem Fernsehbildschirm zu sehen. Also versuch nicht so oft in Ohnmacht zu fallen ja? Aber verstell dich auch nicht. Sei einfach ganz du selbst und vergiss die vielen Kameras. Alles klar?" Ich nicke. Ich bin bereit. "Dann los", meint mein Vater, schiebt mich auf die Tür zu und öffnet diese schließlich.

Die Pokémon Vergabe

Die Pokémon Vergabe
 

Mein Vater öffnet die Tür für mich und ganz wie er es mir versprochen hat, sieht man keine einzige Kamera. Trotzdem kann ich es mir nicht nehmen, mich kurz umzusehen. Doch dann erinnert mich die davonrennende Zeit daran, dass ich mich jetzt wirklich beeilen muss. Ich bin schon zu spät.

Ich renne los, dass der Kies nur so unter meinen Füßen wegspritzt, mit dem das ganze Dorf eingestreut ist und komme wenige Momente später am Haus von Professor Aquilon an. Enttäuschung macht sich in mir breit, als ich sehe, wie das erste Mädchen das Haus betritt. Ich bin zu spät, viel zu spät. Kann ich mich jetzt überhaupt noch eintragen?

Noch schneller als vorher renne ich auf die Haustür zu und drängele mich nach vorne durch, die vielen motzenden Stimmen beachte ich nicht. Ich will mich einfach nur anmelden.
 

Plötzlich, als ich schon fast bei der jungen Assistentin mit der Anmeldeliste in der Hand angekommen bin, ist das auf einmal ein Fuß in meinem Weg, der da noch vorher nicht war und mit einem kleinen Schrei stolpere ich über ihn und falle zu Boden. Zeit um mich abzufangen bleibt mir nicht mehr und so schramme ich mit meinem Gesicht über den Schotter bis knapp vor die Menge an baldigen Trainern. Die gucken mich entsetzt an, während ich einige Stimmen leise lachen höre und schließlich zischt eine hochnäsige Mädchenstimme: „ Da siehst du mal Trampel, was passiert, wenn man sich ungefragt vordrängelt und nicht aufpasst, wo man als Dorfdepp seine Füße hinsetzt.“ Daraufhin fangen die meisten laut an zu kichern und zu grölen.

Mir treten die Tränen in die Augen, in wünsche mir sehnlichst das Loch im Boden herbei, was sich auftut um mich zu verschlingen, damit ich mich irgendwo verkriechen und meine Wunden lecken kann. Bildlich natürlich nur. Am liebsten würde ich einfach nur liegen bleiben, nie mehr aufstehen und in Ruhe vor Peinlichkeit sterben. Als mir klar wird, dass dieses total Desaster ja auch noch im Fernseher gezeigt wird, muss ich aufschluchzen, was werden jetzt wohl meine Eltern sagen, und um ein Haar fange ich richtig an zu heulen, doch in kann mich gerade noch so beherrschen; denn plötzlich schiebt sich eine kleine Hand mit giftgrün lackierten Fingernägeln in mein Sichtfeld. Erstaunt ergreife ich sie und lasse mir von ihr hochhelfen. „Hey ich bin Kimberli, wer bist du? Du bist doch die, die heute erst her gezogen ist, oder? Geht’s dir gut, der Sturz sah übel aus? Oh, blöde Frage, natürlich geht es dir nicht gut, dein ganzes Gesicht ist richtig zerschrammt. Warte, irgendwo in meiner Tasche müsste ein Taschentuch und Desenfektionsspray sein. Wo hab ich`s denn nur? Wo ist es denn nur? Wo hab ich das denn hingesteckt, “ ruft das Mädchen mit hoher, extrem quitschiger Stimme und wühlt verzweifelt in ihrer ebenfalls grünen kleinen Handtasche rum. Einige seufzen genervt, andere drängeln ungeduldig nach vorne und wieder andere schreien von hinten, wer denn da den ganzen Betrieb aufhält.

Endlich scheint das Mädchen das Gesuchte gefunden zu haben. Stolz drückt sie es mir in die Hand und ich murmele leise danke, ehe ich mich daran mache, mein Gesicht zu verarzten. Er brennt sehr schlimm und blutet auch, doch das ist mit im Moment egal, ich will mich nur anmelden. Nach einer schnellen Notversorgung trete ich an die Assistentin heran, die die ganze Zeit über versucht, die drängelnden Kinder zurück zu halten. Der Schweiß rinnt ihr schon übers Gesicht, aber sie hat die Menge ganz gut im Griff. „Entschuldigen sie“, frage ich schüchtern. „Kann ich mich noch anmelden? Es tut mir leid, dass ich zu spät bin, es gab einige Probleme, aber jetzt bin ich ja da. Mein Name ist Svenja Heartman.“ Die Frau wirft mir einen genervten blick zu, der deutlich sagt, dass sie sich fragt, was den wichtiger seien kann, als die Pokémon Vergabe, aber dann sucht sie doch meinen Namen auf ihrem Zettel. Ich bin ganz hibbelig, versuche mir aber nichts anmerken zu lassen. Was wenn sie mich nicht mehr reinlassen? Ich wäre bestimmt die erste in der Sendung, die kein Pokémon bekommt! Schreckliche Vorstellung!

Doch schließlich scheint die Frau meinen Namen gefunden zu haben und guckt mich kritisch von der Seite an. „ Stimmt, hier stehst du, aber du bist zu spät. Jemand anders hat schon deinen Platz bekommen. Und normalerweise darf man sich ja ein Pokémon zwischen mindestens einem anderen auswählen. Also selbst wenn ich dich jetzt noch mit rein nehmen sollte, dürftest du dir kein Pokémon auswählen, sondern müsstest das nehmen, was als letztes übrig bleibt. Und ich habe da schon so eine Ahnung. Obwohl, das hätte natürlich auch seine Vorteile, dann hätte es endlich einen Trainer. Es ist schon seit drei Jahren bei uns und nie wurde es genommen. Und dann muss sie es nehmen und niemand kann mir die Schuld dafür geben, dass ich dem Mädchen einen Traum erfüllt habe.“ Am Ende scheint sie mehr mit sich selbst als mit mir zu reden und ich unterbreche sie nicht. Mir ist es egal, was für ein Pokémon ich bekomme, ob es schwach, böse oder nicht so hübsch ist, Hauptsache ich bekomme irgendeins!

„Okay!“, ruft auf einmal die Assistentin und reist mich aus meinen Gedanken. „ Du bist dabei, aber du kommst als letzte rein und dann musst du das Pokémon nehmen was übrig bleibt und keine Wiederrede klar!“ Sie grinst und das nicht gerade freundlich, sondern eher fies und hinterhältig. Trotzdem nicke ich brav. So schlimm wird es schon nicht sein. „ Gut, dann stell dich mal hinten an. Und… viel Glück mit ihm; du wirst es brauchen!“ Sie grinst und wendet sich dann wieder der wütenden Menge zu, die unbedingt in das Haus rein will. Ich drehe mich kopfschüttelnd um und gehe nach hinten an das Ende der Schlange. Ich kann es immer noch nicht glauben!
 

Da hörte ich durch den Kies, wie mir jemand mit schnellen Schritten folgte und dann rief eine quitschige Stimme: „ Hey, warte auf mich. Wenigstens meine Taschentücher könntest du mir ja zurückgeben oder?“ Oh, verdammt, das habe ich ja ganz vergessen. Ich trage die Sachen des Mädchens ja immer noch mit ihr herum. Und ich habe ihren Namen schon jetzt vergessen. Herrje, hat dieser Tag seinen Höhepunkt an Peinlichkeiten etwa immer noch nicht erreicht? Ich habe mich doch jetzt schon zur Lachnummer Nummer 1 gemacht.

Schnell drehe ich mich um und das Mädchen läuft in mich hinein, um dann erstaunt zurück zu stolpern. Dann blickt sie verdutzt zu mir hoch. Doch plötzlich grinst sie breit und quietscht: „ Na endlich bleibst du mal stehen. Ich hab schon gedacht ich hole dich gar nicht mehr ein. Und du hast mir immer noch nicht meine Frage beantwortet. Das ist ganz schön unhöflich und da entschuldigen es auch nicht die äußerlichen Umstände. Aber ich will mal nicht so sein, wenn du mir meine Sachen zurück gibst kann ich dir verzeihen und dann“ Schnell drücke ich ihr ihre Sachen in die Hand, denn ihre Stimme ist auf Dauer nur schwer zu ertragen. Sie klingt echt, als hätte sie Helium geraucht und dann redet sie auch noch ohne Punkt und Komma. Das strapaziert schon die Nerven.

Ruhig sehe ich auf die kleine Brünette vor mir, die ihre Sachen irgendwo in ihre Handtasche reinschmeißt und dann wieder zu mir hochgrinst. Ihre Locken werden vom Wind wild um ihren Kopf gewirbelt und da hilft es auch nicht dass sie ihre Haare mit Haarklammern und zwei Zöpfen zu bändigen versucht. Schließlich gibt sie es auf und grinst mich wieder aus ihren saphirblauen Kulleraugen an. Gerade als sie wieder den Mund aufmachen will, um mich wieder mit Fragen zu bombardieren, beantworte ich ihr die Fragen von vorhin.

„ Also ich heiße Svenja Heartman, ich bin erst heute von Sankt Schollerin hierhergezogen, ich bin 14 Jahre alt, habe aber in einem Monat Geburtstag und mein Ziel ist es irgendwann Champion zu werden. Aber zuerst möchte ich mein erstes Pokémon.“ Die Brünette lächelte mich an und ohne das wir etwas gesagt hätten, setzten wir uns gemeinsam in Bewegung und gehen zum Ende der Schlange.

„ Ich bin auch 14, werde aber erst im November 15, wohne schon mein ganzes Leben lang in Serenitia, das ist die Nachbarstadt von hier, mein großer Traum ist es mit meinem Pokémon Sängerin zu werden und ich heiße Kimberli, wie gesagt.“ Kimberli, genau, dass war ihr Name! „ Und das hier sind meine beste Freundin Peggy und mein Nachbar Pablo“, sagt sie und reißt mit Schwung zwei Leute aus der Reihe. Ich sehe auf und erblicke ein Mädchen mit eisblauen Haaren, die erst zehn Zentimeter vor dem Bode aufhören. Geschockt sehe ich in ihr Gesicht. Sie grinst mich lässig an und schiebt sich eine ihrer blauen Strähnen hinters Ohr, die ihr aber sofort wieder nach vorne rutscht. Sie ist stark geschminkt und sieht viel älter aus als 14, was aber eigentlich kaum seien kann. Vielleicht liegt es auch nur an der vielen Schminke. „ Krasser Stunt eben. Hätte ich nicht besser hingekriegt und hatte den nötigen Effekt. Alle haben dich angestarrt. Also Stuntgirl, wie heißt du?“, will sie wissen.

„ Svenja, aber nur mal um das klar zu stellen, ich bin kein Stuntgirl und das war auch kein Stunt und keine Absicht. Es war ein Unfall und ich wollte damit sicher nicht die Aufmerksamkeit der Leute, ich wollte nur nicht zu spät kommen“, stelle ich klar. Eigentlich bin ich ja eher ruhig, doch ich mag es gar nicht, wenn Leute mir etwas unterstellen. Doch das Mädchen grinst nur und scheint mir meine Schärfe nicht übel zu nehmen.

„ Das ist doch mal ein richtiges Mädchen. Die hat Feuer. Da kannst du dir ruhig mal eine Scheibe von Anschneiden, Kleiner!“ Sie lacht und tritt einen Schritt zur Seite. Zum Vorschein kommt ein wirklich gutaussehender blonder Junge, der uns schüchtern ansieht.

„ Und das ist mein Nachbar Pablo“, verkündet Kimberli. „ Jetzt sei doch mal nicht so verklemmt, da merkt doch jeder, dass du noch keine 14 bist.“ Ich ziehe meine Stirn in Falten. Noch keine 14? Aber man darf doch erst ab 14 ein Pokémon bekommen. Sollte das etwa bedeuten, dass sich dieser gut aussehende Junge hier eingeschlichen hat? Und die beiden helfen ihm dabei? Aber wie soll das gehen. In dem Moment fängt Peggy an zu lachen, das sich sogar einige nach ihr umdrehen.

„Was ist?“, fragt Kimberli irritiert.

„Ihr Gesichtsausdruck. Ich glaube sie denkt, wir würden etwas unrechtmäßiges machen!“ Sie lacht weiter, schafft es aber schließlich sich so weit zu beruhigen, dass sie auf mich zeigen kann.

„Was hast du dich denn gefragt?“, will Kimberli neugierig wissen.

„Ich wollte wissen, wie ihr es schaffen wollt, einen Jungen hier illegal einzuschleusen. Um überhaupt ein Pokémon bekommen zu können, müsste er ja den Trainerpass und lange genug geübt haben. Er ist aber unter 14, das heißt er kann noch gar keinen Pass haben“, versuche ich zu erklären und frage mich gleichzeitig, warum Pablo bis her noch nichts zu seiner Verteidigung zu sagen hatte.

„Na dann los Stuntgirl, geh nach vorne und zeig uns an, das wird ein weiterer Filmreifer Auftritt von dir!“ Peggy lacht wieder und dieses Mal lacht sie mich aus, aber nicht mit mir.

„Gut, das mach ich jetzt nämlich auch!“, schnappe ich wütend zurück und will wieder nach vorne rennen, denn so lasse ich nicht mit mir umgehen; doch plötzlich hält mich eine Hand am Oberarm fest. Ich drehe mich wieder um und sehe Pablo ins Gesicht.

„Jetzt warte doch mal und lass uns erklären. Es tut mir leid, falls Peggy dich verletzt hat, sie benimmt sich mal wieder unmöglich“, dabei wirft er dem Mädchen einen bösen Blick zu, doch die zuckt nur gelangweilt mit den Schultern und stellt sich wieder an ihren Platz in der Reihe zurück. „Aber eigentlich ist Peggy gar nicht so schlimm. Sie tut so als wäre sie ein totaler Draufgänger, aber das ist sie gar nicht, trotzdem, man gewöhnt sich dran.“ Ich sehe ihn abwartend an. Noch bin ich immer noch allzu bereit, nach vorne zu stürmen und die drei zu verpetzen. Das bemerkt Pablo wohl auch, denn er seufzt und blickt zu Boden, wobei ihm blonde lange Strähnen in die Augen fallen, dann hebt er seinen Kopf wieder und sieht mich mit leuchtend grünen Augen an. Diese Farbe ist unglaublich.

„Okay, dann erkläre ich dir alles. Ich heiße Pablo, wie du ja weißt und bin wirklich noch nicht 14, sondern erst 13. Trotzdem habe ich eine Trainerlizenz und das liegt daran, dass ich bei dem Test den man vorher immer machen muss, so gut abgeschnitten habe, dass ich schon ein Jahr früher mein Pokémon bekommen darf. Seit ich zehn bin, lerne ich bei Prof. Aquilon ein richtiger Trainer zu werden und weil ich so gut bin, durfte ich den Test eben schon ein Jahr früher machen. Doch normalerweise halte ich das lieber geheim, denn wie du dir vielleicht denken kannst, finden das manche unfair.“ Ich nicke, das glaube ich sofort, nachdem ich das vorhin mitbekommen habe, wo ich angemault wurde, nur weil ich nach vorne gegangen bin. Wie behandeln sie dann erst Pablo, der ja praktisch ein Jahr zu früh hier ist?

„Gut, da das geklärt ist, das ist Peggy. Sie ist schon 16, darum sieht sie auch älter aus, nur vom Verhalten her geht es eher in die andere Richtung.“ Dabei wirft er Peggy einen kritischen Blick zu, doch die zuckt nur mit den Schultern. „Sie ist immer so, aber daran gewöhnt man sich. Sobald man sie erst mal kennt, ist es gar nicht so schlimm, glaub mir ich weiß es.“ Er hat einen undefinierbaren Blick drauf, aber ich will nicht weiter nachbohren. Mich interessiert gerade etwas andres.

„Warum ist sie nicht schon mit 14 auf eine Reise gegangen?“, frage ich neugierig, aber leise. Ich will nicht, dass Peggy es mitbekommt, sie ist mir nicht so sympathisch wie Pablo, egal ob das ihr normales Verhalten ist oder nicht. Unsicher wirft Pablo einen Blick zu dem Mädchen, dieses schüttelt entschieden den Kopf und in ihren Augen blitzt es.

„Ich denke, dass fragst du sie lieber selbst, vielleicht erzählt sie es dir ja. Ich geh mal nach vorne zu Kimberli, ihr viel Glück wünschen, sie ist gleich dran.“ Mit diesen Worten verabschiedet sich der Blonde und geht an den Anfang der Schlange. Ich folge ihm mit meinem Blick und sehe, dass ihn die anderen abwertend ansehen. Manche schubsen ihn auch oder stellen ihm ein Bein und keiner hilft ihm. Machen sie das nur, weil er jünger ist und schon ein Jahr früher sein Pokémon bekommt? Pablo scheint dieses Verhalten in jedem Fall gewöhnt zu sein, er geht einfach weiter und lässt sich nichts anmerken. Aber er wehrt sich auch nicht als die Leute ihn auf den Boden schubsen, ihn auslachen und Dreck und Schotter auf sein weißes Hemd schießen; er steht einfach nur unbeteiligt da und wehrt sich nicht.

Gerade will ich ihm zur Hilfe eilen, da hält mich eine Stimme auf: „Stuntgirl, lass die Scheiße. Das ist nicht deine Sache. Er muss das alleine schaffen.“ Aus zusammengepressten Augen betrachte ich die ältere abschätzig. Ich kenne sie kaum, aber soweit ich weiß sind sie und Pablo Freunde und trotzdem hilft sie ihm nicht, wenn er so fertig gemacht wird.

„Jemand muss ihm doch helfen!“, protestiere ich.

„ja, da hast du recht, aber das bist nicht zu, er muss sich selbst helfen.“

„Aber du siehst doch, dass er das nicht kann!“ Verzweifelt sehe ich zu, wie Pablo sich langsam durch die aggressive Menge drängt. Warum sollte man ihm in so einer Situation nicht helfen?

„Du kannst doch nicht jede Schlacht für ihn schlagen. Irgendwann bist du vielleicht nicht für ihn da und dann kann er sich nicht verteidigen, weil du ihm immer die Möglichkeit verwehrt hast, es zu lernen! Er muss lernen sich selbst zu verteidigen, um mit beiden Beinen im Leben stehen zu können!“, erwidert sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Erstaunt sehe ich sie an. So eine Weisheit und Weitsicht hätte ich ihr nicht zu getraut, vor allem wenn man nur nach der Äußerlichkeit geht. Durch ihre Haare, ihr Minikleid, was nur knapp bis über den Po reicht und ihr Auftreten allgemein, kommt sie schon seltsam rüber.

Wieder scheint Peggy meine Gedanken zu erraten. „Tja, diese Intelligenz hättest du mir gar nicht zugetraut, was?“ Darauf erwidere ich nichts und Peggy scheint das auch nicht zu erwarten.
 

Wenige Minuten später läuft Kimberli freudestrahlend auf uns zu. Sie hält ein niedliches, rotes Pokémon im Arm, was sich aufmerksam umsieht und ab und zu grunz Laute von sich gibt. „ist er nicht total süß?“, quietscht Kimberli sogleich. „ Das ist mein Partner Floink, ein Feuer Pokémon. Todgoldig oder? Mit ihm zusammen schaffe ich es an die Spitze der Pokesänger. Keiner wird seinem Charme wiederstehen können!“

„Das ist toll“, meint Peggy und ich stimme ihr zu.

Auf einmal sehe ich eine Person, die mir verdammt bekannt vorkommt. Ich recke und strecke mich, um noch einen Blick auf sie zu erhaschen, bevor sie im Haus verschwindet, doch ich sehe nur ihre schwarzen Haare, die schwärzer sind als Tinte. Moment, Haare schwärzer als Tinte? Das kann doch unmöglich sein!

Doch als sie ein paar Minuten später wieder aus dem Haus kommt, bin ich mir sicher: Es ist meine Feindin aus Kindertagen, Sina! Stolz hält sie einen Pokeball in der Hand und ein Serpifeu läuft vor ihr, während sie arschwackelnd zu ihren Eltern hinüberstöckelt. Allein wenn ich sie sehe, werde ich rasend vor Wut!

Da drängt sich Peggy an mir vorbei nach vorne und ich verliere sie aus den Augen. Was auf gut ist, sonst wäre ich vermutlich wie ein wütendes Bisafan auf die zu gerannt um sie anzugreifen. So aber kann ich mich langsam wieder beruhigen und vorbereiten, denn die meisten haben doch jetzt tatsächlich schon ihr Pokémon, was bedeutet, dass ich bald dran bin.
 

Ein paar Minuten später kommt Peggy wieder aus dem Haus raus, wobei sie auf ihrem Kopf nun ein rotes Küken trägt. Ich weiß nicht, was das für ein Pokémon ist, aber ich vermute, dass es ebenfalls ein Feuer Typ ist, weil es auch so rot ist wie Floink. Sie winkt Pablo, Kimberli und mir zu und schreit dann über die ganze Menge hinweg: „Das ist mein Partner Flemmli. Schnuckelig, oder? Ich warte bei der Feuerstelle auf euch alle und dann können wir alles Weitere besprechen.“ Damit marschiert sie ab und ein Mädchen mit feuerroten Haaren, die mit zwei Stäbchen hochgesteckt sind, drängt sich an ihr vorbei. Sie wirft Peggy einen abfälligen Blick hinterher, bevor sie im Haus verschwindet.

Ich schnaube. Nach ihrem Benehmen und Aussehen hält sie sich hier wohl für den Ober Boss. Außerdem sieht sie aus wie eine Nutte. Dass sie eine schwarze Strumpfhose unter ihrem schwarzen Minirock, der ihr wirklich gerade mal über den Hinter reicht, trägt, täuscht nicht über die Tatsache weg, dass sie aussieht wie eine Schlampe. Aber vielleicht täusche ich mich auch und das ist gerade Mode, obwohl mir das unbekannt ist. Aber Peggy hat auch einen silber-türkisenen Rock an, der nicht viel länger ist, also ist das vielleicht wirklich gerade in.
 

Es dauerte lange, unglaublich lange, bis das Mädchen wieder rauskommt, doch schließlich öffnet sich die Tür und das Mädchen kommt wieder heraus, auf der rechten Schulter sitzt ein Affenartiges Pokémon das an ihren Haaren zieht, doch sie lässt es geschehen, was ich nicht erwartet hätte. „Das ist mein Partner Panflam. Wenn es einer von euch wagt, sich einen Wasserstarter zu nehmen, der bekommt es mit mir zu tun, also sucht euch lieber ein schwächliches Pflanzen Pokémon aus, klar?“, verkündet sie und die Menge nickt auch noch ergeben. Das hätte ich nicht erwartet, aber scheinbar war meine Einschätzung richtig, sie ist hier wirklich der Ober Boss.
 

Mit vor Aufregung zitternden Händen sehe ich, wie der Platz sich immer mehr leert und immer Leute mit ihren neuen Pokémon davon gehen oder gleich ihre Partner in einem Kampf testen. Schließlich sind es nur noch Pablo und ich, die noch kein Pokémon haben. er wird aufgerufen, nickt mir noch einmal zu, dann geht er durch die Tür. Doch es dauert keine halbe Minute, da öffnet sich die Tür schon wieder. Doch anstatt Pablo springt eine kleine blaue Schildkröte durch die Tür und schreit ganz laut: „Schiggy!“ verfolgt wird es von Pablo, der doch tatsächlich über den kleinen Racker lächelt. Das ist das erste Mal, das er etwas anderes macht als ernst gucken, doch das Lächeln steht ihm wirklich ganz ausgezeichnet. Er ruft sein Pokémon zu sich, dann gehe sie beide zum Platz, wo schon Kimberli und Peggy warten. Da werde ich aufgerufen und schnell gehe ich ins Haus. Die Tür wird hinter mir geschlossen und ich finde mich in einem Pokémon Labor wieder. Überall sind Behälter, in denen vorher noch die Pokémon waren, doch jetzt ist nur noch einer besetzt, der ganz in der Mitte. Doch der Professor steht davor, so dass ich das Pokémon darin nicht erkennen kann. Was vermutlich auch daran liegt, das er mit seiner Leibesfülle sehr gut alles überdecken kann.

Der Professor lächelt mir freundlich zu, sodass sich sein riesiger Schnauzer über das ganze Gesicht spannt, dann begrüßt er mich: „Du bist also Svenja, ja? Das Mädchen was die World Pokémon Schule abgeschlossen hat. Ich bin beeindruckt. Das ist wahrlich kein Zuckerschlecken und dann die Schule so gut zu beenden.“ Ich sehe zu Boden, wobei ich merke, dass mein Gesicht ganz rot wird, doch der Professor sieht mich wohlwollend an. „Aus deiner Reaktion schließe ich mal, dass es stimmt was ich sage.“ Ich bringe nichts weiter als ein nicken zu Stande. Ich mag es nicht, so gelobt zu werden. „Dann bin ich beruhigt und du solltest es auch sein. Denn ich muss gestehen, ich hätte diese Pokémon dir nicht und auch sonst niemandem vermittelt, wenn er nicht wirklich bewiesen hätte, das er auch mit ihm klar kommt. Aber du bist ja bestens vorbereitet und ich denke, dass du es mit ihm schaffen kannst. Er ist wirklich sehr schwierig, aber ich möchte, dass du es mit ihm probierst. Doch entscheide dich jetzt, denn ich möchte nicht, dass du ihn zwei Wochen später zurück bringst, weil es dich überfordert. Also, sag mir, bist du bereit für diese Herausforderung?“

Er sieht mich forschend an. Ich weiß, dass es diese mal nicht reicht, einfach nur zu nicken, also lecke ich mir über die Lippen, um sie zu befeuchten und sage mit erstaunlich fester Stimme: „Ja, ich bin bereit, es mit ihm zu versuchen, komme was da wolle, ich werde ihn und uns nicht aufgeben.“

Der Professor nickt anerkennend. „Das wollte ich hören. Dann begrüß mal deine Partner. Es ist das Wasser Pokémon Karnimani.“ Und mit diesen Worten tritt er beiseite und gibt den Blick auf das blaue Pokémon frei. Es sieht mich interessiert an und ich gehe näher heran, um es zu betrachten. Dann halte ich meine Hand über die Glaswand, damit er sich meinen Geruch einprägen kann und um ihn zu begrüßen. Es schnuppert kurz daran, doch dann, schneller als ich reagieren kann, schießt es vor und beißt fest in meine Hand.

Oberzicke Jenni

Oberzicke Jenni
 

Ich schreie erschrocken auf und versuche das Pokémon abzuschütteln, doch vergeblich. Seine kleinen, aber scharfen Zähne vergraben sich unbarmherzig in meiner Hand und ich spüre und sehe, wie das Blut über meine Hände fließt. Da passiert etwas mit dem Pokémon. Wenn es vorher schon wild war, ist das kein Vergleich zu jetzt. Kaum hat es den Geschmack meines Blutes auf der Zunge, beißt es fester zu, knurrt auf wütende, aber auch erregte Weise und seine Augen fangen gruselig rot an zu glühen. Es sieht mich erbarmungslos aus diesen grausamen Augen an und ich kann mich nicht zurückhalten und fange dieses Mal lauthals an zu schreien.

Da schießt auf einmal ein roter Strahl auf das Pokémon zu und es löst sich auf, um in seinem Pokéball zu verschwinden. Doch es währt sich heftig, der Ball wackelt die ganze Zeit und es sieht so aus, als würde das Pokémon jeden Moment noch wütender wieder heraus kommen. Trotzdem hält mir der Professor den Ball auffordernd hin, doch ich zögere ihn zu nehmen. Das scheint Prof. Aquilon wohl jetzt auch zu merken, denn er seufzt, trotzdem macht er keine Anstalten, den Ball wieder hinzulegen, er hält ihn mir immer noch hin. Aber ich nehme ihn nicht. Wie soll ich mit diesem Pokémon zurechtkommen, dass mir in der ersten Minute schon fast die Hand abgebissen hat. Das kann ich unmöglich schaffen!

„Gut, ich sehe, du bist skeptisch. Das kann ich verstehen. Aber erinnere dich bitte daran, dass du versprochen hast ihn zu nehmen. Du hast bereist eingewilligt. Und ich bin mir jetzt nur noch sicherer, dass du das mit Karnimani hinbekommen kannst. Er hat auf dich besser reagiert, als auf die meisten anderen. Ich hatte mit schlimmerem gerechnet, wenn ich ehrlich bin.“

Ich stoße ein unfreiwilliges Schnauben aus. Ich kann also froh sein, dass es mich nicht gleich umgebracht hat oder was?

Dann fällt mir auf, was ich gerade gedacht hab und erschrocken sehe ich den immer noch rebellierenden Pokéball an. Ob das Pokémon darin schon Leute umgebracht hat? Eigentlich eine unvorstellbare Vorstellung, schließlich wird das Pokémon als Starter angeboten, doch ich habe Karnimani ja gerade selbst erlebt.

Der Professor scheint mich durchschaut zu haben, denn er schüttelt sacht seinen Kopf. „Nein, es hat niemanden gefährdet. Das schlimmste was passiert ist, ist das er einem kleinen 14 jährigen Jungen den Mittelfinger abgebissen hat. War eine riesen Sauerei und der Junge hat ihn natürlich nicht genommen.“ Traurig sieht der Professor auf den Boden, während ich angestrengt schlucke, um den Brechreiz zu unterdrücken, der sich in mir auftut, als ich mir das ganze bildlich vorstelle. Das war definitiv etwas, was ich nicht wissen wollte und das beeinflusst mich in meiner Entscheidung bestimmt nicht positiv.

Wieder nickt der Professor. „Es ist keine schöne Vorstellung, ich weiß. Aber ich möchte dich daran erinnern, dass alle Pokémon wild sind. Einige sind wilder als andere und die meisten sind von Geburt auf an Menschen gewöhnt und somit nicht aggressiv gegenüber diesen, wenn sie positives mit Menschen verbinden. . Die meisten werden mit der Zeit zahmer, die sie bei ihrem Trainer verbringen. So wird es auch bei Karnimani sein, man muss ihm nur eine Chance geben. Es hat sich schließlich schon gebessert, du hättest es mal am Anfang- nein besser nicht, dass würde dir nur noch mehr Angst machen. Aber ich bin nicht sein Trainer, ich habe nicht die Zeit die es benötigt, mich intensiv um ihn zu kümmern. Du dagegen wirst diese Zeit haben, die er braucht und er wird zahmer werden. Es wird der Tag kommen, da wird er anstatt dich anzugreifen, mit dir kuscheln wollen. Und bis es so weit ist, musst du daran arbeiten, sein Vertrauen zu gewinnen, ihn an Menschen zu gewöhnen und viel Zeit mit ihm zu verbringen. Also?“ Wieder hält er mir auffordernd den Pokéball hin, der inzwischen sogar ruhig ist. Noch einmal sehe ich ihn skeptisch an, dann kommt mir wieder die Sendung in den Sinn und das ich mir gesagt habe, dass es egal ist, was für ein Pokémon es ist, Hauptsache ich habe eins.

Entschlossen greife ich nach dem Pokéball. Er fühlt sich warm in meiner Hand an und Karnimani darin wehrt sich auch nicht mehr. Ich muss lächeln. Mein eigenes Pokémon.
 

Auch Prof. Aquilon lächelt breit, doch dann sagt er etwas, was mich wieder ernst werden lässt. „Vergiss aber nie, was du gerade eben gesehen hast. Pokémon sind immer noch wild, egal wie zahm und anhänglich sie werden können. Jedes Pokémon verfällt in eine Art Blutrausch, in welchem sie außer Kontrolle geraten und nur noch darauf aus sind, den Gegner noch mehr zum Bluten zu bringen. Das ist das gefährliche an Pokémon und du darfst es niemals vergessen. Im Blutrausch kann ein Pokémon seinen eigenen Trainer nicht mehr von seinem ärgsten Feind unterscheiden. Und Karnimani ist besonders anfällig für diese Art von Blutrausch, wie wir gerade wieder gesehen haben. Also achte besonders darauf, dass es nie mit Blut in Berührung kommt, ja?“

Ich sehe ihn erschrocken an. Ich wusste nicht, dass Pokémon in einen Blutrausch verfallen können, das war mir und vermutlich auch vielen anderen nicht bekannt. Und es macht mich unsicher. Unsicher, ob ich es jetzt noch wagen sollte, auf eine Reise zu gehen.

„Ich habe dir das nicht erzählt, um die Angst einzujagen, Svenja. Ich habe dir das gesagt, um dich davor zu warnen und weil dein Pokémon, da es ja noch sehr wild ist, auch noch sehr anfällig für den Blutrausch ist. Der Blutrausch ist kaum bekannt, weil er nicht sehr häufig vorkommt. Die meisten Trainer und Pokémon halten instinktiv inne, bevor sie ihre Gegner blutig verletzen. Die wenigsten Pokémon verletzten sich im Kampf so arg, dass sie bluten und wenn doch, wird der Kampf sofort abgebrochen. Hast du dich noch nie gefragt, warum das so ist? Jetzt weißt du die Antwort. Und nicht viele Pokémon verletzten Menschen lebensbedrohlich, da sie ja ihre Pokémon als Beschützer bei sich haben müssen, wie du weißt. Also brauchst du keine Angst haben. Seit Jahren kam es nicht mehr zum Tod durch den Blutrausch eines Pokémons und der letzte schwerer verletzte von dem ich weiß, war der Junge vor vier Jahren. Also keine Panik, ja?“ Der Professor lächelt mich beruhigend an, doch mich beruhigt es nicht im Geringsten. Schließlich ist das Pokémon, das quasi der letzte war, der jemanden im Blutrausch verletzt hat, nun mein Partner und ich habe keine wirkliche Chance, mich gegen Karnimani zu verteidigen. Einzig der Pokéball bietet mir Sicherheit und wer garantiert mir, dass es da auch drin bleibt? Niemand, so wie es sich gerade eben gewährt hat.

Ich schüttele den Kopf. Ich habe versprochen, es mit Karnimani zu versuchen und ich halte mich an meine Versprechen. Mein Griff um den Pokéball verfestigt sich, was der Professor mit einem stolzen Lächeln bemerkt.

„Dann bleibt mir nur noch eins zu erwähnen. Wie du gesehen hast, hasst es Karnimani in seinem Ball eingesperrt zu werden, weil es noch so wild ist und nicht seiner Freiheit beraubt werden will. Es wäre also besser, wenn du es so oft wie möglich raus lässt, so kannst du auch mehr Zeit mit ihm verbringen.“

„Das mache ich, keine Sorge. Meine Pokémon sind meine Freunde und ich halte nichts davon, sie eingesperrt zu lassen und nur rauszuholen, wenn man sie braucht.“

Der Professor nickt zufrieden, ob der Bestimmtheit in meiner Stimme und brummt irgendetwas von guter Wahl, was ich aber nicht verstehe. Nachfragen will ich aber auch nicht, ich will jetzt endlich los und der Welt zeigen, dass ich eine Trainerin bin. Auch wenn mein Pokémon noch so wild ist, ich bin zufrieden, dass ich überhaupt eins bekommen habe. Entscheidungen zu treffen fällt mir schwer, aber sobald ich eine Entscheidung treffe, bin auch damit auch glücklich. Auch wenn ich mit Karnimani einen weiten, bestimmt beschwerlichen Weg gehen muss, ich glaube daran, dass wir es schaffen. Gemeinsam, als Team.
 

Nachdem der Professor mir noch fünf Pokébälle und meinen Pokedex gegeben hat, nicht ohne mich vorher zu ermahnen, ihn auch ja zu füllen und nie zu vergessen, ein Pokémon einzuscannen, weil das füllen des Pokedex oberste Priorität hat, verlasse ich nach zehn Minuten die Hütte wieder. Davor verarztet mir der Professor noch notdürftig meine Hand, die zum Glück nicht mehr blutet, und dann bin ich auch schon weg.

Gut, dass ich die letzte war, ich habe definitiv am längsten von allen in der Hütte gebraucht. Aber ich habe ja auch ein besonderes Pokémon.
 

Gespannt sehe ich zu der Feuerstelle und erblicke Peggy, Kimberli und Pablo. Sofort bildet sich ein Lächeln auf meinem Gesicht. Ich bin froh, dass sie an mich gedacht und auf mich gewartet haben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir Freunde werden. Vielleicht schaffe ich es sogar bei Peggy, auch wenn die wirklich gewöhnungsbedürftig ist.

Schnell laufe ich zu den dreien hinüber, Karnimani lasse ich aber noch in seinem Ball. Bei so vielen Leuten kann es schließlich gut sein, dass es ausrastet und jemanden beißt und das muss ich ja unbedingt vermeiden.

Als Kimberli mich entdeckt, winkt sie aufgeregt. Ihr Floink sitzt in ihrer grünen Tasche und nur der Kopf guckt heraus. Es ist aber auch wirklich Zuckersüß.

Das Pokémon von Pablo dagegen ist alles andere als ruhig. Es rennt immer wieder um die Gruppe herum und verursacht einen Heiden Lärm, doch Pablo lächelt nur auf es herab und ab und zu jagt er ihm hinterher, was dem Pokémon ein freudiges Quicken entlockt. Pablo scheint sein Pokémon jetzt schon ins Herz geschlossen zu haben.

Peggy sitzt ziemlich gelangweilt auf einer der Bänke, die um die Feuerstelle stehen und betrachtet ihre Fingernägel. Ihr Pokémon scheint sie in den Ball zurück geschickt zu haben, zumindest sehe ich es nicht mehr.

Dann bin ich bei der kleinen Gruppe angelangt und wie könnte es anders sein, werde ich sofort von Kimberli mit Fragen bestürmt. „Und, was für eine Pokémon hast du? Welcher Typ ist es? Ist es ein Junge oder ein Mädchen? Welche Attacken kann es? Ist es lieb?“, rattert sie ohne Luft zu holen herunter und bestimmt würde sie auch noch mehr sagen, würde sie nicht auf einmal von einer schneidenden Stimme schonungslos unterbrochen werden: „Oh Gott, halt endlich die Klappe, Kleine. Deine Stimme ist so grausam schrill, die raubt mir in einer Minute den letzten Nerv. Und mit so einer Stimme willst du Sängerin werden. Das ich nicht lache, das schaffst du nie Quitschi.“

Kimberli holt wütend Luft, man merkt das sie sich nicht gerne den Mund verbieten lässt, doch das rothaarige Mädchen wendet sich von ihr ab und tritt auf Pablo zu, der sein Pokémon auf den Arm genommen hat, damit es nicht wieder weg rennt. Allerdings macht er einen ängstlichen Eindruck, vermutlich ist dieses Mädchen also auch eins seiner Mobber. Was ich mir bei ihr gut vorstellen kann, ist sie doch diejenige gewesen, die sich vor allen als Chef aufgespielt hat und jedem gesagt hat, er soll sich kein Wasser Pokémon nehmen, ansonsten… ach du Scheiße! Pablo hat ein Wasser Pokémon! Und ich auch, auch wenn sie das Gott sei Dank nicht weiß. Aber das Pablo ein Wasser Pokémon hat, dass sieht sie ja. Das ist auch der Grund warum sie hier ist, sie will es ihm heimzahlen, dass er sich nicht an ihre Regel gehalten hat.

„Zwerg, hatte ich nicht eine Regel aufgestellt? Du bist doch so schlau, ich dachte, da kannst du wenigstens zuhören und dich an Anweisungen halten. Aber anscheinend hältst du dich für ober klug. Nun, ich werde dir zeigen, dass du definitiv nicht so schlau bist, wie du denkst, denn sonst hättest du auf mich gehört. Kannst du dich daran erinnern, was ich angedroht habe, wenn man sich ein Wasser Pokémon nimmt? Ich habe gesagt, dass man es mit mir zu tun bekommt und das bedeutet, dass du deines Lebens nicht mehr sicher sein kannst. Du wirst jetzt gegen mich kämpfen und ich garantiere dir, am Ende werde ich siegen und du wimmernd zu meinen Füßen liegen. Da wo du hingehörst.“

Pablo ist so eingeschüchtert, das er noch nicht mal nicken kann, geschweige denn ablehnen. Ich will gerade einschreiten, da hält mich jemand am Handgelenk fest. Wütend sehe ich auf die Hand, von der ich weiß, dass sie Peggy gehört. Langsam nimmt sie die Hand weg, schüttelt dafür aber entschieden den Kopf und ich kann praktisch ihre Gedanken hören. `Nicht Stuntgirl! Er muss das alleine schaffen. ´ Ich überlege, doch als ich sehe, dass Pablo sich langsam fasst, nicke ich ergeben. Ich werde ihn alleine seinen Kampf schlagen lassen.
 

„Na also Zwerg, dann lass uns anfangen. Mach dich auf deine erste Niederlage gefasst. Die erste in einer nie enden werdenden Serie, denn wer sollte schon gegen dich verlieren?“, höhnt das Mädchen, während sie ihren Pokéball von ihrem Gürtel nimmt.

Ohne etwas zu erwidern lässt Pablo sein Pokémon aus seinen Armen springen, dass sich vor ihn stellt und fröhlich: „Schi, Schiggy!“, ruft. Es scheint sich auf den Kampf zu freuen, ganz im Gegensatz zu seinem Trainer.

Jenni schnaubt herablassend und schleudert ihren Pokéball, aus dem das Affenpokémon von ihr erscheint. Er grinst fies, streckt seinen Gegnern die Zunge raus, während er mit fieser Stimme: „Pa, Pan!“, brüllt.

„Du darfst anfangen Zwerg. Ich lasse dir den Vortritt. Nutz es aus, es wird der einzige Moment in diesem Kampf sein, indem du zum Zug kommst.“

„Na dann Schiggy, fangen wir an. Tackle.“ Noch bevor Pablo mit Sprechen fertig ist, ist Schiggy schon losgerannt und ich muss sagen, es ist verdammt schnell. Panflam bleibt überhaupt keine Zeit auszuweichen.

„Das war ja gar nichts. Setz mit Kratzer nach, Panflam.“

„Pa an!“ Mit einem fiesen Grinsen dreht sich das Pokémon um, springt Schiggy mit einem Satz auf den Panzer und kratzt ihm über das Gesicht.

„Schiggy!“, schreit das Kleine auf.

„Schiggy alles okay?“ Das Pokémon nickt seinem Trainer zu und Pablo lächelt es an. „Gut, dann jetzt Rutenschlag.“ Wieder rennt das Pokémon los und wieder ist es so verdammt schnell. Panflam folgt Schiggy mit seinem Blick, solange bis ihm schwindelig zu sein scheint und in dem Moment schreit Pablo: „Tackle!“ Wie der Blitz wendet sein Pokémon und rennt im nächsten Moment auch schon gegen Panflam.

„Pa!“

„Panflam Silberblick!“ Doch dem Äffchen ist noch so schwindelig, dass der Befehl scheinbar nicht richtig zu ihm durchdringt.

„Panflam setz verdammt noch mal Kratzer ein!“

„Weich aus Schiggy!“ Doch da hat Panflam Schiggy auch schon mit einem Sprung eingeholt und kratzt Schiggy erneut übers Gesicht.

„Schnell Tackle Schiggy!“ Schnell rennt das Schildkrötenpokémon in Panflam hinein, doch das keckert nur abfällig. Frech wie es ist, scheint es sich über die fehlende Stärke Schiggys lustig zu machen und auch seine Trainerin grinst fies. „Na, da hast du dir ja das richtige Pokémon ausgesucht. Genauso schwach wie du, aber schnell genug zum Abhauen. Vielleicht sollten wir abbrechen, damit du schnell vor mir flüchten kannst.“

„Schiggy Schig!“, schreit Pablos Pokémon protestierend.

„Ja, du hast Recht Schiggy, wir geben nicht auf.“

„Ach ja?“, schnappt diese zurück. „Wir zeigen dir jetzt mal, was Stärke ist, dann wirst du dir wünschen, abgehauen zu sein. Panflam Kratzer immer wieder!“ Das Pokémon keckert und springt dann wieder auf Schiggys Panzer. Dort klammert es sich mit seinen Füßen fest und beginnt dann über Schiggys Gesicht zu kratzen.

„Schiii!“, schreit das Pokémon auf und beginnt wie irre durch die Gegend zu rennen, um den Gegner auf seinem Panzer abzuschütteln. Doch der hält sich hartnäckig fest und malträtiert das Gesicht immer weiter.

„Schiggyyy!“

„Schiggy, versuch dich zu beruhigen. Es ist alles gut. Versuch ruhig zu bleiben und Panflam abzuschütteln.“ Doch der Kleine ist viel zu verwirrt in seinem Schmerz, um auf seinen neuen Trainer zu hören.

„Panflam!“, schreit Jenni und lacht finster. „Beende dieses Kasperletheater jetzt.“

„Pa-an“, kichert es, stößt sich von Schiggys Panzer ab und katapultiert sich so vor das Wasserpokémon. „Panflam!“, brüllt es, dann holt es mit beiden Armen aus und versetzt Schiggy den letzten finalen Schlag.

„Schiiigyyy!“, schreit das Pokémon getroffen aus, bevor es hinterrücks umkippt und ko geht.
 

„Schiggy oh nein“, haucht Pablo erschrocken, bevor er zu seinem Pokémon eilt und sich besorgt über es beugt.

„Na, hab ich dir nicht gesagt, du sollst dich nicht mit mir anlegen. Jetzt weißt du es. Jetzt weiß jeder, dass man sich nicht mit mir anlegen sollte. Schreib dir das hinter die Ohren, Zwerg“, höhnt Jenni. Dann dreht sie sich mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen um, dass ihre roten Haare durch die Luft fliegen und stolziert davon. Auf einmal wirft sie noch einen Blick zu uns zurück, wie wir da schockiert stehen, zieht hämisch eine Augenbraue nach oben und sagt: „Komm Panflam. Bis bald Zwerg und Zwergenanhang.“ Ihr Pokémon rennt ihr hinterher, klettert gekonnt an Jenni hoch und setzt sich auf ihre rechte Schulter. Es dreht sich zu und um und streckt uns die Zunge heraus, bevor seine Trainerin und es aus unserem Sichtfeld verschwinden.
 

Auf einmal hört man ein leises Schluchzen, gefolgt von einem leisen fragenden: „Schiggy?“

„Oh Gott sei Dank, du bist wieder aufgewacht. Schiggy, es tut mir so leid, dass wir verloren haben. Das ist meine Schuld, ich hätte vermutlich doch noch ein Jahr warten sollen. Ich bin vielleicht doch noch nicht bereit ein Trainer zu sein“, wimmert Pablo, während sein Pokémon langsam beginnt sich aufzurappeln.

Als ich sehe, wie niedergeschlagen Pablo von der Niederlage ist, kommen in mir große Wellen von Mitgefühl für ihn und große Wellen von Wut gegenüber Jenni auf. Wie kann sie Pablo nur so nieder machen? Reicht es ihr nicht, dass sie ihn besiegt? Scheinbar nicht, denn im Anschluss muss sie auch noch auf ihm herum trampeln. Pablo tut mir wirklich leid, seine Selbstzweifel tun mir in der Seele weh. Schnell eile ich zu ihm und knie mich neben ihn.

Als er bemerkt, dass jemand bei ihm ist, zieht Pablo geräuschvoll die Nase hoch und versucht mit seinem Ärmel die Tränen wegzuwischen. Doch es stoppt schnell in seinem Tun, als er merkt, dass es sowieso egal ist. Wieder beginnt es zu schluchzen und nimmt sein Schiggy in eine feste Umarmung, was immer noch ziemlich schwach auf den Beinen ist.

„Oh Pablo. Nimm dir das Gerede dieser Zicke doch nicht so zu Herzen. Wir wissen doch alle, dass du ein toller Trainer bist und sein wirst und du weißt das auch. Schließlich bist du der einzige, der schon ein Jahr früher auf eine Reise gehen darf und das, weil du super bist. Hör nicht auf Jenni. Sie ist doch nur neidisch, weil du nicht noch ein Jahr warten musst und sie so lange abwarten musste. Sie ist nur total eifersüchtig, weil du besser bist als sie und darum wollte sie dich auch so unbedingt in einem Kampf schlagen. Vielleicht ist es ganz gut, dass du sie nicht besiegt hast, sonst hätte sie nur immer weiter gemacht. So lässt sie dich jetzt ja vielleicht in Ruhe.“

Pablo sieht mich erstaunt mit tränennassen Augen an. „Meinst du echt, dass sie mich jetzt endlich in Ruhe lässt?“

„Ich weiß nicht, aber sie hat doch jetzt erreicht was sie wollte oder? Sie wollte dich am Boden sehen und das hat sie ja jetzt geschafft.“

„Nein“, erwidert Pablo leise.

„Was?“

„Ich sagte nein, sie hat mich nicht zerstört.“ Mit diesen Worten scheint sein Kampfgeist zu erwachen, langsam steht Pablo auf, sein geschwächtes Pokémon immer noch auf dem Arm. „Ich werde es der Oberzicke Jenni zeigen.“
 

„Na also, dass ist die richtige Einstellung Kleiner. Gut gemacht Stuntgirl. Hast unseren Kleinen hier wieder gut aufgebaut“, bemerkt auf einmal Peggy hinter uns und haut dabei sowohl mir als auch Pablo auf die Schulter, sodass ich unter ihrem Schlag wieder in die Knie gehe. Ich werfe dem Mädchen einen genervten Blick zu, die hat ihre Kraft aber wirklich nicht unter Kontrolle, aber Peggy sieht mich gar nicht an. Die ist viel zu sehr auf Pablo fixiert.

„Hier Pablo“, hört man Kimberli quietschen, als sie dem Jungen ein Taschentuch reicht. Der nimmt es mit einem dankbaren Lächeln an. „Geht’s wieder?“

„ja danke Kimmy. Und dir auch danke Svenja. Du hast mich grad echt aufgebaut.“ Mit einem sanften Lächeln sieht er mich an und es steht ihm viel besser als die Tränen. Ich lächele ebenfalls und stehe auf.
 

„Und jetzt?“, frage ich, als alle, sogar Kimberli, in ein Schweigen fallen.

„Naja, eigentlich wollten Kimberli und ich gegeneinander kämpfen, aber das hat sich ja jetzt erledigt“, vermutet Peggy.

„Richtig, jetzt sollten wir uns darum kümmern, dass Schiggy geheilt wird“, meint Pablo und streichelt seinem geschwächten Starter über den Kopf, das daraufhin seine Hand an stupst, um weiter Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Wir reisen nämlich zusammen, ich, Pablo und Peggy. Das hatten wir schon ausgemacht, als wir alle wussten, dass wir alle am selben Tag unsere Pokémon bekommen. Seitdem planen wir unsere Reise“, plappert Kimberli direkt drauflos, doch plötzlich unterbricht sie sich, sieht mich seltsam neugierig an und fragt dann: „Sag mal, hättest du nicht Lust mit uns zu reisen?“

Der überraschte Blick von Peggy steht meinem in nichts nach, nur das Peggy auch noch genervt und ja, auch entrüstet aussieht. Bloß Pablo scheint die Frage erwartet zu haben. Aber will er das denn? Und was ist mit Peggy? Und würde das mit meinem Karnimani überhaupt funktionieren? Ich weiß es nicht und mir bliebt keine Zeit es heraus zu finden, ich muss mich entscheiden, denn Schiggy muss schnellstmöglich geheilt werden.

Der erste Kampf ist immer anderes als man denkt

Der erste Kampf ist immer anderes als man denkt
 

„Ich weiß nicht Kimberli. Mein Karnimani ist etwas … speziell und ich weiß nicht, ob es eine gute Idee wäre, ihn gleich mit so vielen Leuten zu konfrontieren. Außerdem haben Peggy und Pablo da ja auch noch ein Wörtchen mitzureden. Und wenn ihr das jetzt schon so lange geplant habt, dann wäre es vielleicht keine gute Idee, wenn ich bei euch mitreise. Ich will mich ja auch nicht aufzwingen oder in die Gruppe drängen. Und bestimmt behindern wir uns gegenseitig mit unseren Zielen. Ich für meinen Teil will alle Orden gewinnen, das heißt ich werde nirgendwo lange bleiben und viel trainieren und so. Ich weiß nicht, ob das funktionieren würde.“

„Oh“, murmelt Kimberli enttäuscht, aber Peggy nickt mit einem zufriedenen Ausdruck und ich habe wieder das Gefühl, dass sie etwas gegen mich hat. Vielleicht ist es gut, wenn ich nicht mit ihnen reise. Das gäbe bestimmt Streit zwischen mir und Peggy, auch wenn ich nicht weiß, warum sie mich nicht mag. Ich habe ihr doch nichts getan.

Pablo sieht mich ebenfalls etwas betrübt an, doch dann nickt er. Er scheint meine Entscheidung zu akzeptieren. „Okay, das ist zwar schade, weil ich für meinen Teil hätte dich sehr gerne in unserer Gruppe dabei gehabt, aber es ist deine Entscheidung. Ich glaube zwar nicht, dass wir uns in unseren Träumen behindern würden, viel eher würden wir uns ja unterstützen, aber da ich so einiges über dieses Karnimani gehört habe, wäre es vielleicht wirklich besser, wenn du dich erstmal alleine mit ihm beschäftigst.“

Ich nicke ihm zu und Kimberli fasst das ganze zusammen. „Dann reist du nicht mit uns, richtig?“

„Ja, erstmal heißt es nur Karnimani und ich alleine“, bekräftige ich und nicke unterstreichend.

„Das heißt, wir werden weiterhin zu dritt reisen“, meint Peggy und es klingt fast so als wäre sie darüber glücklich. Es ist vermutlich wirklich besser, wenn ich nicht mit ihnen reise. Unerklärlicherweise scheint Peggy nämlich etwas gegen mich zu haben.
 

„Dann sollten wir jetzt wohl los. Wir müssen noch Schiggy heilen und uns hält hier ja sonst nichts mehr, also sollten wir uns auf machen. Ich bin schon total aufgeregt“, erklärt Kimberli freudig, dann umarmt mich zu meiner Überraschung ungestüm. Etwas überrumpelt erwidere ich die Umarmung, da ich damit nicht gerechnet habe, schließlich kennen wir uns erst kurz, allerdings hat sie mir ja auch angeboten mit ihnen zu reisen, daher scheint sie mich schon jetzt als ihre Freundin anzusehen. Doch schnell löst sich Kimberli wieder von mir, tritt ein paar Schritte zurück und wird leicht rot. „Naja, also tschüss Svenja und wir sehen uns bestimmt bald wieder.“

Ich lächle sie an, damit sie weiß, dass mir die Umarmung nicht unangenehm war und alles gut ist, was Kimberli zu verstehen scheint, denn sie grinst jetzt ebenfalls wieder. Da tritt auch Pablo auf mich zu und umarmt mich etwas ungeschickt. „Danke für deine Hilfe Svenja und viel Glück mit Karnimani, ich bin sicher du schaffst das mit ihm“, flüstert er mir ins Ohr und bevor ich etwas erwidern kann, ist er schon wieder etwas zurückgetreten und sagt laut: „Bis bald Svenja!“ Dabei lächelt er wieder auf diese einnehmende Art, das ich automatisch zurücklächeln muss.

„Ja, machs gut Stuntgirl“, brummt Peggy, ohne mich zu umarmen oder mich auch nur anzusehen. Sie muss wirklich etwas gegen mich haben, nur weiß ich nicht was.

„Viel Spaß zusammen auf eurer Reise, ihr drei. Ich bin mir sicher, wir sehen uns schnell wieder. Und falls nicht, können wir uns ja anrufen, wenn wir jetzt Nummern tauschen, was meint ihr?“, frage ich lächelnd.

„Oh ja, super Idee!“, ruft Kimberli begeistert und kramt gleich in ihrer Tasche nach ihrem Handy, was sich als Herausforderung darstellt, da sich ja immer noch Floink in dieser befindet und nicht aus der Tasche kommen will. Doch nach einigem Betteln von Kimberli springt es dann doch mit einem genervten Grunzen aus der Tasche, was alle außer Kimberli zum Schmunzeln bringt. Es ist aber auch zu lustig, wie sich das Pokémon beschwert, weil er seinen warmen und bequemen Sitzplatz verlassen muss.

Nachdem dann endlich jeder sein Handy in Händen hält, tauschen wir Nummern, doch dann ist es Zeit für den Abschied. Schiggy scheint soweit zwar ganz fit zu sein, so ausgelassen, wie es schon wieder herumtollt, trotzdem kann der Schein ja bekanntlich trügen. Pablo will seinen Starter auf jeden Fall durchchecken lassen.

„Tschüss Svenja bis bald“, sagen die drei im Chor und ich muss lächeln, winke ihnen nach und rufe: „Ja, bis bald, wir sehen uns!“ Damit wende auch ich mich ab und gehe langsam den Weg aus dem Dorf zu Route 50, denn erst dort will ich Karnimani aus seinem Pokéball lassen. Hier bei all den Menschen ist es mir zu gefährlich und ich habe ohnehin Hemmungen, ihn herauszulassen. Aber wenn ich ihn nie aus dem Ball lasse, wird er sich auch nie am mich gewöhnen, also je früher ich es hinter mich bringe, desto besser. Nervös bin ich allerdings schon. Was, wenn er mich wieder angreift?
 

Route 50 ist ein mit Gras bewachsener Feldweg, doch man sieht deutlich, dass hier oft Menschen vorbeikommen, so abgetreten, wie einige der Grasflächen sind. Das ist aber auch kein Wunder, schließlich ist Route 50 der einzige Weg nach Bad Jeamik und damit der einzige zu Prof. Aquilon. Trotzdem gibt es einige Pokémon, die hier leben. Ich sehe, oder höre vielmehr, einige Wiesor Gruppen, deren Aufpasser bei meinem Anblick zu schreien anfangen, um die anderen zu warnen. Gleich darauf flieht die ganze Gruppe zwischen die Sträucher und Bäume, die den Rand des Weges säumen. In denen zwitschern Schwalbini, ab und zu jagen auch mal welche im Flug durch die Luft. Ein akrobatischer Anblick, wie sie so durch die Luft turnen!
 

Doch nun ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Ich hole Karnimanis Pokéball aus meiner Tasche und betrachte ihn. Er liegt ruhig in meiner Hand. Doch was passiert, wenn ich ihn rauslasse? Es gibt wohl nur einen Weg das herauszufinden. Noch einmal tief durchatmend öffne ich den Pokéball und ein weißer Energiestrahl schießt daraus hervor, aus dem sich Karnimani manifestiert. Diese Technologie fasziniert mich immer wieder.

„Karnimani!“, ruft es aggressiv, dann hält es inne und schnuppert in der Luft. Gleich darauf fixieren seine roten Augen mich und unweigerlich zittere ich. Sein Blick ist nicht freundlich, er ist brutal und beängstigend, getränkt von unterdrückter Wut. Dabei habe ich ihm doch nichts getan!

„Ha-hallo Karnimani. Ich bin Svenja, deine …naja, deine Trainerin. … ähm... tja… . Und ich hoffe, dass wir uns anfreunden können, was meinst du?“ Ich will mich zu ihm hinknien und es berühren, doch Karnimani fletscht die Zähne und knurrt mich drohend an. Schnell zucke ich zurück. „Hey, ist doch alles gut. Ich will dir doch nichts tun Karnimani. Wir sind jetzt Partner, verstehst du? Ich möchte, dass wir uns verstehen, weil wir ab jetzt ein Team bilden.“ Das Pokémon schnaubt sarkastisch, dann wendet er sich von mir ab. Ich richte mich auf und atme erlöst auf. Das lief doch besser als erwartet. Es hat mich nicht angegriffen, das ist schon mehr als ich gehofft habe. Und den Rest, das bekommen wir gemeinsam hin.
 

Langsam folge ich Karnimani, das vor mir her läuft und mir nicht einen Blick schenkt. Er scheint eher ganz fasziniert von der Natur und dem Leben um ihn herum zu sein, so aufmerksam und neugierig, wie er sich umsieht. Ich muss lächeln, als ich die Begeisterung im Blick meines Pokémon sehe. Es ist also nicht immer nur böse und aggressiv, das ist doch was Gutes.

Ich beeile mich, um zu ihm aufzuschließen. Als Karnimani merkt, dass ich neben ihm laufe, wird sein Gesichtsausdruck wieder bitter und es sieht stur geradeaus. „Du musst dich nicht verstellen. Ich habe gesehen, wie begeistert du gerade eben noch alles betrachtet hast. Hast du diese Gegend noch nie gesehen?“, will ich wissen, denn eigentlich müsste Karnimani mit einem seiner vorherigen Trainer zumindest doch schon mal auf dieser Route gewesen sein. Außer-

Karnimani knurrt verstimmt, was ich so oder so interpretieren kann. Aber vielleicht haben seine früheren Trainer es nie aus dem Ball gelassen. Vermutlich hatten sie Angst vor ihm. Vielleicht ist das der Grund, warum er sich so gegen seinen Pokéball währt. Wenn es so ist, dann sollte ich es vermeiden, Karnimani gegen seinen Willen darin einzusperren, solange ich noch eine andere Wahl habe. Förderlich für unsere Freundschaft wäre es nicht.

Nur, wenn ich es jetzt danach frage, wird es bestimmt sauer. Das wäre ja, wie in einer frischgeschlagenen Wunde rumzustochern. Das kann nicht gut ausgehen, möglicherweise würde Karnimani mich sogar wieder angreifen. Aber manchmal ist es doch gut, wenn man über etwas redet. Das soll beim Verarbeiten helfen, hat mir mal mein Vater erklärt. Wäre er jetzt hier, könnte er als Psychologe mir sagen, was ich tun soll. Doch jetzt, auf meiner Reise auf mich gestellt, muss ich entscheiden, was für mich und meine Pokémon das Beste ist. Nur war ich darin noch nie besonders gut. Doch das ist es ja, was ich durch meine Reise lernen will.
 

Bevor ich eine Entscheidung treffen kann, was ich jetzt machen will, höre ich einen Schrei. Ich fahre aus meinen Gedanken und sehe gerade noch, wie eins der Schwalbini aus einem der Bäume segelt und sich direkt vor Karnimani aufbaut. Dabei breitet es ihn einer Drohgebärde seine Flüge aus, vermutlich will es sein Nest verteidigen und sieht sein Territorium von Karnimani und mir bedroht.

Das wäre ja nicht so schlimm, vielleicht könnte ich dem Pokémon erklären, das wir ihm nichts Böses wollen, nur scheinbar scheint Karnimani nicht meiner Meinung zu sein. Nach friedlicher Diplomatie sieht es jedenfalls nicht aus, so wie das Wasserpokémon seinen Angreifer anknurrt. Bevor ich auch nur einen Ton herausbringen kann, hat mein Pokémon schon ausgeholt und Schwalbini gekratzt. Das schreit entrüstet auf und flattert mit den Flügeln, wobei es sich etwas in die Luft erhebt.

Ich seufze. Soviel zu friedlicher Diplomatie, jetzt bleibt uns ja nichts anderes übrig, als gegen den wilden Vogel zu kämpfen.
 

„Okay Karnimani, das wird unser erster Kampf. Sehen wir zu, dass wir unsere Sache gut machen und gewinnen, ja? Setz als erstes Silberblick ein!“, rufe ich meinem Pokémon zu. Das sieht mich mit an, als würde es die nicht vorhandene Augenbraue hochziehen, bevor es herablassend schnaubt und– … Kratzer einsetzt?!? Er setzt Schwalbini nach, doch das keckert nur belustigt, während es hochfliegt und so ausweicht. Karnimani knurrt wütend und seine roten Augen blitzen, als es vom Boden aus seinen fliegenden Feind beobachtet, unfähig ihn zu erreichen.

„Karnimani nutz Silberblick, das wird uns im Kampf helfen und einen Vorteil verschaffen“, versuche ich ihm meine Anweisung zu erklären, doch mein Pokémon hört mir gar nicht zu, sondern springt in die Luft, wobei es sich auch mit seinem Schwanz abdrückt. Doch es kommt nicht hoch genug. Schwalbini fliegt einfach höher und klackert dabei noch belustigt mit seinem Schnabel.

„Karrr!“, brüllt Karnimani frustriert auf, als es den Boden wieder berührt und fixiert dabei seinen Gegner.
 

Was soll das, warum hört es mir nicht zu? Ich wusste ja, dass es nicht gut auf mich zu sprechen ist, weil es schon eine Menge schlechte Erfahrungen mit anderen Trainern gemacht hat, wie ich vermute, aber das es mir auch nicht im Kampf gehorcht, wo das definitiv notwendig wäre, das hätte ich nicht erwartet. Und verkompliziert alles natürlich um einiges. Ich hatte gehofft, dass die Kämpfe eine gemeinsame Basis für uns werden könnten, auf die wir aufbauen könnten, aber wenn mir nicht mal das bleibt, weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Was haben wir dann noch?
 

Schwalbini scheint in der Zwischenzeit genug davon zu haben, immer nur in der Luft auszuweichen, denn es stürzt sich in rasantem Tempo mit angelegten Flügeln aus der Luft auf Karnimani.

„Weich aus Karnimani, dann wird es den Boden treffen!“, rufe ich ihm zu, doch das schüttelt entschlossen den Kopf und ich muss mit Entsetzen, wie es an Ort und Stelle stehen bleibt und sich so von Schwalbinis Schnabel Attacke ungespitzt in den Boden rammen lässt. „Maani!“, schreit es auf, während das Flugpokémon schon wieder in der Luft abdreht.
 

Warum macht es das? Es muss ihm doch klar sein, dass es diesem Angriff hätte ausweichen können, wie ich es ihm gesagt habe. Warum tut es nicht das, was ich ihm sage, sondern das genaue Gegenteil? Moment! Es tut das Gegenteil von dem was ich ihm sage! Missachtet er meine Befehle einfach nur aus Trotz? Das ließe sich ja leicht überprüfen.

„Karnimani Kratzer! Spring hoch!“

Mein Pokémon musterst mich eindeutig genervt und wütend, dass ich es wage, mich in seinen Kampf einzumischen, doch dann wendet es seinen Blick Schwalbini zu und wirft diesem einen Silberblick aller erster Klasse zu.
 

Hah! Ich habs gewusst! Das ich nun weiß, wie ich das Ganze handhaben muss, macht es leichter, aber trotzdem ist dieses Theater noch Meilen davon entfernt, einfach zu werden. Denn jetzt muss ich immer umdenken, wenn es Silberblick einsetzen soll, muss ich Kratzer befehlen und umgekehrt. Doch auf Dauer wird das nicht funktionieren. Komplizierte Strategien würde es durch diese umgekehrte Psychologie nicht verstehen und sobald es eine weitere Attacke erlernt, verringert sich die Chance, dass es die von mir gewollte Attacke einsetzt. Doch damit werde ich mich beschäftigen, wenn ich Zeit habe. Jetzt muss ich Karnimani mit Geschick durch diesen Kampf leiten.

Manchmal ist es doch ganz praktisch, einen Psychologen als Vater zu haben. Er durchschaut einen zwar sofort und will immer alles aussprechen, doch andererseits lernt man auch solche Sachen wie umgekehrte Psychologie.
 

„Also gut Karnimani. Setz Kratzer ein.“ Angesprochener schnaubt, bevor er erneut Silberblick nutzt - ganze wie ich es gehofft habe. Schwalbini ist von diesem Blick so eingeschüchtert, dass es schwach zu Boden flattert, um sich dort von dem Schreck zu erholen. Ich sehe die Chance, die sich daraus ergibt, und rufe geistesgegenwärtig: „Kratzer!“, wie ich es bei jedem anderen Pokémon auch machen würde. Im nächsten Moment möchte ich mich für meinen unüberlegten Ausruf schlagen, denn Karnimani rollte die Augen, doch da es ja auf keinen Fall das machen will, was ich ihm sage, setzt es erneut Silberblick ein. Meine Hoffnung, dass der Schreck immer noch z tief in Schwalbinis Federn sitzt, zerbröselt, als es mit lautem Kampfschrei auffliegt und dann, schneller an man gucken kann, auf Karnimani zurast. Ich habe gar keine Zeit, um irgendwas zu rufen, geschweige denn, meinen Befehl umzudenken, da hat Schwalbini mein Pokémon schon so hart gerammt, dass es davon geschleudert wird und gegen einen Baum fliegt.

„Karnimani!“, rufe ich erschrocken und will schon zu ihm eilen, da rührt es sich schwach.

„Kar…ni…ma…ni“, keucht es, als es wieder in Angriffsposition schwankt.

„Karnimani, ich bin so stolz, dass du so lange durchhältst“, sage ich mit vor Zuversicht starker Stimme, doch die Wasserechse wirft mir nur einen wütenden Blick zu, bevor er, so schnell es ihm möglich ist, auf Schwalbini zu rennt, vermutlich um es zu kratzen. Doch das Pokémon weicht wie Anfangs einfach in die Luft aus. Dann stimmt es ein schreckliches Heulen an, aber Karnimani schüttelt entschlossen den Kopf und startet einen weiteren Versuch, das Vogelpokémon zu kratzen. Vergeblich, das Pokémon ist einfach zu flink und Karnimani kann nicht hoch genug springen, um es zu erreichen. Anschließend stürzt sich Schwalbini erneut aus der Luft auf Karnimani. Dieses Mal schreie ich: „Bleib stehen und blockier das, um dann Silberblick einzusetzen.“ Und erstaunlicherweise tut Karnimani was ich ihm sage, zumindest teilweise. Er bleibt stehen wie ich es gesagt habe, aber vermutlich ist er nur zu müde, um etwas anderes zu tun, dann, sobald Schwalbini sich in seiner Nähe befindet, setzt er Kratzer ein, wie ich es erwartet hatte.
 

Das er, zumindest teilweise, getan hat, was ich wollte, bereitet mir Sorgen. Wenn er schon zu müde ist, um seinen Trotz aufrechtzuerhalten und auszuweichen, kann es nicht mehr lange dauern, bis dieser Kampf verloren ist- mit Karnimani als Verlierer.

„Schwalbini!“, schreit das Pokémon erfreut auf, scheinbar erkennt auch es, dass ein Ende nicht mehr fern ist.
 

„Los Karnimani Silberblick!“ Wie ich erwartet habe, rennt das blaue Pokémon sofort los und dieses Mal ist er schnell genug, um Schwalbini über seinen Flügel zu kratzen, bevor es sich in die Luft erheben kann. Dann schießt es los, schneller als ich sehen kann, doch jetzt bin ich vorbereitet. „Kratzer!“, setze ich alles auf eine Karte. Der Blick, den Karnimani seinem Gegner zuwirft, ist mörderisch und ganz wie ich gehofft hatte, schüchtert er Schwalbini zu sehr ein, um seinen Ruckzuckhieb ausführen zu können.

„Schnell Silberblick!“, kann ich gar nicht schnell genug rufen, wie Karnimani schon losgerannt ist und Schwalbini dieses Mal über den anderen Flügel kratzt. Nun zieren beide Flügel rote Kratzspuren, den Legendären sei Dank bluten sie nicht, sonst hätten wir hier ein Massaker, verursacht durch Karnimani. Doch die Kratzer scheinen Schwalbini zu behindern, es kommt nur schwer in die Luft und jeder Flügelschlag scheint ihm zu schmerzen. Vielleicht haben wir doch noch eine Chance.

Erneut lässt Schwalbini einen schrecklichen Heuler los, doch wieder lässt sich Karnimani davon nicht beeinflussen. Es knurrt aggressiv und springt hoch, doch ich sehe, dass die Höhe wieder nicht ausreicht, um den Vogel aus der Luft zu holen. Plötzlich sackt dieser nach unten ab und Karnimani bekommt dessen Schwanzspitze in die Schnauze. Mit einem kräftigen Ruck des Genicks schleudert er Schwalbini zu Boden, wobei es aufschreit und dann liegen bleibt. Es ist besiegt.

Sobald Karnimani den Boden berührt, brüllt es „Kaaarniiimaaaniii!“ und kippt ebenfalls ko um. Die Anstrengungen des Kampfes waren schlussendlich wohl zu viel für ihn.
 

Ich renne zu meinem Pokémon, werde aber langsamer, je näher ich ihm komme. Der Kampf hat mir gezeigt, was Karnimani alles kann und schwach ist es wirklich nicht. Ich habe etwas Angst, dass es gleich aufwacht und ausrastet, weil ich ihm helfen will und deshalb nah bei ihm bin. Das, wie man gemerkt hat, mag er ja nicht.

Als ich direkt vor ihm stehe, sehe ich, dass er ganz ruhig, aber mit geschlossenen Augen, atmet, so als würde er nur schlafen. „Das hast du fantastisch gemacht Karnimani. Ich bin so stolz auf dich, Partner“, flüstere ich mit schwacher Stimme und strecke dann eine Hand aus, um ihm über die Schnauze zu streicheln. Meine Finger zittern und ich kann es nicht unterdrücken, doch das Zittern stoppt schlagartig, als ich Karnimani berühre. Es ist das erste Mal, dass ich es anfasse und das kann ich auch nur, weil es ohnmächtig ist.

In einem anderen Moment würde mich dieser Gedanke traurig stimmen, doch jetzt bin ich viel zu erstaunt und glücklich über den Augenblick. Ich habe meinen ersten Kampf hinter mir und habe sogar gesiegt, naja eigentlich nur unentschieden und meinen Kampf hatte ich mir auch anderes vorgestellt, aber was solls? Mein Gegner ist besiegt, so oder so. Und das schönste, ich kann mein Pokémon anfassen. Seine Haut ist überraschenderweise kühl und schuppig. Jetzt, wo ich so nah neben ihm knie, erkenne ich die vielen kleinen Schuppen, die meine Fingerkuppen ertasten. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl mein Karnimani anfassen zu können. Auch wenn es das vermutlich gar nicht spürt, schließlich ist es ko. Aber wer weiß schon, was Pokémon im besiegten Zustand so alles mitbekommen?
 

Langsam hohle ich Karnimanis Pokéball hervor. Ich wollte es eigentlich nicht mehr so bald darin einsperren, aber ich sehe keine andere Möglichkeit um es zu transportieren. Natürlich könnte ich es tragen, aber ich habe Angst davor, dass er während dem Laufen aufwacht und mich angreift, sobald es erkennt, wie nah ich ihm bin. Nachher verletzt es sich bei dem Versuch noch, so erschöpft wie es momentan ist. Nein, das will ich nicht riskieren, also muss ich ihn in den Ball zurückrufen.

Ich halte Karnimani den Pokéball entgegen, worauf ein roter Energiestrahl daraus hervor schießt und das Pokémon in den Ball saugt. Im Gegensatz zum ersten Mal bleibt der Pokéball dieses Mal ruhig, was ausschließlich daran liegt, das Karnimani dieses Mal nicht bei Bewusstsein ist.

Ein Blick auf das Schwalbini zeigt, dass es ebenfalls nicht so stark verletzt ist. Es beginnt schon wieder sich zu rühren, was mir sagt, dass ich mich jetzt wirklich hier weg machen sollte. Schließlich kann es gut sein, dass Schwalbini Freunde hat, die es bei Bedarf rufen kann, damit diese für ihn Rache üben. Das will ich nur ungern erleben.

Also mache ich kehrt und laufe so schnell es mir möglich ist wieder zurück nach Bad Jeamik. Bestimmt kann Prof. Aquilon Karnimani heilen und vielleicht kann er mir noch mehr über ihn erzählen oder zumindest meine Vermutungen bestätigen oder entkräften.

Auf ein Neues!

Auf ein Neues!
 


 

Schnell bin ich wieder bei Professor Aquilons Labor angekommen und klopfe hastig gegen die Holztür. Gleich darauf wird die Tür geöffnet und der Professor sieht mich erstaunt an. Dann seufzt er enttäuscht auf. „Ich hatte wirklich gehofft, dass du es mit ihm schaffen würdest. Aber da hab ich mich wohl getäuscht, du bist fast als eine der schnellsten wieder hier. Was hat er getan? Ich sehe auf den ersten Blick keine Verletzungen. Aber du wirst schon deine Gründe haben, auch wenn ich wirklich gehofft hatte, dass du ihm etwas länger eine Chance geben würdest. So kann man falsch liegen. Nun denn, komm rein und wir bringen die Rückgabe hinter uns. Aber dir ist wohl hoffentlich klar, dass du dann dieses Jahr nicht auf eine Reise gehen wirst? Gut, dann komm mal rein Svenja.“ Total überrumpelt sehe ich den Professor an und trete durch die Tür, worauf der Mann erneut seufzt. Dann bittet er mich an einem Tisch Platz zu nehmen und Karnimanis Pokéball in die Tauschmaschiene zu legen. Erst da verstehe ich wie mein Auftauchen auf den Professor wirken muss. Da rufe ich laut: „Aber ich will Karnimani doch gar nicht wieder zurückgeben!“

„Nicht?“, fragt der Professor und sieht mich mit schiefgelegtem Kopf deutlich verwirrt an.

„Nein, ich bin nur hier, weil Karnimani besiegt wurde und ich dachte, sie könnten ihm helfen. Außerdem habe ich gehofft, sie könnten mir auch einige Fragen über ihn beantworten, die ich vorhin nicht stellen konnte.“

„Warum hast du das denn nicht gleich gesagt Mädchen? Ich dachte schon, du hättest schon aufgeben und wolltest ich mir wieder zurück bringen.“

„Niemals! Ich will und werde es mit Karnimani versuchen und gemeinsam schaffen wir das auch.“

„Na Arceus sei Dank, ich dachte schon, ich hätte mich in dir getäuscht. Wenn das so ist, dann gib mir mal Karnimanis Ball, ich habe hier eine Maschine mit der ich Pokémon heilen kann, insofern sie nur ko. durch einen Kampf sind. Und während die Maschine sich um Karnimani kümmert, kannst du mir deine Fragen stellen, ich werde versuchen sie zu beantworten.“ Glücklich, dass es Karnimani gleich besser gehen wird, händige ich dem Professor den Pokéball aus, der Mann verschwindet damit zu einer seiner unzähligen Maschinen und legt dort den Ball hinein. Dann drückt er einige Knöpfe, doch ich habe beim besten Willen keine Ahnung, was er da macht. Für mich ist Technik ein unbeschriebenes Blatt. Da beginnt die Maschine zu summen und das ist scheinbar richtig so, denn der Professor nickt und kommt dann zu mir zurück. „So, in 10 Minuten müsste es Karnimani wieder hervorragend gehen. Dann stell mir mal deine Fragen, aber zuerst: Kann ich dir etwas anbieten? Kekse oder Wasser vielleicht?“

Verdutzt sehe ich ihn an, bevor ich leicht lächle und antworte: „Das wäre sehr freundlich. Danke sehr.“

„Das ist doch selbstverständlich. Ich bin gleich wieder da“, wendet der Professor ein und geht ans andere Ende des Labors, wo sich eine Tür befindet, die in sein Haus führt, wie ich vermute, denn kurz darauf erscheint er schon wieder mit einem Teller voll Keksen, sowie einer Wasserflasche und Gläsern. Das erstaunliche ist, dass die Gläser nicht von dem Professor getragen werden, nein, sie schweben in der Luft! Und dann sehe ich auch den Grund dafür. „Kussilla!“, schreit das Pokémon freudig, was bisher noch die Gläser fixiert hatte, und rennt auf mich zu, wobei die Gläser über seinem Kopf durch die Luft hüpfen.

„Mach langsam Kussilla, nicht…“, warnt der Professor, doch da ist es schon zu spät, denn das Pokémon stolpert über eins der herumliegenden Kabel und fällt prompt hin. Dabei vergisst es die Gläser, welche prompt zu Boden fallen. Geistesgegenwärtig springe ich auf und kann die Gläser gerade noch auffangen, bevor sie auf dem Boden zerschellen. „Buh, das ging gerade noch mal gut“, seufzt der Professor und fährt sich über die Stirn. Dann nimmt er mir die Gläser ab, stellt sie auf den Tisch und wendet sich seinem Pokémon zu, was schon wieder fröhlich grinsend aufgestanden ist. Scheinbar hat es sich nicht wehgetan.

„Kussilla, du kleiner Tollpatsch,…“, beginnt der Professor, doch Kussilla unterbricht ihn gnadenlos, indem es auf mich zu rennt und … mich küsst?! Ich muss leise kichern, als das Pokémon mit seinen großen Lippen meinen Körper abfährt, wobei der Professor genervt seufzt und dann sein Kussilla von mir wegzieht.

„Was war das denn?“, frage ich verwirrt und schiebe mir eine meiner kurzen Haarsträhnen aus den Augen.

„Es tut mir leid. Kussilla ist ziemlich überschwänglich und es gehört zu seiner Art jeden zu begrüßen, indem es einen mit seinen Lippen abtastet. Kussilla wollte dich bestimmt nicht belästigen oder dergleichen. Aber vermutlich kannst du jetzt nachvollziehen, warum ich Kussilla bei der Pokémonvergabe nicht ins Labor gelassen habe.“

„Ja, das kann ich in der Tat“, kichere ich und kann nicht anders, als dem Pokémon über den Kopf zu streicheln, was es sichtlich genießt. „ Dann würde das Ganze noch länger dauern.“
 

„Nun gut, dann stell mir mal deine Fragen“, sagt der Professor, als wir uns hingesetzt haben, wobei Kussilla auf meinem Schoß sitzt. Es scheint mich wirklich zu mögen.

„Nun ja, also Karnimani mag es ja gar nicht, wenn man ihn in seinen Pokéball sperrt. Wissen sie, woran das liegen könnte?“, beginne ich mit meinem Fragenkatalog.

„Ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich vermute, dass seine vorherigen Trainer ihn nicht oft aus dem Ball ließen. Zumindest habe ich ihn nie außerhalb seines Balls gesehen, wenn die Trainer wieder kamen, um ihn mir zurückzugeben.“

Verstört sehe ich den Professor an, wie kann man seinem Pokémon das denn antun? Dann bemerke ich ein Stupsen an meiner Hand, in meinen Gedanken versunken habe ich vergessen, Kussilla zu streicheln, was diesem natürlich gar nicht passt. Ich lächle auf es herunter und fahre fort. „Jetzt kann ich verstehen, warum Karnimani nicht in seinem Pokéball sein mag. Wenn ich irgendwo lange gefangen gehalten werden würde, würde ich dort ja auch nicht mehr freiwillig hin zurückkehren. Das muss ich mir unbedingt merken! Aber wissen sie denn, warum seine früheren Trainer Karnimani nie rausließen?“

„Nun, vermutlich hatten sie Angst vor ihm. Karnimani vor schon immer ein ausgesprochen wildes Pokémon und das wurde schlimmer, mit jedem Mal, indem seine Trainer ihn wieder zurückbrachten. Ich vermute, dass die meisten zu viel Angst hatten, dass er sie irgendwann mal angreifen könnte, wenn sie ihm den Rücken zudrehen. Auch wenn sich das Angreifen auf Menschen reduziert hat, aber Pokémon hat er immer noch angegriffen.“

„Ja, das ist mir auch schon aufgefallen“, murmele ich. Ich stelle es mir schrecklich vor, in ständiger Angst vor dem eigenen Pokémon zu leben. Obwohl ich ja jetzt an der Stelle der anderen Trainer bin, kann ich es mir nicht richtig vorstellen. Ja, Karnimani ist wilder als alle anderen Pokémon die ich kenne, aber er ist nicht so schlimm, dass ich ihn vor Angst gefangen halten würde. „Aber wissen sie auch, warum er im Kampf nicht auf mich hört?“

„Er gehorcht dir nicht? Nun, das hat mir zwar noch keiner der anderen Trainer berichtet, aber es ergibt durchaus Sinn. Er hat einfach kein Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten im Kampf, darum gehorcht es deinen Befehlen nicht, sondern hört nur auf seinen eigenen Rat, würde ich meinen.“

„Aber warum tut es denn immer genau das Gegenteil von dem, was ich sage, sogar wenn er selbst weiß, dass meine Befehle richtig wären?“

„Ich kann es natürlich nicht mit Gewissheit sagen Svenja, ich kann schließlich nicht in Karnimanis Kopf hineinsehen, aber vielleicht will er dich mit seinem Verhalten provozieren. Vielleicht hofft er, dass du ihn zu mir zurückbringst, um nicht mehr von jemandem abhängig sein zu müssen. Außerdem hat er ja noch kein Vertrauen in deine Kampfkünste, da es dich noch nicht kennt, und so denkt er sicher, dass jeder Befehl von dir nur falsch sein kann. Du musst ihm also erstmal beweisen, dass du weißt, wie man kämpft, bevor es deinen Befehlen gehorcht. Obwohl er im Allgemeinen wenig auf Befehle gibt, ich spreche da aus Erfahrung.“

„Dann war die Umgekehrte Psychologie wohl doch keine so gute Idee“, murmele ich betrübt und sehe auf meine ineinander verknoteten Finger.

„Umgekehrte Psychologie? Nein, ich fürchte, dass war eher kontraproduktiv. Du musst Karnimani schließlich beweisen, dass du weist wie man kämpft und darfst ihn nicht noch in seinem Glauben bestärken.“

„Aber wie sollen wir gewinnen, wenn ich ihm die richtigen Anweisungen gebe und er genau das Gegenteil macht. Da ist die Niederlage doch vorprogrammiert!“, rufe ich und werfe verzweifelt meine Arme in die Luft.

„Manchmal muss man einen Schritt zurück machen, bevor man weitergehen kann Svenja. Du musst die Niederlagen einstecken, solange bis Karnimani erkennt, dass es auf dich hören sollte. Karnimani ist ehrgeizig, er mag es nicht zu verlieren. Aber er hat auch seinen Stolz und den muss es herunterschlucken und auf deine Befehle gehorchen. Und bis dahin musst du ihm die richtigen Anweisungen geben, die Niederlagen einstecken und niemals aufgeben. Du wirst sehen, Karnimani wird den richtigen Weg erkennen und ihn gehen, selbst wenn er ihm anfangs nicht gefällt. Über kurz oder lang werdet ihr ein Team bilden.“

„Bei Karnimani wohl eher über lang“, seufze ich, aber ich habe Prof. Aquilons Gedanken verstanden. Und ich denke, dass wird funktionieren.
 

Der Professor steht auf, drückt mir die Schulter und geht dann zu dem Apparat, in dem Karnimanis Pokéball liegt und der schon seit einiger Zeit wild blinkt. Zwischendurch hat er auch mal gepiept, doch ich habe mir nichts dabei gedacht. Jetzt ist mir klar, dass dies das Zeichen gewesen sein muss, das anzeigt, dass Karnimani geheilt ist, denn Prof. Aquilon hebt den Ball hoch und reicht ihn mir. Vorsichtig streiche ich über die rote Oberfläche des Balls, der immer noch ruhig daliegt. Ob es mitbekommt, was außerhalb seines Pokéballs vor sich geht? Ich hebe den Blick und frage: „Spürt Karnimani das eigentlich? Oder bekommt er andere Sachen von außen mit? Was macht er eigentlich dort drin?“

Der Professor lächelt leicht und setzt sich wieder mir gegenüber, wo Kussilla jetzt ihm auf den Schoß springt und Streicheleinheiten einfordert. Diese werden dem Pokémon auch sofort zuteil.

„Es ist interessant, dass du fragst, denn du bist nicht die einzige, die mir diese Fragen schon gestellt haben. Ich kann sie leider nicht zu deiner Zufriedenheit beantworten, denn was sich in einem Pokéball abspielt, kann dir wohl nur ein Pokémon beantworten. Was ich weiß ist, dass die Pokémon beim Fangen geschrumpft werden, damit sie in den Ball passen. Dies bedeutet, dass die Pokémon alles von der Außenwelt mitbekommen, zumindest die Geräusche. Nach außen sehen können sie nicht. Sie können nicken oder den Kopf schütteln und so mit ihrem Trainer kommunizieren, aber sie können sich auch selbstständig befreien. Doch die meisten kommen erst heraus, wenn sie gerufen werden, denn was wir wissen ist, dass die Pokémon sich in ihren Bällen wohl und behütet fühlen. Doch sie haben darin kaum Beschäftigung, sie können nur der Außenwelt lauschen oder schlafen, darum sollte man Pokémon oft rauslassen, bevor sie vor Langeweile durchdrehen. Doch ob es deine Berührung spürt oder ob Pokémon doch mehr von der Außenwelt mitbekommen oder doch noch andere Dinge in ihren Pokébällen tun, dass weiß keiner so genau.“

„Na, dass ist ja trotzdem schon eine ganze Menge. Und wenn das so ist, dann… Karnimani ich habe gesehen, was du für ein guter Kämpfer bist und wie stark du bist. Und ich habe gute Pläne für Kämpfe. Wenn wir uns also zusammen tun würden, dann würden wir jeden Kampf gewinnen. Was meinst du?“ Erwartungsvoll sehe ich den Ball in meiner Hand an, doch der rührt sich nicht. Vermutlich ignoriert es mich.

„Nun, wenigstens gibst du nicht auf und versuchst es immer wieder. Ihr werdet schon zusammen finden“, meint der Professor schließlich.

Ich nicke und packe den Pokéball in meinen Rucksack. Der Professor sieht mich daraufhin erstaunt an und fragt: „Sag mal Svenja, hast du denn keinen Gürtel, an dem du deine Pokébälle befestigen kannst? Wie willst du denn die Bälle unterscheiden, wenn du mehr als ein Pokémon hast?“

„Ähm…“, mache ich verlegen. Darüber habe ich mir tatsächlich noch keine Gedanken gemacht.

„Wenn du willst, gebe ich dir so einen Gürtel.“

Ich strahle den Professor an. „Das wäre wunderbar. Ich kann ihnen gar nicht genug dafür danken, was sie alles für mich tun. Für mich und Karnimani.“

„Ach was, das tue ich sehr gerne für dich Svenja. Warte hier, ich hole den Gürtel.“ Damit erhebt er sich, er ist deutlich verlegen und geht schnell ans andere Ende des Labors, wo er in einer Kiste wühlt. Schließlich kommt er wieder zurück und reicht mir, immer noch leicht verlegen, den Gürtel. Überschwänglich greife ich danach und umarme den überrumpelten Professor. „Vielen vielen Dank. Ich kann ihnen gar nicht genug danken Professor Aquilon!“

Der Professor grummelt überrascht und schiebt mich mit knallrotem Kopf von sich. „Das ist doch keine große Sache, ich habe das gerne gemacht.“

Als ich merke, wie peinlich dem Professor die Umarmung war, wird auch mir meine überschwängliche Reaktion unangenehm und ich trete leicht verlegen einige Schritte zurück. Wir schweigen beide, während ich mir den Gürtel um die Hüften schnalle und Karnimanis Ball an der ersten Stelle befestige. Schließlich sage ich: „Nun, jedenfalls vielen Dank, dass sie Karnimani geheilt haben, danke für die vielen Tipps, die werde ich berücksichtigen und danke… für den Gürtel. Danke für alles einfach. Ich werde mich dann wieder auf den Weg machen.“

„Ich wünsche dir eine gute Reise Svenja und das du und Karnimani ein unschlagbares Team werdet. Denk an all die Tipps, die ich dir gegeben habe.“

„Das werde ich. Auf Wiedersehen Professor. Tschüss Kussilla.“ Angesprochenes Pokémon rennt auf mich zu und streckt die Arme zu mir hoch. Lächelnd knie ich mich zu ihm nach unten, wo es mir sofort einen dicken Kuss gibt. Ich muss kichern und streiche dem Pokémon noch einmal über den Kopf, bevor ich mich wieder erhebe, noch einmal Tschüss sage und dann aus dem Labor gehe.
 

Kaum aus der Tür pralle ich buchstäblich mit jemand anderem zusammen. Überrumpelt taumele ich etwas zurück, genauso wie der Junge, gegen den ich augenscheinlich gelaufen bin. Dann fängt er sich wieder und streicht sich durch die schon fast weißen Haare. Doch mir bleibt keine Möglichkeit mich bei ihm zu entschuldigen, da schreit schon etwas „Endivie!“ und plötzlich werde ich gerammt und falle zu Boden … ein wutschnaubendes grünes Pokémon auf meiner Brust. „Divie!“, keift es mich an und funkelt mit roten Augen.

„Ähm … sorry, aber kannst du von mir runter gehen?“, frage ich leicht verwirrt. Was hat das Pokémon denn für ein Problem, ich habe ihm doch nichts getan? Aber scheinbar war meine Frage genau die falsche Reaktion, denn jetzt beugt es seinen Kopf in Richtung meines Halses und fletscht die Zähne. Vor Angst halte ich die Luft an. Das Pokémon ist ja aggressiver als mein Karnimani!
 

„Chikari, lass es. Es ist ja nichts passiert“, befiehlt auf einmal eine kühle Stimme. Ich habe völlig den Trainer vergessen! Das Pokémon knurrt mich nochmal böse an, bevor es von meiner Brust springt und ich erleichtert aufatme. Schnell rappele ich mich auf und sehe mir dann den Jungen und dessen Pokémon an, das jetzt wie der reinste Unschuldsengel neben ihm steht. Sein Trainer sieht mir mit gelangweilter Miene zu, wie ich aufstehe und mir den Dreck von meinen neuen Klamotten klopfe, ohne mir irgendeine Art von Hilfe anzubieten. „Man, was war das denn?“, frage ich schließlich.

Der Junge zieht eine Augenbraue nach oben und erwidert dann: „Das war Chikari.“

Ich sehe ihn leicht genervt an. „Das das dein Pokémon war, ist mir klar. Ich will wissen, warum es mich angegriffen hat!“

„Offenbar hast du sie verärgert“, kommt die kühle Antwort.

„Aber womit denn? Ich habe ihr doch nichts getan, verdammt!“

„Ihr nicht, aber du hast mich fast zu Fall gebracht. Chikari nimmt sowas sehr persönlich und da du dich nicht entschuldigt hast, hat sie dich angegriffen.“

Ich schlucke meine wütende Erwiderung herunter, denn eigentlich hat er Recht. Also hole ich tief Lust und sage dann: „ Bitte entschuldige, dass ich dich umgerannt habe. Das kommt nicht noch mal vor.“

„Das will ich hoffen… für dich. Ich will mir nicht vorstellen, was Chikari tut, wenn das nochmal passiert. Aber da du mich nicht in den Dreck gestoßen hast, will ich mal nicht so sein und dir noch einmal verzeihen. Aber…“, setzt er mit einem Blick auf sein Pokémon an, was bei seinen Worten zu knurren angefangen hat, „Ich glaube, bei Chikari musst du noch etwas Überzeugungsarbeit leisten.“

„Und wie?“, will ich mit Blick auf das grüne Pokémon wissen.

„Du hast es gehört Chikari, was sollen wir das Mädchen tun lassen?“

Mir gefällt nicht, wie er den Satz formuliert, ich kann schließlich immer noch entscheiden, ob ich auf seine Forderung eingehen werde oder nicht, doch da stellt sich das Pokémon in Angriffshaltung vor mich und knurrt herausfordernd.

„Na, das ist mal deutlich. Sie will als Wiedergutmachung, weil du mich angegriffen hast, gegen dich kämpfen.“

Ich sehe den weißhaarigen Jungen und sein knurrendes Pokémon an, während ich schnell überlege. Eigentlich hatte ich gehofft, nur gegen wilde Pokémon kämpfen zu können, bis Karnimani mir gehorcht, um mir die Peinlichkeit vor anderen Trainern zu ersparen. Und dieser Junge ist wohl nicht die passende Wahl, um mein ungehorsames Pokémon auf ihn loszulassen. Andererseits… je früher ich anfange mit Karnimani zu kämpfen, desto besser. Und vielleicht verhält er sich ja anders, wenn er in einem richtigen Kampf kämpft. „Okay, ich werde gegen dich kämpfen.“

Zum ersten Mal lächelt der Junge, doch es ist kein freundliches Lächeln. Es ist böse und durchtrieben. „Was für ein Pokémon hast du denn?“, fragt er, während ich einige Schritte nach hinten gehe, um den gleich kämpfenden Pokémon etwas Raum zu geben.

„Ein Karnimani.“

Sein gemeines Lächeln vertieft sich. „Typ Wasser gegen Typ Pflanze. Das wird einfach. Perfekt für unsere ersten gemeinsamen Kampf Chikari. “

„Endivie!“, ruft das Pokémon, doch es scheint nicht ganz so überzeugt wie sein Trainer. Der ist schon davon überzeugt den Kampf gewonnen zu haben, bevor wir überhaupt angefangen haben. Langsam wird er mir unsympathisch.

„Euer erster gemeinsamer Kampf? Heißt das, du hast auch heute erst dein Pokémon bekommen?“, frage ich neugierig.

„ Es mag sein, dass Chikari und ich erst seit dem heutigen Tag einen gemeinsamen Weg gehen, doch wir werden dich trotzdem schlagen. Schließlich habe ich gesagt erster Kampf, nicht erstes Training. Und jetzt ruf dein Pokémon, damit wir anfangen können“, erwidert er leicht genervt.
 

„Los Karnimani, auf einen neuen Kampf! Jetzt zeig was in dir steckt!“, rufe ich daher sofort und entlasse Karnimani aus dem Pokéball. Es knurrt mich an, doch sein Knurren wird von dem seines Gegners übertönt. Langsam dreht es sich zu dem Endivie um. „Das ist dein Gegner Karnimani“, erkläre ich ihm, doch er zeigt keine Reaktion auf meine Worte. Einzig und allein sein Knurren wird lauter und er kauert sich angriffsbereit zu Boden.

„Okay Chikari, dann zeigen wir denen mal, wie stark Performer eigentlich sind. Tackle!“ Das Pokémon reißt den Kopf hoch, stößt einen hellen Schrei aus und rennt rasend schnell auf Karnimani zu. Dem bleibt keine Zeit auszuweichen, er wird getroffen und das so heftig, das er umgerissen wird. Dass Endivie derweil springt flink wieder vor seinen Trainer, der überlegen lächelt.

Doch auch mein Karnimani steht mit einem wütenden Knurren wieder auf. Seine roten Augen funkeln voller Hass und bevor ich etwas sagen kann, rennt es auf das Pokémon zu, doch das weicht mit einem eleganten Sprung aus, sodass Karnimani scharf abbremst. Wütend dreht er sich um und fixiert das sacht lächelnde Pokémon. Auch dessen Trainer lächelt gemein und scheint das Schauspiel zu genießen. Er macht keine Anstalten eine Attacke zu befehlen, also rufe ich: „Silberblick Karnimani.“ Mein Partner funkelt mich wütend an und rennt dann auf Endivie zu, doch diese weicht einfach wieder mit einer Drehung auf den Vorderpfoten aus.
 

Ich seufze. War ja klar, dass er wieder nicht macht was ich will. Aber ich darf die umgekehrte Psychologie nicht nutzen, das würde nur das Gegenteil bezwecken, wie der Professor mir erklärt hat.
 

„Was ist mit deinem Karnimani los? Gehorcht es dir etwa nicht? Zu schade, damit ist ja schon klar, wer hier gewinnen wird, nicht wahr? Chikari Tackle.“

Sofort dreht sich sein Pokémon um und rammt mein Karnimani bevor er oder ich reagieren kann. Dieses Mal ist der Angriff nicht so schwer. Doch es reicht um meine Echse keuchen zu lassen, während das Endivie noch putzmunter durch die Gegend springt. Aber vielleicht können wir es lähmen. „Silberblick Karnimani.“

Doch wie es zu erwarten war, macht er genau das Gegenteil von dem was ich sage und rennt los. Er muss doch erkennen, dass es so keine Chance hat, denn wie die vorherigen Male auch weicht Endivie wieder aus. Es ist einfach zu schnell!

„Es ist ja fast schon niedlich, wie sehr sich dein Karnimani abstrampelt, um meine Chikari zu treffen, und dennoch versagt. Fast schon süß“, höhnt der weißhaarige. „Tackle Chikari.“

Wieder rennt das Pokémon los und rammt mein Pokémon. „Kar!“, schreit es wütend, doch noch steht er. „Sehr gut Karnimani Silberblick!“ Doch mein Wasser Pokémon schüttelt trotzig den Kopf und rennt los, um erneut zu versuchen Endivie mit Kratzer zu treffen. Doch der Versuch misslingt und Karnimani dreht wütend knurrend um, um es noch einmal zu probieren. Doch wieder springt das Endivie mit großer Schnelligkeit aus dem Weg. Es sieht nicht so aus, als würde es das Pokémon große Anstrengung kosten, seine Flinkheit durchzuhalten.

