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Eiskalte Blicke

von

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Ein anderer Morgen

Der Wecker klingelte pünktlich um halb sechs. Seto öffnete langsam die Augen, bevor er mit der linken Hand nach dem Gerät ausstreckte und dieses zum Schweigen brachte. Er streckte sich, seine Glieder waren steif von seiner Schlafhaltung (er lag auf der Seite, die Arme um den eigenen Körper geschlungen, als müssten sie seinen Körper zusammenhalten). Langsam erhob er sich und blickte sich um: Seine Augen wanderten durch den halbdunklen Raum. Seine Hände tasteten nach dem Mantel, welcher neben ihm ordentlich zusammengelegt worden war. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht.
 

Es wunderte ihn nicht, dass seine blau-weißhaarige Schönheit noch in derselben Nacht die Kaiba-Villa verlassen hatte. Der junge Firmenchef war sich sicher, dass Kaori in demselben wöchentlichen Stress stecke wie er. Ein wenig störte er sich an die Abwesenheit seiner bleichen Schönheit, die vor wenigen Stunden noch neben ihm gelegen hatte, dass ihr Atem auf seinem Hals noch immer spürbar war. Mit einem kurzen Kopfschütteln legte er diesen überaus kitschigen Gedanken beiseite (ohne ihn wirklich zu verdrängen, sondern diesen nur beiseite legte – für später) Aber ein wenig wunderte sich Seto über sich selbst: Ihr Verschwinden am Abend musste so unauffällig leise gewesen sein, dass der wachsame CEO nicht geweckt wurde.

Das Handtuch von sich werfend, lief der junge Firmenchef auf seinen Kleiderschrank zu, während er mit dem Finger schnippte und die Lampe über ihm sich einschaltete.
 

Genau wie damals, stellte Seto leicht amüsiert fest, als er an ihre erste Begegnung zurückdachte: Damals hatte sie sich ebenfalls aus dem Zimmer geschlichen, ohne ihren hellhörigen Bettnachbarn geweckt zu haben.

Wie eine Katze, Seto schmunzelte und holte aus dem Schrank frische Kleidung heraus: Er entschied sich für seinen weißen Anzug. Diesen streifte er sich über, knöpfte das Hemd zu und richtete seine Krawatte. Warum er sich bei diesem miesen Wetter dazu entschieden hatte, sich in seine hellsten Sachen einzukleiden, konnte der mächtige CEO nicht beantworten... oder es war ihm schlichtweg egal. So wie es ihm schon immer egal war, was die Leute von ihm hielten – solange er von sich überzeugt war und Mokuba zu ihm stand, konnte ihn nichts aufhallten.
 

Gemütlich lief Seto durch die Flure und gelangte ins Esszimmer. Dort wartete eine Tasse frisch aufgebrühter Kaffee auf den jungen Firmenchef, nach der er sogleich griff, um sich anschließend wegzudrehen und aus dem Raum zu treten.
 

Er frühstückte nicht sonderlich gerne, besonders nicht, wenn er anschließend in sein Büro fahren wollte. Die Tradition des Frühstückens behielt er Mokuba zuliebe bei. Der kleine Schwarzhaarige nutzte jede Gelegenheit, Zeit mit seinem großen Bruder verbringen zu können, und Seto mochte die Anwesenheit des Jüngeren, der ihn nicht einmal am frühen Morgen mit seiner überschäumend guten Laune nerven konnte. Denn obwohl er Frühaufsteher war und niemals länger als die vorgeschriebenen acht Stunden im Bett verbrachte, lag seine Stimmung eher niedrig, wenn nicht sogar unter dem Gefrierpunkt und ein Frühstück besserte seine Laune nicht, da in seinem Kopf bereits die Quartalszahlen herum spuckten oder wichtige Geschäftsentscheidungen anstanden, dass die erste Tagesmahlzeit nur unnötig Zeit in Anspruch nahm. Aber für Mokuba setzte er sich morgens ins Esszimmer, damit sein jüngerer Bruder ein paar Regelmäßigkeiten im Leben besaß.
 

