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Weiße Taube

Gefühle
von

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[AKT EINS] Kapitel Eins: Entscheidung


 

~Entscheidung~
 


 

Entscheide lieber ungefähr richtig, als genau falsch.“

-Johann Wolfgang von Goethe
 

Die Entscheidung war keine Einfache gewesen, auch für einen Mann seines Kalibers nicht.

Lange hatte er mit sich gerungen. Unsicher, ob er das Richtige tun würde und ob es auch das war, was er sich wünschte.

Ganz mit sich im Reinen war er immer noch nicht, aber zumindest stand sein Entschluss nun einigermaßen fest.

Es war das Beste so. Für ihn selbst, für alle Beteiligten.

Doch warum fühlte er sich dann trotzdem so schlecht?

So unsicher.

Er und unsicher. Das waren eigentlich zwei Komponenten, welche in seinem Kopf weniger als keinen Sinn zusammen ergaben. Jede Entscheidung in seinem Leben hatte er mit der angebrachten Selbstsicherheit gefällt, bis ins Allerletzte durchdacht und kalkuliert. Er war ein Realist. Wenn etwas nicht sinnig erschien, oder wenig Aussicht auf Erfolg versprach, befasste er sich in der Regel nicht weiter damit. Natürlich gehörte ein gewisses Maß an Risikobereitschaft und Glück zu seinem Beruf dazu, doch es gab Momente während seiner Reise, welche diese Ideale in Frage gestellt hatten.

Und damit einen wichtigen und rationalen Teil seiner selbst.

Es machte ihn wahnsinnig, diese verdammte Unsicherheit, die sich wie ein Splitter unter seine Haut bohrte und immer nur dann Schmerzen verursachte, wenn man einen Gedanken daran verschwendete. Die kommenden Tage und Wochen würden das nicht besser machen, denn seine Entscheidung sollten weitreichende Konsequenzen haben.

Alles, was er von nun an tun würde, sollte Konsequenzen haben. Viele Menschen würden sich jetzt um ihn scharen, ihn zu Rate ziehen, sich für ihn interessieren. Nicht nur gegenwärtige oder zukünftige Geschäftspartner, sondern auch hochgestellte Adlige, Berater und der König selbst.

Wie oft hatte er sich in den vergangenen 30 Minuten geräuspert und nach dem Glas Wein auf dem Tisch gegriffen? Vermutlich zu genüge, denn sein Blick wurde langsam milchig, als würde er durch ein dünnes Stück Stoff schauen. Natürlich könnte das auch an der Unsicherheit liegen, die weiter in ihm reifte. Der Splitter schmerzte wieder.

Die kurze Zeit, welche er hatte, um diese Entscheidung überhaupt jetzt, zu diesem Zeitpunkt, in Erwägung zu ziehen, schien vielleicht doch zu kurz gewesen.

Noch war nichts verkündet, mit Niemandem etwas besprochen. Er könnte den Gedanken einfach an die Seite kehren, wie Schmutz unter dem Teppich verstecken und warten, bis er unübersehbar wurde und sich dann darum kümmern.

Auch das könnte ein Plan sein. Ein guter Plan sogar. Der beste Plan möglicherweise.

Wenn es nicht Menschen gäbe, die sich auf ihn verlassen würden. Von seinem Vater hatte er gelernt, niemandem zu vertrauen. Nur sich selbst. 'Man ist sich immer selbst der Nächste.', hatte er gesagt. Und das hatte der Sohn selbstverständlich verinnerlicht, schließlich wollte er später einmal genauso erfolgreich werden. Wenn er auch nicht alle Methoden seines Vaters gut hieß.

Doch nun...

Er hatte viel Leid gesehen und es herrschte blutiger Krieg. Die Menschen hatten Angst und wurden nervös und unruhig. Unsicher. Ein erneuter Stich unter seiner Haut lies ihn zusammenzucken.

Die Entscheidung, die er dabei war zu fällen, würde der Bevölkerung helfen und sie stärken, soviel war klar. Jemand musste mit selbstsicherer Hand voran gehen und eine bessere, glückliche Zukunft suggerieren. Zumindest solange, bis der Krieg vorbei war. Unrealistisch und utopisch, fand er, aber nützlich und bisweilen sogar notwendig. Genau, es war notwendig. Das einzig Richtige und Logische, was es zu tun galt. Und er selbst würde auch etwas bekommen, was er schon lange begehrte.

Wie schrecklich das klang...
 