„Das hier wird langsam langweilig. Beende dieses Schauspiel mit Tackle Chikari, damit wir uns endlich wichtigerem zuwenden können.“

„Divie!“, ruft das Pokémon zustimmend und rennt los.

„Weich aus!“, rufe ich panisch, doch mein Pokémon stellt sich breitbeinig hin … und fängt die Attacke ab?! Sowohl Endivie, sein Trainer und ich sind überrascht und keiner von uns reagiert, als Karnimani Endivie festhält und kratzt. Erst als das Pokémon schrill schreit, komme ich wieder im hier und jetzt an. Karnimani konnte seinen ersten Treffer landen!

Der Junge sieht wütend aus, denn er verzieht das Gesicht und schnarrt: „Doch noch eine Überraschung in diesem unspektakulären Kampf. Aber jetzt werden wir es beenden. Tackle!“

Das Pokémon schüttelt sich kurz, dann rennt es los und trifft dank der kurzen Distanz ihr Ziel fast sofort.

„Kaaarniiiimaaaniii!“, schreit mein Pokémon auf und fällt besiegt zu Boden. Das Endivie dagegen nickt zufrieden und springt dann hackenschlagend zu seinem Trainer. Scheinbar hat der Kampf es kein bisschen ermüdet. Aber was hätte ich auch erwarten sollen, wo Karnimani nicht auf mich hört? Wenigstens ist er nicht in den Blutrausch verfallen, doch dazu hätte er Endivie ja erstmal treffen müssen. Und das war die größte Schwierigkeit.
 

Das alles geht mir durch den Kopf, während ich auf Karnimani zulaufe und es wieder zurück rufen will, doch da rührt es sich schon wieder und schlägt die Augen auf. Als es den Pokéball in meiner Hand sieht, faucht er, allerdings längst nicht so kraftvoll wie üblicherweise. Schnell stecke ich den Pokéball weg, worauf sich Karnimani wieder etwas beruhigt, doch nur solange bis ich mich neben es knie. „Bleib einfach ruhig liegen, ich gebe dem Jungen sein Preisgeld und dann gehen wir nochmal zu Professor Aquilon, der wird sich wieder heilen.“ Es reagiert nicht, was ich auch nicht wirklich erwartet habe. Also stehe ich seufzend auf und gehe zu dem Jungen, wo der Junge seinem Endivie gerade lobend über den Kopf streicht. „Endivie!“, quietscht es vergnügt und drückt sich gegen die Hand. Doch es bekommt keine weiteren Streicheleinheiten, denn der Junge nimmt schweigend sein Preisgeld in dem kleinen Säckchen an sich, was ich ihm reiche.

„Ich bin übrigens Svenja“, sage ich und halte dem Jungen die Hand hin. Doch dieser sieht nur so lange auf meine dargebotene Hand, bis ich sie langsam zurückziehe.

„Valerian“, sagt er, dann dreht er sich um und geht Richtung Route 50 davon, ohne sich zu verabschieden oder sonst etwas zu sagen. So etwas Unhöfliches!
 

Kopfschüttelnd sehe ich Valerian und seinem Endivie nach, was schnell hinter ihm herdrippelt. Schließlich drehe ich mich seufzend um und erblicke mein Karnimani, das gerade versucht aufzustehen. Schnell eile ich zu ihm und knie mich hin. „Bleib liegen Karnimani. Wir gehen jetzt noch mal zu Professor Aquilon, der wird dich wieder heilen. Doch dazu musst du in den Pokéball zurück. Oder du erlaubst mir dich zu tragen.“

Beide Seiten scheinen Karnimani nicht recht zu sein, es funkelt mich an und versucht weiterhin aufzustehen, doch durch diese Anstrengung fangen seine Muskeln an zu zittern und halten nicht stand. Also nehme ich seinen Pokéball von dem Gürtel und will ihn schweren Herzens auf Karnimani richten, doch da habe ich die Rechnung ohne mein Pokémon gemacht. Es knurrt lautstark und fletscht wild die Zähne. Als ich den Ball nicht sofort wieder wegstecke, schnappt es sogar nach mir. Da gebe ich auf. „Okay, okay, schon gut. Ich tue ihn ja schon weg. Kein Pokéball mehr, siehst du?“ Zum Beweis halte ich ihm meine Handflächen hin, sobald ich den Ball weggesteckt habe. Er schnüffelt kurz in der Luft, dann macht er sich wieder daran, zu versuchen aufzustehen. Doch immer noch wollen ihn seine Beine nicht tragen.

„Also wenn du nicht in den Ball willst, darf ich dich dann zum Professor tragen?“, frage ich. Sofort habe ich die Aufmerksamkeit meines Pokémon wieder erlangt, es dreht seinen Kopf ruckartig zu mir und knurrt langsam und bedrohlich. Schnell lasse ich meine ausgestreckten Hände in meinen Schoß sinken. „Okay, schon gut, ich fasse dich nicht an. Das heißt dann aber, dass wir warten müssen, bis du wieder auf eigenen Beinen laufen kannst, bevor wir zu dem Professor können.“ Und das, wo es doch nur ein paar Meter bis zu seinem Labor wären. Theoretisch könnte ich ihn einfach schnell holen, aber ich will Karnimani nicht alleine lassen. Nachher wird er noch in seinem geschwächten Zustand angegriffen oder er nutzt den Moment und haut ab. Trauriger Weise traue ich meinem Karnimani fast alles zu.

Aber vielleicht… schnell öffne ich meinen Rucksack und durchwühle ihn. Meine Eltern meinten doch, sie hätten mir alles Wichtige eingepackt. Vielleicht haben sie auch an Tränke gedacht. Das da aber auch so viel drin sein muss!

Doch unter Pokebällen, Pokémonfutter und einigen anderen Sachen finde ich dann auch endlich fünf Tränke. Schnell fische ich einen aus der Tasche und halte die geöffnete Flasche Karnimani hin. Dieser betrachtet sie mit einem skeptischen Blick. „Keine Sorge, dass ist ein Trank. Der ist nicht gefährlich. Trink den und dann wird es dir ruckzuck wieder gut gehen.“ Auffordernd halte ich ihm die Flasche hin, doch noch immer ist mein Pokémon argwöhnisch. „Wenn du den Trank trinkst, können wir direkt weiter und der Professor muss dich nicht in deinem Pokéball mit der Maschine heilen“, versuche ich ihn zu überzeugen. Das Argument mit dem Pokéball scheint zu wirken, denn schnell greift die kleine Echse nach der Flasche und trinkt den Trank auf Ex. Fast sofort sieht man die Veränderung. Die blaue Farbe seiner Schuppen nimmt wieder eine kräftigere Farbe an, seine Augen sprühen vor Energie. Sobald Karnimani alles getrunken hat, schleudert er die Plastikflasche weg und springt mit einem gebrüllten „Karnimani!“ auf.

„Besser?“, will ich grinsend wissen und bücke mich, um die Plastikflasche aufzusammeln und irgendwann richtig zu entsorgen. Karnimani wirft mir einen abfälligen Blick zu, schnaubt und stapft wütend davon. Ich seufze leise. Sein Verhalten hat sich nicht geändert!

Schnell folge ich meinem Pokémon, bevor es sich in die nächste Gefahr begibt.

Verschiedene Arten an Beziehungen

Verschiedene Arten an Beziehungen
 

„Hey Karnimani, jetzt warte mal. Ich wollte noch mal zu meinen Eltern, um dich ihnen vorzustellen. Also komm ja?“, frage ich, als ich zu Karnimani aufhole, der stur in Richtung Route 50 läuft. Karnimani reagiert allerdings nicht im Entferntesten auf mich, sondern geht einfach schneller. Also laufe ich auch schneller und stelle mich meinem Partner in den Weg. „Karnimani, ich möchte meine Familie besuchen gehen. Ich möchte, dass du sie kennenlernst und dass sie dich kennenlernen. Das ist mir wichtig!“, erkläre ich ihm eindringlich. Doch die blaue Echse schnaubt nur, geht gelassen an mir vorbei und weiter Richtung Route 50. Fassungslos sehe ich meinen Pokémon nach, wie es, ohne mich zu beachten, einfach weitergeht. Dann eile ich ihm mit einem fast schon bettelnden: „Karnimani! Bitte! Es ist wichtig! Bitte komm mit mir mit!“ hinter ihm her. Kurz scheint Karnimani zu stocken, dann geht er entschlossen weiter. Vermutlich habe ich schon Wahnvorstellungen!

Plötzlich höre ich ein Rascheln neben mir in einem Gebüsch und dann schlängelt sich mit einem fragenden „Koro?“ ein Enekoro aus dem Busch. Überrascht bleibe ich stehen und sehe es scharf an. Doch im nächsten Moment wird mir klar, dass ich richtig zusammengezählt habe, denn mit einem freudigen „Enekoro“ läuft das Pokémon auf mich zu und schlägt dabei fröhlich mit dem Schwanz. Ich knie mich hin um es in den Arm zu nehmen, was Enekoro natürlich gleich ausnutzt um mir über die Wange zu lecken. „Nicht Kitty, das kitzelt“, kichere ich und halte Enekoro eine Armlänge von mir. Dabei sehe ich, dass Karnimani stehen geblieben ist und uns neugierig beobachtet, doch ich lasse es mir nicht anmerken.

„Hat Mum dich endlich aus dem Ball gelassen und du durchstromerst jetzt die Gegend?“

Ein heftiges Nicken ist die Antwort von dem Enekoro meiner Mutter. Ich beuge mich näher zu seinem Ohr und flüstere: „Weißt du Kitty, das da hinten ist mein Partner Karnimani. Eigentlich wollte ich ja jetzt nach Hause gehen um euch allen meinen Partner vorzustellen, aber er ignoriert mich und will nicht mitkommen. Glaubst du, du kannst ihn überreden dir zu folgen?“ Ich grinse leicht, was schnell zu einem Schmunzeln wird, als Enekoro mit funkelnden Augen schnurrt und sich dann zum Einverständnis gegen meine Hand drückt. Dann dreht sie sich um und drippelt leichtfüßig und mit steil aufgerichtetem Schwanz auf Karnimani zu. Der sieht zwar misstrauisch aus, aber er macht keine aggressiven Anstalten. Den Reizen Enekoros kann sich halt weder Mensch noch Pokémon entziehen.

Grinsend kann ich Enekoro dabei zu sehen, wie sie ihre ganzen Charmebolzen Fähigkeit entfaltet und Karnimani so langsam um den Finger wickelt. Gott sei Dank hat Kitty diese Fähigkeit, sonst würde das wohl nicht so einfach gehen! Doch nach einiger Zeit dreht Enekoro sich um und nach einem kurzen Zögern folgt Karnimani ihr. Breit grinsend recke ich Enekoro den erhobenen Daumen entgegen; Karnimani steht so unter dem Einfluss von Charmebolzen, dass er das ohnehin nicht mitbekommt, und Enekoro grinst und ruft mir stolz „Ene!“ zu. Zufrieden drehe ich mich um und gehe in Richtung nach Hause.

Es ist zwar nicht gerade die feine Art, Enekoro auf Karnimani loszulassen und ihn so zu `überzeugen´, aber diese Ignoranz Karnimanis hat mich etwas wütend gemacht. Und anders hätte ich ihn doch nie dazu bekommen, mit mir zu meiner Familie zu gehen.
 

So schaffen wir drei es unbehelligt bis nach Hause, wo ich meinen Haustürschlüssel auspacke und die Haustür öffne. Ich drehte ein, Enekoro und Karnimani folgen mir auf den Fuß und rufe: „Mum, Papa, ich bin´s! Ich will euch meinen Partner vorstellen!“

Im nächsten Moment merke ich, wie die Luft schwingt und dann segelt Schwalboss durch den Flur auf mich zu und landet vor mir. „Hat Papa dich also auch herausgelassen?“, frage ich lachend und streiche Papas Pokémon sanft über das weiche Gefieder.

„Schwa, Schwa, Schwalboss!“, ruft er und schlägt aufgeregt mit den Flügeln, was alles, was nicht niet und nagelfest oder schwer genug ist, durch die Luft wirbelt. Lachend schnappe ich nach einzelnen Briefen und lege sie wieder auf die Kommode zurück. Währenddessen hat Schwalboss schnell seine Flügel zusammengeklappt und putzt diese nun ganz unschuldig. Ich lache wieder und frage dann: „Wo sind denn meine Eltern?“

Schwalboss erhebt sich zwitschernd in die Lüfte -zum Glück sind unsere Flure breit genug für seine große Flügelspannweite, sonst wäre das Fliegen schwierig- und führt mich nach draußen in den Garten. Dort sehe ich meine Eltern und auf einmal „Somniam!“ ruft die Kleine und saust durch die Luft auf mich zu. Ich lache und nehme sie in den Arm. „Luna, na Hallo! Wie gefällt dir das Haus?“

„So, Somniam!“, ruft die Kleine begeistert und schlägt einen Purzelbaum in der Luft. Ich lache, dann wende ich mich an meine Eltern, die lächelnd auf mich zukommen. „Mum, Papa, ich sehe ihr habt endlich alle aus den Bällen gelassen. Ich möchte euch jemanden vorstellen. Das ist mein Partner Karnimani“, sage ich lächelnd und trete etwas zur Seite, damit meine Eltern mein Pokémon sehen können.

„Hallo Karnimani. Herzlich Willkommen in der Familie“, begrüßt meine Mutter ihn herzlich und kniet sich hin. Doch Karnimani reagiert nicht auf sie, sondern sieht immer noch wie hypnotisiert Kitty an. Verwundert steht meine Mutter wieder auf und fragt: „Ist alles in Ordnung mit deinem Starter?“

Ich kichere. „Ich glaube, Karnimani steht immer noch unter Kittys Charmebolzen Einfluss. Wir mussten zu diesem Mittel greifen, da Karnimani einfach nicht mitkommen wollte. Da habe ich Kitty gebeten, Karnimani zu `überreden´. Aber ich denke, dass kannst du jetzt stoppen Kitty, wir sind ja jetzt da. Allerdings macht Karnimani oft Probleme, es ist nicht ganz einfach, also haltet etwas Abstand von ihm und bedrängt ihn nicht, bitte Mum, Papa.“

Meine Eltern treten etwas zurück, worauf Enekoro nickt, dann streift es dann mit seinem Schweif über Karnimanis Gesicht, welcher zusammenzuckt und sich mit gehetztem Blick umsieht. Dann dreht Enekoro sich um und stolziert zu seiner Trainerin, wo sie um deren Beine schnurrt.

„Karnimani, darf ich vorstellen? Das sind meine Eltern, das ist das Pokémon meines Vaters Schwallboss, das ist Luna und Kitty kennst du ja schon“, stelle ich ihm jeden vor und deute dabei auf die jeweilige Person bzw. das jeweilige Pokémon.

Karnimani sieht mich verwirrt an, dann scheint er zu verstehen und knurrt wütend. Scheinbar scheint er es nicht lustig zu finden, wie ich ihn hier hergelockt habe. Gerade macht er einen bedrohlichen Schritt auf mich zu, da sirrt auf einmal Luna auf ihn zu, schwirrt immer wieder um ihn herum, während sie freudig: „ Somnia; So, Somnia, Som!“, ruft. Verwirrt bleibt Karnimani stehen und sieht dem lachenden Somniam zu.

„Was meintest du denn mit Probleme machen?“, fragt auf einmal meine Mutter, die still und leise neben mich getreten ist.

„Naja, Karnimani ist sehr wild und hat schlechte Erfahrungen mit seinen vorherigen Trainern gemacht. Er gehorcht mir nicht, egal wann, darum auch die Notlösung mit Kittys Fähigkeit, und wenn ihm etwas nicht passt, greift er an. Und das wiederum ist ein Problem, weil Karnimani anfällig für den Blutrausch ist“, erkläre ich, während ich besagtes Pokémon beobachte. Immer noch sieht er Luna zu, wie sie durch die Luft fliegt, doch er sieht nicht wütend aus.

„Er gehorcht dir nicht? Wie meinst du das genau? Und weißt du, woran es liegt?“, will jetzt mein Vater wissen.

„Ich meine dass so, wie ich es sage Papa. Er macht immer das Gegenteil von dem, was ich ihm sage. Und ja, ich weiß vermutlich warum er nicht das macht, was ich ihm sage. Ich war eben bei Prof. Aquilon, er konnte mir einige aufschlussreiche Dinge über Karnimani und seine Vergangenheit sagen, sowie einige Tipps geben.“

„Ich kann das kaum glauben. Warum vermittelt der Professor den solch schwierige Pokémon als Starter?“, fragt mein Vater deutlich verwirrt nach.

„Der Professor hofft eben, dass jemand Karnimani seine schlechte Einstellung gegenüber Menschen nehmen kann, indem er sich auf Karnimani einlässt. Und ich habe vor, genau das zu tun.“, erkläre ich nachdrücklich. Dann fällt mir auf, was mein Papa noch gesagt hat. „Was soll das überhaupt heißen, du glaubst mir nicht? Soll es ich dir etwa irgendwie beweisen, das Karnimani nie, nicht mal im Kampf, auf mich hört?“

„Das wäre eine Möglichkeit. Also Psychologe habe ich einen anderen Blickwinkel als der Professor und kann dir auch noch einmal meine Meinung und Tipps geben.“

Verblüfft sehe ich meinen Vater an. „Und wie stellst du dir das vor? Sollen ich und Karnimani etwa gegen Kitty kämpfen? Die ist doch viel zu stark für uns! Oder sollen wir wieder zur Route 50 gehen und dort gegen ein wildes Pokémon kämpfen? Ich glaube kaum, dass ich Karnimani dann noch mal hier her bekomme.“

Da mischt sich meine Mutter in unsere Diskussion ein. „Du hast Recht Liebling, Schwallboss und Kitty wären keine guten Gegner für dein Karnimani. Aber ich kenne jemanden, der nur zu gerne für einen Kampf bereit wäre.“

„Wer?“, frage ich.

Schmunzelnd sieht meine Mutter zu Luna, die immer noch um Karnimani saust, der das Somniam mit funkelnden Augen verfolgt.

„Das könnte klappen“, sagt mein Vater.
 

Gleich darauf haben wir beiden Pokémon die Sachlage erklärt. Somniam ist ganz begeistert, als meine Mutter erklärt, dass sie gleich zusammen mit ihr gegen Karnimani und mich kämpfen wird, da sie noch nicht lange aus dem Ei geschlüpft und dementsprechend schwach ist. Und Luna liebt nichts mehr, als viel zu kämpfen und zu trainieren. Auch Karnimani scheint einverstanden zu sein. Also stehen sich jetzt Luna und Karnimani, geleitet von meiner Mutter und mir, gegenüber, während mein Vater den Schiedsrichter und Psychologen mimt. Schwallboss hat sich in einem nahegelegenen Baum niedergelassen und sieht genauso aufmerksam zu wie Enekoro, die auf der Terrasse auf ihrem Kissen liegt und sich hin und wieder über die Pfote leckt.
 

„Okay, Maria wird mit Somniam, Svenja mit Karnimani kämpfen. Es gilt also Mutter gegen Tochter. Der Kampf endet, wenn einer der beiden Pokémon nicht mehr kämpfen kann.“ Meine Mutter und ich nicken synchron. „Dann beginnt! “
 

„Fang du an Svenja“, ruft meine Mutter mir zu.

„Also gut Karnimani, dann zuerst Silberblick“, befehle ich, doch Karnimani wartet gerade mal, bis ich meinen Satz beendet habe, bevor er losrennt und Somniam kratzt, bevor diese reagieren kann. „So!“, quietscht die Kleine überrascht auf. Mein Vater nickt und auch meine Mutter sieht erstaunt aus, wie absolut gar nicht Karnimani auf mich hört.

„Luna, setzt als erstes Einigler ein!“, ruft meine Mutter. „Somniam!“, verkündet das Pokémon und rollt sich ein paar Mal in der Luft ein.

„Verdammt das stärkt ihre Verteidigung. Karnimani, wir müssen jetzt Silberblick einsetzen!“ Doch wieder schüttelt Karnimani den Kopf und rennt auf Somniam zu. Allerdings hat er die Rechnung ohne seinen Gegner gemacht, denn dieses Mal ist Luna aufmerksam und weicht Karnimanis Klauen aus. Immer wieder setzt Karnimani mit Katzer nach, bis meine Mutter ruft: „Wehr es mit Einigler ab.“ Somniam rollt sich wieder in der Luft zusammen, sodass der Kratzer wirkungslos an seinem Körper abgleitet und Karnimani nach hinten geschleudert wird.

„Karnimani!“, rufe ich laut, doch mein Pokémon rappelt sich schon laut knurrend wieder auf. „Sehr gut, dann jetzt Silberblick.“ Aber wieder rennt Karnimani los und jetzt trifft er Luna.

„Noch einmal Einigler Kleine“, verlangt meine Mutter und erneut rollt sich Luna ein. Ihre Verteidigung dürfte jetzt schon ziemlich hoch sein und es wird schwer werden, nennenswerten Schaden zu erzielen. Warum kann Karnimani nicht einmal machen, was ich ihm sage, ich begreife das nicht!
 

„Karnimani Kratzer!“ Mein Partner nickt, ein winziger Hoffnungsfunke flammt in mir auf… und dann wirft er Somniam einen Silberblick zu. Allerdings zeigt sich Somniam von diesem gänzlich unbeeindruckt, was Karnimani wütend knurren lässt. „Silberblick!“, rufe ich und aufs Stichwort rennt Karnimani los. Dummerweise wehrt Somniam den Kratzer mit einem erneuten Einigler ab. Wütend faucht mein Pokémon, doch er wird schonungslos von meiner Mutter unterbrochen. „Zeig ihnen jetzt deine Psywelle.“

„Somnia!“, schreit Luna und aus ihrem Mund kommt eine langsame, lilafarbene Welle auf Karnimani zu. Karnimani schnaubt nur abfällig, springt über den Strahl hinweg und rennt, sobald er auf dem Boden aufkommt, weiter auf Somniam zu. Die Welle verpufft nutzlos im Gras, was sofort verdorrt, während Karnimani wieder angreift und Somniam mit Einigler blockt. „Du machst das hervorragend Luna!“, lobt meine Mutter ihr Pokémon, was freudig aufquietscht und in der Luft hoch und runter hopst.

„Kratzer schnell!“ , sage ich, um die Situation zu nutzen, doch obwohl Karnimani wütend knurrt- er scheint zu erkennen, dass meine Befehle kein total Stuss sind- setzt er Silberblick ein. Und nun ist der Erfolg sichtbar, Somniam erstarrt förmlich in der Luft. Bevor ich etwas sagen kann, ist Karnimani hochgesprungen und hat das Kleine mit einem Kratzer auf den Boden befördert. Als Karnimani wieder landet, erkennen wir, dass Luna besiegt auf dem Boden liegt.

„Und der Kampf ist vorbei. Karnimani und Svenja haben gewonnen“, verkündet mein Vater.
 

Aber das bedeutet ja… das bedeutet ja, dass Karnimani und ich gewonnen haben. Und das, ohne das Karnimani einmal getroffen wurde. Fassungslos sehe ich zu Karnimani, was neben dem sich gerade wieder berappelnden Somniam steht und eile auf ihn zu.

„Karnimani, das war total großartig! Das war unglaublich! Das hast du ganz toll gemacht!“, jubele ich und fahre ihm in einer unbedachten Bewegung über den Kopf. Die Reaktion erfolgt prompt, indem mein Partner zurückzuckt und dann nach meinen Fingern schnappt. Zum Glück- oder eigentlich trauriger weise- sind meine Reflexe schon nach einem Tag mit Karnimani so geschult, dass ich sie gerade noch so aus der Gefahrenzone bringen kann. Doch das scheint Karnimani nicht zu reichen, er springt auf mich zu, ich stolpere schnell einige Schritte nach hinten, als ich die zähnefletschende Krokochse sehe und gestehe: „ Tut mir leid, Karnimani, das wollte ich nicht. Ich weiß, du magst es nicht berührt zu werden und ich wollte dich sicher nicht gegen deinen Willen anfassen. Ich habe mich nur so über unseren ersten Sieg gefreut, da habe ich mich in dem Moment verloren. Entschuldige bitte!“ Flehend sehe ich das Pokémon an, während es immer noch wütend auf mich zukommt und meine Eltern wohl zu schockiert sind, um etwas zu unternehmen. Arceus sei Dank sind nicht alle von dieser Starre befallen, denn plötzlich stürzt sich Schwallboss aus dem Baum, greift Karnimani bei den Armen und hebt es in die Luft. Im selben Moment macht Kitty einen Satz von ihrem Kissen, springt nach einigen Laufsprügen in die Luft und berührt Karnimani. Sofort ersterben die Protestaktionen seitens Karnimani, da es wohl wieder von Charmebolzen beeinflusst wird. Langsam lässt Schwallboss Karnimani wieder auf den Boden sinken, wo er Zombieähnlich auf Enekoro zugeht.

„Danke Kitty, danke Schwallboss“, stoße ich ausatmend hervor. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten habe.

„Also jetzt verstehe ich, was du meintest“, erklärt mein Vater leicht geplättet. Meine Mutter tritt auf mich zu, umarmt mich kurz, dann hält sie mich eine Armelänge vor sich und sieht mich durchdringend an. „Er hat dir aber doch nicht ernsthaft verletzt, oder Liebling?“ Überlegend beiße ich mir auf die Lippen. Wenn ich zugebe, dass Karnimani mich beim ersten Zusammentreffen in die Hand gebissen hat, lassen sie mich vielleicht nicht mit ihm reisen. Und ich weiß, dass ich ohne Karnimani nicht reisen kann. Aber ich hasse es meine Eltern anzulügen, ganz abgesehen davon, dass vor allem mein Vater mich fast immer durchschaut. Verbissen sehe ich auf den Boden, um nicht in die besorgten Augen meiner Mutter sehen zu müssen.

„Svenja sag uns bitte die Wahrheit, sonst müssen wir vom schlimmsten ausgehen“, sagt mein Vater.

„Ganz abgesehen davon, dass wir dann einfach Prof. Aquilon fragen werden“, bemerkt meine Mutter. „Also?“

Geschlagen seufze ich auf. „Was wäre denn das schlimmste Papa?“

„Wenn er dich umgebracht hätte oder dich lebensbedrohlich verletzt hätte. Allerdings gehe ich davon nicht aus, sonst ständest du jetzt nicht hier.“

„Das stimmt, soweit würde Karnimani nicht gehen.“ Hoffe ich. „Aber als ich ihn ausgewählt habe, habe ich ihm die Hand hingehalten und dann hat er mich gebissen.“

Erschrocken nimmt meine Mutter meine Hände und entdeckt gleich darauf die kleinen Wunden, die Karnimanis Zähne in meine rechte Hand gegraben haben und die schon langsam verschorfen. „Oh mein armer Liebling. Warte, ich verratzte deine Hand gleich, dann kann sich da nichts entzünden.“

„Danke Mum, daran habe ich noch gar nicht gedacht“, antworte ich lächelnd. Sofort verschwindet meine Mutter im Haus, wobei sie Karnimani, das sich an ihr Enekoro kuschelt, weil es immer noch unter dem Charmebolzen steht, einen undeutbaren Blick zu wirft.
 

„Also Papa, hast du durch den Kampf etwas herausfinden können?“, wende ich mich an meinen Vater.

„Ja, das habe ich allerdings. Das Karnimani nicht auf dich hört, liegt einzig und allein daran, dass er dich provozieren will. Das reicht so weit, dass er freiwillig Schaden einsteckt, denn er erkennt, dass deine Kommandos richtig sind. Aber ich kann dir nicht sagen, warum es Karnimani so sehr darauf anlegt, dich zu provozieren.“

„Das hat mir Prof. Aquilon auch schon erklärt. Ich verstehe aber ebenfalls nicht so genau, warum er das tut. Denn ich werde ihn nicht aufgeben und zu dem Professor zurückbringen!“, erwidere ich entschlossen.

„Das ist die Richtige Einstellung Liebling. Ich bin sicher, du wirst im Laufe deiner Reise mit Karnimani herausfinden, warum er sich so verhält, wie er es tut.“

„Heißt dass, ihr werdet mir nicht verbieten mit Karnimani zu reisen?“, frage ich freudig überrascht.

„Aber natürlich nicht.“

Jubelnd laufe ich zu meinem Vater und umarme ihn heftig. Ich hatte wirklich Angst sie würden mir die Reise verbieten und mir Karnimani wegnehmen. Das würde ich nicht zulassen, Karnimani ist schließlich mein Partner! Aber so unkompliziert ist es natürlich viel besser!

„Außerdem Liebling, muss die Show ja weitergehen. Wie sähe das denn aus, wenn wir bei dem ersten Problem einen Rückzieher machen?“, wispert mir mein Vater so leise und unauffällig ins Ohr, dass die Kameras, die hier bestimmt irgendwo im Garten sind, um mich aufzunehmen, das nicht sehen können. Die Kameras folgen einem Trainer eigentlich überall hin, solange es öffentliche Plätze sind. Wohnhäuser sind zb. tabu, genauso wie die Zimmer im Pokémon Center, Badezimmer oder wenn ich draußen übernachte, mein Zelt. Aber in Gärten zb. dürfen die Kameras filmen, was bedeutet, dass mein erster Sieg in der Sendung zu sehen sein wird.

Glücklich umarme ich meinen Vater etwas fester und danke ihm so stumm für diese unfassbare Möglichkeit, in meiner Lieblingsserie teilzunehmen.
 

Da kommt meine Mutter aus dem Haus. In der einen Hand hält sie unseren Hausarztkoffer und in der anderen… einen Pokéball. Dabei wirft sie meinem Vater einen fragenden Blick zu, doch ich bin zu langsam um seine Reaktion zu sehen. Aber ich sehe, wie meine Mutter verstehend nickt und den Ball in ihre Jacke steckt.

„Hier mein Liebling. Komm her, ich kümmere mich um deine Hand.“

Dankbar lächle ich sie an, während meine Mum meine Hand desinfiziert und verbindet, dann wende ich mich an Enekoro. „Kitty, ich denken, du kannst den Charmebolzen jetzt auflösen. Danke für deine Hilfe. Es wäre wirklich nett, wenn du in der Nähe bleiben könntest. Nur für den Fall.“

Enekoro nickt und tippt Karnimani mit ihrer Pfote auf die Stirn. Wieder zuckt er zusammen, bevor er mehrmals blinzelt und mich dann wütend ansieht. Doch Kitty stößt ein warnendes Fauchen aus, worauf Karnimani sich wieder zurücklehnt, dann abwertend schnaubt und sich umdreht. Danach läuft er unter den Baum, auf dem Schwallboss sitzt und setzt sich an den Stamm gelehnt hin.

„Was wirst du jetzt machen Liebling? Gleich ist es 19 Uhr und dann wird es bald dunkel, du wirst doch wohl nicht in Dunkelheit neue Wege oder Orte erkunden? “, fragt meine Mutter besorgt.

„Das stimmt Mum, das wäre vermutlich nicht das klügste“, gebe ich ihr Recht.

„Warum schläfst du dann nicht für heute noch hier? Dann könntest du auch dein neues Zimmer einweihen, in dem hast du ja immerhin noch nie geschlafen.“

Ich mache ein unentschlossenes Gesicht. An sich wäre das wirklich praktisch, aber die anderen Trainer sind sicher schon viel weiter als ich und ich will nicht die letzte sein, die überall ankommt und Orden sammelt, zumal ich sicher nicht, die einzige bin, die Champion unserer Region werden will, so wie ich die Leute bisher einschätze.

Nun fällt auch noch mein Vater ein. „Außerdem interessiert es uns sehr, welche neuen Bekanntschaften du schon gemacht hast. Von denen könntest du uns dann ja nachher erzählen. Und… deine Mutter und ich möchten dir noch etwas schenken.“

Als mein Vater das Geschenk erwähnt, fahren meine Augen automatisch zu der Jackentasche meiner Mutter. Kann es wirklich sein, dass sie mir ein Pokémon schenken wollen?

Nun haben sie mich am Hacken und mit einem Seufzen sage ich: „Gut, ihr habt mich überzeugt. Ich bleibe über Nacht hier. Aber dann muss ich morgen wirklich früh los, um die anderen einzuholen und zu trainieren.“

„Keine Sorge Liebling, du wirst die anderen sicher schnell aufholen“, sagt meine Mutter und streicht mir sanft einige Haarsträhnen aus der Stirn.

„Und was das Geschenk angeht…“, meint mein Vater und fasst in die Jackentasche meiner Mutter. Meine Augen werden groß, als er wirklich den Pokéball in Händen hält. „Eigentlich wollten wir das Pokémon erst zu deinem Geburtstag nächsten Monat schenken, allerdings hat deine Mutter Recht. Es wird dauern, bis Karnimani auf dich hört und bis dahin kann es gefährlich sein, kein Pokémon zu haben, das dich beschützt. Das wollen wir nicht riskieren, schließlich wollen wir dich in einem Stück wieder haben, wenn du deine Reise beendest. Daher haben wir uns entschlossen, dir das Pokémon schon einen Monat früher zu geben.“ Auffordernd streckt mein Vater mir den Pokéball entgegen und nehme ihn mit leuchtenden Augen an mich. Meine Eltern schenken mir wirklich ein Pokémon!Aber was ist es eigentlich für eins?
 

Als hätte mein Vater meine Gedanken gelesen, erklärt er plötzlich: „In dem Pokéball ist ein Lin-Fu. Dieses Pokémon ist nur in Einall und Kalos zu finden, darum ist es hier bei uns relativ unbekannt. Aber dort kennt man es als Kampfspezialist und als wir das hörten dachten wir, so ein Pokémon wäre perfekt, um dein Ziel, Champion zu werden, zu erreichen. Also hat deine Journalisten Mutterhier bei einer ihrer Reportagen in Einall ein Lin-Fu bei einem Züchter gekauft und nun ist Lin-Fu dein Pokémon. Lass sie doch mal raus, dann kannst du sie kennenlernen und Schwallboss und Enekoro können eingreifen, falls Karnimani irgendwelche Probleme mit Lin-Fu hat.“

Überglücklich sehe ich meine Eltern an, dann umarme ich erst meinen Vater und dann meine Mutter stürmisch. Danach drehe ich mich zu Karnimani um. „Komm mal her Karnimani. Wir werden gleich unser neues Teammitglied kennenlernen.“

Karnimani schnaubt und sieht demonstrativ in eine andere Richtung. Mein breites Lächeln flackert kurz, doch als meine Eltern ermutigend auf die Schulter klopfen, nicke ich und atme noch einmal tief durch. Karnimani wird Lin-Fu ja so oder so kennenlernen, auch wenn es momentan nicht danach aussieht, als würde deren Beziehung besonders harmonisch werden. Aber das ändert sich hoffentlich, sobald die zwei sich kennenlernen.

Noch einmal atme ich tief durch, während Schwallboss und Enekoro neugierig näher kommen, dann öffne ich den eben bekommenen Pokéball. Der weiße Strahl schießt daraus hervor, dann bildet sich langsam ein menschenähnliches Pokémon, auch wenn es mir gerade Mal zur Mitte der Oberschenkel reicht. Dann verzeiht sich das Licht, ich erkenne das Pokémon, welches „Lin-Fu!“ ruft, während es abwechselnd in die Luft kickt.

„Hallo Lin-Fu. Ich bin Svenja und ab jetzt deine Trainerin. Willkommen im Team!“, begrüße ich es freundlich lächelnd und gehe leicht in die Knie, um auf gleicher Höhe mit dem Pokémon zu sein. Das steht still, als ich es anspreche und hört mir gebannt zu. Sobald ich meine Worte beende, jubelt es freudig „Lin-Fu!“ und umarmt mich spontan. Überrascht lächle ich und umarme es ebenfalls, während ich dankbar meine Eltern ansehe. Diese lächeln und scheinen augenscheinlich froh über die Wahl des Pokémons zu sein.

„Lin-Fu scheint dich zu mögen“, stellt mein Vater das offensichtliche fest. Ich nicke lächelnd und wende mich dann an mein neues Pokémon, was mich aufmerksam ansieht. „Lin-Fu, ich möchte dir auch Karnimani vorstellen, mein Partner und erstes Teammitglied.“ Dann drehe ich mich zu Karnimani um, der die ganze Aktion aufmerksam vom Baum aus beobachtet. „Karnimani, komm doch mal her bitte, damit du Lin-Fu kennenlernen kannst.“

Kurz scheint Karnimani zu überlegen, dann steht Karnimani auf und kommt schnell herüber. Glücklich, dass er tut, worum ich ihn bitte, sehe ich meinem Partner entgegen. Schließlich bleibt Karnimani vor Lin-Fu stehen, welches freundlich „ Fu“, sagt und Karnimani die Pfote entgegen hält. Mit unergründlichem Blick sieht Karnimani die Pfote an und mir kommt der böse Gedanke, dass es Karnimani wohl nicht so passt, einen neuen Teamkollegen zu haben.
 

Ich habe den Gedanken noch nicht fertig gedacht, da bleckt Karnimani die Zähne, schlägt die Pfote Lin-Fus so heftig aus, dass das Pokémon wegstolpert und dann kommt Karnimani knurrend auf mich zu. Ich bleibe erschrocken stehen und halte beruhigend die Hände hoch. „Karnimani, was hast du? Warum bist du böse auf Lin-Fu, sie hat dir nichts getan. Und ich dir auch nicht. Ich verstehe, dass du sauer bis,dass wir jetzt ein neues Pokémon in unserem Team haben, auch wenn ich nicht verstehe, was dein dabei Problem ist, aber du könntest doch Lin-Fu erst mal kennenlernen, bevor du dir ein Urteil bildest. Bitte Karnimani, wenn du wegen irgendwas unzufrieden bist, dann können wir doch auch darüber reden.“ Doch Karnimani schüttelt knurrend den Kopf, während er drohend auf mich zukommt. Seine Augen glühen rot und ich trete unsicher ein paar Schritte zurück. Ich habe ja gemerkt, dass Karnimani es nicht so toll fand, dass wir einen neuen Freund haben, auch wenn ich nicht verstehe, was er dagegen hat, aber das er so wütend wird, hätte ich nicht gedacht.
 

Auf einmal hört man einen lauten Schrei, dann springt ein Pokémon vor mich und schlägt Karnimani ins Gesicht. Dieser faucht überrascht, dann erkennt er, wer ihn angegriffen hat und knurrt tief. „Lin-Fu was machst du?“, frage ich erschrocken, denn Lin-Fu war es, die mich verteidigt hat.

„Lin-Fu! Fu!“, antwortet mir das Pokémon entschlossen, dann dreht es sich wieder zu Karnimani um und geht in Angriffshaltung. Auch Karnimani scheint entschlossen zu sein gegen Lin-Fu zu kämpfen. Aber das kann ich nicht zulassen! Die beiden sind im selben Team, sie sollen nicht gegen, sondern mit einander kämpfen!

Beide rennen schreiend aufeinander zu, da rufe ich: „Hört auf! Alle beide aufhören!“ Lin-Fu hält sofort inne, als sie meine Stimme hört, Karnimani aber nicht. Er holt aus und kratzt Lin-Fu. Das stolpert zurück und schreit dabei empört auf, dann fängt sie sich wieder und holt aus, um Karnimani wieder anzugreifen. Schnell fasse ich mir Lin-Fus Arm und halte ihn fest. Überrascht dreht das Pokémon sich zu mir um. „Nicht Lin-Fu. Es ist alles in Ordnung. Ich finde es toll, dass du mich vor Karnimani beschützen willst, aber das musst du nicht. Er ist mein Partner und unser Freund.“

Lin-Fu legt verwirrt den Kopf schief und ich kann es ihr nicht verdenken. Karnimani und ich verbindet wohl eher nicht das typische Trainer-Pokémon Band. Trotzdem sage ich: „Alles in Ordnung Lin-Fu.“

Langsam lässt das Pokémon den Arm sinken und wir beide sehen zu Karnimani, das heftig atmend vor uns steht und uns aus zusammengekniffenen Augen betrachtet. Langsam trete ich an Lin-Fu, was immer noch beschützend vor mir steht, vorbei und gehe vorsichtig zu Karnimani, auch wenn beide meiner Pokémon davon nicht begeistert zu sein scheinen. Dann gehe ich vor Karnimani in die Knie und bin innerlich schon erleichtert, dass er mich nicht angreift, weil ich so nah bei ihm bin. Allerdings ist er bestimmt müde von dem Kampf gegen Luna eben und jetzt auch noch Lin-Fu. Das zehrt an den Kräften.

„Karnimani, Lin-Fu gehört ab jetzt zu unserem Team. Das heißt wir halten zusammen und kämpfen für dieselbe Sache. Wir greifen uns nicht an. Ich würde mir wünschen, dass du Lin-Fu als Teammitglied akzeptierst. Ihr müsst ja keine besten Freunde werden, aber ihr solltet miteinander klarkommen.“ Trotzig sieht Karnimani mich aus roten Augen an, auch wenn sie nicht mehr so glühen wie vorhin. „Bitte“, setzte ich nochmal hinterher. Kurz scheint dieses Bitte Karnimani in seiner Meinung etwas zu verunsichern, doch dann schüttelt er entschlossen den Kopf und dreht sich um. Im nächsten Moment springt Lin-Fu nach vorne und will Karnimani nach, womöglich um ihn dazu zu bringen, mir Respekt zu zollen, doch ich halte sie zurück. Mit Gewalt hat man bei Karnimani keinen Erfolg, so viel habe ich begriffen. Aber scheinbar scheint mein Bitte von vorhin etwas in Karnimani berührt zu haben. Ob es etwas bringt Karnimani zu bitten, anstatt ihm einfach etwas zu sagen? Das sollte ich bei nächster Gelegenheit ausprobieren.
 

Plötzlich klatscht mein Vater in die Hände und ich zucke erschrocken zusammen. Meine Eltern habe ich ja komplett vergessen!

„So, wo dass jetzt also alles geklärt wäre, kommt doch alle mit rein, dann erzählst du uns von allem Svenja und dann ist es ja auch schon bald Zeit fürs Bett, schließlich willst du morgen früh los.“

Zustimmend nicken wir alle und jeder, sowohl Pokémon als auch Mensch, folgt meinem Vater nach drinnen in die Küche.

Vom Loslassen und der folgenden Freiheit

Vom Loslassen und der folgenden Freiheit            

 

 

Wir redeten viel an diesem Abend, während wir bei Knabberzeug und anderem Essen im Wohnzimmer saßen. Meist redete ich und meine Eltern hörten zu, wenn ich ihnen von dem erzählte, was ich allein in den vergangenen 12 Stunden erlebt habe. Lin-Fu saß dabei die ganze Zeit neben mir auf dem Sofa und hörte mindestens so gespannt zu wie meine Eltern. Ganz im Gegensatz zu meinem Starter. Karnimani schien einfach nicht still sitzen zu können, ständig sprang er auf, lief durch das Haus, um wenig später wieder zu kommen und sich an das andere Ende des Raumes zu setzen. Doch dort schien es ihm schnell wieder langweilig zu werden, weshalb er bald wieder aufsprang und loslief. So ging das den ganzen Abend. Dieses Herumgezappel schien auch Schwallboss anzustecken, der dann ebenfalls nicht mehr ruhig bleiben konnte und ständig mit den Flügeln schlug. Bis er dadurch Kitty weckte, die das ganz und gar nicht lustig fand und kurzerhand Gesang auf beide Zappelphilipe  einsetzte. Da beschlossen meine Eltern und ich, dass es genug wäre und wir jetzt alle Schlafen gehen würden, da es zu dem Zeitpunkt schon kurz vor Mitternacht war.

 

Kurz darauf liege ich in meinem neuen Zimmer in meinem Bett. Jetzt wo ich weiß, dass heute das letzte Mal für lange Zeit ist, dass ich hier wohne, ist es fast schade. Mein Zimmer ist wirklich toll, viel schöner und größer als mein vorheriges. Der Raum ist bestückt mit Regalen voller Bücher über Pokémon, außerdem habe ich eine ganze Ecke für meine Musiksachen, bestehend aus Keyboard, Musikboxen, Mikrophon und Kopfhörern. Sogar mein großer Kleiderschrank hat in meinem Zimmer platz. Am Fenster steht mein Laptop, neben dem sich eine Unmenge an CDs stapelt, und neben dem Schreibtisch ist meine Couchecke, auf welchem sich jede Menge Kissen türmen. Zwischen diesen hat es sich Karnimani gemütlich gemacht, so weit weg von dem Bett, in dem ich schlafe, wie nur möglich.

Lin-Fu dagegen hat sich direkt am Fußende meines Bettes eingerollt und schläft schon fast. Schnell ziehe ich mir mein blassblaues Nachtkleid an, dann gehe ich zu dem Sofa, auf dem Karnimani schläft, und knie mich davor. Ich muss leicht lächeln, als ich sehe, das Karnimani sich so eng eingerollt hat, dass er seinen Kopf auf seinem Schwanz betten kann. Dann öffnet er die Augen und funkelt mich an.

„Tut mir leid, falls ich dich geweckt habe Karnimani. Ich wollte dir nur gute Nacht wünschen.“ Karnimani rührt sich nicht und vorsichtig strecke ich meine Hand aus, um ihm über die Stirn zu streichen, doch da bewegt sich Karnimani und fletscht lautlos die Zähne. Niedergeschlagen ziehe ich die Hand zurück und stehe seufzend auf. „Gute Nacht Partner.“ Karnimani reagiert nicht, beobachtet aber aus roten Augen ganz genau, wie ich mich in mein Bett lege. Erst dann entspannt er sich sichtlich und schließt die Augen.

Ich seufze wieder, als ich erkenne, wie unangenehm ihm meine Nähe zu sein scheint. „Fu?“, höre ich die fragende Stimme vom Bettende aus und hebe den Kopf, um zu sehen, wie Lin-Fu mich fragend ansieht. Ich lächle sie beruhigend an. „Alles Gut Lin-Fu. Schlaf jetzt, ja?“

„Fu Fu:“ Noch einmal stupst Lin-Fu aufmunternd meine Füße an, bevor sie ihren Kopf auf die Matratze sinken lässt und kurz darauf eingeschlafen ist. Ich lächle leicht, als ich das sehe. Lin-Fu hat Recht, ich sollte nicht traurig sein, sondern glücklich, dass meine Reise beginnt. Ich habe zwei wundervolle Pokémon an meiner Seite und die Probleme mit Karnimani werden sich hoffentlich bessern, je länger wie miteinander reisen. Ich muss nur daran glauben.

Mit einem Lächeln kuschele ich mich tiefer in mein Kissen und schlafe glücklich ein.

 

 

Am nächsten Morgen wache ich auf, weil mich die Sonnenstrahlen an der Nase kitzeln. Ich muss niesen und spüre im nächsten Moment nur noch, wie meine Matratze leicht nachgibt und dann sehe ich, wie Lin-Fu erschrocken hochschießt und sich panisch umsieht. Leicht lache ich, als Lin-Fus gehetzter Blick auf mich fällt und als sie erkennt, dass ich nur genießt habe, entspannt Lin-Fu sich langsam wieder.

„Entschuldige, dass ich dich geweckt habe Lin-Fu und auch, dass ich gerade gelacht habe. Es sah nur gerade so lustig aus.“

Lin-Fu schnaubt und sieht etwas beleidigt aus, wie sie die Nase in die Luft und von mir wegdreht. Dann lässt sie auch noch ein „Fu!“ hören, was sich ungefähr wie ein menschliches, beleidigtes „Phh!“ anhört. Nur schwer kann ich mein Lächeln über die beleidigte Leberwurst namens Lin-Fu unterdrücken und rutschte zu ihr ans Ende des Bettes. Ich versuche ernst zu bleiben, während ich sage: „Es tut mir wirklich leid Lin-Fu. Bitte sei nicht beleidigt. Es kommt auch nicht wieder vor.“ Doch noch immer sieht Lin-Fu mich nicht an, sie scheint ernsthaft zu schmollen und mich zu ignorieren.

„Lin-Fu, es tut mir wirklich leid. Bitte, ich habe mich doch entschuldigt. Was soll ich noch machen, damit du mich nicht mehr ignorierst?“, frage ich und strecke vorsichtig meine Hand aus, um ihr über die Schulter zu streichen. Meine Vorsicht kommt definitiv durch die Erfahrungen mit Karnimani, was an sich schon etwas traurig ist, denn ich weiß, dass ich mir früher nie Sorgen gemacht habe, dass mich das Pokémon vor mir gleich anfallen könnte. Es schockiert mich etwas, wie sich mein Verhalten Pokémon gegenüber nach einem Tag mit Karnimani schon verändert hat.

Aber er kann nichts dafür, dass er Menschen misstraut und negativ auf sie reagiert. Ich darf ihn für das was er tut, nicht verurteilen. Dass würde nur unser Band, was wir irgendwann hoffentlich haben werden, zerstören. Ich muss einfach daran glauben, dass Karnimani sich mir irgendwann öffnen wird. Und bis dahin werde ich geduldig warten. So ein unbedachter Patzer, wie das Anfassen gestern, wird mir nicht nochmal passieren.

 

„Lin-Fu?“, reißt mich auf einmal eine Stimme aus meinen Gedanken, zusammen mit einem Stupsen gegen meine Hand. Verwirrt blinzle ich ein paar Mal, bevor ich das besorgte Gesicht Lin-Fus vor meinem sehe. „Alles ist gut, ich habe nur nachgedacht“, beruhige ich sie und streiche Lin-Fu über den Kopf. Dann stoppe ich plötzlich. „Du bist mir nicht mehr böse!“, stelle ich überrascht fest.

Kurz tut Lin-Fu so, als müsste sie überlegen, dann nickt sie leicht und grinst. Ich erwidere das Grinsen, dann bemerke ich: „Dann lass uns jetzt aufstehen und alle wecken. Es ist schon“, schnell werfe ich einen Blick auf meine Uhr über dem Schreibtisch, „ halb sechs, wenn wir uns beeilen, sind wir um sechs Uhr Abmarsch bereit.“

Lin-Fu nickt wild und springt aus meinem Bett. „Könntest du vielleicht meine Eltern wecken, dann versuche ich Karnimani wach zu bekommen, ja?“

Skeptisch sieht das Kampf Pokémon zu dem Sofa und dann wieder zu mir. „Karnimani wird mir schon nichts tun.“ Doch immer noch sieht Lin-Fu nicht überzeugt aus. „Nun geh schon, ich werde ihm einfach sein Futter vor die Nase halten, durch den Geruch wird er schon aufwachen.“ Lin-Fu grinst, dann nickt sie schließlich und verschwindet aus meinem Zimmer, um meine Eltern zu wecken.

Ich dagegen knie mich vor mein Sofa und betrachte mein Karnimani, was immer noch selig schlummert. Im Schlaf ist sein Körper entspannt und er sieht überhaupt nicht aggressiv aus. Vielleicht würde Karnimani immer so entspannt sein, würde er zu einem Menschen Vertrauen fassen können. Nur zu gerne würde ich ihm sanft über die Schuppen streichen, aber ich beherrsche mich. Ich weiß wie das enden würde, also muss ich Karnimani anders wecken. Eigentlich könnte ich es wirklich mit seinem Futter probieren.

Leicht lächelnd nehme ich meinen Rucksack und nach einigem wühlen halte ich eine Tüte Pokémonfutter in der Hand. Schnell reiße ich die Tüte auf und sofort steigt mir der Duft des Futters in die Nase. Er riecht erdig und pflanzlich, nach verschiedenen Arten von Beeren- was kein Wunder ist, da dieses Pokémonfutter aus unterschiedlichen Sorten von Beeren gemacht wird. Mit einer Hand greife ich in die Tüte und lege Karnimani das Futter vor die Nase. Dann kann ich beobachten, wie seine Nasenflügel zucken, bevor er die Augen aufreißt und erst mich und dann das Futter ansieht.

„Guten Morgen Karnimani. Gut dass du wach bist, wir wollen essen und dann auch bald losgehen, ja? Also iss das schnell und dann gehen wir in die Küche, dort können wir dann alle gemeinsam essen.“  Karnimani sieht mich noch einmal lange und prüfend an, bevor er langsam nach dem Futter greift. Zufrieden stehe ich wieder auf und ziehe mir die Sachen an, die meine Mutter mir gestern geschenkt hat. Es kommt mir so unglaublich vor, dass es erst gestern war, einerseits habe ich das Gefühl, schon lange eine Trainerin zu sein, andererseits kann ich es immer noch nicht fassen, jetzt als Trainerin die Region erkunden zu dürfen und Orden zu sammeln. Es erscheint so unwirklich, dass ich es kaum fassen kann. Trotzdem bin ich unheimlich glücklich darüber.

Leicht muss ich über mein verwirrendes Gefühlschaos grinsen, bevor ich mich fertig anziehe und dann an Karnimani wende, der auch fertig ist. Gemeinsam gehen wir in die Küche.

 

In der Küche werden wir schon von fast allen Familienmitgliedern erwartet. Schwallboss hat es sich auf einem der Küchenschränke gemütlich gemacht und beobachtet alles von oben, während Luna schon so wach ist, dass sie vor Aufregung durch die Gegend schwirrt und dabei fast gegen meine Eltern saust. Die beiden lassen sich von dem herumsirrenden Pokémon aber nicht beirren, sondern decken den Tisch, wobei Lin-Fu ihnen hilft. Einzig Kitty scheint noch zu schlafen, was nicht verwunderlich ist, da Kitty zu den absoluten Langschäfern zählt und Enekoro eigentlich sowieso eher nachtaktiv sind.

„Guten Morgen mein Liebling“, begrüßt mich meine Mutter und kommt mit einem breiten Lächeln auf mich zu, sobald sie mich sieht. Dann umarmt sie mich herzlich, wie sie es jeden Morgen macht so lange ich denken kann. Doch heute wird dies die letzte Morgenumarmung für lange Zeit sein. Vielleicht ist das der Grund, warum meine Mutter mich ebenso wenig loslassen will wie ich sie. Doch dann kommt Lin-Fu zu uns und ich lasse meine Mutter doch los, um mich bei Lun-Fu für ihre Hilfe beim Tisch decken zu bedanken.

„Sie hat uns wirklich viel geholfen. Ich hoffe, das klingt nicht zu sehr nach Eigenlob, wenn ich sage, dass ich bei Lin-Fu eine gute Wahl getroffen habe“, bemerkt meine Mutter.

„Nein Maria, dass klingt nicht zu sehr nach Eigenlob, sondern nur ein großes bisschen“, erwidert mein Vater grinsend, während er ihr als nonverbale Entschuldigung für seinen Kommentar einen Arm um die Schultern legt. Das scheint meine Mutter aber überhaupt nicht zu besänftigen, sie schmollt so sehr, dass ich mir mein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Als meine Mutter das sieht, stemmt sie entrüstet die Hände in die Hüften. „Lachst du etwa über mich Svenja?“

„Aber Mum, niemals! Das würde mir doch im Traum nicht einfallen!“; sage ich und flüchte schnell an den Küchentisch, damit niemand mein Lachen sieht, was ich mir nur schwer verkneifen kann. Doch meine Mutter bemerkt es natürlich trotzdem und als sie in mein verkniffenes Gesicht sieht, kann auch sie ein Grinsen nicht mehr zurückhalten, bis wir alle drei gemeinsam am Küchentisch sitzen und herzhaft lachen. Es ist wie jeden Morgen. Bis auf die Tatsache, dass ich jetzt eine Pokémon Trainerin bin.

 

Darauf werden wir auch alle schnell wieder aufmerksam, indem mein Vater fragt, wann ich denn gehen möchte. Dabei holt er fünf Futternäpfe für die Pokémon und füllt diese mit Pokémonfutter, während meine Mutter und ich schon angefangen haben zu essen.

„Nun ja, eigentlich wollte ich direkt nach dem Essen losgehen“, bringe ich zögerlich hervor. Die Antwort meiner Eltern besteht aus einem hörbaren Schlucken meiner Mutter und einem Nicken seitens meines Vaters, der alle gefüllten Futternäpfe auf den Boden gestellt hat und sich jetzt zu uns setzt. Schwallboss stürzt sich sofort auf seinen Futternapf und beginnt sein körnerförmiges Futter zu fressen und auch Luna lässt sich sofort zu ihrem Futter sinken. Per Telekinese lässt sich das Futter einzeln in ihren Mund schweben. Auch Lin-Fu gesellt sich sofort zu den beiden, einzig Karnimani schnappt sich seinen Futternapf und verschwindet ans andere Ende des Raumes, wo er alleine sein Futter isst. Nur schwer kann ich ein Seufzen zurückhalten, als ich die gespaltenen Pokémonlager sehe.

„Es wird schon werden“, sagt mein Vater aufmunternd, als er meinem Blick folgt und legt mir eine Hand auf den Unterarm.

„Es muss“, murmele ich leise und bin auf einmal wieder bedrückt.

„Und das wird es, wenn ihr euch nur gegenseitig genug Zeit gebt. Den anderen so zu akzeptieren wie er ist, ist wichtig im Leben Svenja“, erklärt mein Vater und drückt zur Bekräftigung noch einmal meinen Arm, bevor er ihn loslässt, sich seinem Essen zuwendet und mich mit meinen niedergeschlagenen Gedanken alleine lässt. Was, wenn Karnimani mich nie als seine Trainerin akzeptieren wird? Wenn er mich gar nicht kennenlernen will? Wenn er einem `uns´ keine Chance geben wird?

Nicht mehr ganz so fröhlich wie noch zu Anfang des Frühstücks rühre ich mehr in meiner Cornflakes Schale als daraus zu essen, doch niemand spricht mich auf mein merkwürdiges Essverhalten an. Vielleicht bemerken meine Eltern ja, dass ich gerade lieber mit meinen Gedanken alleine bin, als mich von ihnen ablenken zu lassen. Und dafür, dass sie mich meinen Gedanken nachhängen lassen, bin ich ihnen dankbar.

 

Schließlich wird es Zeit für mich und meine Pokémon aufzubrechen. Ich bin zwar immer noch traurig, allerdings längst nicht mehr so wie vorhin beim Essen, was an meiner Aufregung liegen könnte. Seltsamerweise bin ich heute mit der Aussicht, meine Familie zu verlassen, viel aufgeregter als gestern. Möglicherweise war ich gestern über die ganzen Veränderungen noch zu schockiert, um alles zu realisieren, aber das hat sich jetzt gelegt. Ich fühle mich, als würde die Aufregung, die ich gestern nicht verspürt habe, heute mit doppelter Kraft treffen, so unruhig bin ich, als ich mich von meinen Eltern verabschiede.

Meine Mutter scheint das zu bemerken, denn als sie mich umarmt, meint sie: „Du kannst jederzeit wieder nach Hause kommen, wenn etwas nicht in Ordnung ist Liebling. Wir sind immer für dich da.“

„Das weiß ich doch Mum.“, sage ich mit belegter Stimme und auch wenn ich das so meine, wie ich es sage, beruhigt es mich doch zu wissen, dass es immer einen Ort geben wird, an den ich zurückkehren kann.

„Wir werden dir immer beistehen, aber ich bin sicher, sobald du erstmal losgezogen bist, wirst du froh über deinen neugewonnen Freiraum sein und unsere Hilfe gar nicht brauchen“, mischt sich jetzt auch mein Vater ein.

„Wenn du damit sagen willst, dass ich irgendwann ohne eure Unterstützung leben werde, dann muss ich sagen, dass ich das bezweifle. Ich werde euch immer als Rückhalt brauchen. Ihr seid doch meine Eltern!“

„Natürlich werden wir die immer den Rücken stärken Svenja, aber durch diese Reise wirst du auch lernen, auf deinen eigenen Füßen zu stehen. Es ist ein wichtiger Schritt zum Erwachsenwerden“, entgegnet mein Vater ernst. Meine Mutter sieht nach dieser Aussage so aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen und zieht mich dann mit erstaunlicher Kraft nochmal in ihre Arme. „Oh, mein kleines Mädchen ist so schnell so groß geworden. Ich kann es kaum glauben, dass du jetzt schon wie wir damals in deinem Alter auf eine Reise gehen wirst. Es ist so unfassbar“, schnieft sie laut in mein Haar, während sie mir fahrig durch einzelne Strähnen fährt.

„Mum.. nicht… ist schon gut“, versuche ich sie irgendwie zu beruhigen. Wen ich sie jetzt weinen sehe, muss ich auch weinen und dann schaffe ich es vielleicht nicht, von ihnen fortzugehen.

„Maria, beruhig dich. Svenja ist ja nicht aus der Welt, wir können sie jederzeit anrufen, genauso wie sie uns. Kein Grund, dem Kind jetzt noch deine Sorgen in den Kopf zu pflanzen, damit sie sich auch noch darum kümmern muss“, sagt mein Vater mit bestimmter Stimme, gleichzeitig ist sein Blick aber sanft, als er meine Mum in seine Arme zieht. „Ja, du hast ja recht Hakeem“, sagt meine Mutter und strafft sich wieder.

„Ich werde euch so vermissen“, gebe ich leise zu und umarme die beiden gleichzeitig. Beide Eltern umarmen mich ebenfalls, dann sagt mein Vater: „Wir werden dich auch vermissen. Weil wir dich lieben Svenja. Das darfst du niemals vergessen, gleichzeitig darf es dich aber auch nicht davon abhalten, deine Reise zu genießen.“ Und mit einem Blick über meine Schulter fügt er hinzu: „Und vielleicht solltest du jetzt wirklich losgehen, zumindest Karnimani sieht so aus, als würde er gleich alleine losmaschieren.“ Mit einem Blick zu meinen Pokémon muss ich meinem Vater zustimmen. Karnimani sieht wirklich sehr verstimmt aus, Lin-Fu dagegen scheint sich mit Schwallboss zu unterhalten, auch wenn sie mir hin und wieder Blicke zuwirft.

„Na gut dann… werde ich jetzt wohl gehen“, meine ich zögern. Als meine Eltern mir bestärkend zunicken und lächeln, lächle auch ich und gehe zu Lin-Fu und den drei Pokémon, die mich bisher an jedem Tag meines Lebens begleitet haben. Würde ich mich nicht von ihnen verabschieden, würden sie mir das wohl nie verzeihen. Es hat also etwas Gutes, dass ich gestern nochmal nach Hause gekommen bin.

 

„Ich wollte mich nur noch von euch verabschieden. Lin-Fu, Karnimani und ich werden jetzt gleich aufbrechen“, begrüße ich die Pokémon und knie mich hin, um mit ihnen auf Augenhöhe zu sein. Schwallboss klackert einige Mal unglücklich mit dem Schnabel, bevor er mir relativ sanft ins Ohrläppchen kneift- etwas dass er tut, seit ich denken kann. Darum zucke ich nicht mal zusammen, mein Ohr ist das schon gewöhnt.

Enekoro dagegen schleckt mir über die Wange, indem sie sich mit ihren Pfoten auf meinen Schultern abstützt, um besseren Halt zu haben und ich streiche den beiden meinerseits über Gefieder bzw. Fell, woraufhin zumindest Enekoro leise zu schnurren anfängt. Dann aber drängt sich Luna zwischen uns, indem sie mich immer wieder anstupst, worauf ich sie schnappe und so fest in die Arme nehme, dass die Kleine leise aufquietscht. Erschrocken lasse ich sie los, um zu erkennen, dass das Quietschen vor Freude und nicht vor Schmerz war, weshalb ich leise lachen muss. „Macht’s gut ihr drei. Und dass ihr Mum und Papa nicht in den Wahnsinn treibt, bis ich wieder da bin.“ Gespielt drohe ich ihnen mit dem Zeigefinger, worauf sie ganz entrüstet tun. Schmunzelnd stehe ich auf und sehe zu Lin-Fu. „Lass uns losgehen.“ 

„Lin Lin-Fu!“, jubelt das Pokémon begeistert und stürmt zu Karnimani, der tatsächlich schon ohne uns in Richtung Route 50 losgegangen ist. Nochmals winke ich meiner Familie zu, dann folge ich meinen Pokémon, ohne mich noch einmal umzudrehen. Und irgendwie fühlt es sich befreiend an. Es ist der 2. Juli, halb sieben und ich fühle mich so befreit, wie noch nie. So befreit, dass ich schließlich mit ausgebreiteten Armen aus dem Dorf renne und einen lauten Schrei aus meiner Kehle lasse. Denn ich weiß, dass ich für längere Zeit nicht mehr hierher zurückkehren werde. Doch es macht mir keine Angst, es fühlt sich gut an. Es fühlt sich an wie … Freiheit.

 

 

Wir laufen noch nicht lange über Route 50, als wir auf einmal ein hohes, durchdringendes Pfeifen hören. Überrascht sehe ich zu Lin-Fu und Karnimani, doch nur das Kampf Pokémon erwidert meinen Blick. Karnimani hält zwar kurz irritiert inne, doch dann rennt er dem Geräusch entgegen. „Warte Karnimani!“, rufe ich ihm nach, aber er reagiert nicht. Was habe ich auch erwartet? Also renne ich meinem Starter hinterher, auf den Fuß verfolgt von Lin-Fu.

Wir holen ihn ein, als Karnimani vor einer Felswand stehen bleibt. Verwirrt werfe ich einen Blick an Karnimani vorbei und sehe auf einmal ein braunes Pokémon, was uns so überrascht mustert, wie wir drei es. Dann stößt es ein verschüchtertes Pfeifen aus, was eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Pfeifen von vorhin hat, nur eben in leiser. Langsam, um es nicht noch mehr zu verschrecken, zücke ich meinen Pokédex und richte ihn auf das wilde Pokémon, was sich ängstlich an die Felswand drückt.  Irritierender weise fällt mir in dem Moment auf, dass das das erste Mal ist, wo ich meinen Pokédex benutze.  Bei Gelegenheit sollte ich mal meine Pokémon scannen. Doch jetzt erst mal Konzentration auf das hier und jetzt, sage ich mir selbst, denn nach kurzem Sirren fängt mein Pokédex an zu reden.

 

„Wiesor, dass Späher Pokémon. Wiesor leben in Gruppen zusammen. Wenn die Gruppe schläft, hält immer jemand Wache. Bei Gefahr warnt es seine Artgenossen, indem es schrill schreit und mit dem Schweif auf den Boden schlägt. Es ist ein sehr scheues Pokémon, was ohne die Sicherheit seiner Artgenossen solche Angst bekommt, dass es hohe Schreie ausstößt und nicht mehr schlafen kann.“

 

Verwirrt blicke ich wieder hoch und stecke den Pokédex wieder weg. Außer dem Text, sowie einer Angabe zum Typ von Wiesor und sein Geschlecht, liefert mir der Pokédex keine weiteren Informationen. Überlegend kaue ich auf meiner Unterlippe. Wenn dieses Normal Pokémon eigentlich ein Rudeltier ist, wo sind dann seine Artgenossen? Und wenn es von ihnen getrennt wurde, sind die Pfiffe eigentlich ein Signalruf und es wimmelt hier gleich von wilden Wiesor?

All meine Überlegungen werden mit einem mal unterbrochen, als Karnimani einen Schritt auf das wilde Pokémon zumacht. Wieder stößt es einen schrillen Schrei aus und klopft nun auch noch warnend mit seinem Schweif auf den Boden. Er fühlt sich von uns bedroht, warnt uns und ruft gleichzeitig nach seinen Artgenossen, erkenne ich. Allerdings scheint Karnimani das nicht so zu sehen. Langsam macht er noch einen Schritt auf Wiesor zu, was jetzt anfängt zu zittern und sich ängstlich zusammenkauert. Jetzt stößt er fast ununterbrochen hohe Pfeiftöne aus und klopft auf den Boden. Ich kann das nicht mit ansehen, knie mich hin, um weniger bedrohlich auszusehen und sage leise: „Ganz ruhig, niemand will dir etwas tun. Du musst keine Angst haben Wiesor, wir sind keine Gefahr.“

Wie um das Gegenteil zu beweisen, tritt Karnimani wieder einen Schritt näher an Wiesor heran, worauf das Pokémon fast schon panisch aufkreischt. Karnimani schüttelt den Kopf und knurrt leise, als der Schrei förmlich durch unser Trommelfell zu schneiden scheint. Scheinbar will auch er, dass die Schreie aufhören, nur scheint er dafür einen anderen Weg zu bevorzugen.

„Warte Karnimani. Er fühlt sich bedroht, besser wir lassen ihn etwas Raum zum Atmen, damit er sich beruhigen kann“, raune ich meinem Starter zu. Der dreht sich mit einem Fauchen zu mir um und starrt mich mit so rotglühenden Augen an, dass ich denke, er spuckt jeden Moment verachtend vor mir auf den Boden. Doch da stößt das Normal Pokémon wieder einen durchdringenden Pfiff aus, was Karnimani wütend knurrend zu ihm herum fahren lässt. Lautlos atme ich aus und für einen Moment bin ich froh, dass Karnimani seinen Hass nicht mehr gegen mich richtet. Doch nur für einen Moment, denn plötzlich rennt Karnimani auf das Wiesor zu, bereit zum Angriff!

„Karnimani, nicht!“, schreie ich laut auf, doch meine Worte gehen in wilden Schreien unter, als sich eine Gruppe Pokémon von der Felswand stürzt, an die Wiesor sich die ganze Zeit gedrängt hat. Beschützend stellen sich die drei Wiesor vor das kleinere Wiesor und ich erkenne, dass es seine restliche Gruppe sein muss, so fürsorglich, wie sich eins der Wiesor gleich zu dem Kleineren umdreht. Die beiden anderen, größeren dagegen, starren uns feindselig an.

Ich und Lin-Fu, die sich die ganze Zeit im Hintergrund aufgehalten hat, treten einige Schritte zurück, doch Karnimani denkt gar nicht daran, vor den wilden und wütenden Pokémon zurückzuweichen. Er sieht genauso wütend zurück und dann … rennt er mit einem wütenden Fauchen auf die Gruppe zu!

Schneller als irgendjemand reagieren kann hat Karnimani schon ausgeholt und eines der beiden vorderen Wiesor gekratzt. Karnimanis Kraft ist so stark, dass das Pokémon zurückgeschleudert wird und laut jaulend einige Meter weiter auf dem Boden vor der Felswand aufkommt.

„Karnimani, lass das! Sie haben uns doch gar nichts getan!“, rufe ich in dem verzweifelten Versuch, meine Echse umzustimmen, doch völlig vergebens. Er ignoriert mich, spätestens dann komplett, als das andere Wiesor wütend aufbrüllt, losrennt und Karnimani mit erstaunlicher Schnelligkeit ebenfalls so heftig kratzt, dass mein Partner gegen die Felswand gedrängt wird. Nun hat sich auch das andere Wiesor wieder aufgerappelt und zu zweit nehmen sie Karnimani in die Mangel. Dabei stehen sie vor Karnimani, sodass ich ihn nicht mehr sehen kann. Ich höre nur noch seine Schreie, von denen mir richtig schlecht wird.Da spüre ich eine Berührung an meinem Arm. „Lin, Lin-Fu!“, ruft sie und sieht mich eindringlich an.

„Lin-Fu!“, stoße ich erleichtert hervor. Gott sei Dank! Sie kann Karnimani helfen! Für einen Moment hatte ich das Kampf Pokémon komplett vergessen, doch jetzt straffe ich mich. Auch wenn Karnimani diesen Mist verzapft hat, er ist mein Pokémon, ich trage die Verantwortung und darum werde ich ihm jetzt helfen, die Suppe auszulöffeln, die er sich eingebrockt hat.

 

 

Entschlossen trete ich einen Schritt nach vorne und befehle: „Lin-Fu, Pfund auf die Wiesor! Lenk sie von Karnimani ab!“ Mein Pokémon nickt ebenso entschlossen wie ich, dann rennt sie los. Und sie ist schnell, das muss man ihr lassen. Bevor die wilden Pokémon Karnimani erneut verletzen können, hat sie eins der Wiesor weggerissen und ich erhasche einen kurzen Blick auf die blaue Echse. Und was ich sehe erschreckt mich. Karnimanis blaue Schuppen sind nicht länger blau, sondern teilweise rötlich gefärbt. Rötlich gefärbt durch das Blut, was ihm aus den vielen Kratzwunden auf seinem Körper fließt. Er muss unglaubliche Schmerzen haben und dennoch steht er noch. Auch wenn er sich an der Felswand abstützen muss. Wir müssen hier so schnell wie möglich weg, diese Wunden müssen geheilt werden, bevor noch etwas Schlimmeres passiert!

Wieder will Wiesor Karnimani angreifen, doch irgendwoher nimmt Karnimani die Kraft, den Arm zu blockieren und den Gegner sogar wegzudrücken. Das andere Wiesor ist derweil mit Lin-Fu beschäftigt. Dann reißt Karnimani auf einmal seinen Kopf zurück und als er sein Maul öffnet, schießt ein Wasserstrahl daraus hervor – auf Wiesor zu. Das schreit „Wiiiesooor!“ und kippt besiegt um. Doch auch Karnimani scheint der Angriff geschafft zu haben, er zittert ziemlich. Ungefähr so wie ich, die noch gar nicht alles realisieren kann, was hier alles gerade passiert, so schnell geht alles.

 

Plötzlich vibriert etwas in meiner Handtasche und ich fahre fürchterlich zusammen. Doch ich habe keine Zeit, nachzusehen was das war, denn wieder greift das andere Wiesor Lin-Fu an. Aber diese dreht sich geschickt unter den Klauen weg und schlägt nach dem Normal Pokémon, jedoch weicht auch das aus. Dann mischt sich Karnimani in den Kampf mit ein. Er blutet aus verschiedenen Wunden und kann Lin-Fu nicht sonderlich leiden, dennoch hilft er ihr in dem Kampf. Ich bin wahnsinnig stolz auf ihn, wenn ich auch gleichzeitig besorgt bin, wie lange Karnimani das durchhalten will.

Er haut nach Wiesor, ist aber zu langsam, um es zu treffen. Dafür ist dann gleich Lin-Fu zur Stelle und dieses Mal kann Wiesor nicht schnell genug reagieren, um auszuweichen. Es wird getroffen, faucht aber nur wütend auf und kratzt sofort Karnimani. Eine schlaue Wahl, denn durch seine Wunden ist Karnimani zu behindert, um schnell genug auszuweichen. Allerdings ist der Kratzer dieses Mal nicht stark genug, um Karnimanis Schuppenpanzer aufzureißen. Auch Wiesor muss erschöpft sein.

Da stürzen sich die beiden anderen Wiesor mit in den Kampf. Die beiden hatte ich schon komplett vergessen, dachte ich doch eigentlich sie hätten sich im nächsten Gebüsch versteckt und in dessen Sicherheit den Kampf verfolgt. Doch scheinbar scheinen sie ihren Gruppenmitgliedern helfen zu wollen.

Beide stürzen sich auf Karnimani und kratzen ihn, bedrängen ihn von beiden Seiten, sodass er sich wie vorhin nicht währen kann. Wäre er gesund und munter und nicht so zerschunden und blutend würde er sie bestimmt besiegen können doch so …

Ich muss etwas unternehmen! Wir müssen hier weg!

 

Wütend faucht Karnimani und hiebt nach den beiden kleineren Wiesor, wobei er das größere von beiden mit den Krallen erwischt. Es fiept schrill auf, flieht aber nicht.

Ich muss jetzt etwas unternehmen! „Lin-Fu, setz Pfund auf das größte Wiesor ein! Wir müssen hier weg! Verstehst du, Rückzug! Du auch Karnimani, Rückzug!“ Innerlich flehe ich, dass Karnimani macht, was ich ihm sage. Ob er Rückzug in dieser Situation mit seinem Stolz vereinbaren kann?

 

Lin-Fu nickt verstehen, dann holt sie aus und trifft. Doch noch immer ist das Wiesor nicht besiegt, auch wenn es wie eine Dampflock schnauft. Da greift das kleinste von ihnen, das Wiesor, was wir vorhin alleine gefunden haben, Karnimani an. Er kratzt meinem Partner über seine ohnehin schon stark blutende Wunde, ich sehe, wie Karnimani vor Schmerz das Gesicht verzieht, dann klappen seine Augen zu und er bricht zusammen.

„Karnimani!“, schreie ich entsetzt und renne zu ihm. Auf die wilden Wiesor achte ich nicht, ich hoffe darauf, dass Lin-Fu mich vor ihnen beschützen wird. Und es scheint zu funktionieren, denn Lin-Fu wirft sich vor mich, als mich eins der Pokémon mit Kratzer angreifen will.

Keuchend sinke ich neben dem bewusstlosen Karnimani nieder. Er blutet aus vielen Wunden und sein Atem geht heftig. Er braucht Hilfe und das sofort. Doch ich habe keine Ahnung was ich tun soll. In all meinen Lehrjahren auf der World Pokémon Schule hat man mich nicht auf eine solche Situation vorbereitet. Zumindest nicht praktisch.

 

Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Lin-Fu von einem weiteren Kratzer getroffen wird, doch sie fletscht nur wütend die Zähne und greift mit Pfund an. Dabei trifft sie das größte Wiesor, was endlich ko. zu Boden geht, doch für Jubel bleibt keine Zeit. Noch immer muss Lin-Fu sich gegen zwei Gegner wehren. Beide greifen an, doch wenigstens einem kann Lin-Fu ausweichen. An ihrer schnellen Atmung merke ich, dass auch ihr der Kampf zu schaffen macht, selbst wenn sie es sich nicht anmerken lassen will.

 

Schnell wende ich mich wieder Karnimani zu und nach einem letzten prüfenden Blick – er ist immer noch bewusstlos- berühre ich ihn. Vorsichtig, um ihn nicht noch weiter zu verletzen, hebe ich ihn auf meine Arme und schnaufe erst mal durch. Immerhin wiegt Karnimani fast zehn Kilo! Aber ich darf jetzt nicht schwach werden, gestern habe ich ihn auch schon getragen. Auch wenn es heute schlimmer ist. Sein Körper ist glitschig von seinem Blut, weshalb er mir immer wieder fast aus den Armen rutscht, er ist viel schlimmer verwundet als gestern, daher muss er auch schneller geheilt werden, und wir müssen uns durch ein mir unbekanntes Gebiet schlagen, um nach Serenitia zu kommen. Nicht zu vergessen, wir werden immer noch von zwei Wiesor angegriffen! Erfolg auf ganzer Linie!

Schnaufend drücke ich mich hoch und sehe gerade noch, wie Lin-Fu das nächste Wiesor besiegt. Jetzt ist nur noch ein Wiesor übrig, das, weswegen wir den ganzen Ärger überhaupt haben. Als Lin-Fu einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu macht, quietscht er erschrocken auf und flüchtet in ein Gebüsch.

 

 

Mit einem Mal ist es still an der Felswand. Erschüttert sehe ich mich um. Um uns herum liegen drei besiegte Wiesor, der Boden ist zerfurcht und teilweise Blut bedeckt.

Mit einem leisen Ächsen tritt Lin-Fu neben mich. „Das hast du großartig gemacht Lin-Fu, ehrlich. Aber wir müssen jetzt so schnell wie möglich nach Serenitia, Karnimani geht es wirklich schlecht.“

Plötzlich hören wir ein stöhnendes „Sor?“ hinter uns und als ich mich umsehe, bemerke ich wie zwei der drei Wiesor langsam wieder zu sich kommen.

Das ist der Moment, indem Lin-Fu und ich endlich die Beine in die Hand nehmen und losrennen. Eine Blutspur Karnimani´s hinter uns lassend. 

Selbstzweifel und deren Gegenmaßnahmen

Selbstzweifel und deren Gegenmaßnahmen
 

Nach einem langen Sprint, in welchem ich durch die Anstrengung halb sterbe, sehe ich die Häuser Serenitias. Kurz bleibe ich stehen, um zu Atem zu kommen und ich würde mir gerne meine Seiten halten, die so sehr stechen, als hätte mir jemand ein Messer durch die Hüfte gerammt. Allerdings trage ich in meinen Armen das immer noch ohnmächtige Karnimani. Ein Blick auf ihn zeigt mir, dass es ihm wirklich schlecht geht. Er ist ganz blass und seine Brust hebt sich nur flach. Mit einem weiteren Blick auf Lin-Fu, die auch eher nach Luft schnappt, als wirklich zu atmen, seufze ich und renne weiter der Route nach, die mich schlussendlich nach Serenitia bringen wird. Dorthin, wo es Hilfe für Karnimani gibt. Ich darf nur nicht vorher zusammenbrechen.
 

Alles dreht sich, ich sehe kaum noch wo ich hin gehe, weil alles schwankt und flackert. Ich spüre, dass Lin-Fu mich zu stützen versucht, aber auch sie ist zu kaputt. Das Atmen fällt mir schwer, dabei wäre doch gerade Sauerstoff das, was mir helfen würde. Aber meine Brust ist so eng, dass Atmen ist so anstrengend. Ich will mich nur noch irgendwo hinlegen und schlafen.

Die Häuser, an denen ich vorbeistolpere, drehen sich und jedes Mal wenn ich mich an einer Hauswand abstützen will, steht das Haus auf einmal nicht mehr da, sondern ein paar Meter weiter. Ich kann nicht mehr. Mein ganzes Sichtfeld flackert, ich höre nur noch ein immer lauter werdendes Rauschen und ich bin so müde. Noch einen Schritt schwanke ich nach vorne, dann wird alles um mich herum schwarz.
 

Das erste, was ich wieder spüre, ist der weiche Untergrund auf dem ich liege. Dann höre ich die Stimmen. Die eine ist männlich und links an meiner Seite, die andere ganz eindeutig weiblich und zu meinen Füßen. Und… sie unterhalten sich.

„Wissen sie vielleicht, wie lange sie noch schlafen wird, Schwester Joy?“

„Das kann ich nicht sagen, tut mir leid. Ihr Körper braucht Zeit, um sich von dieser Überanstrengung zu erholen. Sie könnte jederzeit aufwachen, genauso gut aber auch noch Stunden schlafen.“

„Ich verstehe. Dann werde ich hier warten, wenn sie es erlauben.“

„Natürlich mein Junge. Gib mir bitte Bescheid, wenn sich irgendetwas an ihrem Zustand verändert. Ich muss mich jetzt wieder um ihre Pokémon kümmern.“

„Dann sollten sie gehen, Schwester Joy. Ich gebe ihnen Bescheid, wenn sich etwas tut.“

Ich höre sich entfernende Schritte und ein Seufzen links von mir. Ich runzele die Stirn. Durch das laute Rauschen in meine Ohren dringen die Worte nur langsam in meinen Geist und noch langsamer verstehe ich ihre Bedeutung. Die Frau hat etwas von Überanstrengung gesagt. Und von Pokémon…

Meine Pokémon…

Karnimani… …und … …Lin-Fu…

KARNIMANI!

Mit einem lauten Aufkeuchen schlage ich die Augen auf und fahre hoch. Augenblicklich dreht sich alles vor meinen Augen, ich schließe sie wieder und presse mir meine Fäuste an die Schläfen, die so sehr dröhnen, als würde dahinter einer mit dem Presslufthammer arbeiten. Verzweifelt stöhne ich auf. Was ist passiert?

Plötzlich spüre ich warme Hände, die mich sanft an den Schultern fassen, und zucke zurück. Wieder reiße ich die Augen auf und sehe, wie ein Junge durch mein Zusammenzucken ebenfalls zusammenfährt und dann einige Schritte zurück tritt. „Ganz ruhig. Du hast es geschafft. Du bist hier in Sicherheit. Sieh dich um. Dir droht keine Gefahr“, meint er dann und sieht mich beschwörend an. Immer noch sind meine Augen von dem Schock weit aufgerissen und ich atme hektisch, aber ich tue automatisch was der Junge mir sagt.

Das erste, was mir auffällt, ist, dass ich auf einem weichen, weißbezogenen Bett liege. Ein schweifender Blick durch den Raum zeigt mir, dass es hier sonst eher weniger möbliert ist. Außer einem Schrank und einem Tisch mit zwei Stühlen befindet sich sonst nichts mehr in dem Raum, außer zwei Türen, wobei eine von ihnen nur angelehnt ist. Bis auf ein großes Fenster, das aber durch blassgelbe Vorhänge verdunkelt ist, ist nichts mehr zu sehen.

Da spricht der Junge wieder mit mir und ich wende mich ihm zu. Er ist älter als ich, wenn auch nicht mehr als ein paar Jahre. Und er ist hübsch. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Frauenwelt ihm zu Füßen liegt. Er hat helle Haut und ein spitzes Kinn, sein Gesicht wird von hellbraunen Haaren umrahmt und durch seinen Pony blitzen mir ebenso braune Augen freundlich entgegen. Plötzlich fällt mir auf, dass der Junge wohl mit mir redet, so aufgeregt, wie sich sein Mund bewegt.

„ - gehe kurz Schwester Joy holen. Leg du dich - “ Aber da fällt mir auch schon ein, was ich eigentlich machen sollte, nämlich nach meinen Pokémon sehen, und schwungvoll schlage ich die Decke zurück und schwinge die Beine aus dem Bett. Dabei fällt mir gar nicht auf, dass ich nicht meine Sachen trage, sondern irgendeinen weißen Patientenkittel. Ich will aufstehen, doch stattdessen knicken mir die Beine weg und der Boden kommt mir entgegen. Entsetzt presse ich die Augen zusammen, mache mich auf den Aufprall gefasst, doch – der bleibt aus. Überrascht öffne ich die Augen und finde mich an die Brust des Jungen gepresst wieder. Verwirrt blinzle ich aus blauen Augen zu ihm hoch, weil noch immer bunte Flecken vor meinen Augen tanzen, und der Junge wird aus unerfindlichen Gründen rot im Gesicht. Verlegen räuspert er sich und drückt mich wieder auf mein Bett. „Du sollst noch liegen bleiben. Ich gehe jetzt Schwester Joy holen und du bleibst in diesem Bett liegen.“ Dann macht er Anstalten, aus dem Raum zu gehen, doch das kann ich nicht zulassen.

„Warte“, flüstere ich heiser, doch zum Glück hört der braunhaarige mich und guckt mich neugierig an. „Wo … wo bin ich?“, flüstere ich wieder. Zu mehr Lautstärke fehlt mir irgendwie die Kraft.

Der Junge lächelt sanft. „Du bist im Pokémon Center von Serenitia. Ich habe dich hier her gebracht, nachdem ich dich und deine Pokémon bewusstlos am Rand Serenitias gefunden habe.“

Jetzt fällt mir alles wieder ein! Die Wiesor, die Flucht! Karnimani! Panisch reiße ich die Augen auf. Geht es ihm gut?

Der Junge scheint meine Panik zu bemerken und richtig zu deuten, denn er beruhigt mich sofort. „Keine Sorge, deinen Pokémon geht es soweit ich weiß gut. Schwester Joy und Ohrdoch kümmern sich um die beiden. Du musst dir also keine Sorgen machen.“ Dann will er wieder aus der angelehnten Tür drehten. „Ich hole jetzt Schwester Joy, die wird dir all deine Fragen beantworten.“

„Warte!“

Seufzend dreht der Brünette sich ein weiteres Mal zu mir, dann lächelt er aber geduldig.

„Danke dass du mich hier her gebracht hast – ähm.“ Fragend sehe ich ihn an.

„Oh verdammt, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, nicht wahr? Das tut mir leid. Also ich heiße Zac. Und du brauchst mir nicht zu danken, dass hätte bei eurem Anblick wohl jeder getan, der zufällig vorbeigekommen wäre.“ Damit dreht er sich wirklich um und tritt endgültig aus der Tür. Ich dagegen lasse mich seufzend ins Kissen zurücksinken.
 

Schon kurz darauf wird die Tür wieder aufgestoßen und Schwester Joy rauscht in den Raum. Sofort tritt sie an mein Bett und leuchtet mir mit einem Stab in die Augen, während sie meint: „Bist du also endlich wieder aufgewacht, Svenja?“

Verwirrt sehe ich sie an. Woher weiß sie meinen Namen?

Schwester Joy lacht und drückt mir dann einen Schein in die Hand. „Dein Trainerpass. Auf dem steht dein Name drauf.“ Kur sehe ich drauf, dann nicke ich verstehend und stecke den Pass ein. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“, frage ich mit inzwischen wieder etwas kräftigerer Stimme.

„Wir haben jetzt viertel nach 10, um kurz vor acht wurdest du bewusstlos hier eingeliefert. Also mehr als zweieinhalb Stunden.“

Kurz stocke ich, dann frage ich vorsichtig: „Und… Karnimani? Und Lin-Fu?“

„Um Karnimani kümmert sich derzeit noch Ohrdoch. Es war wirklich gut, dass du ihn so schnell wie möglich her gebracht hast, auch wenn die Überanstrengung für dich ebenfalls negative Folgen hatte. Aber er hat durch die Wunden viel Blut verloren. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn Zac euch nicht hergebracht hätte. Aber du brauchst dir keine Gedanken zu machen, Karnimani wird wieder. Allerdings sollten wir uns noch mal über die Funktion eines Pokéballs unterhalten, meine Liebe. Der Pokéball ist zum Transport und zum Schutz seines Pokémons. Es war richtig, dass du ihn nicht in seinen Ball zurückgerufen hast, als er schon so verwundet war. Für den Vorgang wäre er zu dem Zeitpunkt schon zu geschwächt gewesen, allerdings hättest du es gar nicht erst bis dahin kommen lassen dürfen und ihn schon viel früher in den Schutz seines Balls rufen müssen. Du bist schließlich seine Trainerin und hast dementsprechend die Verantwortung für dein Pokémon!“

Ich will etwas sagen, will mich verteidigen, will ihr erklären, das Karnimani seinen Ball hasst und sich nicht zurückrufen lässt, aber Schwester Joy lässt mich gar nicht zu Wort kommen. „Ich hoffe, du hast aus deinem Fehler gelernt.“ Dann atmet sie tief durch, wie um sich zu beruhigen und sagt dann: „Lin-Fu geht es dagegen schon wieder hervorragend. Sie hatte sich wie du ebenfalls sehr überanstrengt. Wenn du willst, kann ich dein Pokémon zu dir bringen.“

Wild nicke ich und sehe Schwester Joy dankbar an. Die lächelt und ruft dann lauter: „Du kannst sie reinlassen, Zac!“ Die Tür öffnet sich und mein Lin-Fu rennt durch die Tür. Als sie mich auf dem Bett liegen sieht, schreit sie glücklich „Fu!“ und springt mit einem Satz auf meine Brust. Mir entfeuchte ein leises „Uff“, Lin-Fu ist nicht gerade leicht, dann schließe ich mein Pokémon in meine Arme und drücke sie glücklich an mich. Ich bin so froh, dass es ihr gut geht und sie durch meinen Fehler keinen dauerhaften Schaden davon getragen hat.

Als meinen Blick wieder von Lin-Fus Schulter löse, sehe ich Schwester Joy und Zac, die uns beide lächelnd beobachten. Als die Schwester bemerkt, dass ich sie ansehe, sagt sie: „Du bist hier in einem der Zimmer des Pokémon Centers. Es steht dir solange zur Verfügung, wie du willst. Ich lasse euch jetzt mal wieder alleine, dir scheint es ja augenscheinlich besser zu gehen. Wenn Karnimani sich soweit erholt hat, dass ihr wieder zusammen weiter reisen könnt, gebe ich dir Bescheid. Ich denke aber, dass das noch heute der Fall sein wird. Ohrdoch tut alles, um den Blutverlust auszugleichen und die Wunden zu versorgen. Es werden also keine Schäden, vermutlich noch nicht mal Narben zurückbleiben.“ Sie lächelt, doch dann wird sie wieder ernst. „Das hätte aber auch ganz anders ausgehen können, wenn Zac euch nicht gefunden hätte. Ich hoffe, das wird dir für deine weitere Reise eine Lehre sein.“ Dann dreht sie sich um und lässt uns allein. Zac steht immer noch in der Tür, ganz rot im Gesicht wegen dem was Schwester Joy gesagt hat, Lin-Fu klammert sich an meinen Hals und schnurrt zufrieden und ich? Ich habe riesen Schuldgefühle.
 

Ich drücke meine Nase fest gegen Lin-Fu und merke dabei gar nicht, wie ich stumm zu weinen anfange. Ich bin so froh, dass Lin-Fu nicht durch mich zu Schaden gekommen ist. Still rollen mir salzige Tränen über die Wangen. Wenn einem meiner Pokémon etwas passiert wäre, hätte ich mir das nie verzeihen können. Schwester Joy hat Recht, ich habe nicht gut genug auf die beiden aufgepasst. Einer guten Trainerin hätte so was nicht passieren dürfen. Ergo, ich bin keine gute Trainerin. Vielleicht sollte ich einfach wieder heimgehen. Ich schaffe es ja noch nicht mal über die erste, kurze Route ohne einen Schwerverletzten.

Laut schluchze ich auf und presse Lin-Fu näher an mich. Die sieht mich verwundert an, bevor sie sich vorbeugt und mir die Tränen von der Wange leckt.

„Nicht Lin-Fu, lass das“, meine ich leise und versuche sie wegzudrücken. Doch das lässt Lin-Fu nicht zu, sie schleckt einfach weiter meine Backe ab, dann sieht sie mich mit schräggelegtem Kopf an und fragt mit sanfter Stimme: „ Lin Lin-Fu Lin?“

Wieder schluchze ich auf und drehe mich weg, damit sie meine Tränen nicht sieht. Sie sollte sich keine Sorgen machen, ich sollte mich um sie kümmern, schließlich bin ich die Trainerin und Lin-Fu ist mein Pokémon, nicht umgekehrt. „Schwester Joy hat Recht. Das ihr verletzt wurdet ist meine Schuld“, bringe ich stockend hervor. Ich richte die Augen auf den Boden, als ich es laut ausspreche: „Ich bin eine schlechte Trainerin.“

Lin-Fu faucht entrüstet, dann höre ich nur noch, wie etwas durch die Luft zischt und im nächsten Moment … hat sie mich geohrfeigt?!

Fluchend halte ich mir die brennende Wange und fahre schockiert zu Lin-Fu herum, die mich fast schon wütend ansieht. „Fuck, was sollte das!? Hast du den Verstand verloren? Ich meine, vermutlich habe ich es verdient, nachdem was du und Karnimani wegen mir schon durchmachen musstet, aber … man, das tat weh!“

Lin-Fu sieht mich wütend an, sie zittert praktisch, dann beginnt sie tief luftholend mit einer wahren Schimpftirade: „Li Lin Lin-Fu, Fu Fu Lin-Fu, Lin-Fu! Lin-Fu, Lin Li Lin Lin-Fu, Fu Lin-Fu, Lin-Fu Lin-Fu! Fu Lin Lin-Fu, Lin-Fu, Lin-Fu!“

„Ich stimme deinem Pokémon zu“, unterbricht auf einmal Zacs Stimme Lin-Fus Redeschwall. Ich zucke zusammen. Das Zac ja immer noch in der Tür steht und uns zusieht, habe ich ja völlig vergessen. „Du verstehst, was ihr Problem ist?“

„Also was Lin-Fu genau sagt, verstehe ich nicht nein, aber es wird auch so ganz deutlich, findest du nicht? Sie ist ganz offensichtlich nicht der Meinung, dass du eine schlechte Trainerin bist oder dass das ganze deine Schuld war. Und ich stimme ihr da zu. Zumindest beim ersten, dass zweite kann ich schlecht beurteilen, da ich die Geschichte nicht kenne.“

„Wie willst du denn beurteilen, ob ich eine gute Trainerin bin oder nicht? Du kennst mich doch gar nicht“, flüstere ich und sehe wieder weg. Aus dem Augenwinkel sehe ich allerdings, wie Zac sich auf mich zubewegt und dann auf mein Bett setzt. Automatisch ziehe ich die Knie an meine Brust und lege meine Arme darum, sodass ich mich selbst umarme und mein Gesicht zwischen Armen und Beinen verstecken kann, damit mich niemand ansieht und ich niemanden sehe.

„Okay, du willst also wissen, woher ich weiß, dass du keine schlechte Trainerin bist?“, fragt er und zieht dabei Lin-Fu auf seinen Schoß, die sich das gefallen lässt. „Ich kenne viele Trainer, gute, weniger gute und wirklich schlechte Trainer. Du zählst nicht zu den schlechten Trainern. Soll ich dir ein paar Gründe aufzählen, warum nicht?“

Ich schweige, was Zac wohl als Aufforderung ansieht, weiterzureden. „Also gut, dann fangen wir mal an. Eins der wichtigsten Merkmale eines guten Trainers ist, dass er sich um sein Pokémon kümmert. Dass er sich um sie sorgt und die Pokémon vor seine eigenen Bedürfnisse stellt. Und das tust du. Du bist die ganze Route 50 durchgerannt und hast dabei Karnimani getragen, um ihn so schnell wie möglich ins Pokémon Center zu bekommen. Du hast dich für seine Gesundheit aufgeopfert und deine eigene aufs Spiel gesetzt. Und auch als du aufgewacht bist- deine ersten Gedanken galten dem Wohl deiner Pokémon. Das ist das wichtigste Kriterium eines guten Trainers. Alles andere kommt dann von ganz alleine.

Aber das war nicht der einzige Grund, der mich glauben lässt, dass du eine gute Trainerin bist. Du übernimmst auch Verantwortung. Für deine Fehler und für deine Pokémon und deren Fehler. Du suchst den Grund, warum etwas falsche gelaufen ist und das nicht bei deinen Pokémon, sondern bei dir. Denn ein Pokémon ist immer nur so gut wie sein Trainer. Meist liegen die Fehler bei den Menschen, nicht bei den Pokémon. Und du hast dir gleich an die eigene Nase gegriffen und deinen Pokémon keinen Vorwurf gemacht für das, was passiert ist. Besser noch, du bist nicht nur bereit, deine Fehler zu erkennen, du willst auch aus ihnen lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Auch das macht einen guten Trainer aus. Aber nicht nur.

Das was mich schlussendlich überzeugt hat, war nicht dein Handeln, denn sowas kann man immer vortäuschen. Nein, was mich am Ende überzeugt hat, war Lin-Fu. Ihre Entrüstung, als du meintest, dass alles deine Schuld wäre und du eine schlechte Trainerin wärest. Lin-Fu muss wirklich in dich und deine Fähigkeiten vertrauen, sonst hätte sie nicht so vehement versucht, dich vom Gegenteil zu überzeugen.

Denn das ist das was einen guten Trainer ausmacht. Es geht nicht darum, was andere in dir sehen. Es reicht, dass deine Pokémon dich für einen guten Trainer halten. Und das tut Lin-Fu eindeutig. Und darum auch ich.“ Sanft streicht er Lin-Fu über den Kopf, dann schmunzelt er. „Und hätte Schwester Joy gesehen, wie entsetzt Lin-Fu gerade eben war, dann hätte sie das mit der schlechten Trainerin sofort zurückgenommen.“
 

Ich blinzle überrascht. Während Zac geredet und immer mehr Gründe aufgezählt hat, warum ich eine gute Trainerin sein soll, sind meine Tränen langsam versiegt und auch der riesige Berg an Schuldgefühlen, der mich praktisch unter sich begraben hat, ist geschrumpft.

Als er dann auch noch das mit Schwester Joy sagt, muss ich tatsächlich fast grinsen und dann überrasche ich uns alle – am meisten mich selbst – indem ich mich spontan an seinen Hals werfe und fest umarme. „Danke. Danke dass du mir das gesagt hast und mich so aufgebaut hast. Danke, dass du uns her gebracht hast, als wir zusammengebrochen sind. Danke für einfach alles, Zac!“

Dann erst realisiere ich, was ich gerade tue und mit hochrotem Kopf ziehe ich mich wieder ans eine Ende des Bettes zurück. Als ich Zac ansehe, ist der mindestens so rot im Gesicht wie ich, dann räuspert er sich, kratzt sich im Nacken und meint: „Ähm … ja … nicht… nichts zu danken.“
 

Lin-Fu löst die peinliche Spannung, indem sie einen Satz von Zacs auf meinen Schoß macht und sich an mich schmiegt. Lächelnd wende ich mich meinem Pokémon zu. „Und dir danke ich auch ganz besonders. Danke, dass du so ein Vertrauen in mich hast, obwohl wir ja erst seit kurzem zusammen reisen.“

„Lin“, antwortet sie mir sanft, dann streicht sie über meine Wange, die sie vorhin geohrfeigt hat, und sieht mich dann fragend und reuevoll an.