Mit dem Kaffee schlenderte er schließlich zur Haupthalle, welche bereits in kristallähnliches Licht getaucht war. Dort standen auf einer hohen Kommode sämtliche Papiere, welche Raphael aus dem Briefkasten gefischt hatte und der Größe nach aufeinander gestapelt waren. Mehr oder weniger gründlich blätterte der junge Firmenchef die einzelnen Briefe durch. Ganz unten lagen zwei Karten für das Kino, anbei hing ein kleiner Zettel, der mit einer hektischen Hand beschrieben worden war: „Lieber Seto, diese Tickets sind keine Einladung, sondern eine Aufforderung, dieses Wochenende mit mir ins Kino zu gehen. Komm' ja nicht auf die Idee, dir eine Ausrede einfallen zu lassen. Bis nachher, dein Moki.“ Auch hier konnte sich Seto ein Lächeln nicht verkneifen.

Der Tag hatte noch nicht einmal begonnen und er hatte bereits bessere Laune als manche Tage zuvor. Er fühlte sich nicht nur ausgeschlafen (obwohl er erst spät neben Kaori eingeschlafen war), sondern spürte in seinem Inneren eine Ausgeglichenheit, die er für den Rest des Tages nicht ablegen wollte.
 

Er nahm einen kräftigen Schluck von dem heißen Getränk, dass er sie mit einem Zug leergetrunken hatte und stellte sie auf die Kommode ab. Anschließend griff er am Haken nach seinem weißen Mantel, welcher von der Innenseite blau war und dessen Gürtel ebenfalls in seiner Lieblingsfarbe eingefärbt leuchtete. Den Gürtel enger schnallend lief er hinaus und ignorierte die düsteren Wolken am Himmel, die jeden Augenblick ein Unwetter versprachen. Stattdessen stieg er in seine Limousine, schlug die Beine übereinander und wies Roland an, zur Kaiba Corporation zu fahren. Er verschränkte die Arme, sein Blick war nach vorne auf die Straßen gerichtet. Erst als sein Handy in der Manteltasche anfing zu vibrieren, lenkte er seine Aufmerksamkeit der aufblinkenden Nummer seines Bildschirmes.

„Ja“, kam es knapp von dem jungen Firmenchef.

„Mr. Kaiba, Sir, hier spricht Masato Hinachi.“ Das Detektivbüro, dachte der Chef der Kaiba Corporation und richtete seinen Blick wieder auf den laufenden Straßenverkehr.

„Was gibt es?“

„Nun, Mr. Kaiba, ich habe ein paar Informationen, die Sie interessieren könnten.“

„Ich höre.“ Seto hatte seine Lippen zu einem geraden Strich verzogen. Er musste sich innerlich eingestehen, dass er an den Auftrag gar nicht mehr gedacht hatte. Der junge CEO spürte deutlich das selbstgefällige Grinsen seines Gesprächspartners, als dieser anfing zu berichten: „Es war wirklich kein einfaches Unterfangen, Informationen zu der Familie Kugeka und der Firma Alexis Industries zu erhalten. Besonders Beko Kugekas einzige Tochter Kaori erwies sich als schwer zu knackende Nuss. Sie zeigt sich kaum in der Öffentlichkeit, Freunde und Hobbys konnte ich gar nicht ausmachen, wenn sie denn überhaupt welche hat.“ Der Privatdetektiv, welcher bereits die Vierziger überschritten hatte, lachte kurz auf.

„Diese Frau hat sich die Leitung der Firma unter den Nagel gerissen, da war sie gerade volljährig geworden.“ Pah, Seto musste sich einen sarkastischen Kommentar verkneifen.

Masato Hinachi schien vergessen zu haben, dass sein Auftraggeber, Seto Kaiba selbst, keine vierzehn Jahre jung gewesen war, als er die Kaiba Corporation Gozaburo abgeluchst hatte.