 

Kapitel Zwei: Gelegenheit


 

~Gelegenheit~
 


 

Kleine Gelegenheiten sind häufig der Anfang großer Unternehmen.“
 

- Demosthenes
 

(Athenischer Redner)
 

Die Halle, aus welcher er trat, war kalt und der graue Marmor glitzerte im Abendrot fast bedrohlich. Gewöhnlich würde er solch einen Anblick mit einem positiveren Term oder einer Metapher beschreiben, doch heute war ihm nicht danach.

Er saß auf einem der Balkone und schaute ruhig in den riesigen Hofgarten hinaus, beobachtete die Bäume im Wind, das pastellfarbene Rot des Meeres in einiger Entfernung und die emsigen Menschen, welche wie Ameisen auf den Straßen herumschwirrten. Auf seinem Schoß lag ein kleines, blaues Buch. Die Lust zum Lesen war ihm allerdings vergangen und stattdessen dem Verlangen zum Nachdenken gewichen. Sein Kopf kreiste vor lauter Überlegungen und sein Puls wurde schneller, als er zarte Schritte hinter sich hörte.

„Nanu, Euch hatte ich hier nicht erwartet. Was sucht Ihr zu dieser Stunde auf dem Balkon?“

Es war eine feminine Stimme, welche ihm nur allzu bekannt war. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen und seine Zunge formte die erwartete, kokette Bemerkung.

„Auch ein beschäftigter Geist, wie der meine, benötigt mal einen Moment der Ruhe. Und was ist dazu besser geeignet, als die frische Abendbrise auf den königlichen Balkonen?“

Schlagartig wurde ihm bewusst, warum er eigentlich hier gesessen hatte. Die eben entfleuchte Lüge legte die Wahrheit nun kristallklar auf den Rand seiner Brille. Er hatte gewartet. Er hatte auf sie gewartet, unbewusst. Dies hier schien die Gelegenheit zu sein, die das Schicksal ihm zugespielt hatte. Die Gelegenheit seine Entscheidung in die Tat umzusetzen. Ein überaus wichtiger Moment.

„Wie wahr.“, fuhr die sanfte Stimme fort und trat neben ihn, um ebenfalls das Abendrot zu bewundern. Oder die Stadt, oder die Bäume, oder das Meer. „Der Wind ist zu dieser Jahreszeit ein willkommener Gast.“ Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. Eine kleine Geste, die ihn fast verrückt machte.

Wie sollte er diese Gelegenheit ergreifen? Wie sollte er sagen, was ihm auf der Seele brannte und ihm ein ums andere Mal die Luft abschnürte? Gerade ihm, dessen Beruf es war Worte geschickt zu seinen Gunsten einzusetzen. Doch wenn es um sie ging, war alles anders. War er selbst anders. Es war wie ein Kloß in seinem Hals, dick und hässlich und behindernd und er schaffte es einfach nicht ihn zu umgehen und zu sagen, was er wollte. Stattdessen saß er hier, mit ihr und starrte in die Vegetation. Es war eine Schande. So durfte es nicht weitergehen, schließlich hatte er seine Entscheidung getroffen. Die logische Entscheidung. Die beste Entscheidung.

Nachdem er das Buch auf die Bank gelegt hatte und aufgestanden war, heftete sich sein Blick sofort an sie. An ihre schmale Gestalt, an ihr Haar, welches in der untergehenden Sonne wie Gold schimmerte und an ihr wunderschönes Gesicht. Es lag etwas göttliches in diesem Bild.

Wann hatte es angefangen, ernst zu werden? Wann waren die Gefühle aufrichtig geworden und nicht bloß gespielt, um Eindruck zu schinden? Wann hatte er sich so bedingungslos in sie verliebt?

Es verwirrte ihn zusehens. Jeder weitere Gedanke in diese Richtung schmerze und veranlasste seinen Verstand dazu sich ihm Kreis zu drehen, wie ein Kinderspielzeug. Vielleicht war er sogar ein Kind.

„Ich muss mit dir sprechen.“, entkam es ihm endlich. Keine Formalitäten, nur das, was gesagt werden musste. „Es ist wichtig.“

Sie fuhr herum und das Gold legte sich wie ein Schleier um ihre Schultern und ihre Brust.

„Bitte?“ Das Wort klang ebenso unsicher, wie er sich fühlte. Wieder dieser schreckliche Begriff.

Die Frage, die er nun stellte, sollte seine und ihre Zukunft besiegeln. Deswegen erlaubte er sich einen kurzen Augenblick Ruhe, bevor er ansetzte, um sie zu stellen. Er wusste, was es bedeutete, auf so vielen Ebenen. Nicht zuletzt auf der seines Herzens.