„Keine Sorge, es tut nicht mehr weh. Und ich bin auch nicht böse auf dich. Eher dankbar. Scheint, als hätte ich ein bisschen Schmerz und ein paar klare Worte gebraucht“, erwidere ich mit einem halben Grinsen. Die Backe tut zwar immer noch etwas weh, aber Lin-Fu hat das ja nicht mit bösen Absichten, sondern für mich getan, von daher kann ich ihr nicht böse sein.
 

„Ich hätte noch eine Idee, wie ich dir zeigen kann, dass du keine schlechte Trainerin bist“, unterbricht Zac schließlich Lin-Fus und meine Knuddelaktion.

„Ach ja und wie?“, frage ich ihn lächelnd. Meine schlechte Stimmung ist inzwischen dank den beiden verschwunden und auch mein Kopf ist nicht mehr rot und heiß wie eine Tomate.

„Ein Kampf zwischen uns beiden. Kämpfe sind schließlich eine wichtige Zutat im Leben eines Trainers, nicht wahr?“

„Ein Kampf?“, wiederhole ich und beiße mir überlegend auf die Unterlippe. Eigentlich geht es mir ja soweit wieder gut, ich will aber auch nicht übertreiben. Und ob Lin-Fu sich auch schon wieder fit genug für einen Kampf fühlt?

Doch mein Kampf Pokémon überzeugt mich ganz schnell, indem sie mich mit großen Augen bettelnd ansieht und dabei heftig mit dem Kopf nickt. Lachend streiche ich ihr über den Kopf und willige dann in den Kampf ein. Zac lächelt daraufhin und will schon aufstehen, doch ich halte ihn auf. „Unter einer Bedingung. Ich erzähle dir, wie es hier zu dem allem überhaupt kam. Dir als unserem Retter steht es ja wohl am meisten zu, das zu erfahren.“

Der Braunhaarige wird wieder rot, aber er nickt und setzt sich wieder hin. Also fange ich an zu erzählen, was alles auf Route 50 passiert ist.
 

Mehr als eine halbe Stunde braucht es, um Zac alles genaustens zu erklären, da er mich oft genug unterbricht. Doch schließlich scheint seine Wissbegierde gestillt zu sein und ich habe ihm fast alles von den letzten zwei Tagen erzählt. Nur nicht, dass ich in der Sendung `Traveltrainers ´mitmache, denn das darf ich ja nicht erwähnen. Ich glaube zwar nicht, dass hier Kameras sind, immerhin ist das hier ein Zimmer und da darf nicht gefilmt werden, allerdings wollen die Zuschauer vermutlich auch wissen, was nach meiner Ohnmacht mit mir passiert ist. Es ist ohnehin schon peinlich genug, dass ich im Fernsehen das Bewusstsein verloren habe. Und wie ich mich kenne, wird das nicht das letzte Mal gewesen sein.
 

„Wow, also dafür, dass du erst seit kurzem Trainerin bist, hast du schon einiges erlebt“, meint Zac schließlich. „Wie viel Uhr ist es denn eigentlich?“

Ich werfe einen Blick auf meine hellblaue Armbanduhr und antworte: „Schon viertel vor zwölf, warum?“

Wie vom Bibor gestochen springt Zac auf und ruft dann: „Na dann kein Wunder. Tut mir leid Svenja, aber bevor wir gegeneinander kämpfen, MUSS ich etwas essen. Ich sterbe praktisch vor Hunger.“

Ich kichere leicht, merke dann aber, dass ich selbst auch Hunger habe. Also stehe ich auf und erst da fällt mir zum ersten Mal so richtig auf, dass ich ja immer noch nur diesen weißen Patientenkittel trage. Und der ist leicht transparent. Mit brennenden Wangen sehe ich auf und sehe nur noch, wie Zac sich auf den Absatz umdreht, aus dem Zimmer stürmt und mit Schwung die Tür hinter sich zuzieht.

Fast möchte ich über die peinliche Situation lachen, doch ich verkneife es mir und ziehe stattdessen schnell meine Sachen, die ordentlich gefaltet und scheinbar auch gewaschen auf einem Stuhl liegen, an. Dann gehe ich mit Lin-Fu an meiner Seite zu Zac vor die Tür, schließe mit dem Zimmerschlüssel, den der Brünette mir gibt, die Tür ab und gemeinsam gehen wir die Treppe nach unten ins Erdgeschoss. Hier ist der Tresen, hinter dem Schwester Joy steht und die neuankommenden Trainer begrüßt und dahinter befindet sich die Krankenstation, wo sie die verletzten Pokémon pflegen. Links sind einige Tische und ein Buffet aufgebaut, an der Wand hängt ein Flachbildfernseher und durch die verglaste Wand kommt man auf das Kampffeld und in den Garten des Pokémon Centers. Rechts stehen einige Computer und Telefone, sowie ein Aufzug, der ins Untergeschoss des Pokémon Centers führt. Dort ist der Wohnbereich von Schwester Joy und Ohrdoch, aber auch sowas wie die Intensivstation des Pokémon Centers. Dort werden Pokémon hingebracht, die länger hier bleiben müssen, weil sie so schwer verletzt sind und deshalb unter ständiger Beobachtung stehen müssen. Wenn Pokémon ins Untergeschoss verlegt werden, ist das meist kein gutes Zeichnen. Gleich darauf kommt mir der erschreckende Gedanke, ob Karnimani vielleicht dort unten liegt.

Schaudernd folge ich Zac, der fast schon zum Essbereich rennt, so ausgehungert scheint er zu sein.
 

Während ich für Lin-Fu etwas zu Essen organisiere, hat Zac schon mal einen Tisch für uns reserviert und deckt sich jetzt großzügig im Buffet ein. Als ich mit gefülltem Futternapf zum Tisch zurückkehre, an dem Lin-Fu auf mich gewartet hat, sitzt Zac schon mit einem zum Bersten gefüllten Teller und einem Glas Milch an diesem. Als ich den Inhalt des Tellers sehe, muss ich schmunzeln. „Sagtest du nicht, dass du Hunger hast, Zac?“

„Ja, hab ich doch auch.“

„Und warum hast du dann nur Süßigkeiten auf deinem Teller? Du willst mir doch nicht sagen, dass du das Zeug gegen deinen Hunger isst“, frage ich neckisch.

„Hey!“, empört der Brünette sich. „Das ist erstens mal meine Sache, wie ich mich ernähre. Ich liebe eben Süßes über alles und hier im Pokémon Center sind die Sachen fast so gut, wie meine eigenen. Und zweitens habe ich ja nicht nur Süßigkeiten genommen“, erklärt er mir und deutet dann demonstrativ auf ein kleines Schälchen, was mit Salat gefüllt ist. „Siehst du?“

Ich muss lachen und antworte: „Oh ja, Verzeihung, tut mir leid, dass ich deinen Riesen Berg an Salat übersehen habe.“

„Das sollte es auch“, meint er, bevor er in ein Törtchen beißt. „Sonst kann es passieren, dass ich dich als Rache gleich im Kampf fertig mache.“

„Das will ich sehen“, lache ich und gehe dann ebenfalls zum Buffet, nachdem ich Lin-Fu ihr Futter hingestellt habe.
 

Schlussendlich entscheide ich mich für einen gemischten Salat, nur größer als der von Zac, und eine Kürbissuppe sowie Magostbeerensaft. Der Saft schmeckt einfach nur traumhaft süß und erfrischend, obwohl der erste Schluck auch immer von einer Bitterkeit begleitet wird, die dann aber schnell von der unglaublichen Süße verdrängt wird. Es ist und bleibt mein Lieblingsgetränk.

Zufrieden essen wir drei, wobei ich es nicht lassen kann, Zac immer wieder wegen seiner offensichtlichen Süßigkeitensucht aufzuziehen. Er versucht sich auch nur halbherzig zu verteidigen, was mich noch mehr zum Lachen bringt. Ich habe das Gefühl, dass das seine Absicht ist, denn immer wenn meine Gedanken zu Karnimani wandern und ich ernster werde, macht oder sagt er irgendwas Lustiges und ich muss wieder lachen.
 

Schließlich sind wir aber doch alle fertig und satt und so räumen wir den Tisch ab für die Trainer, die nach uns kommen werden. „Sag mal, wie alt bist du überhaupt Zac? Ich weiß eigentlich gar nichts über dich, außer deinen Namen. Und das du mich gerettet hast, natürlich.“

Wieder wird er leicht rot um die Nase, aber er beginnt bereitwillig zu erzählen, während wir unser Geschirr Weg räumen. „Also ich komme aus Eyeres, gar nicht so weit von hier, wenn man sich traut, die Routen zu verlassen und querfeldein zu reisen. Und ich bin 16, aber in drei Monaten werde ich 17. Momentan bin ich noch auf meiner Reise und trainiere mein Taubsi, damit er bald so stark wird wie meine anderen Pokémon. Darum werde ich auch gleich mit Taubsi kämpfen, stell dich schon mal drauf ein. Und wenn ich gerade Zeit und Lust habe, dann backe ich viel. Das habe ich von meinen Eltern, sie haben eine Konditorei.“

„Na, dann kein Wunder, dass du sehr auf die Kuchen abfährst“, lache ich und wende mich dann an Lin-Fu. „Hast du gehört, Zac wird mit seinem Taubsi kämpfen. Denkst du, dass du das schaffst?“, frage ich sie besorgt, doch Lin-Fu nickt heftig. Sie scheint ganz wild auf den Kampf zu sein. Kein Wunder, es wird ihr erster Kampf gegen einen Trainer sein. Und meiner auch, wenn man mal meine Mutter außen vor lässt. Aber ich bin definitiv aufgeregter und unsicherer als mein Pokémon. Und das darf nicht sein. Als Trainerin muss ich immer den Überblick und die Kontrolle behalten. Auch über meine Gefühle.

Wie um es mir zu beweisen, frage ich: „Also Zac, wie wär’s, wenn wir jetzt kämpfen?“

„Nur zu gern.“ Damit dreht er sich um und will durch die Verandatür auf das Kampffeld des Pokémon Centers treten, bleibt aber stehen, als ich ihm nicht folge. Mein Blick ist auf Schwester Joy gefallen und sofort kehrt die Sorge um meinen Starter zurück. „Geh schon mal vor Zac. Ich muss noch kurz mit Schwester Joy sprechen“, rufe ich ihm über die Schulter zu. Der Junge nickt wissend und dreht sich wieder um, wobei er schon einen Pokéball zückt.
 

„Schwester Joy“, rufe ich, sobald ich am Tresen angekommen bin.

„Svenja. Wie schön, dich auf den Beinen zu sehen. Was kann ich für dich tun?“

„Wie geht es Karnimani?“

„Ohrdoch kümmert sich um ihn, wir haben wir ihn nach unten verlegt, dort ist es ruhiger und er kann sich ausschlafen. Warte kurz, ich frage Ohrdoch, wie lange sie glaubt, dass er sich noch erholen muss, bevor wir in wieder in deine Obhut übergeben.“

Damit drückt sie auf einen Knopf und spricht schnell in ein Mikrophon an ihrem Tresen. Kurz darauf hören wir beide die Stimme Ohrdochs aus dem Lautsprecher. „Ohrdoch, Ohr Ohrdo Ohrdoch

„Danke Ohrdoch“, sagt Schwester Joy ins Mikro, dann lässt sie den Knopf los und wendet sich an mich. „Also, Ohrdoch hat mir gesagt, dass Karnimani schläft, um sich zu erholen. Aber sie meint, dass er mit jeder Minute kräftiger werden würde. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.“

Ich will ihr schon danken, doch dann stutze ich. „Moment, siekönnen wortwörtlich verstehen, was Ohrdoch gesagt hat?“

Schwester Joy blinzelt verwirrt. „Natürlich. Würde ich es nicht verstehen, gäbe das ganz schöne Probleme bei der Behandlung der Pokémon, meinst du nicht?“

„Vermutlich“, murmele ich und frage mich still, wie sie die Sprache der Pokémon gelernt hat. Lernt man das, wenn man eine Schwester Joy werden will? Erhält man dann Unterricht ala `Was will das Pokémon eigentlich von mir? ´ Oder versteht sie Ohrdoch nur, weil sie so lange zusammen arbeiten und sich so gut kennen?
 

Schließlich zucke ich mit den Schultern, das kann ich ja auch wann anders herausfinden und frage stattdessen: „ Können sie sagen, wie lange es noch dauern wird, bis ich Karnimani wieder haben kann?“

„Wir haben jetzt zehn vor eins. Ich denke, um zwei dürfte Karnimani wieder fit genug sein, dass ihr weiter reisen könnt, solange du mir versprichst, dass du ihn heute und morgen nicht kämpfen lässt.“

„Das verspreche ich ihnen. Aber mit Lin-Fu darf ich doch wieder kämpfen, oder?“

Kurz überlegt Schwerster Joy und betrachtet mein Kampf Pokémon, bevor sie ihre Einwilligung gibt. „Solange ihr es nicht übertreibt!“

„Keine Sorge. Aber… warum haben sie Karnimani nach unten verlegt? Sie sagten doch, es würde ihm besser gehen“, frage ich besorgt und muss an meine Befürchtung von vorhin denken.

„Oh keine Panik, das haben wir nur gemacht, weil er sich dort unten besser ausschlafen kann. Dort unten ist es ruhiger, kühler und dunkler. Außerdem ist Ohrdoch sowieso die meiste Zeit unten, weil sie sich um einige verletzte wilde Pokémon kümmert. Also keine Sorge, das ist nur der Einfachheit halber so.“

„Ach so. Dann danke ich Ihnen, Schwester Joy.“

Schwester Joy lächelt, dann gehe ich mit Lin-Fu zu Zac nach draußen, der schon auf uns wartet.
 

Nachdem sich jeder von uns beiden in sein Trainerfeld gestellt hat, ruft Zac mir zu. „Bist du bereit Svenja?“

Ich sehe zu Lin-Fu, dass kampfbereit auf dem Feld steht und mir zunickt, und erwidere: „Wir sind bereit.“

„Na dann los! Der Kampf beginnt!“

Einiges an Aktion

Einiges an Aktion
 

„Komm raus Taubsi!“, ruft Zac und öffnet den Pokéball, den er in der Hand hält. Ein weißer Strahl schießt daraus hervor und als der verfliegt, sitzt dort ein kleines Taubsi. Und wenn ich klein sage, dann meine ich klein. Er ist ungefähr halb so groß wie Taubsi normalerweise sind. Schnell zücke ich den Pokédex, möglicherweise gibt er mir Tipps.
 

„Taubsi, dass Kleinvogel Pokémon. Taubsi verfügt über einen sehr guten Orientierungssinn. Reizt man dieses eigentlich gutmütige Pokémon aber, kann man schnell seinen Zorn auf sich ziehen. Doch da es Kämpfe eigentlich eher verabscheut, wirbelt es Sand auf, um sich zu schützen und zu flüchten. Vorwiegend lebt es in Wäldern oder in hohem Gras, da es dort genügend Raupen Pokémon findet, die es fressen kann.“
 

Nachdem mir der Pokédex noch angezeigt hat, dass dieses Taubsi männlich ist, stecke ich den Pokédex wieder weg und will über meine nächsten Schritte nachdenken. Doch dazu komme ich gar nicht.

„Gut Taubsi, dann fangen wir mal an. Tackle!“, ruft Zac und bevor ich reagieren kann, ist Taubsi schon losgeflogen und hat Lin-Fu gerammt.

„Lin-Fu!“, schreie ich entsetzt, doch mein Pokémon schüttelt nur den Kopf auf meine unausgesprochene Frage, ob sie verletzt ist. „Gut dann Lin-Fu Meditation und Pfund direkt hinterher!“ Lin-Fu bleibt einen Moment stehen und schließt die Augen, dann reißt sie die Augen wieder auf und rennt los.

„Flieg hoch Taubsi!“

„Lin-Fu spring!“

Beide Pokémon gehorchen und Lin-Fu erwischt den Vogel in Flug. „Taubsi!“, kreischt der auf und trudelt etwas nach unten. Doch vor dem Boden fängt er sich nochmal und segelt wieder in die Luft, während Lin-Fu wieder auf den Boden fällt.

Zac betrachtet sein Taubsi, was in der Luft für uns unerreichbar hoch Kreise zieht und sagt dann lächelnd: „Das war ziemlich gut. Noch so ein Pfund könnte uns schwer zusetzen. Darum werden wir uns jetzt auch nicht mehr zurückhalten. Windstoß Taubsi!“

`Schitt´ ist das einzige, was ich noch denken kann, bevor Taubsi die Flügel aufreißt und eine Windböe auf Lin-Fu zu fegt, durch die sie nach hinten gedrängt wird. Sogar meine Haare werden durch den Wind verwirbelt und dabei bin ich noch nicht mal Ziel der Attacke. Schützend halte ich mir die Hand vor die Augen, um keinen Sand in die Augen zu bekommen, während ich rufe: „Halt durch Lin-Fu. Sobald du kannst setzt du Pfund ein.“

Langsam hört Taubsi auf mit den Flügeln zu schlagen und sofort springt Lin-Fu wieder hoch, aber diesmal kommt sie nicht hoch genug, um ihren Gegner zu treffen. Und während sie runter fällt, ruft Zac: „Jetzt, Tackle!“

Taubsi stürzt auf mein Lin-Fu zu und ich brülle auf. „Nein! Blockier es mit Pfund!“

Zum Glück reagiert Lin-Fu rechtzeitig und so versuchen sich beide in der Luft wegzudrücken, während sie runter fallen. Und der Boden kommt immer näher und Lin-Fu muss seinen Fall ja abfedern. „Lin-Fu schnell!“, rufe ich und das scheint Lin-Fu nochmal Kraft zugeben, denn sie drückt Taubsi Stückchen für Stückchen nach unten, bis Taubsi auf den Boden kracht – Lin-Fu oben drauf. Durch den Aufprall entsteht eine Staubwolke, sodass wir unsere Pokémon nicht sehen können und so rufen Zac und ich stattdessen gleichzeitig: „Lin-Fu!“ „Taubsi!“

Doch als wir klare Sicht haben, sehen wir, wie Lin-Fu vor Taubsi steht, was besiegt auf dem Boden liegt.
 

„Lin-Fu, das war wirklich super!“, jubele ich und laufe zu ihr. Mein Pokémon lächelt geschmeichelt, dann hält sie mir ihre Pfote hin und ich schlage lachend ein. Dann halte ich fragend Lin-Fus Pokéball in die Luft und sie sieht mich überlegend an, bevor sie nickt. Lin-Fu scheint der Kampf wohl auch mitgenommen zu haben, wie eigentlich nicht anders zu erwarten. Also rufe ich mein Pokémon zurück und wende mich dann an Zac, der sein Taubsi auch schon in den Ball zurückgerufen hat. Lächelnd laufe ich zu ihm. „Danke für den Kampf.“

„Keine Ursache. Du hast mir damit nur wieder bewiesen, dass du eine gute Trainerin bist. Und ich freue mich schon, wenn ich eine Chance habe, dir das bei mir in einem weiteren Kampf zu beweisen.“ Damit reicht er mir das Säckchen mit meinem Preisgeld und ich verstaue das in meiner Tasche. „Ich freue mich schon, wenn wir wieder gegen einander kämpfen.“

Gerade wollen wir ins Pokémon Center gehen, um unsere müden Pokémon heilen zu lassen, da hören wir einen hohen, hysterischen Mädchenschrei. „Haltet die Diebe! Haltet sie auf verdammt, sie haben das Pokémon meiner Freundin gestohlen!“

Zac und ich zucken gleichermaßen zusammen, doch während ich für einen Moment nicht weiß, was ich machen soll, holt Zac einen weiteren Pokéball von seinem Gürtel und gleich darauf steht vor uns ein Ibitak. Es klappert mit dem langen Schnabel, während es Zac unverwandt ansieht, der eine kleine Handbewegung macht. Daraufhin beugt sich der große Vogel nach unten und Zac klettert auf seinen Rücken, während sich Ibitak langsam wieder aufrichtet. Erst dann sieht Zac mich vom Rücken seines Pokémon an. „Ibitak und ich fliegen vor und suchen die Gauner und das Mädchen. Folge du uns vom Boden aus, Svenja.“ Damit erhebt sich das Flugpokémon wild flügelschlagend in die Luft, wobei es den ganzen Sand des Kampffeldes aufwirbelt.

Überrumpelt sehe ich ihnen kurz nach, bevor ich mich wieder fasse und ins Pokémon Center stürme. Dort sehe ich mich mit einer verwirrten Schwester Joy konfrontiert und stürze zu ihr. „Ich habe keine Zeit für Erklärungen. Ich muss Zac helfen. Bitte passen sie gut auf Karnimani auf, ich darf ihn ja vermutlich noch nicht mitnehmen, weil es erst zwanzig vor eins ist. Ich bin bald wieder da, bitte kümmern sie sich solange um meinen Partner!“

Dann drehe ich mich um und stürme aus dem Pokémon Center. Dort lege ich den Kopf in den Nacken und blicke mich hektisch um. Wo sind Zac und sein Ibitak hingeflogen?

Plötzlich kann ich sie im Süden erkennen und sofort renne ich ihnen nach. Ich weiß, wo er hin will. Er fliegt Richtung Hafen! Und von diesem Hafen führt ein Schiff nach Sankt Schollerin, meinem Geburtstort!
 

Als ich kurz darauf am Hafen ankomme, steigt Zac gerade von seinem Ibitak und kniet sich zu einem Mädchen, was sich wiederum über ihr besiegtes Pokémon beugt. In einigen Metern Entfernung sehe ich zwei Personen, eine Frau und einen jungen Mann, weglaufen. Ich kann gar nicht sagen, wen der drei unbekannten ich am seltsamsten finde. Das Mädchen sieht aus wie die Leadsängerin einer Rockband. Sie hat blond-rote lange Haare, fast bis zu den Knien. Dazu hat sie viele Piercings in ihren Ohren und Nietenarmbänder an den Armen. Außerdem trägt sie einen verdammte kurzen schwarz-rot karierten Nietenrock und ein schwarzes Bauchfreies Top. Sie sieht aus wie eine Rockerbraut.

Die beiden anderen Gestalten dagegen sehen ganz anders aus. Beide tragen eine Art Uniform, die weiß- blau ist. Wobei der schwarzhaarige noch ein rotes Stofftuch um seinen Hals gebunden hat. Und beide rennen sie, als wäre Dakrai hinter ihnen her und wollte ihnen einen seiner ganz miesen Albträume schenken.
 

„Was geht hier vor?“, ruft Zac in die allgemeine Aufregung.

„Diese beiden Irren haben das Pokémon meiner Freundin gestohlen! Ich wollte sie aufhalten, aber sie haben mein Nebulak besiegt. Tu etwas verdammt! Halt sie auf!“, flucht die Rockerbraut. Ohne weiter nachzufragen zückt Zac einen weiteren Pokéball, während er laut befiehlt: „Ibitak lass diese Gauner nicht entkommen. Treib sie wieder hier her, egal wie!“

Sofort erhebt sein Pokémon sich in die Luft und nimmt mit lauten Schreien die Verfolgung auf. Schnell hat er sie eingeholt und krallt sich je mit einem seiner Füße die Frau und den Mann. Dann macht der große Vogel eine Wendung und bevor die beiden Erwachsen verstehen, was hier geschieht, hat Ibitak die beiden seinem Trainer schon unsanft vor die Füße geworfen. Doch die beiden springen sofort wieder auf. Während der junge Mann sich suchend umsieht, fragt die blonde Frau wütend: „Was soll die Scheiße hier?“

„Gebt mir das Pokémon, das ihr gestohlen habt“, antwortet Zac kühl. So habe ich ihn bisher noch nicht erlebt.

„Und wenn nicht?“, will die Frau spöttisch wissen.

„Dann werde ich es mir mit Gewalt nehmen“, verkündet er ernst und sein Ibitak raschelt demonstrativ mit den Federn.

„Uuh, da bekomme ich ja richtig Angst“, höhnt die blonde Frau. „Aber gut, du willst es ja nicht anders.“ Plötzlich hat sie in jeder Hand einen Pokéball und auch ihr Kumpan hält einen in der Hand. Allerdings sind sie komplett schwarz angemalt. Solche Pokébälle habe ich noch nie gesehen.
 

„Evoli, Magby kämpft!“, schreit die Frau und wirft die Bälle in die Luft. Der Mann tut es ihr mit einem „Sniebel!“ nach. Auf einmal stehen uns drei Pokémon bedrohlich gegenüber. Bzw zwei, dass Evoli versucht sich hinter Magby zu verstecken, wie es aussieht. „Evoli, jetzt krieg dich mal wieder ein. Wir kämpfen hier drei gegen einen!“, faucht die Frau ihr Pokémon an.

„Na, dann werde ich mir wohl Verstärkung suchen müssen, was?“, fragt Zac und öffnet den Pokéball, den er schon die ganze Zeit in der Hand hatte. Der weiße Strahl schießt hervor und als er sich verzieht, sehe ich einen kleinen grünen Vogel, mit verdammt kleinen pink-gelbem Flügeln vor uns sitzen. Kann es damit überhaupt fliegen?

„Natu, Ibitak, seit ihr bereit? Wir werden es diesen Dieben zeigen!“, ruft Zac. Ibitak schreit zustimmend, das kleine Vögelchen, was scheinbar Natu heißt, sieht Zac konzentriert an, dann trillert es kurz und dreht sich zu seinen Gegnern um.

„Kein Wunder, dass der Junge nur Vogelpokémon trainiert, er muss schließlich einen Vogel haben, wenn er glaubt, uns aufhalten zu können“, lacht die Frau hart. Dann starrt sie wütend ihr Evoli an, was sich immer noch zitternd hinter Magby versteckt. „Evoli, wenn du jetzt nicht sofort kämpfst, befehle ich Magby, dir Feuer unter deinem feigen Arsch zu machen. Überleg es dir schnell und gut!“ Das Pokémon zuckt zusammen, doch dann stellt es sich, am ganzen Leib zitternd wie Espenlaub, neben Magby und Sniebel. „Na also. Dann Magby, Evoli –

„Ibitak Himmelsfeger. Natu, auf seinen Rücken“, unterbricht Zac gnadenlos die Befehle der Frau. Ibitak erhebt sich wild flügelschlagend in die Luft, wohingegen das kleine Vogel Pokémon losläuft und dann – macht es einen riesigen Satz auf Ibitaks Rücken. Na da habe ich meine Antwort. Bei dieser Sprungkraft ist es fast egal ob Natu fliegen kann oder nicht. Aber ich will nicht nur zusehen, ich will mitmischen. Also stelle ich mich neben Zac, bereit Lin-Fu in den Kampf zu schicken, doch Zac hält mich auf. „Nein Svenja. Bitte lass mich das alleine regeln. Lin-Fu ist von unserem Kampf vorhin bestimmt noch erschöpft und ich will nicht, dass sie wieder wegen Überanstrengung zusammenbricht. Es ist sehr nett, dass du mir helfen willst, aber mit diesen zwei Idioten werden ich und mein Team auch alleine fertig.“ Dabei lächelt er mir zu und ich nicke schließlich zögerlich. Denn er hat Recht, Lin-Fu war vorhin wirklich schon ganz schön fertig. „Aber wenn der Kampf nicht so klappt, wie du denkst, werde ich dir helfen. Und wenn ich selbst gegen die Pokémon kämpfen muss“, sage ich bestimmt.
 

Zac nickt nur, jetzt wieder voll auf den Kampf fixiert, denn der junge Mann befiehlt seinem Sniebel Silberblick einzusetzen. Und das Pokémon wirft den beiden Vögeln, die unerreichbar in der Luft kreisen, einen so giftigen Blick zu, dass es mir kalt den Rücken runterrieselt. Erst jetzt fällt mir auf, dass dieses Sniebel eine Narbe quer durch sein rechtes Auge verlaufen hat. Woher es die wohl hat?
 

„Nicht ablenken lassen Ibitak. Denk dran, Himmelsfeger!“, ruft Zac seinem Pokémon zu.

„Magby Glut! Evoli Sternenschauer! Holt die beiden darunter!“, kreischt die Frau. Sofort öffnet Magby seinen Mund und feuert einen Feuerball auf Ibitak ab, während sich um das Normal Pokémon verdammt viele Sterne bilden. Alles zusammen saust auf Ibitak zu, der dieser Menge nicht ausweichen kann. Ibitak und Natu werden von dem Sternenschauer und den Feuerbällen getroffen und stürzen zu Boden. Ich will schon Lin-Fu rufen, doch Zac lächelt beruhigend. „Hab mal ein bisschen vertrauen in uns Svenja.“

Ich sehe ihn schockiert an, wie kann er so ruhig bleiben, aber was ist das? Plötzlich sitzt Natu putzmunter vor uns, während Ibitak immer noch aus dem Himmel stürzt. „Guter Teleport“, lobt Zac, dann ruft er: „Ibitak jetzt!“ Plötzlich dreht sich Ibitak in der Luft und jetzt stürzt er nicht mehr unkontrolliert zu Boden, jetzt fliegt er mit rasanter Geschwindigkeit in einem Sturzflug auf die Feinde zu.

„Sniebel ausweichen!“, ruft der Mann und sein Pokémon springt sofort aus dem Weg. Die anderen beiden sind weniger schnell. Die beiden werden von Ibitak in den Boden gestampft und stehen nicht mehr auf. Mit einem Schlag hat Zac zwei seiner Gegner besiegt! Und ich dachte, jetzt würde er verlieren. Aber das war scheinbar nur Taktik. Bewundern sehe ich ihn von der Seite an. Unglaublich, dass ich vorhin gegen ihn gewonnen habe! Fast zu unglaublich, um wirklich wahr zu sein! Kann es sein…?

„Natu Teleport und Schnabel!“ Sofort flackert Natu, nur um direkt vor Sniebel wieder aufzutauchen und mit seinem Schnabel nach dem Pokémon zu hacken.

„Kratzer!“, ruft der Mann, Sniebel holt aus, aber Natu teleportiert sich weg. „Es ist stärker und schneller als es aussieht“, murmelt Zac und Natu stimmt ihm trillernd zu. „Aber so geht’s… Ibitak Aero-Ass.“ Sofort stürzt sich Ibitak auf Sniebel, wobei er bisher nur im Himmel gekreist ist. Es ist so schnell, dass wir seinen Flug gar nicht mehr sehen und so ist es kein Wunder, dass Sniebel getroffen wird. Zufrieden landen Natu und Ibitak vor ihrem Trainer, denn alle drei Gegner sind besiegt.
 

Fluchend ruft die Frau ihre Pokémon zurück und der Mann tut es ihr nach, wenn auch schweigend. Dann will die Frau sich umdrehen, doch Zac ruft: „Halt halt, ihr kommt hier nicht mehr weg. Erst gebt ihr mir das gestohlene Pokémon und dann werde ich euch Officer Rocky übergeben.“ Beide funkeln Zac an, dass einem angst und bange werden kann, dann fasst die Frau in ihre Tasche. Der Mann ruft überrascht: „ 2 Nicht! Du kannst doch- “

„Schweig 6. Dieses Mal haben wir verloren. Hier Junge, dass ist der Pokéball, den wir genommen haben.“ Damit zückt sie einen Pokéball und wirft ihn Zac zu. Zac greift danach und das ist sein Fehler, denn jetzt ist er nicht mehr aufmerksam. Im nächsten Moment hat die Frau mit der anderen Hand einen ihrer schwarzen Bälle geöffnet und schreit: „Rückzug!“ Im nächsten Moment werden die beiden seltsam gekleideten Menschen in weißen Nebel gehüllt.

Zac flucht ungalant, dann ruft er: „Ibitak schnell!“ Sein Pokémon versteht und schlägt einige Mal kräftig mit den großen Flügeln. Doch als der Nebel sich lichtet, sind die beiden Diebe schon verschwunden. Nur den gestohlen Ball haben sie hiergelassen, denn Zac nun in der Hand hält.
 

Zac und ich sehen uns an und ich frage das erste, was mir in den Sinn kommt, ist „Sag mal Zac, kann es sein, dass du mich vorhin bei unserem Kampf hast gewinnen lassen?“

„Wie kommst du denn darauf?“, fragt er und versucht beschwichtigend zu lächeln, doch ich bemerke seine roten Wangen und das er mir nicht in die Augen gucken kann.

„Mach mir nichts vor! So gut, wie du gerade gekämpft hast, ist es fast unmöglich, dass ich dich vorhin besiegt habe. Außer das war es, was du wolltest. Also?“ Demonstrativ stemme ich meine Hände in die Hüften.

Zac sieht auf seine Schuhe, als hätte er dort gerade etwas unglaublich interessantes entdeckt, und nuschelt: „Ja, schon gut, ich geb´s ja zu. Ich habe dich gewinnen lassen, weil ich dir so zeigen wollte, dass du eine gute Trainerin bist. Ich wollte halt dein Selbstvertrauen stärken. Tut mir leid Svenja.“ Er sieht aus wie ein gescholtener Schuljunge, wie er da steht und sein Kopf einer Tomate Konkurrenz macht. Ich muss lachen und sage: „Du musst dich nicht entschuldigen, es war schließlich lieb gemeint. Aber du wirst jetzt nicht darum herum kommen, noch mal gegen mich zu kämpfen. Und dann wirst du mit vollem Einsatz kämpfen, klar?“

Zac lächelt leicht und will etwas sagen, doch da unterbricht ihn die Rockerbraut, die bisher die ganze Zeit still neben uns gestanden hat. „Aber nicht jetzt. Und wenn ihr beide jetzt fertig seid mit eurem Kaffeekränzchen, wäre ich euch sehr verbunden, wenn ihr mir den Pokéball geben könntet, damit ich ihn meiner Freundin zurück bringen kann. Danke für eure Hilfe, ab jetzt komme ich gut alleine klar.“ Damit schnappt sie sich den Ball aus Zacs Hand, der die Blonde überrumpelt ansieht, dann nickt sie erst Zac und dann mir zu. Doch plötzlich stutzt sie und mustert mich intensiver. „Moment mal, dich kenn ich doch.“

„Mich?“, frage ich verwirrt. Das kann ja gar nicht sein. An DIESES Mädchen würde ich mich doch erinnern, wenn ich sie schon mal irgendwo getroffen hätte.

„Doch, ich kenne dich. Du bist Svenja, nicht wahr?“

Jetzt bin ich echt baff. „Woher-?“

„Ich bin Laura, eine gute Freundin von Sina. Wir reisen zusammen und sie hat mir so einiges von dir erzählt“, erklärt sie lächelnd. Aber es ist kein freundliches Lächeln.

Sina! Ausgerechnet diese Hexe! Aber kein Wunder, dass sie mit so einer Rockerbraut befreundet ist, sie ist ja selbst so eine skrupellose … .Aber das heißt, dass in dem Pokéball das Serpifeu von Sina sein muss.
 

„Ich möchte mitkommen, wenn du ihr Serpifeu zurück bringst“, sage ich plötzlich. Beide –Zac und Laura- sehen mich verwirrt an. „Warum das denn bitte?“, fragt das Mädchen mich auch gleich.

„Eine … alte Freundschaft auffrischen?“, antworte ich mit einem unsicheren Lächeln. Eigentlich will ich mich davon überzeugen, dass Sina sich gut um ihr Pokémon kümmert. Ich kann es mir bei ihr eigentlich nicht vorstellen und da ihr irgendwelche Leute das Pokémon klauen konnten, scheine ich gar nicht so weit mit meiner Vermutung fehl zu liegen. Aber das kann ich einer Freundin von Sina schlecht auf die Nase binden. Erst recht nicht, wenn diese Freundin SO aussieht.

Laura sieht von meiner kleinen Lüge nicht überzeugt aus. Sie schnaubt abfällig und fügt dann hinzu: „Scheint, als müssten deine Erinnerungen mal erneuert werden. Du und Sina seid keine Freunde.“

Unsicher sehe ich sie an und versuche, sie überzeugend anzulächeln. Ich war noch nie gut im Lügen, habe es immer gehasst, selbst wenn es solche Notlügen waren wie jetzt. „Was nicht ist, kann ja noch werden.“

Laura sieht mich mit ungläubige hochgezogener Augenbraue an, dann zuckt sie die Schultern: „Tu was du nicht lassen kannst. Soll Sina dir persönlich zeigen, was sie von dir hält. Mir solls nur recht sein, das wird lustig werden.“ Dann dreht sie sich um und geht los. Allerdings dreht sie sich nach einigen Metern wieder um. „Was ist, kommst du oder nicht?“

„Ich muss noch mein Karnimani vom Pokémon Center abholen.“

„Ich warte nicht auf dich“, sagt Laura drohend. Dann wirft sie einen Blick auf das Schild neben sich und während sie es liest, zieht sie ihre Augenbrauen immer enger zusammen. „Aber du hast Glück. Das nächste Schiff nach Sankt Schollerin fährt erst um 14. 45. Das heißt, du hast noch mehr als eineinhalb Stunden, um hier alles zu regeln.“ Ich nicke und wende mich an Zac, der die ganze Zeit geschwiegen hat, mich aber nachdenklich ansieht. Doch da kommt Laura wieder zu uns geeilt und baut sich vor Zac auf. „Ich habe eine Idee, wie wir die Zeit nutzen können!“

„Und wie?“, fragt Zac mit einem neugierigen Ton in der Stimme.

„Du bist ein Junge. Und ich habe es mir zu Aufgabe gemacht, jedes männliche Wesen auf der Welt zu besiegen. Also kämpf gegen mich.“

Zac schweigt lange, während er mich überlegend ansieht. Nur zu gerne wüsste ich, welche Fragen ihn quälen. Es muss etwas mit mir zu tun haben, so wie er mich ansieht.

Schließlich fragt Laura ungeduldig: „Also was ist jetzt?“

Ein entschlossener Ausdruck macht sich auf seinem Gesicht breit. „Ich kämpfe gegen dich.“ Laura grinst siegessicher. „Aber nur unter einer Bedingung.“

Jetzt sieht sie argwöhnisch aus. „Welche?“

„Ich darf euch beide begleiten, wenn ihr Sina ihr Pokémon zurück bringt.“
 

Ich sehe ihn überrascht an. Zac möchte mitkommen? Aber warum das denn? Er kennt Sina doch überhaupt nicht. Auch Laura scheint das nicht zu verstehen. „Was habt ihr beide nur mit Sina?“, fragt sie. „Aber gut, wenn das deine Bedingung ist, einverstanden. Dann kommst du eben mit. Allerdings…“ ihre Augen glitzern verschlagen, als sie mich mustert „habe ich dann auch eine Bedingung. Ihr beide werdet gegen Sina und mich kämpfen, sobald wir sie gefunden haben. Ich bin mir sicher, Sina will nur zu gerne gegen dich kämpfen.“ Laura lächelt süffisant, während ich trocken schlucken muss. Oh ja, ich kann mir nur zu gut vorstellen, dass Sina gerne gegen mich kämpfen würde. Und mich platttrampeln, sobald ich besiegt vor ihr liege.

Zac betrachtet nachdenklich, dann nickt er. „Einverstanden.“

„Einverstanden“, erwidert dann auch Laura. „Wir werden eine Menge Spaß haben.“ Grinsend beobachtet Laura mich, wie ich immer entsetzter werde und Zac sprachlos ansehe. Kann es sein, dass der Kerl gerade über meinen Kopf hinweg entschieden hat, dass wir diesem Doppelkampf zu stimmen?
 

Zu dritt kehren wir ins Pokémon Center zurück, wo wir Lin-Fu, Taubsi, Ibitak, Natu und Lauras Nebulak an Schwester Joy übergeben, die verspricht, sie schnellst möglich zu heilen. Aber Karnimani will sie immer noch nicht zurückgeben, da es erst halb zwei ist. Also habe ich im Moment keine Pokémon. Naja, ich habe ja ohnehin nicht vor, jetzt irgendwo hin zu gehen und zu kämpfen.

Zu dritt gehen wir also noch oben in das Zimmer, das ich von Schwester Joy bekommen habe. Dort macht Laura sich gleich auf dem Bett breit, sodass Zac und ich gezwungen sind, auf den beiden Stühlen Platz zu nehmen.

„Also, wir fahren mit dem Schiff um 14.45 Uhr nach Sankt Schollerin. Dort müsste Sina auf uns warten, weil ich ihr gesagt habe, dass sie das tun soll, während ich ihr Serpifeu zurückhole. Mit ihr war nicht viel anzufangen, sie war so geschockt durch diese zwei Leute. Ich hoffe wirklich, dass sie dort ist oder dass sie zu ihren Eltern gegangen ist und nicht irgendwas macht. So durch den Wind habe ich sie noch nie gesehen“, berichtet Laura besorgt, während sie an die Decke starrt.

„Na, dann wollen wir mal hoffen, dass sie dann auch da ist und wir sie nicht noch ewig lange suchen müssen“, sage ich zweifelnd, da ich Sina kenne. Sie tut nur selten das, was man ihr sagt.

Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht Laura mich an. „An deiner Stelle würde ich das Zusammentreffen so lange es geht herauszögern. Keine Ahnung, warum du so versessen darauf bist, Sina zu treffen. Vermisst du es, gedemütigt zu werden, oder was? Sina wird dich ungespitzt in den Boden rammen und ich rede jetzt noch nicht mal von dem Pokémon Kampf. Denn den werden wir definitiv gewinnen.“

Ich nicke nur, weil ich nicht weiß, was ich erwidern soll. Sie hat ja Recht, wenn Sina mich sieht, wird sie mit Sicherheit in ihr altes Schema verfallen und mich niedermachen, wie sie es schon seit dem Kindergarten tut. Vom ersten Moment an hat sie mich gehasst und ich weiß heute noch nicht warum.

Aber ich muss mich davon überzeugen, dass sie ihr Pokémon gut behandelt. Wenn sie es nicht tut und es verletzt wird, weil ich mich nicht gegen sie gewehrt und mich davon nicht überzeugt habe, würde ich mir das nie verzeihen. Also muss ich sie treffen und mich vom Gegenteil versichern.
 

Schließlich und endlich ist es 14 Uhr und wir können unsere Pokémon abholen. Die halbe Stunde die wir warten mussten haben wir geredet, Laura und Zac haben etwas gegessen, wobei man Zacs Süßkram wohl kaum als Essen bezeichnen kann und ich habe meine Wartezeit damit verbracht Musik von meinen Kopfhörern zu hören. Doch endlich ruft Schwester Joy uns durch ihrer Lautsprecher zu, dass wir unsere Pokémon abholen können. Sofort hetze ich hin, Laura und Zac gehen die Sache etwas gemütlicher an.

„Ah Svenja. Warte kurz, ich hole deine Pokémon.“ Ich nicke wie wild und erwarte, dass mir gleich mein Karnimani und mein Lin-Fu entgegen laufen. Stattdessen kommt Schwester Joy zurück, zwei Pokébälle in einer Plastikschale. Entgeistert sehe ich diese an. Ist Karnimani etwa in seinem Ball? Ach du Kacke!

„Hier bitte sehr. Lin-Fu geht es wieder prima, du kannst sie direkt wieder raus rufen. Karnimani dagegen musst du bitte für heute noch in seinem Ball lassen. Er wird heute noch schlafen und sich erholen und auch morgen kämpfst du bitte noch nicht mit ihm. Aber ab übermorgen dürfte er sich genügend erholt haben, um wieder voll durchzustarten.“ Freundlich lächelnd hält sie mir die Pokébälle entgegen, doch ich stehe nur wie gelähmt da. Karnimani ist in seinem Pokéball! ER IST IN SEINEN BALL GEZWUNGEN WORDEN! Ich will mir kaum vorstellen, wie er reagieren wird, wenn ich ihn morgen wieder raus lasse. Aber möglicherweise wird er auch gleich von selbst herauskommen, sobald er sich ausgeschlafen hat.

„Was ist los Svenja? Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragt Schwester Joy mit leicht besorgtem Unterton. Mechanisch schüttele ich den Kopf. Ich kann ihr doch nicht sagen, dass ich Angst vor der Reaktion meines Pokémons habe. Schwester Joy hält mich jetzt schon für unzuverlässig, da bin ich mir sicher, da muss sie das nicht auch noch wissen.

Vorsichtig greife ich nach den Bällen, auf das schlimmste vorbereitet. Doch beide Bälle bleiben ruhig. Aber plötzlich wackelt der Ball in meiner linken Hand und beginnt sich zu öffnen!

Eine Schiffsfahrt die ist lustig, eine Schiffsfahrt die ist schön

Eine Schiffsfahrt die ist lustig, eine Schiffsfahrt die ist schön
 

Ich zucke zusammen und mache automatisch einen Schritt von dem glühenden Licht, was aus dem Pokéball schießt zurück. Ich will nur ungern in Karnimanis Nähe sein, wenn er gleich ausrastet, weil er in seinem Ball war. Langsam formt sich das Licht zu einer Gestalt, dann verfliegt es plötzlich und … „Lin-Fu!“

Ich atme erleichtert aus- ich habe gar nicht bemerkt, dass ich den Atem angehalten habe- und begrüße Lin-Fu, die gerade ohne Aufforderung aus ihrem Pokéball kam. Der andere Ball, der in dem Karnimani drin ist und immer noch schläft, liegt ruhig in meiner rechten Hand. Schnell hefte ich die Bälle in richtiger Reihenfolge an meinen Gürtel, dann wende ich mich an Schwester Joy. Sie sieht mich zwar etwas irritiert an, sagt aber nichts. Vielleicht hat sie es ja schon aufgegeben aus mir schlau zu werden.

Da Schwester Joy nichts sagt, reiche ich ihr meinen Zimmerschlüssel und dann kommen auch schon Laura und Zac. Gleich darauf haben auch sie ihre Pokémon wieder, worüber sie augenscheinlich glücklich sind.
 

„Was machen wir denn jetzt noch die letzte halbe Stunde?“, fragt Zac an uns Mädchen gerichtet.

„Naja, ich sagte dir ja, dass ich noch mal gegen dich kämpfen will, aber dieses Mal ohne das du dich zurückhältst“, sage ich und sehe ihn lächelnd an. Ich bin gespannt, ob ich es auch dieses Mal schaffe ihn zu besiegen.

„Das können wir gerne machen. Wieder wie vorhin, Lin-Fu gegen Taubsi?“

„Nur zu gerne“, antworte ich zuversichtlich. Damit gehen wir alle drei nach draußen auf den Kampfplatz.
 

„Lin-Fu ich zähl auf dich!“, rufe ich und sofort springt Lin-Fu vor mich, während Laura auf einer Bank am Kampffeldrand platz nimmt, um uns zu zusehen.

„Dieses Mal geben wir alles Taubsi!“, ruft Zac, wirft seinen Pokéball in die Luft und daraus erscheint sein kleines Taubsi, was sich auf seine Faust setzt und leise gurrt. Dann segelt es vor seinen Trainer auf den Boden. Sobald seine Krallen den Boden berühren, rufe ich: „ Lin-Fu Meditation!“ Lin-Fu schließt die Augen, atmet langsam aus und ein, bevor sie die Augen wieder öffnet und mich ansieht. „Gut und jetzt …“

„Taubsi Windstoß!“ Das Pokémon breitet die Flügel aus und schlägt sie heftig wieder zusammen, sodass Lin-Fu nach hinten gedrängt wird, obwohl sie sich gegen den Wind drückt.

„Lin-Fu!“, rufe ich erschrocken, doch mein Pokémon sieht mich beruhigend an. „Fu Fu.“

„Gut, dann Pfund Lin-Fu.“ Mein Kampf Pokémon läuft los, doch Zac ruft, Taubsi soll ausweichen und sofort erhebt der Gegner sich flügelschlagend in die Luft und Lin-Fu saust unter Taubsi durch.

„Runter Taubsi!“ Sofort hört der Vogel auf mit den Flügeln zu schlagen und fällt wie ein Stein aus der Luft– auf Lin-Fu. „Pfund schnell!“ Lin-Fu holt aus und da Taubsi unkontrolliert fällt, kann es sich nicht rechtzeitig abwenden und wird im Flug von Lin-Fus Schlag getroffen. Taubsi stürzt zu Boden, rappelt sich aber gleich wieder auf. „Tackle Taubsi!“

„Abwehren!“, rufe ich. Lin-Fus Augen blitzen auf einmal auf, dann fliegt Taubsi auf sie zu. Doch anstatt die Attacke abzufangen, bleibt Lin-Fu einfach stehen und lässt sich treffen! „Lin-Fu!“, schreie ich erschrocken auf. Was sollte das, warum hat sie sich einfach treffen lassen? Doch dann sehe ich, dass Lin-Fu noch genauso da steht wie zuvor, der Angriff scheint ihr nichts ausgemacht zu haben.
 

Plötzlich vibriert etwas in meiner Tasche und als ich hinein sehe, bemerke ich, dass mein Pokédex blinkt. Irritiert ziehe ich ihn heraus, öffne ihn und plötzlich wird mir die Seite über mein Lin-Fu angezeigt. Und unter Attacken sind neben Pfund und Meditation nun auch noch … Scanner verzeichnet!

Verdutzt sehe ich wieder auf und packe den Pokédex wieder weg. Überrascht sage ich: „Das war Scanner. Du hast Scanner gelernt Lin-Fu, dass ist toll!“

„Lin Lin-Fu!“, verkündet sie glücklich und lächelt.

„Ich gratuliere zu eurer neu erlernten Attacke, Svenja, Lin-Fu“, sagt Zac plötzlich und ich sehe ihn dankbar an. „Das haben wir nur dem Kampf mit dir zur verdanken. Danke Zac.“

„Nichts zu danken Svenja. Sollen wir dann mit unserem Kampf fortfahren?“, fragt er charmant.

„Unbedingt!“
 

„Hervorragend, dann Windstoß Taubsi.“ Sofort erhebt sich das kleine Pokémon in die Luft und schlägt mit den Flügeln, doch ich rufe: „Scanner schnell.“ Lin-Fus Augen blitzen auf, dann fegt der Wind über sie hinweg, doch dieses Mal bleibt Lin-Fu unberührt stehen. Scanner ist eine wahnsinnig praktische Attacke!

„Pfund!“ Sofort rennt Lin-Fu los, doch wieder erhebt Taubsi sich kurz vor dem Treffer in die Luft und weicht aus.

„Tackle!“ Erneut lässt sich Taubsi wie ein Stein zu Boden fallen, doch dieses Mal reagiert Lin-Fu nicht schnell genug, Taubsi fällt auf Lin-Fu und stampft sie so in den Boden. Dann schwingt Taubsi sich wieder in die Luft und während es auf der geschlossenen Faust seines Trainers landet hört man Lin-Fus Keuschen. „Liiin-Fuuu“.

Sie ist besiegt.

Der Kampf ist vorbei.

Diesmal hat Zac gewonnen.
 

„Du hast gut gekämpft“, meint Zac, sobald ich Lin-Fu zurückgerufen habe. Beschwingten Schrittes kommt er zu mir, wobei ihm sein Taubsi auf der Schulter sitzt und ihn zärtlich ins Ohrläppchen kneift. Genauso sanft streicht Zac seinem Pokémon über den Kopf. Offenbar ist das für beide die gegenseitige Respektsbekundung nach einem gewonnen Kampf.

„Danke, aber du erst. Lass uns gerade noch von Schwester Joy unsere Pokémon heilen und dann gehen wir zum Hafen. Es ist ja jetzt doch schon halb drei.“

Zac nickt und Laura, die die ganze Zeit über schon ziemlich schweigsam ist, folgt uns nach drinnen.
 

Diesmal dauert es nicht lange, bis Schwester Joy unsere Pokémon geheilt hat, schon nach fünf Minuten bringt sie uns unsere Pokébälle zurück. „Vielen Dank Schwester Joy. Also nicht nur für jetzt gerade, sondern für Ihre viele Hilfe heute.“

„Keine Ursache Svenja. Versprich mir nur, ab jetzt besser aufzupassen. Und denk daran, was ich dir über Karnimani gesagt habe.“

„Das werde ich Schwester Joy. Haben Sie vielen Dank.“

„Ja, vielen Dank“, stimmt jetzt auch noch Zac zu.

„Ich mache nur meine Arbeit, mein Junge. Komm gut nach Hause und viel Glück und Spaß bei deiner zukünftigen Arbeit.“ Schwester Joy zwinkert ihm zu, worauf Zac rote Wangen bekommt, sich räuspert und nach einem überstürzten Danke aus dem Pokémon Center eilt. Verwirrt laufe ich Zac nach und renne vor dem Pokémon Center in ihn hinein. Überrumpelt stolpere ich wieder etwas zurück und dabei gegen Laura, die missmutig knurrt. Schnell stelle ich mich wieder gerade hin.

„Was meinte sie mit deiner zukünftigen Arbeit Zac?“, frage ich, denn der Brünette hat sehr seltsam auf die Erwähnung reagiert.

Zac wird rot und kratzt sich im Nacken, bevor er nuschelt: „Ähm … gar nichts Wichtiges. Ich … ich habe dir doch erzählt, dass ich an meinem 17 Geburtstag die Arbeit meiner Eltern übernehme. Das meinte Schwester Joy. Woher auch immer sie das weiß.“ Wieder kratzt Zac sich am Nacken, bevor er mich mit roten Wangen anlächelt. Ich sehe ihn skeptisch an, denn wirklich überzeugend war er ja nicht gerade, dann zucke ich die Achseln. Wenn er mir etwas nicht erzählen will, ist das seine Sache. Wir kennen uns ja auch noch nicht lange, wie soll ich da erwarten, dass er mir seine Geheimnisse offenbart? Ich würde es ja auch nicht machen.

Also gehe ich los zum Hafen und nach kurzem, überraschtem Zögern folgt Zac mir. Scheinbar hat er damit gerechnet, dass ich noch weiter nachbohre und dass ich es nicht tue, scheint ihn sehr zu erleichtern.

Plötzlich höre ich, wie jemand an meine Seite eilt und als ich neben mich sehe, erkenne ich, dass es Laura ist. Stumm gehe ich weiter und warte auf das, was sie mir augenscheinlich dringend zu sagen hat. „Du lässt ihn das einfach so machen, ohne ihn zurechtzuweisen? Also, dir ist schon klar, dass der Kerl dir gerade eiskalt ins Gesicht gelogen hat, oder? So peinlich, wie ihm das gerade war. Aber dich kümmert das nicht, oder wie? Du lässt dich einfach von ihm belügen.“ Fassungslos sieht die Blonde mich an und wirft vor Aufregung ihre Hände in die Luft. Ich dagegen bleibe ruhig. „Es war ihm unangenehm darüber zu reden. Und wenn er mir etwas nicht erzählen will, dann respektiere ich das natürlich. Ich werde ihn nicht verurteilen, weil er über etwas, was ihm offensichtlich peinlich ist, nicht sprechen möchte.“

„Und du vertraust ihm da einfach? Was ist denn, wenn ihm sein Geheimnis peinlich ist, weil es etwas mit dir zu tun hat? Schon mal daran gedacht? Vielleicht will Zac es dir nur nicht erzählen, weil es um dich geht!“ Aufgebracht sieht Laura mich an und erwartet wohl eine Antwort von mir, doch ich bleibe stumm. Daran habe ich wirklich noch nicht gedacht. Wäre der Grund, dass er mir es nicht erzählt, der, dass es um mich geht? Aber was habe ich denn mit seiner zukünftigen Arbeit zu tun? Gar nichts, oder doch? Seine Eltern haben doch eine Konditorei und mit Torten habe ich nun wirklich nichts am Hut, außer dass ich sie gerne esse.
 

„Ich glaube nicht, dass es um mich geht. Schwester Joy sprach doch schließlich von seiner zukünftigen Arbeit und mit der habe ich nichts zu tun“, sage ich schließlich nach langer Stille. Laura sieht nicht überzeugt aus. Skeptisch zieht sie die linke Augenbraue hoch, bevor sie noch bemerkt: „Da wäre ich mir mal nicht so sicher, aber wenn du daran glauben willst, bitte sehr. Ich will nur, dass du gewarnt bist und diesem Zac nicht vorbehaltlos glaubst. Vertrauen sollte man keinem männlichen Wesen.“ Überrascht über die bitteren Worte sehe ich Laura von der Seite an, wie sie wütend die Lippen zusammenpresst und gerade will ich etwas sagen, da sind wir am Hafen angekommen.
 

„Los, lasst uns schnell Tickets kaufen und dann aufs Schiff gehen, es sind nur noch fünf Minuten, bevor es ablegt“, meint auf einmal Zac von hinten, der sich bis dahin im Hintergrund gehalten hat. Ich zucke ertappt zusammen, ich hoffe wirklich, dass Zac uns nicht zugehört hat. Aber Laura gibt mir keine Zeit, um irgendwas in die Richtung zu sagen, sie treibt uns entschlossen zum Schiff.
 

Dort kaufen wir die Tickets, dann betreten wir das Schiff. Jeder von uns bekommt eine Kabine, aber dort halten wir uns nicht lange auf. Laura lässt uns gerade mal genug Zeit, um unsere Sachen abzustellen und die Türen abzuschließen, bevor sie uns zu den Kampffeldern zerrt.
 

Berauscht sieht Laura sich um, denn überall auf den Kampffeldern kämpfen Pokémon wild gegeneinander. Plötzlich visiert sie ein Kampffeld an, auf dem nicht gekämpft wird und eilt dann darauf zu, ohne sich um uns zu kümmern. Zac und ich sehen uns an, dann folgen wir ihr schulterzuckend. Als wir bei der Dunkelblonden angekommen, unterhält sie sich schon mit einem Jungen, der etwas älter zu sein scheint als wir, auch älter als Zac. .

„Ich fordere dich zu einem Kampf heraus!“

Der strohblonde Junge, den Laura gerade herausfordert, lächelt, bevor er antwortet: „An sich nur zu gern. Allerdings findet hier auf dem Schiff ein Wettbewerb statt, das heißt, wenn du gegen jemanden kämpfen möchtest, musst du dich da vorne anmelden und dann bekommst du einen Gegner zugeteilt. Diejenigen, die den ersten Kampf gewinnen, kämpfen gegen die anderen Sieger, solange bis nur noch einer übrig bleibt. Ich habe mich auch angemeldet, allerdings wurde mir noch kein Gegner zugeteilt. Also wenn du dich beeilst, können wir vielleicht gegeneinander kämpfen.“

„Ich verstehe“, sagt Laura kühl, dann dreht sie sich auf den Absatz um und stürmt in die Richtung, die der Junge ihr gewiesen hat. Nun wendet der Blonde sich lächelnd an Zac und mich. „Ich heiße übrigens Felix. Und ihr beide? Wollt ihr nicht auch kämpfen und am Wettbewerb teilnehmen?“

„Also das ist Zac und ich heiße Svenja. Und wegen dem kämpfen… ich weiß nicht. Wirst du kämpfen Zac?“ Fragend sehe ich den 16 jährigen an.

„Also ich werde auf jeden Fall kämpfen. Das wird ein weiteres Training für Taubsi und mich“, antwortet er mir. „Was ist mit dir?“

Unschlüssig sehe ich beide Jungen an, die mich ihrerseits gespannt ansehen. „Ich weiß nicht, ich-“ Im nächsten Moment wackelt der zweite Pokéball an meinem Gürtel, ein weißer Lichtstrahl schießt hervor und gleich darauf steht Lin-Fu vor mir und nickt wild, während sie auffordernd immer wieder „Lin-Fu Fu“ sagt. Ich muss lachen, als ich ihre Entschlossenheit zu Kämpfen sehe. „Da hört ihr eure Antwort. Lin-Fu hat gesprochen. Wir werden bei dem Wettkampf mitmachen.“
 

Kaum haben Zac und ich uns bei dem Wettkampf angemeldet, indem wir unseren Trainerpass vorgelegt haben, hören wir ein Tuten, dann setzt sich das Schiff langsam und brummend in Bewegung. Begeistert laufe ich zur Reling und sehe zu, wie wir uns immer weiter vom Hafen Serenitias entfernen. Auch Lin-Fu, die sich auf die Reling gesetzt hat, weil sie zu klein ist, um drüber zu gucken, lässt sich den Fahrtwind um die Nase blasen. Da tritt Zac zu uns, lehnt sich gegen die Reling und hält sich dabei krampfhaft an dieser fest. „Komm schon Svenja, sonst wird dein Gegner an jemand anderen vergeben.“ Sofort drehe ich mich um und folge Zac und Lin-Fu, nachdem sie einen Rückwärtssalto von der Reling gemacht hat, ist gleich darauf an meiner linken Seite.

Während wir an den Kampf Feldern vorbeigehen sehen wir Laura, die mit ihrem Nebulak gerade gegen einen Jungen mit einem blauen Pokémon kämpft, was ich nicht kenne. Der Kampf scheint allerdings ziemlich ausgewogen zu sein, beide Pokémon schweben durch die Luft und weichen so den Angriffen des anderen immer wieder aus.

Dann bleiben wir an einem noch unbesetzten Kampffeld stehen und plötzlich ist da wieder der blonde Junge –Felix – der grinsend auf uns zukommt. „Da seid ihr ja schon wieder. Sagt bloß, einer von euch beiden ist mein Gegner und nicht eure rebellische Freundin.“

„Laura ist einem anderen Gegner zugeteilt worden. Aber du darfst dafür gegen Svenja kämpfen“, antwortet Zac an meiner Stelle und ich sehe ihn erstaunt an. Wo war ich denn bitte, als uns das gesagt wurde?

„So überrascht, wie du aussiehst, scheinst du das wohl wirklich nicht bekommen zu haben“, meint Zac und lacht leise, worin Felix mit einfällt. Sofort spüre ich, wie ich rot werde und sehe zu Lin-Fu, die aufmunternd den Kopf schief legt. Dann scheint Zac sich wieder gefangen zu haben, denn er erklärt: „Nun, jedenfalls ist Felix dein Gegner und mein Gegner ist das Mädchen dort hinten.“ Dabei zeigt er auf ein Mädchen mit kurzen, hellblauen Haaren, die abwartend auf einem der Kampffelder steht. „Ich wünsche dir viel Glück Svenja.“

„Ich dir auch Zac.“

Zac lächelt, dann dreht er sich um und geht zu dem blauhaarigen Mädchen. Kurz reden die beiden miteinander, bevor sie ihre Pokébälle zücken. Lächelnd wende ich mich ab und Felix zu, der uns geduldig zugeguckt hat.

„Lass uns kämpfen.“

Felix Lächeln verbreitert sich, als er meine Worte hört, dann nickt er.
 

„Es geht los Lin-Fu!“ Kampflustig stellt Lin-Fu sich vor mich und schreit übermutig: „Lin! Lin-Fu!“

„Dein Lin-Fu scheint ja ganz heiß aufs Kämpfen zu sein. Dann weiß ich, mit welchem meiner Pokémon ich ihrer Kampflust noch weiter einheizen werde. Pluto, du bist an der Reihe!“ Er öffnet einen Pokéball und kurz darauf steht vor ihm ein Hunduster, was aufgeregt bellt, dann schnuppert es in der Luft und fixiert schließlich Lin-Fu. „Pluto Glut!“, ruft der Ältere, bevor ich auch nur den Mund aufmachen kann. Sofort öffnet sein Pokémon den Mund und schießt so schnell einen Feuerball auf Lin-Fu, dass die nicht ausweichen kann. Lin-Fu schreit schrill und hoch auf, die Attacke war wohl wirklich nicht von schlechten Eltern.

„Lin-Fu geht es?“ Mein Pokémon nickt, zwar keuchend, aber sie nickt. „Wenn ja, setz Pfund ein.“ Lin-Fu rennt los, da ruft Felix: „Ausweichen Pluto!“ Das Hunduster rennt zur Seite, doch Lin-Fu erwischt es, indem sie es gegen die Beine tritt.

„Pluto, Glut schnell!“

„Scanner!“ Lin-Fus Augen blitzen auf, kurz bevor der Feuerball Lin-Fu trifft, doch dieses Mal verpufft er dank des Scanners einfach, sobald er Lin-Fu trifft, ohne ihr zu Schaden.
 

„Ah, eine gute Attacke“, meint Felix anerkennend und lächelt. Ich glaube, nichts könnte ihm sein Lächeln aus dem Gesicht wischen. Dann fährt er fort: „Pluto- “ Doch ich unterbreche ihn. „Pfund!“ Lin-Fu ist noch so nah an Hunduster dran, das sie nur auszuholen braucht, bevor sie es an der Schulter trifft und das Pokémon so zur Seite stolpert. „Hun … Hun“, keucht es immer wieder. „Sie sind gut. Pluto Glut.“ Wieder feuert der Gegner einen Feuerball auf mein Pokémon ab, doch dieses Mal ist Lin-Fu schnell genug, um drüber zu springen.

„Nochmal Pfund. Besieg es!“, rufe ich ihr zu. Lin-Fu sprintet los, sobald sie den Boden berührt, doch Felix befiehlt seinem Pokémon Glut einzusetzen. Lin-Fu kann zwar ausweichen, aber ihre Attacke wird dadurch unterbrochen.

„Pluto Silberblick“, ruft Felix, sobald er sieht, dass die Attacke daneben ging. Hunduster knurrt so furchteinflößend, dass es sowohl mir, als auch Lin-Fu kalt den Rücken runterrieselt, dann reiße ich mich zusammen und sage: „Pfund Lin-Fu.“ Obwohl Felix schreit, Hunduster soll ausweichen, kann Lin-Fu es wie schon zu Anfang des Kampfes an den Beinen treffen und dieses Mal stolpert es über seine Pfoten und fällt zu Boden, während es „Huuunduuusteeer“ jault. Dann bleibt es besiegt liegen.
 

„Wir haben gewonnen Lin-Fu!“, jubele ich und auch Lin-Fu macht vor Freude einen Luftsprung, bevor sie auf mich zu saust und mich auf Oberschenkelhöhe umarmt. Ich lache und umarme sie ebenfalls, dann rufe ich sie in ihren Pokéball zurück, bevor ich mich meinem besiegten Gegner zuwende. Der Blonde kniet sich zu seinem Pokémon, was schon wieder schwach den Kopf hebt. Sanft streicht er ihm über den Kopf, bevor er sich bedankt und es dann in seinen Pokéball zurückruft. Dann kommt er auf mich zu. Er lächelt, scheinbar scheint noch nicht mal ein verlorener Kampf seine Fröhlichkeit zu trüben. Als er vor mir steht, sagt er mit warmer Stimme: „Ich gratuliere dir zu deinem Sieg. Ihr beide arbeitet gut zusammen, obwohl ihr noch nicht lange zusammen reist, wie man merkt. Das zeigt, wie viel Vertrauen Lin-Fu in dich und deine Fähigkeiten hat. Wenn ihr beide so weiter macht, werdet ihr beide keine Probleme mit den Steinen eurer Reise haben, sondern an ihnen wachsen.“ Als er meinen fragenden Blick sieht, schmunzelt er, bevor Felix fortfährt: „Du kannst mir ruhig glauben. Als Züchter und Erzieher von Pokémon in Lehre habe ich für solche Dinge einen guten Blick. Ich habe zwar noch viel zu lernen in dem Jahr, in dem ich noch in Lehre bin, aber für den Trainingsstand eines Pokémons bekommt man schnell ein geübtes Auge. Sobald ich mit meiner Ausbildung fertig bin, werde ich mir eine eigene Pension aufbauen, wo Trainer ihre Pokémon für einige Zeit abgeben können und ich mich um sie kümmern und sie trainieren werde. Natürlich werde ich aber auch Pokémon züchten, diese trainieren und dann verkaufen. Mein Meister, der Leiter der Pension bei der ich lerne, züchtet zum Beispiel für Professor Aquilon die Starter Pokémon. So etwas möchte ich später auch machen. Ich würde mich freuen, wenn du mich später mal in meiner Pension besuchen würdest. Mich würde interessieren, wie weit ihr auf eurem Weg bis dahin gekommen seid und natürlich hoffe ich auch auf eine Revanche.“ Felix lacht und auch ich muss grinsen.

„Aber falls du innerhalb dieses Jahres die Dienste eines Pokémonzüchters und -erziehers in Anspruch nehmen willst, komm zur Pokémon Pension auf Route 52. Ich werde dir nur zu gerne helfen. Auch wenn ich nicht glaube, dass du die Hilfe eines Pokémonerziehers brauchst.“ Er zwinkert mir zu und ich muss wieder grinsen, doch dann erinnere ich mich an Karnimani und die Probleme, die wir haben, und mein Lächeln verblasst. Gerade sehe ich ihn an und überlege, ob ich ihn einweihen und um Rat fragen sollte, da bemerke ich, wie ein Mädchen, definitiv älter als ich, komplett schwarz angezogen und mit kastanienbraunen Haaren, sich von hinten an Felix heranschleicht. Schnell will ich ihn warnen, doch da hat das Mädchen schon von hinten ihre Arme um ihn geschlungen und haucht: „Hallo mein Süßer. Hast du mich schon vermisst?“

Felix grinst breit, bevor er „Natürlich, immer“, antwortet und sich dann zu der Braunhaarigen umdreht. Schnell gibt er ihr einen Kuss auf den Mund, bevor er fragt: „Und, hast du deinen Kampf gewonnen?“

„Natürlich. Minun hat das hervorragend gemacht und mal ehrlich, so stark war das Klingplim nicht. Und was ist mit dir? Hast du auch gewonnen?“

Felix schüttelt den Kopf, aber er lächelt. „Nein, habe ich nicht. Meine Gegnerin war zu stark.“

„Oooh, mein armes Baby“, meint die Ältere mit einer neckisch –spöttischen Stimme. „Wo ist deine Gegnerin? Die würde ich zu gern mal selbst kennenlernen.“

Leise räuspere ich mich. „Ähm, das wäre dann wohl ich.“

Ruckartig fährt das Mädchen zu mir herum und fragt erstaunt: „Du?!“

„Äh, ja“, antworte ich unsicher. Noch bin ich mir unsicher, ob ich sie mag oder nicht. Sie hat so eine direkte und dominante Art und sieht mich auf so eine Weise an, dass ich mich ganz klein fühle. Doch dann ergreift Felix das Wort: „Darf ich vorstellen, das ist Svenja, eine zwar noch junge, aber gute Trainerin. Und das ist Emilia, meine Freundin und die Tochter des Pensionsleiters, bei dem ich meine Lehre mache.“

Emilia mustert mich noch einmal von oben bis unten, bevor sie mir die Hand hinstreckt. „Hallo nochmal. Du musst wirklich gut sein, wenn du meinen Freund geschlagen hast. Er ist eigentlich nur schwer zu besiegen.“

„Danke“, sage ich und nehme zögerlich die mir hingehaltene Hand. Der Griff von Emilia ist fest und stark, doch dann lässt sie mich auch wieder los und überrumpelt mich gleich mit ihrer nächsten Aussage. „Wenn wir beide gewonnen haben, bekommen wir ja auch beide gleich zwei neue Gegner zugeteilt. Ich hoffe, dass wirst du sein, ich möchte nur zu gern sehen, wie du es geschafft hast, Felix zu besiegen. Außer…“ Überlegend wendet sie sich an ihren Freund. „Sag mal, mit welchem deiner Pokémon hast du denn gekämpft?“

Felix lächelt, als er antwortet: „Ihr Pokémon ist noch jung und Pluto ebenfalls. Also habe ich Hunduster eingesetzt.“

„Dachte ich es mir doch. Dann ist es ja kein Wunder, dass du verloren hast Felix. Wie oft muss ich dir eigentlich noch erklären, dass man bei Wettkämpfen seine besten Pokémon nimmt, um die größtmögliche Chance auf den Sieg zu haben!?“

„Das hast du mir tatsächlich schon unzählige Male gesagt. Und ich sage dir jedes Mal, dass es mir nicht darum geht zu gewinnen, sondern mein schwächstes Pokémon zu trainieren.“

„Aber was bringt es Hunduster denn, wenn es im Kampf besiegt ist? Genau, nichts, außer dass du dann auch noch Preisgeld zahlen musst! ...“ Während Emilia sich immer weiter in ihre Standpauke hineinsteigert, lächelt Felix geduldig und nickt ab und zu, hinter seinem Rücken reicht er mir aber einen Beutel mit meinem Preisgeld. Anscheinend hat er bei seiner Freundin die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, sie sich austoben zu lassen, anstatt sie zu unterbrechen.
 

Gerade will ich mich vorne für einen neuen Gegner anmelden, da sehe ich auf einmal, wie Zac, bleich wie ein Gespenst in Richtung Kabinen rennt. Schnell winke ich Felix zu, da ich seine Freundin nicht unterbrechen will, und der nickt mir zum Abschied –natürlich lächelnd –zu, dann eile ich Zac hinterher. Er sah wirklich nicht gut aus gerade. Hoffentlich ist ihm nichts passiert!

Plötzlich entdecke ich Zac, er rennt in seine Kabine, so schnell, das die Tür laut ins Schloss knallt. Unschlüssig, ob ich einfach eintreten soll, stehe ich vor der Tür, doch als ich ein Keuchen von der anderen Seite höre, öffne ich ohne weiter nachzudenken die Tür. Schnell sehe ich mich in dem Raum, der sich nicht von meinem unterscheidet. Ein Schrank, ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl. Aber kein Zac. Dafür aber eine nur angelehnte Badezimmertür. Langsam schleiche ich darauf zu und frage mich, ob das nicht vielleicht eher ungünstig wäre, wenn ich da jetzt einfach so reinstürme, doch dann höre ich ein Würgen und nichts hält mich mehr. Ich stürme in das Badezimmer und sehe, wie Zac vor der Toilette kniet und gerade keuchend die Spülung betätigt. Anhand des sauren Geruchs würde ich wetten, dass er sich eben noch übergeben hat. Auch das mir direkt schlecht wird, ist ein sicheres Indiz dafür, da ich fast immer brechen muss, wenn ich diesen Geruch rieche. Schnell halte ich mir die Hand vor Mund und Nase und versuche nur noch, durch den Mund zu atmen, bevor ich leise frage: „Zac? Ist alles in Ordnung? Soll ich dir etwas bringen? Ein Glas Wasser oder so was?“

Zac zuckt zusammen, dann fährt er zu mir herum. Und er sieht wirklich schlecht aus, um nicht zu sagen scheiße. Er ist käsebleich, sein Gesicht ist verschwitzt, die langen braunen Haare kleben ihm auf der Haut, seine braunen Augen glänzen fiebrig und noch dazu zittert er wie verrückt. „Svenja“, krächzt er und wird leicht rot, vermutlich ist es ihm unangenehm, dass ich ihn so sehe. Zac stöhnt, als er sich an der Kloschüssel festhält und sich dann würgend wieder darüber beugt. „Ich glaube, ich vertrage das Schifffahren nicht besonders“, flüstert er entkräftet, als er sich wieder aufrichtet und die Augen schließt.

„Du bist seekrank“, stelle ich fest und Zac nickt schwach, wobei er sich die verschwitzen Haarsträhnen aus dem Gesicht streicht. Dann muss er erneut würgen und ich eile schnell aus dem Raum. Erstens, um ihm ein Glas Wasser zu holen, aber auch, weil ich sonst mit ihm kotzen müsste. Gott sei Dank dürfen die Kameras der Fernsehsendung nicht in die Kabinen, sonst würde das alles im Fernsehen übertragen werden. Und das wäre wohl sowohl für mich, als auch für Zac ziemlich peinlich.
 

Als ich ins Badezimmer zurückkehre, hat Zac sich neben die Toilette gesetzt und lehnt müde an der Wand. Schnell reiche ich ihm das Wasserglas, was er mit einem dankbaren Blick sofort trinkt. Derweil mache ich einen Waschlappen nass, den ich ihm ebenfalls gebe.

„Danke Svenja, dass du dich um mich kümmerst“, sagt Zac schwach.

„Ach was, du bist mein Freund und dir geht es nicht gut. Natürlich helfe ich dir da“, wiegele ich ab und fahre mir durch meine langen Haare.

„Du musst das wirklich nicht tun. Du kannst gehen, ich komme schon zurecht. Du hast doch deinen Kampf gewonnen oder nicht? Dann solltest du ihn nicht wegen mir verpassen.“

Entrüstet stemme ich meine Hände in die Hüften. „Jetzt hör aber auf Zac! Dir geht es nicht gut, das Schiff fahren schlägt dir auf den Magen. Du bist mein Freund und niemand sollte alleine sein, wenn es ihm nicht gut geht. Also bleibe ich bei dir, bis wir von dem Schiff unten sind und es dir wieder besser geht. Ganz egal, ob ich den Kampf vorhin gewonnen oder verloren habe, du gehst vor.“

Zac wird rot, als er meine Worte hört, und trinkt eilig etwas von seinem Wasser, um sich und sein Gesicht abzukühlen. Schnell füge ich hinzu: „Außerdem hast du mir auch schon mehrmals geholfen in der kurzen Zeit, die wir uns erst kennen. Da werde ich mich ja wohl noch revanchieren dürfen.“

Zac sieht mich an und lächelt leicht, was ich sofort erwidere. „Dann danke ich dir Svenja.“

„Das musst du nicht Zac. Dafür sind Freunde doch da.“ Ich setze mich neben ihn, sehe ihm lächelnd in die braunen Augen und dann muss ich Zac ganz schnell das Wasserglas aus der Hand nehmen, da der Brünette sich nach einem besonders heftigen Schwanken des Schiffes wieder über seine Toilettenschüssel beugt.

Diese Schiffsfahrt kann ja noch heiter werden. Von der Rückfahrt ganz zu schweigen!

Wo ist Sina?

Wo ist Sina?
 

Irgendwann ertönt ein lauter Gong auf dem Schiff. Dann hört man ein Knacksen und Rauschen, doch schließlich verkündet eine kratzige Stimme aus den Lautsprechern: „In fünf Minuten erreichen wir den Hafen von Sankt Schollerin. Wir bitten alle Reisenden, sich zu den Ausgängen zu begeben und dabei all ihre Pokémon in den Pokébällen zu lassen, um eventuelle Verzögerungen beim Ausstieg zu vermeiden. Wir danken ihnen für ihr Verständnis und wünschen ihnen einen angenehmen Tag.“ Ein Klacken zeigt, dass die Durchsage beendet ist und Zac und ich sehen uns an. Seufzend erhebt er sich langsam und schwankend, während ich ihm unterstützend unter die Arme greife. Wortwörtlich! Ich schleife ihn praktisch aus der Kabine, nachdem ich ihm seinen Rucksack gegeben habe. Danach hole ich auch mein Zeug und wir machen uns auf die Suche nach Laura.
 

Wir finden sie am Ausgang des Schiffes, wie sie zwischen all den anderen Menschen steht und darauf wartet, dass das Schiff anlegt. Dass sie Reisebegleiter hat, an die man eigentlich denken sollte, hat die Blonde wohl schon wieder vergessen.

So schnell es uns möglich ist, drängen wir uns zu ihr, denn das Schiff schwankt bedenklich und Zac ist schon wieder gefährlich käsig im Gesicht. Als ich durch ein Fenster sehe, erkenne ich auch, warum es so schwankt. Draußen stürmt er ganz gewaltig, die Wellen türmen sich und immer wieder zucken Blitze über den Himmel, während der Donner grollt und es schüttet, als sollten sich die Meere erweitern. Hoffentlich finden wir Sina schnell und müssen sie bei dem Unwetter nicht noch suchen.

Dann ertönt ein lautes Hupen, man hört lautes Klappern und Rumpeln und nach einem kurzen Moment öffnen sich die Türen und alle Leute drängen nach draußen, um dann schnell nach Hause oder sonst wo hin zu eilen, Hauptsache unter ein Dach. Ganz schnell sind Zac, Laura und ich die einzigen die noch bei diesem Wetter draußen am Hafen von Sankt Schollerin stehen. Suchend sehe ich mich um. Ich sehe niemanden, den ich kenne, was bei dem Wetter auch kein Wunder ist. Allerdings sehe ich auch Sina nicht, die ja eigentlich hier sein sollte, weil Laura sie hier hingeschickt hat, um sich mit ihr zu treffen. Ich sehe mich immer wieder in meinem Heimatdorf um, obwohl es bei diesem Regen schwierig ist, überhaupt etwas zu erkennen, dann wende ich mich an Laura: „Du wolltest dich doch mit ihr hier treffen, oder nicht?“

„Ja“, antwortet sie, kneift die Augen zusammen und blickt sich immer wieder um.

„Aber sie ist nicht hier.“

„Das sehe ich!“, knurrt Laura gereizt und ich zucke zusammen. Nicht nur, weil sie mich so anfährt, sondern auch weil ich nass bis auf die Knochen bin und mir dementsprechend kalt ist. Wir müssen uns schnell irgendwo unterstellen und trocknen, bevor wir uns auf die Suche nach Sina machen können, sonst holen wir uns noch alle drei den Tod.
 

„Glaubst du, sie ist zu ihren Eltern nach Hause gegangen, als es angefangen hat zu regnen?“, frage ich Laura.

„Bist du verrückt?“ Entsetzt sieht die Blonde mich an. „Sina würde niemals zu ihren Eltern gehen und zugeben, dass ihr ihr Pokémon gestohlen wurde. Ihre Eltern würden ausrasten und sie nicht mehr reisen lassen. Ihr Zuhause ist der letzte Ort, an den Sina jetzt gehen würde. Nein, sie ist irgendwo anders, alleine.“

Da mischt sich Zac ein, dem es etwas besser zu gehen scheint, jetzt, wo er wieder festen Boden unter den Füßen hat. „Nun ja, wir können sie aber jetzt nicht suchen. Nicht bei diesem Wetter und in den Klamotten. Kennt ihr hier jemanden, bei dem wir für kurze Zeit unterkommen können?“

Laura antwortet im selben Moment „Nein“, in dem ich „Ja“ sage. „Du kennst hier jemanden?“, fragt sie verwundert.

„Ich habe 14 Jahre hier in diesem Dorf gelebt und Sankt Schollerin ist klein. Ich kenne hier jeden und jeden Winkel.“ Dann drehe ich mich um und gehe los. „Folgt mir. Bei Oxana kommen wir sicher unter.“
 

Kurz darauf stehen wir drei bibbernd vor der Haustür, ich klingele kurz und dann öffnet mir auch schon gleich ein blauhaariges Mädchen, mit Haaren bis zu ihren Knien. „Xanny!“, schreie ich und stürze in ihre Arme – ignoriere dabei völlig, dass ich pitschnass bin und sie so auch nass wird.

„Svenja?“, fragt Oxana überrascht und drückt mich sanft von sich, um mich mit blauen Augen zu mustern. Vor Verblüffung werden ihre Augen groß und rund. „Sweety du bist es wirklich!“ Dann zieht sie mich wieder in eine feste Umarmung. „Was machst du denn hier?“

Ich will ansetzen ihr zu antworten, doch sie fährt fort: „Nein, warte, komm erst mal rein ins Trockene und zieh dir was anderes an, dann kannst du mir immer noch alles erzählen.“ Sofort trete ich ein, aber Laura und Zac bleiben immer noch draußen stehen. Das bemerkt auch Xanny, den sie wendet sich an die beiden und sagt mit einem freundlichen Lächeln: „Ihr dürft natürlich ebenfalls reinkommen. Die Freunde meiner besten Freundin sind auch meine Freunde.“ Schnell betreten auch die zwei das Haus und ich grinse meine beste Freundin an. Genau für solche Sachen liebe ich sie! Sie hilft jedem, zu jeder Zeit und egal wem ohne irgendwelche Fragen zu stellen.
 

„Papa, Mama, guckt mal wer hier ist!“, ruft sie, als wir ins Wohnzimmer kommen. Schnell fahren Oxanas Eltern herum und als sie mich erkennen, stehen sie sofort vom Sofa auf und kommen auf mich zu. „Svenja! Wir freuen uns ja so dich zu sehen. Schön, dass du uns besuchst!“, ruft ihr Vater, bevor er mich fest umarmt. Glücklich lächle ich. In dieser Familie werde ich behandelt, als wäre ich ihre Tochter, schon vom ersten Tag wurde ich so herzlich aufgenommen. Sie zu sehen tut gut. Für einen kurzen Moment fällt mir ein, dass ich ja meine Eltern anrufen könnte, um ihnen von dem bisherigen zu erzählen, doch der Gedanke verfliegt schon wieder, als Oxanas Mutter mich ebenfalls umarmt.

Als sie mich wieder los lässt, fragt sie: „Und wer sind diese beiden?“

Sofort macht Zac einen Schritt nach vorne und erfasst die ihm dargebotene Hand, während er sich vorstellt: „Ich bin Zac und das ist Laura. Wir sind auf der Suche nach ihrer Freundin Sina. Wir sind ihnen sehr dankbar, dass sie uns während des Unwetters bei sich aufnehmen. Vielen Dank.“

Als Zac den Namen Sina erwähnt, fallen Oxanas Mundwinkel und die ihrer Eltern, doch als Zac endet, hat sich ihre Mutter wieder gefasst. „Oxana, bring den drein doch bitte Handtücher und Wechselsachen, damit sie nicht die ganze Zeit in ihren nassen Klamotten verbringen müssen und noch krank werden. Ich mache derweil einen Beerentee, der wird euch wärmen.“

Sofort nickt die Blauhaarige und führt uns ins Badezimmer, wo wir Handtücher bekommen und wir uns nach einander andere Sachen anziehen und unsere nasse Kleidung aufhängen.
 

„Kann ich mal kurz mit dir sprechen?“, hält Oxana mich auf, als wir gerade in die Küchen gehen wollen.

„Natürlich“, erwidere ich überrascht. Xanny wirft einen bedeutungsvollen Blick auf Laura und Zac, die uns neugierig ansehen. „Allein?“ Sobald ich nicke, zieht die Blauhaarige mich wieder zurück ins Badezimmer und schließt hinter uns die Tür ab. Abwartend und neugierig sehe ich sie an, wie sie hektisch atmend mitten in ihrem großen Badezimmer steht und nervös immer wieder an ihrem weißen Kleid zupft, was sie vorhin neu angezogen hat, weil bei unserer Umarmung auch ihre Sachen nass geworden sind. Auch ich trage jetzt andere Klamotten, meine Joggingsachen um genau zu sein. Schließlich, als ich es nicht mehr aushalte, Xanny beim Zupfen an ihrem Kleid zu beobachten, frage ich: „Was wolltest du mir denn sagen?“

Noch einmal atmet Oxana tief ein, bevor sie mir fest in die Augen sieht und direkt heraus sagt: „Warum hast du mir nie gesagt, dass du nach deinem Umzug ein Pokémon bekommen und eine Trainerin sein wirst?“

Überrascht sehe ich sie an. „Woher-?“

Scheu schlägt sie die Augen nieder und zupft wieder an ihrem Kleid herum. „Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen darf. Du bist ja schließlich eine von denjenigen, die nichts über die Sendung wissen. Aber ich muss dich vorwarnen. Und du erfährst es ja sowieso, wenn du dir die Sendung das nächste Mal ansiehst.“

Langsam habe ich eine Ahnung von was meine beste Freundin redet. Sie muss mich in der `Traveltrainers´ Sendung gesehen haben. Eigentlich dürfte mich das nicht wundern, schließlich haben wir uns die Sendung bis vor meinem Umzug immer zusammen angesehen und waren die größten Fans, die es gibt. Wie oft haben wir uns vorgestellt, wir beide wären Trainerin in der Sendung und würden gemeinsam reisen. Doch jetzt vor jemandem zu stehen, der mir im Fernsehen zusieht, wie ich mich an meiner Pokémonreise versuche, ist komisch. Auch wenn es nur meine beste Freundin ist, der ich immer alles anvertraut habe. Bis auf das. Denn dazu war einfach noch keine Zeit und ich wusste nicht wie. Doch sie weiß es ja schon, dass ich Teil unserer Lieblingssendung bin. Sie weiß nur nicht, dass ich weiß, dass ich dabei bin.
 

„Sweety, du bist eine von den Trainern, die sie in `Traveltrainers´ heimlich beobachten“, unterbricht die 13 jährige auf einmal meine Gedanken. Schüchtern schaut sie mich an, bestimmt hat sie Angst, dass ich ihr nicht glaube und sie für verrückt erkläre. Was ich nie tun würde, aber diese Angst ist leider durch das Verhalten ihrer Mitmenschen tief in ihr verwurzelt. Ständig hat Oxana Angst, etwas falsch zu machen und von anderen ausgelacht zu werden. Weil es schon zu oft vorkam. In diesem Punkt sind wir uns ähnlich, auch wenn die Angst bei Xanny viel ausgeprägter ist. Ich glaube, dass ist der Grund, warum wie uns so gut verstehen- vom ersten Moment an. Wir verstehen uns und unsere Ängste, weil wir dasselbe durchgemacht haben. Bzw. in Xannys Fall, immer noch durchmachen. Und die Ursache sind Sina und ihr Hofstaat. Denn auch wenn Sina inzwischen auf Reisen ist, ihr Hofstaat macht meiner besten Freundin immer noch das Leben schwer. Kein Wunder also, dass Oxana und ihre Familie nicht gut auf das Mädchen zu sprechen sind. Ich bin es auch nicht, aber ich muss mich überzeugen, dass sie für ihr Pokémon sorgen kann und es gut behandelt.
 

Als ich Xannys ängstliche, opalblaue Augen sehe, bemerke ich meinen Fehler. Ich habe sie zu lange auf meine Antwort warten lassen. Nichts jagt ihr mehr Angst ein als die Ungewissheit. „Das weiß ich Xanny. Die Sendung ist nicht ganz so, wie sie den Zuschauern präsentiert wird. Die Leute, die heimlich gefilmt werden, müssen sich genauso anmelden wie die, die bewusst gefilmt werden. Wir dürfen die Zuschauer nur nicht wissen lassen, das wir über alles informiert sind, verstehst du?“

Xanny sieht mich verwirrt an. „Also wusstest du schon, dass du eine Traveltrainerin bist?“

„Ja, dass wusste ich schon. Und ich hätte es dir auch gesagt, ich wusste nur nicht wie. Jeder meiner Schritte wird gefilmt und übertragen, da konnte ich dich nicht einfach anrufen. Außerdem wollte ich es dir persönlich sagen. Von daher gut, dass du hier im Bad mit mir sprechen wolltest, da dürfen die Kameras nämlich nicht mit rein.“

„Ich weiß“, antwortet sie mit etwas stärkerer Stimme. „Ich kenne die Regeln der Sendung.“

Ich stürme auf sie zu und ziehe sie in eine Umarmung, die sie Arceus sei Dank nach einem Moment des Zögerns erwidert. „Ich bin so froh, dass du jetzt über alles Bescheid weißt. Du bist die einzige, die das weiß, abgesehen von meinen Eltern, die mich angemeldet haben. Darum darfst du dir nachher auch nichts anmerken lassen, ja?“

„Natürlich nicht. Aber warum wissen es deine beiden Reisegefährten nicht?“

„Zac und Laura? Sie sind nicht meine Reisegefährten. Also schon, aber nur für den Moment, nicht für meine gesamte Reise. Laura reist zusammen mit Sina und Zac und ich helfen ihr, sie zu suchen. Einer Freundin von Sina würde ich doch niemals so etwas anvertrauen. Und Zac kenne ich erst seit heute, auch wenn es mir schon viel länger vorkommet. Aber es ist auch einiges passiert. Das kannst du dir dann ja morgen alles ab 13.00 Uhr ansehen“, lache ich und auch Xanny lacht. Ab eins kommt immer die `Traveltrainer´ Sendung und geht dann bis drei Uhr. Das heißt heute wurde ich das erste Mal im Fernsehen gezeigt – ich und alles, was ich gestern erlebt habe. Es erscheint mir total unwirklich.

Dann wird Oxana wieder ernst und fragt: „Aber Sweety, warum suchst du nach ihr? Ich verstehe das einfach nicht.“

Seufzend trete ich ein paar Schritte von ihr zurück, um ihr in die großen Augen zu sehen. „Sinas Pokémon wurde von zwei sehr seltsamen Leuten gestohlen. Laura ist diesen zwei Leuten hinterher geeilt, um ihr Pokémon wieder zu holen, Sina sollte hier in Sankt Schollerin auf sie warten. Zac und ich haben Laura am Hafen von Serenitia getroffen, wie sie gegen die beiden gekämpft und verloren hat. Zac hat die beiden dann mit seinen Pokémon besiegt, sie haben ihm den Pokéball zurückgegeben, doch bevor wir Officer Rocky rufen konnten, sind sie geflüchtet. Darum sind wir alle zusammen nach Sankt Schollerin gefahren, um Sina ihr Pokémon zu geben, und damit Laura und sie dann weiter reisen können. Doch Sina war nicht mehr da, also suchen wir sie jetzt.

Mir ist klar, dass es dir seltsam vorkommen muss, dass ich ausgerechnet Sina helfe, ihr Pokémon zurück zu bekommen, aber du kennst mich. So bin ich einfach. Außerdem will ich mich davon überzeugen, dass sie ihr Pokémon nicht so behandelt, wie ihre Mitmenschen. Ich könnte nie mehr in den Spiegel sehen, wenn ich ein Pokémon bei ihr lassen würde, dass sie so behandelt, wie uns. Egal ob ich davon wusste oder nicht. Ich muss einfach mein Gewissen beruhigen, verstehst du? Darum muss ich einfach mitgehen und mich davon überzeugen.“

„Ich verstehe dich, Sweety, keine Sorge.“ Dankbar sehe ich sie an. Ich bin so froh, dass sie mich annimmt, wie ich bin, versteht was ich denke und wie ich mich fühle und nicht versucht, mich zu verändern. Das rechne ich ihr hoch an und darum ist Oxana meine beste Freundin.
 

„Wir sollten zurück zu deinen Freunden gehen, damit ihr Sina suchen gehen könnt, sobald das Unwetter vorbei ist“, sagt Oxana schließlich. Ich stimme ihr zu, erinnere sie nochmal daran, die Sendung nicht zu erwähnen, bevor wir in einander untergehakt ins Wohnzimmer gehen, wo Zac, Laura, Xannys Eltern und ihre jüngere Schwester Mila sitzen und Tee trinken. „Ihr habt aber lange gebraucht“, stellt Laura fest und ich sehe Xanny an. Die sieht schüchtern weg, mit Leuten, die nicht kennt, kommt sie nicht gut klar, also antworte ich. „Wir hatten eben viel zu bereden.“

Zusammen setzen Oxana und ich uns auf eins der Sofas und nehmen uns eine Tasse Tee, doch die muss ich schnell wieder loslassen, da auf einmal die 11 jährige Mila auf meinen Schoß springt und mich heftig umarmt. „Svenja, du bist wieder da! Ich habe dich soo vermisst!“, ruft der kleine Wuschelkopf. Diesen Namen hat sie mit ihren wilden schwarzen Locken definitiv verdient.

Ich lache und umarme sie ebenfalls. „Ich habe dich auch vermisst, Wuschelköpfchen!“ Ich liebe Mila wie eine kleine Schwester, da ich früher den Großteil meiner Zeit mit ihr und Xanny verbracht habe und immer hier war. Ich bin praktisch Teil dieser Familie und es hat uns alle unheimlich geschmerzt, als ich und meine Eltern weggezogen sind. Umso schöner, das ich jetzt wieder hier bin!
 

„Zeigst du mir deine Pokémon? Du bist doch jetzt eine Pokémon Trainerin, oder?“, fragt Mila aufgeregt und ich schrecke zusammen. Mila weiß nicht, dass sie die Sendung nicht erwähnen darf, doch da mischt sich Oxana ein: „Richtig, das war der Grund, warum sie umgezogen sind, wie ich dir mehrmals erklärt habe, Milamaus.“ Dabei sieht sie ihre Schwester warnend an und die scheint Arceus sei Dank zu verstehen – jedenfalls erwähnt sie die Sendung nicht. „Also, zeigst du mir deine Pokémon?“, wiederholt sie aufgeregt.

„Gerne. Ich habe zwei Pokémon, Karnimani und Lin-Fu. Karnimani muss sich allerdings noch in seinem Pokéball erholen, also kann ich dir momentan nur Lin-Fu vorstellen. Ich hoffe, dass ist okay.“

„Natürlich“, antwortet Milas Vater anstelle seiner Tochter. „Wir freuen uns über jeden deiner Partner, den du uns vorstellst.“

Grinsend greife ich nach Lin-Fus Pokéball. „Na dann komm mal raus.“ Der weiße Lichtstrahl erscheint und dann ruft Lin-Fu laut „Lin-Fu.“ Allerdings klingt es nicht so Energie geladen wie sonst und da fällt mir ein, dass ich Lin-Fu nach ihrem Kampf gegen das Hunduster Pluto und seinen Felix noch gar nicht heilen konnte. Während Lin-Fu also von Mila gestreichelt und geknuddelt wird, wende ich mich ihre Mutter. „Ich habe noch keine Zeit gehabt, Lin-Fu nach ihrem Kampf zu heilen. Habt ihr vielleicht in eurem Gewächshaus ein paar Beeren, die Lin-Fu helfen könnten?“

„Aber natürlich, komm mit. Unsere Sinelbeerenbüsche haben gerade besonders ertragreiche Ernte.“

Ich erhebe mich und folge Yasmin, Xannys Mutter, und sofort ist Lin-Fu an meiner Seite, doch auch Zac und Laura laufen hinter uns her. Vermutlich wollen sie auch ihre Pokémon heilen.
 

Als wir aus dem Haus und in den Garten treten, schnappt Zac überrascht nach Luft. „Wahnsinn! Warum haben Sie denn ein so riesiges Gewächshaus in ihrem Garten? Wachsen dort all die Beeren drin, die Pokémon brauchen?“

Yasmin lacht. „Ja, unteranderem. Wir züchten dort alle Arten von Beeren aber auch noch einige Kräuter und Pflanzen, die zur Alternativen Heilung von Pokémon und Menschen genutzt werden können. Darum muss unser Gewächshaus so groß sein.“

Zac ist immer noch geschockt und ich kann ihn verstehen. Als ich Oxanas Familie das erste Mal besucht habe, war ich auch völlig baff. Das Gewächshaus ist fast so groß wie das eigentliche Wohnhaus, trotzdem sieht man es von der Straße aus nicht, da es von ihrem Wohnhaus verdeckt wird. Außerdem duftete es so toll daraus, die unterschiedlichsten Farben schimmern durch das Glas und viele wild Pokémon wie Wadribie fliegen hier ein und aus.

„Aber warum züchten Sie diese vielen Beeren? Ist das ein Hobby von Ihnen?“, fragt Zac neugierig nach.

Wieder lacht Oxanas Mutter. „Nicht ganz. Mein Mann ist Beeren Professor und ich bin Beerenkennerin und die Assistentin meines Mannes. Zumindest noch, bald lasse ich mich zur Professorin weiterbilden. Darum züchten wir die ganzen Beeren. Es gehört zu unserer Arbeit und wir versuchen immer wieder neue Arten zu kreieren. Um eine neue Art zu züchten, brauchen wir aber die bisher bekannten Beerenarten.“

„Sie sind ja alle ganz schön beerenbegeistert“, staunt Zac.

„Wenn ich groß bin, werde ich Botanikerin und dann helfe ich meinen Eltern mit der Züchtung der Pflanzen und Beeren“, verkündet Mila auf einmal stolz, die uns – oder wohl eher Lin-Fu – nach draußen gefolgt ist.

„Wahnsinn. Und deine Schwester? Was für einen Beruf mit Beeren möchte sie später machen?“

Sofort verstummen alle und schließlich nuschelt Mila: „Gar keinen. Sie hat kein Interesse an Beeren. Sie möchte lieber etwas Kreatives machen. Zeichnen oder schreiben oder dichten oder so.“

Als ich den wütenden und enttäuschten Blick sehe, den Oxanas Vater seiner älteren Tochter zuwirft, weiß ich, was gleich folgen wird, wenn ich jetzt nicht ablenke. Dieser Punkt, dass Oxana nicht wie der Rest der Familie etwas mit Beeren machen möchte, war schon immer ein großes Streitthema. Das konnte Zac nicht wissen, aber das man zweimal in einer Stunde so dermaßen ins Fettnäpfchen tritt, erst mit der Erwähnung von Sina und jetzt das, das kann auch nur ihm passieren. Prompt wird der Brünette auch rot, als er versteht, dass er hier gerade einen Familienkonflikt angesprochen hat.
 