„Kommen Sie auf den Punkt“, Kaiba begann das Gespräch zu langweilen. Er hatte die Lust verloren, seine bleiche Schönheit auszuspionieren. Scheinbar wusste selbst Japans berüchtigster Privatdetektiv nichts über die junge Frau zu berichten.

„Das werde ich Mr. Kaiba“, entgegnete Masato Hinachi und wurde auf einmal ganz ernst. Er begann weiterzuerzählen: „Bis auf das eine Mal, gab es keinen Skandal innerhalb der Familie Kugeka und der Firma.“

„Welche Ausnahme.“

„Bis auf den Selbstmord vor über zehn Jahren. Beko Kugekas Frau, Minako, hat sich damals in der Villas ihres Hauses erschossen. Keiner weiß, wieso es dazu gekommen ist. Ein paar Gerüchte, Beko Kugeka wäre fremd gegangen, kursierten eine Weile durch die Presse, aber nachdem einige Zeit vergangen war, hat sich niemand mehr dafür interessiert. Die Firma hat dadurch keinen Schaden erlitten.“
 

Die Limousine hielt vor einer roten Ampel. Seto betrachtete das rote Licht darin. Seine Hand, die das Telefon hielt, verkrampfte sich ein wenig. Der Privatdetektiv war mit seiner Geschichte noch nicht am Ende: „Als ich nichts Weiteres über die Familienzustände erfahren konnte und das Privatleben Kaori Kugekas wie ein verschlossenes Geheimnis schien, begann ich mehr Informationen über die Firma Alexis Industries ans Licht zu bringen. Wie ich bereits erwähnt habe, hat Beko Kugekas einzige Tochter die Leitung übernommen, obwohl auf den Papieren immer noch er der Chef von Alexis Industries ist. Nachdem ich die Firma näher durchleuchtet habe, bin ich auf eine sehr interessante Tatsache gestoßen: Trotz der Riesengewinne, die Alexis Industries jährlich macht, konnte man in den letzten Monaten, ganz besonders in den letzten Wochen und Tagen, einen Fall der Aktienkurse beobachten. Geht man dem Grund auf die Spur, stellt man fest, dass mehrere Leute die kleinere Aktienpakete aufkaufen, um sie jedoch dann wieder an einen dritten zu verkaufen. Ich habe ein wenig rum telefoniert und dabei herausgefunden, dass die Gelder dieser dritten Personen von einem großen Schweizer Konto abgebucht werden, welches auf den Namen Rika Tanaka läuft.

„Kaori.“

„Was sagten Sie, Sir?“

„Nichts“, dem jungen Firmenchef traten das Weiß der Knöchel hervor, als er versuchte das Handy mit der bloßen Hand zu zerdrücken.

„Sprechen Sie weiter“, ordnete er mechanisch an und Herr Hinachi auf der anderen Leitung gehorchte: „Scheinbar will jemand eine externe Firmenübernahme in die Wege leiten und mit dem Kauf von Alexis-Industries-Aktien wird er nicht mehr lange brauchen, bis sein Plan aufgeht. Für die Kunden kann es schwerwiegende Folgen haben, je nachdem, was dieser ominöse Käufer mit den Aktien vorhat. Aber wem sage ich das, Sie wissen über solche Dinge besser Bescheid als ich.“
 

Die Ampel war längst auf grün umgeschaltet, aber Seto Kaiba blendete noch immer das Rot, er starrte geradeaus, aber eigentlich starrte er ins Leere. Seine Gedanken ließen sich kaum ordnen, waren sie zu sehr von Wut und Hass in Besitz genommen, dass ihm nichts Vernünftiges durch den Kopf ging. Er hatte das brennende Verlangen, aus dem Wagen zu springen und auf das Nächstgelegene einzuschlagen, das ihm in den Weg kam; ganz gleich was es war. Die Stimme seines Gesprächspartners nahm er nicht mehr wahr, er ignorierte sie und legte schließlich auf, nachdem das Telefonat beendet schien. Seine Augen formten sich zu schlitzen, sein Herz begann zu rasen und endlich fand er einen greifbaren Gedanken: Diese Frau hatte ihn in ein Spiel verwickelt. Nicht in ein Spiel, von welchem er geglaubt hatte, die Kontrolle übernommen zu haben. Dieses Spiel war anders; sie hatte seine Firma mit hineingezogen. Das konnte er nicht einfach so ignorieren.
 