„Und das ist ja auch völlig okay. Jeder Mensch hat andere Stärken und Schwächen und daraus bilden sich die unterschiedlichsten Wünsche. Xanny kann wunderbar schreiben, dichten und zeichnen, also ist es doch gut, wenn sie das weiterverfolgt, was sie mag und kann“, werfe ich schnell ein und Zac stimmt mir direkt zu, während Laura zwischen den einzelnen Person hin und her sieht und schließlich das Gesicht in Richtung von Oxanas Vater verzieht. Scheinbar scheint auch sie verstanden zu haben, dass ihr Vater etwas gegen den Traum seiner Tochter hat und ist damit ebenfalls nicht einverstanden. Ihr Gesicht ist wutverzehrt und ich habe Angst, dass sie sich gleich einmischt und irgendwas sagen wird, was ihren Vater reizt, also rufe ich gezwungen fröhlich: „Dann lasst uns doch jetzt mal ins Gewächshaus gehen und die Beeren für unsere Pokémon suchen.“

„Nun, dann kommt“, stimmt Oxanas Mutter mir zu und öffnet die Glastür. Sofort schlägt uns warme Luft entgegen und dann winkt ihre Mutter einer Blume zu. „Hallo Sonnflora. Alles soweit in Ordnung?“ Da bewegt die Sonnenblume sich und erst jetzt erkenne ich, dass die Blume in Wirklichkeit ein Pokémon ist. „Sonnflora So!“

„Hervorragend. Und wo sind die anderen?“ Da hört man ein Rascheln und plötzlich schieben sich von überall die Pokémon zu uns. „Roselia!“

„Knospi!“

„Kinoso!“

„Vegimak!“

„Lilminip!“

„Ah, da seid ihr ja alle. Bringt ihr unseren Gästen bitte ein paar Sinelbeeren? Derweil könnt ihr euch ja ein wenig hier umgucken, falls ihr möchtet und ihr versprecht, auf den Wegen zu bleiben“, wendet sie sich an uns und sieht vor allem Laura streng an. Die schnaubt beleidigt, geht dann aber als erste los und nach der ersten Kurve sieht man sie schon nicht mehr, so hoch sind hier die Bäume und Büsche, an denen die Beeren wachsen. Zac folgt ihr gleich darauf.

Auf einmal ist Xanny an meiner Seite. „Danke für gerade eben“, flüstert sie mir zu.

„Keine Ursache. Ich weiß, wie schwer das für dich ist, dass deine Familie nicht akzeptieren will, das du eben andere Sachen kannst und machen willst als sie.“

Oxana nickt und ich nehme sie in den Arm, wo sie sich dankbar einkuschelt.
 

„Sweety?“, fragt Oxana nach einer Weile zögerlich.

„Ja?“

„Kann ich nachher mitkommen, wenn ihr Sina suchen kommt?“ Angestrengt schluckt sie, ich kann ihr ihre Angst vor diesem Mädchen deutlich ansehen. Also warum will sie dann mitkommen und sie suchen?

„Warum?“

„Weil dass, was du vorhin im Badezimmer gesagt hast, wahr ist. Ich könnte mich auch nicht mehr selbst ansehen, falls es so wäre. Falls es stimmt, dass sie ihre Pokémon schlecht behandelt und ich nichts dagegen unternehmen würde“ Sie sieht zwar ängstlich weg, als sie das sagt, aber sie ist absolut ernst. Das zeigt mir, dass ihre Angst vor Sina nicht so groß sein kann wie ihre Angst um Sinas Pokémon.

„Natürlich kannst du mitkommen“, antworte ich und Xanny lächelt glücklich. „Aber dann sollten wir bald losgehen, damit wir sie heute noch finden, es ist ja doch schon halb fünf.“

Wild nickt meine blauhaarige Freundin, dann zupft sie von einem Strauch zwei Sinelbeeren ab und reicht sie mir. „Hier, für Lin-Fu. Gib sie ihr und dann lass uns losgehen.“
 

Lin-Fu isst die beiden Beeren mit großer Freude und ist danach so fit wie normal. Kurz darauf sind auch Laura, Zac und Xannys Familie wieder bei uns und ich schlage vor, dass wir uns jetzt auf die Suche nach Sina machen, da inzwischen das Unwetter weiter gezogen ist, wie ich durch die Glasscheiben des Gewächshauses sehen kann.

„Xanny wird uns bei der Suche helfen“, setzte ich hinzu. Überrascht fahren ihre Eltern zu ihr herum und die Blauhaarige wird leicht rot, als sie die Überraschung auf den Gesichtern ihrer Eltern sieht. „Warum willst du denn bei der Suche nach Sina helfen, Liebes?“, fragt ihre Mutter verständnislos. Sie klingt absolut fassungslos und Laura knirscht wütend mit den Zähnen, dass sie so über ihre Freundin reden. Doch sie hält sich zurück, vermutlich weil sie weiß, dass sie hier ohnehin in der Unterzahl ist.

„Weil Svenja mir einige gute Gründe gegeben hat, um mit ihr zu kommen“, erklärt sie leise, aber nachdrücklich. Doch sie sieht ihre Eltern dabei nicht an. Während die sich noch zweifelnd ansehen, springt Mila schon auf und ruft: „Das ist doch cool. Vielleicht verstehen Sina und Xanny sich dann besser, wenn Xanny ihr ihr Pokémon wieder bringt. Und Svenja und Lin-Fu werden auf Xanny aufpassen, wenn sie aus dem Dorf gehen, nicht wahr?“ Fragend dreht sie sich zu mir.

„Natürlich“, bestätige ich nickend.

„Nun, dann sollten wir uns auf den Weg machen. Es ist immerhin schon kurz nach halb fünf und es regnet nicht mehr, also können wir losgehen, oder?“, fragt Zac, der die ganze Zeit über still gewesen ist. Auch Laura ist sehr still, seit wir bei Oxana sind, was ziemlich untypisch ist. Vermutlich macht sie sich große Sorgen um ihre Freundin Sina.

Ich sehe zu Oxana, welche mir zunickt, dann sage ich: „Ja, lasst uns losgehen und Sina suchen.“
 

Nachdem Zac, Laura und ich uns unsere Alltagskleidung wieder angezogen haben, die Arceus sei Dank wieder trocken ist, verabschieden wir uns von Xannys Familie und dann ziehen wir zu viert los. Sofort wende ich mich an meine beste Freundin. „Also, hast du eine Idee, wo Sina sein könnte?“

„Wenn wir beide alleine sein wollten, sind wir immer an den Aqua See gegangen, weil man da so ungestört ist“, erinnert die Blauhaarige mich.

„Du hast Recht. Vielleicht ist Sina auf dieselbe Idee gekommen, immerhin wollte sie vermutlich auch nur alleine sein. Dann lasst uns zum See gehen.“
 

Kurz darauf sind wir am Aqua See angekommen und ich seufze losgelöst auf. Dieser Ort hat immer eine sehr beruhigende Art auf mich, habe ich mich doch immer hier versteckt, wenn Leute wie Sina mich gehänselt und verfolgt haben. Hier habe ich meine ersten Pokémon Freunde gefunden, abgesehen von den Pokémon meiner Eltern, und hier habe ich Xanny kennengelernt, die sich aus demselben Grund immer hier her geflüchtet hat. Der Aqua See wurde schnell unser gemeinsamer Rückzugsort.

Das Gras und die Wasserpflanzen funkeln in allen Regenbogenfarben, weil sich das Sonnenlicht in den Regentropfen bricht, mit denen die Pflanzen bedeckt sind. Der See liegt ruhig da, das Wasser ist kristallklar, obwohl es geregnet hat, eine besondere Eigenart des Aqua Sees, und die Bäume des Wäldchens, was hinter dem See beginnt, rauschen sacht. Doch ich kann kein einziges wildes Pokémon entdecken, geschweige denn meine Pokémon Freunde. Und auch Sina ist nicht da, denn dann wären hier Pokémon, die aufgeregt durch die Gegend wuseln würden.

Das kein Pokémon zu sehen ist, ist nicht weiter verwunderlich, es hat schließlich gerade eben erst gewittert, also sind die Pokémon bestimmt an trockene Orte geflüchtet und die Wasser Pokémon, die im See leben, liegen bestimmt am Grund des Sees. Doch dass von Sina keine Spur zu sehen ist, beunruhigt mich ein bisschen. Denn wenn sie nicht hier ist und nicht im Dorf, wo ist sie dann? So groß ist dieses Insel nicht. Eigentlich gibt es nur noch einen Ort, an dem Sina sein kann, auch wenn ich mich frage, was dann in ihrem Kopf vorgegangen ist. Denn wenn Sina weder im Norden der Insel, also im Dorf, noch im Süden, also beim Hafen, noch im Westen der Insel ist, wo der Aqua See liegt, ist, dann muss sie im Osten der Insel sein. Und der ganze Osten der Insel besteht aus dem Simplex Wald, in welchem viele giftige und aggressive Pokémon leben, die einem Menschen verdammt gefährlich werden können. Vor allem wenn der Mensch kein Pokémon bei sich hat, dass ihn beschützt.
 

Mit panisch aufgerissenen Augen sehe ich zu Oxana, die mich ebenfalls mit besorgten blauen Augen ansieht. Anscheinend kam sie auf dieselbe Schlussfolgerung wie ich.

„Sie ist in dem Simplex Wald gegangen“, sage ich laut.

Zac und Laura sehen mich ahnungslos an. „Und das ist schlimm oder was?“, fragt Laura rau.

Zum ersten Mal sieht Xanny Laura in die Augen, ohne gleich wieder ängstlich weg zu sehen. Daran merkt selbst Laura, dass es wohl wirklich ernst ist ohne dass es die Worte, die folgen, noch gebraucht hätte. „Ja, das ist verdammt schlimm.“

Im Simplex Wald

Im Simplex Wald
 

Kurz darauf stehen wir vor dem Simplex Wald, der sich unheimlich vor uns erstreckt. Man erkennt nichts darin, da die Bäume so dicht stehen, dass sie keinen Lichtstrahl durchlassen und es so fast stockdunkel ist. Nur leise hört man das Rauschen der Blätter und Flirren, was vielleicht von Pokémon herrührt. „Und ihr glaubt wirklich, dass sie da rein gegangen ist? Es sieht ziemlich gefährlich dadrin aus“, sagt Zac zögerlich und zuckt erschrocken zurück, als Laura ihn aus braunen Augen wütend anfunkelt. „Wo soll sie sonst sein, verdammt? Sina ist kein solcher Feigling, wie du es anscheinend bist. Von Dunkelheit lässt sie sich nicht einschüchtern und von den angeblich aggressiven Pokémon auch nicht. Zur Not kämpft sie eigenhändig gegen sie. Ich werde jetzt da rein gehen und sie suchen. Vielleicht solltest du lieber hierbleiben. Angsthasen, die sich bei jedem Astknacksen in die Hose scheißen, behindern mich nur.“

Zac wird rot und murmelt leicht trotzig: „Ich habe überhaupt nicht gesagt, dass ich Angst habe den Wad zu betreten. Und natürlich werde ich mitkommen und suchen helfen, wenn ihr glaubt, dass Sina sich in dem Wald aufhält.“

„Es ist die einzig logische Erklärung, weil wir sie nirgendwo anders auf der Insel gefunden haben“, sage ich und ernte ein Nicken von den beiden Mädchen der Gruppe.

„Dann lasst uns jetzt endlich gehen und sie suchen. Ich will sie keine Sekunde länger als nötig in dem Wald alleine lassen“, drängt Laura. Sie macht sich wirklich große Sorgen um ihre Freundin, die allerdings auch berechtigt sind. Der Wald ist nicht ungefährlich, vor allem nicht nachts. Und es ist schon halb sechs abends. Zum Glück wird es im Sommer erst spät dunkel, das heißt wir haben noch etwas Zeit, bevor die Geistpokémon und die Pokémon, die nachts jagen, aktiv werden. Allerdings ist es im Simplex Wald ja den ganzen Tag dunkel, also ist das keine sichere Garantie.

„Ich denke, wir sollten bis morgen warten, bevor wir Sina im Simplex Wald suchen. Die Suche wird bestimmt ein paar Stunden dauern und nachts ist mit den Pokémon im Wald wirklich nicht zu spaßen. Sie würden uns ernsthaft jagen und verletzen. Außerdem ist Sina bis morgen bestimmt ohnehin wieder aufgetaucht. Also wenn ich wollt, könnt ihr heute bei mir zuhause schlafen“, meint Oxana zögerlich. Laura knurrt wütend auf und fährt nun zu meiner besten Freundin herum, die ängstlich ein paar Schritte zurück macht. „Ja sagt mal, seid ihr jetzt alle verrückt geworden?! Sina ist meine beste Freundin, ich werde sie nicht alleine in diesem Wald herum laufen lassen, vor allem nicht, wenn die wilden Pokémon darin so gefährlich sind, wie ihr sagt. Ich werde sie suchen, koste es mich was es wolle. Egal ob ich dabei verletzte werde. Sina ist mir verdammt wichtig, ich kann es nicht verzeihen, wenn sie verletzt wird, nur weil jemand zu feige war, nachts nach ihr zu suchen. Also entweder ihr kommt jetzt ohne ein weiteres Wort mit mir in den Wald und wir kehren erst wieder nach Sankt Schollerin zurück, wenn wir Sina gefunden haben, oder ich gehe alleine. Ihr könnt machen was ihr wollt, ich gehe in jedem Fall, mit oder ohne euch.“

Ruhig drehte ich ein paar Schritte nach vorne. „Ich lasse dich nicht alleine in den Wald. Ich komme mit dir.“

Kurz wird Laura etwas entspannter, vermutlich hatte sie doch etwas Angst, auf sich alleine gestellt in dem Wald nach Sina suchen zu müssen, dann nickt sie und sieht Zac und Oxana an. „Und was ist mit euch beiden? Habt ihr zu viel Schiss oder kommt ihr mit uns?“

„Ich komme mit“, sagt Zac entschlossen. Oxana seufzt auf, dann nickt sie ergeben. „Wenn ihr nicht bis morgen warten wollt, dann komme ich mit euch. Auch wenn es unvernünftig ist“, murmelt sie leise.

„Wenn du mit Samthandschuhen angefasst werden willst, dann hättest du zu Hause an Mamas Rockzipfel bleiben müssen“, murrt Laura, dann dreht sie sich auf den Absatz um und stürmt in den Wald hinein. Zac, Oxana und ich sehen uns an, dann folgen wir der aufgebrachten Blondine schnell. Das kann ja noch heiter werden, ist mein letzter Gedanke, bevor uns die Schwärze des Waldes verschluckt.
 

Zum Glück ist es gar nicht mehr so dunkel, als sich unsere Augen erstmal an die Dunkelheit gewöhnt haben. Wenigstens können wir einander erkennen, wenn wir uns nicht mehr als fünf Meter voneinander entfernen. Und kein Baum im Blickfeld steht, was in diesem Wald sehr häufig vorkommt, so dicht wachsen die Laubbäume. Es gibt auch keinen Weg, dem man folgen könnte, also können wir nur hoffen, per Zufall auf ein Zeichen von Sina, oder im besten Fall auf sie selbst, zu stoßen.

„Wie… wie wäre es, wenn wir uns an den Händen nehmen? Um uns nicht zu verlieren, meine ich“, schlägt Oxana unsicher zu. Ich weiß, dass sie ziemliche Angst vor der Dunkelheit hat und reiche ihr deshalb schnell meine Hand. Ihre ist jetzt schon Schweißnass und eiskalt. Kein Wunder, dass sie Angst hat, sie ist von uns auch die einzige, die kein Pokémon hat, was sie verteidigen kann. Sie muss auf uns vertrauen und das war noch nie ihre Stärke.

„An den Händen nehmen? Wir sind doch keine verdammten Kindergartenkinde mehr, die Angst im Dunkeln haben! Also wirklich! Kommt endlich oder sollen wir hier Wurzeln schlagen“, schnaubt Laura abfällig und ich merke, wie Oxana bei ihren harten Worten zusammenzuckt. Beruhigend drücke ich ihre Hand und sie sieht mich dankbar an und drückt zurück. Dann folgen wir Laura, die schon vorgegangen ist, Zac bildet das Schlusslicht.
 

Gefühlte zehn Minuten gehen wir schweigend durch den dunklen Wald, als Xanny leise fragt: „Hat denn keiner von euch ein Pokémon, was hier ein bisschen Licht machen könnte?“

„Fängst du schon wieder damit an?“, mault Laura direkt los und dreht sich um, um die Blauhaarige in Grund und Boden zu starren, während sie rückwärts weiter läuft.

„Entschuldige“, flüstert Xanny direkt, doch ich beachte Laura nicht weiter und antworte stattdessen: „Nein, tut mir leid Xanny. Lin-Fu kann leider kein Licht erzeugen.“

„Meine Vögel können zwar einige Dinge, aber das Dunkel zu vertreiben gehört nicht dazu“, ertönt es von hinten.

„Ach so schon okay“, murmelt Xanny leise und sieht auf den Boden. Mitfühlend drücke ich ihre Hand, die ich immer noch halte. Laura schnaubt abfällig, dreht sich um – und schreit im nächsten Moment laut auf, während sie zurück stolpert.

„Was ist?!“, rufe ich und renne zu ihr und versuche zu erkennen, was los ist. Laura schreit wie am Spieß, während sie wie wild um sich schlägt. „AAAHHH GEHT WEG! RUNTER VON MIR! IHHHHH TUT DOCH WAS!“

Verzweifelt sehe ich Zac und Xanny an, denn ich kann absolut nicht erkennen, weswegen Laura gerade so ausrastet. Um uns herum ist nichts außer Bäume und auch auf ihr ist nichts, soweit ich das bei ihrem um sich schlagenden Körper sehen kann. Während sie wie gestochen kreischt, fährt sie sich über die Arme, dann erstarrt sie plötzlich, nur um gleich darauf noch höher zu kreischen und wie wild ihre linke Hand zu schütteln. Jetzt erkenne ich auch, dass sich irgendetwas Kleines an ihre Hand klammert. Doch nach einem besonders heftigen Schütteln fliegt das Etwas durch die Luft, man hört ein Rascheln und das Motzen eines Pokémons, was schnell weg drippelt – dann ist es still. Nur Lauras Keuschen ist zu hören, die sich langsam wieder beruhigt und ihre Hand an ihren Klamotten abwischt.

„Vielen Dank für eure Hilfe“, knurrt Laura sarkastisch und funkelt uns alle an.

„Was war das denn?“, frage ich mit schlechtem Gewissen, denn ich dachte wirklich, da wäre nichts und sie wollte uns oder vor allem Xanny nur einen Schrecken einjagen.

„Ich habe keine scheiß Ahnung, verdammt. Da war irgendein klebriges Netz in das ich reingelaufen bin und dann bin ich weggezuckt und dann war da irgendein kleines Pokémonvieh auf mir, was über mich gelaufen ist mit seinen vielen kleinen Beinchen und es hat versucht, mich mit klebrigen Fäden einzuspinnen. Absolut widerlich.“

„Das klingt nach einem Webarak“, meint Oxana leise.

„Nach einem was?“, fragt Laura patzig.

„Nach Webarak. Das sind kleine Käfer/ Gift Pokémon. Sie leben hier im Wald und spinnen überall Netze, in denen ihre Beute sich dann verfängt. Sobald die Pokémon in ihrem Netz zappeln, vergiften sie sie und spinnen sie ein, bis sie tot sind. Nachts kommen sie dann alle zusammen und essen die Pokémon, die sich über Tag in ihren Netzen verfangen haben.“

„Das heißt, die Viecher wollten mich einspinnen und fressen?!“, kreischt Laura entsetzt auf. „Und wenn es gekonnte, hätte es mich vergiftet und ich würde daran elendig verrecken?“

„Ja, vermutlich“, bestätigt Xanny leise.

Mit einem wütenden Kreischen und aufstampfendem Fuß reißt Laura ihren Pokéball von ihrem Gürtel und brüllt: „Komm raus Nebulak!“ Der weiße Lichtstrahl erscheint, dann materialisiert sich Lauras Nebulak, was unruhig in der Luft schwebt und flackernd leuchtet, manchmal mehr, manchmal weniger. „Nebulak, wenn mich nochmal etwas in diesem Wald angreift, dann wirst du es auf der Stelle vernichten, verstanden?“

„Nebu.“

Fasziniert tritt Xanny ein paar Schritte näher an das Pokémon heran. „Es leuchtet.“

„Ja, natürlich, es ist schließlich dunkel. Im Dunkeln leuchten alle Geistpokémon etwas“, antwortet Laura hochnäsig.

„Warum hast du Nebulak dann nicht schon vorhin raus geholt, als Xanny gefragt hat, wenn du wusstest, dass Nebulak Licht erzeugen würde?“ frage ich gereizt, da ich glaube, die Antwort schon zu kennen.

„Warum sollte ich dem Angsthasen einen Gefallen tun?“, bekomme ich auch direkt die Bestätigung meiner Gedanken. Bevor ich etwas erwidern kann, hat Laura sich schon umgedreht und geht weiter, während ihr Nebulak vor ihr schwebt und ihr so den Weg etwas beleuchtet. Ich seufze angestrengt auf und folge ihr, nachdem ich Oxana wieder an die Hand genommen habe. Es wird Zeit, dass wir Sina finden. Laura wird vor lauter Sorge um sie langsam anstrengend.
 

Wir gehen ungefähr eine viertel Stunde still durch den Wald, geführt von Nebulaks Leuchten. Um uns herum hört man das Rascheln des Laubs auf dem Boden, wenn Pokémon sich dadurch bewegen und ab und zu hören wir auch einsame Pokémonschreie durch den Wald hallen, wo Oxana jedes Mal zusammenzuckt und näher zu mir rückt. Auch mich gruselt es ziemlich, doch ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen. Für Oxana und auch für Zac, denn er auch sieht sich immer wieder ängstlich um. Nur Laura schreitet unbeeindruckt voran.

Als hinter uns auf einmal Zac erstickt aufschreit, zucken sowohl Xanny als auch ich schrecklich zusammen und fahren herum. Dort sehen wir Zac, der einen Pokéball in der Hand hat und vor ihm sitz sein zeterndes Taubsi. Es versucht sich extra groß zu machen, um das lilafarbene Pokémon vor ihm einzuschüchtern, doch das lässt sich nicht beeindrucken. Es schreit in einer beeindruckenden Lautstärke und senkt den Kopf, um seinen Dornen, der sich auf seiner Stirn befindet, auf Taubsi zu richten.
 

„Das ist ein männliches Nidoran“, flüstert Oxana mir zu. Auch Laura und Nebulak haben sich jetzt zu uns gesellt und Laura hört gespannt zu, während wir beobachten, wie das Nidoran auf Taubsi zu rennt und mit den beiden Vorderbeinen nach Taubsi tritt. Beide Male trifft es, sodass das Vogelpokémon aufschreit.
 

„Die Nidoran durchstreifen den ganzen Wald auf der Suche nach Gegnern, gegen die sie kämpfen können. Sie gehen dabei nach Geräuschen, also ist dieses Nidoran durch unseren Lärm auf uns aufmerksam geworden. Nidoran sind verdammt aggressiv und sehr gefährlich, weil ihr Gift ein ausgewachsenes Geowaz töten kann, wenn man das Gift nicht aus dem Körper holen kann“, berichtet Oxana im Flüsterton weiter.
 

„Taubsi Sandwirbel!“, befiehlt Zac, der durch Nebulaks Leuchten zum Glück etwas sehen kann. Taubsi schlägt mit den Flügeln und das Nidoran bekommt eine volle Ladung Sand ins Gesicht geschleudert. Ärgerlich kneift es die Augen zusammen und schüttelt immer wieder den Kopf. Dann rennt es auf Taubsi zu, doch der Sandwirbel scheint seine Wirkung schon zu entfalten, denn das Pokémon läuft an Taubsi vorbei und gegen einen Baum, wovon es zurücktaumelt. Fauchend dreht es sich um und kickt wieder mit seinen Vorderbeinen nach Taubsi und dieses Mal trifft es. Taubsi wird zurück gedrängt und keucht erschöpft, doch noch gibt das Kleine nicht auf. Als Zac es lobt und danach befiehlt er soll Windstoß einsetzen, erhebt sich Taubsi in die Luft und schlägt kraftvoll mit den Flügeln.

„Nido Nidoran“, schnaubt es kopfschüttelnd, als der Wind es trifft, bevor der Gegner wieder auf Taubsi losrennt. Er spießt Taubsi praktisch mit seinem Horn auf, sodass das Pokémon nach hinten geschleudert wird. Erschöpft kommt es hoch und stemmt sich wieder auf seine zitternden Beine. Zu allem Unglück scheint es jetzt auch noch vergiftet zu sein, denn es schwitzt und ist leicht lila. Mit Beunruhigung erinnere ich mich an Oxanas Worte von vorhin. Auf einmal sagt eben diese: „Aber eins ist seltsam.“

„Was denn?“, frage ich, während ich beobachte, wie Taubsi Tackle einsetzt, das Nidoran aber dagegen hält und dann Zacs Pokémon sogar zurück drängen kann.

„Nidoran leben in Kolonien zusammen. Faktisch gesehen ist es sehr unwahrscheinlich, dass man nur auf ein einzelnes Nidoran trifft.“ Oxana hätte diesen Satz wohl besser nicht sagen sollen, denn im nächsten Moment passieren mehrere Dinge gleichzeitig. Taubsi wird mit einem letzten Doppelkick besiegt und auf einmal springen rund um uns herum aus den Büschen viele männliche und weibliche Nidoran, während das Nidoran von eben stolz den Kopf in den Nacken wirft und brüllt: „NIDORAN!“ Sofort fangen die Nidoran an uns in einem immer kleiner werdenden Kreis einzukreisen und mir rutscht ein gehauchtes „Fuck“ heraus. Scheinbar sollte Nidoran, was wohl der Anführer der Gruppe ist, uns ablenken, während der Rest seiner Gruppe uns einkreist, um dann von allen Seiten anzugreifen.

Rücken an Rücken stehen Laura, Zac und ich, Oxana in unsere Mitte, da sie die einzige ohne Pokémon ist. Schnell rufe ich Lin-Fu, die sich sofort beschützend vor mich stellt, auch wenn ihr die Übermacht an Nidoran nicht zu gefallen scheint, so verbissen und erst wie sie die Feine mustert. Nebulak sirrt vor Laura unruhig auf der Stelle und vor Zac haben sich sein Ibitak und sein Natu aufgebaut. Trotzdem befinden sich die wilden Pokémon in der Überzahl, ich zähle acht Nidorans und den Anführer. Das heißt auf jedes unserer Pokémon kommen zwei Nidorans. Und dabei habe ich nur die gezählt, die ich sehe. Möglicherweise sind noch einige in der Dunkelheit. Wir sitzen ganz schön in der Tinte.

Da brüllt das anführende Nidoran irgendwo aus der Dunkelheit „NIDORAN!“ und alle Nidoran stürmen vor. „ANGRIFF!“, scheien Laura und ich im Gegenzug und unsere Pokémon stoßen Kampfrufe aus, als sie den Nidoran entgegen laufen.
 

Auf halbem Ohr bekomme ich mit, wie Zac seinen Pokémon befiehlt Aero-Ass und Konfustrahl einzusetzen. Ibitak greift an und das erste Nidoran ist sofort besiegt. Bleiben also nur noch sieben und der Anführer. Yeah!

Auf der anderen Seite sehe ich, wie Nebulak von zwei Nidoran mit Doppelkick angegriffen wird, doch es kann allen Angriffen ausweichen, bevor es selber angreift, doch diesmal weicht das Nidoran aus.

Da greifen meine beiden Gegner Lin-Fu an, doch auch mein Lin-Fu kann ihren Doppelkicks ausweichen. „Lin-Fu Pfund!“, befehle ich und Lin-Fu läuft sofort auf das männliche Nidoran zu und holt aus. Das schreit auf, als Lin-Fu es trifft, die sofort wieder weg und beschützend vor Xanny und mich springt. Xanny hat sich wimmernd hinter mir versteckt und klammert sich an meine Schulter, doch ich kann sie nicht beruhigen, ich darf mich nicht von diesem Kampf ablenken lassen.
 

„Ibitak noch mal Aero-Ass und Natu Nachtnebel!“ Nach Ibitaks Angriff ist auch schon das nächste Nidoran besiegt und als Natu seine beiden in einen schwarzen Nebel hüllt, schreien beide qualvoll auf und bleiben danach unheimlich still. Wenn ich also richtig zähle bleiben jetzt noch vier Nidoran und der Anführer übrig. Wieder mal muss ich mir eingestehen, dass Zac ein wahnsinnig guter Trainer ist, wenn er es schafft mit drei Attacken vier Pokémon auszulöschen.
 

„Verdammt, du solltest doch ausweichen Nebulak!“, höre ich Laura hinter mir fluchen, doch ich habe keine Zeit um nachzusehen, da beide Nidoran wieder auf Lin-Fu zustürmen. „Scanner schnell! Danach Pfund!“ Lin-Fus Augen blitzen auf, dann treffen die beiden Nidoran sie mit ihrem Horn, doch Lin-Fu bleibt ungerührt stehen, bevor sie Pfund einsetzt, wieder gegen das männliche Nidoran. Doch das kann diesmal ausweichen und rennt wieder mit seiner Partnerin etwas auf Abstand, von wo aus sie mein Lin-Fu fixieren.
 

„Braucht eine vor euch vielleicht Hilfe?“, fragt Zac und tritt neben mich. Laura sieht ihn abfällig an. „Von dir, einem Kerl? Sicher nicht! Nebulak Hypnose!“

Ich drücke Zac Schulter und sage: „Deine Hilfe ist bei mir mehr als willkommen.“

Zac, der von Lauras Worten etwas verletzt schien, lächelt nun wieder und stellt sich an meine Seite, vor Xanny. Die beiden Nidoran scheinen Ibitak sofort als die größte Bedrohung zu erkennen, denn sie stürzen sich beide sofort auf es. Doch das klappert nur verächtlich mit dem Schnabel und steigt in die Luft.

„Lin-Fu Pfund.“ Lin-Fu rennt los, auf das männliche Nidoran zu, doch das springt in die Luft. In dem Moment ruft Zac: „Jetzt Ibitak!“ Das Pokémon stürzt wie ein Stein vom Himmel und stampft das Giftpokémon ungespitzt in den Boden. Es ist sofort ko.

„Natu Schnabel.“ Natu teleportiert sich direkt vor das weibliche Nidoran und während das noch verdutzt guckt, hackt Natu schon mehrmals auf es ein. Solange bis es besiegt umkippt und dabei „Niiidoooraaan!“ stöhnt.

„Klasse gemacht Zac!“, jubele ich und klatsche mit ihm ein, während sich unsere drei Pokémon um uns versammeln. Im nächsten Moment hören wir Laura laut fluchen. „Verdammt Nebulak, komm zurück.“ Sofort drehen wir alle uns zu Laura um, die sich schnell hinter uns versteckt, weil das weibliche Nidoran bedrohlich knurrend auf sie zukommt. Das männliche schläft durch Nebulaks Hypnose.

„Brauchst du jetzt doch Hilfe?“, kann ich es mir nicht verkneifen zu fragen. Laura wirft mir nur einen giftigen Blick zu, sagt aber nichts.

„Na los Ibitak Aero-Ass. Und du Natu Nachtnebel.” So schnell, das man es nicht mehr sieht, ist Ibitak schon gegen das weibliche Nidoran geflogen, was mit einem lang gezogenen Kreischen umkippt. Doch es kann sich wieder auf seine kleinen zitternden Beinchen kämpfen. Aber da werden beide Nidoran schon von schwarzem Nebel eingehüllt, das Nidoran stößt einen trommelfellzerreißenden Schrei aus, bevor es zu Boden fällt, was man an dem Plumpsen hört. Allerdings sieht man, als der Nebel sich verzieht, dass das männliche Nidoran zwar schläft, aber noch nicht besiegt ist. Also rufe ich: „Beende es mit Pfund Lin-Fu.“ Sofort schlägt Lin-Fu zu und das Nidoran kippt besiegt um.
 

Wir haben es geschafft! Wir haben alle Nidoran besiegt! Und das haben wir hauptsächlich Zac zu verdanken. Der Junge ist wahnsinnig stark.

Plötzlich hören wir ein wütendes Heulen hinter uns und wir vier drehen uns überrascht um. Da steht das Nidoran von vorhin, der Anführer der Gruppe, und läuft zu jedem besiegtem Nidoran, um es an zu stupsen und zu wecken, doch keins von ihnen rührt sich. Mit vor Wut sprühenden Augen rennt er schließlich auf uns zu und ich sehe Zac grinsend an. „Diese Ehre gebührt dir. Räche Taubsis Niederlage.“

Zac lächelt hinterhältig, dann ruft er: „Ibitak Aero-Ass.“ Während Nidoran uns entgegen läuft, fliegt Ibitak ihm ebenfalls in einer rasanten Geschwindigkeit entgegen und als sie gegen Nidoran fliegt, hat sie so viel Schwung, dass Nidoran gegen den nächsten Baum geschleudert wird und langsam daran herunterrutscht. Besiegt ächzt es „Niiidoooraaan“.

„Das war ja fast schon zu leicht“, meint Zac, als er seinen Vogelpokémon dankbar über den Kopf streicht und beide anfangen zu gurren und zu zwitschern. „Aber wir sollten hier weg, bevor die wieder wach werden.“

„Zuallererst müssen wir unsere Pokémon heilen“, fällt Laura ihm ins Wort.

„Willst du etwa zu Xannys Eltern zurückgehen?“, frage ich verwirrt.

„Das müsst ihr nicht“, bemerkt Xanny leise.

„Und warum bitte nicht?“, fährt Laura sie genervt an.

„Weil ich einige Heilkräuter und Beeren bei mir trage, mit denen ich eure Pokémon heilen kann. Nur weil ich keinen Beruf mit Beeren ergreifen will, heißt das nicht, dass ich nichts davon verstehe.“
 

Nach kurzer Zeit hat Oxana all unsere Pokémon geheilt und da die Nidoran langsam wieder auf die Beine kommen, nehmen wir eben diese in die Hand und machen, dass wir weg kommen. Ganz egal, was uns in der Dunkelheit des Simplex Waldes noch erwartete, erstmal weg hier.
 

Zur selben Zeit in Serenitia
 

„Also Jenni, du kennst die Regeln, ja?“

„Natürlich. Mein Feuer Starter gegen Ihren Feuer Starter.“

„Hervorragend. Dann kann der Kampf beginnen.“ Der alte Mann, der umringt von einem Quapsel, einem Lilminip und einem Fukano in seinem Trainerfeld sitzt, nickt dem Schiedsrichter am Rand zu, woraufhin der die Fahne hebt. „Der Kampf zwischen der Herausforderin Jenni aus Bad Jeamik und dem Arenaleiter Maxim von Serenitia beginnt. Jeder darf nur ein Pokémon, seinen Starter, einsetzen. Der Kampf ist vorbei, wenn einer der beiden nicht mehr weiter kämpfen kann oder will. Nun denn… beginnt!“
 

Sofort springt Fukano aufs Feld, bellt aufgeregt und wedelt freudig mit seinem Schwanz. Das Pokémon scheint sich wirklich auf den Kampf zu freuen.

„Jetzt sind wir dran. Komm raus Panpyro!“ Jenni wirft ihren Ball in die Höhe, das weiße Licht erstrahlt und dann steht vor ihr ihr Panpyro, was mit loderndem Schweif immer wieder auf und ab springt und dabei seinen Gegnern die Zunge rausstreckt. Dann dreht es sich um und streckt Fukano seinen wackelnden Hintern entgegen, während es keckernd lacht.

Maxim, der Arenaleiter, schmunzelt bei den Faxen des Pokémon, Jenni dagegen verzieht nicht mal ihre Mundwinkel. Sie wirkt höchst konzentriert und ernst und hält dabei mit der linken Hand ihren rechten Unterarm umklammert.

„Panpyro, jetzt krieg dich wieder ein. Silberblick.“ Sofort als Panpyro den Befehl seiner Trainerin hört, wird es ernst und wirft Fukano dann einen angsteinflößenden Blick zu. Doch der lässt sich davon nicht beeindrucken und bellt auffordernd.

„Fukano Biss!“ Das Hundepokémon rennt bellend los und beißt Panpyro schneller in den Arm, als das gucken kann. Mit einem kräftigem Ruck aus dem Genick schafft Fukano es, dass Panpyro hochzuheben und weg zu schleudern. Schockiert über diese Stärke bleibt Panpyro liegen, worauf Jenni gleich anfängt zu zetern: „Steh schon auf du Faulpelz! Komm schon, das war doch gar nichts! Setz Tempohieb ein, na los, mach schon!“ Doch ihr Pokémon regt sich vor Schock nicht.

„Na, dass sieht ja jetzt schon nicht gut aus, Jenni“, meint der Arenaleiter. „Noch einmal Biss Fukano.“ Fukano beißt wieder zu, diesmal ins Bein und Panpyro ist zu überrascht, um sich zu wehren. „Und nochmal Biss!“ Wieder beißt Fukano zu, Panpyros Körper zieren schon etliche Bisswunden, doch endlich reagiert Panpyro auf Jennis geschriene Befehle und will Fukano einen gut gezielten Tempohieb gegen die Schulter verpassen. Allerdings lässt Fukano vorher von seinem Opfer ab und springt nach hinten, bevor er wieder vor seinen Trainer eilt und aufgeregt hechelnd auf neue Anweisungen wartet. Die kommen auch gleich. „Silberblick Fukano.“

„Auch Silberblick Panpyro!“ Beide Pokémon starren sich praktisch zu Boden, doch keines weicht auch nur einen Schritt zurück.

„Panpyro Tempohieb!“, ruft Jenni im nächsten Moment. Fukano kann gar nicht so schnell reagieren, da wird es auch schon an der Schulter getroffen und jault erschrocken auf. „Fukano, alles in Ordnung?“, fragt Maxim besorgt. „Fu Fukano“, kläfft es als Antwort.

„Jetzt Glut Panpyro!“ „Paan!“, ruft ihr Pokémon, als es aus seinem Mund einen Feuerball feuert, der Fukano zwar trifft, aber es zeigt keinerlei Anzeichen von Schmerz. Viel eher bellt es etwas kraftvoller. Verwirrt zieht Jenni ihre Stirn in Falten und Maxim seufzt. „Gerade wollte ich sagen, dass du dich wohl in den Kampf eingefunden hast, aber scheinbar hast du keine Ahnung, was Fukanos Fähigkeit ist. Feuerfänger, vielleicht hast du schon davon gehört?“ Bei Jennis Nichtreaktion seufzt der alte Mann auf. „Wohl nicht. Feuerfänger bewirkt, dass Feuerattacken keine Wirkung haben, außerdem werden Fukanos Feuerattacken verstärkt, wenn es von einer Feuerattacke getroffen wird. Und Glut ist eine Feuerattacke, falls du das nicht weißt.“

„Das weiß ich sehr gut“, motzt Jenni. „Aber auch diese Fähigkeit wird Ihnen nicht den Sieg bringen. Mein Panpyro kann mehr als nur Feuerattacken.“

„Hervorragend. Dann zeig es mir.“

„Oh, das werde ich! Kratzer!“
 

Panpyro rennt los und mit wenigen Sprüngen ist er vor Fukano, wo er ausholt und Fukano über das Gesicht kratzt. Das Hundepokémon heult auf und springt nach hinten, da ruft Maxim schon: „Glut! Zeig ihr deine Stärke!“ Sofort speit Fukano mehrere Feuerbälle, doch Panpyro springt durch die Luft, sodass man ihm kaum zusehen kann. Er wirbelt gerade zu und scheint nie den Boden zu berühren, da er sich sofort wieder abstößt, wenn er den Boden berührt. Und während er den fliegenden Feuerbällen ausweicht, keckert er abfällig und streckt seinem Gegner sogar die Zunge raus. „Jetzt Tempohieb!“, befiehlt Jenni und im Flug dreht Panpyro sich um und schlägt Fukano in die Flanke. Durch den Flug hat der Tempohieb mehr Schwung und so ist es kein Wunder, dass Fukano gegen die nächste Wand katapultiert wird, dort die Augen verdreht und kläglich „Fuuukaaanooo“ krächzt. Es ist besiegt.

Damit hat Jenni ihren ersten Orden gewonnen. Erst jetzt löst sich ihre verspannte Haltung. Sie lässt ihren Unterarm los und erlaubt es sich zu lächeln, als sie ihren ersten Orden entgegen nimmt. Der erste Schritt auf ihrem Weg zum Champion ist gemacht.

Kampfgefilde

Kampfgefilde
 

Keuchend halten wir nach einem langen Sprint schließlich an und ich stütze mich auf den Oberschenkeln ab, um wieder zu Atem zu kommen. Xanny setzt sich sogar auf den Boden, scheinbar scheinen ihre Beine sie nicht mehr zu tragen und auch Zac ist merklich außer Atem. Nur Laura scheint der Sprint nicht allzu viel ausgemacht zu haben.

„Weiß einer, wo wir sind? Also wie tief im Wald wir jetzt sind?“, stoße ich keuchend hervor.

„Nein, keine Ahnung“, antwortet mit Zac so erstickt wie ich.

Im nächsten Moment zuckt Oxanas Kopf zu ruckartig hoch, dass die langen blauen Haare nur so fliegen. „Ich habe eine Idee, wo Sina sein könnte.“

Mit einem Satz ist Laura bei ihr und zieht sie hoch, um ihr eindringlich in die Augen zu sehen. „Raus mit der Sprache, wo ist sie?“

Xanny zuckt vor ihr zurück und tritt näher an mich heran, dann sagt sie leise: „In diesem Wald wohnt Lady Diana, die Schulleiterin und Gründerin der World Pokémon School. Sina war genauso wie Svenja und ich Schülerin dieser Schule. Vielleicht ist sie also zu Lady Diana gegangen, denn jeder Schüler weiß, dass die Gründerin hier wohnt. Und Lady Diana hat zu jedem ihrer Schüler einen guten Draht, sie würde sich bestimmt um Sina kümmern, wenn sie plötzlich vor ihrer Tür steht. Ich bin sicher, dass Sina das auch weiß und zu ihr gegangen ist.“

„Na, das ist doch mal ein Anhaltspunkt. Gut gemacht Oxana“, sagt Laura und haut ihr kräftig auf die Schulter, sodass Oxana einknickt und fast mit den Knien den Waldboden berührt. Doch das bekommt Laura schon gar nicht mehr mit, sie hat sich schon umgedreht und fragt nun in die Runde: „Und wie finden wir das Haus von Lady Diana? Hat einer eine Idee?“

Zögerlich hebt Zac die Hand, er scheint ziemlichen Respekt vor der Blonden zu haben, seit sie ihn vorhin so angepampt hat. „Ich könnte Taubsi und Ibitak losschicken, dass sie sich mal umsehen. Aus der Luft müssten sie das Haus eigentlich finden, schließlich dürften dort keine Bäume stehen und rundherum schon.“

„Na dann los.“

Schnell zückt Zac zwei Pokébälle, um Lauras Befehl Folge zu leisten.
 

Kurz darauf hat Zac seine beiden Pokémon losgeschickt und wir warten auf deren Rückkehr. Allerdings nicht lange, denn kurz darauf hören wir es aus den Blättern der Bäume rascheln und Zac springt auf, um seine Pokémon in Empfang zu nehmen. Doch das was da auf ihn zu stürzt sind nicht sein Taubsi und Ibitak, dafür sind es einfach zu viele. „Smett Smett Smettbo!“, schreien die drei Schmetterling ähnlichen Pokémon, die sich gerade auf den ungeschützten Zac stürzen. Sofort rufe ich Lin-Fu und auch Laura schickt ihr Nebulak zum Angriff. Lin-Fu zerrt eins der Smettbo von Zac runter, der wild um sich schlägt, Nebulak hypnotisiert das nächste, sodass es einschläft. Doch das größte greift Zac immer noch an. Gerade will ich Lin-Fu befehlen es anzugreifen, da ruft Zac: „Besiegt es nicht! Kümmert euch um die anderen beiden. Dieses hier will ich mir fangen.“

„Du willst was?“, fragt Laura überrascht, während sie ihr Nebulak das schlafende Pokémon angreifen lässt.

„Natu komm heraus und setz Konfustrahl auf das größte Smettbo hier ein“, befiehlt Zac, ehe er Laura antwortet: „Smettbo ist ein Käfer/Flug Pokémon. Käfer als Typ habe ich noch nicht in meinem Team, also werde ich mir Smettbo fangen, zumal es auch noch ein zwei gute Psyschoattacken erlernen kann.“

Neugierig habe ich den beiden zugehört, doch nun muss ich mich wieder auf meinen Kampf konzentrieren, weil mein Lin-Fu nun von dem Smettbo angegriffen wird. Allerdings reagiere ich nicht mehr rechtzeitig, denn da wird Lin-Fu schon von der Konfusionswelle erfasst, hochgehoben und gleich darauf wieder fallen gelassen. „Lin-Fuuu!“, schreit sie mit schmerzverzerrtem Gesicht auf.

„Lin-Fu, alles in Ordnung?“, frage ich erschrocken und fühle mich direkt schuldig. Hätte ich besser aufgepasst, wäre Lin-Fu nicht verletzt worden.

„Lin Lin-Fu“, nickt mein Pokémon mir beruhigend zu.

„Ich passe jetzt besser auf“, verspreche ich. „Aber jetzt Meditation.“
 

„Gut Natu, wenn Smettbo sich nicht beim ersten Mal selbstverletzt, dann setzt du eben Teleport ein, bis es sich selbst verletzt. Wir dürfen nicht riskieren es zu besiegen, dann können wir es nicht mehr fangen.“

„Okay Lin-Fu jetzt Pfund.“ Sofort schlägt Lin-Fu das Smettbo, was sie vorhin von Zac weggezerrt hat und das Smettbo fällt im Flug besiegt zu Boden.

Gleich darauf besiegt auch Laura ihren Gegner und neben mir wirft Zac einen Pokéball nach dem schlafenden und verwirrten Smettbo. Dreimal wackelt der Ball, schließlich hört man ein `Bling´ und der Ball sprüht Funken, dann bückt Zac sich nach dem Pokéball und lässt das Smettbo wieder heraus. Es liegt schlafend auf dem Boden und Zac wendet sich an Oxana, um sie um Heilbeeren zu bitten. Während Zac seinem neuen Smettbo die Beeren verabreicht, wachen die beiden anderen Smettbo wieder aus ihrem besiegten Zustand auf und fliegen langsam davon. Ich sehe ihnen nach, wie sie sich ihren Weg durch die Blätter der Bäume in die Dunkelheit des Nachthimmels suchen, dann heile auch ich mein Lin-Fu und lobe sie für ihren tollen und schnellen Kampf.
 

Bald darauf kommen dann auch wirklich Taubsi und Ibitak, die uns zielstrebig eine Richtung weisen. Bevor wir ihren Deutungen allerdings folgen, stellt Zac seinen Pokémon das neuste Teammitglied vor, was inzwischen erwacht ist. Smettbo scheint sich ganz gut mit Natu und Taubsi zu verstehen, doch mit Ibitak giftet es sich nur an. Beide versuchen sich immer größer zu machen, um den anderen zu übertrumpfen, bis es Ibitak zu bunt wird und es einfach mit seinem Schnabel nach Smettbo schnappt. Das weicht im Flug aus und faucht dann los. Hilflos steht Zac auf dem Boden und sieht zu, wie seine beiden Flugpokémon sich in der Luft zerfetzen. Schließlich versucht er die beiden zu trennen, indem er sie wieder in ihre Bälle zurückschickt, aber die beiden weichen den roten Strahlen immer aus und kämpfen weiter mit einander. Irgendwann scheint Natu genug zu haben, sie setzt auf beide Kämpfenden Konfustrahl ein, sodass die beiden verwirrt sind und Zac sie leicht in ihre Pokébälle zurückrufen kann.

„Na viel Spaß mit diesen beiden Streithähnen“, grinst Laura, ihr scheint die Vorstellung, dass Zac mit seinem neuen Pokémon Probleme hat, zu gefallen. Ich dagegen lege meinen Arm um seine Schultern, drücke ihn an mich und flüstere: „Das wird schon. Die beiden müssen sich nur erstmal kennenlernen und die Hackordnung klären, dann klappt das auch zwischen den beiden.“

Zac nickt nur niedergeschlagen, dann bedankt er sich bei seinem Natu für seine Hilfe und ruft auch sie dann in seinen Ball zurück. „Taubsi, kannst du uns den Weg zu dem Haus von Lady Diana zeigen?“ Taubsi trillert kurz, dann fliegt er langsam vor und Zac folgt ihm ohne einen weiteren Kommentar zu uns. Seufzend folge ich Zac, nachdem ich Xanny wieder an die Hand genommen habe. Dieses Mal bildet Laura mit Nebulak das Schlusslicht und ich frage mich, wie Taubsi sich in diesem Wald bei der Dunkelheit orientieren kann und wie Zac ihm folgen kann. Ich muss ja schon aufpassen, um Zac nicht aus den Augen zu verlieren, so schnell, wie der durch den Wald geht.
 

Irgendwann, nach unglaublich langer Zeit wie es mir vorkommt, erreichen wir eine Lichtung, die vom Vollmond und den Sternen beschienen wird. Ein Bach läuft über die Lichtung und mündet in einen kleinen See, an dem ein Sengo gerade trinkt. Um den See wächst Schilf und man sieht ein paar Safcon dazwischen liegen und schlafen. Auch einige Vivillon fliegen durch die Luft und das Licht des Mondes lässt ihre Flügel wunderschön glitzern, ebenso wie den Staub, der aus ihren Flügeln rieselt, wenn sie mit den Flügeln schlagen. Ein wirklich wunderschöner Anblick! Und links am Rand der Lichtung ist eine Holzhütte mit hell erleuchteten Fenstern. Und auf der Veranda … da sitzen doch tatsächlich Lady Diana, die Schulleiterin und Gründerin der World Pokémon School, und Sina, ihre ehemalige Schülerin, und trinken zusammen Tee!

Als Laura ihre Freundin sieht, wie sie seelenruhig auf der Veranda sitzt, stößt sie einen lauten Schrei aus und rennt los. Schon ist sie bei Sina angekommen, reist sie von ihrem Sitzplatz hoch und zieht sie in eine knochenbrechende Umarmung, während sie voller Erleichterung ruft: „Ich bin so froh, dass es dir gut geht Sina! Wie konntest du mir das nur antun? Nicht am ausgemachten Treffpunkt warten, sondern einfach abhauen, ohne irgendeinen Hinweis darauf, wo du bist! Weißt du, was für Sorgen ich mir gemacht habe? Und dann bist du hier, unversehrt, und trinkst genüsslich deinen Tee! Ich könnte dich umbringen, wenn ich nicht so froh wäre, dass es dir gut geht!“

Schnell schält Sina sich aus der Umarmung und erwidert kühl: „Ist ja schon gut. Du siehst doch, dass es mir gut geht. Aber was ist mit Serpifeu? Hast du sie gefunden?“

Laura fasst sich wieder, streicht sich den kurzen Rock glatt, dann holt sie vom ihrem Gürtel den Pokéball und reicht ihn Sina. „Ihr geht es gut.“

„Sei froh. Du hättest was erleben können, wenn Serpifeu was passiert wäre.“

Ich schnappe bei dieser Undankbarkeit nach Luft, immerhin hat Laura ihr Pokémon gerettet und Sina zurückgebracht, doch die Blonde lacht nur laut. Scheinbar ist sie solch bissige Kommentare gewöhnt. Nun ja, sie reist ja auch mit Sina und die beiden sind schon sehr lange Freunde.

„Im Übrigen habe ich noch ein weiteres Pokémon in diesem Wald gefangen. Ein Rotomurf. Sie ist zwar noch ziemlich schwach, aber das kann man ja leicht ändern“, grinst Sina ihre Freundin an und die grinst zurück. Scheinbar sind beide froh, sich wieder gefunden zu haben, auch wenn vor allem Sina das nicht so zeigen will.
 

Plötzlich steht Lady Diana, eine ältere kleine Dame mit grauen Haaren, auf, begrüßt zuerst Laura und bietet ihr Tee an, dann sieht sie zu uns drei, die wir immer noch am Rand der Lichtung stehen und ruft uns zu: „Hallo hier drei. Kommt doch hier hoch, über so große Entfernungen redet es sich so schlecht. Trinkt Tee, esst etwas und dann sehen wir weiter.“

Überrascht dreht Sina sich zu uns um und als sie uns sieht, weiten sich ihre Augen überrascht, allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann zieht sie arrogant eine Augenbraue nach oben und schnarrt: „ Was machen DIE denn hier? Sind die dir etwa gefolgt, Laura?“

„Svenja und Zac habe ich am Hafen Serenitias getroffen und als ich sagte, ich bringe dir dein Serpifeu zurück, wollten sie unbedingt mitkommen. Svenja scheint große Sehnsucht nach dir zu haben, genauso wie Oxana“, verkündet Laura mit einem falschen Lächeln. Sie scheint ganz bewusst den Teil wegzulassen, in dem Zac ihr geholfen hat Serpifeu zurückzubekommen, um vor Sina nicht schlecht dazustehen.

Über Sinas Gesicht breitet sich ein breites Lächeln aus – allerdings kein freundliches, sondern eins, bei dem Xanny sich wimmernd hinter mir und Zac versteckt. „ Nun, dann sollte ich ihre Sehnsucht befriedigen, meinst du nicht?“ Hüftenwackelnd geht sie die Terrassenstufen nach unten und kommt auf uns zu, während sie ihren Pokéball an den Hüftgürtel heftet. Ich beiße wütend die Zähne zusammen wegen ihrer Arroganz und von ihrem nuttigen Gehabe bekomme ich einen Würgereiz. Beschützend stelle ich mich vor Xanny, während meine rechte Hand sich zu Lin-Fus Pokéball schleicht. Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen, was sie nach Belieben runtermachen kann ohne dass es sich wehrt. Ich werde Sina schon zeigen, dass sie mich in Ruhe lassen soll und auch meine Freunde werde ich vor diesem Biest beschützen.

Sina scheint zu sehen, wie ich automatisch zum Pokéball greife, denn sie hebt eine Augenbraue und schnaubt: „ Was, glaubst du im Ernst, dass du es mit mir aufnehmen kannst? Bist du deshalb hergekommen? Will die kleine Heulsuse Svenja mir etwa zeigen, dass sie nicht mehr heulend vor mir wegrennt, wenn ich ihr zu nahe komme?“

Ich knurre aggressiv auf. Sina ist die einzige, die mich so richtig wütend machen kann, dass ich ihr am liebsten das verlogene Lächeln aus dem Gesicht kratzen würde. „Eigentlich war der Hauptgrund ein anderer, auch wenn ich nichts dagegen hätte, dir mal so richtig deine Grenzen zu zeigen.“

Sie lacht hart auf, als ich das sage. „Du willst mich besiegen? Du bist jahrelang vor mir im Staub gekrochen und jetzt willst du den Spieß umdrehen? Du glaubst doch nicht wirklich, dass du das draufhast, oder Heulsuse?“

Ich beiße die Zähne zusammen, als sie mich bei meinem Spottnamen nennt. Den hat sie mir gegeben, als sie mich das erste Mal im Kindergarten so sehr erniedrigt hat, dass ich weinend davon gelaufen bin und mich auf der Toilette eingesperrt habe. Seit diesem Moment der Schwäche bin ich bei Sina als leichtes Opfer abgestempelt. Doch jetzt ist es genug. Ich werde mich davon reinwaschen! Ich werde ihr zeigen, dass sie mich nicht mehr niedermachen kann ohne dass ich mich wehre!
 

„Keine Sorge Sina, du bekommst deine Gelegenheit die Heulsuse im Staub vor dir winseln zu sehen. Denn der liebe Zac hier hat mir einen Doppelkampf versprochen, als Gegenleistung dass ich die beiden mitgenommen habe. Das heißt wir beide gegen die zwei Schisser da drüben, Darling“, verkündet Laura mit einem hinterlistigen Grinsen, als sie sich neben ihre beste Freundin stellt.

Entsetzt reiße ich die Augen auf. Den verdammten Doppelkampf, den Zac ihr versprochen hat, hatte ich schon komplett vergessen. Ich habe noch nie in einem Doppelkampf gekämpft und jetzt soll ich ausgerechnet in so einem wichtigen Kampf, bei dem ich auf keinen Fall verlieren darf, damit anfangen?!

„Oh, jetzt bekommst du es mit der Angst zu tun, was Kleine?“, feixt Laura. „Hast du wirklich geglaubt ich würde unsere Abmachung vergessen?“

Stumm und kopfschüttelnd sehe ich sie an. Warum ist sie jetzt so gemein, wo sie doch vorher ganz okay war? Gut, es gab ein paar Moment wo sie schon fies war, vor allem auf dem Weg durch den Wald, doch nun, wo sie wieder mit Sina vereint ist, scheint sie wie ausgewechselt. Sina hat wirklich schlechten Einfluss auf Laura.

„Schau mal Sina, die kleine Svenja ist verwirrt. Verwirrt, weil die liebe Laura auf einmal sooo böse zu ihr ist, dass sie am liebsten weinen würde!“ Laura lacht höhnisch. „Was ist, dachtest du wirklich, ich würde so jemanden wie dich mögen und deshalb freundlich zu dir sein? Arceus, ich wollte meine Ruhe vor dir haben, nichts weiter. Und seine Ruhe hat man am ehesten, wenn man sich mit Leuten halbwegs gut stellt. Dann nerven sie einen nicht und man muss nicht ständig auf der Hut sein, seine Position behaupten zu müssen. Obwohl ich sagen muss, dass du das Prinzip nicht verstanden hast, du hast mich trotzdem genervt. Allerdings nicht so sehr wie deine kleine Freundin dahinten, der Oberschisser von euch drein. Auch wenn dein Freund auch schon nah dran kommt. Ich habe mich fast über die Reling geschmissen vor Lachen, als ich gesehen habe, dass er Seekrank geworden ist. Und als du ihn dann bemuttert hast, musste ich fast kotzen so sehr hat mich deine übertriebene Freundlichkeit angenervt. Ehrlich, ich bin so froh, endlich von euch los zu sein und dieses Ständige Gutmenschengelaber nicht mehr ertragen zu müssen!“ Sie macht ein Würgegeräusch, dann lacht sie hart, in was Sina mit einfällt und die beiden drehen sich High-Five gebend um. Im gleichen Hüftwackelschritt gehen sie auf die andere Seite der Lichtung und tuscheln, wobei Sina immer wieder auflacht und Laura kichernd zu uns drein rüber sieht. Das ist so sicher wie das Wissen, dass Jirachi Wünsche erfüllt, die beiden lästern gerade über uns!

Wütend presse ich die Zähne zusammen. Ich wusste, dass Laura Zac und Xanny nicht wirklich leiden kann, aber dass sie uns etwas vorgemacht hat und so genervt von uns war, dass hätte ich nicht gedacht. Warum hat sie sich dann überhaupt mit uns abgeben, wenn wir sie so angekotzt haben? Klar, damit wir ihr den Arsch retten! Jetzt könnte ICH kotzen! Laura hat uns und unsere Hilfsbereitschaft einfach ausgenutzt, um unbeschadet ihre Freundin, die keinen Gramm besser ist als sie, zu finden!
 

Schnell folge ich den beiden, Lin-Fus Pokéball schon in der Hand, weil ich mit Karnimani ja noch nicht kämpfen darf, und Zac ist gleich neben mir. Er scheint genauso sauer über Lauras Verhalten zu sein wie ich. Plötzlich höre ich hinter mir Xanny leise fragen: „Wolltest du Sina nicht eigentlich aus einem anderen Grund suchen Svenja?“

Sofort stoppe ich denn sie hat Recht. Ich wollte mich gar nicht an ihr rächen, so würde ich mich nur auf Sinas Niveau begeben, ich sollte mich stattdessen versichern, dass sie ihre Pokémon gut behandelt. Aber ihre Pokémon sind in ihren Bällen, also wie soll ich mich dessen versichern?

Auf einmal steht auch Lady Diana vor mir und sieht mich aufmerksam an. Sogar sie hatte ich in meinem Zorn total vergessen! „Lady Diana. Entschuldigen Sie, dass ich Sie erst jetzt begrüße. Ich war etwas … abgelenkt. Vielen Dank, dass Sie sich um Sina gekümmert haben, als wir sie gesucht haben.“

Lady Diana lächelt leicht. „Keine Sorge, dass habe ich sehr gerne gemacht. Ich interessiere mich sehr dafür, was meine Schüler erleben, wenn sie meine Schule verlassen. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich schon einfachere Schüler als Sina hatte.“ Sie zwinkert uns zu, doch dann wird sie ernst. „Doch auch ich muss mich entschuldigen. Ich hatte nie eine Ahnung, wie sehr Sina und ihre Freundinnen dir Svenja und auch dir Oxana, zusetzen. Ich habe gesehen, dass sie nicht sehr fair mit ihren Mitschülern umgehen, aber dass es so schlimm ist wusste ich nicht. Verzeiht, dass ich nicht genauer hingesehen habe. Dass ihr all die Jahre über so gedemütigt wurdet ist meine Schuld. Ich hätte es verhindern können, habe aber nicht geglaubt, dass Sina und die anderen Mädchen so grausam sein könnte. Ab heute werde ich besser auf meine Schüler achtgeben. Du wirst sehen Oxana, ich dulde keine Mobber an meiner Schule! Ich hoffe, ihr beide könnt mir irgendwann verzeihen, dass ich euch nicht geholfen habe.“

Sie sieht so traurig aus, dass ich gar nicht wütend auf sie sein kann. Zumal es gar nicht ihre Schuld ist. Hätte ich mich wirklich gegen Sina wehren wollen, wäre ich einfach zur Schulleiterin, also Lady Diana, gegangen und hätte es ihr erzählt. Oder meinen Eltern. Irgendeinem Erwachsenen eben. Aber das erste was man lernt, wenn man von anderen runtergemacht wird, ist, dass man besser niemanden darin einweiht. Denn Sina und ihre Leute werden es erfahren und dann werden die Attacken auf einen nur noch schlimmer. Für Zerstörung und Schmerzen gibt es immer eine Steigerung, selbst wenn man es sich selbst schon gar nicht mehr vorstellen kann.

Also lächle ich Lady Diana einfach nur beruhigend an und antworte: „Es gibt nichts zu verzeihen. Es war nicht ihre Schuld.“

„Ich stimme Svenja zu. Sie trifft keine Schuld Lady Diana“, sagt Xanny und tritt neben mich und somit hinter mir hervor. Sie hat meine Hand losgelassen, was zeigt, dass sie sich in Anwesenheit ihrer Schulleiterin sicher fühlt. Hoffentlich fällt Lady Diana diese kleine Geste ebenso auf wie mir.

Die alte Frau lächelt gütig, als sie das hört. „Ich bin froh, dass ihr das so seht, aber ich werde mich wohl niemals von dieser Schuld befreien können.“ Kurz atmet sie tief durch, dann bemerkt sie: „Und ihr beide“, sie sieht erst mich, dann Zac an, „wollt jetzt wirklich gegen Sina und Laura kämpfen?“

„Ich habe es Laura versprochen Schulleiterin. Ich hätte es nicht getan, wenn ich gewusst hätte, wie du zu Sina stehst Svenja“, erklärt Zac mit zerknirschtem Gesicht. Er scheint sein Versprechen definitiv zu bereuen, aber ich bin froh darum, denn das wird helfen, wie mir gerade als Gedankenblitz durch den Kopf schießt. „Nein, das ist schon okay Zac. Ich bin schließlich hier, um zu sehen wie Sina ihre Pokémon behandelt und wie könnte ich das besser als durch einen Kampf?“

Wieder lächelt Lady Diana und dieses Mal scheint sie irgendwie stolz zu sein. „Ich wusste, dass du nicht aus niederen Rachegelüsten nach Sina gesucht hast Svenja. Das passt nicht zu dir. Dass du aus einem so guten Grund wie dem Wohlergehen der Pokémon nach ihr suchst, passt schon eher.“ Sie grinst verschmitzt. „Na dann zeigt es den Mädchen ihr beiden. Wenn ihr möchtet, kann ich den Schiedsrichter mimen. Ihr habt doch nichts dagegen, wenn ich bei dem Kampf zusehe? Mich würde unglaublich interessieren, wie meine ehemaligen Schüler mit ihren eigenen Pokémon kämpfen.“

Als Zac und ich einwilligen und auch Sina und Laura nichts dagegen habe, grinst sie wie ein Honigkuchenpferd. Wir alle stellen uns auf und Oxana setzt sich auf einen der großen Steine, auf denen auch einige Purmel liegen und schlafen, um uns aus sicherer Entfernung zuzusehen.
 

„Der Doppelkampf zwischen Sina und Laura auf der einen und Svenja und Zac auf der anderen Seiten wird jeden Moment beginnen. Ruft jetzt jeder euer Pokémon.“ Zac ruft natürlich sein Taubsi, ich natürlich Lin-Fu, eine andere Wahl habe ich ja nicht, Laura ruft ihr Nebulak und Sina ihr Serpifeu, wobei ich kurz sehe, wie erleichtert Sina ist, dass es ihrem Pokémon gut geht. Sina und Serpifeu nicken sich zu, dann sehen wir alle gespannt zu Lady Diana. „Bereit?“ Wir alle nicken gleichzeitig. „Gut. Der Kampf ist vorbei, wenn beide Pokémon einer Seite nicht mehr weiterkämpfen können. Nun beginnt!“
 

„Lin-Fu Pfund auf Serpifeu!“ rufe ich und gleichzeitig ruft Zac: „ Taubsi Tackle auf Serpifeu!“ Sofort rennen unsere beiden Pokémon los, Lin-Fu rennt von links auf Serpifeu zu, Taubsi kommt von rechts und Serpifeu ist so überfordert, dass sie keinem der beiden Angriffe ausweichen kann. Das Pflanzenpokémon schreit auf, als sie zuerst von Lin-Fu, dann von Taubsi getroffen wird. „Serpifeu!“, schreit Sina erschrocken auf, dann knurrt sie wütend. „Das werdet ihr mir büßen. Serpifeu Tackle auf Lin-Fu!“ Serpifeu rennt los und sie ist ziemlich schnell. Schon hat sie mein Pokémon so sehr gerammt, dass Lin-Fu das Gleichgewicht verliert und umfällt, doch sofort springt sie wieder auf. „ Lin-Fu Lin!“

„Sehr gut Lin-Fu weiter so!“

„Damit ist es jetzt vorbei. Nebulak Hypnose auf sie.“

„Scanner schnell!“ Lin-Fus braune Augen blitzen auf und obwohl Nebulak sie mit seinem Blick zu hypnotisieren versucht, schläft sie nicht ein, sodass Sina und Laura schlussendlich wütend murren.

„Gut und weiter Lin-Fu Mediation.“ Während Lin-Fu ihre Kräfte sammelt, um gleich stärker angreifen zu können, lässt Zac sein Taubsi Windstoß einsetzen, der beide Gegner ergreift, weil sie so nah nebeneinander stehen. Sofort klappt Serpifeu unter dem heftigen Wind zusammen und steht auch nicht mehr auf.
 

„Haltet ein“, ruft Lady Diana. „Serpifeu ist besiegt und somit scheidet Sina aus diesem Doppelkampf aus.“ Sina steht da und ist so fassungslos, dass ihr Pokémon besiegt wurde, dass sie ihren Mund nicht mehr zu kriegt, doch nach einem Rippenstoß von Laura reißt sie sich soweit zusammen, dass sie ihr Serifeu zurückruft. Und dabei kann ich undeutlich ihr gemurmeltes: „Danke und Entschuldige Serpifeu“ hören. Zufrieden lächle ich, nicht weil ich Sina besiegt habe, sondern weil sie gegenüber ihren Pokémon doch ganz freundlich zu sein scheint. Das Lächeln vergeht mir allerdings, als Sina mir einen hasserfüllten Blick zu wirft und ihre violetten Augen zu so blitzen.

„Sind die Kämpfer wieder bereit?“, fragt Lady Diana, als Sina ihren Pokéball weg gesteckt hat. Wir übrig gebliebenen drei nicken. „Dann fahrt fort.“
 

„Nebulak Hypnose auf Taubsi“, schreit Laura zu wütend und schnell, das keiner reagieren kann und einen Augenblick später ist Taubsi schon eingeschlafen, wodurch es zu Boden fällt, weil es ja nicht mehr im Schlaf mit den Flügeln schlägt.

„Kein Problem Zac, ich schaffe das schon. Jetzt…“ Ich stocke, da mir gerade eingefallen ist, dass Lin-Fus einzige Angriffsattacke Tackle ist, eine Attacke vom Typ Normal. Und die hat auf Geist Pokémon wie Nebulak bekanntlich keine Wirkung.

Laura grinst selbstgefällig. „Hat klein Svenja das Problem etwa auch schon erkannt? Ich habe dich oft genug kämpfen gesehen um zu wissen, dass dein Lin-Fu nur Normal Attacken kann. Nur Taubsi mit seinem Windstoß könnte Nebulak gefährlich werden, was der Grund ist, warum ich es eingeschläfert habe. Es gibt für dich keinen Ausweg. Du kannst nur verlieren“, erklärt Laura mir selbstgefällig und klatscht sich dann mit Sina ab, die genauso fies grinst, obwohl sie doch verloren hat.

Verzweifelt sehe ich zuerst zu meinem Pokémon und dann zu Zac, denn Laura hat Recht. Ich kann ihr nicht schaden und Taubsi kann mir nicht helfen. Ich muss warten bis es aufwacht und solange aufpassen, dass ich nicht besiegt werde.
 

„Hypnose auf Lin-Fu“, befiehlt Laura und damit habe ich nicht gerechnet. Ich dachte sie würde angreifen und ich könnte ausweichen. So muss ich hilflos zusehen, wie mein Lin-Fu ebenfalls einschläft, denn mein gebrülltes „Scanner“ kommt zu spät.

„Zu langsam Kleine Svenja, du bist zu langsam“, gackert Laura und gerade kommt sie mir etwas wahnsinnig vor. „ich kenne all deine kleinen Tricks. Aber wenn dein Lin-Fu schläft, kann es auch keinen Scanner einsetzen. Und jetzt immer wieder Schlecker bis Lin-Fu besiegt ist.“

Völlig hilflos muss ich zusehen, wie Nebulak mein Lin-Fu immer wieder ableckt, als wäre sie ein besonders leckeres Eis. Und mir fällt absolut nichts ein, was ich machen könnte. Das Feixen, was Laura und Sina auf ihrem Gesicht tragen, trägt auch nicht gerade dazu bei, dass ich ruhig bliebe und mich so besser konzentrieren kann.

Gerade als Taubsi wieder matt mit den Flügeln schlägt und aufwacht, kippt Lin-Fu einfach zur Seite um und ist besiegt.

Ich bin den Tränen nah. Der Kampf hat so gut angefangen und dann das alles, weil Laura gesehen hat, wie Lin-Fu und ich kämpfen.

Aber ich darf nicht anfangen zu weinen, nur weil ich verloren habe. Niederlagen gehören eben auf meiner Reise genauso dazu wie Siege. Ich darf Sina und Laura in ihrem Glauben, ich wäre eine Heulsuse, nicht noch bestärken.

Geräuschvoll atme ich ein und rufe Lin-Fu zurück in ihren Pokéball. „Vielen Dank Lin-Fu, du hast das toll gemacht.“
 

Zac sieht mich an und meine unterdrückten Tränen scheinen ihn wütend zu machen, denn er brüllt für seine Verhältnisse sehr laut: „Taubsi lass es uns für Svenja beenden. Windstoß!“ Schreiend und ebenfalls wütend erhebt Taubsi sich in die Luft und schlägt so heftig mit den Flügeln, das Nebulak einfach in Sinas Arme geweht wird. Dort ist es auch sofort besiegt, doch das scheint ihr nichts auszumachen, denn sie sieht mich einfach nur höhnisch an und verkündet: „Ohne Zac an deiner Seite hättest du verloren. Du wärst noch nicht mal hier her gekommen, weil du im Wald verreckt wärst, hätte Zac dir nicht immer den Arsch gerettet. Ohne ihn bist du nichts. Bloß eine kleine Heulsuse.“

Damit drehen Sina und Laura sich lachend um und ohne ein weiteres Wort verschwinden die beiden im Wald. Und ich bin so verdammt froh, dass ich dieses grausame Lächeln nicht mehr sehen muss, das meine Beine unter mich nachgeben und ich ins Gras sinke.
 

„Nun, das war doch ein sehr aufregender Kampf“, sagt Lady Diana und kommt auf mich und Zac zu. „Wenn ich möchtet, heile ich eure Pokémon und falls ihr nicht vor habt um halb 11 Nachts noch durch den Wald zu gehen und nach Bad Jeamik zurück zu kehren, wie Laura und Sina das vermutlich tun, dann könnt ihr gerne hier schlafen. In meiner Hütte ist genug Platz für euch alle. Morgen ist auch noch ein Tag und ihr seht mir aus, als könntet ihr alle eine Mütze Schlaf vertragen. Ich bin mir sicher, dass es besser wäre, morgen ausgeschlafen zu sein.“ Trotz dieser kryptischen Aussage frage ich nicht nach und Zac und ich geben ihr dankend unsere Pokébälle, dann gehen wir alle vier nach drinnen, essen noch etwas und machen uns dann schnell bettfertig. Jetzt, wo das Adrenalin aus meinem Körper verschwunden ist, merke ich erst wie müde ich bin. Praktisch sofort, nachdem mein Kopf mein Kopfkissen berührt, bin ich eingeschlafen. Mein letzter Blick gilt Karnimanis Pokéball und wäre ich nicht so todmüde, würde ich vor Sorge um den morgigen Tag bestimmt nicht schlafen können. Denn morgen wird Karnimani wieder wach sein und aus seinem Pokéball wollen. Ob Lady Diana das gewusst hat und uns deshalb direkt schlafen geschickt hat? Vielleicht guckt sie ja auch die Sendung und weiß es daher?

Doch all diese Sorgen und Gedanken verrauschen als mein Geist in sanfte Träume entweicht und ich einschlafe. Denn morgen ist auch noch ein Tag. Ein großer Tag!

Killerechse on Tour

Killerechse on Tour
 

Am nächsten Morgen werde ich von einem rütteln an meiner Schulter und Xannys leicht besorgter Stimme geweckt. „Sweety, ich denke, du solltest besser aufwachen. Karnimanis Pokéball wackelt schon seit einiger Zeit verdächtig und langsam wird das Wackeln stärker. Womöglich wird er sich jeden Moment daraus befreien und dann solltest du, glaube ich, besser wach sein.“

Sofort schlage ich die Augen auf und mein Blick wandert direkt nach links, wo meine Sachen, also auch Karnimanis Pokéball, liegen. Und der bewegt sich wirklich ziemlich heftig hin und her, sodass er fast über den Boden wegrollt. Schnell fahre ich hoch, allerdings zu schnell, denn so krache ich mit meiner Stirn gegen Xannys Kopf, die immer noch über mich gebeugt da stand. Beide stöhnen wir simultan auf und zucken auseinander, wobei wir uns an unsere Köpfe fassen. Während ich mir noch die schmerzende Stirn reibe, sehe ich Oxana in die dunkelblauen Augen, sie erwidert den Blick und plötzlich fangen wir gleichzeitig an zu lachen. Das ist so typisch für uns! Was die Arme aber auch alles mit mir durchmachen muss!
 

Wir können uns einfach nicht beruhigen, jedes Mal wenn ich denke, jetzt könnte ich es schaffen, sehe ich Xanny an, die sich über ihre rote Stirn reibt und dabei fast weint—ob vor Lachen oder Schmerzen ist mir nicht ganz klar, aber ich hoffe, dass es am Lachen liegt- und dann muss ich wieder mitlachen. Irgendwann tut mir der ganze Bauch vor Lachen weh, mir laufen die Tränen über das Gesicht und zu allem Übel habe ich durch das Lachen auch noch einen Schluckauf bekommen. Ein gutes hat das allerdings, Xanny ist so irritiert von dem Geräusch, dass sie mitten im Lachen aufhört und mich fragend ansieht. Ich will etwas sagen, doch anstatt Worten kommt nur ein lautes „Hicks!“ aus meinem Mund und ich schlage mir erschrocken die Hand vor diesen. Da muss die Blauhaarige sofort wieder lachen und ich falle ein, unterbrochen von gelegentlichen Hicksen, die uns beide nur noch mehr zum Lachen bringen. Wir kriegen uns gar nicht mehr ein.

Irgendwann betritt Zac die Hütte, vermutlich hat er sich gefragt, wo wir bleiben, und bleibt ziemlich überrascht stehen, als er uns sieht, wie wir uns vor Lachen auf dem Boden krümmen. „Alles in Ordnung mit euch? Was ist denn so lustig?“

Oxana und ich schaffen es tatsächlich, uns so weit zu beruhigen, dass wir ihm antworten können und er uns verstehen kann, doch gerade als ich zum Reden ansetzen will, macht mein Körper wieder „Hicks“ und zuckt dabei heftig zusammen. Sofort brechen Xanny und ich wieder in Lachen aus und auch Zac muss schmunzeln, als er versteht, warum wir uns nicht mehr fassen können. „Ich denke, ihr beide solltet euch jetzt mal beruhigen, dann trinkst du etwas, um den Schluckauf los zu werden und dann solltest du dein Pokémon aus seinem Pokéball lassen“, erinnert uns Zac an das, was wir eigentlich tun sollten, bevor wir unsere Köpfe gegeneinander gerammt haben.

Doch dieser Satz reicht, um uns wieder ernst werden zu lassen und das, obwohl mir hin und wieder ein Hicksen entfährt. Aber mit der Aussicht darauf, gleich einer wutschnaubenden Krokoechse in die Augen zu sehen, vergeht uns das Lachen. Schnell stehe ich auf, diesmal ohne meine beste Freundin zu rammen, und greife nach meinen Anziehsachen. Zac begreift zuerst nicht, dass ich mich umziehen will, erst als ich mich deutlich räuspere und zur Tür sehe, bekommt er rote Wangen und flüchtet aus der Hütte. Xanny und ich sehen uns grinsend an und als die Tür hinter Zac krachend ins Schloss fällt, brechen wir sofort wieder in Lachen aus.
 

Irgendwann haben wir es geschafft uns zu beruhigen und ich konnte mich umziehen. Nun stehen wir alle draußen, ich halte Karnimanis Pokéball in der Hand, sodass er nicht mehr wackeln kann, aber nun heftig vibriert, und beiße mir vor Angst fast meine Unterlippe entzwei. Er wird bestimmt rasen vor Wut. Was, wenn er mich angreift? Oder noch schlimmer, Zac oder Lady Diana. Oder Xanny! Sie hat ja noch nicht mal ein Pokémon, was sie vor meinem Karnimani beschützen könnte.

„Du musst keine Angst haben, Svenja. Wir sind alle bei dir. Selbst wenn Karnimani dich angreifen sollte, werden wir dir beistehen“, versucht Zac mich zu beruhigen. Aber um mich mache ich mir ja am wenigsten Sorgen. „Ich habe eher Angst um euch, anstatt um mich. Zac, wenn Karnimani ausrasten sollte, versprich mir, dass du Xanny beschützen wirst.“

„Natürlich. Ich verspreche es.“

„Um mich brauchst du dir auch keine Sorgen machen, Svenja“, sagt Lady Diana jetzt. „Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen.“ Das sagt sie mit so einer Ernsthaftigkeit, dass ich ihr einfach glauben muss.

Ich nicke, dann sehe ich allen drein noch einmal fest in die Augen, bevor ich tief durchatme und den Knopf von Karnimanis Pokéball sanft drücke. Sofort schießt der weiße Energiestrahl daraus hervor und auf die Wiese, aus dem sich Karnimani formt. Ich wappne mich für den Wutanfall, der jetzt folgen wird.
 

Ich habe mich nicht gut genug vorbereitet. Aber wie hätte ich das, was passiert, auch erwarten sollen?

Sobald Karnimani sich materialisiert hat, knurrt er wütend und sieht sich suchend um. Schnell fallen seine rot glühenden Augen auf mich und schneller als ich reagieren kann, faucht er fuchsteufelswild auf, rennt auf mich zu und kratzt mir mit seinen scharfen Krallen über den Unterschenkel. Gepeinigt schreie ich auf, als sofort Blut aus der Wunde schießt. Aber mit Karnimani geht eine Veränderung vor. War es vorher total wild, bleibt es jetzt wie eingefroren stehen. Das einzige, was sich bewegt, sind seine Nasenflügel, die heftig beben. Dann heben sich ganz langsam seine Lippen zu einem lautlosen Zähne fletschen und in seine rotglühenden Augen tritt ein grausames Funkeln. Da begreife ich es. Er riecht das Blut und ist dem Blutrausch verfallen. Berechnend mustert er mich, während ich so schnell wie möglich nach hinten stolpere, wobei noch mehr Blut meinen rechten Unterschenkel herunter läuft. Karnimanis gieriger Blick wird wie hypnotisiert von dem Blut angezogen, er leckt sich über die Lippen und bevor ich oder irgendjemand eingreifen kann, springt er mit offenem Maul auf mich zu, weswegen ich laut aufschreie und ängstlich die Augen zukneife.

Als ich allerdings keine Zähne spüre, die sich unnachgiebig in mein Bein bohren, reiße ich meine Augen wieder auf und sehe noch, wie Lin-Fu Karnimani zurückdrängt. Sie muss sich aus dem Ball befreit haben, als sie meinen Schrei gehört hat, und nun beschützt sie mich, mal wieder, vor Karnimani. Mit einem wütenden Fauchen rappelt Karnimani sich wieder auf und kauert nun wie ein Raubtier mit gebleckten Zähnen am Boden. Seine Augen glühen vor Blutlust.

Beschützend stellt Lin-Fu sich vor mich und breitet die Arme aus, um mich größtmöglich zu schützen. „Schon gut Lin-Fu. Das ist nicht nötig“, versuche ich sie zu beruhigen. „Das ist immer noch Karnimani, mein Partner. Er würde mich schon nicht töten.“ Ich will an ihr vorbei treten und zu Karnimani gehen, um ihn zu beruhigen, doch Lin-Fu faucht mich mahnend an und verstellt mir den Weg.

„Lin-Fu“, setze ich an, doch sie faucht wieder zu und schiebt mich sogar etwas zurück. Dass sie mich so sehr beschützen will, ist eigentlich süß, aber ich muss auch jemanden beschützen– und zwar Karnimani. Wenn es sein muss, auch vor sich selbst.

Doch bevor ich zu Karnimani eilen kann, so schnell es mit blutendem Bein geht, öffnet Karnimani seinen Mund und schießt einen Wasserstrahl auf Lin-Fu. Die Aquaknarre ist so stark, das Lin-Fu einfach weggeschleudert wird. Nun hat Karnimani freie Bahn auf mich, doch ich habe keine Angst. Ich glaube einfach nicht, dass er mich so schwer verletzten würde, dass ich wirklich in Gefahr wäre. Wie um meine Gedanken Lügen zu strafen, fange ich nun an zu zittern. Mir ist verdammt kalt, dabei scheint sogar die Sonne! Scheinbar blute ich stärker als gedacht, was das rote Gras unter mir beweist. Trotzdem schüttele ich den Kopf, als Zac zu seinen Pokébällen greift, um mich zu beschützen. Ich werde das alleine schaffen. Karnimani wird mir nichts tun, davon bin ich überzeugt. Schließlich hatte er dazu schon oft genug Gelegenheit, doch getan hat er mir nichts.

„Karnimani, ganz ruhig. Versuch dich zu beruhigen. Ich weiß, der Blutgeruch macht dich wahnsinnig, aber du darfst dem nicht nachgeben. Konzentrier dich auf das was ich sage, blende den Geruch aus“, rede ich behutsam auf ihn ein und für einen Moment scheine ich Erfolg zu haben. Er schüttelt verwirrt den Kopf, so als könnte er sich nicht entscheiden, welchem Reiz seiner Sinne er folgen soll, dem Geruch oder meiner Stimme, doch dann hebt er entschlossen den Blick – seine Augen glühen vor Mordlust und bevor ich noch etwas sagen kann, rennt Karnimani auf mich zu, springt hoch und holt mit seinen blutverschmierten Krallen aus. Nur meinem Zurückzucken ist es zu verdanken, dass er mich an der Brust trifft und nicht an meinem Hals.

Der Schmerz explodiert in meinem Körper, als Karnimanis Krallen meine Haut durchschneiden. Ich schreie auf, doch Karnimani scheint das nur mehr anzustacheln. Er leckt sich über die Lippen, bevor er zubeißt, direkt in meinen linken Unterarm. Ich brülle auf vor Schmerzen, schüttele meinen Arm, an dem Karnimani hängt, wie verrückt und rutsche dabei auf dem glitschigen Boden aus. Erst als ich liege, fällt mir auf, dass ich in meinem eigenen Blut ausgerutscht bin. Und dann geht alles ganz schnell. Oder vielleicht sind meine Augen auch nur nicht mehr fähig, alles richtig aufzunehmen. Meine Sicht verschwimmt, ich glaube zu sehen, wie Lin-Fu Karnimani von mir weg reißt und verprügelt, doch ich bin mir nicht sicher. Mein Sichtfeld wird an den Rändern immer dunkler, mein Blick fokussiert sich auf das Blut am Boden, in dem ich liege. So viel Blut! Alles was ich noch sehen kann, ist rotes Blut. Alles rot, rot, rot; rot von meinem Blut.

Plötzlich höre ich einen Schrei, er klingt wie von weit weg, oder als hätte ich Watte in den Ohren, trotzdem hebe ich noch einmal den Blick. Meine eisblauen Augen bohren sich die die roten von Karnimani, welche vor Schock und Entsetzen weit aufgerissen sind. Dann fällt mein Kopf hart auf den Boden und alles wird schwarz.
 

Ein stetiges Piepsen weckt mich. Während meine Gedanken noch irgendwo im Delirium liegen, sind meine Sinne schon aktiv. Ich rieche den sterilen Geruch von Desinfektionsmittel. Ich höre das Piepen irgendeines Apparats. Mir ist angenehm warm, was nicht zuletzt an dem weichen Etwas liegt, was mich bedeckt. Ich spüre, dass ich auf irgendetwas Nachgiebigem liege. Und ich spüre, dass sich ein brutaler Schmerz durch meinen Körperl zieht. Keuchend grabe ich meine Hände in das Bettlaken und fahre hoch, wobei ich die Augen aufreiße. Alles um mich herum dreht sich und ich stöhne auf, als der Schmerz sich rasend schnell durch alle Nerven meines Körpers zieht. Schnell presse ich meine Augen wieder zusammen und verdecke sie unterstützend auch noch mit meinen Händen. Bzw. das wollte ich, aber dann fällt mir auf, dass irgendwas in meiner rechten Hand steckt und verwundert betrachte ich den farblosen Plastikschlauch, der in meinem Handrücken ist. Verwirrt verfolge ich mit den Fingern, dass der Schlauch in einen Beutel mündet, in dem eine farblose Flüssigkeit ist und gerade strecke ich meine linke Hand aus, um probehalber an dem Schlauch in meiner Hand zu ziehen, da wird meine Hand von zwei kleineren umfasst. Erschrocken zucke ich zusammen und sehe auf – direkt in die besorgten blauen Augen von Oxana.

„Xanny!“, will ich sagen, aber mehr als ein Krächzen bringe ich nicht zu Stande. Schnell räuspere ich mich und will wiederhole meinen Ausruf.

Sofort sieht meine beste Freundin mich erleichtert an und schließt mich in die Arme. „Oh bei Arceus, du bist aufgewacht Sweety! Wie fühlst du dich? Tut dir etwas weh? Soll ich dir etwas bringen?“

Bevor ich auf eine ihrer vielen Fragen antworten kann, höre ich ein langgezogenes „Fuuuu!“ , mein Bett senkt sich links neben mir und dann sehe ich nur noch braunes Fell. Gleich darauf wird mir heftig das ganze Gesicht abgeleckt und lachend schiebe ich Lin-Fu etwas von mir, die mich stürmisch begrüßt. „Es ist alles in Ordnung Lin-Fu. Ich bin nicht gestorben, du musst mich also jetzt nicht zu Tode drücken.“

Neben mir höre ich Xanny hart und zischend die Luft einziehen und sehe sie verwirrt an. Erschrocken bemerke ich die Tränen in ihren Augen. „Sag so was nicht, verdammt!“, faucht sie für ihre Verhältnisse sehr heftig. „Du wärst im Wald verblutet, wenn wir dich nicht so schnell ins Pokémon Center der World School gebracht hätten!“

Ungläubig sehe ich sie an. „Das kann nicht sein. So schlimm waren die Verletzungen, die Karnimani mir zugefügt hat, auch nicht.“ Doch während ich das sage, erinnere ich mich an das viele Blut, was den Waldboden aufgeweicht hat und ein eiskalter Schauer jagt über meinen Rücken. Stand es wirklich so schlimm?

„Doch, das waren sie! Es ist Karnimanis Schuld, dass du jetzt hier liegst. Er hätte dich fast getötet!“, schreit Oxana wütend auf.

Sofort sehe ich sie scharf an. Niemand beschuldigt meine Pokémon, noch nicht mal meine beste Freundin! „Nimm das zurück! Es war nicht seine Schuld, dass er mich so verletzt hat. Er ist dem Blutrausch verfallen, er hatte keine Kontrolle mehr über sich! Wenn du jemanden beschuldigen willst, dann mich, weil ich es so weit habe kommen lassen!“

Oxana sieht mich erstaunt an, dann sackt sie zusammen und atmet tief ein und aus. Sie fährt sich durch die langen Haare und sieht mich aus reuevollen Augen an. „Tut mir leid. So meinte ich das nicht. Ich weiß ja, dass das nicht Karnimanis Schuld war. Aber diese 24 Stunden in ständiger Sorge um dich haben mich wahnsinnig werden lassen.“

Ich streiche ihr über den nackten Arm, als Zeichen, dass ich ihr verzeihe, dann realisiere ich komplett, was sie gerade gesagt hat. „Moment, was heißt hier 24 Stunden?“

„Als der Helikopter uns alle ins Pokémon Center der Pokémon World School gebracht hat, hat Schwester Joy dir gleich eine Blut- und eine Eisen Transfusion gegeben, weil du so viel Blut verloren hast. Danach hat Heiteira dich in den Schlaf gesungen, damit du so neue Energie sammeln und dich erholen kannst. Naja, und das war eben gestern ungefähr so um die Uhrzeit. Wir kamen hier gestern um 10.50 an, jetzt ist es viertel vor 11, nur eben schon der 4.6 und nicht mehr der 3.“

Stöhnend wegen meinem brummenden Schädel lasse ich meinen Kopf ins Kissen sinken und streichle dabei abwesend Lin-Fu, die sich links neben mir zusammen gerollt hat. Xanny sieht uns mit liebevollem Blick an, als sie sagt: „Ich bin verdammt froh, dass du wieder wach bist. Nicht nur ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Lin-Fu hat sich sogar geweigert etwas zu Essen. Entweder sie hat an deinem Bett mit mir Wache gehalten oder sie hat mit Lady Diana trainiert. Sie kann jetzt sogar eine neue Attacke, Ableithieb.“

Sofort fahre ich wieder hoch. „Wirklich?“, frage ich erstaunt und sehe Lin-Fu an, die leicht stolz nickt.

„Lady Diana war wohl der Meinung, dass ein Kampfpokémon auch eine Kampfattacke können muss“, erklärt Xanny schmunzelnd.

„Das ist ja Wahnsinn“, flüstere ich und streiche Lin-Fu bewundernd über den Kopf. Dabei fällt mir auf, dass hier irgendwas nicht stimmt und als ich es dann in Worte fassen kann, könnte ich mich vor Blödheit selbst schlagen. Scheinbar ist mein Kopf noch nicht ganz auf der Höhe. Denn eigentlich habe ich ja zwei Pokémon und nicht nur Lin-Fu.

„Wo ist eigentlich Karnimani? Doch wohl hoffentlich nicht wieder in seinem Pokéball?“, will ich leicht panisch wissen. Xanny zerknirschtes Gesicht lässt mich das Schlimmste vermuten.
 

„Was, er ist ABGEHAUEN!?“, schreie ich wild auf, als Xanny mir schließlich stotternd alles erzählt hat und das Gerät, was meinen Herzschlag und Puls und all diesen Kram misst, piepst hektisch los. Vermutlich sollte ich versuchen mich zu beruhigen, aber – Karnimani ist weg! Bevor ich Oxana anfahren kann, wie sie das zulassen konnte, wird die Tür des Zimmers aufgerissen und eine Schwester Joy stürzt in den Raum. Ein Blick auf mich, wie ich in meine Bett aufrecht sitzt und fast ausraste und sie wirft Oxana einen vorwurfsvollen Blick zu, die unter diesem sofort schrumpft. „Ich wollte doch sofort informiert werden, wenn Svenja aufwacht. Was daran war bitte so schwer zu verstehen, Oxana?“, faucht sie meine beste Freundin an, während sie auf mich zu eilt.

„Svenja ist ja noch gar nicht lange wach“, versucht sie sich leise zu verteidigen, aber Schwester Joy ignoriert die Blauhaarige vollkommen. Mit erstaunlicher Kraft drückt sie mich an den Schultern nach unten, während sie sagt: „Beruhig dich Svenja. Es ist alles in Ordnung. Du bist hier in Sicherheit.“

Verbissen versuche ich gegen die Schwester anzukämpfen. Ich muss doch nach Karnimani suchen. „Karnimani ist irgendwo alleine! Ich muss ihn suchen!“

„Keine Sorge, darum kümmern sich bereits Leute. Dein Freund Zac sucht dein Pokémon schon die ganze Zeit. Du musst dir also keine Sorgen machen.“

Sofort stelle ich meinen Kampf gegen Schwester Joy ein und lasse es zu, dass sie mich auf die Matratze drückt. Zac sucht nach Karnimani? Arceus sei Dank, nicht vorzustellen was passieren würde, wenn Karnimani die ganze Zeit alleine in dem Wald sein müsste. Hoffentlich findet Zac ihn bald.
 

„So, jetzt wo du dich beruhigt hast, sollten wir uns mal um deine Verletzungen kümmern, findest du nicht Svenja?“, fragt Schwester Joy und lächelt auf mich herunter.

Als ich nicke, zieht sie mir die Hose hoch, die sie mir im Pokémon Center wohl angezogen haben, so dass der Verband an meinen rechten Unterschenkel frei wird. Sie macht den Verband ab und ich sehe die vier parallelen Schnitte, die Karnimanis Krallen hinterlassen haben. Die Haut darum ist ganz rot, aber die offenen Wunden sind zugenäht worden. Xanny neben mir würgt leise und wendet den Blick ab, ich dagegen bin wie gebannt von dem Anblick. Ich kann nicht glauben, dass das Karnimani war, und das ist ja nicht die einzige Stelle meines Körpers, wo er mich verletzt hat.

Schwester Joy nickt nachdenklich, dann schmiert sie eine Salbe drauf, die unangenehm prickelt und verbindet mein Bein wieder. Danach widmet sie sich meinem linken Unterarm, wo Karnimani mich gebissen hat. Praktisch mein ganzer Unterarm ist blau, man sieht aber deutlich die Stellen, in die sich seine kräftigen Zähne gebohrt haben. Auf diese Bisswunde sprüht Schwester Joy etwas drauf, was meinen Arm angenehm kühlt, dann verbindet sie ihn wieder mit einem neuen Verband. Vermutlich hat sie hier keine Salbe verwendet, weil die Wunde noch offen ist und ich traue mich nicht zu fragen, warum sie diese Wunde nicht auch zugenäht haben. Vielleicht funktioniert das bei Bissen ja nicht so gut.

Schlussendlich bittet sie mich, das Nachthemd auszuziehen, was sie mir angezogen haben und ich komme der Bitte mit etwas Unterstützung von Schwester Joy auch nach. Als ich eine unbedachte Bewegung mache, zerreißt es mir fast den Brustkorb und ich kann nicht mehr atmen. Automatisch fasse ich mir an die Brust und spüre, dass auch um meinen Oberkörper ein Verband gewickelt wurde. Nur undeutlich kommt mir in den Sinn, das Karnimani mich ja auch da gekratzt hat.

Schwester Joy schüttelt seufzend den Kopf, als sie die Wunden auch hier wieder mit Salbe einreibt. Wenn ich meinen Kopf extrem nach vorne abknicke, kann ich die vier genähten Kratzer sehen, die bei meinem rechten Schlüsselbein anfangen und auf meinem Brustbein enden. Schwester Joy verbindet mich schlussendlich wieder und bevor ich irgendetwas sagen kann, beginnt sie schon. „Es tut mir sehr leid, Svenja. Ich habe alles getan, was ich kann und deine Wunden werden gut verheilen. Aber es werden vermutlich Narben an deinem Bein und der Brust zurückbleiben.“

Automatisch fahre ich mit den Händen an besagte Körperteile. Ich soll für immer so aussehen!? Was werden meine Eltern sagen, wenn sie das erfahren? Denn erfahren werden sie es, sie gucken ja die Serie und wenn sie das dann mitgekriegt haben, dauert es nicht lange, bis sie hier aufschlagen! Und wenn sie erst mal hier sind, wird ihnen auch schnell klar, dass die Narben zurückbleiben werden. Und dann ist klar, dass sie darauf bestehen werden, dass ich meine Reise abbrechen werde, damit ich nicht noch mehr verletzt werde.

Ich bin kurz davor in Tränen auszubrechen, denn meine Reise zu beenden ist das letzte, was ich will, da kommt Schwester Joy schon mit der nächsten schlechten Nachricht um die Ecke: „Außerdem werden wir dich für die nächsten zwei Tage noch hier behalten müssen, um sicherzugehen, dass du die Bluttransfusion gut überstanden hast und deine Wunde sich nicht doch noch entzünden.“

„WAS?! Aber das geht nicht! Ich muss doch nach Karnimani suchen!“, rufe ich völlig außer mir und fahre wieder hoch, wobei die Wunde an meiner Brust wieder brutal reißt. Soll das jetzt für immer so sein? Keuchend falle ich in mein Kissen zurück, während Schwester Joy irgendwas an dem Gerät macht, was durch einen Schlauch mit meiner Hand verbunden ist. Langsam merke ich wie die Schmerzen weniger werden und ich ruhiger werde.

„Wie ich dir schon gesagt habe, Zac sucht bereits nach deinem Pokémon. Und du wirst die nächsten Tage hier in diesem Bett verbringen müssen. Du darfst dich nicht so viel und vor allem nicht zu ruckartig bewegen, damit die Wunden gut verheilen und nicht wieder aufreißen. Das bedeutet du wirst viel schlafen. Ich werde nachher noch mal nach dir sehen, bis dahin wünsche ich dir eine gute Nacht.“

Ich will sie fragen, was sie damit meint, will ihr sagen, dass ICH, nicht Zac, nach Karnimani suchen muss, will sie fragen, ob die Schmerzen durch die Wunden für immer bleiben, aber mir klappen die Augen zu. Diese verdammte Schwester Joy hat mir nicht nur ein Schmerz-, sondern auch noch ein Schlafmittel gegeben!
 

Das nächste Mal, als ich wach werde, habe ich eine kühle Nase im Gesicht, die mir immer wieder gegen die Backe stupst. „Lass das Lin-Fu“, grummele ich noch im Halbschlaf und höre sowohl mein Pokémon, als auch meine beste Freundin glucksen. „Danke Lin-Fu“, sagt diese dann auch noch. „Sei nett zu ihr, sie hat dich auf meine Bitte geweckt, damit du etwas Essen kannst. Ich habe hier Kürbissuppe, die magst du doch so, dazu Brot und Goldbeerensaft, damit dein Kreislauf in Schwung kommt.“

Als ich das höre, reiße ich sofort die Augen auf. Ich hatte vorhin schon Hunger, aber da wurde ich ja, bevor ich etwas essen konnte, heimtückisch in den Schlaf versetzt. Jetzt, Stunden später, wie es mir vorkommt, frisst mein Bauch mich fast von Innen auf. Obwohl ich Kürbissuppe sehr liebe, kann ich sie jetzt gar nicht richtig genießen, so schnell habe ich sie verschlungen, das Brot und den Saft gleich hinterher. Innerhalb von fünf Minuten habe ich alles verdrückt, Hunger habe ich aber immer noch.

Oxana sieht mich grinsend an. „Immer noch hungrig?“ Sie kennt mich einfach zu gut. „Ich habe noch einige Sinelbeeren. Willst du die?“ Ohne meine Antwort abzuwarten reicht sie mir fünf Stück und als ich Lin-Fus gierigen Blick sehe, reiche ich ihr zwei weiter. Freudig strahlt sie mich an und nimmt die beiden Beeren an sich. Danach herrscht erst mal schweigen, da Lin-Fu und ich die Beeren verdrücken und Oxana ohnehin von der ruhigen Sorte ist.

Da mein Denken jetzt nicht mehr nur von Essen und Hunger eingenommen wird, kann ich endlich überlegen, wie ich schnellstmöglich hier rauskomme, um Karnimani zu suchen. Das Zac nach ihm sucht ist ja schön und gut, aber Karnimani ist mein Pokémon. Ich muss es sein, die ihn findet und ihm beisteht, abgesehen davon, glaube ich, würde er jeden der ihm zu nah kommt angreifen. Zac sollte sich nicht meinetwegen in Gefahr begeben. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Karnimani noch mal so sehr ausrasten würde. Er hat mich so schockiert angesehen, bevor ich in Ohnmacht gefallen bin, ganz so, als wollte er das alles gar nicht.

Aber da fällt mir noch etwas anderes ein und entsetzt fahre ich zu Oxana herum. „Xanny, wie viel Uhr ist es?“

„Gerade eben war es noch halb vier, warum?“, fragt sie mich überrascht und so sorglos, dass ich am liebsten heulen würde. Die Sendung wurde ausgestrahlt und mit 100% Sicherheit haben meine Eltern sie gesehen! Todsicher sind sie schon in heller Panik auf dem Weg hier her! Und wenn sie mich so sehen, verbieten sie mir weiter zu reisen und nehmen mich wieder mit nach Hause!

Das darf nicht geschehen!

Sofort suche ich nach meinem Rucksack und finde ihn rechts neben dem Kopfteil meines Bettes. Ganz zuoberst liegt zum Glück mein Handy, sonst müsste ich mich durch meine anderen Sachen durchwühlen und so wähle ich schnell die Nummer von Zuhause. Doch wie es zu erwarten war, hebt dort nur der Anrufbeantworter ab, auf welchem ich mir selbst verkünde, dass Familie Heartman gerade nicht da ist, aber gerne später zurück ruft. Na vielen Dank auch!

Schnell suche ich in meinen Kontakten die Nummer meiner Mutter, während Oxana mich irritiert mustert. Ziemlich schnell hebt meine Mutter ab, doch ich komme gar nicht dazu, irgendwas zu sagen, da legt sie schon los: „Oh mein Gott Liebling, gut das du anrufst. Wie geht es dir? Dein Vater und ich machen uns so große Sorgen um mich, wir haben die Sendung gesehen und wie Karnimani dich angegriffen hat. Halte durch Liebling, wir sind schon so gut wie bei dir. Bald hast du es geschafft, sobald wir von diesem Schiff runter sind, sind wir da!“

„Ihr seid schon… auf dem Schiff nach Schollerin?“, frage ich tonlos.

„Aber natürlich Liebling, was denkst du denn?! Wenn du so schwer verletzt wirst, müssen wir dir doch beistehen. Und wenn es dir etwas besser geht, reden wir darüber, ob du unter diesen Umständen deine Reise noch fortsetzten kannst oder wieder zu uns nach Hause kommst.“

Streit kommt in den besten Familien vor, entscheidend ist, wie man ihn löst

Streit kommt in den besten Familien vor, entscheidend ist, wie man ihn löst
 

Es ist schon eine viertel Stunde vergangen, als auf einmal an meine Zimmertür geklopft wird. In der Zeit hat Oxana mich über die Uhrzeit informiert – es ist 16.15! – ich bin vor Sorge um Karnimani fast umgekommen und wollte losgehen, allerdings hat mein Körper mir da deutlich gezeigt, dass das keine gute Idee ist. Mir ist schwarz vor Augen geworden, die Beine sind mir weggeknickt und nur Oxanas schneller Reaktion ist es zu verdanken, dass ich nicht auf dem Boden aufgeschlagen bin, sondern sie mich auffangen konnte. Danach habe ich es nicht nochmal versucht, sondern mich stattdessen mit Xanny unterhalten.
 

Doch jetzt hat es geklopft und das bedeutet, meine Schonfrist ist abgelaufen. Meine Eltern stehen vor der Tür. Auch wenn es mich schon wundert, dass sie die Geduld besitzen, anzuklopfen und nicht einfach in wilder Panik in den Raum stürzen. Ergeben seufze ich: „Herein.“

Die Tür öffnet sich, dann fragt die Person verschmitzt grinsend: „ Sag mal Svenja, das wird jetzt aber nicht zur Gewohnheit, dass ich dich in ein Pokémon Center bringen muss, weil du verblutend auf dem Boden liegst, oder?“

Erleichtert erwidere ich das Lachen, denn es sind nicht meine Eltern, die gerade mein Krankenzimmer betreten, sondern Zac. „Ich hoffe nicht, denn auf Dauer wäre das wohl ganz schön gesundheitsschädigend, fürchte ich.“

Zac schüttelt lächeln den Kopf, dann zieht er sich einen anderen Stuhl heran und setzt sich gegenüber von Xanny, links an mein Bett. „Also, wie geht es dir?“, fragt er nun ernst.

„Ich muss die nächsten zwei bis drei Tage hierbleiben, kannst du dir das vorstellen!? Sie wollen mich beobachten! Das ist völlig unnötig!“, fluche ich sofort los. „Mir geht es gut!“

Xanny und Lin-Fu, die jetzt an meinen Füßen sitzt, schnauben synchron auf und sehen mich vorwurfsvoll an.

„Na gut“, gebe ich nun schon etwas ruhiger zu. „Wenn ich aufstehen will, wird mir schwarz vor Augen und ich klappe zusammen. Außerdem tun meine Wunden beim Bewegen ganz schön weh und müssen immer noch behandelt werden. Aber das schlimmste… das schlimmste ist,… dass wohl … Narben… zurückbleiben werden“, flüstere ich stockend und werde dabei immer leiser.

„Oh mein Gott“, haucht Zac entsetzt. „Es tut mir so leid, Svenja! Ich hätte früher eingreifen müssen! Dann wäre das alles nicht passiert und du nicht für immer gezeichnet worden. Das ist meine Schuld!“

Erschrocken sehe ich ihn an, wie er das Gesicht in seinen Händen vergräbt um vom Rest der Welt nicht gesehen zu werden. „Zac!“, wispere ich überfordert. „Was redest du denn da? Das war doch nicht deine Schuld! Ich hatte dir doch gesagt, dass du dich nicht einmischen sollst. Ich bin dir doch nicht böse, dass du dein Wort mir gegenüber gehalten ist. Es ist meine Schuld, dass Karnimani mich verletzt hat! Ich hätte erkennen müssen, dass der Blutrausch ihn zu allem bringen kann. Es ist meine und nicht deine Schuld, dass ich jetzt hier liege. “

Verwirrt schüttelt er den Kopf, während er diesen immer noch in seinen Händen vergräbt. „Aber wie kannst du mir nicht böse sein? Ich bin Schuld, ich hätte es verhindern können. Ich hätte es verhindern MÜSSEN!“

„Ich bin dir nicht böse, weil dich keinerlei Schuld trifft, Zac. Verstehst du, die einzige Person auf die ich sauer war und immer noch bin, bin ich. Ich, weil ich den Blutrausch unterschätzt habe, obwohl ich von Professor Aquilon gewarnt wurde und den Blutrausch sogar schon selbst miterlebt habe. Ich bin sauer auf mich, weil Karnimani mein Pokémon ist und ich somit die Verantwortung für ihn aber auch sein Handeln trage. Es ist meine Schuld und niemandes sonst.“

Aber Zac scheint sich nicht von mir beruhigen lassen zu wollen. Mit schwacher Stimme flüstert er: „Ich hätte dich verteidigen sollen! Man beschützt seine Freunde doch, wenn sie in Gefahr sind. Und jetzt bist du vielleicht für immer gezeichnet! Kannst du mir das jemals vergeben?“

„Es gibt nichts zu vergeben, Zac. Du hast alles richtig gemacht.“

„Bitte, Svenja!“

Ich seufze. Er scheint wirklich nicht zu verstehen, dass ich ihm keinerlei Vorwürfe mache. Aber vielleicht braucht er auch meine Vergebung, um sich selbst vergeben zu können, dass er nicht eingegriffen hat, obwohl es doch genau das war was ich wollte. Dennoch, vielleicht wird er sich für immer Vorwürfe machen, wenn ich jetzt auf meine Meinung beharre.

„Also gut Zac, ich vergebe dir. Hörst du? Ich verzeihe dir. Und jetzt lass uns das Ganze vergessen.“

Mit dankbaren, braunen Augen sieht er mich endlich wieder an, anstatt sein Gesicht in seinen Händen zu vergraben. „Danke Svenja.“
 

„Jetzt aber etwas ganz anderes. Du hast Karnimani wohl nicht gefunden, oder? Sonst würdest du hier nicht so ruhig sitzen.“

„Nein, ich habe ihn leider nicht gefunden. Tut mir leid“, meint Zac betrübt und sieht mir schon wieder nicht in die Augen.

Ich seufze auf. Wo kann Karnimani nur sein? Was, wenn ihm etwas passiert ist? Warum nur kann ich nicht nach ihm suchen, sondern muss hier liegen und darauf warten, dass irgendjemand meinen Partner findet?

„Ich werde gleich wieder nach ihm suchen gehen, eigentlich wollte ich nur mal sehen, wie es dir geht“, reißt Zac mich aus meinen Gedanken. „Willst du mich begleiten, Oxana? Vier Augen sehen schließlich mehr als zwei.“ Bei der Frage wird er niedlich rot und kratzt sich verlegen im Nacken.

Oxana sieht mich unsicher an und murmelt: „Ich weiß nicht. Ich meine… brauchst du mich hier, Svenja? Also, wenn deine Eltern da sind. Oder kann ich Zac begleiten und nach Karnimani suchen?“

Wissend sehe ich Zac an, verbeiße mir das Schmunzeln und antworte schnell: „Geh ruhig. Du hilfst mir mehr, wenn du nach Karnimani suchst, anstatt hier an meinem Bett zu sitzen.“ Außerdem scheinst du Zac mit deiner Gesellschaft eine große Freude zu machen, denke ich, sage das aber nicht laut. Scheint so, als hätte da einer ein Auge auf meine beste Freundin geworfen, aber ich glaube nicht, dass Xanny das bisher bemerkt hat. Und ich werde mich hüten ihr etwas zu sagen. Manche Dinge muss man selbst herausfinden.
 

Schnell haben die beiden sich fertig gemacht und sich verabschiedet und nun sind nur noch ich und Lin-Fu in dem Zimmer und warten auf meine Eltern. Lin-Fu hat sich wieder an meinen Füßen eingerollt und schläft, ich dagegen höre mit meinen Kopfhörern Musik von meinem Handy. Seufzend lehne ich mich nach hinten und schließe die Augen, während ich den Liedzeilen von meinem Lieblingssänger Tamur lausche.
 

Gerade scheine ich kurz davor zu sein einzuschlafen, da wird auf einmal meine Zimmertür aufgerissen, sodass sie gegen die Wand knallt, und meine Eltern platzen in den Raum. Ich und Lin-Fu zucken simultan zusammen, dann reiße ich mir die Kopfhörer von den Ohren und höre gerade noch, wie meine Mutter panisch schreit: „-passiert? Oh mein armer Liebling, wie geht es dir? Was hat Schwester Joy gesagt?“ Hektisch wedelt sie mit ihren Händen über meinem Körper und scheint nicht genau zu wissen, wo sie mich berühren darf, ohne mir wehzutun. Schließlich beugt sie sich über mich und drückt mich unbeholfen an sich. Ich beiße heftig die Zähne zusammen, damit mir kein Schmerzenslaut entfährt, denn dadurch, dass meine Mutter meinen Oberkörper hochgedrückt hat, spannt die Wunde über meiner Brust sehr.

Mein Vater scheint das zu sehen, denn er berührt Mum am Arm und meint: „Maria, du tust ihr weh. Lass ihr doch mal Raum zum Atmen.“

Sofort lässt sie von mir ab, allerdings mustert sie mich nun so intensiv, dass es mir direkt unangenehm ist. „Also, wie geht es dir, Liebling? Als wir die Sendung gesehen haben, wo gezeigt wurde, wie Karnimani dich angegriffen hat, haben wir uns natürlich Sorgen gemacht und sind sofort hier her gekommen. Darum Liebling, sprich, was hat Schwester Joy gesagt?“

Bevor ich antworten kann kommt eben genannte Schwester Joy in mein Zimmer gerauscht und bleibt überrascht stehen, als sie meine Eltern an meinem Bett vorfindet. Komisch, eigentlich müsste sie sie doch gesehen haben, als die durch die Türen des Pokémon Centers kamen und hier hoch gegangen sind.

Schließlich reicht sie zuerst meinem Vater, dann meiner Mutter die Hand und sagt: „Sie müssen wohl Herr und Frau Heartman sein. Sehr erfreut, ich bin die Schwester Joy dieses Pokémon Centers. Hat Ihre Tochter Sie schon über ihren Zustand informiert oder soll ich das übernehmen?“

Mein Vater sieht mich forschend an, dann antwortet er: „Ich denke, es wäre gut, wenn Sie als Fachfrau uns aufklären könnten.“ Vielleicht denkt er, ich würde etwas vergessen oder absichtlich auslassen, damit sie sich nicht aufregen. Dabei ist es praktisch unmöglich meinen Vater anzulügen; ich scheitere bei dem Versuch immer und habe es daher inzwischen komplett aufgegeben. Aber anscheinend traut mir Papa trotzdem nicht. Das ist irgendwie traurig.

„Also dann. Wie ich Ihrer Tochter schon gesagt habe, habe ich ihr eine Bluttransfusion wegen des hohen Blutverlusts gegeben. Darum, und auch weil wir sicher gehen wollen, dass sich die Wunden nicht entzünden, sondern gut verheilen, muss Svenja die nächsten zwei bis drei Tage hier bleiben. Je nachdem wie schnell Ihre Tochter wieder zu Kräften kommt. Heute und morgen muss sie definitiv noch in ihrem Bett liegen blieben, wie es dann weiter geht werden wir sehen, wenn es so weit ist.“

„Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Gibt es sonst noch etwas, über das wir Bescheid wissen müssten?“, fragt Papa ruhig und ich beiße die Zähne zusammen. Gleich ist es raus, gleich wird Schwester Joy die Bombe platzen lassen und ihnen sagen, dass ich Narben von Karnimanis Angriff davon tragen werde. Und dann werden sie mir verbieten, je wieder Kontakt mit meinem Partner zu haben, das weiß ich ganz genau. Ergeben sehe ich zu Lin-Fu, die von meinem Bett herunter gesprungen ist und nun an der rechten Seite meines Bettes steht.

„Nun ja, ich musste die Wunden an Svenjas Brust und an ihrem Unterschenkel nähen, was bedeutet, dass dort vermutlich Narben zurückbleiben werden. Es kann sein, dass diese Narben sie für immer beeinträchtigen werden, sicher ist dies allerdings nicht.“

Die Reaktion meiner Eltern tritt sofort ein. Meine Mutter wird käsebleich im Gesicht, flüstert leise „Oh du meine Güte“ und lässt sich schwer auf den Stuhl neben meinem Bett fallen, den Zac da stehen gelassen hat. Mein Vater sieht nicht minder schockiert aus, aber er kann sich auf den Beinen halten.

„Und da kann man gar nichts machen?“, fragt meine Mutter und sie klingt schon leicht hysterisch.

Verneinend schüttelt Schwester Joy den Kopf. „Heiteira und ich tun bereits was wir können. Ich werde Svenjas Wunden jetzt noch einmal begutachten, dann lasse ich Sie alle wieder alleine. Sie haben sicher einiges zu besprechen“
 

Schnell hat Schwester Joy meine Wunden wieder mit Salbe und einem Spray eingerieben und neu verbunden, dann ist sie auch schon wieder verschwunden. Sie hat wohl wirklich viel zu tun. Vielleicht gibt es ja noch andere Trainer, die sich vom ihrem eigenen Pokémon angreifen lassen, denke ich zynisch und fühle mich im selben Moment schrecklich, diesen Gedanken überhaupt zugelassen zu haben. Das ist Karnimani gegenüber nicht fair, er kann schließlich nichts dafür.

Sobald Schwester Joy die Tür hinter sich geschlossen hat, sieht meine Mutter mich betrübt an und sagt: „Nun, dann ist ja wohl klar, was wir jetzt tun werden.“

„Ach ja, und was?“, frage ich heftiger als nötig, obwohl ich es schon ahne und eigentlich gar nicht hören möchte. Aber die Aussicht, dass sie mir das einzige wegnehmen wollen, was ich will, macht mich fast schon aggressiv, etwas was ich gar nicht von mir kenne.

„Nun, dein Vater und ich werden uns ebenfalls ein Zimmer hier mieten und so lange bei dir bleiben, bis Schwester Joy dich entlässt. Und dann reist du mit uns nach Hause und alles wird wieder so wie früher. Wir werden dieses kurze Kapitel deines Lebens einfach vergessen, du kannst deine freie Zeit genießen und später studieren gehen oder was auch immer du machen willst, solange es deinen Körper nicht überfordert. Aber du wirst deine Reise nicht fortsetzen. Erst recht nicht mit Karnimani! Das ist viel zu gefährlich. Ich verbiete es dir!“

Entsetzt sehe ich meine Mutter an, Tränen treten in meine Augen, allerdings nicht vor Trauer, sondern vor Wut und Enttäuschung. „Wie kannst du mir das antun?! Ich will meine Reise nicht abbrechen, nur weil ich einmal verletzt wurde! Das gehört nun mal zum Leben dazu, hinzufallen ist ganz normal. Aber danach muss man doch auch wieder aufstehen und weitermachen! Und ich will weitermachen! Ich wollte nie etwas anderes als mit meinen Pokémon durch die Region zu reisen, es war und ist mein Lebenstraum Champion zu werden! Du kannst mir das nicht einfach wegnehmen, Mum, nur weil du jetzt erkannt hast, dass du mich auf meiner Reise nicht mehr beschützen und kontrollieren kannst!“ Während ich rede, werde ich immer lauter, am Ende schreie ich beinah, während ich kurz davor bin zu weinen.

Meine Mutter schnappt entsetzt nach Luft und sieht mich mit aufgerissenen Augen an, denn nie, wirklich noch nie, habe ich gegenüber meiner Mutter die Stimme erhoben, geschweige denn mich ihr widersetzt. Ich habe immer getan was siewollte, denn es war ja nie zu meinem Schaden. Aber diesmal, dieses eine Mal, kann ich nicht das tun, was meine Mutter will, denn meine Reise abzubrechen wäre nichts was mir helfen würde. Dieses Mal liegt sie falsch in ihrem Glauben von dem, was sie denkt, was mir gut tut; und darum darf ich das nicht zulassen.

Wild schnappt meine Mum nach Luft, bevor sie fast schon schreit: „Bis du von allen guten Geistern verlassen, Svenja?! Wie kannst du so etwas sagen? Mir scheint, diese Reise hat nicht nur schlechten Einfluss auf deine Gesundheit, sondern auch auf deinen Verstand! Du denkst, ich kann dich nicht dazu bringen mit uns nach Hause zu kommen und deine Reise abzubrechen?! Da irrst du dich aber gewaltig, mein Liebling! Du wirst schon sehen, was ich alles kann, also überleg dir jetzt lieber gut was du sagst und vor allem in welchem Ton! So lasse ich nämlich nicht mit mir reden, hast du mich verstanden!?“ Hektisch atmet sie ein und aus und sieht wild um sich.

Meine Wut dagegen verrauscht mit einem Mal und fast lautlos flüstere ich: „Du würdest mich wirklich zwingen meine Reise aufzugeben? Wenn nötig mit allen verfügbaren Mitteln? Das hätte ich wirklich nicht von dir gedacht. Ich dachte immer, du wolltest das Beste für mich. Aber meine Reise abzubrechen wäre nicht das Beste, Mum. Ich wäre unglücklich und würde immer sehnsüchtig daran denken, was ich alles hätte haben und erleben können. Mein ganzes weiteres Leben würde von diesem Verlust überschattet werden.

Aber das ist dir egal, oder? Es ist dir egal, solange ich tue, was du willst, weil du denkst, es wäre das Beste für mich. Du denkst, du wärst die Einzige, die die einzigrichtige Lösung findet. Andere Möglichkeiten als deine eigene ziehst du doch gar nicht in Betracht. So war es doch schon immer und so soll es nach Möglichkeit auch immer sein, egal was ich denke oder will.

Aber so läuft das nicht, Mum. Jetzt nicht mehr. Ich bin alt genug, um selbst entscheiden zu können was das Beste für mich ist und ich brauche niemanden, der mir diese Entscheidung abnimmt. Denn schließlich war genau das der eigentliche Grund meiner Reise, selbstständig Entscheidungen für mich zu treffen. Und genau das willst du mir wegnehmen, weil du es nicht ertragen kannst, dass ich dich nicht mehr für meine Entscheidungen brauche. Weil ich das nämlich selbst können muss, Mum.“ Verzweifelt sehe ich meine Mutter an, während mir jetzt wirklich einige Tränen die Wangen hinunterlaufen und lautlos auf meine Decke fallen.

Meiner Mutter scheint es die Sprache verschlagen zu haben, sie sieht mich mit offenem Mund an, doch schließlich schüttelt sie den Kopf und wendet sich an meinen Vater. „Hakeem, sag doch auch mal was. Bleu ihr Vernunft ein, bitte.“

Papa sieht erst Mum, dann mich schweigend an, schließlich schüttelt auch er seufzend den Kopf und meint: „Ich finde, Maria, in den meisten Punkten hat Svenja recht. Unsere Tochter ist auf Reisen gegangen, um ihr Leben selbst zu entscheiden und selbstständig zu werden. Und wir haben eingewilligt, weil wir der Meinung waren, dass es Zeit für unser Mädchen ist, Verantwortung für sich und andere zu erlernen. Willst du ihr dieses Recht nun wieder absprechen, nur weil die ersten Probleme auftreten? Ich denke, Svenja ist alt genug um selbst entscheiden zu können, was gut für sie ist und was nicht. Wir können und werden ihr immer zu Seite stehen und Tipps geben, aber schlussendlich kann und muss unsere Tochter selbst entscheiden was sie will und was nicht. Sie ist alt genug, wir müssen nicht mehr auf sie aufpassen wie früher. Das kann sie selbst.“

Aufgebracht und sich betrogen fühlend sieht Mum zuerst Papa, dann mich entsetzt an, bevor sie schreit: „Man sieht ja hervorragend, wie gut sie auf sich aufpassen kann! Versteht denn hier keiner, dass ich nur das Beste für mein Kind will?! Aber bitte, wenn meine Meinung hier nicht erwünscht ist, dann werde ich gehen und euch bei der Entscheidung nicht in die Quere kommen!“ Wütend rauscht Mum aus dem Raum und schmeißt die Tür so heftig hinter sich zu, dass diese in ihren Angeln erbebt.

Ich sehe stumm auf die Tür, schäme mich schrecklich meine Mutter so verärgert zu haben und merke erst, dass ich lautlos weine, als Lin-Fu mir über die Wange leckt. Da schluchze ich auf, drehe mich auf den Bauch, obwohl meine Brust durch die Bewegung heftig wehtut, vergrabe mein Gesicht in meinem Kissen und fange nun wirklich an zu weinen. Das wollte ich doch alles gar nicht!
 

Es vergehen Minuten, vielleicht sogar eine viertel Stunde, in denen ich laut in mein Kissen weine. Mein schlechtes Gewissen wegen meinem Verhalten gegenüber meiner Mum nimmt Überhand und lässt mich alles bereuen, was ich eben gesagt habe. Es wäre alles so viel einfacher und vor allem friedlicher geworden, wenn ich einfach wie sonst auch dem Willen meiner Mutter nachgekommen wäre. Sie hat doch noch nie falsch gelegen und immer nur das Beste für mich gewollt! Und das ist doch jetzt nicht anders! Vielleicht sollte ich mich einfach bei ihr entschuldigen. Dennoch, was dann? Sie würde verlangen, dass ich meine Reise abbreche und nach Hause zurückkehre. Aber das will ich nicht! Ich will weiter mit Karnimani und Lin-Fu reisen und trotzdem mit meiner Mutter Frieden schließen. Doch so wie es gerade scheint kann ich nicht beides haben. Und ich habe absolut keine Ahnung für was ich mich entscheiden soll; für meine Mutter oder meinen Traum?

Warum muss das Leben auch nur immer so verdammt kompliziert sein?!

Langsam versiegen meine Tränen und anstelle dessen kommt der Frust in mir hoch. Da merke ich, wie eine Hand sanft durch meine blonden, langen Haare streichelt, außerdem spüre ich mehrere warme Körper, die sich an mich kuscheln. Als ich die Augen langsam öffne, ist das erste was ich sehe, ein blau-rot-weißes Gefieder. Irritiert rutsche ich nach hinten, stoße dabei gegen den Körper hinter mir und höre gleich darauf nur noch ein Plumpsen und ein empörtes „Fu!“ Nun vollständig wieder im Hier und Jetzt drehe ich mich auf den Rücken und sehe nun, wie Lin-Fu sich gerade vom Boden hochrappelt und dabei eine beleidigte Schnute zieht. Scheinbar habe ich die Arme gerade aus dem Bett geschmissen und das, wo sie mich doch getröstet hat.

„Oh verdammt, entschuldige Lin-Fu“, entschuldige ich mich daher sofort, doch das scheint meinem Kampfpokémon nicht zu reichen. Aber ich komme gar nicht dazu, mich wortreich zu entschuldigen, da schwebt auf einmal ein Somniam in mein Sichtfeld und sieht mich freudig quietschend an. „Soo!“

„Luna!“, rufe ich überrascht und die Kleine schlägt vor Freude einen Salto, als ich sie bei ihrem Namen nenne. Dann spüre ich wie mir jemand oder etwas in mein Ohrläppchen kneift und noch bevor ich mich umdrehe weiß ich, dass das das Schwallboss meines Vater war. Das bedeutet, derjenige der eben noch durch meine Haare gestrichen hat, war mein Vater.

„Geht es dir besser, Svenja?“, fragt dieser dann auch gleich, als ich ihm in die Augen sehe. Normalerweise haben wir die gleichen strahlend blauen Augen, aber jetzt sind meine Augen vom Weinen bestimmt ganz rot.

„Nein“, jammere ich auf und könnte schon wieder anfangen zu weinen. „Ich fühle mich schrecklich. Ich will nicht, dass Mum auf mich sauer ist oder enttäuscht ist von mir, aber ich will meine Reise auch nicht aufgeben. Ich weiß nicht was ich machen soll, Papa!“ Verzweifelt sehe ich ihn an und fühle wie sich die drei Pokémon wieder an mich drängen und mir so Trost und Wärme spenden.

„Du musst dir keine Vorwürfe machen, Liebling“, sagt mein Vater und zieht mich mit einem liebevollen Ausdruck in den Augen an seine Brust, wo ich sofort mein Gesicht in seinem Hemd vergrabe. „Du hast nichts falsch gemacht. Vieles von dem, was du vorhin gesagt hast, ist wahr. Aber es ist auch wahr, dass deine Mutter dich liebt und immer schon auf dich aufgepasst hat, damit es dir gut geht. Nun wo du nicht mehr da bist, macht sie sich große Sorgen um dich und sie ist es eben gewohnt, dich mit allen Mitteln zu beschützen – vor anderen und auch vor dir selbst. Diesen Mutterinstinkt kann man nicht einfach so abschalten, also gib ihr etwas Zeit sich an die neue Situation zu gewöhnen.“

„Das verstehe ich ja alles, aber ich dachte, sie wüste das auch. Ich dachte, sie wüsste, dass ich auf die Reise gehe um zu lernen auf mich selbst aufzupassen, damit ich später mein eigenes Leben leben kann.“

„Das weiß sie auch alles, Liebling, in ihrem Inneren ist sie sich dem allem vollkommen bewusst. Du musst ihr nur etwas Zeit geben sich zu beruhigen, damit dieses Wissen auch wieder in ihrem Bewusstsein ankommen kann. In ihrer Sorge um dich hat sie das völlig verdrängt und die hat sich dann in Wut verwandelt. Aber du kennst doch deine Mutter, sie wird sich bald wieder beruhigt haben und dann tut ihr ihr Verhalten leid und sie wird sich entschuldigen. Und ich bin sicher, sie wird deine Entscheidung billigen und dich auf deiner Reise unterstützen, wie wir es vorgehabt haben. Hab nur etwas Geduld, mein Liebling.“

„Bist du dir da sicher, Papa?“, frage ich zögerlich und wische mir die Tränen von der Wange. Ich will ihm ja glauben und er hat recht, was er über Mum gesagt hat, aber ich will mir auch keine falschen Hoffnungen machen, denn so wütend wie eben habe ich sie noch nie erlebt.

„So sicher wie das Wissen, dass Hoopa Dinge durch seine Ringe teleportieren kann“, antwortet er sanft lächelnd.

„Für einen Psychologen weißt du oft ganz schön viel über die Legendären Pokémon“, murmele ich schläfrig, denn jetzt wo ich mich beruhigt habe, merke ich erst, wie müde mich das Weinen gemacht hat.

„Schlaf jetzt, mein Liebling und wenn du aufwachst wird alles wieder gut werden“, flüstert mein Vater und streicht über meine Haare, während ich langsam zurück in mein noch leicht nasses Kissen sinke, aber das stört mich nicht.

„Bist du noch hier wenn ich aufwache?“, frage ich leise und kämpfe gegen meine schweren Augenlieder an.

„Natürlich, mein Liebling. Mach dir keine Sorgen, ich passe auf dich auf und werde immer an deiner Seite stehen. Schlaf jetzt, Svenja.“

Bevor ich noch irgendwas erwidern kann, bin ich schon eingeschlafen, eingelullt von der Wärme, die die Pokémon um mich herum abstrahlen.
 


 

Mitten in der Nacht weckt mich mein Körper, da mein Magen mir lautstark erklärt, dass ich meine letzten Mahlzeiten vergessen habe und das bitte recht schnell nach holen sollte. Schnell stehe ich auf, wobei ich darauf achte Lin-Fu und Luna, die wieder am Bettende schlafen, und meinen Vater, der auf seinem Stuhl eingeschlafen ist, nicht zu wecken. Schwankend bleibe ich stehen, als es vor meinen Augen schwarz wird, weil ich zu schnell aufgestanden bin, aber schon kurz darauf wird es wieder besser. Arceus sei Dank ist es nicht mehr so schlimm wie gestern.

Gerade will ich einen Schritt nach vorne machen, da reißt etwas sehr schmerzhaft an meiner rechten Hand. Verwirrt sehe ich genauer hin. Ach ja, Schwester Joy hat mir ja eine Kanüle in den Handrücken gejagt. Ich denke darüber nach, das Gestell, an dem der Beutel henkt, der mit der Kanüle verbunden ist, einfach hinter mir her zu ziehen, doch dann fällt mir ein, dass jedes Pokémon Center so aufgebaut ist, dass die Zimmer für die Trainer im Obergeschoss liegen und die Küche im Erdgeschoss. Und ich glaube kaum, dass ich es schaffe, das Gestell die Treppe runter zu tragen. Meine Beine fangen ja jetzt schon an zu zittern, dabei stehe ich noch nicht mal zwei Minuten auf ihnen. Außerdem schläft Schwallboss oben auf dem Gestell und wenn ich das jetzt bewegen würde, würde er sicher wach werden. Und das will ich nicht riskieren, da ich weiß, dass Schwallboss nicht mehr so schnell einschlafen kann, wenn er erst mal wach ist.

Also wenn ich das Ding nicht mitnehmen kann, dann muss die Kanüle eben raus. Denn ich muss unbedingt etwas essen. Mit zusammengebissenen Zähnen reiße ich die Kanüle mit einem Ruck aus meiner Hand und zische unterdrückt auf, denn weh tut es schon. Wie wenn man auf einen blauen Fleck drückt.

Da stelle ich fest, dass nicht nur in meiner Hand so eine Kanüle war, sondern auch noch ein anderer Schlauch in meinem Unterleib ist, der ebenfalls mit einem Beutel verbunden ist. Interessiert betrachte ich das Ganze, bevor ich plötzlich beschließe, dass ich eigentlich gar nicht so genau wissen möchte, wofür das jetzt wieder ist. Kurz entschlossen ziehe ich auch dieses Ding aus meinem Körper und diesmal tut es nicht so weh wie an meiner Hand.

Vorsichtig taste ich mich zur Zimmertür vor und stoße mir prompt den Zeh an einem der vielen Stühle. Fest beiße ich mir auf die Lippen um den Schmerzenslaut und die Flüche, die mir auf der Zunge liegen, zurückzuhalten. Warum muss es hier auch nur so dunkel sein?! Und warum gibt es hier so viele Stühle wenn das doch ein Einzelzimmer ist?!

Nachdem ich es dann, trotz des Hindernisparcours, zur Tür geschafft habe, sehe ich noch einmal zu der schlafenden Lin-Fu und Luna und meinem Vater und Tauboss, dann schleiche ich leise aus dem Raum und mache hinter mir die Tür zu. Sobald ich den Flur betrete, gehen automatisch die Lichter an, vermutlich sind sie mit Bewegungssensoren ausgestattet. Blinzelnd versuche ich mich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen.

Langsam gehe ich die Treppe nach unten und klammere mich dabei mit beiden Händen an dem Geländer fest, da ich das Gefühl habe, das meine Beine gleich unter mir zusammenbrechen. Und ich will nicht auch noch zu allem Unglück die Treppe runter fallen. Dann würde meine Mutter mich wohl nie mehr aus den Augen lassen, aus Angst dass ich verletzt werde. Und ich kann mir wirklich was Besseres vorstellen, als von meiner Mutter beim Duschen beobachtet zu werden. Zum Beispiel.

Bei jedem Schritt zieht sich ein brutaler Schmerz durch die Schnitte an meinem Bein, aber für die anderen Leute, die hier noch schlafen, verbiete ich mir jeden Laut. Endlich bin ich am Fuße der Treppe angekommen und seufze erleichtert auf. Hier ist ja zum Glück niemand, also muss ich nicht mehr ganz so vorsichtig sein, dass ich kein Geräusch mache.

So schnell es mir möglich ist laufe ich in Richtung Küche und erschrecke zu Tode, als auf einmal das Licht angeht und mich so blendet, dass ich für einige Sekunden nur weiß sehe. Ich blinzele heftig um wieder sehen zu können und schließlich erkenne ich die Person, die mit rotgeweinten Augen neben dem Lichtschalter steht und mich ebenso überrascht ansieht, wie ich mich fühle.

„Mum?!“

Die Pflicht der Verantwortung

Die Pflicht der Verantwortung
 

„Was machst du denn hier unten?“ „Konntest du nicht schlafen?“ „Es tut mir so leid, was ich vorhin gesagt habe!“ All das sprechen wir gleichzeitig aus, bevor Mum und ich innehalten und uns kurz angrinsen. Aber dann scheint uns wieder einzufallen, dass wir vorhin nicht gerade im Guten auseinander gegangen sind und wir werden wieder ernst.

„Kann ich zuerst sprechen?“, fragt meine Mutter und sie klingt irgendwie zögerlich und schüchtern, völlig untypisch für meine Mutter.

Sofort nicke ich und wir setzten uns an einen der Esstische, die überall auf der linken Seite des Pokémon Centers verteilt sind. Gespannt sehe ich meine Mutter an, die sich kurz die Haare rauft, bevor sie mich mit einem fast schon flehenden Ausdruck ansieht, aber bevor ich etwas sagen kann, beginnt sie schon: „ Es tut mir leid, dass ich vorhin so ausgerastet bin, Liebling. Ich habe über das nachgedacht, was du gesagt hast und musste nach einiger Zeit feststellen, dass du recht hast mit dem, was du gesagt hast. Du bist auf deine Reise gegangen, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen und ich habe es dir erlaubt. Also kann ich dir zwar immer noch Ratschläge geben, aber ich sollte dir deine Entscheidungsfreiheit nicht wieder nehmen und es tut mir leid, dass ich das versucht habe. Ich habe mich nicht gerade vorbildlich verhalten, aber du musst verstehen, dass ich deine Mutter bin, Liebling, und als solche ist es meine … nun ja Pflicht, auf dich aufzupassen und mir Sorgen um dich zu machen. Ich tue das schon dein ganzes Leben lang, von dem Moment an, von dem ich wusste, dass ich mit dir schwanger bin bis zu dem Moment, als du mit Karnimani aus der Haustür gegangen bist. Und es ist so … schwer. Nicht nur der Abschied, sondern allgemein das Loslassen, dass man sieht, dass man von seinem kleinen Baby nicht mehr gebraucht wird, weil das Baby eben schon groß ist. Es ist so schwierig und gerade in solchen Situationen wie eben verfalle ich schnell wieder in mein altes Schema, dass ich alles tue, um dich zu beschützen. Du wirst es selbst merken, wenn du mal Kinder hast, Svenja, das Loslassen ist so schwer und den Willen deines Kindes mit deinem eigenen Mutterinstinkt zu verbinden ist nicht immer ganz einfach. Also hoffe ich, dass du mir verzeihen und es vielleicht auch nachvollziehen kannst.“

Meine Mum wagt es gar nicht mich anzusehen, stattdessen starrt sie auf den Tisch und ich bin so gerührt von ihren Worten, dass ich keine eigenen Worte finde. Darum greife ich nach ihrer Hand, die auf dem Tisch liegt, und drücke sie fest. Fragend sieht meine Mutter mich an und plötzlich fallen die Worte nur so aus meinem Mund: „Natürlich verzeihe ich dir, du bist schließlich meine Mum und ich weiß ja, dass du nur das Beste für mich im Sinn hast. Aber meine Reise aufzugeben wäre nicht das Beste und ich bin froh, dass du mich da verstehst. Danke, dass du mich nicht zwingst, mich zwischen dir und meinem Traum zu entscheiden. Aber mir tut es auch leid, dass ich dich so angefahren habe, dass hätte ich nicht tun sollen.“

Nun legt auch meine Mum ihre Hand über meine und flüstert: „Entschuldige dich nicht dafür, du hast für deinen Traum gekämpft und alle Möglichkeiten ausgenutzt. Ich bin jedenfalls froh, dass wir das jetzt klären konnten. Ich bin unglaublich stolz auf dich, Svenja. Du bist in der kurzen Zeit, die du erst auf reisen bist, schon viel selbständiger geworden und es macht mich unglaublich glücklich, mein kleines Mädchen dabei zu beobachten, wie sie ihr Leben genießt. Ich verspreche dir, ich werde bei jeder deiner Entscheidungen hinter dir stehen, egal welche es auch sind, du wirst nie alleine sein. Ich werde immer hinter dir stehen. Weil ich deine Mutter bin.“

Mit Tränen in den Augen sehe ich sie an und stehe so ruckartig auf, das mein Stuhl nach hinten umkippt, doch das bekomme ich gar nicht mit, weil ich meiner Mum um den Hals gefallen bin und so stehen wir da, halten uns fest und weinen die Wut über unseren Streit fort.
 

Mindestens zehn Minuten stehen wir da und umarmen uns nur, doch schließlich geht jede von uns wieder in ihr Bett, allerdings nicht, bevor ich mir noch ein Brötchen gemacht habe. Und auch wenn es jetzt schon wieder halb sechs ist und ich sicher schon bald wieder aufstehen muss, schlafe ich diesmal mit einem seligen Lächeln auf den Lippen ein.
 

Früh am nächsten Morgen werde ich geweckt, als mich jemand sanft an der Schulter berührt und dann höre ich Schwester Joys fröhliche Stimme rufen: „Guten Morgen, Svenja. Es ist sieben Uhr, Zeit zum Aufstehen. Ich versorge nochmal deine Wunden und dann habe ich dir etwas zu Essen mitgebracht. Heute solltest du definitiv noch nicht aufstehen.“

Verschlafen öffne ich die Augen und sehe in Schwester Joys lächelndes Gesicht. Schnell sehe ich mich um und erkenne, dass mein Vater immer noch hier ist und mich teils besorgt, teils lächelnd, ansieht. Er ist hier, so wie er es versprochen hat. Dafür bin ich ihm wahnsinnig dankbar.

Allerdings verlässt er schnell mein Zimmer, als Schwester Joy Anstalten macht, mir mein Oberteil und die Hose auszuziehen. Er ist zwar mein Vater, aber das er mich fast nackt sieht, dass muss wirklich nicht sein. Früher, als kleines Kind war das noch okay, aber inzwischen wäre das sehr unangenehm. Und zum Glück sieht mein Vater das ganz genauso und geht runter frühstücken, bevor ich ihn bitten muss zu gehen. Schwallboss und Luna folgen ihm, um ebenfalls etwas zu Essen zu bekommen, einzig Lin-Fu und Schwester Joy bleiben im Zimmer. Während diese sich wieder um meine Wunden kümmert, legt mein Kampfpokémon sich mit einem Seufzen wieder an meine Füße und schließt erneut die Augen und ich betrachte sie nachdenklich. Lin-Fu geht es gut – aber wie geht es wohl Karnimani? Was macht er da draußen, so ganz alleine im Wald? Wie kommt er dort klar? Lassen ihn die wilden Pokémon in Ruhe? Geht es ihm gut, vielleicht sogar besser, als wenn ich bei ihm wäre? All diese Gedanken bringen mich zu einer wichtigen Frage: Werde ich Karnimani jemals wieder sehen? Denn der Simplex Wald ist groß, wenn er nicht gefunden werden will wird es schwer ihn zu finden. Und gesetzt dem Fall ich finde ihn, würde er weiterhin mit mir reisen? Oder genießt er sein Leben als freies Pokémon so sehr, dass er sich einfach weigern würde, wieder zu mir zurückzukommen?

Ein bitterer Geschmack breitet sich in meinem Mund aus und kurz bin ich froh, als Schwester Joy die Stimme erhebt und mich so aus meinen Gedanken reist. Allerdings nur kurz, denn die Schwester hält die beiden Schläuche fest, die ich mir gestern aus Hand und Unterleib gerissen habe, und sie sieht mich so vorwurfsvoll an, dass ich augenblicklich rot werde.

„Was hat das hier zu bedeuten, Svenja? Warum hast du die Kanüle und den Katheder entfernt? Dir ist bewusst, dass diese Dinge dazu da sind, deine Genesung voran zu bringen und zu deinem Wohlbefinden beitragen, oder nicht?“

„Äh hä… schon. Aber es ging nicht anders“, gebe ich zu und nehme ein noch tieferes Rot an, ich kann es spüren, so heiß wie mein Gesicht wird. Als Schwester Joy mich ungläubig ansieht, fahre ich schnell fort. „Also, gestern Nacht hatte ich wirklich großen Hunger und da dachte ich, ich könnte nach unten gehen, um mir etwas zu Essen zu holen. Aber da ich mich kaum auf den Füßen halten konnte, war klar, dass ich diesen Ständer, an dem all diese Schläuche dran sind, nicht hinter mir her ziehen kann, geschweige denn die Treppe runter. Also habe ich die zwei Dinger rausgezogen und bin dann runter. Tut mir leid, falls ich ihrer Behandlung damit geschadet habe“, sage ich kleinlaut.

Schwester Joy sieht mich durchdringend an, bevor sie nickt. „Ich verstehe. Allerdings hättest du doch auch einfach nach mir Klingeln können, dann hätte ich dir etwas zu Essen gebracht.

„Klingeln?“ Verwirrt sehe ich sie an.

Die Frau seufzt, bevor sie mir etwas in die Hand drückt, was sie zuvor von meinem Nachtisch nimmt. Es ist eine Fernbedienung mit mehreren Knöpfen. Einige scheinen den Fernseher dieses Zimmers zu bedienen, andere fahren den Rollladen der Zimmer rauf und runter, wieder andere schalten das Licht aus und an und unter einem roten, rautenförmigen Knopf in der Mitte der Fernbedienung steht tatsächlich in weißer Schrift `Schwester Joy´.

„Oh“, murmele ich nicht sehr geistreich.

Die Schwester schnaubt, bevor sie mir die Bedienung wieder wegnimmt und wieder auf den Nachtisch legt. „Ja, oh. Aber wenigstens weißt zu jetzt Bescheid. Ich werde dich jetzt noch mal gründlich versorgen, dir eine neue Kanüle und Katheder legen und dann bleibst du bitte in diesem Bett liegen. Falls irgendetwas sein sollte, du weißt ja jetzt ,wie du mich kontaktieren kannst.“

Ich nicke sofort und Schwester Joy sieht mich forschend an. „Keine nächtlichen Spaziergänge mehr?“

„Versprochen!“

Zufrieden nickend macht Schwester Joy sich an die Arbeit.
 

Eine Dreiviertelstunde später führen meine Eltern und ich eine Familienversammlung in meinem Krankenzimmer durch, nachdem jeder von uns etwas gegessen hat. Meine Mutter und mein Vater sitzen je rechts und links von meinem Bett auf einem Stuhl und gerade haben wir meinen Vater auf den neusten Stand gebracht, wie unser nächtliches Treffen abgelaufen ist. Jetzt drängt sich die Frage auf, wie es nun weiter gehen soll.

„Ich finde, ihr solltet wieder nach Hause fahren“, platzt es aus mir heraus.

Meine Eltern sehen mich mehr als überrascht an. „Was?“, fragt meine Mutter. „Aber warum sollten wir? Wir bleiben natürlich bei dir und stehen dir bei, Svenja.“

„Aber das müsst ihr nicht. Mir geht es gut und übermorgen darf ich ja ohnehin wieder gehen. Und die zwei Tage werde ich wohl einfach hier in diesem Bett verbringen und lesen oder so. Da müsst ihr wirklich nicht 24 Stunden pro Tag dabei sitzen, wenn ihr es euch auch zu Hause gemütlich machen könnt“, versuche ich sie zu beruhigen und sehe dabei zuerst meiner Mutter, dann meinem Vater ernst in die Augen. Er mustert mich nachdenklich, während meine Mutter total verständnislos aussieht. „Liebling, natürlich bleiben wir bei dir. Es geht dir nicht gut, du bist verletzt und da stehen wir dir bei.“

„Mir geht es aber gut. Ihr müsst nicht bei mir bleiben. Es wird bestimmt total langweilig für euch werden.“ Und außerdem wäre ich gerne alleine. Ich liebe meine Eltern, aber sie können auch anstrengend werden, vor allem meine Mutter, wenn sie sich langweilt. Und ich will nicht an dieses Bett gefesselt sein, während meine Mutter mich zu quatscht und betüttelt wie eine eigene Krankenschwester, weil sie sonst nichts hier zu tun hat. Ich will alleine sein. Ich brauche meine Ruhe. Um mich auszukurieren, aber vor allem um nachzudenken. Über Karnimani und mich.

Aber das kann ich ihnen natürlich nicht sagen, dass würde sie verletzen und das will ich nicht. Ich will niemals mehr mit meinen Eltern streiten, der Streit gestern hat mir für mein Leben gelangt.

„Ich verstehe“, unterbricht mein Vater auf einmal meine Gedanken und ich sehe verwirrt hoch. Was versteht er? Oh Arceus, das habe ich doch wohl nicht gerade alles laut gesagt, oder? Oh bitte nicht! Aber … wenn es so wäre, wäre meine Mutter nicht mehr so ruhig, sondern wohl wieder verletzt und wütend. Und das ist sie nicht. Sie sieht vielmehr so verwirrt aus wie ich mich fühle. „Was verstehst du?“, will sie dann auch wissen.

„Warum wir wieder nach Hause gehen werden. Wir respektieren deine Meinung, Liebling, wenn du also meinst, dass es für dich okay ist, wenn wir wieder nach Hause gehen, anstatt bei dir zu bleiben, dann werden wir nachher abreisen. Also lass uns unsere Sachen packen gehen, Maria, Liebste.“ Mein Vater steht auf und nimmt meine Mutter an die Hand. Die sieht ihn entgeistert an. „Aber –!“

Doch mein Vater schüttelt entschlossen den Kopf. „Ich erkläre es dir.“ Damit führt er meine ziemlich verwirrt und sprachlose Mutter aus dem Zimmer, doch bevor er die Tür hinter sich schließt, dreht er sich noch einmal kurz um und lächelt mir zu. Und ich lächle ihn dankbar zurück. Auch wenn ich nicht sage was in meinem Kopf vorgeht, mein Vater weiß trotzdem meist gut Bescheid, über was ich nachdenke. Das kann nervig sein, aber in solchen Fällen ist es hilfreich. Und ich bin sicher, er macht seinen Job als Psychologe gut, wenn er andere Leute auch so gut versteht wie mich. Ich kann das nicht beurteilen, ich war bisher noch nie bei ihm zur Behandlung. Auch wenn einige unserer Vater–Tochter Gespräche manchmal eher was von einer Sitzung hatten. Aber was solls, geschadet hat es mir ja nie.
 

Um fünf vor 9, eine dreiviertel Stunde nachdem meine Eltern aus dem Zimmer gegangen sind, kommen sie und ihre Pokémon wieder, um sich zu verabschieden. Beide ermahnen mich, mich ja zu schonen und von nun an besser auf mich aufzupassen und ich verspreche ihnen, dass ich das tun werde. Das scheint besonders meine Mutter zwar nur bedingt zu beruhigen, aber was soll ich machen? Mehr als auf mich Acht geben kann ich nicht. Ich verspreche ihnen auch, dass ich mich von nun an öfter melde und im Gegenzug versprechen sie mich anzurufen, sobald sie sicher zu Hause angekommen sind. Schließlich umarmen mich beide noch einmal, wobei meine Mutter fast weinen muss und wie das bei mir meist der Fall ist, will mein Körper sich sofort anpassen, als ich die Tränen in den Augen meiner Mutter bemerke. Heftig blinzle ich, um die Tränen zurückzudrängen und umarme meinen Vater, auch wenn es wehtut, weil die Narbe an meiner Brust durch das Hochbeugen so spannt. Gerade als ich mich wieder in mein Kissen sinken lassen will, flüstert mein Papa: „Und grüß Karnimani schön von uns. Ich hoffe, du findest ihn so schnell wie möglich. Aber wenn du ihn siehst, richte ihm aus, er soll dich nicht nochmal angreifen, sonst bekommt er es mit mir zu tun.“

Ich nicke, antworte leise „Mach ich“ und scheinbar zufrieden lässt mein Vater mich los, sodass ich mich wieder hinlegen kann.

Auch Luna, Schwallboss und Kitty verabschieden sich von mir, jedes auf ihre ganz eigene Weise. Luna stupst mir traurig fiepsend gegen die Nase, Kitty leckt mir einmal mit ihrer rauen Zunge quer übers Gesicht, sodass ich lachend ein paar Fellhaare ausspucken muss und Schwallboss gurrt leise, als er mir sanft zum Abschied ins Ohrläppchen kneift.

Aber nach einem letzten Streicheln über meinen Kopf ist meine Familie verschwunden und ich bin alleine. Abgesehen von Lin-Fu natürlich. Mal sehen wie lange es diesmal dauert und was passieren muss, bis meine Eltern mich das nächste Mal voller Sorge besuchen. Auch wenn ich ihnen mehr als dankbar bin, dass sie sich um mich gekümmert haben und mir sogar nachgereist sind. Das würden wahrscheinlich nicht alle Eltern machen.

Aber nun sind sie weg. Und ich habe jetzt zwei Tage Zeit mir Gedanken darüber zu machen, wie ich Karnimani wieder finden kann, ihn dazu bewegen kann, weiterhin mit mir zu reisen und im Allgemeinen unsere Beziehung zu verbessern. Na Prost Mahlzeit!
 

Die letzten zwei Tage habe ich dafür genutzt mir zu überlegen, wie ich meine Beziehung zu Karnimani verbessern kann. Da hat es sich hervorragend angeboten, dass ich schon die ganze Zeit über aufgenommen wurde und die Travel Trainer Sendung nach Ausstrahlung im Fernsehen auf PokéTube hochgeladen wird, sodass ich sie mir nun schön gemütlich auf meinem Handy ansehen kann, ohne dabei von Kameras beobachtet zu werden, denn diese dürfen in Krankenzimmer nicht hinein. Eigentlich ziemlich perfekt.

Und es war tatsächlich ziemlich aufschlussreich. Nicht nur, dass ich mir fast jeden Moment vom Beginn meiner Reise bis jetzt noch einmal ganz genau ansehen kann, ich kann auch die Reaktionen der Zuschauer auf mich und Karnimani lesen. Die sind zwar nicht durchweg positiv, einige machen sich über mich lustig, dass ich mich so von meinem Pokémon behandeln lasse und es nicht schon längst zurückgebracht habe, sie lästern, wie schwach ich doch wäre im Vergleich zu den anderen, doch zum Glück gibt es auch Leute, die mein Vertrauen in Karnimani und mein Durchhaltevermögen, sowie meine Toleranz bewundern. Als ich das lese, wird mir ganz warm ums Herz und ein glückliches Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht. Wenn so viele andere Menschen da draußen so handeln würden wie ich, dann kann das ja gar nicht so falsch sein, was ich bisher getan habe.

Eine weitere gute Sache ist mit Sicherheit die Tatsache, dass ich sehen kann, wer außer mir noch ein Travel Trainer ist. Und das Unglaubliche, ich kenne sie alle! Das andere Mädchen, es sind immer zwei Mädchen und zwei Jungs, ist ausgerechnet das, dass sich am Tag der Pokémonvergabe wie der Oberboss aufgeführt hat. Die rothaarige Jenni, die damals allen drohte, sie würde ihre ewige Rivalin sein, wenn jemand sich ein Wasserpokémon aussuchen würde und die ihre Drohung dann gegenüber Pablo auch sofort wahr machte. Ausgerechnet dieses arrogante Biest ist jetzt diejenige, die offiziell weiß, dass sie für die Sendung aufgenommen wird.

Das Schockierende ist, dass es einige Leute gibt, die sie mit ihrer ruppigen Art feiern und offen unterstützen. Na, das dürfte Jenni wohl noch mehr zum Höhenflug verleiten. Mit verkniffenem Gesicht muss ich mit ansehen, wie sie ein Pionskora fängt, während ich noch zu Hause bei meinen Eltern sitze, wie sich ihr Panflam nach einem heftigen Kampf weiterentwickelt, den sie natürlich haushoch gewinnt, und wie sie schlussendlich sogar ihren ersten Orden, den Basis Orden, erringt.

Wütend knete ich meine Decke. Diese verdammte Angeberin hat einfach schon ihren ersten Orden, während mein Starter mich immer noch nicht akzeptiert. Die einzige gute Erkenntnis, die mir das bringt, ist, dass ich wohl mit meinem Karnimani gegen das Quapsel dieses Mannes antreten muss, sollten wir es jemals schaffen, gegen einen Arenaleiter antreten zu können. Denn dafür müsste ich meine Echse erst mal finden und sie müsste mir im Kampf gehorchen. Und das erscheint mir mehr und mehr aussichtslos.
 

Der Junge, der ebenfalls wie ich offiziell nicht weiß, dass er aufgenommen wird, ist kein anderer als der weißhaarige Performer mit seinem aggressiven Endivie, die mich damals vor Professor Aquilons Labor angegriffen haben. Auch hat er sich in der letzten Folge, also gestern, ein Felilou gefangen und so wie es aussieht, liegt jedes einzelne Mädchen, dass diese Sendung sieht, diesem Valerian zu Füßen und betet ihn dort an. Zugegeben, er sieht wirklich gut aus, allerdings überhaupt nicht mein Typ, mal ganz davon abgesehen, dass er ein total kühler, arroganter Idiot ist und sich mir gegenüber wie der letzte Hinterwäldler benommen hat. Und so einer möchte König der Region werden. Na herzlichen Glückwunsch!

Aber dass, was mich am meisten schockiert ist die Tatsache, wer der letzte Travel Trainer ist, der offiziell weiß, dass er aufgenommen wird. Es ist kein anderer als Pablo! Und auch er hat außer seinem Schiggy noch einen weiteren Pokémon Partner, der sich ihm freiwillig angeschlossen hat. Es ist ein kleines Bluzuk, das scheinbar von seinen Artgenossen immer übergangen wurde und selber zu schwach war, um sich zu verteidigen. Anscheinend hat Pablo es gefunden und sich um es gekümmert und Bluzuk war ihm so dankbar, dass es sich ihm freiwillig anschloss.

Diese süße Geschichte freut mich ungemein, die Reaktionen darauf weniger. Die meisten lachen über Pablo, der nach ihrer Meinung genauso schwache Pokémon hat, wie der Trainer selbst schwach ist und viele machen sich über ihn lustig, vor allem über den Kampf gegen Jenni, den er verloren hat. Nur wenige finden es gut, dass es sich selbst um die Schwächsten kümmert. Über ihn scheinen die Zuschauer noch abfälliger zu denken als über mich und das will schon was heißen. Mich und Karnimani finden sie nämlich schon ziemlich lachhaft. Das macht mich so wütend, dass ich mein Handy fast im Aquarium des Zimmers ertränke und Schwester Joy mir doch tatsächlich ein Beruhigungsmittel geben will, damit ich mich wieder einkriege. Scheint als müsste ich hier wirklich schnell raus, sonst drehe ich noch durch. Ich muss Karnimani finden!
 

Aber nun ist es sieben Uhr, es ist der 7.6 und Lin-Fu und ich sind Abmarsch bereit und darauf vorbereitet, den ganzen Wald nach Karnimani umzugraben, wenn nötig. Auch wenn ich hoffe, dass wir ihn finden, bevor ich eine Schaufel in die Hand nehmen muss, denn sportliche Betätigung funktioniert mit meiner Narbe nicht so gut. Sobald ich heftiger anfange zu atmen, spannt die Narbe an meiner Brust schmerzhaft und da ich noch nie eine besonders gute Kondition hatte, geschieht das relativ schnell, wie ich gestern fest gestellt habe, als ich nach zwei Tagen Bettruhe wieder aufstehen durfte. Auch die an meinem Unterschenkel schmerzt, wenn ich Treppen gehe und Schwester Joy hat mir gesagt, dass ich mir nicht so viele Hoffnungen machen sollte, dass .das nochmal besser wird. Es ist unwahrscheinlich, dass ich mich nochmal so uneingeschränkt bewegen kann wie vorher. Also werde ich lernen müssen, damit zu leben, meinen Körper nicht zu sehr anzustrengen und Treppen zu umgehen. Das einzig Gute ist, dass die Quetschung an meinem linken Arm durch Karnimanis Biss zurück geht, sie ist zwar immer noch dunkelblau, aber diese wird wohl keine rückbleibenden Schäden hinterlassen. Sagt zumindest Schwester Joy und die sollte es ja wissen.

Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass Schwester Joy einfach so in mein Zimmer stürmt ohne anzuklopfen und erschrecke auch nicht, dass sie das eine Minute nach sieben Uhr auch tut. „Guten Morgen, Svenja“, ruft sie fröhlich und ich erwidere es ebenso fröhlich. Ich habe ja auch allen Grund dazu, immerhin darf ich heute endlich gehen und werde entlassen.

Ein letztes Mal entfernt Schwester Joy die Verbände von meinen Narben, die wirklich gut zusammengeheilt sind, auch wenn sie nicht schon aussehen. Die sind groß, wulstig und heben sich dunkel von meiner hellen Haut ab. Außerdem sitzen sie nicht gerade an unauffälligen Stellen und für einen Moment möchte ich weinen, als ich sie sehe, denn es ist das erste Mal, dass ich das tue. Vorher hat Schwester Joy mit immer direkt einen neuen Verband drum gemacht, bevor ich die Chance hatte die Narben zu sehen. Vermutlich weil sie wusste, dass ich dann ziemlich entsetzt reagieren würde. . Jeder wird die Narben sehen, ich werde sie nie mehr los und für immer entstellt bleiben. Ich müsste mich schon in einen Ganzkörperanzug zwängen, damit man die Narben alle nicht mehr sieht.

Doch Schwester Joy unterbricht mich erfolgreich in meine Selbstmitleid, als sie mir eine Wundheilsalbe gibt und mir erklärt, dass ich damit jeden Abend für zehn Minuten lang die Narben massieren soll, damit sie weich bleiben und nicht so sehr spannen, außerdem würden damit auch diese Auswulstungen zurück gehen. Dann gibt sie mir noch eine andere Creme, die ich ebenfalls jeden Abend dünn auf die Narben auftragen soll, dadurch würden sie verblassen. Das klingt doch erfreulich, als hätte sie gerade meine Gedanken gelesen.

Als drittes und letztes gibt sie noch ein Kühlmittel für den Biss, dann sind wir entlassen. Ich gebe Schwester Joy den Zimmerschlüssel zurück und sie wünscht mir im Gegenzug viel Erfolg und Spaß auf meiner Reise und das ich Karnimani bald finde. Ich glaube, sie guckt auch die Sendung. Wie sonst sollte sie von Karnimani wissen? Ich jedenfalls habe ihr nicht von ihm erzählt.
 

Langsam gehe ich die Treppe runter und will noch etwas Essen, bevor Lin-Fu, die neben mir läuft, allzeit bereit mich auf zu fangen, sollte ich schwächeln, und ich in den Simplex Wald gehen. Ich laufe nach links und erblicke die nächste Überraschung: Oxana und Zac, die nebeneinander an einem Tisch sitzen und breit lächeln und mich zu ihnen winken, sobald sie sehen, dass ich sie sehe.

„Was macht ihr denn hier?“, frage ich überrascht und während Zac mich auf den Stuhl neben sich zieht, schiebt Xanny mir ein Tablett mit Kakao, Brötchen und meiner Lieblingsmarmelade, Magostbeeren, zu.

„Wir wollen natürlich wissen, wie es dir geht“, antwortet Xanny mir lächelnd und schiebt meinem Lin-Fu auch gleich einen gefüllten Futternapf zu, über den sie sich sofort hermacht.

„Und wie es weiter geht“, fügt Zac hinzu.

Ich setzte mich, schnappe mir ein Brötchen und bestreiche es mit Marmelade, während ich antworte: „Das ist sehr süß von euch. Also, mir geht es eigentlich wieder ganz gut, auch wenn ich wohl nie mehr so viel Sport machen kann wie vorher, weil dann die Narben schmerzen und spannen. Aaaber… da ich noch nie eine Sportskanone war, könnte es definitiv schlimmeres für mich geben als das.“ Leicht verlegen grinse ich und Xanny kann nicht anders als über meinen schrägen Humor den Kopf zu schütteln. Wie hässlich die Narben sind, muss ihnen nicht sagen und will ich auch gar nicht, außerdem können sie die Narbe an meinem Schlüsselbein wohl ohnehin sehen. Leider.

„Klingt so, als würde es dir wirklich schon besser gehen“, stellt Zac ebenfalls kopfschüttelnd fest. „Da bin ich echt erleichtert.“

„Keine Sorge, mir geht es wirklich wieder besser“, beruhige ich sie und beiße in mein Brötchen.

„Und wie wirst du jetzt weiter vorgehen?“, fragt Zac neugierig, als ich gerade hungrig einen zweiten Bissen von meinem Essen nehme. Wissbegierig sieht er mich an und ich kaue schneller, um ihm zu antworten, komme aber gar nicht dazu, denn da fährt er schon fort: „Denn weißt du, wir beide können dir helfen. Ich weiß, es hat bisher nicht so den Anschein gemacht, weil wir die letzten Tage nach Karnimani gesucht haben und keinen Erfolg hatten, aber wenn du unsere Hilfe brauchst, sind wir natürlich für dich da. Ich will dir wirklich helfen, ich bin ja schließlich irgendwie auch schuld daran und außerdem … sind wir doch Freunde, oder nicht?“ Er wird leicht rot um die Nase und kratzt sich im Nacken, doch gerade als ich ihm sagen will, das wir natürlich Freunde sind, bei alldem was wir in den Tagen, die wir uns kennen schon erlebt haben, fährt Xanny fort: „Und ich werde dir auch helfen wo ich nur kann, ich bin immerhin deine beste Freundin!“

Endlich komme ich auch mal zu Wort, bin aber zu gerührt von diesen beiden, sodass ich mich erstmal umständlich räuspern muss, bevor ich krächzen kann: „Danke. Ich seid wirklich die besten Freunde, die man sich wünschen kann. Danke, dass ich euch kennenlernen durfte und ihr so seid wie ihr seid. Und ich bin euch so dankbar, dass ihr das alles für mich getan habt.“

Xanny lächelt mich an und Zac wendet sich verlegen ab. Aber meine nächsten Worte bringen die beiden dazu, mich verständnislos anzusehen. „Aber ihr könnt nicht mit mir kommen.“

„Was?“

„Aber warum nicht?“

„Du hast doch gerade gesagt–“

„Ich weiß, was ich gerade gesagt habe und ich habe es auch genauso gemeint“, unterbreche ich die Rufe der beiden. „Aber ihr könnt mich nicht begleiten. Ich vermute, dass Karnimani sich niemand anderem als mir zeigen wird. Ich glaube, es tut ihm leid, was er mir angetan hat und er schämt sich vielleicht auch. Ich habe in den letzten Tagen viel Zeit gehabt nachzudenken und dabei ist mir wieder in den Sinn gekommen, wie entsetzt er mich angesehen hat, kurz bevor ich in Ohnmacht gefallen bin. Es war fast so, als wäre er aus seinem Rausch erwacht und hätte erkannt was er getan hat und das hat ihm, glaube ich, nicht gefallen. Außerdem ist mir auch eine Idee gekommen, wie ich ihn vielleicht zum Mitkommen bewegen kann, aber das muss ich alleine ausprobieren, weil ich nicht weiß, wie er reagieren wird.“ Dass mir das alles nur aufgefallen ist, weil ich mir meine Reise durch die Sendung nochmal ansehen konnte, kann ich ja schlecht gegenüber Zac und den Kameras, die mich ganz sicher gerade jetzt aufnehmen, sagen.

„Aber Sweety, das kann doch nicht dein Ernst sein“, fängt Oxana leicht verzweifelt an, doch ich unterbreche sie, indem ich ihre Hand in meine nehme. „Doch, Xanny, das ist mein voller Ernst. Ihr seid meine Freunde, du bist schon immer meine beste Freundin gewesen und ich will nicht, dass ihr euch meinetwegen in Gefahr begebt. Das habt ihr schon viel zu lange getan, als ihr für mich nach meinem Partner gesucht habt. Aber damit muss jetzt Schluss sein. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Karnimani euch genauso verletzt wie mich. Karnimani ist mein Pokémon, wenn er mich angreift ist das etwas anderes, als wenn er euch angreift. Aber auch wenn er mein Partner ist, kann ich ihn nicht einschätzen. Ich weiß nicht, wie er reagieren wird, wenn ich ihn finde. Vielleicht will er alleine sein und greift wieder an. Ich will nicht, dass ihr verletzt werdet, vor allem du nicht Xanny. Du hast ja noch nicht mal Pokémon, die dich beschützen könnten. Aber selbst wenn es so wäre … ihr seid meine Freunde und ich will nicht, dass euch meinetwegen oder wegen meinem Pokémon etwas passiert. Also werde ich alleine nach Karnimani suchen und ihr bleibt hier, in Sicherheit.“ Intensiv sehe Xanny in die saphirblauen Augen und versuche ihr begrifflich zu machen, warum ich nicht will das sie mitkommt. Es wäre zu gefährlich. Ich habe Angst um sie. Um sie beide – sowohl um Zac als auch um Xanny. Nicht nur Karnimani könnte sie angreifen, auch die ganzen Pokémon im Simplex Wald würden das tun. Ich bin schon ein zu hohes Risiko eingegangen, als ich sie gebeten habe, die letzten Tage nach Karnimani zu suchen. Ich kann nicht noch mehr von ihnen verlangen.
 

Nach einigen Momenten, in denen Xanny mir forschend in die Augen gesehen hat und keiner von uns auch nur geblinzelt hat, wendet sie sich ab und Zac zu. Nun sehen diese beiden sich in die Augen, es ist fast als würden sie sich so wortlos unterhalten wie Xanny und ich es gerade getan haben und ich blinzle erstmal heftig gegen meine brennenden Augen an, weil ich ja gerade einige Zeit nicht geblinzelt habe, die dann auch prompt zu tränen anfangen.

Doch da nickt Zac Xanny zu und die beiden sehen mich an. Ich streiche mir die Tränen aus den Augenwinkeln, dann seufzt Zac: „Also gut. Wenn du alleine nach Karnimani suchen willst, dann akzeptieren wir das.“

Ich will die beiden schon dankbar umarmen, doch Zac unterbricht mich mit erhobener Hand. „Aber nur vorerst. Wir werden am Rand des Simplex Waldes auf dich warten und wenn du bis heute Abend um“, kurz wirft er einen Blick auf die Uhr, „8 Uhr nicht wieder zurück bist, dann werden wir dich suchen, ob es dir nun passt oder nicht. Es ist jetzt 7:30 Uhr, du dürftest also Zeit haben, ihn zu suchen. Aber wehe, dir passiert etwas da drin, dann mache ich dich persönlich dafür verantwortlich, ist das klar, Svenja?“ Er versucht mir zu drohen, aber mir ist klar, dass er das nur tut, weil er besorgt um mich ist und das rührt mich zutiefst. Nun springe ich doch auf und ziehe beide in eine heftige Umarmung. „Ihr seid die besten Freunde, die man sich wünschen kann. Danke dafür.“

Verzeihen ist schwer, Vertrauen noch viel mehr

Verzeihen ist schwer, Vertrauen noch viel mehr
 

Es ist fünf vor 8 Uhr, als Xanny, Zac, Lin-Fu und ich am Rande des Simplex Waldes stehen und in die undurchdringliche Schwärze des Waldes sehen. Und dass, obwohl es schon hell ist. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wie ich Karnimani in dieser Dunkelheit finden soll, aber ich lasse mich nicht entmutigen. Entschlossen drehe ich mich zu meinen Freunden um und umarme sie noch einmal.

„Denk dran, dass du dich bis um 20 Uhr bei uns gemeldet haben musst, sonst suchen wir dich“, erinnert mich Zac und sieht mir prüfend, ob ich das wirklich verstanden und mich daran halten werde, in die türkisblauen Augen.

Ich nicke beruhigend.

„Bist du sicher, dass wir dich wirklich nicht begleiten sollen?“, fragt Xanny erneut und blickt mich aus ihren großen blauen Augen sorgenvoll an.

„Ja, ganz sicher. Das muss ich alleine machen.“

„Lin-Fu, Fu!“, kommt es empört von meinem Kampf Pokémon und ich lächle sie an. „Aber ich bin ja auch nicht alleine, Lin-Fu ist schließlich bei mir. Sie wird auf mich aufpassen.“

Lin-Fu nickt zustimmend und mit todernstem Blick, sodass wir drei Menschen grinsen müssen.

Dann fasst Xanny in ihre Handtasche und drückt mir schließlich etwas in die Hand. „Dann nimm wenigstens diese Taschenlampe. Damit ist schon mal garantiert, dass du nicht gegen den nächsten Baum läufst in dieser Dunkelheit, die im Simplex Wald herrscht.“

„Danke, Xanny“, meine ich ehrlich und lächle sie dankbar an, als ich die Taschenlampe nehme. „Auch wenn ich mir da bei meinem Talent nicht so sicher wäre, dass eine Taschenlampe ausreicht.“ Ich ernte nur halbherziges Lachen für meinen Witz, was mir zeigt, wie besorgt die Beiden um mich sind. Darüber, was mir im Wald passieren könnte und wie Karnimani reagieren wird, falls ich ihn finde.

Bevor auch ich wieder in Sorgen versinke, winke ich den beiden noch einmal zu, dann drehe ich mich um, schalte die Taschenlampe an und Lin-Fu und ich betreten den Simplex Wald.
 

Wir wandern schon fast eine viertel Stunde im Schein der Taschenlampe durch den Wald und bisher ist uns noch kein Pokémon begegnet– weder Karnimani noch ein wildes. Dafür habe ich festgestellt, dass diese Taschenlampe großartig ist. Sie hat zwei Modi, entweder stellt man sie so ein, dass sie bis zu 250 Meter weit leuchtet, das ist dann allerdings nur ein dünner Strahl, oder man stellt sie so ein, dass sie breitflächig alles im Umkreis von 20 Metern ausleuchtet. Da hier sowieso alle paar Meter Bäume wachsen, wäre der 250 Meter Modus ziemlich ungenutzt und so habe ich den anderen drin.

Doch auch wenn ich nun alles um mich herum sehe, etwas beunruhigt mich. Wir sind einem Wald voller Pokémon, aber es trotzdem total still. Man hört nur meinen Atem, Lin-Fus Atem und meine Schritte auf dem Waldboden. Es ist zu still.

Auch Lin-Fu, die links neben mir läuft, sieht sich immer wieder unruhig um, was sich auch auf mich überträgt. Kein Wunder also, dass ich fast einen Meter in die Luft springe, als auf einmal aus dem Busch direkt neben mir ein Zischeln ertönt.

Lin-Fu stellt sich schützend vor mich, während ich einen Schritt nach hinten trete, als sich ein schwarzes schlangenähnliches Pokémon aus dem Unterholz windet. Es sieht uns aufmerksam an, während es mit seiner Zunge die Luft kostet. Kann es meine Nervosität riechen und wie sehr ich eben erschrocken bin?

Da es nicht den Anschein macht, als würde das Pokémon uns angreifen, zücke ich meinen Pokédex und richte ihn auf das Pokémon.
 

„Vipitis, das Reißzahn Pokémon. Die Narben auf seinem Körper zeugen von den harten Kämpfen gegen seinen Erzfeind Sengo. Es greift Gegner mit seinem Schweif an, kann sie aber auch mit Gift bespritzen. Bei Beutesuche wartet es im Gras und greift die ahnungslose Beute mit seinen Giftzähnen an.“
 

Als hätte das Pokémon nur auf diesen Satz gewartet, richtet es sich aufs Stichwort zu seiner vollen Größe auf, was bei fast 3 Metern verdammt angsteinflößend ist, dann stürzt es sich fauchend auf Lin-Fu.

Die reagiert Arceus sei Dank schnell genug und wirft sich zu Seite, ist aber gleich darauf wieder auf den Beinen und motzt wütend: „ Lin Lin Lin-Fu!“

„Okay, Lin-Fu, dieses Pokémon will anscheinend einen Kampf. Dann soll es den bekommen, was meinst du?“, rufe ich entschlossen und mein Kampf Pokémon sieht mich zustimmend nickend an. „Lin-Fu, setzt Pfund ein.“

Mit einem lauten Kampfschrei stützt sich mein Pokémon auf das Vipitis und trifft es.

„Tiiisss“!, schreit das Pokémon getroffen auf und zieht sich etwas zurück, bevor es sich umdreht und mit seinem schwarzen Schweif nach Lin-Fu schlägt. Das Gift tropft fast von der Schwanzspitze, als sie sich in Lin-Fus Bauch bohrt und ich schreie erschrocken auf, genauso wie mein Pokémon, auch wenn sie wohl eher vor Schmerzen schreit. Hoffentlich ist sie nicht vergiftet, dass würde das Ende bedeuten!

„Lin-Fu!“, rufe ich besorgt und mache einige Schritte auf sie zu, doch mein Kampf Pokémon schüttelt den Kopf– und das nicht langsam, sondern in normaler Geschwindigkeit, was mir zeigt, dass das Gift nicht in ihren Körper eingedrungen ist und sie nun von Innenheraus schwächt. Jetzt muss ich nur darauf achten, dass das nicht noch passiert.

Ableithieb würde bei einem Gift Pokémon leider kaum Schaden machen, also bleibt mir nichts anderes übrig, als wieder Pfund als Angriff zu befehlen.

Doch dieses Mal ist Vipitis schlauer, denn sobald Lin-Fu nah genug herangekommen ist, holt es erneut mit seinem Schweif aus und nur meinem panischen Warnruf und Lin-Fus schneller Reaktion ist es zu verdanken, dass sie aus dem Weg springen kann. So schlägt der vergiftete Schweif Vipitis in den Boden und man hört das Zischen, als das Gras des Waldbodens durch die Berührung mit dem Gift verätzt.

„Noch einmal, Lin-Fu, Pfund!“ Wenn das wieder daneben geht, muss ich mir etwas anderes überlegen.

Doch dieses Mal trifft sie.

Gerade will ich zum nächsten Angriff übergehen, als ich aus dem Busch neben mir ein furchterregendes Fauchen höre. Während ich leise aufschreie vor Schreck und von der Hecke weg springe, wendet sich Vipitis wie hypnotisiert von Lin-Fu ab, richtet sich zu seiner vollen Größe auf und zischt laut den Busch an. Dieser wackelt und dann springt mit einem laut gebrüllten „Sengo!“ eben dieses Pokémon daraus hervor und stürzt sich auf Vipitis, was sich sofort um dessen Körper wickelt und es zu Zerquetschen droht.

Allerdings nicht lange, denn da hat Sengo Vipitis schon an seinem Schweif gepackt und gegen den nächsten Baum geschmettert.

Vipitis kommt nur langsam wieder hoch, es ist von unserem Kampf gerade eben ja schon geschwächt und so kann sich das Sengo leicht auf Vipitis stürzen.
 

Langsam und möglichst leise weiche ich zurück, nach hinten zwischen die Bäume. Ein auffordernder Blick zu Lin-Fu, die bis gerade noch die beiden kämpfenden Pokémon beobachtet hat, und sie tut es mir nach. Lautlos schleichen wir uns davon. Würden wir jetzt Geräusche machen, wäre uns die Aufmerksamkeit dieser beiden Pokémon sicher und das wäre ungünstig, um es vorsichtig auszudrücken. Sobald wir die beiden Pokémon, die sich da bekriegen, nicht mehr sehen, sondern nur noch kämpfen hören, drehen wir uns um und rennen, was das Zeug hält.
 

Zumindest versuche ich es. Meine Narbe am Bein schmerzt nach kürzester Zeit so sehr, als würde sie wieder aufreißen, wenn ich noch einen weiteren Schritt mache und ich keusche wie eine altersschwache Dampflock. Bei jedem Atemzug zieht ein brutaler Schmerz durch meine Brust, weshalb ich versuche, flach zu atmen, was allerdings im krassen Gegensatz dazu steht, dass mein Körper durch das Rennen nach einer großen Menge an Sauerstoff verlangt.

Besorgt sieht Lin-Fu zu mir, während sie neben mir her joggt. Eigentlich ist das schon erbärmlich, dass ich mir den Hintern abrenne und sie einfach nur neben mir her joggen muss. Ich versuche nämlich in einem komischen Gang zu rennen, ohne mein Bein zu sehr zu belasten. „Geht… schon“, stoße ich mühsam hervor und blinzele, um die schwarzen fliegenden Punkte in meinem Blickfeld zu vertreiben. Ich weiß nicht, wie weit wir schon gerannt sind, aber es können nicht mehr als zwei Minuten vergangen sein, seit dem wir losgelaufen sind. Das ist eine schwache Leistung, selbst für ein unkonditioniertes Mädchen wie mich. Früher habe ich es immerhin geschafft, zehn Minuten lang durchzulaufen. Das ist immer noch nichts im Vergleich zu anderen Leistungen von Gleichaltrigen, aber Sport, gerade solcher, wo ich viel laufen muss, hat mich noch nie interessiert. Und das rächt sich jetzt endgültig, auch wenn meine Narben auch einen großen Teil zu meiner jetzigen Situation beitragen.

Keuchend und ächzend vor Sauerstoffmangel und Schmerzen halte ich mich an einem Baum fest, um nicht umzukippen, und bleibe erschöpft stehen.

Lin-Fu, die schon vorgelaufen war, kommt zurück geeilt, bleibt vor mir stehen und fragt leise: „Fu?“

„Kann… doch… nicht… mehr“, schnaufe ich abgehackt und hole nach jedem Wort zittrig Luft.

Lin-Fu nickt verstehend und sieht sich aufmerksam nach wilden Pokémon um, während ich, dankbar, dass sie das Aufpassen übernimmt, kurz die Augen schließe und versuche meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen.
 

Ich gönne mir fünf Minuten, bevor ich langsam die Augen wieder öffne. Anfangs muss ich mich noch an meinem Baum festhalten, weil alles so schwankt, dass ich denke, ich werde gleich seekrank, doch irgendwann geht es. Jetzt weiß ich, wie es Zac auf dem Schiff ging. Darum ist er wirklich nicht zu beneiden.

„Fu?“, fragt Lin-Fu leise und lenkt mich so effektiv ab.

„Geht schon. Ich muss mich nur kurz ausruhen“, hauche ich ihr zu und lächle sie beruhigend an. Plötzlich spüre ich, wie etwas über meine Hand, mit der ich mich an dem Baum abstütze, kriecht und sie voll schleimt. Mein Nacken kracht, so hektisch sehe ich auf meine Hand und erblicke ein graues, wurmartiges Pokémon auf meiner Hand. Wie von Sinnen kreische ich los und schleudere das Pokémon von mir.

„Purmel!“, schreit das Pokémon auf und landet im nächsten Gebüsch.

Hektisch atme ich ein und aus und wische meine Hand, die voll von schwarzem Puder ist, notgedrungen an meinem Bein ab, wobei ich darauf achte, meinen weißen Rock nicht zu berühren, sonst ist der gleich ruiniert.

„Lin-Fu?“, fragt mein Pokémon besorgt und berührt mich am nackten Arm.
 

Bevor ich antworten kann, springt das Pokémon, umhüllt von einer Wolke schwarzen Puders, aus dem Busch. Die schwarze Wolke fliegt auf Lin-Fu zu, die das einatmet und niesen muss. Aber seltsamerweise bewegt sie sich sehr langsam dabei. Ist sie etwa von einem Status Problem befallen?

Doch darum kann ich mir keine Gedanken machen, da dieses Pokémon sich für einen weiteren Angriff bereit macht. „Lin-Fu, dieses Pokémon scheint einen Kampf zu wollen. Dann geben wir ihm einen. Pfund!“

Lin-Fu läuft los… allerdings ist sie so langsam, dass das Pokémon leicht aus dem Weg hüpfen kann. Scheinbar ist Lin-Fu wirklich paralysiert. Egal, wie sehr sie sich anstrengt, sie kann sich nicht schneller bewegen.

Dann spuckt das wilde Pokémon auch noch einen klebrigen Faden, mit dem es Lin-Fu in Sekundenschnelle einspinnt. Ihre Arme sind an ihren Körper gefesselt, ihre Beine zusammen gesponnen. Selbst ihr Mund ist zu geklebt.

„Lin-Fu, kannst du dich befreien? Bitte, versuch den Faden zu zerreißen“, rufe ich ihr zu und Arceus sei Dank schafft sie es sich aus dem Faden zu befreien. Da Ableithieb als Kampf Attacke wieder wenig gegen ein Käfer Pokémon machen würde, wonach dieses Pokémon extrem aussieht, befehle ich wieder Pfund.

Auch wenn Lin-Fu sehr langsam ist, diesmal trifft sie das Pokémon und das so heftig, dass es einige Meter zwischen den Bäumen hindurch fliegt. Lin-Fu sieht mich triumphierend an, allerdings nicht für lang, da schießt aus dem Dunkeln der Bäume ein seidener Faden, der sich an mein Pokémon heftet. Dann hört man ein „Puu!“ und das Pokémon schießt wie gezogen an dem Faden entlang, der in seinem Mund endet.

Irgendwie mehr irritiert als verletzt, stolpert Lin-Fu einige Schritte zurück, bevor sie das graue Pokémon, was sich gerade an ihre Brust klammert, von sich reißt, in die Luft schmeißt und dann mehrmals schlägt, jeweils von links nach rechts und rechts nach links und das dreimal, bevor die Paralyse ihre volle Wirkung zeigt. Egal wie sehr sich Lin-Fu anstrengt, sie kann sich nicht bewegen. Ich sehe die Muskeln unter ihrem Fell unkontrolliert zucken, Lin-Fu zittert und keucht in dem Versuch, ihren widerspenstigen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Aber es gelingt ihr nicht und so hat der Gegner genug Zeit, sich von Lin-Fu zu entfernen und zu sammeln.
 

Ich selbst bin total verwirrt. Was für besondere Pfund-Attacke war das denn?

Die Antwort gibt mir mein Pokédex, indem er vibriert und blinkt. Schnell hole ich ihn aus meinem türkisfarbenen Rucksack, wobei ich einen aufmerksamen Blick auf die beiden Pokémon werfe. Lin-Fu schnauft immer noch und hat mit ihren kontrahierenden Muskeln zu kämpfen und das Wurmpokémon taxiert sie momentan nur, ohne anzugreifen. Zum Glück scheint es nicht besonders schlau zu sein, sonst würde es diese Situation ausnutzen. So aber habe ich Zeit, mir die Seite über Lin-Fu von meinem Pokédex anzeigen zu lassen. Und unter Attacken steht doch tatsächlich als neu erlernte Attacke Duplexhieb!

Überrascht sehe ich zu meinem Kampf Pokémon, die es endlich geschafft hat, sich wieder zu bewegen und mich nun ansieht. „Lin-Fu… du hast gerade Duplexhieb erlernt!“, rufe ich erstaunt.

„Fu!“, antwortet sie, allerdings klingt sie ziemlich erschöpft. Kein Wunder, sie ist im Kampf gegen ihren widerspenstigen Körper. Daher sollten wir diesen Kampf schnell beenden.
 

„Kannst du es nochmal für mich einsetzen?“, bitte ich Lin-Fu.

Die nickt und läuft langsam auf den Gegner zu.

Der hatte allerdings genug Zeit, sich in Sicherheit zu bringen und zieht sich so an einem Faden aus der Gefahrenzone. Dann spuckt es wieder einen Faden gegen Lin-Fu und zieht sich daran auf Lin-Fu zu. Dieses Mal ist der Angriff aber längst nicht so stark und Lin-Fu zieht das Pokémon wieder von sich, wirft es in die Luft, dann schlägt sie dagegen und das Pokémon fliegt mit einem langgezogenen „Puuurmeeel!“ wieder in einen der Büsche, aus dem es kam.
 

Erschöpft schnaufend sehen Lin-Fu und ich uns an, dann beginnen ihre Beine zu zittern und sie fällt dort, wo sie stand, zu Boden.

„Lin-Fu!“ Schnell eile ich zu ihr und knie mich neben sie. Die Paralyse scheint sie komplett zu lähmen, das einzige, zu dem sie noch fähig ist, ist zu blinzeln.

„Warte kurz, ich glaube, meine Eltern haben mir Hyperheiler eingepackt. Damit kann ich deine Paralyse heilen“, versuche ich sie zu beruhigen, obwohl ich selbst total in Sorge bin. Wenn uns jetzt ein Pokémon angreift, sind wir verloren. Lin-Fu wird uns nicht verteidigen können, sie kann sich ja gerade kaum bewegen. Gehetzt durchwühle ich meinen Rucksack und hole dabei immer mehr Dinge ans Licht, die ich gerade nicht gebrauchen kann. Aber da ist nichts, womit ich Lin-Fu helfen könnte.

Auf einmal höre ich ein Fauchen, was mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich meine mich zu erinnern, es vorher schon mal gehört zu haben. Es scheint aus der Richtung zu kommen, aus der wir vorher abgehauen sind. Kommt uns Vipitis etwa hinterher?

Plötzlich stößt Lin-Fu ein panisches Schnauben aus und sieht mit weit aufgerissenen Augen in die Richtung aus der das Fauchen kam. Dann sieht sie mich an und ruft hektisch: „Fu Fu Fu!“

„Ich beeile mich ja schon. Weißt du, was da kommt?“, frage ich und wühle in leichter Panik im Rucksack rum. Ich hätte ihn mir ansehen und sortieren sollen, ganz eindeutig.

Endlich habe ich etwas gefunden, mit dem sich vielleicht etwas anfangen lässt: Ein Trank! Er würde zwar nicht Lin-Fus Paralyse heilen, aber wenigstens wäre sie dann wieder voll bei Kräften. Vorsichtig stütze ich Lin-Fu und halte den Trank, während sie die Flüssigkeit darin trinkt.

Danach scheint es ihr auch besser zu gehen, aber die Paralyse ist immer noch nicht besiegt. Und gerade jetzt hören wir das Fauchen erneut- lauter, näher und wütender als vorher!

Mühsam gegen die Paralyse ankämpfend kommt Lin-Fu auf die Beine und stellt sich vor mich. Langsam dreht sie sich so, dass sie die Richtung, aus der das Fauchen kam, sehen kann.

Panisch durchwühle ich immer schneller meinen Rucksack. Fressnäpfe, Wechselsachen, das E-Book, aber kein Hyperheiler, mit dem ich Lin-Fu helfen könnte. Plötzlich höre ich das nahe Rascheln eines Busches, dann erklingt ein wütend gefauchtes „Sengo!“

Lin-Fu macht sich noch größer vor mir und schützt mich so vor dem Blick des Pokémons, damit das nicht noch auf die Idee kommt, mich anzugreifen. Bedrohlich schreit sie dem anderen Pokémon „Lin-Fu!“ entgegen. Was für ein Pokémon ist das? Der Ruf kommt mir bekannt vor, als hätte ich ihn vorher schon einmal gehört. Sengo... war das nicht der absolute Todfeind von Vipitis? Ist das etwa das Sengo von vorhin? Hat es uns verfolgt, nachdem es Vipitis fertig gemacht hat?

Durch Lin-Fus Körper geschützt suche ich versucht leise nach einem Hilfsmittel. Denn paralysiert wird ein Kampf für Lin-Fu schwer werden.
 

Weil ich mit dem Rücken zu Lin-Fu knie, kann ich nicht sehen wie sie angegriffen wird, aber ich spüre die Vibration des Bodens, als das Sengo losrennt und dann höre ich den Schmerzensschrei von Lin-Fu.

Verzweifelt suche ich weiter, meine Hände zittern inzwischen schon vor Panik, was mir natürlich nicht hilft. Aber ich sehe eben nicht, was vor sich geht, ich höre nur Lin-Fus schmerzverzerrtes Keuschen. Und endlich scheine ich etwas gefunden zu haben. Den Hyperheiler. Erleichtert drehe ich mich um und sehe gerade noch, wie das rot-weiße Pokémon mein Lin-Fu über die Brust kratzt.

„Liin!“

„Lin-Fu, ich habe etwas gegen deine Paralyse!“ Schnell laufe ich zu ihr und sobald ich auf einer Nähe von zwei Metern bin, beginne ich das Spray zu sprühen.

Währenddessen greift Sengo sie schon wieder an.

Doch plötzlich streckt sich Lin-Fu, springt in die Höhe und ruft laut: „Lin-Fu!“ Scheinbar wirkt das Spray sehr schnell, denn Lin-Fu scheint nicht länger paralysiert zu sein.

Sengo scheint Lin-Fus Ausbruch so erschreckt zu haben, dass es einen Satz nach hinten von ihr weg macht und sich vorsichtig zu Boden kauert.

Auch ich mache einen Schritt nach hinten, denn jetzt beginnt der Kampf zwischen den zwei Pokémon und da will ich definitiv nicht dazwischen geraten.
 

Wieder greift Sengo an, seine Klauen zielen auf Lin-Fus Augen, während es finster die Zähne bleckt, doch jetzt hat Lin-Fu ihre normale Schnelligkeit wieder und kann sich so weg ducken.

„Lin-Fu, Ableithieb! Zeig, was du kannst.“

Sofort schlägt Lin-Fu, die ja noch direkt neben Sengo stand, zu, wobei ihre Faust von einer grünen Aura umgeben ist. Als sie damit Sengo trifft, wird auch Sengo kurz von einer grünen Aura umhüllt, die auf Lin-Fu übergeht. Mit meinen eigenen Augen sehe ich, wie sich die Wunden von Lin-Fu schließen und dafür Sengo die Augen verdreht und zusammen bricht. Haben wir es wirklich mit einem Schlag besiegt?

Lin-Fu sieht genauso erstaunt wie ich zu dem am Boden liegenden Pokémon, was vor Schwäche nur schwach atmet.

„Lin-Fu, das war... geht es dir gut?“ Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Das Lin-Fu so stark ist und mit einem Angriff das Sengo besiegt hat, überrascht mich ziemlich. Ich hätte nie gedacht, dass sie es schaffen kann, ein Pokémon mit nur einem Schlag zu besiegen.

„Fu?“, fragt Lin-Fu leise und tritt neben mich.

Noch immer fassungslos sehe ich auf das flachatmende Sengo, bis ich mich von seinem Anblick losreißen und Lin-Fu ansehen kann. „Lass uns weitersuchen. Karnimani ist schon viel zu lange in diesem Wald mit all den aggressiven Pokémon. Hoffentlich geht es ihm gut.“
 

Wir sind eine gefühlte Ewigkeit unterwegs. Immer wieder haben uns wilde Pokémon angegriffen, doch glücklicherweise konnte Lin-Fu sie alle vertreiben. Ohne sie wäre ich ihr verloren. Allerdings habe ich das Gefühl, dass wir uns tatsächlich in diesem Wald verloren haben. Ich habe kein Zeitgefühl mehr, meiner Meinung nach ist schon die Hälfte des Tages vergangen und ich bilde mir ständig ein, Licht zwischen den Bäumen zu sehen, was mir zeigt, dass wir den Wald komplett durchquert haben. Doch das sind alles nur Hirngespinste, denn meine Uhr meint, dass es erst halb zwei ist. Und innerhalb von fünfeinhalb Stunden kann man diesen Wald nicht durchqueren.

Langsam zweifle ich wirklich an meinem Verstand. Das liegt vermutlich daran, dass hier alles so düster ist, obwohl es doch mittags ist, daran, dass die Umgebung immer die gleich ist und vor allem daran, dass ich unter dauerhafter Spannung stehe. Ständig erwarte ich, dass sich aus einem der Büsche ein Pokémon auf uns stürzt, wie es ja jetzt schon oft vorgekommen ist. Allerdings ist es jetzt seit einer halben Stunde schon verdächtig ruhig, was mir nur noch mehr Angst macht.

Auch Lin-Fu ist unruhig, ständig sieht sie sich um, lauscht in alle Richtungen und bleibt dicht an meiner linken Seite. Und so schleichen wir durch den Simplex Wald, während wir all unsere Sinne nach Karnimani offen halten.
 

Plötzlich sehe ich wieder Licht zwischen den Bäumen und je näher ich herankomme, desto besser erkenne ich, dass dort, mitten im Wald, ein Abgrund ist. Keine Ahnung wie tief es ist, aber erst in einiger Entfernung sehe ich, wie der Wald wieder auf derselben Höhe ist, auf der ich jetzt gerade bin. Es dürfte also schon etwas tiefer sein. Und da an diesem Abgrund steht etwas Kleines Blaues mit dem Rücken zu mir und sieht nach unten. Ich sehe die Schuppen in der Sonne funkeln und bin mir sicher. „Karnimani!“, schreie ich glücklich auf und renne los.

Als er meinen Ruf hört, fährt mein Partner herum und sieht mich einfach nur an.

Sein Blick lässt all meine Muskeln erstarren und im Rennen bleibe ich stehen. Sein Blick ist eine Sekunde regungslos und ohne Erkennen, doch dann sehe ich die Scham, die ihn überkommt, als er mich anblickt. Ich atme heftig und so pinnt sich Karnimanis Blick auf meine sich hebende und senkende Brust. Genauer gesagt auf die Narbe an meinem Schlüsselbein, die man deutlich sieht. Ich erkenne wie seine Augen dem Teil der Narbe folgen, den sie sehen können und ich sehe den Schmerz in seinen Augen. Warum? Weil er sieht, wie sehr er mich verletzt hat? Tut ihm dieser Anblick selbst weh? Tut es ihm leid?

„Karnimani“, hauche ich leise wie der Wind und hebe langsam meinen linken Arm. Ich kann ihn nicht berühren, ich bin noch fast zehn Meter von ihm entfernt, aber ich will mich ihm nähern. Will ihm zeigen, dass ich keine Schmerzen habe. Dass ich ihm verzeihe.

Seine Augen pinnen sich auf meinen Arm, in den er mich gebissen hat. Krampfhaft schluckt er und ich sehe die Abscheu in seinem Blick. Abscheu vor mir? Oder vor sich selbst? Verabscheut er sich für dass, was er mir angetan hat?

Langsam drehte ich einen Schritt nach vorne. „Karnimani“, wispere ich etwas lauter als vorher und Karnimanis rote Augen treffen meine blauen. Stumm schreit er mir seinen Schmerz hinüber. Sein `Es tut mir leid. Das wollte ich nicht. ´ Aber er tritt einen Schritt nach hinten, als ich noch einen auf ihn zu mache. Nun blitzen seine Augen auf. Sie scheinen mich zu warnen, ihm nicht näher zu kommen. Dann wandern seine Augen herunter an meinen Unterschenkel, an dem sich die dritte Narbe befindet. Und auch wenn er sie nicht sehen kann, weil sich die Narbe auf der Wade befindet und nicht am Schienenbein, ist sein Blick voller Trauer. Und ich begreife, wovor er mich warnen möchte. Er hat Angst mich wieder zu verletzen, wenn ich ihm erneut zu nah komme.

Karnimani beißt die Zähne zusammen, sein Blick wandert über meinen Körper, den er für immer mit Narben gezeichnet hat, und seine Augen sehen zu Boden. Er erträgt meinen Anblick nicht länger. Und ich begreife, dass er das hier nie gewollt hat. Er war wütend, und ja, womöglich wollte er mich das spüren lassen, aber er wollte mich nie wirklich schädigen. Niemals.Ich sehe es in seinem Blick, wenn er mich ansieht. Den Schmerz. Die Schuld. Die Selbstvorwürfe. Den Hass auf sich selbst. Er kann sich nicht verzeihen, was er getan hat.

Aber ich kann es.

Ich mache einen Schritt auf ihn zu und sofort warnen mich seine Augen wieder. Aber diesmal halte ich nicht an, sondern mache noch einen Schritt auf ihn zu.

Karnimani stößt einen leisen Laut aus, es klingt fast wie ein Wimmern und macht einen Schritt nach hinten, von mir weg und auf den Abgrund zu. Nun ist er noch einen Schritt vom Abgrund entfernt, wenn er noch einen Schritt nach hinten macht, fällt er ich weiß nicht wie tief nach unten.

Sofort bleibe ich stehen. Ich kann nicht riskieren, dass er nochmal nach hinten tritt. Dafür strecke ich nun meine Hand nach ihm aus.

Karnimani sieht auf die Hand, als würde sie abfallen, wenn sie ihm zu nah kommt. Seine Augen sind weit aufgerissen, er atmet heftig, seine Flanken beben.

„Karnimani“, flüstere ich und er sieht von meiner Hand in meine Augen.

Ich lächle ihn sanft an. „Ganz ruhig. Du musst keine Angst haben. Ich habe auch keine Angst vor dir. Es ist nicht deine Schuld. Es war der Blutrausch, der dich dazu gebracht hat, mich anzugreifen. Das warst nicht du. Ich mache dir keine Vorwürfe. Mach du dir auch keine.“

Erschüttert sieht Karnimani mich an, er kann scheinbar nicht fassen, was ich da sage. Aber ich meine es genauso. Vorsichtig schiebe ich mich einen Schritt näher an ihn und diesmal bleibt Karnimani stehen. Trotzdem sieht er immer noch panisch auf meine ausgestreckte rechte Hand.

„Du musst zu mir kommen, Karnimani. Hinter dir ist ein Abgrund.“

Kurz sieht er nach hinten, bevor er mich wieder ansieht. Immer noch scheint er zu zweifeln. Er hat immer noch Angst, er könnte mich wieder verletzen. Vielleicht hat er auch Angst, ich könnte ihn dafür bestrafen, was er getan hat.