Seto kochte, er wusste nicht wie er dem Strudel entgehen konnte, der sich so plötzlich vor ihm aufgetan hatte. Ohne sich zu seinem Fahrer umzudrehen, sagte er: „Roland, ich habe meine Meinung geändert. Halte auf der Stelle an.“

„Äh, Mr. Kaiba“, irritiert drehte sich der Chauffeur um. Als ihn die eiskalten Blicke seines Bosses entgegenblickten, wandte er sich abrupt wieder der Straße zu und lenkte den Wagen, dass er an der nächsten Kreuzung zum Stillstand gebracht wurde.
 

Nachdem Seto einen tiefen Atemzug getätigt hatte, sah er wieder auf sein Telefon und tippte die Nummer seiner Sekretärin ein: „Rufen Sie bei Alexis Industries an und fordern Sie ein sofortiges Treffen mit Kaori Kugeka. Sagen Sie, dass es um eine wichtige geschäftliche Angelegenheit geht, die keine Sekunde länger hinausgezögert werden kann.“

„Ich werde sehen, was ich tun kann“, entgegnete die junge Frau in einem ebenfalls verwirrten Ton. Sie zuckte leicht zusammen, als ihr Chef darauf erwiderte: „Sie soll tun, was ich Ihnen sage, alles andere wird Sie den Job kosten. Rufen Sie mich unverzüglich an, wenn Sie einen Termin vereinbart haben.“

„Ja, Sir“, stammelte sie und Seto legte auf. Ungeduldig klopfte er mit den Fingerspitzen auf den Handybildschirm. Eine gefühlte Ewigkeit später meldete sich seine neue Sekretärin zurück. Mit erhöhter Stimmlage erklärte sie, dass Kaori Kugeka nicht in der Firma sei. „Man sagte mir, dass die Geschäftsleiterin in der Kugeka-Villa zu erreichen sei. Soll ich es dort noch einmal versuchen, Mr. Kaiba?“

„Nein, das wird nicht nötig sein. Ich kümmere mich persönlich darum.“ Mit diesem Entschluss legte er auf. Ohne seinen Blick in dessen Richtung zu lenken sagte er ohne Gefühl in seiner Stimme: „Fahr' mich zur Kugeka-Villa.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Anna-Alizee-sou
2015-08-08T21:14:00+00:00 08.08.2015 23:14
Oh Gott was für eine fesselnde Geschichte. Bin total begeistert. Bitte schnell weiterschreiben. *.*
Antwort von:  Lady_of_D
08.08.2015 23:33
Vielen lieben Dank, das freut mich sehr. Also das nächste Kapitel ist schon in Bearbeitung und hat nur wegen meiner Prüfung pausiert. Ich beeile mich^^
Antwort von:  Anna-Alizee-sou
09.08.2015 14:31
Freu mich schon. Gefällt mir soooo gut. Genau so hab ich mir Seto immer mit einer Frau vorgestellt. XD
Muss ich doch glatt mal ein Fanart dazu entwerfen. *.*
Antwort von:  Lady_of_D
09.08.2015 22:16
wenn du eine Fanart entwirfst, will ich die unbedingt sehen ^_^ich bin schon auf die Verwirklichung gespannt =D
Von:  Blaubeere20
2015-08-04T17:12:42+00:00 04.08.2015 19:12
Uh... jetzt gibt's was auf die Augen, schätze ich xD
Da hat Seto grade mal so ein bisschen Gefühle für Kaori entwickelt, um zu erfahren, dass sie hinterhältig ist :D
Mal sehen, ob die noch lange so unschuldig bleiben kann :D

<3


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