„Vertrau mir, Karnimani“, flüstere ich mit neuer Zuversicht. „So, wie dir vertraue. Ich glaube an dich. Tu du es auch.“

Ungläubig sieht Karnimani mich an, doch er bleibt stehen, als ich noch einen Schritt auf ihn zu mache. Nun bin ich nur noch eine Armlänge von ihm entfernt und ich lehne mich nach vorne, um den nächsten, letzten, Schritt zu ihm zu machen. Und es scheint, als wollte Karnimani ebenfalls zu mir kommen, er verlagert sein Gewicht und plötzlich… bröckelt der Boden unter seinen Füßen, Karnimani verliert das Gleichgewicht und kippt nach hinten auf den Abgrund zu.

Sofort springe ich nach vorne um nach ihm zu greifen, doch ich verfehle ihn und ich sehe, wie er den Abgrund runter fällt. Geschockt sehe ich in sein Gesicht, höre seinen panischen Schrei. Ohne weiter nachzudenken, springe ich ihm hinterher.
 

Der Fallwind peitscht mir ins Gesicht, reißt an meinen Kleidern, weht meine langen blonden Haare nach hinten, treibt mir die Tränen in die Augen, doch alles, auf was ich mich konzentriere, ist Karnimani und meine Arme, die sich nach ihm ausstrecken. Ich sehe nichts anderes als Karnimanis Augen, die mich angstgeweitet ansehen. Während wir fallen, versuche ich mich immer länger zu machen, um ihn zu erreichen. Noch bin ich zu weit von ihm weg, aber ich komme meinem Partner immer näher, weil ich größer und schwerer bin als er und so die Erdanziehungskraft größer ist als bei ihm.

Und endlich kann ich ihn fassen. Während wir fallen, schließe ich meine Arme um ihn und rolle mich um Karnimani zusammen, um ihn mit meinem Körper zu schützen. Denn der Aufschlag gleich wird definitiv schmerzhaft. Ich schließe die Augen aus Angst vor dem Aufprall, der gleich kommen wird und spüre, wie hektisch Karnimani atmet. Sein kalter Atem streift beständig über meinen nackten Hals. Es ist das Einzige, was ich mitkriege, während wir fallen. Mein einziger Gedanke ist, dass ich hoffe, das Karnimani diesen Sturz überleben wird. Es waren bestimmt 10, 15 Meter.
 

Plötzlich spüre ich, wie Karnimani sich in meinen Armen umdreht und sein Gesicht gen Boden richtet. Panisch versuche ich ihn festzuhalten, da ich denke, er will sich aus meinen Armen und dem Schutz meines Körpers befreien, doch das war gar nicht seine Absicht. Denn ich spüre wie Karnimani tief Luft holt, dann pumpt sich etwas seinen Körper hoch, ich höre das Geräusch eines großen Wasserstrahls und plötzlich… bin ich nass. Und wir fallen langsamer, zumindest fühlt es sich so an. Verwirrt öffne ich die Augen und sehe … nichts außer Karnimanis Kopf. Schnell hebe ich den Blick und sehe einen großen Wasserstrahl, der unseren Fall durch seinen Druck abbremst. Und der Erzeuger dieses Wasserstrahls ist kein anderer als Karnimani. Er setzt Aquaknarre ein, um uns abzubremsen!

Fassungslos sehe ich, wie wir die letzten zwei Meter unseres Falls langsam und kontrolliert durch die Aquaknarre, die Karnimani beständig erzeugt, hinter uns bringen. Vollkommen durchnässt landen wir auf dem Boden, wo wir beide keuchend liegen bleiben. Noch immer bin ich um Karnimani herum gerollt, um ihn zu schützen und so spüre ich deutlich, wie sehr er zittert. Diese Aquaknarre so lange durchzuhalten hat ihn fast bis zu Ohnmacht erschöpft.
 

Wir leben noch! Ich kann es nicht glauben! Ich dachte wirklich, zumindest ich würde diesen Fall nicht überleben! Und das haben wir ganz alleine Karnimani zu verdanken!

Der Schock scheint meinen Körper noch nicht verlassen zu haben, denn was ich sage, stoße ich nur stockend heraus: „Karnimani… du… hast uns gerettet. ... Du hast unser Leben gerettet. … Danke … Partner… .“

Am ganzen Leib zitternd drückt Karnimani sich etwas von mir weg, um mir ungläubig in die Augen zu sehen. „Maa -ni?“

„Du hast mich beschützt. … Und genauso, wie du mich beschützt… werde ich auch immer dich beschützen. … Wenn es sein muss, auch vor dir selbst. … Ich werde dich niemals aufgeben… niemals aufhören, an dich zu glauben… und egal was auch passiert … niemals würde ich dich zurück zu Professor Aquilon bringen. Du bist mein Freund, … mein Partner. …Was auch immer passiert… wir beide bleiben zusammen. Niemand wird uns trennen. … Ich werde immer auf dich aufpassen und dich beschützen. … Wenn du es zulässt…, Partner.“ Ohne weiter darüber nachzudenken, streiche ich ihm über die nassen Schuppen auf seinem Kopf.

Kurz halte ich den Atem an, als ich realisiere, dass ich ihn anfasse, was er bisher nie erlaubt hat. Dass ich ihn umarme, um ihn zu schützen, war irgendwie anders als das hier, ich spüre es genau. Und gerade als ich meine Hand vorsichtig wieder zurückziehen will, schließt Karnimani die roten Augen und drückt sich meiner Hand entgegen. Und damit meiner Berührung. Und kurz, ganz kurz meine ich, Tränen in seinen Augen zu sehen. Erleichterung? Dankbarkeit? Oder Schmerz?

Ich weiß es nicht, aber als ich ihn fester umarme, immer noch um ihn eingerollt und immer noch durchnässt auf dem Boden liegend, da seufzt Karnimani leise und schmiegt sich an mich, anstatt vor meiner Berührung zu fliehen oder sie abzuwehren. Und alles andere, das wird in diesem Moment irgendwie egal.

Zwischenwesenlichebindungen

Zwischenwesenlichebindungen
 

Ich weiß nicht, wie lange Karnimani und ich auf diesem Waldboden liegen und uns einfach nur aneinander festhalten, aber irgendwann realisiert mein Gehirn das Rufen von Lin-Fu. Langsam hebe ich den Kopf, öffne die Augen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie geschlossen hatte, und sehe mich um. Von wo kommt das Rufen? Wo ist Lin-Fu?

Karnimani beantwortet mir meine unausgesprochene Frage, indem er nach oben zeigt, wobei er sich aus meinen Armen löst und aufsteht. Ich tue es ihm nach, um besser sehen zu können, wohin er zeigt. Und dann sehe ich den Felsvorsprung, von dem wir eben gefallen sind. Eben dort steht nämlich Lin-Fu, sieht zu uns nach unten und ruft und winkt hektisch.

Heiliger Arceus, ist das vielleicht hoch! Das waren 15 Meter, die wir runtergefallen sind, mindestens! Wenn nicht noch mehr! Ohne Karnimanis Eingreifen hätten wir diesen Fall ganz sicher nicht überlebt. Zum Glück hat Karnimani die Ruhe bewahrt und ihm ist die Lösung mit der Aquaknarre eingefallen.
 

„Ist schon gut, Lin-Fu. Uns ist nichts passiert, Karnimani sei Dank. Bleib du einfach genau da stehen, wir kommen zu dir nach oben.“

Doch Lin-Fu sieht immer noch panisch aus und ruft laut: „ Lin Lin-Fu!“, wobei sie hektisch hinter mich zeigt. Und schon bevor ich mich umdrehe, weiß ich, dass mir das, was ich gleich sehen werde, nicht gefallen wird.

Und ich hatte recht. Es gefällt mir nicht. Denn ich sehe, wie ein schwertartiges Pokémon seine Klinge gegen Karnimanis Kehle presst. Dieser steht mit weit aufgerissenen Augen da, seine Nüstern beben und er scheint es nicht wagen zu wollen, sich zu bewegen. Kann ich gut verstehen.
 

Bevor ich auch nur irgendwie reagieren kann, holt das Schwert aus und zielt dabei in Richtung von Karnimanis Hals. Allen Mächten sei Dank duckt sich Karnimani rechtzeitig, sonst … das will ich mir gar nicht vorstellen. Die Klinge sieht jedenfalls verdammt scharf aus.

Wütend faucht Karnimani es an und das Pokémon schwebt tatsächlich einige Meter von uns weg. Allerdings scheint es nicht eingeschüchtert zu sein, sondern uns viel eher zu analysieren.

„Okay, Karnimani. Hör mir zu, bitte. Dieses Pokémon will offensichtlich einen Kampf, also werden wir ihm einen geben. Aber wir können nicht gewinnen, wenn wir zwei gegeneinander kämpfen. Das haben die vergangenen Kämpfe gezeigt. Also lass uns etwas anderes ausprobieren, ja? Lass uns zusammen arbeiten. Gemeinsam können wir diesen Kampf gewinnen. Den Fall vorhin konnten wir auch nur gemeinsam überstehen, dann schaffen wir diesen Kampf auch. Gemeinsam.“ Mir fällt nichts mehr ein, mit dem ich ihn überzeugen könnte und so sehe ich ihn einfach nur bittend an.

Und Karnimani erwidert den Blick, überlegend.

„Bitte, Partner“, flüstere ich flehend.

Und das scheint irgendwas in Karnimani zu berühren, denn er sieht mich noch einen Moment an, bevor er leicht nickt, ohne meine Augen aus seinem Blick zu lassen. Dann springt er vor mich, wie um mich zu beschützen und wie das die meisten Pokémon bei ihren Trainern in Kämpfen machen.

„Karnimani“, wispere ich überwältigt, denn er zeigt mir ja gerade, dass er auf das hören wird, was ich ihm im Kampf sage. Tränen schießen mir in die türkisfarbenen Augen.

Doch da wirft Karnimani mir einen Blick zu, der deutlich sagt, ich soll mich zusammen reißen, sonst überlegt er sich das Ganze nochmal.

Entschlossen nicke ich ihm zu, stelle mich gerade hin und rufe: „Karnimani, Silberblick auf das Schwert.“

„Bitte“, setze ich leise hintendran, als Karnimani sich nicht gleich rührt.

Als hätte Karnimani nur auf dieses Bitte gewartet, macht er einen Satz auf das Schwert zu und wirft dem in der Luft schwebenden Pokémon von unten einen bedrohlichen Blick zu.

Das scheint das Schwert aber nicht im Geringsten zu kümmern, stattdessen schwebt es etwas höher, wo es einige Male auf der Stelle hüpft, bevor es seine Klinge an der Schwertscheide wetzt. Großartig, jetzt sieht die Klinge noch schärfer und blutlustiger aus als vorher.

„Karnimani, Aquaknarre. Hol es aus der Luft“, fordere ich ihn auf und füge schnell ein „Bitte“, hinzu, als er wieder nicht direkt reagiert. Vielleicht braucht er diese Bitte, damit es für ihn nicht nach einem Befehl klingt, dem er sich ja offensichtlich nicht unterwerfen will. Und durch das `Bitte´ wird deutlicher, dass er die Wahl hat, entweder das zu tun, was ich ihm sage oder eben nicht. Dieses `Bitte´ gibt ihm die Freiheit, die er so sehr braucht.

Wenn das alles ist, dann kann ich das, denke ich, gut umsetzen. Ich musste es nur erstmal herausfinden.
 

Karnimani spannt seinen Körper an, dann öffnet er sein Maul und daraus schießt ein Wasserstrahl auf das schwebende Schwert zu. Dummerweise lässt sich dieses einfach zur Seite fallen und weicht so dem Angriff aus. Dann wendet es ab und fliegt auf Karnimani zu. „Graa!“

„Das ist deine Chance. Setz schnell Aquaknarre ein, Karnimani, bitte!“

Erneut speit die Wasserechse eine Aquaknarre, doch das Schwert wirft sich zur Seite weg und weicht wieder aus. Aber wenigstens haben wir so seinen Angriff unterbrochen. Nun schwebt es einige Meter über dem Boden auf der Stelle und sieht uns ohne zu blinzeln einfach nur an. Vielleicht überlegt es, wie es weiter vorgehen soll.

Diese Zeit lasse ich ihm aber nicht. „Bitte, Karnimani, Aquaknarre.“

Noch einmal pumpt mein Starter eine Unmenge an Wasser aus dem Speicher in seinem Inneren, den alle Pokémon, die Wasserattacken nutzen können, besitzen, und dieses Mal ist das Schwert nicht schnell genug – vielleicht war es noch zu sehr in seine Gedanken vertieft. Jedenfalls trifft die Aquaknarre das Pokémon und durch den Druck wird es nach hinten gedrängt.

Als Karnimani die Attacke nicht weiter aufrechterhalten kann, immerhin hält er dabei die Luft an, und der Wasserstrahl versiegt, sehen wir das Schwert, wie es uns wütend und triefnass ansieht. Die Wassertropfen rinnen nur so seine Klinge hinab. Ob es rosten würde, wenn es so nass bliebe?

„Mokles!“, brüllt es wütend und saust auf Karnimani zu.

„Kratzer, Karnimani, bitte!“

Und mein Partner scheint zu verstehen, denn er wartet bis zum letzten Augenblick, bevor er dem Schwert aus dem Weg springt und über dessen Klinge kratzt. Die Krallen auf dem Metall erzeugen ein ekelhaftes Geräusch, wodurch es mir kalt den Rücken runter läuft und auch Karnimani faucht, bevor er einen Satz zurück macht. Keinen Moment zu früh, denn genau da schlägt das Schwert schon zu. Doch so trifft es nichts weiter als Luft.

Da der Kratzer dem Schwert anscheinend nichts anhaben konnte, ist es entweder nicht effektiv, auch wenn ich nicht weiß welchen Typen es hat, sondern nur vermuten kann, oder es hat eine gute Verteidigung. An ersterem kann ich nichts ändern, an letzterem schon. „Silberblick, bitte!“

Karnimani wirft dem Schwert wieder einen bitterbösen Blick zu, doch erneut lässt sich das Schwert davon nicht beeindrucken. Es schwebt stattdessen ein wenig in die Höhe und lässt auf einmal einen eklig lauten, kreischenden Ton erklingen, der mich verzweifelt die Ohren zu halten lässt. Ich glaube, mein Trommelfell zerspringt gleich. Hoffentlich hören das keine anderen wilden Pokémon, sonst bekommen wir hier gleich wütende Gesellschaft!

Während ich mir noch verzweifelt die Ohren zuhalte, nutzt das verdammte Schwert diesen Moment um anzugreifen. Arceus sei Dank ist Karnimani schon wieder aufmerksam genug und stemmt sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tackleattacke. Schließlich, als klar wird, dass gerade keiner die Oberhand in diesem Drücken hat, schwebt das Schwert nach oben und Karnimani stolpert ein paar Schritte nach vorne, weil plötzlich der Gegendruck weg ist. Diesen Moment nutzt das Schwert aus, um sich einfach auf Karnimani fallen zu lassen, mit dem Knauf voraus. Zum Glück, ansonsten hätte das Schwert meinen Partner aufgespießt! So donnert es auf den Kopf von Karnimani, der schmerzverzerrt aufheult, kopflos nach dem Gegner schlägt und sich dabei die andere Pfote auf den Kopf legt. Hoffentlich gibt das keine Gehirnerschütterung oder sowas.

„Karnimani, alles okay?“, frage ich besorgt und erhalte ein leises Knurren als Antwort, während mein Partner sich schwankend wieder aufrichtet. Da ich diese Geste als Ja interpretiere, rufe ich anschließend: „Okay, dann bitte Aquaknarre, Karnimani.“

Mit einem Keuschen pumpt Karnimani den Wasserstrahl nach oben, zielt auf das Schwert, was einige Meter vor ihm in der Luft schwebt und… trifft meterweit vorbei. Hat er etwa wirklich eine Gehirnerschütterung und sieht nicht mehr richtig? Das wäre verdammt schlecht.

Das Schwert lässt ein metallisches Geräusch ertönen, was fast wie ein höhnisches Kichern klingt, bevor es auf Karnimani losfliegt, ausholt und meinen Partner hart in die Seite trifft.

Karnimani stolpert zur Seite, dann fällt er über seine Füße und stürzt zu Boden.

„Karnimani!“, schreie ich erschrocken auf und will zu ihm rennen, bleibe aber lieber stehen, um nicht dem Schwert in die Quere zu kommen, sonst schlitzt es mich vielleicht noch auf. „Steh auf, bitte!“ Am Boden liegend hat Karnimani doch keine Chance.

Zum Glück kommt Karnimani schnell wieder auf die Beine, sonst hätte das Schwert ihn womöglich noch attackiert, während er am Boden liegt. Aber trotzdem zittert sein ganzer Körper vor Schwäche. Und er scheint wirklich nicht richtig sehen zu können, sonst wäre er dem Angriff gerade eben doch ausgewichen. Ich muss mir schnell etwas einfallen lassen. „Karnimani, Partner, du siehst nicht richtig. Also, lass mich deine Augen sein. Hör auf die Anweisungen, die ich dir gebe und setz dann Aquaknarre ein, bitte.“

Karnimani nickt langsam und spannt seinen Körper an, wohl um wieder Wasser aus seinem Mund zu schießen. Doch er zielt in die falsche Richtung.

„Höher und ein bisschen weiter rechts!“

Karnimani korrigiert seine Zielrichtung, die Aquaknarre kommt und ich muss zur Seite springen, um nicht selbst getroffen zu werden. „Noch höher, aber die Richtung ist gut!“

Mein Partner legt schon fast den Kopf in den Nacken und hält die Aquaknarre noch immer aufrecht, doch die Ausdauer lohnt sich. Denn plötzlich trifft er das Schwert, was einfach mitgerissen wird und irgendwo hinter mir gegen einen Baum kracht. „Graaamoookleees“, keucht es, bevor es das Auge schließt und klappernd zu Boden fällt.
 

Haben wir gerade unseren Kampf gewonnen, indem Karnimani tatsächlich auf mich gehört hat? Ich kann es kaum glauben und kneife mir selbst kurz in den Arm, aber außer dem Schmerz und dem roten Fleck auf meinem rechten Unterarm bleibt alles gleich. Dann muss das hier wirklich echt und kein Traum sein! Wahnsinn!

All die Anspannung, die ich während dem Kampf empfunden habe, fällt von mir ab und meine Knie beginnen sogar zu zittern, als könnten sie mich nicht mehr halten. Ich sehe in Karnimanis rotbraune Augen und kann mir ein glückliches Aufschluchzen nicht verkneifen. Ich habe es tatsächlich geschafft! Karnimani hat in einem Kampf auf mich gehört und wir haben den Kampf gewonnen. Genau, wir! Nicht ich allein, sondern Karnimani und ich, wir, zusammen, als Team! Ich habe zeitweise wirklich nicht mehr geglaubt, dass das möglich sein würde. Aber jetzt ist es so.

Nun kann ich mich wirklich nicht mehr auf den Beinen halten, ich sinke einfach auf den Boden und Tränen des Glücks fluten meine türkisblauen Augen und fließen mir über die Wangen bis zu meinem spitzen Kinn, von wo aus sie in meinen Schoß tropfen. Meine langen Haare sind mir vor mein Gesicht gefallen, sodass ich nichts um mich herum sehe. Dafür höre ich umso mehr das fragende „Mani?“ und muss ein weiteres Mal aufschluchzen. Bis vor kurzem hätte es Karnimani noch nicht gekümmert, ob es mir schlecht geht, es wäre ihm egal gewesen. Aber jetzt ist es anderes. Jetzt steht er vor mir und SORGT sich um mich!

Ich sehe hoch und blicke in das Gesicht meines Partners, der seinen Kopf verwirrt leicht schief gelegt hat. Unter Tränen lächle ich ihn an, was ihn nur noch mehr zu verwirren scheint. „Es ist alles in Ordnung, Karnimani. Ich bin nur so glücklich. Ich meine, wir haben diesen Kampf gewonnen. Und zwar, indem wir zusammen gekämpft haben und nicht gegeneinander.“ Schniefend hole ich Luft, da durch das Weinen meine Nase wie verrückt läuft. „Danke für dein Vertrauen in mich, Partner.“

Karnimani sieht mich einen Moment nur starr an, bevor sein rechter Mundwinkel sich leicht hebt- er lächelt mich an. Das ist das erste Mal, dass er mir gegenüber fröhliche Gefühle zeigt. Nun kann ich mich wirklich nicht mehr zurückhalten. Bevor er reagieren kann, habe ich ihn an mich gezogen und halte ihn mit einer Hand fest, während ich ihm mit der anderen Hand über den schuppigen Kopf fahre. Kurz verspannt sich Karnimani, bevor er mit einem Seufzer nachgibt und die Berührung zulässt. Das Glück explodiert in meinem Magen und nun perlen meine Tränen sogar auf Karnimanis Schuppen und laufen an ihm zu Boden.

Ich war mir nicht sicher, ob er meine Berührungen noch einmal akzeptieren würde. Das vorhin nach dem Sturz war eine sehr spezielle Situation, wir waren beide vor Schock und Erleichterung wie gelähmt und völlig von der Rolle, aber das ist jetzt nicht mehr der Fall. Und trotzdem lässt er sich von mir anfassen! Es ist unglaublich.
 

Doch nach einigen Momenten wird ihm dieser Körperkontakt wohl zu viel. Er beginnt sich in meinem Arm zu winden und sofort lasse ich ihn los, sodass er einige Schritte von mir weg machen kann. Ich will ihn ja auch nicht überfordern, immerhin ist er solche Berührungen nicht gewöhnt, weil er sie bei niemandem zugelassen hat. Natürlich erträgt er sie da nicht so lange. Aber ich bin dankbar für jede Sekunde, die er mir geben kann. Nichts davon hätte ich jemals erwartet und es macht mich einfach nur so unfassbar glücklich, dass ich es kaum in Worte fassen kann.
 

Der Moment wird allerdings zerstört, als wir von oben die Rufe von Lin-Fu hören. Ich sehe zu ihr hoch und merke, wie sie ungeduldig winkt und wohl will, dass wir wieder zu ihr hochkommen. Schnell sehe ich mich um und bemerke einen Trampelpfad, der uns den Fels, den wir vorhin heruntergefallen sind, wieder hochführt- und somit zu Lin-Fu. Ich forme meine Hände zu einem Trichter und rufe meinem Kampf-Pokémon zu: „Da ist ein Weg, dem wir folgen werden. Wir kommen zu dir hoch. Bleib du einfach da stehen und pass auf dich auf, Lin-Fu. Wir sind so schnell bei dir wie wir nur können.“

Besänftigt nickt Lin-Fu und ich drehe mich zu Karnimani. Lächelnd sehe ich ihn an und er erwidert meinen Blick. „Na, dann lass uns da hochgehen, bevor Lin-Fu noch zu uns runterspringt und uns an den Ohren da hoch schleift.“

Das leise, aber amüsierte Schnauben vernehme ich mit Genugtuung. Es scheint ihm wieder gut zu gehen, die Verwirrung durch den Schlag auf den Kopf scheint schon wieder abgeklungen zu sein und so machen wir uns auf den Weg.
 

Wie durch ein Wunder kommen wir oben bei Lin-Fu an, ohne dass wir ein einziges Mal auch nur ein wildes Pokémon sehen, geschweige denn, dass uns eins angreift. Als Lin-Fu sieht, wie ich mich aus einem Gebüsch kämpfe- zum Ende hin wurde der Trampelpfad sehr unübersichtlich- stößt sie einen erleichterten Schrei aus, rennt auf mich zu und umarmt mich so heftig auf Höhe meiner Oberschenkel, dass ich tatsächlich fast hinterrücks umfalle. Dann habe ich mein Gleichgewicht aber wieder im Griff und streiche ihr beruhigend über den befellten Kopf. „Mir geht es gut, Lin-Fu. Es ist nichts passiert. Alles in Ordnung.“

Lin-Fu tritt einen Schritt zurück, um mich begutachten zu können, was mich zum Lachen bringt. Sie ist wirklich sehr beschützerisch, wenn es um mich geht.

„Mir geht es gut, wirklich, Lin-Fu“, versuche ich sie zu beruhigen. „Aber was ist mir dir? Gab es Probleme, während du hier oben alleine warst?“

„Fu“, antwortet sie Kopfschüttelnd und lächelt mich dann breit an. Das Lächeln verschwindet allerdings sofort aus ihrem Gesicht, als hinter mir das Gebüsch raschelt und gleich darauf Karnimani aus diesem tritt und sich neben mich stellt. Lin-Fu knurrt wütend und ich sehe überrascht, wie sich ihr Gesicht verfinstert.

„Lin-Fu, was-?“, will ich verblüfft wissen, doch da springt Lin-Fu schon mit einem wilden Schrei nach vorne und bevor ich oder Karnimani reagieren können, hat sie ausgeholt und Karnimani eine Ohrfeige verpasst.

Fassungslos sehe ich dabei zu, wie Karnimani sofort aggressiv faucht, Lin-Fu erwidert das ebenso wütend, dann gehen die beiden auf einander los und reißen und beißen einander, begleitet von lautem Geschrei.
 

Was zur HÖLLE TUEN meine Pokémon da?! Sie sind in einem Team, sie sollten miteinander kämpfen! Stattdessen scheint es, als wollten sie sich zerfleischen! Warum, verdammt?!

„Aufhören! Sofort aufhören! Alle beide!“

Lin-Fu stoppt sofort in ihrem neuen Versuch, Karnimani anzugreifen, als sie mein Gebrüll hört. Stattdessen sieht sie mich verwirrt an und legt alle Aufmerksamkeit auf mich.

Bei Karnimani funktioniert das Geschrei leider nicht so gut. Er scheint mich, gefangen in seiner Wut, gar nicht zu hören, sieht nur, dass Lin-Fu ihre Verteidigung fallen gelassen hat und stürzt sich mit einem triumphierenden Knurren auf sie.

Lin-Fu geht zu Boden, doch bevor Karnimani sie noch einmal angreifen kann, hat Lin-Fu eine Rückwärtsrolle gemacht und ist wieder auf den Beinen. Wieder fixiert sie ihren `Feind´ und fletscht lautlos die Zähne. Das sieht verdammt angsteinflößend aus, aber Karnimani scheint diese Geste nur noch mehr zu provozieren.

Bevor einer der beiden wieder den anderen angreifen kann, stelle ich mich zwischen meine zwei Pokémon. Lin-Fu bleibt sofort erschrocken stehen, Karnimani aber nicht. Er rennt auf mich zu. Seine Augen glühen schon leicht rot, er befindet sich zwar nicht im Blutrausch, da er Lin-Fu zum Glück nicht so sehr verletzen konnte, aber er ist auch nicht mehr ganz bei sich.

Aus Reflex hebe ich meine Arme, um ihn aufzuhalten, während ich flehe: „Karnimani, hör auf! Komm zu dir, bitte!“

Meine Worte scheinen ihn nicht zu berühren, aber im auf mich zu rennen fällt sein Blick auf meinen linken Unterarm, an dem man immer noch Karnimanis Biss erkennen kann, der inzwischen dunkelblau ist. Stolpernd wird Karnimani langsamer, seinen Blick immer noch auf den Biss konzentriert, bevor er schnaufend kurz vor mir zum Stehen kommt. Mit weit geöffneten Augen sieht er mich von oben bis unten an und ich bemerke, wie er nach einigen Sekunden erkennt, wer da vor ihm steht und wen er fast angegriffen hätte- zum zweiten Mal. Heftig blinzelt er, bevor seine Augen wieder zu ihrer normalen Farbe zurückfinden und er verwirrt fragt: „Karnimani?“

Erleichtert atme ich tief aus- ich habe gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte- und schlucke gegen den Kloß an, der sich in meinem Hals gebildet hat. Für einen Moment habe ich mich wieder auf die Wiese vor Lady Dianas Hütte zurückversetzt gefühlt. Ich dachte wirklich, dass Karnimani mich jetzt wieder angreifen würde.

Aber das hat er nicht. Er hat sich wieder beruhigt und dass durch meinen Anblick. Bzw. durch den Anblick der Verletzungen, die er mir zugefügt hat. Er muss wirklich große Schuldgefühle haben, wenn diese ihn in seinem Rausch erreichen können und meine Worte nicht.

„Es ist alles in Ordnung, Karnimani. Ich bin froh, dass du dich wieder beruhigt hast. Das hast du sehr gut gemacht.“ Stolz lächle ich auf ihn herab und er sieht erstaunt zu mir auf. Dann wende ich mich aber um und sehe nun stattdessen Lin-Fu an, die immer noch hinter mir steht. Fällt ihr Blick auf mich, sieht sie sehr schuldig aus, doch sieht sie Karnimani an, wird ihr Gesicht zu einer wütenden Fratze.

„Was bitte sollte das, Lin-Fu?!“, verlange ich laut zu wissen und lenke Lin-Fus Aufmerksamkeit wieder auf mich. Sofort macht diese sich etwas kleiner und sieht fast … eingeschüchtert aus. Mache ich ihr etwa Angst? Da ich das natürlich auch nicht will, atme ich tief aus und versuche mit diesem Luft rauslassen auch alle wütenden Gefühle von mir abfallen zu lassen. Dann wiederhole ich meine Frage, aber diesmal in sanfterem Ton.

Lin-Fu sieht gleich weniger ängstlicher aus. Sie macht sich groß, bevor sie Karnimani wieder einen Killerblick der ersten Klasse zuwirft. Dann legt sie los. „Lin Lin-Fu! Fu Lin-Fu Fu Lin Lin Fu Fu!… Fu Lin-Fu! Lin-Fu Fu Lin!“ Dabei fuchtelt sie wild mit ihren Pfoten, wobei sie immer wieder auf verschiedene meiner Narben und Verletzungen und dann auf Karnimani deutet.

Hinter meinem Rücken höre ich Karnimani leise knurren. Allerdings klingt er nicht wütend, sondern als müsste er sich gerade etwas anhören, was ihm nicht besonders gut gefällt, von dem er aber weiß, dass er nicht wiedersprechen kann, weil es die Wahrheit ist. Und ich kann mir nur zu gut denken, was das für eine Wahrheit sein soll.

„Genug.“ Gebieterisch halte ich die Hand nach oben und Lin-Fu stoppt irritiert in ihrer Tirade.

„Es reicht, Lin-Fu.“ Durchdringend sehe ich sie an, bevor ich mich so hinstelle, dass ich meine beiden Pokémon ernst ansehen kann. „Ihr werdet mir jetzt zu hören. Ihr beide. Denn was ich sagen werde, ist von äußerster Wichtigkeit und ich will das ein für alle Mal geklärt haben.“

Noch einmal sehe ich ihnen in die Augen, um mir ihre volle Aufmerksamkeit zu sichern. „Karnimani hat mich angegriffen und verletzt, das ist richtig, und ja, einige dieser Narben werden mich wohl für immer begleiten und auch beeinträchtigen. ABER … das ist nicht seine Schuld. Er konnte nichts für diesen Angriff, er hatte sich nicht unter Kontrolle, weil er im Blutrausch gefangen war. Er wollte mich nicht verletzen und es tut ihm sehr leid, dass merke ich allein an seinem Verhalten. Und Karnimani, ich mache dir auch keine Vorwürfe. Du kannst nichts dafür. Dass hätte jedem Pokémon im Blutrausch passieren können, auch dir, Lin-Fu. Karnimani, ich gebe dir nicht die Schuld, für das, was passiert ist und ich dulde nicht, dass du ihm Vorhaltungen machst, Lin-Fu. Genauso wenig wie ich will, dass du dir für immer Vorwürfe machst, wenn du mich ansiehst, Karnimani. Ich weiß, dass es schwer ist und wir, Karnimani, und ihr beide keinen besonders guten Start miteinander hatten, aber können wir nicht versuchen, einander zu akzeptieren und miteinander zu kämpfen, statt immer nur gegeneinander?“

Einen Moment hole ich Luft und sehe den zweifelnden Blick, den sich meine Pokémon zu werfen. „Es würde so vieles einfacher machen, wenn wir einander unterstützen würden. Denn so sollte es eigentlich laufen, wisst ihr? Wir sind ein Team. Wir sollten zusammen arbeiten. Denn alleine kämpft es sich längst nicht so gut wie mit Freunden in seinem Rücken, die einen unterstützen. Also lasst uns zusammen kämpfen. Als Team. Als Freunde.“

Auffordernd sehe ich meine zwei Pokémon an, die sich immer noch skeptisch beäugen, bevor Lin-Fu die Erste ist, die ergeben aufseufzt. Mit einem letzten Blick zu mir geht sie einen Schritt auf Karnimani zu, der sie kritisch betrachtet, dann reicht sie ihm ihre Pfote. Sekunden, die wie Jahre erscheinen, starrt Karnimani auf diese ihm hingestreckte Pfote. Ein Friedensangebot zwischen diesen zwei Streithähnen und ich bete darum, dass Karnimani es annimmt, nachdem Lin-Fu jetzt schon den ersten Schritt gemacht hat.

Schließlich bleckt die Wasserechse genervt die Zähne, doch er nimmt die ihm geboten Pfote für einen Moment, bevor sich die Beiden loslassen, als hätten sie sich an dem anderen verbrannt und gehen sofort wieder auf Abstand zueinander.

Ein Grinsen, so breit, dass es fast mein Gesicht sprengt, erscheint auf eben diesem. Das war ein verdammt großer wichtiger Schritt für mein Team. Mir ist natürlich klar, dass die beiden noch keine Freunde sind, möglicherweise werden sie das nie, aber ich habe wenigstens das Gefühl, als würden sie sich nicht mehr gleich an die Kehle gehen, wenn ich mich mal kurz umdrehe. Ich denke, dass sie einander als Teammitglied akzeptiert haben und das ist ein riesen Fortschritt. Wahnsinn, wie sich die Verhältnisse zu und zwischen meinen Pokémon an nur einem Tag verändern können!

Wieso geht in diesem Wald eigentlich immer irgendetwas schief?

Wieso geht in diesem Wald eigentlich immer irgendetwas schief?
 

Wir kämpfen uns jetzt schon einige Zeit durch den Wald, wobei wir drei alle nur eine ungefähre Ahnung haben, in welche Richtung wir gehen müssen. Das ist natürlich suboptimal. Ich für meinen Teil hoffe einfach, dass wir bald an eine Stelle kommen, die ich noch aus der Schulzeit kenne, wenn wir als Klasse zu Lady Diana laufen mussten. Allerdings erkenne ich bisher noch überhaupt nichts wieder.

Karnimani scheint das aber nicht zu kümmern. Er stapft unbeirrt vor uns her und führt uns so. Vielleicht kennt er sich ja durch die Zeit, die er hier im Wald gelebt hat, hier aus. Aber wenn das so ist, wohin führt er uns dann? Ich hoffe ja schwer zurück nach Sankt Schollerin. Immerhin muss ich bis 20 Uhr wieder bei Xanny und Zac sein, sonst machen die sich noch auf die Suche nach mir.

Links von mir läuft Lin-Fu, die sich immer wieder überall umsieht. Ihr ganzer Körper ist gespannt und bei jedem Knacken fährt sie sofort zu dem Geräusch herum. Doch bisher wurden wir von Pokémon Angriffen verschont.
 

Irgendwann, meine Aufmerksamkeit für alles außer den Boden vor mir hat schon stark nachgelassen, höre ich ein wütendes Fauchen. Erschrocken zucke ich zusammen und mein Kopf schießt nach oben. Das war Karnimani! Schnell suche ich ihn mit meiner Taschenlampe und finde ihn zwischen zwei Bäumen, verfangen in irgendwelchen Fäden, die im Schein der Taschenlampe silbern funkeln. Im Dunklen sind sie gar nicht zu sehen, so dünn sind sie. Was zum Teufel ist das? Ein Blick rundherum zeigt mir, dass sehr viele Bäume und Büsche mit diesen silbernen Fäden eingesponnen sind.

Karnimanis Knurren reißt mich aus meinen Beobachtungen und schnell eile ich zu ihm. Er reißt immer wieder an den Fäden, doch diese sind stabiler als sie aussehen und lassen sich nicht durchtrennen. Noch dazu scheinen sie zu kleben, Karnimanis Brust und Beine haften daran fest.

„Warte, Karnimani, ich helfe dir.“ Ich strecke die Hände nach ihm und den Fäden aus, doch Karnimani knurrt laut auf.

Sofort zucke ich zurück.

Dann wendet Karnimani seinen Kopf zu mir und schüttelt langsam den Kopf. Mit seinem Kinn deutet er auf die silbrig glänzenden Fäden, an denen er klebt.

Und ich verstehe, was Karnimani meint. Wenn ich die Fäden berühre, dann werde ich auch an ihnen festkleben. Aber was kann ich dann tun? Hilflos stehe ich neben meiner Wasserechse, die versucht mit seinen Krallen die Fäden zu durchtrennen, doch vergeblich. Sie sind zu fest. Wer oder was hat diese Fäden gesponnen? Und wie bekommen wir sie von Karnimani ab? Sollte ich ihn in seinen Pokéball zurückrufen? Das wird er wohl kaum zulassen. Aber wie sollen wir ihn sonst von diesen Fäden befreien?
 

Auf einmal beginnen die Fäden um uns herum zu vibrieren und ich höre ein Flüstern von vielen Pokémon. Ich sehe, wie diese Pokémon in Gruppen über die Fäden laufen und langsam wird mir klar, was das hier ist. Wir sind direkt in den Hauptsitz der Webarak gelaufen, der Teil des Waldes, der fast komplett mit ihren Fäden eingesponnen ist. Und Karnimani ist in ihrem Netz gelandet. Mit Grauen beobachte ich die Scharen an Webarak, die da auf uns zukommen und uns wohl für ihre Beute halten. Immerhin hängt zumindest einer von uns in deren Netz.

„Schnell, schnell, schnell. Wir müssen Karnimani von diesen Fäden befreien, sonst enden wir alle als Mumien eingesponnen in den Netzen der Webarak. Oh, denk nach, wie bekommen wir diese Fäden weg?“ Verzweifelt raufe ich mir die blonden Haare, während ich hektisch alle Möglichkeiten durchgehe. „Wasser wird diesen Fäden gar nichts tun, Fischer verwenden sie ja sogar als Netze, um Wasser Pokémon zu fangen. Aus diesem Grund können wir sie wohl auch nicht zerstören. Karnimani, du hast mit Aquaknarre und Kratzer also keine Chance. Und bei dir Lin-Fu… Pfund und Duplexhieb werden ebenfalls nichts ausrichten können. Ableithieb entzieht dem Getroffenen die Energie und überträgt sie auf den anderen. … Warte… es entzieht Energie… Das ist es!“ Doch bevor ich meinen Pokémon meine Erleuchtung erklären kann, merke ich die Spannung, die von Karnimani und Lin-Fu kommt und sich auf etwas hinter mir konzentriert. Langsam fällt mir auf, dass das Netz der Webarak sich nicht mehr bewegt. Wie in Zeitlupe drehe ich mich um.
 

„IRRGS!“, schreie ich erschrocken auf und mache einen Sprung nach hinten. Direkt vor meinem Gesicht hat ein Webarak herunter gehangen und mich aus seinen braunen Augen angesehen, während seine Fänge an seinem Kiefer mahlend aneinander geklickt sind. Alle anderen Webarak haben sich hinter meinem Rücken verteilt und sehen uns an. Doch durch meinen Schrei scheine ich sie aufgeschreckt zu haben. Sie zischen und wispern auf einmal alle leise und immer lauter werdend miteinander und dann laufen sie tippelnd los. Der Hauptteil stürzt sich auf mich und Lin-Fu, doch viele krabbeln zu Karnimani, wobei die meisten die silbernen Fäden schon hinter sich herziehen. Es ist klar, was diese Pokémon vorhaben.
 

„Lin-Fu, halt uns diese Pokémon vom Leib! Duplexhieb auf so viele wie möglich!“, befehle ich sofort. Ich habe meine Idee von gerade nicht vergessen, aber dazu brauchen wir Raum und die Webarak dürfen uns dabei nicht in die Quere kommen.

Lin-Fu wirft sich in die Menge der Spinnentiere, kurz sehe ich sie nicht, doch dann holt sie mit ihrem Armen aus und erkämpft sich etwas Raum.

„Gut so, Lin-Fu, weiter so! Karnimani, setz du Aquaknarre auf die Webarak ein. Wir brauchen Platz. Bitte!“, füge ich am Ende schnell hinzu, weil ich es im Eifer des Gefechts fast vergessen habe.

Karnimani nickt, dann holt er Luft und verdreht den Kopf soweit es ihm möglich ist, um die Webarak zu treffen. Aber auf ihrem Netz sind diese Pokémon verdammt schnell und weichen allesamt dem Wasserstrahl aus. Ich muss Karnimani schnellstmöglich befreien, bevor diese Webarak ihn einspinnen. Denn gerade versuchen alle dieser Spinnen auf Karnimani drauf zu klettern und ihn unter sich zu begraben.

Heftig schüttelt Karnimani sich und macht es seinen Gegnern so schwer, auf ihn drauf zu kommen, aber er kann sich nur begrenzt bewegen und so schaffen es einige der Käfer auf ihn, wo sie sich festbeißen.

Auch bei Lin-Fu sieht es nicht rosig aus. Einige der Webarak spinnen sie mit Fäden ein, sodass sich Lin-Fu nur schwer bewegen kann, viele von ihnen krabbeln auf ihr herum und beißen sich an ihren Armen und Beinen fest und der Rest kneift Lin-Fu immer wieder auf Höhe der Kniekehlen.

Tatenlos muss ich dabei zusehen, wie meine Pokémon langsam unter einer Lawine aus Webarak begraben werden und höre nur das verzweifelte Rufen Lin-Fus. Das erinnert mich wieder an meinen Plan. „Lin-Fu, befrei dich mit Duplexhieb von diesen Pokémon und befrei auch Karnimani von ihnen. Und dann setzt du Ableithieb auf die Fäden ein, die Karnimani fesseln!“

Wie ein Kreisel dreht Lin-Fu sich auf der Stelle, während sie verzweifelt um sich schlägt. Und tatsächlich, die Webarak fliegen und fallen von ihr ab. Mit einem weiten Sprung ist Lin-Fu bei Karnimani angelangt und reißt die vielen Webarak von Karnimani herunter. Der ist tatsächlich schon zur Hälfte in einen Kokon gehüllt. Ohne weiter zu zögern legt Lin-Fu ihre Pfote auf die Fäden des Kokons. Ihre Pfote ist von einer grünen Aura umhüllt, die sich auf den Kokon überträgt und wenige Augenblicke später flattern die gerade noch so festen Fäden langsam zu Boden.

Mit einem heftigen Schütteln streift Karnimani auch noch die letzten Fäden von sich ab, bevor er Lin-Fu wütend anknurrt.

Die erwidert das mit einem zickigen Fauchen.

Streiten die da etwa gerade? Das gibt es ja wohl nicht! Genervt stampfe ich mit dem Fuß auf. „Hört auf mit dem Kindergarten, für sowas ist jetzt keine Zeit! Streiten könnt ihr später noch darüber, wer hier jetzt für was Schuld hat! Jetzt gerade müssen wir aber alle zusammenhalten, damit wir gegen diese Übermacht an Webarak bestehen können. Ist das klar?!“

Widerstrebend nicken meine beiden Streithähne.
 

Gerade als ich mich wieder auf die Gegner konzentrieren will, greifen diese auch schon an. Anscheinend haben sie sich von Lin-Fus Angriff erholt. So schnell kann keiner von uns reagieren, wie die Webarak beginnen, Karnimani schon wieder einzuweben. Der Rest springt dafür synchron auf Lin-Fu, um sie mit ihrem Stachel, den sie auf dem Kopf haben, zu treffen, der auf einmal lila leuchtet. Oh verdammt, dass ist Giftstachel! Und als Lin-Fu sich aus der Menge befreien kann, sehe ich auch, dass er seine volle Wirkung erzielt hat. Das Kampf Pokémon zittert leicht, außerdem schwitzt sie. Sie ist vergiftet!

„Oh verdammt, Lin-Fu. Befrei Karnimani, du brauchst ihn!“, rufe ich verzweifelt.

Und zum Glück versteht sie. Wieder setzt sie Ableithieb auf die Fäden ein, die gleich darauf nutzlos zu Boden rieseln.

Mit einem wütenden Schrei springt Karnimani auf die Webarak zu und versucht nach ihnen zu schlagen, doch die kleinen Dinger hüpfen immer wieder wie Flummis aus dem Weg.

„Karnimani, hör mir zu!“, rufe ich verzweifelt. „Wir müssen zusammenarbeiten. Uns formieren. Kommt hier her zu mir, bitte, ihr beide.“ Und ein Glück, beide tun was ich sage. Sie stellen sich vor mir auf wie bei einem Doppelkampf, Lin-Fu links, Karnimani rechts. Beide sehen mich an und ich nicke ihnen ermutigend zu. Dann richten wir alle unseren Blick auf die Schar an Webarak, die auf uns zu krabbelt. Nun heißt es wir drei zusammen gegen die Webarak!
 

„Lin-Fu, Duplexhieb, Karnimani, Aquaknarre, bitte!“

Sofort rennt Lin-Fu los und versetzt vielen der Webarak einen Hieb, bevor diese kleinen Dinger ausweichen können. Dann springt Lin-Fu wieder an ihren Platz zurück und noch während Lin-Fu in der Luft ist produziert Karnimani eine Aquaknarre unter ihr hindurch, die sich gewaschen hat und einige der Webarak zurückdrängt.

Doch dann bereiten sich die kleinen Biester auf einen Gegenangriff vor. Die ersten Webarak kann Karnimani noch mit seinen Klauen von sich fernhalten, aber bald darauf sind es zu viele. Irgendwann überrennen sie meine Wasserechse einfach, klettern an ihm hoch und beißen sich dort fest, bis man nicht mal mehr eine blaue Schuppe von ihm sehen kann. Dafür hört man sein wütendes Brüllen.

Auch Lin-Fu ergeht es nicht viel besser. Während die eine Hälfte Lin-Fu mit ihren Fäden fesselt, damit sie sich nicht bewegen kann, krabbelt die andere an ihr hoch und verbeißt sich in ihr, ähnlich wie bei Karnimani.

„Ableithieb auf die Fäden und die Webarak, die dich berühren, Lin-Fu. Kratzer, Karnimani, bitte.“

Doch noch bevor meine Pokémon ihre Angriffe starten können, höre ich über mir ein Kreischen und drehe mich erschrocken um. Alles was ich sehe sind orang-schwarze Schnäbel und grau-schwarze Federn. Die Pokémon hüllen mich ein, sie reißen mit ihren Krallen an meiner Kleidung und meinen Haaren und reflexartig lasse ich mich zu Boden fallen und schütze meinen Kopf mit meinen Armen. Keuchend atme ich gegen die Erde, die türkisblauen Augen panisch zusammengekniffen, während ich das Flattern der Flügel und die wütenden Schreie der Pokémon höre. Die Angst kriecht in mir hoch und macht mir das Atmen schwer. Was sind das für Pokémon und was wollen sie? Ich wimmere schmerzverzerrt auf, als die Vögel einige meiner blonden Strähnen herausreißen, doch ich vergesse den Schmerz, als ich Lin-Fu und Karnimani schreien höre. Mit einem Satz bin ich auf den Beinen und schütze reflexartig mein Gesicht mit meinen Armen, denn alles was ich sehe sind Flügel und Krallen und Schnäbel. Ich bin in eine Wolke aus Vogelpokémon eingehüllt. Und es macht mir eine Scheißangst.

„Karnimani?! Lin-Fu?!“, schreie ich verzweifelt, doch die wilden Pokémon sind so laut, ich höre mich selbst nicht.

Und dann ist es plötzlich vorbei. Die Vogelpokémon haben sich in die umstehenden Bäume gesetzt und ich kann wieder sehen. Und sofort erblicke ich Karnimani und Lin-Fu einige Meter von mir entfernt, die ebenfalls so zerschrammt sind wie ich. Aber wenigstens blutet keiner von uns, sonst würde Karnimani wohl schon ausrasten. Kurz realisiere ich, dass alle Webarak weg sind, die sind wohl geflüchtet, als die Vögel gekommen sind, um nicht gefressen zu werden, doch dann renne ich auch schon zu meinen Pokémon. Sie sehen so erleichtert aus wie ich mich fühle.

„Ist alles in Ordnung mit euch?“, will ich wissen sowie ich bei ihnen angekommen bin.

Lin-Fu nickt mir beruhigend zu, während Karnimani nicht auf mich reagiert, sondern argwöhnisch die Vogelpokémon beäugt, die uns von den Bäumen aus beobachten.

„Mir geht es auch gut“, erwidere ich auf Lin-Fus fragenden Laut, dann folge ich Karnimanis Blick. Leise frage ich: „Glaubst du, sie wollen uns etwas Böses?“

Karnimani knurrt leise, was ich jetzt so oder so deuten kann. Entweder als ja oder als lass mich in Ruhe. Ich bin mal optimistisch für ersteres.

„Ich hoffe es nicht. Vielleicht wollten sie uns ja gerade auch gar nicht verletzen, sondern sind nur wegen den Webarak auf uns aufmerksam geworden. Das ist immerhin die Nahrungsquelle der Staralili.“ Inzwischen habe ich nämlich erkannt, um welche Pokémon Art es sich hier handelt. Mit den Pokémon des Simplex Waldes kenne ich mich aus.
 

Hätte ich das mal besser nicht gesagt. Denn kaum spreche ich den Namen der Pokémon aus, erheben sich die Pokémon schreiend in die Luft und rasen auf uns zu. Einige von ihnen stimmen ein fürchterliches Geschrei an, wodurch wir alle uns die Ohren zu halten müssen. Andere fliegen in einer wahnsinnig schnellen Geschwindigkeit auf Karnimani und Lin-Fu zu, sodass man sie gar nicht sehen kann und reißen sie fast von ihren Füßen. Und dann passiert es. Drei der Staralili konzentrieren sich nur auf Lin-Fu und schlagen heftig mit ihren Flügeln, sodass sie einen Windsturm erzeugen. Der ist so heftig, dass er Lin-Fu durch die Luft wirbelt und schließlich fällt sie aus einigen Metern Höhe auf den Boden. „Liiin-Fuuu“, keucht sie auf und bleibt besiegt auf dem Rücken liegen.

„Lin-Fu!“, schreie ich erschrocken auf. Ich will zu ihr laufen, doch all die Staralili lassen mich einfach nicht durch. Sie versperren mir den Weg und ich kann Lin-Fu kaum sehen. Panisch blicke ich mich nach Karnimani um und erkenne ihn einige Meter von mir entfernt wie er gegen viele Staralili kämpfen. So laut ich kann rufe ich seinen Namen, um ihn auf mich aufmerksam zu machen.

Der Blick der Wasserechse schießt hoch und seine rot-braunen Augen treffen auf meine türkisblauen. Erleichtert zeige ich in die Richtung, in der Lin-Fu zu Boden gegangen ist und schreie ihren Namen erklärend dazu. Hoffentlich hört er mich über das wütende Schreien und Flügelschlagen der Staralili und hoffentlich versteht er, was ich von ihm meine.

Verstehend nickt er mir zu, dann holt er, ohne sich um die Angriffe der Staralili zu kümmern, tief Luft und schießt eine Aquaknarre in Richtung Lin-Fu. Sie schlägt eine Schneise in die wilden Pokémon und ohne weiter zu zögern, werfe ich mich in die Aquaknarre. Das ist immerhin der schnellste Weg, um zu Lin-Fu zu gelangen, ohne von den Staralili behindert werden. Der Wasserstrahl trifft mich hart in meinem Rücken und schiebt mich unaufhaltsam vorwärts. Ich kann nicht wirklich sehen, wo ich hinlaufe, vertraue einfach darauf, dass Karnimani mich zu Lin-Fu lenkt und tatsächlich, nach wenigen Momenten stolpere ich über einen am Boden liegenden Körper und falle. Im nächsten Augenblick endet die Aquaknarre und die wilden Pokémon stürzen sich wieder auf mich. Sie würden sich wohl auch auf Lin-Fu stürzen, allerdings kommen sie an die nicht heran, da ich über ihr liege und sie so bedecke. Und das ist auch nötig, denn ihr Körper ist bedeckt mit teilweise blutigen Schnitten, verursacht durch die Krallen und Schnäbel der Vögel. Sie ist viel schlimmer verletzt als ich. Gut, dass Karnimani das Blut nicht gerochen hat, sonst hätten wir jetzt noch ein viel größeres Problem. Allerdings kann auch dies bald eintreten, so wie die Staralili mich gerade attackieren.

Vor Schmerzen wimmernd krümme ich mich über dem Körper unter mir zusammen. Hauptsache sie verletzten Lin-Fu nicht noch mehr. Mit zitternder Hand greife ich nach ihrem Pokéball und rufe Lin-Fu zurück. So kann sie sich dort erholen. Nachdem ich den Ball wieder an den Gürtel gesteckt habe, rolle ich mich zusammen, um mich bestmöglich zu schützen, denn die Staralili greifen immer noch an. Ich höre Karnimanis schmerzverzerrte Laute, doch ich kann ihn nicht zurückrufen. Karnimani wird durch die vielen wilden Pokémon verdeckt, der Strahl würde also nicht durchkommen und so bleibt mir nur, hier zu liegen und das alles auszusitzen.
 

Ich weiß nicht, wie lange ich dort liege, die Schreie der Staralili und das schmerzverzerrte Knurren von Karnimani und mein eigenes Weinen in den Ohren. Sehen tue ich nichts, ich halte die Augen verkrampft geschlossen und vor Schmerzen kann ich mich nicht bewegen.

Irgendwann durchbricht eine laute Stimme den Nebel aus Schmerz, der sich über mein Bewusstsein gelegt und mich alles nur noch dumpf wahrnehmen gelassen hat. „Salim, Heuler auf diese Vogelviecher! Mach, dass sie verschwinden!“

Gleich darauf ertönt ein wirklich furchterregendes Gebrüll durch das tatsächlich einige der Staralili erschrocken auffliegen und flüchten. Doch es sind immer noch welche da. Ich kann sie hören und spüren.

„Die scheinen es ja echt nötig zu haben. Na gut, dann setz Drachenwut ein, Salim. Aber Vorsicht bei dem Mädchen und ihren Pokémon. Sie sehen aus, als lägen sie hier schon ein bisschen, da müssen wir nicht noch mehr Schaden anrichten.“

Ich glaube ein zustimmendes Schnauben zu hören, dann ruft das Pokémon „Glu!“ und gleich darauf spüre ich die Hitze, die bis zu mir herüber strahlt, als das Pokémon des Trainers die Staralili nun endgültig vertreibt.
 

Erleichtert seufze ich auf. Die Gefahr ist gebannt. Ich spüre, wie mein Körper sich langsam entspannt und ich immer weiter in die absolute Dunkelheit abdrifte. Da spüre ich, wie sich eine warme Hand auf meine Schulter legt und sanft an mir rüttelt. Sofort schießt Schmerz durch meinen Körper und reißt mich weg von meiner ruheversprechenden Dunkelheit. Ich will denjenigen anfauchen mich in Ruhe zu lassen, doch ich kann nicht. Ich bin einfach viel zu müde. Zu müde für einfach alles.

„Hey, hörst du mich? Lebst du noch?“, unterbricht mich eine Stimme auf meinem Weg in den Schlaf. So genervt wie ich mich fühle, so genervt klingt auch das Knurren neben mir.

„Ich weiß genau, was du sagen willst, Salim. Sowas wie `Dämliche Frage, Robin´, nicht wahr? Aber sieh dir die zwei an. Das Pokémon ko., sie kurz vor der Ohnmacht und beide so zerschnitten, als wären sie in einen Häcksler geraten. Ich finde, die Frage ist berechtigt. Aber gut. Hey Mädchen, aufwachen, jetzt! Mach die Augen auf, hörst du!“

Ich will der Stimme antworten, wirklich, auch wenn dass, was ich ihr zu sagen habe, vielleicht nicht unbedingt nett ist, aber ich kann keinen einzigen Muskel rühren. Es fühlt sich an, als würde eine schwere Decke auf mir liegen und mich niederdrücken.

Das Pokémon neben mir faucht wütend, da ertönt ein lautes Klatschen, gefolgt von einem entsetzt gekeuchten „Salim!“ Dann spüre ich den brennenden Schmerz auf meiner Wange, der mich endgültig aus dem Nebel reißt, der auf meinem Bewusstsein gelastet hat. Ich schnappe nach Luft und öffne langsam meine Augen, während ich meinen Kopf zur Seite nach oben drehe. Dahin, wo ich die Stimmen orte.

Mein Blick ist unfokussiert, ich sehe nichts außer Farbflecken und Klecksen, doch je länger ich die Augen offenhalte, desto mehr nehmen die Farben Formen an und ergeben ein Bild.

Der rote Fleck entpuppt sich als Glutexo, das mich mit vor der Brust verschränkten Armen ziemlich genervt ansieht. Neben dem Pokémon kniet ein Mensch mit kastanienbraunen kinnlangen Haaren, die von einer Haarspange aus dem Gesicht gehalten werden. Große dunkelgrüne Augen betrachten mich sorgenvoll. Vor Nervosität spielt die Person mit einigen Haarsträhnen, wobei mir die Armbänder an ihrem rechten Handgelenk auffallen. Die Steine glänzen wunderschön. Mehr sehe ich von meinem Gegenüber gerade nicht und kann auch nicht genau definieren, ob das jetzt ein Junge oder ein Mädchen ist.

„Ah, gut, endlich machst du die Augen auf. Auch wenn das nicht gerade die feine Art von Salim war, aber was solls. So lange es hilft. Ich bin Robin, wie heißt du?“ Die Stimme ist definitiv weiblich und jetzt, wo sich die Person etwas weiter zurücklehnt, sehe ich auch, dass ihr Körper, der in einem schwarzen enganliegenden Top und einer weißen geöffneten Weste steckt, ebenfalls ziemlich weiblich aussieht. Aber sagte sie gerade, sie heißt Robin?!

„Du bist ein Junge?“, frage ich das erste, was meinem breiigen Hirn in den Sinn kommt und bin erschrocken, wie schwach und krächzig sich meine Stimme anhört.

Die Person neben mir stöhnt hörbar genervt auf, bevor es aus ihr heraus bricht:. „NEIN, bin ich nicht! Ich bin ein MÄDCHEN, klar, genau wie du! Arceus nochmal, das ist ein Name für Jungs und MÄDCHEN, was ist denn daran so schwer zu verstehen!?“ Ihre grünen Augen funkeln mich wütend an, dass Thema scheint sie wirklich im nu auf 180 zu bringen.

Leise nuschele ich „Sorry“, denn ich wollte sie wirklich nicht verletzen oder wütend machen, aber das Mädchen schnaubt nur. „Wie heißt du denn?“, schnappt sie sauer.

„Svenja“, erwidere ich schnell und ziemlich kleinlaut.

„Na, wenigstens ist das ein bekannter weiblicher Name, nicht wahr? Nicht, dass noch Fragen aufkommen.“ Sie ist immer noch wütend, aber langsam wird sie etwas leiser und ich sehe zu ihr auf. Noch einmal holt das Mädchen tief Luft, dann fällt die Anspannung und Aggressivität von ihr ab und sie sagt gleich viel freundlicher: „Du solltest dein Pokémon in seinen Ball rufen. Dein Karnimani sieht nicht besonders gut aus, da solltest du ihm die Ruhe in seinem Pokéball gönnen. Nicht dass ihm noch mehr passiert.“

Verdammt. Jetzt muss er schon wieder in seinen Ball. Was, wenn das so endet wie beim letzten Mal? Aber Robin hat recht, alles andere wäre nicht gut für ihn.

Umständlich pfriemele ich den Pokéball von meinem Gürtel ab, denn mein Arm fühlt sich bleischwer an, viel zu schwer, um ihn hochzuheben und meine Finger können irgendwie nicht richtig zu greifen. Bevor ich es verhindern kann, ist er meinem Griff entglitten und fällt auf den Boden, wo er bis zu den Füßen von Robin rollt. Auch diese scheint sich dieses Trauerspiel nicht länger ansehen zu können, denn sie hebt den Pokéball auf, bevor ich auch nur danach greifen kann. Dann erhebt sie sich wieder und verschwindet aus meinem Sichtfeld, immerhin liege ich immer noch. Gleich darauf ist sie aber wieder da und heftet Karnimanis Pokéball wieder an meinen Gürtel an. Unter normalen Umständen wäre es mir ja eher unangenehm, dass sie so an meinem Gürtel rumfummelt, egal ob Mädchen oder Junge oder sonst was, aber gerade habe ich andere Probleme. Noch dazu habe ich einfach keine Energie mich aufzuregen oder zu genieren.
 

„Okay. Jetzt, wo dein Pokémon versorgt ist, kümmere ich mich mal um dich“, unterbricht Robin meine Gedanken und kniet sich neben mich.

„Was?“, blinzele ich sie verblödet an.

„Na, irgendwie müssen wir dich ja hier wegbewegen. Tragen kann ich dich wohl kaum, du wirst schon selbst laufen müssen. Und dann bringe ich dich am besten zu dieser Lady irgendwas, die hier im Simplex Wald wohnt. Die Schulleiterin der World Pokémon School eben. Das dürfte auf jeden Fall schneller gehen, als dich zum Pokémon Center zu verfrachten. Und du und deine Pokémon brauchen schnelle Hilfe und die wird uns eine Lehrerin wohl kaum verwehren“, erklärt die Braunhaarige in einem rasanten Tempo, während sie in ihrem Rucksack nach irgendetwas zu greifen scheint.

„Lady Diana?“ Mein Verstand arbeitet immer noch langsam und es ist verdammt schwer bei ihrer Sprachgeschwindigkeit mitzukommen. „Die wird bestimmt helfen.“

„Kennst du sie? Na, das erleichtert die Sache auf jeden Fall“, murmelt Robin abgelenkt, denn nun scheint sie gefunden zu haben, was sie sucht. Stolz hält sie die Sachen hoch. „Hier habe ich ein paar Giefebeeren, die helfen dir wieder auf die Beine. Dann noch Desinfektions- und Kühlungsspray und Mullbinden. Keine Sorge, ich bekomme dich schon wieder hin.“

Mit Eifer macht Robin sich ans Werk, während ich langsam nach der ersten Beere greife.

„Vorsicht, die sind zwar gut zu kauen, aber sehr scharf. Eigentlich habe ich sie für Salim, für Sharky habe ich andere, aber an denen würdest du dir wohl die Zähne ausbeißen, also lassen wir das lieber“, warnt die Brünette mich, während sie mir eine der grau-roten Beeren reicht. Langsam beiße ich davon ab und ersticke einen Lidschlag später fast durch das Brennen in meinem Mundraum. Hustend schieße ich hoch und beuge mich nach vorne, als mir Tränen über die Wangen laufen. Doch einiges Husten später lässt das Brennen in meinem Mund nach und keuchend fahre ich Robin an: „Sag mal, wolltest du mich vergiften!? Oder dass ich ersticke?!“

„Dann würde ich das hier wohl kaum machen.“ Erklärend hält sie dabei die Mullbinden hoch.

„Und warum dann?“, frage ich immer noch leicht außer Atem.

„Diese Beere gibt sehr viel Energie, wie gesagt. Sieh doch mal, mit nur einem Bissen hat sie deinen Blutdruck hochgepusht, dir einen Adrenalinkick verpasst und dich wieder zu neuer Stärke gebracht. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass sie etwas scharf ist.“

„ETWAS!?“

„Jetzt stell dich nicht so an, so schlimm ist das nicht. Ich esse die Beeren jeden Abend in meinem Salat. Jetzt nimm noch einen Bissen, danach dürfte es dir gut genug gehen, um wieder laufen zu können“, fordert sie mich.

„Auf gar keinen Fall!“, protestiere ich lautstark. Ich bin doch nicht verrückt! Als ob sie diese Beeren wirklich jeden Abend isst. Aber vielleicht tut sie das ja wirklich und hat deshalb einfach gar keine Nerven mehr in ihrem Mund.

Robin seufzt auf. „Fein, wenn du meinst, dass du wieder fit genug bist, dann gib den Rest der Beere eben Salim. Der ist ohnehin schon eifersüchtig, dass du seine Beeren isst und sie dann nicht mal zu schätzen weist“, meint sie mit einem Blick auf ihr Glutexo, was tatsächlich ziemlich sauer aussieht.

Vorsichtig halte ich ihm die angebissene Giefebeere hin und sage: „Sorry, aber du kannst ja die andere Hälfte haben. Es hat eben jeder seinen eigenen Geschmack, nicht wahr?“ Unsicher sehe ich das Pokémon an, denn gerade sieht er so aus als überlege er, ob er die Beere oder doch lieber mich verspeisen sollte. Schlussendlich greift er aber doch nach der Beere, wirft sie in seinen Mund, kaut ein bisschen darauf herum, bevor die Flamme an seiner Schwanzspitze auf einmal hoch und hell aufleuchtet. „Glu!“, schreit das Pokémon gleich schon viel glücklicher in den Wald hinaus.

„Sieh es als Belohnung für deinen Kampf gegen die vielen Pokémon gerade eben an“, meint Robin nebenbei zu ihrem Pokémon, bevor sie sich daran macht, mich bzw. meine vielen Schnitte zu verarzten. Und das ist verdammt nochmal nicht angenehm. Doch irgendwann ist Robin fertig und gestützt von Robin auf der einen und Salim auf der anderen Seite, auch wenn der nicht begeistert davon zu sein scheint, machen wir drei uns auf den Weg zu Lady Diana.

Mysteriöse Mondscheingespräche

Mysteriöse Mondscheingespräche
 

„Zac, ehrlich, du musst das nicht machen. Es ist wirklich gefährlich, nachts durch den Simplex Wald zu laufen.“

„Was du nicht sagst. Und dann soll ich dich alleine lassen? Du bist verletzt, natürlich werde ich dich da bei Lady Diana abholen. Ich lasse dich doch nicht alleine durch den Wald laufen!“

„Ich bin doch nicht alleine“, seufze ich auf.

„Ja, noch ist dieser … nein diese… oder doch? Na egal, dieser Mensch bei dir, aber er oder sie wird ja wohl auch bald alleine weiterreisen. Immerhin hieß es, diese Person begleitet dich zu Lady Diana und das war’s dann.“

„Aber-“ setze ich an, doch Zac unterbricht mich einfach. „Nein, Svenja, keine Widerrede. Xanny und ich werden bei Lady Diana auf euch warten. Wir sehen uns nachher.“ Und damit legt er einfach auf.

Verblüfft starre ich mein Handy an, bevor ich es wieder in meinem türkisfarbenen Rucksack verstaue. Eigentlich wollte ich Zac nur anrufen, um ihm zu sagen, dass ich es wohl nicht schaffe, um 8 Uhr wieder bei ihnen und aus diesem Wald raus zu sein, wie ich es ihnen versprochen hatte. Doch Zac scheint sein Versprechen mir gegenüber wahr machen zu wollen. Wenn ich um 8 Uhr noch nicht bei ihnen bin, dann kommt er mich im Simplex Wald suchen. Und darum läuft er jetzt auch gerade mit Xanny durch den Wald zu Lady Diana, um dort auf mich zu warten.

„War das dein Freund?“, fragt Robin neben mir neugierig. Noch immer werde ich von ihr und ihrem Glutexo gestützt.

Nachdenklich sehe ich sie an. Ja, Zac ist in den letzten Tagen tatsächlich zu einem guten Freund geworden. Auch wenn sie mit ihrer Frage natürlich wissen will, ob Zac mein fester Freund ist. „Ein Freund, ja, aber nicht mein Freund.“ Doch wenn ich die Zeichen richtig deute, dann ist er vielleicht irgendwann Xannys Freund. Zumindest Zac scheint an Xanny interessiert zu sein. Aber das geht mich auch eigentlich nichts an, sondern nur die zwei.

„Jedenfalls werden wir wohl ein wahres Begrüßungskomitee haben, wenn wir bei Lady Diana ankommen. Zac und meine beste Freundin Xanny erwarten uns dort und bereiten Lady Diana schon mal auf alles vor.“ Ich seufze auf. Hoffentlich kommen die beiden unbeschadet bei Lady Diana an. Immerhin sind jetzt auch die ganzen nachtaktiven Pokémon unterwegs, wie wir drei leider schon erfahren durften. Dieses riesige Irrbis war wirklich hartnäckig, aber Salim konnte es zum Glück verjagen.

„Nun, dann sollten wir uns beeilen, sonst fangen die die coolen Sachen noch ohne uns an.“ Bestimmt zieht Robin mich weiter, diesmal deutlich schneller als gerade eben noch. Verdammt, mal sehen wie lange ich da mithalten kann. Robin ist auf jeden Fall sehr viel sportlicher als ich.
 

Eine knappe Stunde später kann ich endlich die Lichtung, auf der Lady Dianas Hütte steht, sehen, sowie den Bach rauschen hören. Und ich höre noch ganz andere Dinge.

„Xatu, Schnabel!“, ertönt Zacs Stimme zu mir herüber. Einen Moment ist es still, dann trillert Xatu triumphierend auf. „Gut gemacht, Xatu.“

Da meldet sich eine sanftere und leisere Stimme zu Wort. „Eine schöne Idee, sich mit dem Teleport ungesehen zum Gegner zu bewegen und sich so auch schnell wieder aus der Gefahrenzone bewegen zu können. Dass habt ihr beide gut trainiert, Xatu, Zac. Zeigt mir nun, wie ihr mit einem Angriff umgeht. Schlapor, Ruckzuckhieb.“

Keinen Atemzug später höre ich schon Xatus Schmerzensschrei und höre, wie es irgendwo gegen klatscht. Vielleicht gegen einen Baum, denn ein Geräusch erklingt, als wäre es nochmal zu Boden gefallen. Nun beeile ich mich noch mehr. Welches Pokémon schafft es, Xatu mit einem Ruckzuckhieb fast zu besiegen?

Auch Robin scheint neugierig zu sein, denn sie zieht mich sogar noch hinter sich her.

„Xatu“, keucht Zac erschrocken, doch sein Pokémon zwitschert ihm leise und definitiv erschöpft zu. Aber das heißt, es ist noch nicht besiegt.

„Kannst du noch weiter machen?“

Wieder trillert das Pokémon leise.

„Ich bin stolz auf dich. Sehr gut, Xatu. Verdammt, ist dieses Schlapor schnell. So sieht es gar nicht aus.“ Zustimmendes Zwitschern. „Es ist sogar schnell als du, selbst wenn du Teleport einsetzt. Trotzdem, wir geben nicht auf. Nachtnebel, Xatu.“

Gerade als Zac seinen Befehl ausspricht, durchbrechen wir drei endlich die Baumreihe und sehen Zac und Xatu auf der einen Seite und Lady Diana und ein Schlapor auf der anderen Seite. Xanny sitzt in sicherer Entfernung bei dem See auf einem großen, glatten Stein und scheint einige der Pokémon zu streicheln, wobei sie aber auch aufmerksam den Kampf verfolgt.

Aber Moment! Was ist das? Dieses Schlapor hat schwarze Flecken an den Beinen und die Ohren… die sonst so schönen wuscheligen Ohren sind nun… geflochten? Was ist los mit diesem Pokémon?

Neben mir stößt Robin ein unmenschlich hohes Fiepen aus und ich sehe sie überrascht und auch erschrocken an, doch die bemerkt das gar nicht. Ihre Augen kleben an dem seltsamen Schlapor und verfolgen es mit größter Bewunderung. Auch Salim hat mich los gelassen und sieht nun fasziniert dem Kampf zu.
 

Gerade als Xatu den schwarzen Nebel ausgestoßen hat, stößt sich das Schlapor mit seinen langen Beinen vom Boden ab und springt aus dem Stand so hoch in die Luft, dass es auf dem Wipfel eines hohen Baumes landet. Der biegt sich unter diesem Gewicht zur Seite nach unten, also lässt Schlapor den Baum los, schlägt einen Salto in der Luft und sieht dabei zu seiner Trainerin.

Lady Diana nickt leicht und ihr Pokémon sieht wieder konzentriert auf den Gegner. Dann zieht es ein Knie an den Körper, das andere ist angewinkelt und zielt auf Xatu. Wird das ein Turmkick?

„Xatu, Tele-!“, will Zac schreien, doch noch bevor er seinen Befehl beenden kann, ist das Schlapor schon mit dem Knie voraus und mit seinem ganzen Gewicht und dem Schwung, den es durch den Fall hatte, auf Xatu gelandet und hat das kleine Vogelpokémon sprichwörtlich in den Boden gestampft. Es ist besiegt.
 

„O mein Gott, das war der Wahnsinn! Überkrass! Einfach nur fucking fantastisch!“, bricht Robin auf einmal neben mir in Jubel aus und rennt auf die beiden Pokémon zu. „Das war einfach unbeschreiblich!“

„Ähm, naja. Dankeschön“, erwidert Zac verlegen, kratzt sich im Nacken, wird leicht rot und ruft schnell sein Xatu in den Ball zurück.

Robin wirft ihm nur einen kurzen Blick zu. „Ich rede doch nicht mit dir. Ich rede mit Lady Diana und ihrem fabelhaften Mega Schlapor!“ Dann wendet sie sich wieder Schlapor zu, streckt die Hand nach ihrem Ohr aus, doch kurz davor hält sie inne. „Darf ich?“

Das Schlapor lächelt sanft, nickt und sofort streichelt Robin ihm das Ohr entlang. „Oooh, so weich!“, quietscht sie sofort auf.

Schlapor lächelt, dann tritt es einen Schritt von Robin zurück und leuchtet kurz in einem braunen Licht auf. Als sich dieses Schimmern einen Lidschlag später wieder verzogen hat, sieht das Schlapor wieder aus wie ein ganz normales Schlapor.

Die Mega Entwicklung! Jetzt erinnere ich mich wieder! Wir hatten das mal im Unterricht, aber ich habe noch nie eine Mega Entwicklung live miterleben dürfen. Vermutlich habe ich es deshalb wieder vergessen. Weil es so unwahrscheinlich ist, jemals eine zu sehen, geschweige denn, selbst einsetzen zu können. Schlüsselsteine sind äußerst selten und den passenden Megastein für das eigene Pokémon zu finden fast unmöglich. Ich wusste gar nicht, dass Lady Diana und ihr Schlapor diese Entwicklung einsetzen können!
 

„Svenja!“, ruft Zac auf einmal aus und rennt auf mich zu. Plötzlich spüre ich wieder, wie unglaublich schwach ich eigentlich auf den Beinen bin, die Faszination hat mich das kurz verdrängen lassen, doch nun kommt die Erschöpfung mit aller Macht zurück. Schwer stütze ich mich auf Zac, der mir auch gleich einen Arm um die Hüfte und meinen Arm über seine Schulter legt.

Auch Xanny hat mich nun entdeckt und rennt auf mich zu. „Oh Sweety, was machst du nur immer für Sachen? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“

„Komm, gehen wir rein. Lady Diana hat schon alles vorbereitet. Gleich geht es dir und deinen Pokémon wieder besser. Und danach musst du uns unbedingt alles erzählen“, drängt Zac und ich lasse mich einfach von ihm mitziehen. Lady Diana und Xanny sind direkt hinter uns, nur Robin und Salim bleiben draußen und bewundern weiter das nun nicht mehr megaentwickelte Schlapor.
 

„Setzt sie dort hin“, bittet Lady Diana, sobald wir die Hütte betreten und Zac und Xanny führen mich zu einem aufgestellten und bezogenen Feldbett. Langsam lasse ich mich darauf sinken und zische gepeinigt auf.

„Svenja, was stellst du nur jedes Mal an in diesem Wald, hm?“, fragt Lady Diana sorgenvoll, sobald sie sich auf einen Stuhl mir gegenüber gesetzt hat. „Ziehst du bitte dein Oberteil und deinen Rock aus, damit ich mir die Verletzungen besser ansehen kann? Ich kann deine Kleidung nachher auch wieder herstellen, keine Sorge, aber zuerst kümmern wir uns um dich und deine Pokémon. Oxana, würdest du deiner Freundin helfen? Und Zac-?“

„Ja?“, fragt dieser eifrig.

„Würdest du… bitte…?“ Leicht zeigt Lady Diana auf die Tür, die aus der Hütte heraus führt.

Kurz sieht Zac sie verwirrt an, dann fällt sein Blick auf mich, die ich gerade nach dem Saum meines Oberteils greife und sofort wird er flammend rot und stottert: „Oh… ja… ja natürlich… . Entschuldigung.“ Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren dreht er sich um und eilt aus der Hütte.

„Diese jungen Männer heutzutage.“ Seufzend schüttelt Lady Diana den Kopf, dass ihr die Brille etwas runter rutscht und sie sie erstmal wieder richten muss. Danach mustert sie mich aus ihren klugen, gütigen Augen, denn dank Xannys Hilfe hab ich mich bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Zum ersten Mal sehe ich das volle Ausmaß der Verletzungen. Meinen ganzen Körper zieren Kratzer und Schnitte. Sie alle sind gerötet, einige bluten auch, allerdings ist keiner von ihnen so tief, dass das Blut in Strömen fließen würde. Anders als beim letzten Mal, was sehr beruhigend ist. Trotzdem tut mein gesamter Körper weh und entzieht mir alle Energie.

Lady Diana dagegen nickt zuversichtlich. „Das bekomme ich wieder hin. Die Schnitte sind nicht so tief. Es werden nicht einmal Narben zurück bleiben.“

Erleichtert atme ich auf. Ein Glück! Nicht noch mehr Narben, die mich verunstalten und meinen Alltag erschweren.

Schnell greift Lady Diana nach einem nassen Waschlappen, reicht ihn mir und befiehlt mir, mich erst einmal sauber zu machen, damit nicht noch Dreck in die Wunden kommt. Während ich mich also wasche, zerstampft Lady Diana mit geübten Griffen Kräuter, zerschneidet eine Pflanze und presst aus einigen Beeren den Saft aus. Dies alles mischt sie zusammen und verstreicht es auf Mullbinden, die sie dann in gleich große Stücke schneidet. Xanny währenddessen presst derweil Wikie- und Palmbeeren aus, deren Saft ich nachher trinken soll.

Sobald ich mich abgewaschen habe, desinfiziert Lady Diana alle meine größeren und kleineren Wunden, was nicht gerade angenehm ist, aber wenigstens haben die meisten der Schnitte aufgehört zu bluten. Danach verbindet Lady Diana alle größeren Schnitte mit den vorbereiteten Mulltüchern und schmiert auf die restlichen Kratzer die Salbe, die angenehm kühl ist und den Schmerz quasi heraus zieht. Als ich dann auch nach Xannys Beerensaft getrunken habe, geht es mir tatsächlich schon wieder besser. Auch meine Müdigkeit ist verflogen, der Saft hat mir einen Energiekick gegeben und so ziehe ich mir, in Ermangelung von etwas anderem, eine schwarze Jogginghose und einen türkisfarbenen Hoodie an, den ich in meinem Rucksack dabei habe.

„Gut, dann kümmern wir uns jetzt mal um deine Pokémon. Sie sind beide ko., nehme ich an?“, fragt Lady Diana.

Ich nicke und reiche ihr die beiden Pokébälle.

„ Ich habe den Vitalkräutern schon ihren Saft entzogen, wir können ihnen die Medizin also gleich geben. Beginnen wir mit Lin-Fu. Svenja, würdest du bitte von dem Feldbett aufstehen, damit ich Lin-Fu darauf entlassen kann?“

Sofort springe ich auf und stelle mich auf die andere Seite des Bettes. Gleich darauf hat Lady Diana Lin-Fu aus ihrem Ball entlassen und diese materialisiert sich auf dem Feldbett. Sie ist immer noch ko. und ihr Körper ist von Schnitten übersäht, allerdings nicht mit so vielen wie es bei mir der Fall war. Wenigstens konnte ich sie ein wenig beschützen.

„Mach dir keine Sorgen, meine Liebe. Die Schnitte werden sich schließen und Lin-Fu wird wieder zu sich kommen, sowie sie den Saft des Vitalkrauts getrunken hat. Es wirkt eigentlich wie ein Topbeleber, außer das Vitalkraut sehr bitter schmeckt. Aber deshalb habe ich Wasmelbeerensaft hinzugefügt, der verleiht dem Ganzen einen süßen Geschmack.“ Mit diesen Worten beugt sie sich über Lin-Fu, öffnet ihren Mund und lässt eine grüne Flüssigkeit in ihren Mund laufen. Mit sanften Bewegungen massiert Lady Diana solange Lin-Fus Kehle, bis diese schließlich schluckt. Einen Wimpernschlag später kann ich mit großen Augen bestaunen, wie alle Wunden auf Lin-Fus Körper sich langsam zu schließen beginnen. Erstaunt streiche ich über Lin-Fus Arm, der gerade eben noch von Schnitten geziert wurde. Nun spüre ich nichts anderes mehr als glatte Haut und weiches Fell. Als Lin-Fu leise schmatzt, blicke ich sofort in ihr Gesicht und sehe, wie sie ihre Augen öffnet. Kurz sieht sie sich panisch um, bevor ihre braunen Augen meine türkisblauen treffen. Sofort wird sie ruhig und ruft stattdessen freudig „Lin-Fu!“

Ich lache erleichtert auf. „Lin-Fu. Dir geht es wieder gut!“

Mein Pokémon nickt energisch, bevor sie mit einem Satz vom Feldbett springt. „Lin-Fu Fu!“

Ich muss grinsen. „Das ist fantastisch.“

„Nun, dann machen wir jetzt genau dasselbe mit Karnimani“, bestimmt Lady Diana, ruft ihn aus seinem Pokéball und drapiert ihn auf dem Feldbett. Während Lady Diana mir meine beiden Pokébälle reicht und ich sie wieder an meinem Gürtel befestige, hat Lin-Fu Xanny entdeckt und saust auf diese zu. „Fu Fu!“

„Ich freue mich auch dich zu sehen, Lin-Fu“, lacht Xanny auf.

Karnimani sieht noch schlimmer aus als Lin-Fu und selbst schlimmer als ich. Viele der Schnitte sind lang und tief und seine Schuppen sind blutverschmiert, auch wenn dieses schon getrocknet ist. Deshalb wasche ich ihn mit dem Waschlappen, mit dem ich mich selbst auch eben gewaschen habe, ab. Nicht, dass er erwacht und durch den Geruch seines eigenen Blutes ausrastet.

Sobald ich fertig bin, öffnet Lady Diana Karnimanis Maul und tröpfelt die Flüssigkeit hinein.

„Warum haben Sie mir das nicht auch einfach gegeben?“, frage ich neugierig.

Sanft massiert Lady Diana Karnimanis Kehle, während sie mir antwortet. „Weil du kein bewusstloses Pokémon bist. Vitalkräuter setzt man nur bei Bewusstlosigkeit ein, ihre Heilungskräfte sind zu stark, um sie einem nur leicht verletzten Pokémon zu geben. Was mich zum zweiten Punkt bringt. Menschen haben längst keine so großen Selbstheilungskräfte wie Pokémon. Das Vitalkraut aktiviert und unterstützt diese Kräfte nur, bei Menschen hätte es keine oder sogar eine negative Wirkung.“

Dann war es wohl wirklich besser, dass ich das Vitalkraut nicht gegessen habe. Im nächsten Moment schließen sich auch bei Karnimani alle Wunden und er reißt die Augen auf.

„Karnimani! Geht es dir gut?“, frage ich sofort und mache einen Schritt auf ihn und das Feldbett zu.

Mein Pokémon reagiert nicht, stattdessen springt er von dem Feldbett in eine Ecke der Hütte und mustert uns alle. Er sieht beunruhigender Weise etwas wütend aus. Zuerst trifft sein Blick mich, wandert dann weiter zu Lady Diana und Xanny, die ihn ängstlich ansieht, dann bleibt sein Blick an Lin-Fu hängen. Sofort wird sein Gesichtsausdruck noch finsterer und er bleckt die Zähne. „Marni!“ , knurrt er dunkel und macht einen drohenden Satz auf Lin-Fu zu, die ihn ebenfalls wütend aussehend erwartet. Geht der Streit zwischen den beiden etwa schon wieder los?

Offensichtlich ja, denn in dem Moment springt Karnimani vor und kratzt Lin-Fu. Die schreit empört auf und holt nach Karnimani aus.

Entschlossen falle ich ihr den Arm. „Schluss damit! Hört auf euch zu bekämpfen! Ich dachte, wir hätten das geklärt? Wir sind im selben Team, also kämpfen wir nur zusammen und beschuldigen einander nicht für irgendetwas.“ Langsam lasse ich Lin-Fus Arm los und sehe meine beiden Pokémon, zwischen denen ich stehe, streng an. „Habt ihr das verstanden?“

Lin-Fu schnaubt schnippisch, doch unter meinem ernsten Blick knickt sie irgendwann ein und nickt wiederwillig.

„Karnimani?“ Auffordernd sehe ich ihn an.

Mehr als wütend sieht Karnimani erst Lin-Fu, dann mich an, macht sogar einen drohenden Schritt auf mich zu, sodass ich kurz glaube, er wird mich gleich angreifen, doch dann weicht er zurück. Irgendwie bitter bleckt er die Zähne, bevor er noch einmal wütend faucht und aus der Tür nach draußen rennt.

„Karnimani!“ Wenn er jetzt wieder in diesen Wald abhaut, finde ich ihn nie wieder. Es ist schon mitten in der Nacht und dementsprechend dunkel. Ich Wald werde ich nicht mal mich selbst finden, geschweige denn ihn. Und dann raste ich aus!

Schnell folge ich ihm und sehe mich suchend auf der Lichtung um. Doch außer Zac, Robin und Salim kann ich niemanden entdecken.

Plötzlich höre ich von links ein Platschen und sofort drehe ich mich zu dem kleinen See um, der von dem hellen Vollmond beschienen wird, und gehe näher. Und da ist er. Voll wilder, wütender Energie schwimmt Karnimani durchs Wasser, taucht unter und jagt irgendwelchen Wasser Pokémon hinterher, bevor er wieder von ihnen ablässt und auftaucht.

„Ihr beide scheint eure Beziehung zueinander verbessert zu haben“, spricht auf einmal eine Stimme hinter mir und ich fahre erschrocken herum. Da steht Lady Diana und lächelt mich an, bevor sie sich langsam auf einen großen Felsen sinken lässt. Auffordernd tätschelt sie auf den Platz neben sich und ich setze mich neben sie. Stumm beobachten wir einige Momente meinen Starter.
 

„Meinten Sie das eben ernst oder war das ironisch gemeint? Und wenn Sie es ernst meinten, wie kommen Sie dann darauf, dass sich unsere Beziehung verbessert hat?“, frage ich irgendwann in die Stille hinein. Inzwischen hat sich Karnimani wieder beruhigt und treibt ruhig auf dem Rücken liegend auf der Wasseroberfläche. Würde der Mond uns kein Licht spenden und sich auf der Seeoberfläche spiegeln, würde ich ihn gar nicht sehen, so dunkel ist es inzwischen. Es muss schon nach 22 Uhr sein.

Kurz bleibt es ruhig, dann antwortet Lady Diana leise: „Natürlich meinte ich das ernst, Svenja. Zum einen akzeptiert uns Karnimani hier in seiner Nähe und scheint noch nicht einmal von uns genervt zu sein. Dass war beim ersten Mal definitiv anderes. Außerdem ist er nicht weggelaufen, wie er es beim letzten Mal gemacht hat. Er ist lediglich aus der Situation geflohen, als es ihm zu viel wurde. Karnimani war vorhin sehr wütend und wollte Lin-Fu angreifen. Gleichzeitig wollte er dich aber nicht verletzen, was schon ein gewaltiger Fortschritt zum letzten Mal ist. Und als er merkte, dass er die Kontrolle über sich und seine Wut zu verlieren drohte, ist er aus der Situation geflohen, weil er nicht riskieren wollte, dich zu verletzten. Stattdessen hat er sich einen ruhigen Ort gesucht, an dem er seine Wut loswerden kann, ohne dich zu gefährden. Also ich nenne das eine Verbesserung eurer Beziehung. Du nicht?“

Ich denke darüber nach. Doch, Lady Diana hat recht. So hab ich es noch gar nicht gesehen. Aber unsere Beziehung hat sich verbessert, sogar mehr als ich dachte.

„Manchmal braucht man eben andere Menschen, die einem helfen, Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten zu können, Svenja. Genauso ist es mit Pokémon. Ohne sie würden wir viele Dinge ganz anderes sehen oder gar nicht erkennen. Aber dazu müssen wir die Pokémon verstehen lernen. Wir müssen ihre Körper- und Lautsprache verstehen und unsere Pokémon kennenlernen. So schmieden wir ein unzerstörbares Freundschaftsband zwischen den Herzen unserer Pokémon und unserem. Und dieses Band leitet uns, damit wir die Gedanken und Gefühle unsere Pokémon verstehen können. Je stärker es ist, desto einfacher wird es. Wenn du tief genug in dich hineinspürst, wirst du es finden. Jenes Band, was dich mit deinen Pokémon verbindet. Merk dir, was ich dir gerade erklärt habe. Es wird wichtig werden. Du darfst es niemals vergessen, Svenja.“

Absolut verwirrt und sprachlos sehe ich Lady Diana an. Von was redet sie da bitte? Klar, ich liebe meine Pokémon und das verbindet mich mit ihnen, aber ein wirkliches Band, was mein Herz mit ihren verbindet?

„Versprich es mir, Svenja! Versprich mir, dass du dich an meine Worte erinnern wirst, wenn die Zeit gekommen ist.“ Zum ersten Mal wendet Lady Diana sich zu mir und sieht mir ins Gesicht. Ich fahre erschrocken zusammen. Ihre Augen! Sie sind strahlend weiß! Alles ist weiß, sie hat noch nicht mal eine Iris oder Pupille!

Reflexartig nicke ich und stottere: „Ich verspreche es!“

Lady Diana nickt langsam, dann starrt sie auf den See, in die Reflexion des Mondes und schüttelt lange und langsam den Kopf. Schließlich seufzt sie, rutscht langsam von dem Felsen und steht auf. Ich sitze immer noch wie angewurzelt da und starre sie entsetzt an.

Noch einmal sieht Lady Diana nach oben zum Mond, dann sieht sie mich an und lächelt. Da! Ihre Augen sind wieder ganz normal! Dunkelbraun, große Pupillen und mit diesem sanften Ausdruck darin.

„Ich werde nun schlafen gehen, Svenja. Und das solltest du auch tun. Du bist ziemlich blass, meine Liebe. Verlässt dich der Energieschub? Nun, das beste Mittel ist eben immer noch Schlaf. Du und deine Freunde können heute bei mir in der Hütte schlafen. Zac und Oxana haben schon alles vorbereitet.“

Freundlich lächelnd sieht Lady Diana mich an, doch ich bringe kein Wort heraus. Der Schock sitzt noch zu tief.

„Na, dann bleib noch ein bisschen hier sitzen. Aber nicht mehr zu lang. Du siehst wirklich aus, als könntest du etwas Schlaf gut gebrauchen. Gute Nacht, Svenja.“ Ein letztes Mal lächelt Lady Diana mich an, bevor sie langsam und vor sich hin summend zur Hütte geht. Ich sehe ihr nach, bis die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, dann sehe ich zu Karnimani, der auf dem Rücken schwimmt, gleichmäßig mit dem Schweif schlägt und den Mond betrachtet. Was bei Arceus war das eben?
 

Am nächsten Morgen wache ich schweißgebadet in meinen Schlafsack auf. Hektisch atmend fahre ich hoch und stelle fest, dass alle anderen wohl schon wach sind und atme tief ein und aus. Darkrai, der Traum war seltsam. Ich habe mich, Karnimani und Lin-Fu gesehen. Meine Pokémon waren mit mir durch ein Lichtband verbunden, was von meinem Herz zu ihrem geführt hat. Genau wie Lady Diana es gestern beschrieben hat. Lin-Fus Band war braun, Karnimanis blau. Ich selbst habe in allen Regenbogenfarben geglüht. Und ich habe Gefühle gespürt, die nicht meine eigenen waren. Aber dann haben sich die beiden Bänder ineinander verknotet und dann war da plötzlich nur noch Dunkelheit. In mir und um mich herum. Die Bänder waren zwar noch da, aber Lin-Fu und Karnimani waren in der Dunkelheit verschwunden. Und plötzlich haben die Bänder versucht mich einzuwickeln, zu fesseln und mir die Luft abzuschnüren. Kurz davor bin ich aufgewacht. Arceus sei Dank, denn das war wirklich beängstigend. Erst Lady Diana und dann mein Unterbewusstsein. Was läuft hier gerade ab?

Langsam stehe ich auf und ziehe mir meinen weißen Rock und mein fliederfarbenes Top an, was ein Glück irgendwer geflickt hat. Lady Diana vermutlich. Nachdem ich in meine schwarzen Turnschuhe geschlüpft bin und mir meinen Gürtel umgelegt habe, packe ich meine Schlafsachen wieder in meinen Rucksack, denn auch Zac und Oxana haben ihre Sachen schon zusammengepackt. Sie sind also schon Aufbruch bereit. Den Rucksack von Robin kann ihr gar nicht sehen. Ist sie etwa schon gegangen? Ohne sich zu verabschieden? Ohne, dass ich mich bedanken konnte?

Als ich von draußen Stimmen höre, beeile ich mich nach draußen zu kommen. Sobald ich die Tür öffne, werde ich von hellem Sonnenlicht geblendet. Wie viel Uhr ist es eigentlich?

Blinzelnd versuche ich meine müden Augen an das Licht zu gewönnen und zucke etwas zusammen, als mich auf einmal jemand an der Hand nimmt. „Morgen, du Schlafmütze. Wir dachten schon, du stehst heute gar nicht mehr auf.“ Xanny. „Willst du etwas frühstücken? Ich habe dir zwei Brötchen aufgehoben und Magostbeerenmarmelade. Die magst du doch so gerne, nicht wahr?“

Stumm nicke ich und lasse mich von Xanny, die heute Morgen sehr energiegeladen zu sein scheint, zu einem gedeckten Tisch in der Nähe des Sees ziehen. Dort sitzt auch Zac, der gerade in ein Nutella Brötchen beißt, sowie Karnimani und Lin-Fu, die vor ihren Fressnäpfen sitzen und ebenfalls schon frühstücken.

„Guten Morgen, Svenja“, begrüßt Zac mich, sobald er herunter geschluckt hat.

„Morgen, Zac“, erwidere ich langsam. Mein Kopf ist immer noch überfordert von dem, was gestern Abend und heute Nacht alles passiert ist. „Morgen, Karnimani, morgen, Lin-Fu.“

Die zwei schmatzen mir eine Begrüßung zu, machen sich dann aber wieder über ihr Essen her.

„Jetzt setzt dich erstmal“, bestimmt Xanny und drückt mich energisch auf einen Stuhl. „Und dann iss etwas, du scheinst immer noch nicht richtig fit zu sein.“

Mechanisch nicke ich, greife nach Brötchen und Messer und beginne mir Frühstück zu machen. Während meine Gedanken nur um das Erlebte kreisen, höre ich auf halbem Ohr Xanny und Zac zu.

„Du … hast da was“, höre ich Xanny leise sagen.

„Wo, hier?“, will Zac sofort alarmiert wissen.

„Nein, da.“

„Hier?“

„Nein.“ Leise lacht Xanny. „Da.“ Und damit beugt sie sich über den Tisch und scheint das, was auch immer in Zacs Gesicht war, wegzuwischen. Ich verbeiße mir das Grinsen. Diese zwei sind niedlich, wie sie so um einander herumschleichen.

„Da-danke“, höre ich Zac verlegen stottern.

Xanny kichert, während sie sich auf ihren Sitz zurück plumpsen lässt und fasziniert auf ihre Finger in ihrem Schoß starrt, sodass ihr ihre langen blauen Haare vors Gesicht fallen. Ohne hinzusehen könnte ich schwören, dass die beiden gerade genau denselben Rotton angenommen haben. Lächelnd sehe ich weiterhin auf mein Brötchen, ich will mich da nicht einmischen, doch ich hebe den Blick, als ich Robins Stimme höre. „Sie stimmen also zu? Sie kämpfen mit ihrem Mega Schlapor gegen mich und Salim?!“

„Wenn du das möchtest, Robin.“

„Oh, vielen Dank. Das ist Wahnsinn! Ich werde sicher so unglaublich viel aus dem Kampf lernen, das wird uns unglaublich helfen!“

„Davon bin ich überzeugt.“ Dann spüre ich eine kleine Hand an meiner Schulter und fahre erschrocken herum. Da steht Lady Diana und lächelt auf mich herunter. Und sie sieht ganz normal aus. „Guten Morgen, Svenja. Wie geht es dir heute? Hat der Schlaf dir geholfen?“

„Gut, danke, ja, das hat er“, bringe ich stotternd hervor.

Stirnrunzelnd sieht Lady Diana mich an. „Du wirkst aber immer noch nicht ganz fit. Ist alles in Ordnung? Oder ist etwas passiert? Seit gestern Abend benimmst du dich anders als sonst.“

Verdammt, sie hat mich durchschaut! Aber ich kann sie doch unmöglich auf gestern Abend ansprechen. Auf ihre Augen! Lady Diana würde mich für verrückt halten und Xanny, Zac und Robin auch. Ich kann ja selbst kaum glauben was da passiert ist, wie also sollen es andere tun? Darum lächle ich nur unsicher und schiebe mir eine blonde Strähne hinters Ohr. „Nein, es ist alles okay. Ich bin nur einfach noch müde.“

„Und dass, wo du den halben Tag verschlafen hast“, lacht Zac laut auf und gluckst vor sich hin. Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, doch bevor der wirkt, fällt meine beste Freundin mir in den Rücken. „Das ist noch gar nichts. Sweety ist der absolute Langschläfer, wenn sie von nichts geweckt wird, würde sie wohl solange schlafen, bis sie von ihrem eigenen Magenknurren wach wird.“

Laut lacht Zac los und verschluckt sich fast an seinem Brötchen.

„Einmal haben wir eine Pyjamaparty bei mir zuhause gemacht und sind erst frühmorgens schlafen gegangen. Ich konnte sie den ganzen restlichen Tag nicht dazu bewegen, aufzustehen. Erst als ihre Eltern um 6 Uhr abends vor der Tür standen, ist sie murrend aufgewacht und im Schlafanzug zu sich nach Hause gelaufen. Ich wette, sie hat sich einfach in ihr Bett geschmissen und hat direkt weiter geschlafen.“

Diesmal lacht Zac so heftig, dass ihm die Tränen kommen und auch Robin lacht mit. Selbst Lady Diana höre ich hinter mir leise glucksen.

„Dankeschön, Xanny“, knurre ich leise in ihre Richtung und funkle sie an. Es ist noch früh am Morgen, ich habe schlecht geschlafen und noch nichts richtig gegessen, aber Hauptsache ich bin schon die Lachnummer des Tages!

„Stimmt es denn?“, fragt Zac mit einem fetten Grinsen im Gesicht und noch immer leise am Lachen, was meine Stimmung jetzt nicht unbedingt hebt, weshalb meine Gegenfrage auch ziemlich patzig ausfällt. „Stimmt was? Drück dich mal klar aus, Zac.“

Zac räuspert sich und wird wieder ernst. Scheint als würde ihn mein finsterer Blick einschüchtern, denn diesmal fragt er ohne mich auszulachen: „Ob es stimmt, dass du, sobald du zuhause warst, weiter geschlafen hast?“

„Natürlich nicht!“, gebe ich hoheitsvoll zurück und beiße in mein Brötchen, um diese Diskussion jetzt als beendet zu erklären.

Zac scheint meine Antwort aber nicht zu glauben, der lacht schon wieder Tränen. Wenn er so weiter macht, dann fließen bei ihm gleich aus einem anderen Grund die Tränen, verdammt! Langsam reicht es echt! Außerdem habe ich die Wahrheit gesagt. Ich bin nicht direkt schlafen gegangen. Ich habe zuvor etwas gegessen und war auf dem Klo. Erst danach habe ich mich in mein Bett gekuschelt und bin sofort wieder eingeschlafen. Wütend schnaube ich auf. „Habe ich nicht eben etwas von einem Pokémon Kampf gehört?“, wende ich mich an Robin, um jetzt endgültig auf ein anderes Thema zu kommen.

Robin springt zum Glück direkt darauf an. „Richtig! Lady Diana, könnten wir dann? Ich möchte nach dem Kampf nämlich direkt weiter ziehen.“

„Nun, wenn du es so eilig hast, dann sollten wir wohl anfangen.“
 

Robin und Lady Diana stellen sich auf einer großen Grasfläche in der Mitte der Lichtung in Positur, während Zac, Xanny, Lin-Fu, Karnimani und ich es uns mit unserem Frühstück in einiger Entfernung im Gras gemütlich machen.

„Bist du bereit für einen Übungskampf, Schlapor? Denk daran, die beiden nicht zu überfordern“, erklärt Lady Diana ihrem Pokémon, was in seiner normalen Gestalt schräg vor ihr steht.

„Schla Schlapor!“

„Was ist mit euch beiden, Robin, Salim?“

Kampflustig spuckt das Glutexo eine Flamme aus seinem Maul und die Flamme an seiner Schwanzspitze glüht bläulich auf, was Lady Diana zum Schmunzeln bringt.

„Salim und ich sind immer bereit für einen Kampf“, ruft Robin der älteren Frau zu.

„Das sehe ich. Nun gut, dann dürft ihr beide sehr gerne anfangen.“

Zögernd sieht die Brünette zu der anderen Trainerin. Lady Diana merkt das und fragt: „Ist etwas nicht in Ordnung, meine Liebe?“

„Ich dachte nur, … ich dachte, dass sollte eine Kampf werden, bei dem Sie die Mega Entwicklung einsetzen“, kommt es unerwartet schüchtern von Robin.

Lady Diana lächelt. „Oh, keine Sorge. Wenn die Mega Entwicklung wirklich das ist, was ihr wollt, dann werdet ihr uns sicherlich von eurem Wunsch überzeugen können. Und dann werden Schlapor und ich auch nicht zögern, die Mega Entwicklung zu nutzen.“

Robin nickt verstehend, jetzt schon wieder viel selbstsicher. „Na, wenn das so ist. … Salim, beginn mit Heuler!“

Sofort stößt das Feuer Pokémon ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, wodurch wir uns alle die Ohren zuhalten. Schlapor selbst zuckt heftig zusammen. Klar, durch ihre guten, großen Ohren hört sie alles ja noch viel besser.

„Glut, Salim!“, fügt Robin hinzu, ohne dem Gegner eine Chance zu geben, anzugreifen. Der scheint ja ohnehin gerade etwas entrückt vom Kampfgeschehen zu sein. Das dachte ich aber auch nur. Denn sobald mehrere Feuerbälle auf Schlapor zufliegen, rennt sie los und zischt so zwischen dem Feuer durch. Das Normal Pokémon ist so schnell, dass ich sie kaum verfolgen kann.

„Ruckzuckhieb!“, ruft Lady Diana da.

Eine Sekunde später rammt Schlapor Salim und rennt dann wieder an seinen Anfangsstandpunkt zurück.

Salim selbst scheint der Angriff nicht allzu viel ausgemacht zu haben. Allerdings hält sich Schlapor wohl auch zurück, da dies hier ja immerhin nur ein Training für Robin und Salim sein soll. Trotzdem nickt Lady Diana lobend. Sie hatte also mit einer größeren Wirkung gerechnet.

„Drachenwut, Salim!“

Salim sammelt sich kurz, dann schießt aus seinem Maul ein blau- lilafarbener Strahl hervor, der Schlapor ohne Umwege trifft. Wieder nickt Lady Diana anerkennend. Ich frage mich wirklich, wann sie ernster kämpfen, denn noch lassen sie ihren Gegnern ja viel durchgehen. Ich zweifle nicht daran, dass Schlapor der Drachenwut hätte ausweichen können.

„Schlapor, was meinst du? Sie haben dein gutes Gehör für sich genutzt und dich für einige Momente aus dem Konzept gebracht. Sie haben zwar deine Schnelligkeit unterschätzt, aber ein gutes Durchhaltevermögen bewiesen und eine Attacke genutzt, die deine gute Verteidigung ignoriert. Haben sie sich bewiesen?“, will Lady Diana von ihrem Pokémon wissen.

Das dreht sich zu ihrem Trainer um und nickt. „Schlaha!“

„Nun denn, meine Schöne, wollen wir?“ Auf einmal zückt Lady Diana ein herzförmiges Amulett, öffnet es und wir alle können den funkelnden Schlüsselstein sehen, der darin eingefasst ist. Sanft streicht Lady Diana über den Stein, während sie ihr Schlapor mit einem liebevollen Blick ansieht. „Lass uns dafür sorgen, dass unsere Herzen im selben Takt schlagen, Schlapor. Mega Entwicklung!“

Mit großen Augen sehe ich wie von Lady Dianas Schlüsselstein auf einmal mehrere graue Lichtstrahlen ausgehen, während aus dem Megastein von Schlapor, den es um sein Ohr trägt, ebenso viele brauen Lichtstrahlen austreten. Jeder einzelne der grauen verbindet sich mit einem der brauen und sobald sie alle miteinander verbunden sind, leuchten alle Strahlen hell auf, sodass man einen Moment weder Lady Diana noch Schlapor ansehen kann, weil sie einfach zu hell strahlen. Geblendet wende ich den Blick ab und sehe erst wieder hin, als ich Schlapor laut „SCHLAPOR!“ rufen höre.

Und tatsächlich, da steht Schlapor wieder in ihrer unglaublichen Mega Form. Vor Staunen bekomme ich fast den Mund nicht zu und merke kaum, wie die Marmelade von meinem Brötchen auf das Gras tröpfelt. Das war das erste Mal, dass ich gesehen habe, wie eine Mega Entwicklung abläuft und ich bin überwältigt.

Robin scheint es nicht viel anders zu gehen. Mit verzücktem Blick sieht sie das megaentwickelte Schlapor an und scheint sich nicht zu erinnern, dass sie sich gerade in einem Kampf befindet. Aus diesem Grund ist es wohl auch kein Wunder, dass sie und ihr Pokémon viel zu spät reagieren, als Lady Diana einen Turmkick befiehlt.

Schlapor springt in die Luft, macht eine elegante Drehung um sich selbst, bevor sie mit vollem Schwung, den sie durch die Drehung maximiert hat, auf Salim landet. Keuchend geht das Feuer Pokémon zu Boden.

„Salim!“, schreit Robin entsetzt auf. Also dieser Angriff war wirklich nicht von schlechten Eltern. Scheint als würden Lady Diana und Schlapor jetzt ernst machen.

Schlapor ist mit einem Sprung wieder in ihrer Position schräg vor Lady Diana und Salim rappelt sich langsam wieder auf. Den erleichterten Seufzer von Robin erkennt man bis hier. „Kannst du weiter kämpfen?“

Ihr Pokémon schnaubt wie am Anfang des Kampfes eine Flamme aus, doch diesmal ist sie längst nicht so groß und hell. Salim muss wirklich erschöpft sein.

„Dann setz noch einmal Heuler ein“, befiehlt Robin und streicht sich die kurzen Haare aus den Augen, bevor sie sich, wie wir alle, die Ohren zuhält, als ihr Pokémon losbrüllt. Doch diesmal ist es nicht so laut, weshalb Schlapor sich auch diesmal nicht aus dem Konzept bringen lässt. Sobald der Lärm verklingt, ruft Lady Diana: „Rückkehr.“

„Schla!“ So schnell kann man nicht gucken, wie Schlapor losgerannt ist und seinen Gegner umgerannt hat. Salim hat keine Chance. Von Schlapor getroffen, taumelt er ein, zwei Schritte nach hinten, bevor er leise „Gluuuteeexooo“ seufzt und besiegt umkippt.
 

„Glutexo!“, schreit Robin erschrocken auf und rennt schnell auf ihr besiegtes Pokémon zu. Schlapor, was daneben steht und gerade wieder seine normale Gestalt annimmt, beachtet sie gar nicht. Die Trainerin kniet sich neben ihren Starter und legt vorsichtig seinen Kopf auf ihren Schoß, da sich das Pokémon gerade noch im besiegten Zustand befindet. Vorsichtig streicht sie ihm über die Stirn und ich sehe, wie sich ihr Mund bewegt und sie wohl irgendetwas zu ihrem Pokémon sagt, kann aber nicht verstehen, was. Dann ruft sie ihr Pokémon in seinen Ball zurück und geht auf Lady Diana zu. Diese lächelt, doch weil sie jetzt in normaler Laustärke sprechen und nicht mehr schreien, kann ich nicht verstehen, was sie miteinander bereden.

Schließlich konzentriere ich mich wieder mehr auf mein Frühstück und stelle entsetzt, dass meine Marmelade fast komplett von meinem Brötchen verschwunden ist und stattdessen den Boden ziert. „Verdammt!“
 

Einige Zeit später, ich bin schließlich auch mal fertig mit Frühstücken und unterhalte mich gerade mit Zac und Xanny, stößt Robin zu uns. Sie hat ihr schwarzes Top, die weiße Weste und die Jeans von gestern an, ihren Rucksack auf dem Rücken und Salim läuft wieder gesund und munter neben ihr her. „Hey, ihr drei. Ich wollte mich nur kurz von euch verabschieden. Salim und ich werden jetzt mal weiter ziehen. Wir waren lange genug an einem Ort.“

„Oh, wirklich, jetzt schon?“, frage ich enttäuscht. Ich hatte gehofft, mich irgendwie noch bei ihr erkenntlich zeigen zu können. Immerhin hat sie mich und meine Pokémon gestern gerettet.

„Ja, na klar. Es ist schon fast Mittag und uns hält ihr nichts mehr.“

Mit einem Satz bin ich auf den Beinen und fasse mit beiden Händen nach ihrer rechten Hand. Verwirrt sieht Robin mich an, versucht aber nicht, ihre Hand weg zu ziehen.

„Danke für deine Hilfe. Ohne dich und Salim… ich weiß nicht, was passiert wäre. Wir wären auf jeden Fall nicht so glimpflich davon gekommen. Dass es meinen Pokémon und mir jetzt so gut geht, verdanken wir nur euch zwei. Also danke dafür, Robin.“

Das Mädchen lächelt leicht und legt ihre linke Hand auf meine beiden. „Das war selbstverständlich, Svenja. Dass hätte jeder, der ein wenig Mitgefühl und Verstand besitzt, getan.“

Weil ich nicht weiß, was ich darauf erwidern soll, bleibe ich stumm, doch das macht nichts, weil Robin einfach weiter redet. „Außerdem ist es ja nicht so, als hätte das Ganze nicht auch etwas Gutes für mich gehabt.“ Grinsend fährt sie sich durch die braunen, kurzen Haare, während ich sie verwirrt ansehe. Ich weiß wirklich nicht was sie meint. Ich konnte ihr nichts gegeben bis auf meinen Dank gerade.

Mit funkelnden Augen dreht Robin sich um, während sie hinzufügt: „Lady Diana hat mir gerade eben nach unserem Kampf ein Pokémon Ei geschenkt.“ Und tatsächlich, jetzt, wo sie mir den Rücken zuwendet, sehe ich, dass ihr Rucksack oben geöffnet ist und dort eine Glasbehälter herausschaut, in dessen Mitte auf einem weißen Kissen ein braungepunktetes Pokémon Ei liegt.

„Und das hat dir wirklich Lady Diana geschenkt?“, fragt Xanny leise und tritt vorsichtig neben mich, um das Pokémon Ei auch sehen zu können.

„Also, genaugenommen war es Schlapor, die mir das Ei gegeben hat“, erzählt Robin und dreht sich wieder zu uns herum. „Und Lady Diana hat mich dann eben gebeten, mich liebevoll um das Pokémon zu kümmern und es gut zu trainieren. Sie meinte, es würde mir bei meinem Traum helfen.“

Nun tritt auch Zac näher zu uns. „Deinem Traum? Was meint sie damit? Und weißt du denn, was für ein Pokémon sich in dem Ei befindet?“, fragt der 16 jährige neugierig wie immer.

In Robins grüne Augen tritt ein schwärmerischer Glanz, als sie zu erzählen beginnt. „Ich bin ein großer Fan und Bewunderer der Mega Entwicklung. Ist euch noch gar nicht aufgefallen, was? Jedenfalls möchte ich später auch mit meinen Pokémon die Mega Entwicklung einsetzen können. Für Salim wäre dies eigentlich schon möglich, den Schlüsselstein und den passenden Gluraknit habe ich schon von meinem Vater . Salim muss sich nur noch zu einem Glurak entwickeln. Aber nein, ich habe keine Ahnung, was da für ein Pokémon schlüpfen wird. Auch wenn ich natürlich hoffe, dass es ein Pokémon ist, das die Mega Entwicklung beherrscht.“

„Du solltest das Ei von deinem Glutexo warm halten lassen“, meint Xanny auf einmal neben mir leise. „Sein inneres Feuer wird dafür sorgen, dass das Pokémon in dem Ei schneller schlüpfen wird.“

Einen Moment sehen wir alle Xanny sprachlos an, sodass die rot wird und ihr ganzes Gesicht komplett hinter ihren blauen Haaren versteckt.

„Eine verdammt gute Idee, Oxana“, meint Robin schließlich und Xanny hebt den Kopf etwas hoch. „Kannst du das Ei rausholen und es Salim geben?“, fragt Robin Xanny, die sie verblüfft ansieht, dann aber hektisch nickt und nach dem Glasbehälter greift. Vorsichtig zieht sie ihn aus dem Rucksack und reicht ihn dann sanft an Salim weiter, der den Behälter gleich an seine Brust zieht, dort, wo bei einem Feuer Pokémon die innere Flamme lodert. Sanft atmet Salim aus und wir sehen, wie durch seinen heißen Atem das Glas anläuft. Gleichzeitig flammt das Feuer an seiner Schwanzspitze etwas höher auf.

Zufrieden nickend wendet Robin sich wieder uns zu. „So, nun müssen wir aber echt los. Wir sehen uns bestimmt irgendwo mal wieder.“ Und ohne dass wir noch etwas sagen können, haben Trainer und Pokémon sich umgedreht und verschwinden zwischen den Bäumen im Wald. Einige Zeit kann ich noch Salims Schweifflamme durch die Dunkelheit flackern sehen, doch sobald ich sie nicht mehr sehe, wende ich mich an meine Freunde und meine Pokémon. „Ich denke, wir sollten uns auch auf den Rückweg machen, meint ihr nicht?“

Alte Narben und neue Wege, mit ihnen umzugehen

Alte Narben und neue Wege, mit ihnen umzugehen
 

„Lady Diana, vielen Dank für alles. Wieder einmal haben sie uns aus der Patsche geholfen. Ich hoffe, das kommt in der nächsten Zeit nicht mehr vor.“

„Das hoffe ich auch, Svenja. Auch wenn ich natürlich hoffe, dass wir uns bald wieder sehen“, lächelt die ältere Dame, bevor sie sich Xanny zuwendet. „Oxana, meine Liebe, bevor du dir Sorgen machst. Die Schulstunden, die du am heutigen Montag verpasst hast, werden dir natürlich nicht aufgeschrieben. Ich weiß schließlich, was dich aufgehalten hast und immerhin hattest du ja sogar so etwas wie Privatunterricht.“ Gutmütig zwinkert sie Xanny zu, die Lady Diana freudestrahlend und mit großen Augen ansieht. „Wirklich? Oh, vielen Dank, Lady Diana. Ich hatte mir tatsächlich schon Gedanken gemacht, wie ich das meinen Lehrern erklären soll.“

„Sie sind informiert, mach dir keine Gedanken. Erschein morgen einfach ganz normal zum Unterricht und alles ist in Ordnung.“

„Oh verdammt“, entfährt es meiner besten Freundin auf einmal und wir alle sehen sie überrascht an. Solche Flüche gehören eigentlich nicht zu Xannys Sprachgebrauch.

„Was ist?“, fragt Zac sofort besorgt nach und berührt sie sanft am nackten Unterarm.

Leicht panisch wendet sie sich an den Brünetten. „Wir müssen so schnell wie möglich nach Hause! Ich muss für morgen noch ganz viele Hausaufgaben machen!“

Einen Moment sind wir alle still, bevor Zac und ich gleichzeitig anfangen zu lachen und uns einfach nicht mehr einkriegen. Dass Xanny uns jetzt eingeschnappt ansieht, macht es nicht wirklich besser. „Hört auf zu lachen! Ich meine es ernst“, versucht Xanny uns zu befehlen, aber sie sagt es so quitschig, dass es nicht wirklich richtig rüberkommt. Fehlt nur noch, dass sie mit dem Fuß aufstampft und wütend schnaubt. Es passt einfach nicht zu ihr. Aus diesem Grund schaffen wir es auch nicht uns zu beruhigen.

Erst als ich Karnimani leise neben mir knurren höre, die ganze Zeit war er erstaunlich ruhig, sehe ich nach oben und erkenne, wie Xannys blaue Kulleraugen sich mit Tränen füllen. Sofort vergeht mir das Lachen. „Xanny“, flüstere ich bestürzt und will sie umarmen, doch sie weicht zurück. „Lass mich“, fleht sie mich leise an und senkt ihren Blick, sodass ihr die langen Haare vors Gesicht fallen und niemand mehr ihre Tränen sehen kann. Es zerreißt mir fast das Herz, als ich sie so sehe. Denn ich bin schuld daran.

Jetzt merkt auch Zac, dass etwas falsch läuft und ist urplötzlich still.

Verdammt, was bin ich für eine Idiotin!? Was fällt mir ein, meine beste Freundin auszulachen? Sie, die schon jahrelang von anderen Mädchen ausgelacht und runtergemacht wird? Und jetzt lache ausgerechnet ich sie aus!

„Xanny, entschuldige bitte. Ich wollte nicht über dich lachen. Das hab ich auch nicht, es war mehr, … das war die Situationskomik, über die ich gelacht habe. Hätte das jemand anderes so gesagt, hätte ich auch bei demjenigen angefangen zu lachen“, versuche ich mich zu erklären. Ich sehe ihr an, dass es nicht ausreicht. Ich habe ihre Narben aufgerissen. Ausgerechnet ich!

„Lass uns jetzt einfach nach Hause gehen.“ Ihre Stimme klingt erstickt und noch immer sieht sie niemanden von uns an. Ohne ein weiteres Wort zu mir dreht sie sich nochmal zu Lady Diana um, verabschiedet sich knapp von ihr, bevor sie in Richtung Waldrand losläuft.

Seufzend sehe ich meiner besten Freundin nach. Die fröhliche Stimmung ist uns allen vergangen. Was habe ich dumme Nuss da nur angerichtet?

Schnell verabschieden Zac und ich uns von Lady Diana und eilen Xanny dann nach, die gerade, ohne auf uns zu warten, einfach in den Wald stapft. Und dass, ohne dass sie ein Pokémon hat, was sie beschützt! Ist sie verrückt?!
 

„Xanny, warte!“, rufe ich ihr nach, doch die Blauhaarige hört nicht auf mich, sondern läuft kopflos in den Wald hinein. Sofort habe ich sie aus den Augen verloren. Besorgt renne ich noch schneller. Was, wenn sie gleich von einem Pokémon angegriffen wird?

Wenige Momente später betreten Zac, Karnimani und ich den Wald und sehen uns hektisch um. Doch Xanny können wir nirgendswo erblicken. Wo ist sie nur?

„Wo kann sie nur sein? Sie war doch gerade noch da!“, wende ich mich an Zac und spüre, wie die Sorge langsam in Panik umschlägt. Wenn ihr etwas in diesem Wald passiert, dann ist das meine Schuld. Sie ist nur wegen mir hier her gekommen und nur weil ich sie verletzt habe, ist sie jetzt einfach in den Wald gelaufen.

Gerade macht Zac den Mund auf, um mir zu antworten, da tönt auf einmal ein hoher Mädchenschrei durch den Wald. Xanny!

Einen Moment sehen Zac und ich uns in die Augen, hellbraun trifft türkisblau, dann rennen wir beide wie auf ein stilles Kommando hin los, in die Richtung, aus der der Schrei kam. Karnimani folgt uns so schnell er kann.

„Xanny!“, brülle ich aus Leibeskräften, doch anstatt eine Antwort von ihr zu erhalten, höre ich einen wütenden Pokémonschrei. „Roo!“ Das kam von links. Ich korrigiere meine Richtung etwas und renne weiter. Bäume und Büsche huschen an meinem Sichtfeld vorbei und dann sehe ich sie. Xanny liegt auf dem Boden, hat sich auf den Rücken gedreht und krabbelt verängstig rückwärts. Ihr weißes Kleid ist komplett verdreckt, an ihren Knien klebt die Erde und zu ihren Füßen … da steht ein Rotomurf, ein Boden Pokémon, was seine Klauen bedrohlich auf und zu schnappen lässt und langsam auf sie zukommt. Neben dem Pokémon ist ein Hügel, in dessen Mitte ein Loch in Rotomurfs Größe zu erkennen ist. Hat Xanny etwa nicht aufgepasst und ist über das Pokémon in seinem Erdhügel gestolpert?
 

Egal jetzt, dass Rotomurf will meiner besten Freundin wehtun und das werde ich nicht zulassen. „Karnimani, Aquaknarre, bitte schnell!“

Sofort bleibt mein Partner stehen, holt tief Luft und pumpt aus dem Wasserspeicher in seinem Körper einen Wasserstrahl, der auf das wilde Pokémon zu schießt.

Das Pokémon hatte uns noch gar nicht auf dem Schirm und so trifft Karnimanis Attacke das Rotomurf, was von dem Wasserstrahl erfasst und einige Meter abgedrängt wird. Dann versiegt die Aquaknarre und das Pokémon rappelt sich langsam auf und dreht sich zu uns um. Das Wasser tropft von seinem Körper und seine Augen funkeln mordlüstern. Heftig atmend taxiert es uns kurz, bevor es hochspringt, sich beginnt in der Luft zu drehen und dann, sobald es den Boden berührt … hat es sich schneller in den Boden gegraben, als irgendwer reagieren kann?

Ist es … geflüchtet?
 

Irritiert sehe ich mich um und auch Karnimani sieht verdutzt auf das Loch, läuft sogar langsam darauf zu. Neugierig beugt er sich darüber und späht hinein. Im nächsten Moment sehe ich, wie etwas daraus hoch schießt und erschrocken zuckt Karnimani zurück.

Und da steht es wieder. Rotomurf! Das Pokémon hat sich in dem Loch versteckt und gehofft, dass einer von uns sich seinem Versteck nähert, damit es dann angreifen kann, wenn wir nicht damit rechnen! Und es hätte funktioniert, hätte Karnimani nicht so gute Reflexe. Eben dieses Pokémon schlägt nun wütend mit dem Schweif. Die Wasserechse scheint es nicht leiden zu können, so ausgetrickst zu werden.
 

„In Ordnung, Karnimani, wenn Rotomurf spielen will, lass uns mit ihm spielen. Silberblick, bitte!“

Sofort wirft Karnimani dem wilden Pokémon einen drohenden Blick zu, der das kleinere Pokémon zurück weichen lässt. Doch dann springt das Rotomurf aus dem nichts auf Karnimani zu und kratzt ihm über die Brust. Durch den Schwung, den das braune Pokémon hatte, stolpert Karnimani nach hinten und fällt mit einem überraschten Schrei zu Boden, als er auf einem der Hügel von Rotomurf ausrutscht.

Sofort ist Rotomurf über ihm, sitzt praktisch auf Karnimani, drückt ihn so mit seinem Gewicht zu Boden, und beginnt ihn immer wieder zu kratzen.

Verzweifelt windet Karnimani sich unter seinem Gegner, kommt aber nicht frei. Anhand seines wütenden Fauchens höre ich, wie er langsam verzweifelter und müder wird. Und Aquaknarre kann er nicht einsetzen, da Rotomurf auf seinem Bauch sitzt. Es verhindert so, dass Karnimani tief einatmen und dass Wasser aus seinem Körper hoch pumpen kann. Allerdings sind Karnimanis Arme frei. „Bitte, Katzer, Karnimani! Dann pack es, wirf es zur Seite und beende es mit Aquaknarre!“

Sofort hört Karnimani auf sich kopflos zu wehren, stattdessen versucht er mit seiner rechten Klaue Rotomurf zu kratzen. Dieses hält aber selbst mit einem Kratzer dagegen. Beide drücken gegeneinander, Rotomurf versucht Karnimani wieder zu Boden zu drücken, Karnimani versucht Rotomurf zur Seite zu drücken.

„Du schaffst es, Karnimani!“

Mit einem erstickten Fauchen schafft es Karnimani nach einigen Sekunden Kräftemessen tatsächlich, das Rotomurf nach links und dann schnell von sich runter zu drücken. Nun beugt sich Karnimani halb über seinen Gegner und bevor der noch etwas tun kann, kratzt mein Partner ihm über sein Gesicht. Dass war zwar nicht die Attacke, die ich für diese Position befohlen hatte, aber es war die bessere Wahl, wie ich gerade feststelle. Das Vorbereiten der Aquaknarre hätte womöglich zu lange gedauert, sodass Rotomurf Zeit gehabt hätte, sich aus Karnimanis Griff zu befreien. Kratzer war da viel effektiver.

„Roootooomuuurf!“, schreit das Boden Pokémon erstickt auf, bevor all seine Muskeln erschlaffen und es sich geschlagen gibt.

Erschöpft lässt sich Karnimani neben seinem besiegten Gegner auf den Boden plumpsen.
 

Sobald ich sehe, dass die Gefahr gebannt ist, renne ich zu Xanny und lasse mich neben ihr zu Boden fallen. „Xanny! Geht es dir gut? Was ist denn nur passiert?“

„Ja, alles gut. Ich wollte nur so schnell wie möglich nach Hause und da habe ich das Rotomurf übersehen. Ich bin über es gestolpert und das fand es wohl nicht so toll. Aber dann wart ihr ja zum Glück da. Danke“, schnieft Xanny leise, während sie versucht, den Dreck von ihren Knien abzupiddeln.

Erleichtert atme ich aus. Ihr geht es gut! Karnimani und ich waren rechtzeitig da und konnten sie beschützen. „Aber warum bist du denn einfach so vorgerannt? Weißt du, was ich mir eben für Sorgen gemacht habe?!“, frage ich Xanny laut und greife sie an den Schultern, damit sie mich ansieht.

Das tut sie auch. Überrascht sieht sie mich aus großen saphirblauen Augen an. „Du hast dir Sorgen um mich gemacht? Aber warum?“

Verwirrt sehe ich sie an. „Na, weil du meine beste Freundin bist, verdammt!“

„Bin ich das?“ Mit erschrecken sehe ich, wie sich ihre Augen wieder mit Tränen füllen und ihr diesmal ungehemmt über die Wangen fließen. „Du hast über mich gelacht. Und als ich sagte, du sollst das lassen, hast du nicht auf mich gehört. Du hast mich ausgelacht wie es alle anderen auch immer machen. Sowas tut eine beste Freundin nicht.“

Mit aller Wucht kommen all meine Schuldgefühle wieder zurück, die ich gerade eben durch Sorge und dann Unverständnis verdrängt habe und auch meine Augen füllen sich mit Tränen. „Xanny…“, flüstere ich erstickt und streiche ihr unsicher über das blaue Haar. Was soll ich sagen? Ich habe mich wirklich nicht wie eine beste Freundin verhalten. „Du hast recht. Ich habe mich falsch verhalten. Gerade ich als deine beste Freundin hätte wissen müssen, wie sehr es dir wehtut, wenn man über dich lacht. Ich habe dich verletzt, auch wenn es das letzte war, was ich jemals gewollt habe. Und das tut mir so leid. Entschuldige bitte.“

Xannys ganzer Körper bebt inzwischen, weil sie immer mehr weint. „Es wäre … wäre weniger schlimm gewesen, wenn … wenn es nicht du gewesen wärst. Aber eben weil, … weil du es warst, … hat es mir mehr wehgetan als je zuvor.“ Immer wieder wird sie von Hicksern unterbrochen, denn jetzt kommt zu ihrem Weinen auch noch Schluckauf hinzu. „Weil ich, … bin doch deine beste Freundin! … Oder nicht?“

Entsetzt ziehe ich sie in meine Arme, auf meinen Schoß und halte sie fest. Die Blauhaarige bebt in meiner Umarmung und meine Tränen tropfen in ihre langen Haare, weil sie mit ihrem Kopf in meiner Halsbeuge liegt. „Natürlich bist du das, Xanny! Es wirst immer du sein. Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe und es tut mir unendlich leid. Bitte, kannst du mir verzeihen?“

Xanny antwortet nicht, aber ich spüre ihr Nicken unter meinem Kopf. Befreit umarme ich sie fester und so halten wir uns aneinander fest, während wir vor Erleichterung noch mehr weinen.
 

Doch nach einer Weile haben wir uns wieder beruhigt und ich lehne sich etwas zurück, um Xanny aus vermutlich rotgeweinten Augen in die genauso roten Augen sehen zu können. „Also, bin ich noch deine beste Freundin?“, versuche ich es mit einem frechen Spruch und einem halben Grinsen, doch innerlich komme ich fast um vor Sorge, ich könnte unsere Freundschaft ruiniert haben.

Aber Xanny lächelt sanft. „Natürlich. Und bin ich deine?“

Jetzt lächle ich wirklich. „Ja, dass bist du.“ Es ist alles wieder in Ordnung zwischen uns beiden.
 

„Ähm,… also, ich will ja nicht stören, … aber ich wollte sagen, dass es mir auch sehr leid tut, Oxana“, unterbricht uns auf einmal Zac und reißt uns komplett aus diesem Moment der puren Erleichterung. Zac und Karnimani hatte ich ja völlig vergessen!

„Ist schon gut, Zac“, beruhigt ihn Xanny leise und zieht dann geräuschvoll die Nase hoch, bevor sie in ihrer Handtasche herumkramt. „Ich darf mich einfach nicht so anstellen“, fügt sie hinzu, bevor sie ihre Nase putzt.

Beunruhigt sehe ich sie an. Was redet sie da nur schon wieder? Entschlossen greife ich nach ihrem Kinn, sodass sie gezwungen ist, mir in die Augen zu sehen. „Sag das nie wieder. Wer auch immer dir einredet, du würdest dich nur anstellen und eigentlich wäre es ja gar nicht so schlimm, hör nicht auf sie. Niemals. Für wie schlimm du etwas hälst, dass entscheidest immer noch du. Das eben war eine Kacksituation und deine Reaktion war absolut gerechtfertigt. Ich hätte ziemlich sicher nicht anderes reagiert.“

Gutmütig lächelt Xanny uns an. „Lasst uns das einfach vergessen, ja? Wir sollten jetzt auch wirklich mal weitergehen, sonst erwacht Rotomurf nochmal.“ Damit befreit sie sich aus meinem Griff und steht von meinem Schoß auf. Sie versucht zwar, ihr weißes Kleid von der feuchten Erde zu befreien, gibt es aber relativ schnell auf, als sie damit keinen Erfolg hat. Stattdessen reicht sie mir die Hand, um mir aufzuhelfen. Auf meinem weißen Rock ist zum Glück kein Dreck, ich bin ja auch nicht über einen Rotomurf Hügel gestolpert und dann panisch krabbelnd vor diesem Pokémon geflüchtet. Aber auch mein Rock ist an den Stellen, auf denen ich gesessen habe, wie z.B an meinem Hintern, nass.

Ich sehe zu Zac und Karnimani, der von Zac geheilt wurde, wie es aussieht. „Dann lasst uns gehen.“

Als die beiden sich sofort in Bewegung setzen und vorgehen, spüre ich, wie Xanny zaghaft nach meiner Hand greift. Sofort umfasse ich ihre fester, spüre wie sie augenblicklich ruhiger wird und Hand in Hand folgen wir unserem Freund und meinem Partner.
 

Auf dem Weg durch den Wald erzähle ich den beiden natürlich alles, was sich gestern in diesem Wald so zugetragen hat. Zumindest alles bezüglich der Suche nach Karnimani. Die seltsame Unterhaltung mit Lady Diana gestern Abend am See lasse ich aus. Ich verstehe selbst nicht, was da passiert ist und möchte die beiden nicht damit beunruhigen.

So vergehen schnell ein, zwei Stunden und plötzlich durchbrechen wir die Dunkelheit des Simplex Waldes und stehen im strahlenden Sonnenschein. Durch die plötzliche Helligkeit geblendet kneife ich erstmal die Augen zusammen und halte die Hand vor mein Gesicht. Erst nach einigen Momenten wage ich es, die Augen wieder aufzumachen. Und tatsächlich- wir haben es geschafft! Wir sind aus dem Simplex Wald heraus und wieder in Sankt Schollerin angekommen.

„Endlich!“, jubele ich auf, was meine beiden Freunde zum Lachen bringt. „Okay, dann lasst uns jetzt mal zu Xanny gehen.“

Sofort stimmen die beiden mir zu und innerhalb von fünf Minuten sollten wir eigentlich vor ihrer Haustür stehen. Eigentlich.

Im Gegensatz zum letzten Mal regnet und stürmt es dieses Mal nicht, sondern die Sonne scheint angenehm warm auf uns herab. Kein Wunder also, dass diesmal das ganze Dorf auf den Beinen zu sein scheint. Während wir durch mein 32 Menschen großes Heimatdorf gehen, begegnen wir überall Bekannten, die natürlich anhalten und ein wenig mit uns plaudern wollen. Wie es mir so ergangen ist nach dem Umzug und wie mir mein neues Zuhause gefällt. Und sobald sie merken, dass Karnimani mein Partner ist, was auf den ersten Blick wirklich nicht auffällt, so abweisend wir er neben uns dreien steht, wollen sie natürlich auch erfahren, wie meine Reise bisher so verläuft. Dann betrachten sie Xanny, sehen wie verdreckt sie ist und wollen natürlich gleich besorgt wissen, was denn passiert ist. Wir kommen kaum vorwärts, weil wir immer wieder von anderen Leuten angesprochen werden. In einem kleinen Dorf kennt man sich eben, die meisten von ihnen haben Xanny und mich aufwachsen sehen und weil wir immer nur sehr wenige Kinder in Sankt Schollerin waren, kommt es nicht oft vor, dass irgendjemand auf Reisen geht. Von daher ist es kein Wunder, dass ich hier nun von allen ausgefragt werde und die Leute sich Sorgen um Xanny machen.

Wundersamerweise erwähnt aber niemand die `Travel Trainer´ Serie. Entweder keiner von ihnen guckt die Serie, wobei ich das nicht glaube. Sie wurde oft genug live in der Kneipe übertragen, wo dann das halbe Dorf zusammen kam, um sie sich anzusehen. Also liegt es wohl eher daran, dass ich ja offiziell nichts von der Serie weiß und die Leute sich ihren Spaß nicht verderben wollen, indem sie mich aufklären. Ziemlich witzig eigentlich. Aber ich spiele mit, beantworte geduldig all ihre Fragen und schaffe es irgendwann, mich von all meinen neugierigen Exdorfmitbewohnern zu lösen. Nach sage und schreibe einer halben Stunde und nicht bloß fünf Minuten kommen wir endlich bei Xanny zu Hause an.

„Puuh, endlich geschafft“, seufzt meine beste Freundin auf und lässt sich erstmal auf die Stufen vor ihrer Haustür fallen.

Zerknirscht sehe ich sie an. „Sorry für diesen Auflauf gerade eben. Ich weiß auch nicht, was die alle auf einmal haben. Und auch sorry, dass du wegen mir gestern nochmal in dem Simplex Wald gegangen bist. Das hättest du nicht tun müssen.“

„Aber ich habe es gerne getan. Ich bin immerhin deine beste Freundin und du bist meine. Da macht man sowas“, erklärt Xanny mir mit einem leichten Lächeln. Bevor sie noch etwas sagen kann, beuge ich mich zu ihr herunter und umarme sie. „Danke“, flüstere ich leise. Ich bin so froh, dass sie mir meinen Patzer von heute Morgen verziehen hat.

Nach einer Überraschungssekunde schlingt Xanny ebenfalls die Arme um mich und so verweilen wir kurz, bevor Xanny sich wieder zurückzieht, also lasse auch ich sie wieder los. Xanny rappelt sich wieder auf und greift unter die Fußmatte auf der dritten Stufe, wo ihre Familie, wie ich weiß, ihren Haustürschlüssel versteckt. „Wollt ihr noch mit rein kommen? Das nächste Schiff nach Serenitia fährt erst um 16.30 Uhr, also so ungefähr in zwei Stunden. Ihr könnt solange hier bleiben, wenn ihr wollt.“

„Also, eigentlich“, beginne ich zögerlich „eigentlich würde ich gerne noch zum Aqua See, unsere Freunde besuchen.“

Kurz sieht Xanny enttäuscht aus, dann nickt sie.

„Du kannst ja mitkommen, Xanny“, schlage ich ihr vor.

Doch die Blauhaarige schüttelt den Kopf. „Ich muss jetzt zu meinen Eltern gehen. Die machen sich sicher schon Sorgen um mich, immerhin wollte ich gestern Abend schon wieder zurück sein. Ich habe ihnen zwar Bescheid gegeben, aber du kennst sie ja.“ Oh ja, ich kenne sie. In dieser Hinsicht sind Xannys und meine Eltern sich sehr ähnlich. Vielleicht verstehen unsere Eltern sich deshalb so gut. Und darum auch wir. Weil wir den anderen verstehen können. Weil wir dieselben Narben auf unseren Seelen tragen.

„Naja, und wenn ich erst mal bei ihnen bin, werden sie mich nicht noch mal gehen lassen“, ergänzt Xanny. Auch das ist mir klar. Wir sehen einander in die blauen Augen und uns wird klar, was das hier jetzt bedeutet. Abschied. Mal wieder. Mal wieder auf unbestimmte Zeit.

Diesmal ist es Xanny, die auf mich zustürzt und mich umarmt. Wir halten uns einige Momente fest, da spüre ich, wie Xanny leicht in meinen Armen zittert und drücke sie weg, um ihr in die Augen sehen zu können. Und ich hatte recht, ihre saphirblauen Augen haben sich mit Tränen gefüllt. Fest sehe ich sie an. „Ich verspreche dir jetzt etwas, Xanny. Sobald du 14 bist und deinen Trainerpass bekommst, vorausgesetzt du schaffst die Prüfung, wovon ich überzeugt bin, werde ich hier stehen. Genau hier vor deiner Haustür. Und dann werden wir beide deinen Traum verwirklichen. Wir werden dein erstes Pokémon fangen oder kaufen, ganz egal, und dann werden wir beide zusammen auf Reisen gehen. So wie wir es uns immer vorgestellt haben. Ist das ein Angebot?“ Lächelnd sehe ich Xanny an, über deren Gesicht sich langsam ein Strahlen ausbreitet. Stürmisch schmeißt sie sich wieder an meinen Hals und jubelt mir ins Ohr. „Danke, Sweety! Du hast keine Ahnung, was mir das bedeutet.“

Wieder drücke ich sie weg, um sie ansehen zu können. Die eben noch tränengefüllten Augen strahlen mich nun an und ihr ganzes Gesicht scheint zu leuchten vor Freude. Ich genieße diesen viel zu seltenen Anblick, trotzdem muss ich ihre Freude etwas dämpfen. „Aber, Xanny“, meine beste Freundin sieht mich überrascht an „damit wir zusammen auf Reisen gehen können, musst du die Prüfung schaffen und deinen Trainerpass erhalten.“

„Das schaffe ich, keine Sorge, Sweety“, plappert Xanny los. Sie ist wirklich aufgeregt und glücklich, normalerweise lässt sie mich aussprechen. Trotzdem muss ich über ihre offensichtliche Freude lächeln. Ich sehe das nicht oft genug an ihr. „Das weiß ich, Xanny. Aber trotzdem gibt es Menschen, die dir deine Prüfung schwerer machen wollen, als sie schon ist.“

Bei dem Gedanken an Sinas Freudinnen, die Xanny auch ohne Sinas Anwesenheit das Leben zur Hölle machen, wird die Blauhaarige automatisch ernster und ruhiger. „Aber was kann jemand wie ich schon gegen die machen?“, fragt Xanny leise.

Entrüstet schnaube ich die Luft aus und stemme die Hände in die Hüften. „Was soll das denn heißen? Jemand wie du? Xanny, hast du überhaupt eine Ahnung wie toll du bist? Wie schön? Wie begabt? Sie dich mal richtig im Spiegel an und du wirst sehen, wie hübsch du bist! Und du bist so gut in der Schule und bist so kreativ! Du kannst so wunderschön zeichnen und hast so viele Ideen, die du in Worte und Geschichten fassen kannst! Siehst du nicht, wie besonders du bist?“

„Wenn es so wäre wie du sagst, warum machen die anderen Mädchen sich dann immer über mich lustig?“, will Xanny leise wissen. Ich kann Zweifel in ihrem Gesicht sehen. Selbstzweifel.

Bevor ich etwas erwidern kann, ist Zac neben mich getreten. Üngläubig sehe ich ihn an, als er beginnt zu erklären. „Weil sie neidisch auf dich sind. Weil sie in deiner Gegenwart beginnen, sich selbst infrage zu stellen. Weil es ihnen ein gutes Gefühl gibt, eine Person nieder zu machen, der sie offensichtlich nicht gewachsen sind. Weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass du dich nicht gegen sie währst. Weil sie glauben, dass sie tun und lassen können was sie wollen, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen.“

Xanny starrt ihn an, mit offen stehendem Mund. Und auch ich bin mehr als überrascht. Doch Zac ist noch nicht fertig. „Sie glauben, dass sie alles mit dir machen können, weil sie mehr sind als du und körperlich stärker. Aber du bist nicht alleine, Oxana. Lady Diana hat dir versprochen, dir zu helfen. Also lass dir auch von ihr helfen. Ich weiß, es gehört viel Mut dazu, sich jemandem anzuvertrauen und gerade wenn es ein Erwachsener ist, glaubt man, dass es viel eher kontraproduktiv wäre. Aber das ist es nicht! Lady Diana kann dir helfen. Genauso wie alle anderen Lehrer. Und deine Eltern! Auch mit ihnen solltest du reden. Du hast sie vermutlich nicht völlig unwissend gelassen, aber sie wissen auch längst nicht alles, nicht wahr? Ich nehme an, dann würden sie anders mit der ganzen Situation umgehen.“

„Woher- “, will Xanny erschüttert fragen, doch noch immer ist Zac nicht am Ende. „Aber du kannst die ganze Verantwortung natürlich nicht nur auf andere abwälzen und darauf hoffen, dass die es schon richten werden. Die ganze Sache hat bei dir begonnen. Nun muss sie auch bei dir enden. Veränderungen erfordern jemanden, der einen ersten Schritt macht und dieser erste Schritt erfordert Mut. Aber den hast du! In den wenigen Tagen, in denen wir beide uns kennen, haben ich den Mut in dir öfter gesehen als bei anderen, die ich schon Jahre kenne. Du bist mutig. Und du bist stark! Zeig dass nicht nur, wenn du bei Leuten bist, die du magst. Zeig es auch, wenn du unter Fremden bist oder unter Leuten, die du nicht magst. Mehr noch, zeig es gerade dann. Versteck dich nicht immer im Schatten anderer, sei es der von Svenja oder der der Mädchen, die dir so übel mitspielen. Tritt aus dem Schatten heraus und zeig dich der Welt. Wirf deinen eigenen Schatten. Denn das kannst du.

Du stehst für Leute ein, die du magst. Tu es auch für dich selbst. Genauso wie du deine beste Freundin verteidigst, genauso laut musst du auch dich selbst verteidigen. Du musst dich nicht immer selbst klein machen oder dich von anderen klein machen lassen. Dazu hast du gar keinen Grund, Oxana. Denn Svenja hat recht. Du bist wunderschön und wundervoll wie du bist. Zeig das auch.“ Zac scheint alles gesagt zu haben, was er sagen wollte, denn für einen Moment wird es still um uns. Dann läuft Zac tomatenrot an. Offensichtlich ist er sich gerade bewusst geworden, was er alles gesagt hat und einiges davon wollte er wohl nicht sagen.

In dem Moment stößt Xanny ein Schluchzen aus, dann stürmt sie auf Zac zu und umarmt ihn heftig. Der Brünette hat Mühe, dass Gleichgewicht zu halten, dann umarmte er Xanny ebenfalls, wenn auch etwas ungelenk. Doch schnell zieht Xanny sich wieder zurück. Auch sie ist ungewöhnlich rot in ihrem blassen Gesicht, als sie Zac in die Augen sieht, wobei sie sich auf die Zehenspitzen stellen muss, um das zu schaffen. Dann flüstert sie „Danke“ und gibt ihm einen kurzen, schüchternen Kuss auf die Wange, bevor sie zurück schrickt und schnell zur Haustür eilt. „Wir bleiben in Kontakt, ja?“, stottert Xanny, bevor sie es endlich schafft, mit ihren zitternden Händen die Haustür aufzusperren. Mit einem letzten zarten Lächeln zu uns oder eher Zac, hastet sie ins Innere des Hauses und schlägt die Tür hinter sich zu.
 

Obwohl das für mich definitiv eine unangenehme Situation war und ist, ich fühle mich gerade, als würde ich in deren Privatsphäre reinplatzen und Zac und Xanny quasi bei ihrem ersten Date beobachten, muss ich lachen. Zacs sprachloser, geschockter Gesichtsausdruck ist einfach köstlich. Das verträumte Lächeln unbezahlbar.

Kräftig haue ich ihm auf die Schulter, sodass der Ältere furchtbar zusammen fährt. „Komm, Romeo. Ich will noch zum Aqua See, meine Freunde besuchen. Aber dass eins klar ist. Wenn du meiner besten Freundin in irgendeiner Weise wehtust, wirst du deinen nächsten Geburtstag nicht mehr erleben.“ Denn das Xanny auch Interesse an Zac hat, daran besteht für mich nach dieser Aktion kein Zweifel mehr.

Karnimani, der die ganze Zeit still neben mir gestanden hat, schüttelt nun den Kopf und schnaubt abfällig.

Sich trennende Wege

Sich trennende Wege
 

Fünf Minuten später kommen wir am Hafen des Dorfes, wo wir schon mal die Tickets kaufen, und dann im Norden der Insel an. Auch hier wachsen einige Bäume, es ist allerdings mehr ein Hain, der sich um den Aqua See zieht. Im Gegensatz zum Simplex Wald ist alles um den See und der See selbst hell, klar und freundlich. Hier haben Xanny und ich uns kennengelernt. Wir beide sind immer, wenn Sina und ihre Freundinnen uns geärgert haben, hier her zu unseren Freunden geflüchtet und haben uns hier versteckt. Denn hier trauten sich die Mädchen nicht hin, unsere Freunde beschützten uns vor ihnen. Tja, und eines Tages suchten wir hier eben zur gleichen Zeit Schutz und unsere Freundschaft begann.

Als wir den Baumkreis durchschreiten, erblicken wir den Aqua See, der ganz ruhig da liegt und durch die Sonnenstrahlen leicht glitzert. Sein Wasser ist kristallklar und wie ich aus Erfahrung weiß, zu dieser Jahreszeit warm genug, um in dem See schwimmen zu können. Die Laubbäume um uns herum spenden dem Ufer Schatten und ich kann das Zwitschern von Taubsi und Dartiri hören. In dem See kann ich einige Schallquap, Barschuft und Quabbel schwimmen sehen, die uns kurz anblicken, sich dann aber nicht weiter von uns stören lassen. Alles an diesem See strahlt puren Frieden aus. Ich atme tief ein und merke, wie sich all die Muskeln in meinem Körper allein durch die Atmosphäre entspannen. Es ist wie nach Hause kommen. Ruhig. Friedlich.

Dennoch… etwas fehlt. Ich lehne meinen türkisfarbenen Rucksack gegen einen der Bäume und gehe näher an den See. Langsam sinke ich auf die Knie und halte meine Hand ins Wasser. Wie ich es mir gedacht habe, ist es mehr warm als kalt. Dann sehe ich mich um. „Freunde? Seid ihr da? Wenn ja, dann kommt heraus, nur keine Angst. Ich möchte euch gerne meine Freunde und Partner vorstellen.“

Einen Moment noch bleibt es ruhig, dann höre ich hektisches Flügelschlagen und spüre ein leichtes Gewicht auf meinem Kopf. Krallen reißen an meinen langen Haaren, doch trotz des Ziehens lache ich auf. „Dartiri! Hallo. Wo hast du denn die anderen gelassen?“

Bevor das Vögelchen mir antworten kann, sehe ich, wie etwas orangenes unter der Wasserfläche schnell auf mich zukommt. Es stupst gegen meine Hand, die ich immer noch ins Wasser halte, dann springt das Pokémon mit einem lauten „Bamelin!“ ans Ufer und schüttelt sich erstmal kräftig. Ich, die daneben knie, werde ganz nass und kreische auf. Dartiri auf meinem Kopf schreit ebenfalls und erhebt sich zeternd etwas in die Luft, bevor er sich wieder in meinen Haaren niederlässt. Nach dem ersten Schreck lache ich auf und sehe auf Bamelin herunter. „Bamelin, wie geht es dir? Ist hier alles in Ordnung?“

„Ba Bam!“, ruft das Pokémon aus und nickt heftig, bevor er mich einfach so umarmt, wodurch ich noch nasser werde.

Im nächsten Moment sehe und spüre ich nur noch weißes, weiches Fell in meinem Gesicht. Grinsend greife ich nach dem Pokémon, was mir quasi im Gesicht hängt und einmal quer über dieses leckt. Heftig knuddele ich das Picochilla. Sie liebt das. Ich streichle ihr über das unglaublich weiche Fell und das Normal Pokémon in meinen Armen schnurrt zufrieden, wobei sie mit ihrem Schweif immer wieder durch meine blonden Haare wischt.

Da spüre ich eine Berührung an meinem Bein und in Erwartung, dass es Bamelin ist, sehe ich nach unten. Doch nein, es ist mein vierter Freund Griffel, der mir, wie eigentlich immer, ein paar Beeren als Begrüßung anbietet. „Griffel. Wie ich sehe, scheint es dir auch gut zu gehen.“

„Gri Griffel“, erwidert das Pokémon und reckt mir weiterhin auffordernd die Beeren entgegen. Lächelnd will ich nach einer greifen, doch da stürzt sich Dartiri aus meinen Haaren, die inzwischen wohl schon ein Nest sind, und greift sich eine der Beeren mit dem Schnabel, bevor er einige Meter weiter landet und die Beere in Sekundenschnelle zerpflückt.

Griffel keckert kurz verärgert, doch wirklich wütend ist er nicht. Dafür ist er den unstillbaren Hunger Dartiris schon zu gewöhnt. Dafür beschwert sich aber Picochilla. Sie haut mir ihre Pfoten ins Gesicht und gibt einen hohen, missbilligenden Ton von sich. Ich habe vergessen, sie weiter zu streicheln. Schnell setze ich sie auf meine Schulter, wo sie ihren Schweif sofort um meinen Nacken schlingt, was ziemlich kitzelt, doch ich sage nichts. Picochilla kann eine ziemliche Diva sein, wenn sie schlecht drauf ist. Aus dem Grund kraule ich sie dann auch sofort weiter. Das Pokémon gibt ein genießerisches Brummen von sich.

Lächeln drehe ich mich zu Zac und Karnimani um, die immer noch am Rand der Bäume neben meinem Rucksack stehen. „Zac, Karnimani, kommt ruhig näher. Das hier sind meine Freunde, von denen ich euch erzählt habe.“

Zögerlich kommen die beiden zu uns und bleiben schließlich vor mir stehen.

„Also, das ist Bamelin. Er ist sowas wie der große Bruder hier für alle Pokémon, er beschützt sie und kümmert sich um jeden“, beginne ich alle einander vorzustellen.

Geschmeichelt läuft das eigentlich orangene Pokémon rot an, was sehr seltsam aussieht und mich zum Kichern bringt. Dann nicke ich mit dem Kopf zu dem Normal Pokémon auf meiner Schulter. „Das ist Picochilla. Sie kann manchmal eine kleine Zicke sein, aber ich habe sie trotzdem unglaublich lieb“, füge ich schnell hinzu, als ich merke, wie sich der Griff ihres Schweifs um meinen Nacken verfestigt. Besänftigt lässt sie wieder lockerer und ich kraule sie beruhigend weiter. Da spüre ich, wie Dartiri sich wieder in meinen Haaren niederlässt. „Und das auf meinem Kopf ist Dartiri. Er ist ziemlich verfressen“ , ich sehe den faszinierten Blick von Zac für das Flug Pokémon und muss schmunzeln „aber ist auch sehr eigen. Du solltest besser nicht versuchen, ihn anzufassen, Zac.“

Ertappt zuckt dieser zusammen und zieht seine Hand wieder zurück, mit der er wirklich im Begriff war, das Pokémon von meinem Kopf zu nehmen. Drohend zwitschert Dartiri los, bevor er es sich in meinen Haaren gemütlich macht und dabei an meinen blonden Strähnen reißt. Einen schmerzhaftes Zischen zurückhaltend sehe ich auf Griffel hinunter. Der sitzt inzwischen zu meinen Füßen und hantiert mit verschiedenen Beeren herum. „Und der letzte meiner Freunde ist Griffel. Wie man sehen kann, versteht er sich ziemlich gut auf Beeren. Es würde mich nicht wundern, wenn das, was er gerade macht, für uns ist.“

Kurz sieht das Äffchen zu mir hoch, bevor er grinst und nickt.

Ich lächle zurück. „Das also sind meine vier Freunde, die mir früher immer geholfen und Trost gespendet haben. Sie waren einfach immer für mich da.“ Liebevoll lächle in den vier zu und sie alle schmiegen sich kurz an mich. Dann sehe ich zu Zac und Karnimani. „Der Trainer, den ich mitgebracht habe, heißt Zac. Er hat mir in den letzten Tagen unzählige Male geholfen und ist mir ein guter Freund geworden.“

Rot werdend kratzt Zac sich im Nacken und räuspert sich verlegen, doch bevor er es irgendwie versucht abzustreiten, mache ich schon weiter. „Das ist Karnimani, mein Starter und Partner. Wir hatten unsere Startschwierigkeiten, aber inzwischen… denke ich, sind wir auf einem guten Weg.“

Karnimani wirft mir einen Blick zu, den ich nicht so recht deuten kann, dann rennt er, ohne irgendwas zu sagen auf den Aqua See zu und ist mit einem lauten Platschen darin eingetaucht. Ich seufze. Aus Karnimanis Verhalten werde ich einfach nicht schlau. Im Kampf hört er jetzt zwar auf mich, aber ansonsten?

Schnell überspiele ich den Moment, indem ich nach dem zweiten Pokéball an meinem Gürtel greife und mein anderes Pokémon daraus entlasse. „Und das ist Lin-Fu. Sie ist meine kleine Beschützerin und hat somit quasi euren Job übernommen.“

Als die vier das hören, kommt Bewegung in die Gruppe. Während Griffel, Dartiri und Bamelin näher an Lin-Fu heran treten und sie kennenlernen wollen, springt Picochilla von meiner Schulter und faucht sie herausfordernd an.

„Picochilla?“ Ich bin verwirrt. Was hat sie gegen Lin-Fu?

Auffordernd sieht das Pokémon mich wieder an, bevor sie erneut in Angriffshaltung Lin-Fu anfaucht, die langsam gereizt wirkt. Ich will zwischen die beiden treten und sie trennen, doch da hält Zac mich zurück. „Warte. Es scheint, dass Picochilla einen Kampf gegen Lin-Fu möchte. Möglicherweise will sie überprüfen, ob Lin-Fu geeignet ist, ihre Rolle als Beschützer zu übernehmen.“

„Stimmt das, Picochilla? Du willst gegen Lin-Fu kämpfen, um sie zu testen?“

Wild nickend und mit dem Schweif schlagend sieht sie erst mich und dann Lin-Fu an, die nach kurzem Zögern ebenfalls ihr Einverständnis gibt.

„Na gut, wie ihr meint.“
 

Während ich und Lin-Fu Stellung beziehen und Picochilla auf der anderen Seite vor Aufregung wild auf der Stelle hüpft, hat Bamelin sich zu Karnimani ins Wasser gesellt. Die beiden scheinen eine Art Wettschwimmen zu veranstalten. Solange es nicht in einem richtigen Kampf ausartet, ist das okay. Griffel sitzt am Ufer des Sees und bereitet weiterhin unser Beerenessen vor, während er gleichzeitig versucht, es vor Dartiri zu verteidigen. Dieser wird wiederum von Zac mit Argusaugen betrachtet.

„Okay, Picochilla, wir sind soweit“, rufe ich ihr zu und will dann Lin-Fu einen Befehl geben, doch unsere Gegnerin ist schneller. Sowie sie meine Worte hört, rennt sie los und ist gleich darauf auch schon vor Lin-Fu. Bevor diese reagieren kann, beginnt Picochilla mit ihrem weichen buschigen Schweif mein Kampf Pokémon zu kitzeln. Unter den Armen, an der Nase, an den Seiten. Einige Moment kann Lin-Fu sich halten, dann bricht ein Lachen aus ihr hervor und gleich darauf windet Lin-Fu sich unter der Kitzel Attacke auf dem Boden. Und dann holt Picochilla plötzlich mit ihrem Schweif aus. Anstatt Lin-Fu zu kitzeln, schlägt sie nun zu. Den ersten Hieb muss Lin-Fu einstecken, dann habe ich mich gefasst. „Lin-Fu, Scanner!“

Lin-Fus Augen beginnen zu leuchten, kurz bevor Picochilla sie erneut mit ihrem Schweif treffen kann. Und diesmal verursacht die Attacke keinen Schaden. Verunsichert weicht Picochilla zurück.

„Ableithieb, Lin-Fu!“

Schnell springt mein Kampf Pokémon auf, doch dieser kurze Moment hat gereicht, damit Picochilla sich vorbereiten und mit einem Schlag ihres Schweifs dagegen halten kann. Beide drücken gegeneinander, doch sie sind gleich stark und springen so schließlich auseinander.

„Lin-Fu, Meditation“, befehle ich ihr. Sollte es nochmal zu einem Kräftemessen dieser Art kommen, wird Lin-Fu nun stärker sein.

Kurz schließt Lin-Fu die Augen, wobei sie ruhig und tief Ein- und Ausatmet, dann schimmern ihre Umrisse kurz blau auf, bevor Lin-Fu die Augen wieder öffnet und das Licht wieder verschwindet.

„Jetzt schnell, Ableithieb ,Lin-Fu!“ Noch haben wir einen Vorteil, den wir ausnutzen müssen.

Mit neugewonnener Kraft rennt Lin-Fu los, während sie ihre Faust in eine grüne Aura hüllt. Obwohl Picochilla wieder versucht, mit ihrem Schweif die Attacke abzuwehren, schafft sie es diesmal nicht und Lin-Fus Faust trifft Picochilla. Die wird ebenfalls in eine grüne Aura gehüllt, bevor diese sich wieder in die Aura von Lin-Fu zurückzieht. Dann springt mein Pokémon wieder zurück und sieht gleich viel erholter aus, während Picochilla erschöpft taumelt. Klar, Lin-Fu hat ja auch etwas von der verlorenen Energie Picochillas in sich aufgenommen.

Doch Picochilla erholt sich schnell wieder. Anstatt anzugreifen, rennt sie auf einen der Bäume zu, klettert daran hoch und ist schneller verschwunden, als ich gucken kann. Dummerweise hat das Pokémon hier absoluten Heimvorteil.

Aufmerksam sehe ich mich um, flüstere Lin-Fu verstohlen zu: „Bereite dich auf einen Scanner vor“ und rufe danach laut und provozierend: „Picochilla, was ist los? Warum versteckst du dich? Gibst du etwa auf?“ Ich hoffe, ihren Stolz anzukratzen, damit sie wieder hervor kommt und angreift. Das tut sie auch. Allerdings springt sie aus einem Baum hinter mir, womit ich nicht gerechnet hätte, und noch im Flug landet sie schon ihren ersten Treffer mit ihrem Schweif, wobei sie wütend schreit. Doch zum Glück kann Lin-Fu rechtzeitig reagieren und Scanner nutzen, wie es ihr geraten habe. Erneut hat der Schlag keine Wirkung.

„Unsere Chance. Ableithieb!“

Wieder schlägt Lin-Fu mit ihrer in grüne Aura gehüllte Faust nach Picochilla und weil diese noch direkt hinter ihr steht, trifft Lin-Fu auch. Kurz leuchtet Picochilla grün auf, bevor das Licht sie verlässt und das Normal Pokémon mit einem gehauchten „Piiicooochiiilaaa“ zusammenbricht.

Freundlich wie sie nun mal ist, fängt Lin-Fu sie auf und legt sie sanft auf den Boden. Picochilla ist besiegt.
 

Schnell laufe ich auf die beiden Pokémon zu. „Gut gemacht, Lin-Fu. Das war ein klasse Kampf. Und danke, dass du Picochilla aufgefangen hast.“ Dankbar streiche ich ihr über den Kopf und mein Pokémon gibt ein leises Schnurren von sich. Dann hebe ich Picochilla auf den Arm, wobei das Normal Pokémon schon wieder schwach ihre Augen öffnet.

„Wie geht es dir, Picochilla?“, erkundige ich mich.

Schwach hebt das Pokémon die Pfote und tätschelt mir die Wange, wobei sie lächelt. Es geht ihr also gut.

„Ich trage dich über zu Griffel, der hat bestimmt ein paar Beeren, damit es dir gleich wieder gut geht.“ Ich will losgehen, komme aber gar nicht so weit, da sind auf einmal zwei Sinelbeeren in meinem Blickfeld. Lächelnd sehe ich nach unten, wo Griffel neben mir sitzt und mit seinem Schweif die Beeren hochhält, während er auch Lin-Fu noch eine gibt.

Ich reiche die zwei blauen Beeren an Picochilla weiter und sehe dann wieder nach unten. „Danke, Griffel. Du bist wirklich der Beste.“

Das Äffchen grinst verschmitzt, dann springt er wieder an das Ufer des Aqua Sees, um sein vorbereitetes Essen vor Dartiri und Zac zu schützen. Inzwischen vergreifen sie sich beide schon an dem Essen. Die zwei, Mensch und Pokémon, sind sich eigentlich ziemlich ähnlich. Beide absolut versessen auf Süßes.

„Chi Chilla!“, ruft das Pokémon in meinen Armen auf einmal mit neuer Energie und lächelnd sehe ich auf sie herab. „Na, besser? Und, hat dich Lin-Fu von ihren Fähigkeiten als Beschützerin überzeugen können?“

Picochilla windet sich aus meinen Armen und springt auf den Boden vor Lin-Fu. Dann nickt sie langsam und streckt Lin-Fu die Pfote entgegen. Verdutzt sieht das Kampf Pokémon auf die ihr dargebotene Pfote, dann grinst sie und ergreift sie mit ihrer eigenen. Der Anblick bringt mich zum Lächeln.

„Gri Griffel!“, höre ich da auf einmal ein rufen und sehe ans Ufer des Aqua Sees. Dort sitzen Zac und Dartiri, die jetzt beide glücklich ihre Beeren essen, ohne dass Griffel sich darüber aufregt. Scheint, als wäre er fertig mit den Vorbereitungen und ruft uns nun zum Essen. Na, dass lässt sich niemand von uns zweimal sagen!
 

Eine kleine Weile sitzen wir so beisammen und essen, selbst Karnimani hat sich zu uns gesellt. Die Sonne scheint auf den See, der wunderschön funkelt, ich genieße die Ruhe, abgesehen von den wilden Pokémon, die hier herumschwirren und immer wieder zu hören und sehen sind, und bin einfach nur glücklich. Dann fällt mein Blick auf meine Armbanduhr. Entsetzt springe ich auf und erschrecke damit alle um mich herum. „Verdammter Mist! Zac, es ist kurz vor halb fünf! Unser Schiff fährt in wenigen Minuten ab!“, schreie ich panisch los.

Sofort springt auch Zac auf. Die glückselige Ruhe ist dahin. „Dann los. Verabschiede du dich, ich räum ihr alles auf und hole deinen Rucksack.“

Dankbar sehe ich ihn an, dann lasse ich mich vor meinen vier Freunden auf die Kniefallen. Diese sehen mich ziemlich überrascht an, dann stürzen sie sich in meine Arme. Fest knuddele ich die vier, bevor ich mich schweren Herzens von ihnen löse. „Passt gut auf einander auf. Kümmert euch um den Aqua See und um die Kinder, die hier Schutz suchen. So wie bei mir früher. Dafür werde ich euch immer dankbar sein, vergesst das niemals.“

Alle vier kuscheln sich enger an mich heran, als wir uns an diese unschönen Zeiten erinnern. Doch durch sie hatte diese Zeit auch viele schöne Momente. Fast kommen mir die Tränen, als ich die Liebe und Fürsorge spüre, die sie mir entgegen bringen. „Danke, Freunde. Für alles“, flüstere ich leise. „Versprecht mir, dass ihr auch weiterhin für Xanny da seid. Sie hat es momentan nicht leicht und braucht Freunde.“

Wild nicken die vier und sehen fast schon etwas beleidigt aus, dass ich es mir heraus nehme, sie daran zu erinnern. Sie lieben Xanny genauso sehr wie mich.

Noch einmal gebe ich allen, bis auf Dartiri, der das gar nicht leiden kann, einen Kuss auf den Kopf, dann stehe ich auf, lächle ihnen ein letztes Mal schweren Herzens zu, drehe mich dann um und gehe zu Zac, Karnimani und Lin-Fu, die mich schon am Baumkreis erwarten. Als Zac mir meinen Rucksack reicht und ich ihn anziehe, sehe ich nochmal zu meinen Freunden, die mir zuwinken. Tränen wegblinzelnd versuche ich mir dieses Bild ins Gedächtnis einzubrennen. Diesen Anblick werde ich eine lange Zeit nicht mehr zu sehen bekommen. Zum Abschied winke ich ihnen zu, dann drehe ich mich um und wir gehen los. Doch als ich die vier verlasse, habe ich ein flaues Gefühl im Magen. Als würde ich meine Freunde in der Zukunft hier nicht mehr wieder sehen.
 

Zum Glück haben wir es gerade noch rechtzeitig auf das Schiff geschafft und die Karten schon vorhin gekauft, sonst hätten wir das nicht gepackt. Nun machen wir es uns in Zacs Kabine gemütlich, denn uns allen ist klar, dass Zac sich nicht so weit von seiner Toilette entfernen sollte. Er meinte zwar, ich bräuchte nicht bei ihm zu bleiben, aber das kommt gar nicht in Frage. Ich lasse ihn doch nicht allein! Also sitzen Zac und ich auf dem Boden des Bades, während Karnimani in der Kabine aus dem Fenster sieht und das Meer betrachtet, was heute zum Glück ziemlich ruhig ist. Lin-Fu dagegen trainiert Tritte und Schläge gegen einen unsichtbaren Gegner. Ich hoffe nur, sie nimmt nicht die ganze Kabine auseinander.

Da fällt mir auf einmal etwas wieder ein, was mich schon die ganze Zeit leise beschäftigt hat, und so frage ich jetzt rundheraus: „ Woher wusstest du eigentlich, was du sagen musstest, Zac? Bei Xanny, meine ich?“

Lange sieht Zac mich mit seinen braunen Augen einfach nur an, wobei ihm einige ebenso braune Strähnen ins Gesicht fallen, doch er wischt sie nicht weg. Er sieht mich einfach nur an und langsam glaube ich, er gibt mir gar keine Antwort mehr und schäme mich, nach etwas anscheinend sehr privatem gefragt zu haben. Da seufzt Zac plötzlich leise und löst den Blickkontakt.

„Ich war früher… stark übergewichtig. Meine Eltern haben ja eine Konditorei und ich habe eigentlich den ganzen Tag dort verbracht. Überall genascht, wenn keiner hingesehen hat. Ich liebe Süßigkeiten immer noch, aber damals war ich wirklich süchtig danach. Und ich hatte ja einen nie endenden Vorrat. Am Anfang verteilte ich die Süßigkeiten immer an meine Freunde, doch mit der Zeit wurden meine Gelüste nach Süßem immer größer und ich immer geiziger. Ich behielt alle Süßigkeiten für mich, erzählte meinen Eltern aber, ich würde immer mit allen teilen. So gab mir meine Mutter nämlich noch extra Süßigkeiten mit, die ich eigentlich verteilen sollte. Stattdessen aß ich sie selbst. Es war also kein Wunder, dass ich ziemlich schnell ziemlich dick wurde.“ Ein schmallippiges Lächeln bildet sich auf Zacs Gesicht. Er sieht aus, als hätte er etwas bitteres gegessen.

„Na ja, und dann begannen die anderen Kinder eifersüchtig zu werden. Sie bekamen von mir keine Süßigkeiten mehr geschenkt, stattdessen behielt ich alle für mich und aß sie vor ihren Augen auf. Ich bekam die Süßigkeiten alle umsonst, alles was ich wollte und so viel ich wollte. Sie dagegen mussten entweder ihre Eltern anbetteln oder selbst welche kaufen. Klar, dass einige da neidisch wurden. Und um ihre Wut irgendwie abzubauen, suchten sie ein Ventil, was sie in mir schnell fanden. Immerhin war ich ja auch der Verursacher ihrer Eifersucht. Mein Übergewicht kam ihnen gerade recht. Sie begannen sich über mich lustig zu machen, klauten mir meine Süßigkeiten und sagten mir, dass sie das nur für mich täten, damit ich nicht noch fetter werden würde. Ich wehrte mich natürlich gegen sie, aber sie waren mir zahlen- und kräftemäßig überlegen. Und irgendwann begann ich ihnen zu glauben. Ich ließ zu, dass sie sich über mich lustig machten, weil ich glaubte, es zu verdienen, nachdem ich meine Süßigkeiten nie mit ihnen geteilt hatte. Ich gab ihnen wiederstandlos meine Süßigkeiten, wenn sie sie forderten, weil ich glaubte, dass es das Beste für mich wäre.

Doch dadurch, dass sie mir meine Süßigkeiten und meine Freude daran nahmen, wurde ich ziemlich unglücklich. Ich war schnell gereizt, hatte ständig Kopfschmerzen oder Zitteranfälle und wollte, wenn ich keine Süßigkeiten mehr essen durfte, gar nichts mehr essen. Auf einmal nahm ich rapide ab. Meine Eltern machten sich große Sorgen um mich und irgendwann erzählte ich ihnen von allem. Damals war ich 12. Meine Eltern sprachen mit den Eltern der Kinder und mit den Lehrern, die von da an ein wachsames Auge über mich hatten, und die Kinder ließen mich größtenteils in Ruhe. Eigentlich wurde alles wieder normal, doch ich hatte mir geschworen, niemals wieder so dick zu werden und niemals wieder Süßigkeiten zu essen.

Ich konnte meinen Schwur nicht lange halten. Jede Nacht bekam ich Fressattacken, bei denen ich mich in die Konditorei schlich und alles aß, was vom Tagesgeschäft noch übrig geblieben war. Hinterher schämte ich mich schrecklich dafür und schwor mir, dass mir das nicht nochmal passieren würde. Doch die nächste Nacht kam und damit die nächste Fressattacke. Ich hasste mich für diese Schwäche. Zu allem Übel nahm ich wieder zu und alles drohte, von vorne loszugehen.

Natürlich merkten meine Eltern, dass etwas nicht in Ordnung war. Irgendwann schlug mir meine Mutter vor, eine Kur zu machen, in einer Klinik auf der Insel Jusina, eine der Tarobita Inseln. Dort gibt es viele solcher Einrichtungen. Für alte Leute, die sich nicht mehr selbst versorgen können, für Leute, die sich von einer Krankheit erholen müssen oder für Leute, die eine psychische Krankheit haben. Es ist eine Kurinsel. Du hast bestimmt schon von ihr gehört.“ Fragend sieht Zac mich an, nachdem er die ganze Zeit nur auf seine Finger gestarrt hat und ich brauche einen Moment, um alles zu verarbeiten, bevor ich nicke.

Zac nickt ebenfalls. „Ich wurde in eine Ernährungsklinik gebracht. Dort lehrte man mich, mich richtig zu ernähren und brachte mir verschiedene Sportarten näher. Ich lernte, dass ich Süßigkeiten nicht komplett aus meinem Leben streichen, sondern sie nur regulieren muss. Dieses Wissen erleichterte vieles und nach einiger Zeit wurden die Fressattacken weniger, es wurde leichter, dem Drang zu wiederstehen und schließlich hörten sie ganz auf. Nach einem knappen halben Jahr, in dem ich nicht zu Hause war, wurde ich entlassen. Mir ging es wirklich gut und das sah man mir auch an. Ich war gewachsen, meine Hautprobleme waren kaum noch vorhanden und ich hatte endlich ein ganz normales Gewicht. Und das galt es zu halten. Knapp drei Monate war ich zu Hause, dann war es soweit. Meine Eltern begleiteten mich zu Professor Aquilon und ich suchte mir mein erstes Pokémon aus, Igamaro. Mit ihm zusammen startete ich meine Reise.“ Ein kleines, diesmal liebevolles Lächeln legt sich auf Zacs Gesicht, dann sieht er mich an. Anscheinend ist seine Gesichte zu Ende und ich… ich bin erschüttert. Das hätte ich niemals geglaubt.

„Natürlich ist es auch heute noch nicht einfach. Ich liebe Süßigkeiten auch heute noch und muss mich ständig disziplinieren. Manchmal habe ich Rückfälle. Aber ich weiß inzwischen, wie ich damit umgehen muss und finde schnell wieder auf den richtigen Weg zurück, anstatt in die Fressspirale zu fallen. Und das ist das Wichtigste.“

Absolut erstaunt sehe ich Zac an, wie er verlegen wieder auf seine Hände guckt und an den Nägeln piddelt. Ich habe absolut keine Ahnung, was ich sagen soll. Was tut man denn in so einer Situation? Wenn ein Freund, von dem man eine solche Geschichte wirklich nicht erwartet hätte, einem so etwas anvertraut. Denn Vertrauen, das gehört auf jeden Fall dazu.

Schlussendlich rutsche ich langsam zu ihm und schlinge meine Arme um ihn, lege meinen Kopf auf seine Schulter. Schweigend sitzen wir eine Weile da, während das Schiff leicht, aber anscheinend für Zac nicht unangenehm schwankt. „Ich kann das gar nicht glauben. Was du alles durchgemacht hast. Und vor allem, dass du so gut da raus gekommen bist und gelernt hast, damit umzugehen. Das ist… unglaublich. Du bist wahnsinnig stark, Zac. Nicht nur im Pokémon Kampf, sondern auch als Mensch.“

Lange Zeit ist er wieder still, es scheint ihn wirklich angestrengt zu haben, mir das alles zu erzählen und so halte ich ihn einfach nur fest. Doch schließlich flüstert er leise: „Danke, Svenja. Dafür, dass du SO reagierst und nicht … anders.“

Ich lehne mich zurück, um ihn anzusehen und er dreht sich ebenfalls zu mir. In seinen Augen sehe ich eine Verletzlichkeit, die ich noch nie gesehen habe. „Ich danke dir, Zac. Dafür, dass du mir das erzählt hast. Für dein Vertrauen in mich.“

Im nächsten Moment erfasst eine heftigere Welle das Schiff und bringt es zum Schwanken. Zac wird leichenblass, eine nächste Welle lässt ihn leicht grünlich werden und bei der dritten Welle rutscht er schnell rüber zur Toilette.

Mit einem mitleidigen Lächeln reiche ich ihm ein Glas Wasser.
 

Eine knappe Stunde dauert die Schiffsfahrt, dann erreichen wir Serenitia. Erlöst seufzt Zac auf, als er endlich wieder festen Boden unter den Füßen hat. Ich lache leise und er sieht mich gespielt böse an, wobei er aber rot anläuft. Da wird mir etwas klar. Wir sind wieder in Serenitia. Den Grund, warum wir zusammen losgezogen sind, Sina ihr Serpifeu zurück zu bringen, gibt es nicht mehr. Wir sind wieder da, wo wir uns kennengelernt haben. Nun werden sich unsere Wege trennen. Schlagartig fällt mir das Lächeln aus dem Gesicht.

Zac scheint mir meinen Gedankengang vom Gesicht ablesen zu können. „Hey“, meint er sanft. „Ein `Auf Wiedersehen´ heißt doch nicht `für immer´, sondern nur `für einen bestimmten Zeitraum´.“

Ich nicke heftig. Ich benehme mich blöd, ich merke es ja selbst. So läuft das eben auf einer Pokémonreise. Man lernt Fremde kennen, reist eine Weile mit ihnen herum, nennt sie irgendwann Freunde und dann trennt man sich wieder. Es gab nur einfach viel Abschied heute. Erst Xanny, dann meine Freunde, bei denen ich schon kein gutes Gefühl hatte, sie zurück zu lassen; und jetzt auch noch Zac. Obwohl wir nur eine Woche zusammen gereist sind, kommt es mir viel länger vor. Er kennt mich so gut wie nur wenige. Und auch ich habe viel über ihn erfahren, was sicher nicht viele wissen.
 

„Was willst du denn jetzt machen, Svenja?“, reißt mich Zac aus meinen Gedanken, in dem offensichtlichen Versuch, mich abzulenken.

Um es uns beiden leichter zu machen, versuche ich ihm mit Motivation und Vorfreude zu antworten, obwohl ich die momentan so gar nicht verspüre. „Ich werde erst noch ein bisschen trainieren gehen und dann den hiesigen Arenaleiter herausfordern. Wenn ich die Liga dieses Jahr gewinnen will, um dann den Champion herausfordern zu dürfen, muss ich langsam mal anfangen, Orden zu sammeln. Und ich denke, Karnimani, Lin-Fu und ich sind jetzt so weit, den ersten Schritt auf diesem Weg wagen zu können.“ Kurz sehe ich zu Lin-Fu und Karnimani. Beide sehen mich an und nicken entschlossen. Sie stehen ebenfalls hinter meinem Ziel. Ein wenig länger betrachte ich Karnimani, der den Blick erwidert und ruhig neben mir steht. Sowas wäre vor dem Besuch auf meiner Heimatsinsel nicht möglich gewesen. Da hätte er mich ignoriert oder wäre einfach losgelaufen, wohin auch immer. Doch jetzt ist das anders. Die Schritte, die wir aufeinander zu machen, sind zwar klein, aber dennoch nicht abstreitbar. Und sie führen in eine Richtung. Dahin, ein Team zu werden. Freunde. Partner.
 

„Nun, Svenja, dann brauchst du dir ja keine Gedanken zu machen. Wenn du Orden sammeln willst, werden wir uns auf jeden Fall wieder sehen“, reißt Zac mich erneut aus meinen Gedanken.

Verwirrt sehe ich ihn an. „Wie meinst du das?“

„Ich habe dir doch erzählt, dass ich nach meinem 17 Geburtstag die Arbeit meines Vaters übernehmen werde. Meine Eltern sind Konditoren, aber mein Vater ist auch noch der Arenaleiter von Eyeres“, gesteht er mir leise, wird dabei rot und kratzt sich unsicher im Nacken. „Hab ich das nie erwähnt?“

Einige Momente sehe ich ihn einfach nur verdutzt an und versuche zu verstehen, was er mir mit dieser Information sagen will. Zuerst ergibt alles keinen Sinn. Aber dann… „NEIN! Du veraschst mich!“, explodiere ich direkt vor Zacs Nase.

Der grinst unsicher und tritt einen Schritt zurück. Scheinbar sehe ich gerade wirklich beängstigend aus. „Ähmm,…, nein?.“

Hektisch schnappe ich nach Luft. „Aber das hieße ja,… das heißt ja, du wirst bald Arenaleiter!“

Vorsichtig nickt Zac, unsicher was er von meinem Ausbruch halten soll.

„Ja sag mal, geht das denn so einfach? Musst man da nicht irgendwelche, ich weiß nicht, Vorlagen erfüllen?“, frage ich schließlich etwas ruhiger, nachdem ich ihn einfach nur erschüttert angesehen und den Kopf geschüttelt habe.

Erleichtert, dass ich mich wieder beruhigt habe, nickt Zac. „Ja, da gibt es natürlich Anforderungen, sonst könnte den Job ja jeder machen.“

„Die da wären?“, dränge ich ihn ungeduldig, als er nicht mit der Sprache herausrückt.

„Also, zum einen muss man alle Orden der Region, in der man das Amt des Arenaleiters übernehmen will, errungen haben. Das habe ich in den letzten zwei Jahren auf meiner Reise geschafft“, erklärt er mir und sieht dabei ziemlich stolz aus. Und das kann er auch sein. Alle Orden zu sammeln ist kein Zuckerschlecken, er muss seine Pokémon wirklich gut trainiert haben. Aber momentmal. Seine Pokémon…

„Du meinst… du hast mit diesem Team alle Orden gewonnen?“, frage ich zweifelnd. „Das soll keine Kritik sein“, füge ich schnell hinzu, als ich merke, wie das klingt. „Ibitak und Natu sind wirklich gut trainiert. Aber so gut? Und was ist mit Taubsi? Du kannst mir doch nicht erzählen, dass es alle acht Arenaleiter besiegt hat.“ Hoffentlich ist er jetzt nicht böse. Ich will ja nicht seine Fähigkeiten als Trainer anzweifeln, ich kann mir nur einfach nicht vorstellen, dass er mit diesen drei Pokémon alle acht Arenaleiter besiegt haben soll.

Aber zum Glück lächelt Zac mich milde an. „Nein, du hast recht. Das sind nicht die Pokémon, mit denen ich die Arenaleiter besiegt habe. Die sind bei meinen Eltern zu Hause. Aber diese drei sind Pokémon, die ich später als Arenaleiter einsetzen werde. Eyeres hat eine Flugarena, verstehst du? Du musst wissen, dass die erste Anforderung nur die Voraussetzung für die zweite, die entscheidende, ist. Um Arenaleiter zu werden, muss ich gegen den Champion kämpfen. Ich muss sie nicht besiegen, dass wäre wohl unmöglich, aber ich muss Nikita mit einem Team, was ich später als Arenaleiter einsetzen würde, von meinen Qualitäten als Trainer überzeugen. Am Ende hängt alles von ihrer Entscheidung ab, ob ich den Posten übernehmen darf oder nicht. Darum trainiere ich gerade mit den Pokémon, die ich bei diesem Kampf einsetzen werde, und reise mit ihnen herum, damit wir einander kennenlernen und uns einspielen können.“

„Du wirst den Champ kennenlernen!“, stoße ich hervor und leide schon wieder an Schnappatmung. Da dachte ich, nach der Offenbarung auf dem Schiff würde ich Zac gut kennen, aber Pustekuchen!

„Also, ehrlich gesagt,… kenne ich sie schon“, lässt der Junge die nächste Bombe platzen und mich fast an einem Herzkasper sterben.

„WAS!?“

„Ja, naja, Nikita ist manchmal bei uns zu Hause, wenn es wichtige Angelegenheiten mit meinem Vater, also dem Arenaleiter, zu besprechen gibt“, gesteht er leise. Ich scheine ihm schon wieder Angst zu machen.

Einige Momente herrscht Stille, in der ich versuche, alles, was er mir gerade offenbart hat, zu verstehen und Zac mich unsicher mustert. Schließlich sehe ich ihn an und grinse breit. „Du steckst heute voller Überraschungen, Zac.“

Zac erwidert das Grinsen, wenn auch immer noch verlegen.

„Aber sag mal, was meintest du damit, dass du gegen den Champ mit einem deiner Teams kämpfen musst, die du später als Arenaleiter einsetzen möchtest?“, will ich nun neugierig wissen.

„Oh, das ist einfach erklärt. Je nachdem, wie viele Orden der Herausforderer hat, verwendet der Arenaleiter ein anderes Pokémon Team. Es wäre wohl ziemlich mies, wenn ein Herausforderer, der gerade erst seine Reise begonnen hat, sich plötzlich in einem sechs gegen sechs Dreierkampf wiederfindet. Wie soll ein blutiger Anfänger das schaffen und nicht den Mut verlieren?“

Ich nicke verstehend. Über dieses Thema haben wir mal in der Schule geredet, aber es ist etwas ganz anderes, es von jemandem erklärt zu bekommen, der Erfahrung mit diesem Thema hat. Oder haben wird. Wie auch immer. „Und dieses Team?“, frage ich neugierig und sehe auf die Pokébälle an seinem Gürtel. „Für welchen Herausforderer sind die gedacht?“

„Für solche Trainer, die schon zwei Orden haben und bei mir ihren dritten bekommen möchten. Allerdings müssen dafür einige der Pokémon noch gut trainiert werden, unteranderem Taubsi. Ibitak und Natu sind schon auf dem Level, auf dem ich sie haben möchte.“

Ich nicke langsam. Inzwischen brummt mir der Schädel von all diesen Infos.

„Naja, also wenn du nach dem 25.9 nach Eyeres kommst und den Arenaleiter herausforderst, dann werde dort hoffentlich ich dich erwarten“, erklärt Zac mir mit brennend rotem Gesicht.

„Dann werde ich bis dahin warten und solange trainieren. Die Chance auf die endgültige Entscheidung, wer von uns besser ist, lasse ich mir doch nicht nehme. Denn ich bin mir sicher, dass Nikita dir den Posten geben wird, sobald sie dich erstmal kämpfen gesehen hat.“

„Danke, Svenja“, meint Zac ehrlich dankbar.

„Hey, dank mir nicht zu früh. Den nächsten Kampf gegen mich wirst du verlieren, Zac!“, provoziere ich ihn und boxe ihm spielerisch gegen die Schulter. Tatsächlich hat seine Offenbarung meine Stimmung ziemlich gehoben, ganz wie von Zac geplant.

Der grinst nur über meinen Übermut. „ Wir werden sehen. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf den Kampf.“

Und ich erst! Nun kann ich mich auch ohne Traurigkeit von ihm verabschieden. Wir tauschen noch Nummern aus, um einander auf dem neusten Stand halten zu können, dann umarmen wir uns zum Abschied und nach einem letzten Nicken zu mir und meinen Pokémon macht sich Zac auf. Wohin auch immer es ihn als nächstes verschlägt.

Ich jedenfalls kenne mein nächstes Ziel. Pokémon Center, wir kommen!

Sich neu verflechtende Wege

Sich neu verflechtende Wege
 

An dem Abend haben Karnimani, Lin-Fu und ich, nachdem wir von Schwester Joy ein Zimmer bekommen, noch ein wenig auf dem Kampffeld neben dem Pokémon Center trainiert, bis wir von einem Trainer mit einem Pampuli herausgefordert wurden. Diesen Kampf konnte Karnimani mit etwas Mühe für sich entscheiden. Danach waren wir alle so kaputt, das wir schon um kurz nach 21 Uhr nach einem kleinen Abendessen müde in unsere Betten gefallen sind. Bzw. Lin-Fu und ich sind in mein Bett gefallen, Karnimani hat es sich auf einem Stuhl gemütlich gemacht. Sobald mein Kopf das Kissen berührt hat, war ich auch schon weg. Die vorherigen anstrengenden Tage haben ihren Tribut gefordert.

Trotzdem bin ich am nächsten Morgen schon um kurz nach sieben wach, was eine für mich unmenschliche Uhrzeit ist. Aber ich habe ja auch über zehn Stunden geschlafen, mehr geht einfach nicht. Wir haben heute immerhin noch einiges vor.
 

Nachdem ich mich geduscht, mir frische Sachen angezogen, Karnimani und Lin-Fu geweckt und alles zusammen gepackt habe, mache ich mich mit meinem Pokémon auf den Weg nach unten ins Erdgeschoss des Pokémon Centers. Zielstrebig gehen wir nach links in den Essbereich, wo schon drei andere Trainer sitzen und zusammen mit ihren Pokémon frühstücken. Kurz mustere ich sie, um zu sehen, ob es sich lohnen würde, gegen einen von ihnen zu kämpfen und so ein bisschen zu trainieren, doch sie alle scheinen sehr gut trainierte Pokémon zu haben. Also sage ich meinen Pokémon einfach nur, dass sie sich einen Tisch suchen sollen, während ich uns etwas zu Essen organisiere.

Nachdem ich das Essen für meine beiden vorbereitet habe, denn hier im Pokémon Center gibt es natürlich nicht nur eine große Essensauswahl für Menschen, sondern auch für Pokémon, hole ich mir meine über alles geliebten Cornflakes zum Frühstück. Danach sitzen wir einträchtig schmatzend an unserem Tisch und essen, während ich mir überlege, wo wir trainieren könnten, ohne gestört zu werden. Das Kampffeld des Centers ist gut und schön, aber zum einen wird man hier immer von anderen Trainern beobachtet, was mir nicht wirklich behagt, und zum anderen sehr oft von ihnen zum Kampf heraus gefordert. Nichts gegen einen guten Pokémon Kampf, bei dem man die Stärke seines Pokémons messen kann, aber ein gezieltes Training fände ich zum jetzigen Zeitpunkt besser. Wir müssen uns auf den Arenaleiter vorbereiten.

Nachdem ich also gegessen und alles weggeräumt habe, gehe ich zu Schwester Joy an die Theke. Meine Pokémon folgen mir kommentarlos.

Schwester Joy begrüßt mich freundlich lächelnd. „Guten Morgen, Svenja. Gut geschlafen? Wie ich gestern Abend schon sehen konnte, geht es Karnimani ja wieder ausgezeichnet.“ Richtig, sie war diejenige, die Karnimani geheilt hat, nachdem er so schwer von den Wiesor verwundet wurde. Das ganze kommt mir vor wie eine Ewigkeit, dabei ist es nur eine Woche her. Aber in dieser Woche ist so viel passiert.

„Ebenfalls guten Morgen. Ja, mit Karnimani ist alles wieder in Ordnung. Darum wollte ich auch fragen, ob es hier in der Nähe einen Ort gibt, an dem man ungestört trainieren kann,“ will ich von ihr wissen und sehe die Frau aus großen Augen an.

Diese grinst nun. „Verstehe. Ja, unser Kampffeld ist gut besucht und sicher das Gegenteil von ruhig und unbeobachtet. Aber es gibt einen Ort in der Nähe, der genau das ist. Die Giftwiese. Wenn du in Richtung Hafen gehst, dich dabei aber eher südlich hältst, kommst du bald an den Rand unseres kleinen Städtchens. Dort grenzt Route 49 an und diese führt dich direkt zur Giftwiese. Nur wenige Leute verirren sich dort hin, weil dort zum Teil sehr starke Gift Pokémon leben. Und deren Gift kann tödlich sein. Darum, wenn du dort hin gehst, bleib an Rand der Wiese und reiz keins der dort lebenden Pokémon. Und nimm für den Falle des Falls unbedingt Gegengifte mit!“

„Das werde ich, keine Sorge. Ich wollte mein Sortiment ohnehin aufstocken“, beruhige ich sie schnell, als sie mich so eindringlich warnt. Macht Schwester Joy das bei jedem Trainer oder nur bei mir, weil sie mich für unfähig und verantwortungslos hält? Nicht, dass ich das wäre, hoffe ich zumindest, aber das war leider ihr erster Eindruck von mir. Und der erste Eindruck lässt sich leider nur schwer revidieren. Trotzdem werde ich alles tun, um ihr zu zeigen, dass ich nicht so unfähig bin wie sie denkt.

„Nun denn, du weißt ja, wo du alles findest.“ Damit zeigt sie in die rechte Hälfte des Pokémon Centers, in dem sich auch ein Pokémon Markt befindet, mit allem, was das Trainer Herz erfreut. Mit einem letzten Dankeschön verabschiede ich mich und gehe shoppen.
 

Mit einem Schnaufen hieve ich zwei Futtersäcke auf den Tresen und lege dann noch Tränke, Hyperheiler und Schutzsprays daneben, die Lin-Fu und Karnimani mir reichen. Die konnte ich beim besten Willen nicht auch noch tragen. Die Schutzsprays sind extra für die Gift Pokémon gedacht, in der Hoffnung, dass sie uns dann eher in Ruhe lassen. Auf eine tödliche Vergiftung kann ich nämlich verzichten.

Als der Verkäufer mir den Preis nennt, schnappe ich erstmal nach Luft, bezahle dann aber notgedrungen. Zum Glück habe ich schon ein paar Trainerkämpfe gewonnen und dabei Preisgeld erhalten, sonst sähe es jetzt düster in meinem Portmonee aus.

Danach packe ich alles in meinen türkisfarbenen Rucksack und hebe ihn mit Schwung auf meinen Rücken. Verdammt, ist das Ding wieder schwer. Ehrlich, es ist kein Wunder, dass langjährige reisende Trainer so trainiert aussehen. Bei dem Gewicht, was sie Tag für Tag jahrelang auf ihrem Rücken mit sich rumschleppen, ist das sehr verständlich.

Dann wende ich mich an Karnimani und Lin-Fu, die mich neugierig ansehen. „Okay, ihr Zwei. Lasst uns diese Giftwiese suchen. Und dann wird trainiert!“

Die beiden antworten mir mit euphorischen Rufen, also gehen wir drei los.
 

Nach zehn Minuten haben wir den Rand von Serenitia erreicht und wie Schwester Joy es uns gesagt hat, beginnt hier Route 49, wie ein Wegweiser verdeutlicht. Die Route ist weniger ein Feldweg mit wenig Gras, sondern einfach nur viel festgetretener Boden. Die wenigen Bäume und Büsche sind halb zerstört und sehen aus wie weggeätzt. Ob das die Gift Pokémon mit ihrer Säure waren? Die Natur sieht jedenfalls sehr mitgenommen aus.

Während Karnimani vor uns her läuft und jeden der wenigen Büsche einzeln untersucht, bleibt Lin-Fu an meiner Seite. Ihr scheint die Umgebung nicht geheuer zu sein und mir auch nicht, weshalb ich uns alle gleich mal mit dem Schutzspray einsprühe. Ich selbst kann nichts riechen, aber meine beiden Pokémon verziehen angeekelt das Gesicht. Ich hoffe nur, dass das die wilden Pokémon auch so sehen.

Doch es scheint zu wirken. Denn obwohl ich immer wieder verschiedene Pokémon rufen höre, sehe ich kein einziges von ihnen. Sie scheinen sich in den zerstörten Büschen zu verstecken und darüber bin ich ziemlich froh. Hoffentlich wirkt das Spray bei den Gift Pokémon genauso gut.
 

Nach gut fünf Minuten kann ich sie hören. Ihre Rufe, aber auch oder vor allem das Gift, wenn es auf einen der wenigen Grashalme trifft und unangenehm zischt. Das ist wohl der Grund, warum es hier fast nur festgetrampelte Erde gibt. Und der Gestank! Wie auf einer Müllkippe! Außerdem scheint es hier wärmer zu werden und die Luft ist seltsam beißend. Ich kämpfe schwer gegen den Würgereflex an.

Und dann kann ich sie sehen. Es sind so viele. Einige Käfer Pokémon, Nidoran und deren Weiterentwicklung, verschiedene flugfähige Pokémon, natürlich auch ein paar reine Gift Pokémon, die aussehen wie große Schleimklumpen, in weiter Entfernung erkenne ich auch einige Bluzuk. Das muss der Ort sein, an dem Pablo sein Bluzuk gefangen hat. Es leben so viele Pokémon hier und vor allem so viele verschiedene. Doch zum Glück schenkt uns keines übermäßige Beachtung. Der Schutz scheint zu wirken. Trotzdem ziehe ich mich mit meinen Pokémon an den Rand der Wiese zurück und sehe die beiden dort an. „Also dann. Fangen wir an. Karnimani, wir beide trainieren zusammen deine Stärke. Ich habe da hinten Steinblöcke gesehen, mit denen können wir üben. Lin-Fu, du trainierst bitte deine Schnelligkeit. Renn so schnell du kannst hier zwischen den Bäumen durch, als würdest du Attacken ausweichen. Ich kann dich doch alleine trainieren lassen, oder?“

Bestätigend nickt mein Kampf Pokémon, bevor sie noch einmal durchatmet und dann losrast. Grinsend sehe ich ihr nach und wende mich dann an Karnimani, der schon zwei Steinblöcke heran getragen hat. Ich stelle mich vor einen, beuge mich hinab und verkünde: „Auf drei heben wir sie hoch und halten sie für 30 Sekunden oben. Eins, zwei, drei!“
 

Zwei Stunden später oder auch drei, ich habe den Überblick verloren, sitzen wir drei an die Steinblöcke gelehnt da und erholen uns. Irgendwann sind Karnimani und ich dazu übergegangen seine Verteidigung und schließlich seine Sprungkraft zu trainieren, wobei wir gemerkt haben, dass er eine ordentliche Höhe erreicht, sobald er sich mit seinem Schweif auf dem Boden abdrückt.

Lin-Fu währenddessen hat lange Zeit ihre Geschwindigkeit trainiert, sowie ihre Ausweichmöglichkeiten und hat schließlich ihre Schlagattacken Ableithieb und Duplexhieb an verschiedenen Bäumen geübt.

Nun, wo es auf die Mittagszeit zugeht und die Sonne auf uns herabbrennt, sitzen wir beieinander und während meine Pokémon einen kleinen Snack zu sich nehmen, gehe ich ihre Pokedexeinträge durch. Karnimani kann Kratzer, Silberblick und Aquaknarre. Am klügsten wäre es also, zuerst die Verteidigung mit Silberblick zu schwächen und dann, je nachdem wie nah der Gegner ist, mit Kratzer oder Aquaknarre anzugreifen. Allerdings kann ich mir Aquaknarre doch auch noch anders nutzbar machen. Wenn ich-

„Verdammt, Proband, kannst du überhaupt etwas richtig machen?! Was habe ich denn eben gesagt?“ Diese cholerische Stimme lässt irgendwas in meiner Erinnerung klingeln. Suchend sehe ich mich um und erblicke schon bald den Ursprung des Geschreis. Das sind doch diese Pokémon Diebe, die Sinas Serpifeu geklaut haben! Mit einem Satz bin ich auf den Beinen und renne in deren Richtung. Diesmal werde ich diese Ganoven nicht entkommen lassen!

Auch wenn ich bisher nur ihre Rücken sehe, ich bin mir sicher, dass sie es sind. Die Frau trägt wieder diese weiß-blaue Uniform, doch der Mann ist dieses Mal komplett schwarz gekleidet. Als ich sehe, wie er seine Sniebel auf ein schon am Boden liegendes Pokémon hetzen will, gibt es für mich kein Halten mehr. „Hey, ihr Zwei! Lasst sofort das Pokémon in Frieden!“, brülle ich noch während ich auf sie zu renne.

Überrascht drehen sich die Blonde und der Schwarzhaarige um, wobei dessen Pokémon auch von dem wilden Gift Pokémon ablässt. „Wo kommt denn diese Göre plötzlich her? Ich dachte, das wäre eine wenig besuchte Gegend, an der man ungestört trainieren könnte“, will die Frau genervt wissen und fährt sich frustriert durch die Haare.

„Ich dachte auch nicht, ausgerechnet hier auf euch Pokémon Diebe zu treffen“, knurre ich ihnen entgegen und komme endlich bei ihnen an. Meine Pokémon sind direkt hinter mir.

Nachdenklich sieht die Frau mich mit ihren irgendwie für ihr Gesicht viel zu großen blauen Augen an. „Du kommst mir irgendwie bekannt vor, Göre.“

„Kein Wunder!“, fauche ich sie an. „Wir sind uns letzte Woche am Hafen von Serenitia begegnet. Damals konntet ihr flüchten, bevor Officer Rocky da war, aber heute werde ich das nicht zulassen.“ Erstarrt halte ich inne. Oh verdammt! Ich habe vergessen, Officer Rocky Bescheid zu sagen! Da kann ich diese Leute ja lange aufhalten, wenn niemand auf dem Weg hier her ist! Das heißt wohl improvisieren.

„Ach, die berüchtigte Officer Rocky. Hast du sie etwa wieder in der Hinterhand?“, höhnt die Frau und wirft dabei ihre langen Haare hinter die Schulter.

„Ja, ganz genau! Sie ist schon auf dem Weg hier her! Sie wird bald da sein, ihr werdet schon sehen!“, rufe ich herausfordernd, wobei meine Stimme bei jedem Wort etwas schriller wird.

Der junge Mann mustert mich kurz aus kühlen glasblauen Augen, bevor er mit emotionsloser Stimme feststellt: „Sie lügt.“

„Meinst du nicht, dass weiß ich selbst?! Um das zu merken, brauche ich nicht dich!“, fährt die Frau den Jüngeren an. Verdammt sei meine Unfähigkeit, andere zu belügen!

„Du bist nur ein Proband und als solcher hältst du die Fresse, bis dich jemand zum Reden auffordert. Und du, kleine Göre, solltest wissen, dass man Ältere nicht belügen darf. Vielleicht wirst du das lernen, wenn wir dir deine beiden Pokémon wegnehmen. Denn diesen komischen Vogeltypen scheinst du ja nicht mehr als Beschützer zu haben, oder?“ Aufmerksam sieht sie sich um, sie scheint Zac in keiner guten Erinnerung behalten zu haben, doch als sie merkt, dass er diesmal nicht bei mir ist, grinst sie siegessicher und zückt einen schwarzen Pokéball. Heraus kommt das zitternde Evoli, was sie schon beim letzten Mal eingesetzt hat. Es dreht sich zu seiner Trainerin um, während es sich platt auf den Boden drückt und kriecht auf die Frau zu.

Die sieht es missbilligend an, offensichtlich verärgert über sein Auftreten. „Stell dich nicht so an, Evoli. Das hier ist deine siebte und letzte Chance. Du weißt was passiert, wenn du die vergeigst.“

„Voo“, jault das Kleine leise auf, dreht sich aber gehorsam wieder um und mustert meine beiden Pokémon, die sich inzwischen vor mir positioniert haben. Dennoch zittert das Normal Pokémon immer noch erbärmlich. Man merkt, dass es nicht kämpfen will.

„Sniebel“, ist das einzige, was der Mann sagt und nickt auffordernd nach vorne. Sein Pokémon gehorcht sofort. Obwohl es gerade noch gekämpft hat, sieht es aus wie frisch aus dem Pokémon Center.
 

Während ich noch über eine Taktik nachdenke, meint der Mann plötzlich: „Sniebel, Eissturm.“

Sofort atmet das Eis Pokémon einen kalten Atemhauch aus, der in der Luft zu sehen ist und Lin-Fu und Karnimani gleichermaßen einhüllt. Ich sehe, wie beide sofort anfangen tierisch zu zittern. Allerdings nicht vor Angst wie das Evoli, sondern vor Kälte. Bevor ich Zeit habe zu reagieren, befiehlt die Frau schon: „Evoli, Tackle auf Karnimani.“

„Halt es mit Aquaknarre auf Distanz, bitte!“

Doch das Evoli ist schneller, als ich es erwartet hätte. Es weicht dem Strahl immer wieder aus und kommt Karnimani schließlich so nah, dass es sich gegen ihn rammen kann. Dadurch unterbricht Karnimani die Attacke, obwohl der Angriff nicht stark gewesen sein kann, denn mein Partner sieht nicht sonderlich berührt aus. Es ist also schnell, aber nicht stark. Und es ist nah an Karnimani. „Karnimani, schnell Kratzer, bitte!“

Allen Mächten sei Dank gehorcht Karnimani mir inzwischen, wenn ich ihn im Kampf um etwas bitte, sonst wäre das jetzt mein Untergang. So aber holt er mit seinen Klauen aus und kratzt Evoli einmal quer über die Seite.

„Evo!“, quietscht es auf und springt erschrocken zur Seite.

„Lin-Fu, denk beim nächsten Mal an deine Abwehrmöglichkeiten. Aber jetzt Meditation.“

Lin-Fu nickt, sie hat verstanden, was ich mit Abwehrmöglichkeiten meine, dann senkt sie etwas den Kopf und plötzlich leuchten ihre Umrisse blau auf, bevor sie wieder normal aussieht und ihren Kopf wieder hebt.

„Kratzfurie, Sniebel, auf Lin-Fu.“

Das Eis Pokémon rennt los und ich sehe besorgt zu Lin-Fu. Doch die nickt ruhig und verlagert ihr Gewicht. Da sehe ich, wie ihr Fell leicht metallisch glänzt. Sie hat Scanner also schon eingesetzt, ohne dass ich ihr etwas sagen musste.

„Sternschauer, Evoli! Leg dich mal ins Zeug!“

Das Evoli nickt zittrig, dann hebt es den Kopf und um es herum bilden sich ein paar kleine Sternchen, die golden funkeln. Dann schießen sie auf Karnimani zu, der dieser Menge nicht ausweichen kann. Trotzdem bleibt er unberührt stehen. Genauso wie Lin-Fu, die sich immer wieder von Sniebel kratzen lässt, ohne etwas zu spüren. Als ihre Trainer ihnen schließlich befehlen, die Attacken abzubrechen, ist meine Chance gekommen. „Bitte, Ableithieb und Aquaknarre auf Sniebel!“

Während Karnimani das Wasser hoch pumpt, rennt Lin-Fu auf Sniebel zu, wobei schon im Laufen ihre Faust von der grünen Aura eingehüllt wird. Das Pokémon weicht jedem Schlag aus, doch das habe ich bei dessen Geschwindigkeit erwartet. Lin-Fu den Gegner vor sich her und lenkt ihn ab, was auch das Ziel war. Denn so wird Sniebel völlig überraschend von Karnimanis Aquaknarre in den Rücken getroffen. Durch die Wucht stolpert das Pokémon nach vorne; genau in Lin-Fus Arme, die natürlich sofort zuschlägt und einen Teil seiner Energie in sich aufnimmt. Diesen zwei starken Attacken kann das Pokémon nicht standhalten und es bricht mit einem letzten gehauchten „Sniiibeeel“ zusammen.

„Ja! Sehr gut gemacht, ihr Beiden!“, jubele ich auf und sehe zufrieden, wie sich meine beiden Pokémon, die sich ja sonst eher nicht leiden können, nun im gegenseitigen Respekt zunicken. Sniebel mit den stärksten Attacken zu doppeln war eine gute Idee, denn es war definitiv das gefährlichere der Zwei. Das zeigt sich auch jetzt deutlich. Nun da Evoli seinen Mitstreiter verloren hat und alleine gegen zwei andere Pokémon antreten soll, kauert es sich wieder flach auf den Boden und zittert heftig. Ängstlich fiepend sieht es zu seiner Trainerin, die ziemlich wütend aussieht. Ich bekomme Mitleid mit Evoli, sehe zu dessen Trainerin, doch als die keine Anstalten macht, den Kampf aufzugeben, seufze ich. „Beenden wir das schnell. Aquaknarre, bitte, ein letztes Mal.“

Sofort legt Karnimani los und obwohl die Trainerin ihr Pokémon anbrüllt, es soll gefälligst aufstehen, ausweichen und Tackle einsetzen, sehe ich, wie das Normal Pokémon aufgibt. Es lässt resigniert die Ohren zu Boden hängen und schließt ergeben die Augen.
 

„Karnimani, genug!“

Überrascht klappt mein Partner mein Maul zu und unterbricht somit den Wasserstrahl, bevor er Evoli berührt. Verwirrt sieht er mich an und ich merke, wie sehr er diesen Kampf beenden möchte. Und zwar, indem er Evoli besiegt. Er zittert förmlich vor Spannung. Als ich ihn anlächle, sieht er mich zweifelnd an. „Wir haben gewonnen. Wir haben es gemeinsam geschafft. Sieh dir Evoli an. Es wird nicht mehr kämpfen. Es hat aufgegeben.“

Eigentlich sollte das eine Erklärung für mein Pokémon werden, doch als die Blonde meine Worte hört, schnappt sie laut nach Luft. „AUFGEGEBEN?! Ich höre wohl nicht recht! Evoli, heb deinen zitternden Arsch vom Boden und zeig, dass du noch kämpfen kannst, sonst wird es dir leid tun!“, brüllt sie dann los und wird dabei schon ganz rot im Gesicht. Das macht selbst mir Angst, ganz zu schweigen von ihrem Pokémon. Das macht sich noch kleiner, was anatomisch nicht möglich sein sollte. Ich kann das nicht länger mit ansehen.

„Aufhören! Siehst du nicht, dass du deinem Pokémon Angst machst? So wird es niemals für dich kämpfen!“, erkläre ich und sehe die Frau ernst an.

Da eskaliert diese komplett. „JETZT REICHT`S!“, kreischt sie so laut, dass sie einige Vogel Pokémon aufschreckt und stampft doch tatsächlich mit dem Fuß auf wie ein trotziges Kind. „Ich lasse mir doch nicht von irgendeiner Göre erklären, wie ich meine Pokémon behandeln soll! Für dieses schwache Ding habe ich jetzt, nach seiner siebten Verfehlung ohnehin keine Verwendung mehr. Zebritz, komm raus da und beende es! Schockwelle auf Evoli mit ganzer Kraft! Brat das Vieh noch ein letztes Mal so richtig durch, bevor wir es entsorgen! Und danach kümmerst du dich um die Göre und ihre kleinen Pokémon!“

Das pferdeähnliche Pokémon, was sich aus dem schwarzen Pokéball materialisiert hat, steigt mit einem lauten Kampfschrei auf seine Hinterbeine, während der Strom durch sein Fell und seine Mähne zuckt und diese von seinem Körper abstehen lässt. Dieses Pokémon ist um einiges stärker als Evoli und auch als Sniebel! Wenn es Schockwelle auf das geschwächte Evoli einsetzt, würde ihm das sehr schaden. Es könnte im schlimmsten Fall sogar zum Herzstillstand führen!
 

„NEIN!“, schreie ich auf und renne los. Das Evoli liegt knapp zwanzig Meter von mir entfernt, was eigentlich nicht viel ist, doch während ich auf das Normal Pokémon zu renne und gleichzeitig sehe, wie das schwarz weiß gestreifte Pokémon seinen Strom sammelt, kommt mir die Entfernung riesig vor. Wer ist schneller, Zebritz oder ich?“

Auf einmal sehe ich einen braunen Blitz, der an mir vorbei läuft und sich, als ich mich schützend über Evoli schmeiße, selbst über mich legt. Ich sehe hoch und erkenne Lin-Fu. Sie lächelt mir zu, dann entlädt Zebritz den Strom in alle möglichen Richtung. An den gequälten Schreien höre ich, dass Karnimani getroffen wird und viele dieser Schockwellen kommen auch in unsere Richtung. Da verstehe ich es! Lin-Fu wird von jedem von ihnen getroffen werden, weil sie über mir liegt, um mich zu beschützen!

Erschrocken will ich sie von mir drücken, um sie aus der Gefahrenzone zu bringen, doch Lin-Fu ist stärker als ich und hält mich leicht unten. Und dann trifft sie der freigesetzte Strom! Doch entgegen meiner Angst beginnt Lin-Fu nicht vor Schmerzen zu schreien, sie bleibt einfach ganz ruhig über mir und Evoli liegen und schützt uns so. Und als ich sie genauer betrachte, sehe ich, dass sie leicht glänzt. Sie hat Scanner eingesetzt!

„Lin-Fu, dass ist großartig! Halte durch und sobald du kannst, setzt du Ableithieb ein. Wir müssen Evoli vor dieser Frau beschützen!“

Mein Pokémon nickt entschlossen und sobald das Zebritz eine Pause macht, rennt Lin-Fu los. Aus dem Augenwinkel sehe ich einen Wasserstrahl auf Zebritz zu schießen und weiß, dass auch Karnimani gerade mit angreift. Für einen Moment überlasse ich meinen Pokémon das Kämpfen und wende mich Evoli zu, was unter mir liegt und vor Angst erstarrt zu sein scheint. „Hab keine Angst. Ab jetzt passe ich auf dich auf, Evoli. Versprochen“, flüstere ich dem Pokémon leise zu, dann fasse ich es um den Bauch, hebe es vorsichtig hoch und drücke es an meine Brust. Ich spüre, wie es noch mehr zu zittern beginnt und streiche ihm beruhigend über das weiche Fell auf seinem Rücken. Langsam entspannt sich Evoli und kuschelt sich sogar an mich und somit in meine Arme. Es merkt wohl, dass ich ihm nichts Böses will.

Da höre ich Karnimani getroffen aufschreien und suche sofort nach der Ursache. Ich finde sie in Zebritz, das auf Karnimani eingetreten hat, nun aber von Lin-Fu zurückgedrängt wird. Dummerweise weicht es jedem Schlag aus, bevor es zum Gegenangriff übergeht und auch trifft. Erst da fällt mir auf, dass Karnimani besiegt auf dem Boden liegt. Ein weiterer Blick zu Lin-Fu zeigt mir, dass auch sie fast am Ende ist. Dieses Zebritz ist wirklich stark. Was soll ich tun? Wir müssen gewinnen, sonst nimmt diese Frau Evoli einfach wieder an sich. Aber ich weiß nicht, ob Lin-Fu Zebritz besiegen kann.

Verzweifelt irrt mein Blick umher, auf der Suche nach einer Lösung. Zwangsläufig fällt mein Blick auf diese seltsamen Trainer und während der schwarzhaarige Mann regungslos den Kampf verfolgt, grinst die Frau mich süffisant an. Sie weiß, dass sie das hier gewinnen wird. Doch plötzlich trifft ihr Blick auf Evoli, das sich vertrauensvoll in meine Arme schmiegt und ihr fällt das Grinsen aus dem Gesicht. „EVOLI! Bist du jetzt komplett wahnsinnig geworden?! Nicht nur, dass du zu unfähig bist, um einen einzigen Kampf zu gewinnen, jetzt hintergehst du mich, deine Trainerin, auch noch?! Warte, bis ich dich in die Finger kriege, Mistvieh, das wirst du nicht überleben! Ich werfe dich in die Arena und lasse dich dort verrecken! Komm jetzt sofort hier her!“, brüllt sie los wie ein wutschnaubendes Tauros.

Evoli in meinen Armen wimmert leise und zittert wieder heftiger, macht aber keine Anstalten, dem Befehl Folge zu leisten.

Mutiger und selbstsicher als ich mich fühle, schreie ich zurück: „Du wirst Evoli gar nichts tun! Du bekommst es nicht! Gib mir seinen Pokéball, ruf dein Zebritz zurück und dann bringe ich euch zu Officer Rocky! Die wird hier sowieso gleich auftauchen!“ Noch einmal versuche ich mich an derselben Lüge und hoffe, dass die Frau mir glaubt, wenn ich einfach weiter darauf beharre.

„Ich soll dir mein Pokémon überlassen?! Warum in aller Welt sollte ich das tun? Wer sollte mich dazu zwingen? Du? Mit deinem schwächlichen Lin-Fu? Aber sieh doch, dein Pokémon kann sich kaum auf den Beinen halten. Und deine Officer Rocky? Aber warte, sie ist ja gar nicht hier. Und sie wird auch nicht auftauchen.“ Fies grinst die Blonde mich an. Unter ihrem Blick komme ich mir klein und dumm vor, wie eine Made. Dann zückt sie einen schwarzen Pokéball und wirft ihn provokant mit einer Hand hoch, fängt ihn wieder auf und wirft ihn wieder hoch. Ganz klar, dass ist Evolis Pokéball. Wütend über diese Provokation beiße ich die Zähne zusammen und presse Evoli enger an mich.

„Tja, scheint blöd für dich zu laufen, Göre. Zebritz, besieg jetzt dieses Lin-Fu. Danach, Göre, gibst du mir mein Pokémon wieder und auch ganz brav die Pokébälle deiner beiden Pokémon. Dafür kannst du dann das Preisgeld behalten. Solltest du dich anstellen, … nun, Strom ist für Menschen noch viel schmerzhafter als für die meisten Pokémon. Vielleicht möchtest du ja eine Probe der Schmerzen, die deine Pokémon gerade ertragen mussten?“ Abwartend sieht die Frau mich an, doch als ich nicht reagiere, lächelt sie. „Ich sehe, wir verstehen uns. Nun denn, Zebritz, beende es mit Ruckzuckhieb!“

Ich sehe, wie das Pokémon auf Lin-Fu zu galoppiert, die sich kaum auf den Beinen halten kann und sicher keinen Scanner wirken kann, und ich bleibe einfach stumm. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich habe versagt.
 

Auf einmal kommt Leben in den Schwarzhaarigen. Er starrt an mir vorbei und schreit dann auf: „Zwei, sieh doch! Officer Rocky! Das Mädchen hat doch nicht gelogen!“

Die Frau sieht ebenfalls an mir vorbei, dann flucht sie heftig los. Plötzlich hektisch lässt sie den Pokéball in ihrer Hand unbeachtet fallen, anstatt ihn aufzufangen, und schreit: „Zebritz, hier her!“

Sofort dreht das Zebra Pokémon ab, kurz bevor es Lin-Fu rammen kann. Stattdessen steht es vor seiner Trainerin und geht gehorsam vor ihr in die Knie. Schneller als ich reagieren kann, haben die beiden Fremden sich auf den Rücken das Pokémons gesetzt, das dann wieder aufsteht. Während der Mann schon das Pokémon antreibt, sieht die Frau, die der Mann eben mit `Zwei´ angesprochen hat, mich und vor allem Evoli hasserfüllt an. „Das hier ist noch nicht vorbei, Göre. Wir sehen uns wieder. Und dann Gnade Arceus dir und Evoli, denn ich werde das sicher nicht tun!“, schreit sie mir noch zu, dann sind die beiden auch schon auf Zebritz davon galoppiert. Und ich stehe da und habe überhaupt keine Ahnung, was hier in der letzten Minute abgegangen ist. Verwirrt sehe ich zu Lin-Fu, die in diesem Moment einfach von der Erschöpfung übermannt wird und besiegt umkippt. Dann höre ich das Quietschen von Reifen und drehe mich langsam um. Und tatsächlich! Es ist Officer Rocky, die gerade mit ihrem Partner Pokémon Bissbark von ihrem Motorrad mit Beiwagen springt und auf mich zu gerannt kommt. „He, du! Was ist hier passiert?!“
 

Wie sich heraus stellt, ist Officer Rocky nicht einfach zufällig vorbei gekommen. In ihrem Beiwagen nimmt sie mich mit zum Pokémon Center, da meinen Pokémon geheilt werden müssen und auch Evoli durchgecheckt werden sollte. Das kauert während der Fahrt zu meinen Füßen, weil ich das besiegte Karnimani auf dem Schoß halte. Ihn sollte ich ja besser nicht in seinen Pokéball rufen. Zum Glück ist das bei Lin-Fu kein Problem, sonst wäre es hier in diesem Wagen ganz schön eng.

Auf dem Weg zum Pokémon Center konnte ich nicht mit Officer Rocky reden. Aber jetzt, wo ich alle drei Pokémon bei Schwester Joy abgegeben habe und wir hier an diesem Tisch sitzen und zumindest ich etwas esse, immerhin ist es schon halb eins, kann ich sie endlich ausfragen. Allerdings macht Officer Rocky mir da einen Strich durch die Rechnung. „Also, Svenja, ich wurde von einem Bewohner Serenitias darauf aufmerksam gemacht, dass zwei Mitglieder des gesuchten Team Király sich auf der Gift Wiese aufhalten. Diesem Hinweis bin ich nachgegangen, allerdings warst da nur du. Wie unschwer zu erkennen war, wurdest du dort in einen Pokémon Kampf verwickelt. Du hast mir erzählt, dass du gegen eine Frau und einen jungen Mann gekämpft hast. Waren deine Gegner die beiden Mitglieder, von denen mir berichtet wurde? Könntest du sie mir beschreiben? Und warum hast du einen Pokémon Kampf gegen sie ausgetragen?“

„Ob sie zu diesem Team Király gehören, weiß ich nicht. Ehrlich gesagt habe ich noch nie etwas von denen gehört. Aber als ich sie das erste Mal getroffen habe, hatten sie beide eine sehr seltsame Uniform an. Diesmal allerdings nicht, zumindest der Mann nicht“, berichte ich ihr alles, was ich weiß.

„Du hast diese beiden schon mal getroffen? Ach ja, richtig, ich erinnere mich. Am Hafen, letzte Woche, richtig? Es waren wieder dieselben wie dort?“ Kurz sieht sie mich fragend an, doch dann fährt sie fort, bevor ich etwas sagen kann. „Jedenfalls, an der Uniform hat der Bewohner die beiden dann auch erkannt, konnte sie aber nicht näher beschreiben. Könntest du das? Ich würde gerne ein Phantombild von den beiden erstellen, da diese beiden sich ja anscheinend öfter in unserer Gegend herum zu treiben scheinen.“

Energisch nicke ich. Diese beiden Pokémon Diebe haben sich mir ins Gedächtnis gebrannt!

Officer Rocky kramt ein Diktiergerät, Kuli, Bleistift und Block hervor, dann nickt sie mir auffordernd zu.

Ich hole noch einmal Luft, rufe mir deren Anblick ins Gedächtnis, dann beginne ich: „Die Frau hat schulterlange blonde Haare und ist vielleicht so Ende 30. Und sie ist sehr klein, kleiner noch als ich, und ihre Haut ist so bleich, als hätte sie jahrelang die Sonne nicht gesehen. Ich weiß nicht, wie sie heißt, der Mann hat sie nur einmal mit `Zwei´ angesprochen. Und sie scheint die Chefin bei ihnen zu sein, zumindest nannte sie den Mann einen `Proband´.

„Und der Mann? Wie sieht der aus?“, fragt Officer Rocky nach, während sie konzentriert und schnell auf ihrem Block zeichnet, dass der Bleistift nur so über das Papier huscht.

„Der Mann hat schwarze, verwuschelte Haare bis zu seinem Kinn. Er müsste so Anfang 20 sein. Er ist ebenfalls ziemlich hellhäutig, wenn auch nicht so weiß wie die Frau. Und er ist im Gegensatz zu ihr ziemlich groß, ungefähr zwei Köpfe größer als ich. Außerdem ist er ... unheimlich. Er spricht kaum, die Frau meinte, als Proband wäre ihm das verboten und er scheint keinerlei Gefühle in sich zu tragen. Zumindest zeigt er sie nicht. Die Frau ist da anders. Sie redet viel und rastet schnell aus.

Jedenfalls haben beide beim letzten Mal eine Art Uniform angehabt. Die ist komplett weiß, bis auf den Kragen, die Schultern und die Enden von Hosenbein und Ärmel. Die sind hellblau gefärbt. Auf dem Oberteil der Uniform sind noch goldene Knöpfe, die das Oberteil zuhalten. Beide haben außerdem noch schwarze Gürtel, an denen sie ihre ebenfalls schwarzen Pokébälle tragen. Heute hatte allerdings nur die Frau die Uniform an, der Mann war komplett schwarz gekleidet, bis auf seinen roten Schal.“

Energisch zeichnet Officer Rocky auf ihrem Block, während sie ohne aufzusehen fragt: „Und ihre Pokémon? Was für welche haben sie? Haben die irgendwelche Auffälligkeiten?“

„Beim letzten Mal hat die Frau ein Magby gehabt und halt eben noch Evoli. Und heute hat sie auch noch ein Zebritz dabei gehabt. Der Mann hat, glaube ich, nur ein Sniebel, was eine auffällige Narbe durch sein rechtes Auge gezogen hat, die noch relativ neu aussieht.“

Officer Rocky nickt, dann zeichnet sie konzentriert weiter und für ein paar Momente herrscht Stille. In dieser Zeit widme ich mich wieder meinem Essen.
 

Doch irgendwann hebt Officer Rocky den Kopf und ich sehe sie fragend an.

„Ich bin fertig mit den Zeichnungen. Würdest du sie dir bitte ansehen und mir sagen, ob sie den beiden ähnlich sehen?“ Officer Rocky schiebt mir zwei Blätter zu, die ich interessiert an mich ziehe und näher betrachte. Einige Momente schweige ich, dann zeige ich auf den Mann. „Er hat ein spitzeres Kinn und so blaugraue Augen, dass sie aussehen wie zerbrochene Scherben. Außerdem hat er eine schlankere Taille.“ Dann sehe ich mir das Bild der Frau an. „Über ihrem Herzen hat sie auf der Uniform ein goldenes, verschnörkeltes M. Das hat der Proband nicht. Ihr Gesicht ist auch eher rechteckig, nicht so rund wie hier. Und sie hat so eine goldene Brosche unter ihrem Hals, dort, wo die goldenen Knöpfe anfangen.“

Eifrig zeichnet Officer Rocky weiter und reicht mir den Mann, sobald sie mit diesem fertig ist. Ich nicke zufrieden. Jetzt noch ein gefühlsloser Blick und er sieht ihm sehr ähnlich.

„Und diese Brosche und das M hatte nur die Frau?“, erkundigt sich Officer Rocky, während sie weiter an der Frau namens Zwei zeichnet.

Entschieden nicke ich und schiebe das Blatt wieder zu ihr. „Ja, der Mann hatte nichts dergleichen. Nur seinen roten Schal.“

Mein Gegenüber nickt beiläufig und gibt mir dann das Bild der Frau. Ich sehe es mir an und bin zufrieden. „Ja, das sind sie.“

Officer Rocky nickt erfreut, dann packt sie alles in ihre Akte ein und wendet sich wieder mir zu, die ich schon wieder am Essen bin. „Gut, nun da dies alles geklärt ist, müssen wir über eine weitere wichtige Sache reden. Evoli. Es braucht einen neuen Trainer oder irgendjemand, der sich um es kümmert.“

Ich verschlucke mich fast an meinem Essen. Darüber habe ich mir bisher gar keine Gedanken gemacht. Aber es ist ja nur zu natürlich. Zu seiner alten Trainerin kann es jedenfalls nicht zurück und ich bezweifle auch, dass Evoli das will.

„Haben Sie denn schon jemanden im Sinn?“, erkundige ich mich.

„Nun, da ich diesen Pokéball auf der Giftwiese gefunden habe“, sie legt einen schwarzen Pokéball auf den Tisch, „und er leer, aber aktiviert und autorisiert ist, gehe ich davon aus, dass dies Evolis Ball ist. Somit wird es leicht, es einem neuen Trainer zu übergeben, vorausgesetzt, es möchte dies. Falls nicht, könnte ich Evoli an Professor Aquilon geben, wo er sich um es kümmern wird, ohne es an einen Trainer zu vermitteln. Irgendwann könnte er es dann auch auswildern. Falls es aber einen neuen Trainer möchte, werde ich es zur Pokémon Pension bringen. Die dortigen Züchter werden sich so lange um es kümmern, bis sich ein Trainer für Evoli entscheidet und es kauft.“

Ich nicke und starre nachdenklich auf mein Essen. Irgendwie passt mir der Gedanke nicht, dass Evolis und mein Weg sich wieder trennen werden, wo ich es doch gerade erst gerettet habe. Ich habe noch so viele Fragen, z.B. was diese Frau mit der Arena oder den sieben Verfehlungen gemeint hat. Aber ganz allgemein sorge ich mich auch um Evoli. Es ist mir in den zwei Momenten, in denen ich es bisher kennengelernt habe, wichtig geworden. Ich will nicht, dass sich jetzt jemand anders um es kümmert. Ich fühle mich für Evoli verantwortlich. Immerhin habe ich ihm vorhin auf der Giftwiese versprochen, dass ich auf es aufpassen werde. Aber es liegt nicht an mir, zu entscheiden, wie es für Evoli nun weitergeht.

Missmutig starre ich auf mein Essen, was auf einmal gar nicht mehr so gut schmeckt wie gerade eben noch.

Im nächsten Moment werden wir über den Lautsprecher von Schwester Joy dazu aufgefordert, unsere Pokémon abzuholen. Sofort springe ich auf und bringe mein Geschirr weg, dann eile ich zu Officer Rocky, die geduldig auf mich gewartet hat. An der Theke angekommen, erwartet uns schon Schwester Joy mit zwei Rolltischen. Auf dem einen sitzt Karnimani und neben ihm liegt Lin-Fus Ball, in dem sie sich wohl befindet. Als Karnimani mich sieht, springt er sofort von dem Tischchen und kommt zu mir.

„Karnimani!“, begrüße ich ihn, glücklich ihn zu sehen. „Geht es dir wieder gut?“

„Mani!“, antwortet mir mein Starter voller Energie, was mich erleichtert lächeln lässt. Dann greife ich nach Lin-Fus Pokéball, den ich mir an den Gürtel hefte. Danach wende ich mich dem anderen Tischchen zu. Auf diesem kauert Evoli, den Kopf auf den Vorderpfoten und die Ohren hängen lassend sieht es uns aufmerksam, wenn auch ängstlich an. Sanft lächle ich dem Pokémon zu und sehe, wie seine großen Ohren kurz zucken.

Vorsichtig trete ich näher an es heran. „Hab keine Angst, Evoli. Niemand hier will dir etwas Böses. Hier tut dir niemand mehr weh. Schwester Joy hat dich geheilt. Dir geht es wieder besser, richtig?“

Zögerlich hebt Evoli den Kopf, sieht mich an und nickt. Das Pokémon entspannt sich langsam, doch als Officer Rocky eine plötzliche Bewegung macht, zuckt es ängstlich zusammen. Beschwichtigend hebt die Frau die Hände und tritt einen Schritt zurück. „Ganz ruhig, Evoli. Ich bin Officer Rocky. Es fällt in meinen Aufgabenbereich, mich um deine weitere Zukunft zu kümmern. Ob du einen neuen Trainer bekommst oder nicht. Wenn du das nicht willst, könnte ich dich zu dem Pokémon Professor Aquilon bringen, der sich um dich kümmern würde, solange du dies willst. Und falls du eines Tages wieder in die Wildnis zurückkehren möchtest, würde er dir dabei helfen. Was hältst du davon?“

Evoli hat interessiert zugehört, nun mustert es erst Officer Rocky, dann mich einige Zeit. Ich warte gespannt auf seine Antwort. Wenn es sich für Professor Aquilon entscheidet, habe ich keine Chance mehr, Evoli als mein Pokémon zu bekommen. Denn inzwischen weiß ich, dass es das ist, was ich will. Ich will weiter auf Evoli aufpassen wie ich es ihm versprochen habe. Nur ab jetzt als seine Trainerin. Damit es lernt, dass nicht alle Trainer so sind wie seine ehemalige Trainerin. Ich will es lehren, dass es vor Menschen keine Angst haben muss. Und wenn es zu einem Züchter gebracht werden würde, könnte ich es kaufen. Bei Professor Aquilon dagegen…

In diesem Moment schüttelt Evoli den Kopf und mir fällt ein Stein vom Herzen. Egal, zu welchem Züchter es jetzt gebracht wird, ich werde dort sein und es kaufen!

Officer Rocky nickt geschäftig. „In Ordnung, das heißt, du möchtest einem neuen Trainer vermittelt werden. Dann werde ich dich zu der Pension auf Route 52 bringen, wo man sich so lange um dich kümmern wird, bis ein Trainer für dich gefunden ist.“ Officer Rocky zückt Evolis schwarzen Pokéball, offensichtlich in dem Bestreben, Evoli zurückzurufen, doch das Pokémon schüttelt mit einem geradezu panischen Quietschen die Augen. Dann springt es mit einem großen Satz von dem Tisch in meine Arme, wo ich es reflexartig auffange und festhalte. Ich spüre, wie sehr Evoli vor Angst zittert. Nur warum? Automatisch beginne ich beruhigend auf es einzureden: „Keine Angst, Evoli, es ist doch alles in Ordnung. Niemand will dir wehtun und ich verspreche dir, es wird nichts passieren, was du nicht willst. Wir alle wollen nur das Beste für dich.“ Während ich leise rede, kraule ich Evoli hinter den flauschigen Ohren, was dem Pokémon offensichtlich gefällt. Es wölbt sich meinen Fingern entgegen und wird langsam ruhiger. Schließlich lehnt es entspannt gegen meine Brust und ich meine sogar, Evoli leise schnurren zu hören. Es rührt mich unglaublich, dass ich anscheinend eine so beruhigende Wirkung auf Evoli habe und es sich bei mir entspannen kann. Das sind doch eigentlich gute Voraussetzungen für eine Pokémon- Trainer- Beziehung.

„Gut gemacht, Svenja“, meldet sich Schwerster Joy kaum hörbar zu Wort, vermutlich um Evoli nicht zu verschrecken. „Evoli scheint dich wirklich zu mögen, sonst würde sie sich nach allem, was sie scheinbar erlebt hat, nicht so schnell beruhigen lassen.“

„Ich frage mich nur, warum es sich auf einmal so aufgeregt hat“, grübelt Officer Rocky vor sich hin.

„Nun, nach allem, was ich aus Evolis Handlungen heraus lesen konnte, hat sie ihre Wahl bereits getroffen. Sie möchte einen neuen Trainer. Aber sie will keinen ihr unbekannten Menschen. Sie hat sich bereits für einen Trainer entschieden und diese Trainerin ist Svenja“, erklärt Schwester Joy uns beiden.

Überwältigt sehe ich die Pinkhaarige an und vergesse völlig, Evoli weiter zu kraulen. Soll das wahr sein? Evoli will mich als ihre neue Trainerin? Warum? Überrascht sehe ich auf das Pokémon herab, was sich an meine Brust kuschelt. „Hat Schwester Joy recht? Du hast wirklich mich als deine neue Trainerin gewählt?“

Evoli in meinen Armen sieht in mein Gesicht, bevor sie leicht nickt und mir mit ihrer rauen, nassen Zunge über die Nase leckt. Ein überglückliches Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht, ich umarme Evoli fester und vergrabe mein Gesicht in Evolis Fell. Meinem Evoli! Und ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, ich werde ihr Vertrauen nicht enttäuschen! Ich werde ihr zeigen, dass es auch Menschen gibt, die sie gerne haben und sich um sie kümmern! Ich werde nicht zulassen, dass Evoli jemals wieder so schlecht behandelt wird wie von dieser Frau!

Der erste Schritt zum Ziel

Der erste Schritt zum Ziel
 

Nachdem Officer Rocky mir ohne viel Aufhebens Evolis Pokéball überreicht, für den ich noch nicht mal etwas zahlen muss, wie ich das beim Züchter hätte tun müssen, verschwindet die Frau wieder. Darum wende ich mich nun an Schwester Joy. „Können Sie mir denn noch etwas über Evoli erzählen?“

„Oh ja, das kann ich in der Tat. Zum einen ist sie ein Weibchen, noch ein sehr junges möchte ich meinen. So klein wie sie ist würde ich sie auf ein Jahr schätzen. Doch das ist nicht, was mich beunruhigt. Sie wiegt viel zu wenig für ihre Art, selbst wenn man ihre Größe mit einbezieht. Man sollte dieser Trainerin alle Pokémon wegnehmen. Die Verletzungen, die Mangelernährung. Was mag diese Frau ihren Pokémon sonst noch alles antun?!“ , empört sich die Heilerin und stampft sogar mit ihrem Fuß auf.

Entsetzt sehe ich Schwester Joy an und unterdrücke mit Mühe ein wütendes Knurren. Stattdessen presse ich Evoli enger an mich. Ich werde nicht zulassen, dass diese Frau Evoli je wieder in die Finger kriegt! Die wird ihr nie wieder etwas antun!

Selbst Karnimani, der die ganze Zeit ruhig war, besorgniserregend ruhig um ehrlich zu sein, zischt wütend auf, als Schwester Joy uns über Evolis Zustand aufklärt. Aus diesem Grund gibt Schwester Joy mir ein spezielles Futter mit, was Evoli schneller wieder aufpäppeln soll. Dankbar packe ich es in meinen Rucksack ein, wozu ich Evoli kurz absetzen muss, was dieser gar nicht zu gefallen scheint. Sie verkriecht sich hinter meinen Beinen, bis ich sie schließlich wieder auf den Arm nehme. Danach verabschiede ich mich von Schwester Joy. Denn für heute habe ich eigentlich eine große Sache geplant. Evoli hat das allerdings etwas durcheinander gebracht. Aus diesem Grund muss ich jetzt zuerst noch etwas anderes erledigen.
 

Es ist kurz vor 14 Uhr, als ich mit Evoli auf dem Arm und Karnimani an meinen Fersen das Kampffeld des Pokémon Centers betrete. Es ist inzwischen strahlend blauer Himmel, die Sonne brennt erbarmungslos und darum ist es auch richtig heiß, fast 35 Grad. Nicht ungewöhnlich für Anfang Juni hier bei uns, doch mir persönlich schon viel zu heiß. Ich mag Temperaturen bis 30 Grad und das ist auch schon absolute Schmerzgrenze. Das hier ist viel zu viel und ich wünsche mich sofort wieder zurück in das klimatisierte Pokémon Center.

Stattdessen setze ich Evoli auf dem staubigen Boden des Kampffeldes ab. Sofort drängt diese sich wieder ängstlich gegen mein Bein und fiepst leise. Beruhigend knie ich mich zu ihr und kraule sie hinter den großen Ohren. „Du brauchst keine Angst zu haben, Evoli. Hier kann dir nichts passieren. Ich wollte dir nur deine neuen Freunde vorstellen.“ Mit einem Lächeln deute ich hinter sie. „Das ist Karnimani. Und das…“ Ich zücke eine Pokéball, „ist Lin-Fu. Ich hoffe, ihr drei werdet euch verstehen.“

Mit diesen Worten materialisiert sich Lin-Fu mit einem fröhlichen Ruf.

Evoli dagegen kauert sich zu meinen Füßen noch mehr zusammen. Ich kann es nachvollziehen. Gegen diese zwei Pokémon musste sie vorhin kämpfen und Karnimani war derjenige, der sie vorhin besiegt hätte, hätte ich nicht eingegriffen. Aber aus genau diesem Grund wollte ich dieses Aufeinandertreffen so schnell wie möglich hinter mich bringen. Die Angst darf sich nicht in Evoli festsetzen, sonst wird das immer zwischen ihnen stehen.

Überraschenderweise ist sogar Karnimani derjenige, der den Anfang macht. Er läuft auf Evoli zu und verzieht seine Lippen zu etwas, was wohl ein freundliches Lächeln sein soll. Allerdings sieht es ziemlich furchteinflößend aus, weil Karnimani dabei eine ganze Reihe spitzer, aber kräftiger Reißzähne entblößt. Ich selbst weiß, wie sehr diese Zähne verletzen können.

Doch als Karnimani immer noch mit diesem Lächeln auf dem Gesicht nun auch noch die Pfote zum Gruß nach Evoli ausstreckt, ist das wohl endgültig zu viel für sie. Sie stößt ein hohes, panisches Quietschen aus und springt mit einem Satz in meine Arme, was einfach ist, da ich immer noch knie. Sie bleibt allerdings nicht in meinen Armen, sondern klettert weiter über meine Schulter und dann außerhalb meines Sichtfeldes. Ich spüre nur, wie sie an meinen langen Haaren reißt und plötzlich fühle ich ihren schnell gehenden, heißen Atem in meinem Nacken- unter meinen Haaren. Da begreife ich, wo sie ist. Sie liegt auf meinem Rucksack zu einer kleinen Kugel eingerollt und versteckt sich unter meinen offenen Haaren. Vermutlich kann man sie noch nicht einmal sehen. Aber ich spüre sie. Ihren hektischen Atem, ihr Zittern. Das hier war zu viel für sie.

Vorsichtig erhebe ich mich und sehe dann auf Lin-Fu und Karnimani herab. Vor allem Karnimani sieht ernsthaft beleidigt aus. Da hat er es zum ersten Mal mit Freundlichkeit versucht und dann sowas.

„Sei nicht sauer auf Evoli, Karnimani. Dass sie geflüchtet ist, lag bestimmt nicht an dir persönlich. Das war großartig, wie du auf Evoli zugegangen bist. Aber sie hat wohl ziemlich viel Angst vor anderen, mehr als ich gedacht hätte“, versuche ich Evoli zu entschuldigen. Allerdings sieht Karnimani mich eher zweifelnd an und auch Lin-Fu sieht traurig aus, dass sie keine Chance bekommen hat, sich Evoli vorzustellen.

„Am besten wir lassen sie erstmal in Ruhe, damit sie sich wieder beruhigen kann. Wenn sie bereit ist, euch beide kennenzulernen, dann wird sie schon von selbst kommen.“ Ich mache eine Pause und warte auf eine Reaktion des Pokémons in meinem Nacken, doch nichts rührt sich. Mit einem Seufzen wende ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Rest der Gruppe zu. Ein aufgeregtes Kribbeln durchflutet mich bei dem Gedanken, was wir gleich machen werden. „Karnimani, Lin-Fu, seid ihr bereit? Wir haben vorhin hart trainiert. Ich denke, es wird Zeit den hiesigen Arenaleiter herauszufordern und dort mal ordentlich aufzumischen, was meint ihr?“

Die beiden antworten mir mit enthusiastischen Schreien und ich grinse zufrieden. Heute werde ich um meinen ersten Arenaorden kämpfen!
 

Obwohl wir dank Schwester Joy nur fünf Minuten brauchen, um die Arena zu finden, kommt es mir durch die Hitze viel länger vor. Doch nun stehen wir vor einem großen, rechteckigen Gebäude aus grauem Stein, was sich nur durch seine Größe und das Ligazeichen über der Doppeltür aus Holz als Pokémon Arena erkennen lässt.

Mit einem letzten Blick zu Karnimani -Lin-Fu hat sich wieder in ihren Pokéball zurückgezogen und Evoli sehe ich nicht, die spüre ich nur in meinem Nacken atmen -laufen wir auf die Tür zu. Mit einiger Kraft drücke ich sie auf und angenehm kühle Luft schlägt uns entgegen. Entspannt atmen ich und Karnimani die wohltuende Luft ein, sehen uns dann an und beginnen gleichzeitig zu grinsen. Er scheint die Hitze draußen genauso wenig zu mögen wie ich.

Der Bereich, in dem wir uns jetzt befinden, scheint eine Art Warteraum zu sein. Kein Mensch befindet sich hier. Es stehen einige Stühle um Tische verteilt, auf denen sich Zeitschriften und Broschüren befinden. An der rechten Wand befinden sich ein Getränke- und ein Snackautomat. Gegenüber von mir sehe ich eine Theke und eine breite Doppeltür, ebenfalls aus Holz. Und links an der Wand stehen zwei graue Säulen mit dem Zeichen der Pokémon Liga obendrauf. Dazwischen liegt auf einem Podest und einem grauen Samtkissen ein geschlossenes Buch. Neugierig geworden gehe ich näher heran.

Auf dem schwarzen, ziemlich dicken Buch prangt in Goldbuchstaben die Aufschrift ` Herausforderer der Serenitia Arena´. Aufgeregt greife ich nach dem Buch. Vielleicht finde ich ja ein paar bekannte Namen, die mir zeigen, wer schon hier war und wer noch nicht. Ich schlage die Seite auf, die von einem Lesezeichen markiert werden und finde mich auf der aktuellsten Seite wieder. Das Datum ist der 9.6., das ist heute! So wie es aussieht, wurde der Arenaleiter heute schon von einem Jungen Namens Dean aus Neverom und einem Mädchen namens Nora aus Serenitia selbst herausgefordert. Der Junge scheint gewonnen zu haben, zumindest schließe ich das aus dem Häkchen hinter seinem Namen. Als ich die letzten paar Tage durchblättere, sticht mir ein Name sofort ins Auge. Sina aus Sankt Schollerin! Doch ihr Name ist an vier verschiedenen aufeinanderfolgenden Tagen gelistet und erst vor zwei Tagen hat sie ein Häkchen hinter ihrem Namen bekommen. Das muss sie gewurmt haben, so oft zu verlieren und auch wenn es nicht nett ist, ich genieße den Gedanken etwas. Gleichzeitig wird mir ein wenig flau im Magen. Wenn sie solche Probleme hatte, was hat der Arenaleiter dann auf dem Kasten?

Aufmerksam suche ich nach weiteren bekannten Namen und werde am 5.6 fündig. Robin von den Rühnfällen! Sie hat ihren Orden direkt beim ersten Versuch bekommen. Etwas anderes habe ich von ihr aber auch gar nicht erwartet. Als ich nochmal einige Tage weiterblättere, finde ich am 3.6 Jenni aus Bad Jeamik. Das war doch die fiese Rothaarige, die Pablo am Tag der Pokémon Vergabe so fertig gemacht hat, nur weil er sich für ein Wasser Pokémon entschieden hat! Und genau dieses Mädchen hat bereits drei Tage nach dem Beginn ihrer Reise den Arenaleiter herausgefordert und gewonnen! Das ist ja unfassbar!
 

„Entschuldigung, kann ich dir helfen? Bist du eine Herausforderin?“, erklingt hinter mir eine Stimme und ich erschrecke fürchterlich. Fast lasse ich sogar das Buch fallen, lege es dann aber hastig zurück an seinen Platz und drehe mich um. Hinter mir steht ein Mann mittleren Alters mit schwarz-weiß gestreiftem Hemd und einem Schild an der Brust, was ihn als einen Schiedsrichter ausweißt. Scheint wohl hier zu arbeiten, der Mann.

„Also, möchtest du den Arenaleiter herausfordern?“, fragt er erneut, wirft dabei aber immer wieder nervöse Blicke auf Karnimani. Dieser starrt den Mann aus braun roten Augen ohne zu blinzeln an, während sein Schweif gereizt über den Boden wischt.

Ich habe mich inzwischen soweit von dem Schreck erholt, dass ich antworten kann: „Ja, ganz genau. Ich möchte bitte den hiesigen Arenaleiter herausfordern, wenn das geht.“ Zum Ende hin werde ich immer kleinlauter. Der Mensch scheint viele Herausforderer zu haben, was wenn er gar keine Zeit für mich hat. Braucht man für einen Arenakampf einen Termin?

Der Mann lächelt mich an. „Natürlich geht das. Ich werde ihm Bescheid geben und dich danach zu ihm bringen. Gedulde dich nur einen Moment. Und würdest du mir bitte deinen Trainerpass kurz geben?“

„Warum denn das?“

Der Schiedsrichter erklärt es mir bereitwillig. „Um dich zu identifizieren. Außerdem ist auf deinem Pass auch angegeben, wie viele Orden du schon errungen hast und je nach Anzahl wird der Arenaleiter dir mit einem anderen Team entgegentreten. Aber anhand deiner Reaktion erkenne ich, dass dies wohl dein erster Kampf in einer Arena ist.“ Verschmitzt zwinkert er mir zu.

Ich nicke und will gerade meinen Rucksack absetzen, da spüre ich, wie sich Evoli auf eben diesem wild bewegt. Sie zieht an meinen Haaren, während sie in meinem Rucksack zu wühlen scheint. Gerade will ich nachfragen, was sie da tut, da spüre ich plötzlich ihre weichen Vorderpfoten auf meiner Schulter und sehe ihren Kopf in meinem Sichtfeld. Zwischen ihren Lippen hält sie mir meinen Trainerpass entgegen.

„Oh, dankeschön, Evoli“, meine ich überrascht, nehme den Pass und reiche ihn weiter an den Schiedsrichter, wobei ich Evoli mit der anderen Hand dankbar hinter ihren Ohren kraule. Wonnevoll schließt das Pokémon die braunen Augen und summt genießerisch.

Der Mann wirft einen kurzen Blick auf den Trainerpass, dann gibt er ihn mir wieder zurück. „Dein Evoli ist aber gut versteckt, Svenja. Ich dachte bisher, du hättest nur Karnimani, deinen Starter. Das ist er doch, oder?“

„Ja, Karnimani ist mein Starter. Und nein, ich habe sogar schon drei Pokémon“, erkläre ich ihm stolz, dann halte ich Evoli den Pass wieder hin. „Verstaust du ihn wieder für mich?“

„Vo“, erwidert das Pokémon, schnappt sich das Papier und das Rumoren auf dem Rucksack beginnt erneut. Doch nach zwei Drehungen scheint Evoli sich wieder unter meinen Haaren eingerollt zu haben, denn ich spüre ihren Atem wieder in meinem Nacken.

Mit einem halben Grinsen sieht der Mann über meine Schulter. „Und da ist es schon wieder verschwunden. Ein wenig schüchtern, das Kleine, was? Aber bei dir scheint es sich sicher zu fühlen, so wie es auf Körperkontakt geht. Trotzdem wirst du bei dem Kampf nachher nur deinen Starter benötigen.“

Bevor ich nachfragen kann, was er damit meint, hat sich der Schiedsrichter schon umgedreht und ist durch eine kleine, unscheinbare Tür hinter der Theke verschwunden. Ich wiederum sehe nach unten zu Karnimani, der sich wieder beruhigt hat, sowie der Mann den Raum verlassen hat. Vielleicht hat er ja wegen Karnimani so schnell die Flucht ergriffen.

„Wenn ich den Schiedsrichter richtig verstehe, darf ich in diesem Kampf nur ein Pokémon einsetzen. Meinen Starter. Dich. Bist du dazu bereit, Karnimani?“

Aufgeregt fauchend bleckt Karnimani die Zähne und schlägt mit dem Schweif auf den Boden. Er scheint fast noch mehr für diesen Kampf zu brennen als ich. Ich bin bisher noch ganz ruhig, auch wenn sich das sicher ändern wird, wenn ich dem Arenaleiter gegenüber stehe. Ob Karnimani schon mal mit einem seiner vorherigen Trainer hier in dieser Arena angetreten ist?

Ehe ich ihn fragen kann, kehrt der Schiedsrichter wieder in den Warteraum zurück. „Der Arenaleiter wird dich nun empfangen. Folge mir. Und würdest du mir das Buch mitbringen, indem du vorhin so eifrig gelesen hast?“

Folgsam reiche ich ihm das schwarze Buch, der Mann nickt und drückt dann die große Doppeltür aus Holz auf, die neben der Theke ist. Gespannt trete ich hindurch. Als ich das große Kampffeld sehe, kribbelt alles in mir. Hier werde ich gleich um meinen ersten Orden kämpfen! Ich muss es schaffen. Ich muss einfach!

Der Raum an sich in einfach gehalten. Der Blickfang ist definitiv der große Betonplatz, der das Kampffeld darstellt. Rechts und links gibt es eine kleine Tribüne, auf der Zuschauer zusehen können, doch momentan ist sie komplett leer, was mir auch deutlich lieber ist. Dieser Kampf wird ohnehin schon von genug Leuten gesehen, sobald sie morgen die `Travel Trainer´ Sendung anschauen. Ein weiterer Grund, warum ich das hier nicht vermasseln darf. Ich werde allen, die je an mir und Karnimani gezweifelt haben, beweisen, dass wir ein gutes Team sind!

Karnimani, der vor mir den Raum betreten hat, ist der erste, der den Arenaleiter erkennt. Es ist ein älterer Mann mit vom Alter weißen Haaren und weißem Vollbart, was sich mit seiner dunkleren, eingefallenen Haut sticht. Er kommt von der anderen Seite des Kampffeldes auf uns zugerollt. Und das meine ich wörtlich. Der Mann sitzt in einem voll automatisierten Rollstuhl! Seine Beine sind durch eine schwarze Decke vor neugierigen Blicken verborgen, um seinen Oberkörper schlingt sich ein traditioneller dunkelblauer Kimono.

Irritiert und wie ferngesteuert gehe ich auf ihn zu und treffe ihn in der Mitte des Feldes. Karnimani steht neben mir und ist, seit er den Arenaleiter gesehen hat, merkwürdig still geworden. Auch ich bin mehr als überrascht und sehe auf diesen alten Mann herab, der mich freundlich anlächelt. Dann streckt er mir die Hand entgegen und automatisch nehme ich sie. Der Druck der Hand ist überraschend kraftvoll. „Hallo, Svenja, hallo, Karnimani. Ich bin Maxim, der Arenaleiter hier. Und du bist also die Trainerin, die dieses Jahr ihr Glück mit Karnimani versucht. Wie oft sind wir beide uns nun schon begegnet, Karnimani? Aber ich muss deiner diesjährigen Trainerin zugestehen, du siehst besser aus als jemals zuvor.“

Als die Rede von der Unhändelbarkeit meines Partners ist, erwache ich wieder aus meiner überraschten Starre über die Verfassung von Maxim. „Ich bin seine Trainerin und ich werde seine Trainerin bleiben. Und heute werden wir gemeinsam diesen Kampf gewinnen!“

Maxim lacht ein tiefes, brummiges Lachen, was seinen ganzen Oberkörper zum Beben bringt. „So überzeugt also. Na, da bin ich ja mal gespannt. Siehst du das denn genauso, Karnimani? Du warst schon oft mit Trainern bei mir, die ebensolche enthusiastischen Reden geschwungen haben. Und im nächsten Jahr warst du wieder hier, mit einem anderen Trainer. Glaubst du ihr, wenn sie sagt, dass es dieses Mal anders werden wird?“, fragt er mit tiefer Bassstimme und sieht Karnimani aus klaren, grünen Augen an.

Mein Partner mustert mich, während ich vor Spannung, was seine Antwort sein wird, fast platze. Glaubt er an mich? An uns? Oder misstraut er mir immer noch? Ich dachte, wir hätten uns einander angenähert? Aber war das nur aus meiner Sicht so oder sieht Karnimani es genauso?

Endlich, nach unzähligen Sekunden die sich wie Stunden anfühlen, reagiert Karnimani. Mit einem ernsten Blick zu Maxim nickt er und tritt sogar einen Schritt näher zu mir. „Mani.“

Der Mann nickt nachdenklich und mustert mich. „Er scheint dir zu vertrauen. Es würde mich glücklich machen, wenn du einen Trainer gefunden hast, der mit dir umgehen kann, Karnimani. Dann wollen wir mal in einem Kampf prüfen, was dich so besonders macht, Mädchen. Bist du bereit, Svenja?

Ich sehe zu Karnimani, der nah neben mir steht und nicke, als mein Starter mir zunickt. „Ja, sind wir.“

„Gut, dann erkläre ich dir schnell die Regeln meiner Arena. Da du hier um den Start Orden kämpfst, wirst du auch nur mit deinem Starter antreten. Ich werde mit einem Pokémon desselben Typen antreten. Bei dir wäre das also ein Wasser Pokémon. Außerdem wird auch das Kampffeld dem Typ angepasst“, erklärt er mir, während er mit seinem Rollstuhl zu seiner Seite des Kampffeldes rollt. Er hält vor einem Glaskasten ganz links, den ich jetzt erst sehe. Es sind insgesamt acht Stück und unter dem Glas liegen verschiedene Pokébälle. Aus dem Glaskasten vor ihm nimmt Maxim einen blauen Pokéball und dreht sich dann wieder zu mir um. „Würdest du bitte in dein Trainerfeld gehen, damit ich das Kampffeld umbauen kann?“

Sofort drehe ich um und sowie Karnimani und ich in dem Trainerfeld stehen, drückt Maxim auf ein paar Knöpfe an seinem Rollstuhl. Sogleich beginnt das Kampffeld zu knirschen und dann senkt sich langsam der Betonboden nach unten. Sobald es ungefähr zehn Meter gesunken ist, bleibt es stehen und es öffnen sich mehrere Luken an den Seiten, aus denen Wasser heraus schießt. Innerhalb einer Minute ist das Becken bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Dann fallen von oben unterschiedlich große Styroporblatten herab, die sich auf der Wasseroberfläche treibend verteilen. Mit einem freudigen Funkeln in den Augen tritt Karnimani näher an den Rand des Wasserbeckens heran. Ich verstehe seine Freude. Das ist ein Kampffeld ganz nach dem Geschmack eines Wasser Pokémons.

„Achtung, Evoli, ich setze den Rucksack ab, ja?“, wende ich mich an mein neustes Pokémon.

Ein unwilliges Murren kommt von dem Pokémon in meinem Nacken, dann springt sie von dem Rucksack und sieht sich unsicher um. Ihre großen Ohren drehen sich schnell in alle Richtung.

„Ich stelle meinen Rucksack hier hin. Pass du auf ihn auf und feuer uns an, okay?“, sage ich Evoli und stelle den türkisfarbenen Rucksack außerhalb des Trainerfelds ab.

Evoli sieht sich mit großen Augen um, dann blickt sie mich an und nickt schließlich. Folgsam kauert sie sich neben meinem Rucksack zu Boden und betrachtet Karnimani und das Kampffeld. Allerdings ist sie dabei alles andere als entspannt, sie zittert sogar leicht. Also knie ich mich nochmal zu ihr und kraule sie kurz hinter den Ohren. „Du brauchst keine Angst haben, Evoli. Dir wird nichts passieren. Sieh du einfach nur zu, wie Karnimani und ich kämpfen und wünsch uns Glück.“

Evoli drückt sich meiner kraulenden Hand entgegen, dann nickt das Pokémon sacht, also stehe ich wieder auf und wende mich an den Schiedsrichter und Maxim, die mich beide aufmerksam beobachtet haben. „Ich bin so weit.“

Der Schiedsrichter nickt und hebt seine schwarze Fahne nach oben. „Nun denn, der Serenitia Arenakampf beginnt jeden Augenblick. Die Herausforderin Svenja aus Bad Jeamik kämpft gegen den Arenaleiter Maxim von Serenitia. Beide Seiten dürfen nur ein Pokémon einsetzen, die Herausforderin muss mit ihrem Starter antreten. Der Kampf ist vorbei, wenn eins der Pokémon nicht mehr weiterkämpfen kann oder der Trainer den Kampf aufgibt.“ Noch einmal sieht der Schiedsrichter den Arenaleiter und mich an, dann lässt er die schwarze Fahne, die er die ganze Zeit in die Höhe gehalten hat, sinken. „Der Kampf kann beginnen.“
 

„Los, Karnimani, ab ins Wasser mit dir“, fordere ich ihn auf und mit einem freudigen Schnauben springt Karnimani kopfüber ins Wasser und schwimmt erstmal ein paar Runden, bevor er auf eine Styroporblatte direkt vor mir klettert, um dort abzuwarten. Die Platte sinkt durch sein Gewicht zwar etwas ab, geht aber nicht unter. Nur Karnimanis Füße sind im Wasser, was dieser aber nicht schlimm findet. Mit einem gespannten Grinsen sehe ich zu Maxim und warte, was für ein Wasser Pokémon er einsetzen wird. Mein ganzer Körper prickelt vor Aufregung. Ich darf das hier nicht vermasseln!

Maxim beobachtet mit einem breiten Grinsen, was seinen weißen Bart verzieht, wie Karnimani sich gibt, dann ruft er mir über das Wasserbecken zu: „Aber unterschätz mich ja nicht, nur weil ich körperlich nicht in bester Verfassung bin. Mit euch Kindern nehme ich es noch auf. Also haltet euch nicht zurück, Svenja, Karnimani. Immerhin geht es hier um euren ersten Orden.“

„Keine Sorge, dass hatten wir auch gar nicht vor“, erwidere ich in einem herausfordernden Tonfall. Der Mann ist Arenaleiter. Er muss etwas auf dem Kasten haben, also werde ich mich ganz sicher nicht zurückhalten.

„Die Einstellung gefällt mir. Da das nun geklärt es, komm raus, Quapsel. Der Kampf beginnt!“ Mit diesen Worten öffnet er den blauen Pokéball und auf einer der Styroporblatten bildet sich ein blaues Pokémon mit einem weißen Fleck und schwarzer Spirale auf dem Bauch. Seine Schwanzflosse ist so groß wie sein ganzer Körper und ist am Anfang noch blau, wird nach außen hin aber immer blasser und durchsichtiger. Mit einem freudigen „Quapsel!“ springt es in die Höhe und von da aus ins Wasser. Schnell zieht es kleine Kreise unter der Styroporblatte, sodass diese durch den Strudel ins Wanken gerät.

Neugierig greife ich nach meinem Pokédex, den ich inzwischen an meinem Gürtel befestigt habe, um schneller an ihn heranzukommen. Trotz des Wassers über dem Pokémon kann der Pokédex es scannen und beginnt gleich zu reden.
 

„Quapsel, das Kaulquappe Pokémon. Durch seine sehr dünne Haut hindurch kann man sein spiralförmiges Inneres sehen. Färbt sich dieses weiß, deutet das darauf hin, dass es krank ist. Obwohl seine Haut so dünn ist, ist sie sehr elastisch. Selbst scharfe Reißzähne können sie nicht durchdringen. Es kann noch nicht gut laufen. Taucht an Land ein Feind auf, flitzt es hastig auf seinen wackligen Beinen zurück ins Wasser.“
 

„Als Herausforderin darfst gerne du den Kampf eröffnen“, gestattet mir der ältere Mann großzügig.

Dass lasse ich mir nicht zweimal sagen. „Karnimani, bitte Sil-“

„Ooopaaaa! Bist du hier?“, ertönt auf einmal eine helle Kinderstimme und ich halte in meinem Befehl inne. Stattdessen sehe ich nach rechts hinten in die Ecke, wo gerade mit Schwung eine Tür geöffnet wurde und ein kleines Mädchen hindurchstürmt. Sie scheint noch nicht in die Pokémon Schule zu gehen, sonst wäre sie um diese Uhrzeit an einem Dienstag nicht hier, also ist sie noch keine zehn Jahre alt. Sie hat rosa gefärbte Haare, die zu zwei Zöpfen links und rechts gebunden sind und bei jedem Schritt, den sie tut, in die Höhespringen. Dazu hat sie ein rundliches Gesicht mit niedlichen Pausbacken und trägt ein rosafarbenes Kleidchen mit weißen Blümchen drauf. Selbst ihre kleinen Ballerinas sind rosa.

Sobald sie Maxim erblickt, erhellt sich ihr ganzes Gesicht und sie rennt auf ihn zu, dass ihre Zöpfe nur so fliegen. „Opa! Mir ist langweilig! Niemand will mit mir spielen! Kannst du mir Fukano zum Spielen geben? Dann könnten wir zu dritt spielen gehen. Bitte, bitte, bitte, Opa!“ Die Kleine macht einen Schmollmund, mit dem sie einfach nur zum Anbeißen aussieht und springt aufregt neben dem Rollstuhl ihres Opas auf und ab. „Biiite! Mir ist sooo langweilig!“

Mit einem letzten Blick auf mich und Karnimani wendet Maxim sich seiner Enkelin zu. „Caddy, ich kann jetzt nicht mit dir spielen. Ich muss hier gegen eine Herausforderin kämpfen. Warum spielst du nicht mit deinem Bruder?“

Das Mädchen sieht ihren Opa mit offensichtlicher Fassungslosigkeit an, dass er es überhaupt wagte, so etwas vorzuschlagen. „Aber Opa, das geht nicht! Er will nicht mit mir spielen. Immer will Earnst nur lesen. Er macht nie irgendwas lustiges. Er ist soo langweilig!“, stellt sie laut fest, offensichtlich höchst entrüstet darüber, wie man Bücher nur spannend finden kann.

Maxim hat für dieses Aufgebehren nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig. Offenbar ist ihm diese Seite an seinem Enkel nicht unbekannt. „Dein Bruder hat eben andere Interessen als du“, versucht er ihr zu erklären, doch Caddy hört ihm gar nicht mehr zu. Ihr Blick ist auf mich und Karnimani gefallen. „Oh, kämpft ihr gerade?“, fragt sie mit sich vor Aufregung überschlagender Stimme. „Darf ich zugucken? Bitte, bitte, Opa!“ Aus großen Augen sieht sie ihn fast schon hypnotisierend an. Welcher Großvater könnte da noch nein sagen?

„Na, dann setz dich schon auf die Tribüne“, gibt er sich seufzend geschlagen. „Und sobald ich hier fertig bin, spiele ich mit dir.“

„Kann Fukano mir Gesellschaft leisten? Biiitte! Du brauchst ihn doch jetzt eh nicht!“, bettelt die Kleine weiter.

Mit einem Seufzen kapituliert ihr Großvater und reicht ihr einen roten Pokéball. „Hier, du Quälgeist.“ Ein liebevolles Lächeln nimmt den Worten die Spitze. „Aber lass ihn erst auf der Tribüne raus. Nicht, dass er uns noch ins Wasser fällt.“

Mit einem freudigen Quicken, weil sie alles erreicht hat, was sie wollte, reißt Caddy den Ball an sich und hüpft glücklich die Stufen der Tribüne hoch. Sobald sie sich gesetzt hat, lässt sie Fukano frei, der sich mit freudigem Kläffen auf das junge Mädchen stürzt und ihr erstmal das ganze Gesicht ableckt. Lächelnd wende ich mich wieder Maxim zu.

„Entschuldige die Unterbrechung, Svenja. Aber meine Tochter und ihr Mann sind gerade nicht hier und darum passen meine Frau und ich auf unsere beiden Enkel auf. Doch genug davon. Jetzt können wir unseren Kampf beginnen“, meint Maxim mit einem letzten Blick zu seiner Enkelin, die auf ihrem Sitz steht, um besser sehen zu können. Fukano hat sich vor ihren Platz gelegt.

„Das ist doch nicht schlimm“, entgegne ich nachsichtig. Doch dann werde ich ernst. Jetzt geht der Kampf wirklich los.
 

„Karnimani, bitte Silberblick auf Quapsel!“, eröffne ich den Kampf, so wie ich es geplant habe. Zuerst werde ich seine Verteidigung schwächen und den Gegner danach mit starken Angriffen besiegen.

Karnimani wirft dem Quapsel, das inzwischen wieder auf einem der Styroporblatten steht, einen furchteinflößenden Blick zu, durch den der Gegner verschreckt aufquietscht und zurück ins Wasser flüchtet. Durch seine Färbung ist es gut getarnt, ich kann es im Wasser nicht erkennen.

„Quapsel, es beginnt. Hypnose!“, befiehlt Maxim mit dunkler Stimme.

Mit einem Satz ist der Pokémon direkt vor Karnimani aus dem Wasser gesprungen und auf dessen Platte gelandet. Durch das zusätzliche Gewicht geht diese leicht unter, doch darauf kann niemand von uns achten, denn da beginnt sich die Spirale auf Quapsels Bauch zu bewegen und in sich selbst zu drehen. Fasziniert sehe ich darauf, genau wie Karnimani und kann mich einfach nicht von dem Anblick losreißen. Ich muss gähnen und werde abrupt aus meiner Fixierung gerissen, als Quapsel sich wieder zurück ins Wasser gleiten lässt. Hastig fällt mein Blick auf Karnimani. Ach du Kacke! Karnimani ist auf seiner Styroporplatte zusammen gebrochen. Zuerst meine ich, dass er besiegt ist, doch da sehe ich das gleichmäßige Heben und Senken seines Körpers, höre das leise Schnarchen. Er schläft! Das darf doch wohl nicht wahr sein!

„Karnimani, wach auf! Schnell! Du kannst jetzt nicht schlafen!“, brülle ich verzweifelt los, doch Karnimani scheint mich nicht zu hören. Er regt sich nicht.

„Gut gemacht, Quapsel, Blubber!“ Im Gegensatz zu meiner scheint Maxims Strategie aufzugehen, was ihn sichtlich freut.

Erneut taucht das Pokémon aus den Untiefen des Wasserbeckens auf und öffnet seine Lippen zu einem O. Heraus kommen viele kleine Wasserblasen, die Karnimani umschweben und bei Kontakt zerplatzen. Karnimani scheint aber auch das nicht wirklich zu stören. Spürt er es überhaupt?

„Karnimani, bitte, jetzt komm schon! Wach auf!“, schreie und flehe ich wieder, doch nichts. Was soll ich nur tun? Ich habe ja noch nicht mal die Chance, mich zu beweisen.

Das sieht wohl auch Maxim ein, denn er ruft: „Aquaknarre. Wecken wir die Schlafmütze mal wieder auf, sonst ist das hier ja viel zu langweilig, nicht wahr?“

Ich weiß nicht, was ich machen soll, komme aber gar nicht dazu, irgendetwas zu tun, da schießt auf einmal die Styroporplatte, auf der Karnimani schläft, in die Höhe. Der Grund ist ein Wasserstrahl, der von unten die Platte hochdrückt. Diese überschlägt sich und der immer noch schlafende Karnimani fällt ins Wasser. Der Schock, statt Luft Wasser zu atmen, reißt ihn endlich aus dem Schlaf und Karnimani beginnt hektisch an die Wasseroberfläche zu schwimmen. Schwerfällig hievt er sich auf eine der Platten, wo er erstmal zu Atem kommt. Dann fixiert er Quapsel, was unter ihm provozierend seine Runden dreht und ein mörderisches Funkeln tritt in seine Augen.

Ich kenne diesen Ausdruck. Das ist nicht gut. Ich muss ihn fokussieren, sonst wird er nur wie wild angreifen und nicht mehr auf mich hören. „Bitte, Karnimani. Bleib ruhig. Wir werden es diesem Quapsel heimzahlen, keine Sorge. Wir werden nicht zulassen, dass dieses kleine Ding dich besiegt. Aber wir machen das gemeinsam. Bitte!“

Einen Moment sieht Karnimani mich einfach nur an und ich habe schon Angst, dass alles hoffen vergebens ist, doch dann nickt er. Fast schluchze ich auf vor Erleichterung, dann richte ich meinen Blick auf Quapsel und Maxim. Der betrachtet uns nachdenklich und überrascht. Er hat wohl nicht damit gerechnet, dass Karnimani und ich so gut zusammen arbeiten könnten. Wollte er ihn so sehr provozieren, dass er nicht mehr auf mich hört? Immerhin kennt er dieses Verhalten Karnimanis von früher. Und ein Pokémon, was ohne die Anweisungen seines Trainers kämpft, ist meist leichter zu besiegen, da es völlig planlos nur angreift. War das Maxims Ziel?

Doch das wird nicht passieren. Jetzt werden wir angreifen und es Maxim zeigen! „Karnimani, bitte, Aquaknarre!“

Karnimani holt Luft, dann speit er einen Wasserstrahl auf das Pokémon im Wasser. Doch das weicht einfach aus, selbst als Karnimani ihm mit dem Strahl folgt. Schließlich gebiete ich Karnimani aufzuhören. So wird das nichts. Im Wasser ist dieses Pokémon viel zu schnell.

„Scheint als hättet ihr Probleme mit der Geschwindigkeit“, stellt Maxim überflüssigerweise fest. „Blubber.“

Aufs Wort springt das Pokémon auf eine Platte und beginnt wieder Wasserblasen zu versprühen. Dabei ist er uns ziemlich nah. Das ist unsere Chance! Im Wasser ist das Pokémon schnell, an Land aber nicht. „Spring, Karnimani! Kratzer, bitte!“

Mit Kraft drückt Karnimani sich von seiner Platte ab, die dabei untergeht, springt über die Blubberblasen und landet auf der Platte von Quapsel. Bevor dieses flüchten kann, hat Karnimani ihm schon mit einem wütenden Knurren über den Bauch gekratzt. Mit einem schmerzverzerrten Quietschen lässt es sich zurück ins Wasser fallen, schwimmt jetzt aber nicht mehr so schnell wie vorher. Der Angriff muss ihm, auch dank der Verteidigungssenkung, ganz schön zugesetzt haben.

Auch Maxim sieht nicht erfreut aus. „Hypnose.“

„Schließ die Augen!“, schreie ich panisch. Wenn Karnimani noch einmal einschläft, dann war’s das wohl endgültig.

Da steht Quapsel schon vor ihm und beginnt wieder, die Spirale auf seinem Bauch zu drehen. Schnell wende auch ich mich ab und sehe erst wieder hin, als ich das Platschen höre, was mir zeigt, dass Quapsel wieder im Wasser verschwunden ist. Was ich sehe, lässt mir den Atem stocken. Karnimani liegt wieder auf der Platte und scheint erneut eingeschlafen zu sein. Hat er mich nicht gehört?

„Karnimani“, hauche ich fassungslos.

Mein Partner rührt sich nicht… oder doch. Ganz leicht zuckt seine Schwanzspitze, die mir zugewandt ist und die Maxim aus dem Grund nicht sehen kann. Karnimani ist wach und stellt sich schlafend! Dieses Schlitzohr! Ich würde gerne grinsen, darf mir aber nichts anmerken lassen. Also brülle ich stattdessen möglichst panisch: „Karnimani, wach auf! Nicht schon wieder!“

Ich scheine Maxim zu überzeugen, denn er grinst zufrieden. „Sehr gut. Geh jetzt nah an ihn heran und dann Aquaknarre mit ganzer Kraft.“ Er lächelt mich entschuldigend an, dem Glauben erlegen, er würde jetzt gewinnen, und ich beiße mir auf die Lippen, um den alten Mann nicht frech anzugrinsen und damit alles kaputt zu machen.

Stattdessen rufe ich genau in dem Moment, in dem das Quapsel auf der gegenüberliegenden Platte platz genommen hat und den Mund öffnet: „Bitte, Karnimani, jetzt!“

Sofort reißt Karnimani die roten Augen auf, springt mit einem wütenden Knurren auf den Gegner zu, reißt ihn mit seinem Gewicht und Schwung ins Wasser und kratzt ihn immer wieder. Natürlich versucht Quapsel sich zu entwinden, doch Karnimani hat sich in seiner Flosse verbissen, sodass es nicht fliehen kann. Langsam erlahmt die Gegenwehr und mit einem Schwung aus dem Nacken schleudert Karnimani seinen Gegner aus dem Wasser. Mit einem lauten Klatschen landet Quapsel auf einer der Styroporplatten, die unter dem Gewicht etwas nach unten sinken. Das Pokémon ist besiegt.
 

Ich habe meinen ersten Arenakampf gewonnen! Ich kann es nicht fassen. Doch das Hochreißen der Fahne des Schiedsrichters bestätigt es. Der Kampf ist vorbei und gewonnen.

Mit einem Freudenschrei knie ich mich an den Rand des Wasserbeckens, wo Karnimani gerade auf mich zu schwimmt. „Du hast es geschafft, Karnimani. Wir haben gewonnen! Danke, danke, danke, Partner!“, jubele ich ihm zu und sowie er in meiner Reichweite ist, greife ich nach ihm und umarme ihn fest, ganz egal, ob ich dabei nass werde. „Danke, Partner. Für alles. Dass du in diesem Kampf alles gegeben hast, dass du so gut mitgedacht hast, dass du auf meine Anweisungen hörst. Danke“, flüstere ich ihm ergriffen zu. Sein Kopf liegt an meinem Brustbein, auf der Narbe, die er mir zugefügt hat. Einen Moment lässt Karnimani diese Nähe zu, doch dann wird es ihm zu viel und er beginnt sich leicht zu winden. Sofort lasse ich ihn los. Das größte Kuschel Pokémon wird er eben nie werden.

Als ich höre, wie das Kampffeld wieder in seine Ursprungsform gebracht wird, stehe ich auf und sehe Maxim, Caddy und Fukano auf mich zukommen. Der Schiedsrichter trägt im Hintergrund etwas in das schwarze Buch ein. Der Anblick erfüllt mich mit Stolz. Nun ist mein Sieg in dieser Arena für die Ewigkeit festgehalten. Nur eine Sache fehlt noch.

Strahlend lächelnd setze ich mir meinen Rucksack wieder auf, lasse Evoli auf diesem Platz nehmen, dann gehen Karnimani und ich dem Arenaleiter und seiner Enkelin entgegen. Mit einem fast schon väterlichen Lächeln betrachtet Maxim uns beide. „Ich hatte ja meine Zweifel an dir, Svenja. Noch nie hat jemand es geschafft, mit Karnimani eine Einheit zu bilden, geschweige denn, mich zu besiegen. Als Karnimani vor dem Kampf so zu dir stand, wuchs die Hoffnung in mir. Und nun bin ich überzeugt. Endlich, nach so vielen Jahren hat Karnimani eine für ihn würdige Trainerin gefunden. Ich kann mit bestem Wissen und Gewissen sagen, dass du dir den Start Orden wirklich verdient hast. Caddy, wärst du so lieb?“

Mit einem bewundernden Lächeln hält das kleine Mädchen ein rotes Kissen hoch, auf dem mir der goldene Orden entgegen funkelt. Er ist zehn Zentimeter groß und wie ein S geformt. In die untere Hälfte des S sind Grashalme gedrückt, den Bogen zieren Flammen und die obere Hälfte des S ist erfüllt mit Wasserblasen. Mit einem stolzen Lächeln greife ich nach dem Orden und streiche bewundernd darüber. Ich habe es geschafft. Mein erster Orden.

„Danke.“

Maxim lacht tönend und brummig. „Wofür? Du hast ihn dir ganz alleine verdient. Nun gut, mit Karnimani, aber wie ich sehen durfte, ist er dein Partner. Es ist ganz allein euer Verdienst, dass du diesen Orden nun in Händen halten darfst. Er ist Zeichen der Verbundenheit zwischen Starter und Trainer.“ Aus dunkelgrünen Augen sieht der alte Mann mich ernst an und greift nach meiner Hand. „Gut gemacht, Svenja. Nicht nur dieser Kampf, sondern auch deine Verbindung zu Karnimani. Ich erwarte noch großes von euch.“ Mit einem Lächeln lässt er meine Hand wieder los und legt mir stattdessen ein Metallkästchen hinein. „Dein Ordenskästchen. Dort kannst du deine gesammelten Orden sicher verwahren. Und würdest du mir bitte deinen Trainerpass geben? Ich muss darin vermerken, dass du deinen ersten Orden errungen hast.“

Dankbar öffne ich das Kästchen und lege den Orden hinein, da spüre ich schon Evolis Pfoten auf meiner rechten Schulter. Wie vorhin hält sie mir den Pass hin. Bei Evolis Anblick bekommt Caddy ganz strahlende Augen und ich grinse leicht. Ich reiche Maxim den Pass und halte Evoli dann das Kästchen hin. „Legst du das dahin, wo du auch den Pass herhast?“

„Ev“, erwidert mein Pokémon leise, schnappt sich vorsichtig die Box und ich höre sie kurz rumoren, bevor ich sie wieder in meinem Sichtfeld sehe. Während Maxim etwas auf den Pass schreibt, kraule ich Evoli hinter den Ohren, die das schnurrend genießt.

Auf einmal spüre ich ein Stupsen gegen meinen Bauch und sehe nach unten in leuchtende Kinderaugen. „Darf ich es auch streicheln? Bitte, bitte?“, bettelt Caddy und streckt die Hände nach Evoli aus. Das spannt sich sofort an, als es diese Worte hört und drückt sich näher an mich.

Bedauernd sehe ich auf das Mädchen hinunter. „Tut mir leid, aber Evoli ist sehr ängstlich. Sie mag es nicht, von anderen berührt zu werden.“

Caddy sieht verletzt aus. „Ich will ihm doch gar nicht wehtun. Ich will es doch nur streicheln, genau wie du“, versucht sie mich zu überzeugen. Doch es bin nicht ich, die überzeugt werden muss. Bevor ich ihr das allerdings erklären kann, meldet sich ihr Großvater zu Wort. „Caddy, wenn ein Pokémon nicht von dir angefasst werden möchte, dann musst du das respektieren. Es wird sicher seine Gründe haben, weshalb das Pokémon solche Angst hat.“

Maulend lässt das Mädchen von mir und Evoli ab und setzt sich stattdessen zu Fukano, was die Streicheleinheiten deutlich mehr genießt.

Maxim dagegen reicht mir meinen Trainerpass wieder, den ich wiederum an das nun wieder deutlich entspanntere Evoli weitergebe. Maxim beobachtete das ganze nachdenklich. „Du hast wirklich einige interessante Pokémon, Svenja. Ich bin gespannt, was einmal aus euch werden wird.“

Oh ja, dass bin ich auch.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich solllte Karnimani in diesem Kapitel schon wieder vor kommen, aber dann wäre das Kapitel wirklich riesig geworden. Und unsere Lieblingskrokoechse verdient doch seinen eigenen großen Auftritt in seinem eigenen Kapitel oder? ;)
Darum kommt Karni erst im nächsten Kapitel. Dafür dann aber von Anfang an. I promise! Ich will ihn doch auch wieder haben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein wenig kürzer, als ich es gerne mag, aber der Schnitt passt eben nur an dieser Stelle. Also, was solls.
Aber eine Frage habe ich an euch bezüglich des Kapiteltitels, weil ich selbst gerade ein bisschen überfragt bin. Vielleicht hat da ja jemand mehr Ahnung. Man sagt ja Zwischenmenschlichebindung, aber heißt es dann auch Zwischenwesenlichebindungen oder kommt da ein t dazu also Zwischenwesentlichebindungen. Ohne t klingt es nämlich seltsam, aber eigentlich kommt es ja nicht von wesentlich, sondern von Wesen. Ich bin gerade ein bisschen überfragt und hoffe, dass mir das irgendwer beantworten kann. ^^ Danke schon mal im Voraus. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (51)
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Von:  Dragonie
2018-03-12T09:43:05+00:00 12.03.2018 10:43
Und wieder ein schön geschriebenes und sehr abwechslungsreiches Kapitel zum Thema Pokémonreise. ;)

Am Anfang liest es sich mit den Zeitformen (abwechselnd Präsent und Präteritum) noch etwas holprig, doch ab der Giftwiese (iiigitt, so übelriechend! ^^" Und da ist Pablo alleine hin?!) ziemlich flüssig... der Kampf ist echt gut gelungen, insbesondere, weil man sich nach der ersten Begegnung mit den Dieben schon die Verhaltensmuster und das Aussehen gemerkt hat und sie sich nun leicht verändert haben.
Das mit dem Evoli tat mir schon am Anfang leid, jetzt passt es richtig gut zusammen... armer kleiner Flausch. Umso schöner, dass unsere Heldin es retten und auch wirklich mitnehmen kann.
Hier ist die Hintergrundidee mit dem Was-passiert-mit-einem-verlassenen-Pokémon-? wirklich gut und stichfest nachvollziehbar.

Auch ganz klasse, dass Svenjas "alte Hasen" sich nun so gut unterstützen und auch selbstständig Attacken einsetzen. Was für eine Veränderung zum Anfang der Reise! :)

Ich freue mich schon auf mehr und wünsche weiter gutes Gelingen! :3
Antwort von:  Tammix
05.04.2018 10:25
Das freut mich, wenn es gefällt. ^^
Du meinst wahrscheinlich die ersten beiden Absätze. Ja, die haben mir ziemliche Kopfschmerzen bereitet, weil ich nicht wusste, wie ich im Präsens über etwas berichten soll, was ja aber gestern Abend schon war. Ich werd da auf jeden Fall nochmal dran gehen, hoffentlich fällt mir da noch was ein.
Naja, nicht ganz allein, er reist ja zusammen mit Kimberli und Peggy. Die beiden haben ihn da tatkräftig zur Seite gestanden.
Dir gefällt der Kampf? Das beruhigt mich, ich finde die lesen sich bei mir immer so langweilig. Obwohl ich sie gerne schreibe, sind ja bei so einer Trainerreise ein großer Bestandteil. Darum hab ich bei denen immer Schiss, dass die zu langweilig oder lang oder so werden.
Ja, Evoli. Ich liebe es *_* Und jetzt hat Svenja es an ihrer Seite.
Dankeschön. Ich versuche bei sowas realistisch zu bleiben, was ja in Pokémon nicht immer ein Basisgedanke ist. Umso besser, wenn andere die Überlegungen nachvollziehen können.
Oh ja, die beiden haben sich schon prächtig entwickelt. Auch wenn sie natürlich noch einen langen Weg zu gehen haben.
Dankeschön. Mein Laptop macht zwar momentan alles, nur nicht das was er soll, weshalb ich auch solange nicht antworten konnte, aber ich glaube, so langsam rappelt er sich wieder auf. Technik und ich, das ist ein Thema für sich XD
Antwort von:  Dragonie
16.04.2018 14:18
Das mit der Technik ist natürlich eine interessante Sache, aber das Problem hat wohl so ziemlich jeder Laptop mal... ;D
Ich drücke die Katzenpfötchen für gutes Gelingen~

Langweilig? Kämpfe und langweilig? Bissu verrückt. XD
Ich finde sie toll geschrieben und bin bei jedem neuen Kampf bissl hibbelig, wer sich wie schlägt (zum Glück ist Lin-Fu so grundsolide ^^) und vor allem, wie sich die Duellanten am Ende fühlen. :3

Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Kampf...
Von:  Dragonie
2018-02-02T18:21:52+00:00 02.02.2018 19:21
Sehr sehr schön. So emotional und mitkommen vielen Gedankengängen. Gefällt mir sehr gut, aufregend und aufbauend zugleich!

Nur noch etwas für Kapitel 23: Bamelin ist orange, blau sind nur die Flossen. ;)

Das Ende hier ist sehr süß, schönes Ende für Xanny und Romeo...
Antwort von:  Tammix
04.02.2018 09:22
Das freut mich sehr. Da werd ich ja ganz verlegen.
Warte WAS... Omg du hast recht! Okay, diese Peinlichkeit gehe ich sofort bereinigen, danke fürs bescheid sagen.
Ja, die zwei sind wirklich zu goldig. Auch wenn wir jetzt erstmal nichts von ihnen hören werden. Aber vielleicht kriegen sie das ja auch alles ganz alleine hin.^^
Von:  Dragonie
2018-02-02T18:08:05+00:00 02.02.2018 19:08
Echt gut, machte richtig Laune, verblüffte, schmunzelte und ließ einen auch etwas traurig sein... Sehr schön.
Doch einige Fragen:

Svenja hat blonde Haare, nicht brünette?
Lin-Fus Faust wird während einer Attacke 2x grün? Nicht durchgehend, sondern blinkend? ;)
Hihi, also kann Svenja "Kniefall" (eine neue Attacke? xD) und Zac "verascht" sie? Hihi, so viele Änderungen.

Ich habe offenbar Nr. 22 übersprungen, aber die Einleitung mit dem AQUA See (herrlich) ist echt gut gelungen und stimmt einen fröhlich und heiter!
Antwort von:  Tammix
04.02.2018 09:33
Also eigentlich hat Svenja schon immer blonde Haare. Oder hab ich in dem Kapitel iwo mal kurz ihre Haare gefärbt? Dann muss ich mal schnell gucken.
Eigentlich habe ich mir das so vorgestellt, dass ihre Faust bei Ableithieb grün bleibt, nur wenn sie halt Energie von ihrem Gegner aufnimmt, wird die grüne Aura mehr. Das muss ich dann wohl deutlicher beschreiben.
Oh ja, in diesem Kapitel hat sich einiges gewandelt bzw. kam ans Licht.
Ich mag Seen und Wälder sehr gerne. Aus dem Grund gibts ein paar davon in der Tarobita Region. Auch wenn deren Namen vielleicht recht einfach sind.^^
Von:  Dragonie
2018-01-24T12:13:53+00:00 24.01.2018 13:13
Jaaaaa, echt schön geschrieben - und diesmal so umfassend mit dem Kampf, dem Aufpäppeln, den Träumen und dem Frühstück mit Unterhaltung! >3
Echt schön gemacht und dazu auch sehr spannend sowie plausibel und einleuchtend. ;)
Und Nutella! *-* Sehr gut, Naschkatzen kommen hier auch gut weg. :3

Das Pärchengetüdel ist wirklich niedlich, Xanny und Zac passen schön zusammen, obwohl Zac so eine lange Leitung hat und Oxana so schüchtern ist... xD
Antwort von:  Tammix
30.01.2018 19:15
Umfassend... ja, das trifft es ziemlich gut. Es ist mit Abstand das längste Kapitel bisher. Und das, wo ich mich inzwischen am Zehn-Finger-Schreiben übe, das aber noch viiiiel zu langsam geht. ^^
Na klar, ein guter Start in den Tag benötigt ein leckeres Frühstück:D
Ja, die zwei sind wirklich goldig zusammen.*_* Mal sehen ob dass trotz langer Leitung und Schüchternheit was wird mit ihnen
Von:  Dragonie
2017-10-20T09:22:26+00:00 20.10.2017 11:22
Uuuh jaaaa... definitiv das richtige Kapitel für arachnophobe Zeitgenossen. :)
Gte beschrieben und auch schön eklig... und schmerzhaft... und...
Eine Frage habe ich da. O.o
Im allergrößten Notfall hätte unsere Heldin die kleine Blauechse doch auch in den Ball rufen können? Zumindest um ihn aus den Fäden zu bekommen?
Und Lin-Fu gleich mit, damit sie abhauen können...?
Antwort von:  Tammix
21.10.2017 14:26
Ihh, hat irgendwer etwas von Spinnen gesagt?!Ehrlich, ich hasse diese Tiere, zumindest die Jagdspinnen. -_-
Oh... ja, dass hätte sie in der Tat. Zumindest am Anfang, zum Ende hin wäre das wohl nicht mehr gegangen. Aber sie (und ehrlich gesagt auch ich, ich gebe es gerne zu^^) haben diese Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen. Bei Lin-Fu, weil diese im letzten Kapitel deutlich gemacht hat, dass sie ganz sicher nicht zurück in ihren Ball geht, solange Svenja allein durch den Wald stapft. Sie will sie halt beschützen.
Und Karnimani hasst es ja sowieso in seinen Ball gesperrt zu werden. Der hätte sich wohl mit allem gewehrt und wenn ihn die Webarak lebendig gefressen hätten. Da hätte Svenja die beiden schon gegen ihren Willen einsperren müssen, was sie wirklich nur im äußersten Notfall getan hätte. Allerdings ist der dann ja auch mit den Schwalbini eingetreten. Allerdings war es da schon unmöglich, die beiden nochmal zurückzurufen. Pokébälle funktionieren ja so, dass sie die Pokémon nur zurückrufen, wenn die Pokémon in der Nähe sind und der Strahl nicht von irgendetwas anderem blockiert ist, sei es ein Lebewesen oder ein Gegenstand. Gut, die paar Fäden am Anfang hätten den Strahl wohl nicht aufgehalten, aber da war ja auch noch keine Gefahr im Verzug, weshalb Svenja nicht dachte, dass es nötig wäre, Karnimani gegen seinen Willen in den Ball zu rufen. Und als sie von den Webarak angegriffen wurden, waren immer irgendwelche Pokémon im Weg, die den Strahl blockiert hätten. Und als sie über Lin-Fu lag, hatte sie einfach keine Kraft mehr, um sie noch zurück zu rufen, geschweige denn wegzulaufen. Wobei Svenja ja ohnehin eher unsportlich ist.^^
Das zumindest waren meine Gedanken beim Schreiben. Aber danke für dein aktives Mitdenken und Nachfragen, ich werde dann definitiv noch Svenjas Gedanken dazu und vielleicht auch den Versuch des Zurück rufens einfügen, damit sich diese Frage nicht noch jemand anderes stellt.
Antwort von:  Dragonie
25.10.2017 09:58
Und wieder haben wir etwas gemeinsam. :D
Holen wir die Fliegenklatsche und machen die Krabbelviecher nieder! :)

Ich freue mich über so viel Nachdenklichkeit bei einem Kapitel, da kann man die Figuren, aber auch den Schöpfer der Leserei sehr viel besser verstehen. Ich fühle mich bei Karni immer wieder an Pikatchu erinnert, wenngleich ich den Blutrausch geschrieben mehr fürchte als den Donnerschock. ;)

Ich freue mich auf das folgende Abenteuer und über so lustige Überlegungen wie die, ob Robin Robin oder RobinA ist~ xDD
Antwort von:  Tammix
28.10.2017 14:11
Stimmt =)
Gute Idee. Gerade eben wollte doch tatsächlich eine von denen meine Dusche übernehmen. Die wäre schon mal eliminiert. Aber das schlimmste ist, wenn ich die Viecher nur hören, dank Holzboden, aber nicht sehen kann. Dann stehe ich senkrecht in meinem Bett, mit einem Schlappen bewaffnet und geh dort erst wieder runter, wenn ich sie sehe. Und das überlebt sie dann meist nicht.
Ich hab nichts gegen diese Lebewesen, bis auf die eine, die mich mal gebissen hat, aber ich hab eine Scheißangst vor ihnen und deshalb dürfen sie leider nicht in diesem Haus leben. ^^
Und ich freue mich immer sehe, wenn auch andere und nicht nur ich über das Kapitel und die Figuren nachdenken.
Mir auch, aber wenn hier jemand von Pickachu einen Donnerschock verpasst bekommt, würde derjenige das wohl nicht überleben.
Am Anfang war Robin sogar noch ein ER, aber dann dachte ich mir, yolopolo, stiften wir ein wenig Verwirrung. ^^
Antwort von:  Dragonie
24.11.2017 13:39
Hihi, das glaube ich auch. ;) Die Verwirrung zu stiften fetzt doch immer wieder....

Uuuh, Du bist mutiger als ich. O.o
Ich kann sie nicht ab~

Dann wünsche ich noch viel Spaß und hoffe, die Klatsche muss nicht wieder so schnell zum Einsatz kommen ^^"
Von:  Dragonie
2017-09-20T09:05:24+00:00 20.09.2017 11:05
Ich finde es klasse wie es ist.
Bei ihrem glücklichen Geheule bekommt man ja selbst Tränen der Rührung in die Augen... da vergisst man ja sogar den grauenhaften Wald im Hintergund. XD

Wenn Du noch die paar kleinen Schreibfehler korrigierst, ist es ein herzerwärmendes Kapitel.
Klasse gemacht!
sehr menschlich und warm geschrieben
Antwort von:  Tammix
20.09.2017 18:40
Bezieht sich das auf das ganze Kapitel oder auf meine Frage bezüglich des Kapiteltitels? Egal auf was, es freut mich sehr.
Was manchmal ungut ausgehen kann. Gut, dass Karnimani ihre Anweisungen im Kampf akzeptiert hat, sonst wäre das wohl nicht so gut ausgegangen.
Arr, verdammt, ich hasse sowas. Möglicherweise war ich etwas müde, als ich das hochgeladen habe^^ Aber vielen, vielen Dank, dass du mich drauf aufmerksam machst, ich werde das Kapitel sofort überprüfen und entschuldige mich für Rechtschreib- Grammatik- und Zeichensetzungsfehler, die ich gemacht habe.
Aber wenn es dir trotz Fehlern irgendwie gefallen hat, freut mich das sehr =)
Antwort von:  Dragonie
25.09.2017 10:13
Natürlich, der Inhalt ist doch unverfälscht angekommen :3
Ich finds klasse.
Antwort von:  Tammix
27.09.2017 12:04
Naja, hätte ja sein können, dass es so viele Schreibfehler waren, dass man den Text kaum noch verstehen konnte. Inzwischen hab ich das Kapitel aber überarbeitet.
Das freut mich wirklich riesig.
Von:  nils1292
2017-07-15T16:45:28+00:00 15.07.2017 18:45
also super kapitel hab immer mal wieder geschaut das es weitergeht da ich diese story sehr gut finde. ich hoffe es geht bald weiter nochmal großes lob an dich für diese super story.
Antwort von:  Tammix
31.07.2017 20:06
Es freut mich sehr, dass du dabei bleibst. Es wird auch bald weiter gehen, ich brauche nur immer ein bisschen. :/ Aber danke für dein Lob, ich gebe mir auf jeden Fall allergrößte Mühe.
Von:  Dragonie
2017-07-05T07:35:25+00:00 05.07.2017 09:35
Das ist ein ganz besonders großartiges Kapitel!
Hier hast Du so viele Einzelheiten aufgegriffen und zu einer spannenden Geschichte verwoben, dass man das Gefühl hat, man sähe sich einen unheimlich grusligen Actionfilm mit Happy End an...

Der Kampf mit Vipitis, Sengo und der geschwächten Lin Fu macht einem ja schon Gänsehaut...
Und das Herumirren im Wald.
Schön aufgegriffen ist auch nochmal die Seekrankheit. ;)

Und Karminani... eine zu Tränen rührende Stelle...
Wie er begreift und sich schämt... und sie beide rettet.
Ein super Abschluß für dieses Kapitel!
Antwort von:  Tammix
05.07.2017 15:40
Oh, danke schön^^ Hat ja auch lang genug gedauert. Man, man ich werd ja rot.
Ich stell mir das nicht so lustig vor, in einem dunklen Wald, wo man kaum etwas sieht, ständig von wilden Pokémon angefallen zu werden. Das ist eher gruselig.
Das ist die aufgefallen? Der Abschnitt war ja eigentlich nur kurz. Aber wenn, dann umso besser.
Diese Szene hatte ich schon soooo lange im Kopf und nun konnte ich sie endlich aufschreiben. Ich bin so froh, weil das in meinem Kopf irgendwie ein Meilenstein für die Geschichte ist.
Zwischenzeitlich hatte ich überlegt, dass Kapitel in dem Moment zu beenden, wenn Svenja ihrem Partner hinterher springt. Aber das kann man ja niemandem antun.
Antwort von:  Dragonie
07.07.2017 08:58
Das wäre ein unglaublich gemeiner Cliff Hanger gewesen. ;)
Jeder würde wissen wollen, ob sie ihn einfangen kann und ob die Beiden den Freien Fall überleben.... ;)
Antwort von:  Tammix
07.07.2017 12:19
Ganz genau deshalb habe ich auch überlegt, den Schluss da zu setzen. Aber ... das wäre schon böse gewesen. Und soo fies bin ich ja nicht. Meistens zumindest ^^
Von:  nils1292
2017-04-14T21:09:52+00:00 14.04.2017 23:09
hi bin heute durch zufall hierüber gestolpert finde die art zu schreiben sehr sehr gut und hoffe das alles gut wird mit karnimani finde es auch gut was du sonst so in die geschichte eingebaut hast es ist beim lesen als würde man in eine neue welt eintauchen finde es sehr sehr schön und hoffe es geht bald weiter :)
Antwort von:  Tammix
16.04.2017 15:33
Erstmal Dankeschön für dein Kommentar. Vielen, vielen Danke. Das freut mich sehr, wenn dir mein Schreibstil gefällt. Karnimani wird wohl noch für die ein oder anderen Probleme sorgen, aber allgemein wird er bestimmt im Laufe der Zeit umgänglicher. Irgendwann. Im Laufe dieser Story. Hoffentlich. ... Mein Gott, die arme Svenja, was tue ich ihr nur an? XD
Ich finde, Pokémon ist so eine riesige welt aus der man so viel machen kann. Überall gibt es Hinweise, die man weiter ausbauen kann, komplett eigenes kann man aber auch ganz gut einbauen. Ich versuche halt, dieser riesigen Welt irgendwie gerecht zu werden und zu zeigen, dass es da mehr gibt als 10 Jährige Kinder, die die Region bereisen und die mal nebenbei retten. Ob mir das gelingt, steht aber auf einem anderen Blatt.
Ich beeile mich, damit es bald weitergeht. Zumindest die Hälfte des Kapitels steht schon mal.
Und ansonsten... wünsch ich dir noch einen schönen Tag und nebenbei noch frohe Ostern. ^^
Von:  Dragonie
2017-04-05T07:28:48+00:00 05.04.2017 09:28
Das ist ein sehr schönes Kapitel... ^^
Wie immer schön viele Gedanken und Gefühle eingebaut, auch zwischenmenschliche Ebenen voll ausgekostet und zum Glück vertragen sich Familie und Freunde wieder mit unserer Haupttrainerin. ;3

Die Kommentare der Mutter, die Fertigkeit des Vaters und die Beschreibung der angesehenen Videos der kleinen Staffel auf ihrem Handy machen die Gesichte richtig schön komplex und runden sie angenehm ab.

Tadaaaa... ein neues vollwertiges Kapitel... ;3

Oh oh, was wohl mit der Echse wird?
Und Svenjas Narben...?
Antwort von:  Tammix
13.04.2017 10:27
Oh Dankeschön, ich werd gleich rot. Ja, da bin ich auch froh. Streit in der Familie ist nie schön. Jetzt muss sie sich nur noch mit ihrem Karnimani vertragen. Aber das wird wohl der schlimmste Kampf^^
Na, ob sie die Krokoechse nochmal finden? Und ob die dann auch mitkommt? Fragen über Fragen. Immer das selbe mit diesem Karnimani^^ Aber die werden hoffentlich im nächsten Kapitel größtenteils beantwortet.
Die Narben wird sie wohl immer behalten und die werden sie wohl auch immer etwas beeinträchtigen. Aber zum Einen sind das nur Äußerlichkeiten, an die Svenja sich lernen muss zu gewöhnen und zum anderen muss sie auch lernen damit klar zu kommen und ihren Körper nicht zu überfordern. Aber sowas braucht eben Zeit.
Antwort von:  Dragonie
17.04.2017 12:09
Ich glaube, am Ende ist sie stärker als alle anderen und die Narben runden den Mythos um diese Trainerin so richtig ab. ;) Die Kämpferin mit Biss.

Ja, es ist echt hart, aber ich bin sicher, dass die beiden sich zu einem richtig starken Team entwickeln... bevor die Krokodrachenechse sie frisst! >.<

Und Xanny und Zac... hihihiiiiiii....
Antwort von:  Tammix
23.04.2017 20:30
Tja ja, dass könnte natürlich sehr gut sein;)
Ich hoffe ja, dass es niemals so weit kommt. Die arme Svenja. Man stelle sich das mal bitte vor! Vom eigenen Pokémon, ihrem ersten Partner, der sie eigentlich beschützen soll, einfach aufgefressen! Oh Graus!
Mal sehen was aus diesen zwei Süßen wird. Wir drücken ihnen die Daumen, oder?


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