Und so kniete er nieder und nahm zärtlich ihre Hand in seine.

Die Gelegenheit musste genutzt werden.

„Willst du meine Frau werden?“

Kapitel Drei: Illusion


 

~Illusion~
 


 

Ich tanzte durch die Jahre, ohne zu merken, dass die Musik schon lange nicht mehr spielte.“
 

- Margot S. Baumann
 

(Schweizer Lyrikerin)
 

Er hatte mit vielem gerechnet. Auch mit dem, was nun tatsächlich geschehen war.

Natürlich war er nervös gewesen, welcher verliebte Mann wäre das nicht?

Die Zeit, die sie brauchte, um zu antworten, fühlte sich an wie Jahre. Dabei waren es nur wenige Tage. Dennoch, eine halbe Ewigkeit für ihn.

Ein breites Grinsen hatte sich ohne seine weitere Kontrolle über seine Lippen erstreckt.

Sie hatte 'Ja' gesagt. Natürlich hatte sie das. Sie war ihm versprochen worden und es war ihre Pflicht zuzustimmen. Aber aus Pflicht wollte er sie nie heiraten, gerade deswegen hatte er sie schließlich gefragt und es nicht einfach beschlossen. Offenbar war seine Entscheidung richtig gewesen, die Gelegenheit wurde genutzt und ab jetzt würde alles gut werden. Oder sogar noch besser. Immerhin würde das bedeuten, dass er in relativ absehbarer Zeit König wurde. Damit wäre er nicht nur an der Spitze seiner Karriere, sondern hätte alles bekommen, was er wollte. Die Position, die ihm gebührte, mehr Geld, als er je zählen konnte und nicht zuletzt die Frau, die er mehr liebte, als sein Leben.

Doch warum fühlte sich alles so unecht an? So unglaubwürdig. So unsicher.

Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht und er kratzte sich an den Bartstoppeln am Kinn. Seit seiner Jugend ein Ärgernis für seinen Vater, doch dieser Ausdruck von Männlichkeit gefiel dem Sohn deutlich besser, als der Schnauzer des alten Herrn.

Nachdenklich lehnte sein Kinn auf seiner rechten Handfläche, in der Linken hielt er die kleine, runde Brille, welche sonst auf seinem Nasenrücken ihren Platz hatte.

Brutal nagten die Zweifel weiter an seinem Herz und seinem Verstand. Es war doch richtig so.

Alles war richtig so. Die Hochzeit würde stattfinden, sein Vater würde zufrieden sein, der gegenwärtige König würde zufrieden sein und das Volk würde zufrieden sein. Und er? Und sie?

Würde sie glücklich mit ihm sein? Schließlich gab es da jemand anderen, der in ihrem Herz wohnte.

Ein schöner, furchtloser Ritter. Ein Krieger, ein Soldat. Sie liebte ihn. Nur wegen ihm hatte sie diese gefährliche Reise begonnen. Um ihm nah zu sein.

Aber sie hatte 'Ja' gesagt. Hatte sich ihre Einstellung geändert? Konnte es möglich sein, dass sie ihren Ritter vergessen hatte?

Er schüttelte den Kopf und seine langen, dunkelbraunen Haare fielen ihm ins Gesicht. Eine gewohnte Handbewegung beförderte sie wieder an ihren richtigen Platz.

Nein. Das wäre zu einfach und zu schnell von statten gegangen. Natürlich war er siegessicher. Schließlich hatte er immer das bekommen, was er wollte und er wusste, wie man um die Gunst von Menschen kämpfte. Also war es gar nicht so abwegig, dass sie zugestimmt hatte, seine Frau zu werden, oder? Offenbar waren die kleinen Scharmützel hier und da der richtige Weg zu ihrem Herzen gewesen. Er wusste, das sie eine ehrliche Person war. Als Prinzessin hatte man ihr das sicherlich schon von klein auf eingeflößt. Genauso wie man ihm beigebracht hatte, nicht locker zu lassen, wenn man etwas wirklich wollte. Und er wollte sie. Er wollte sie so sehr, dass es schmerzte. Und mit ihrem 'Ja' vor wenigen Stunden würde er sie auch bekommen. Doch wo war die Freude über diese Entscheidung hin? Wo war sein Herzklopfen, welches erschien, sobald er an sie dachte? Warum war sein ganzer Körper gefüllt mit Unsicherheit?

Sie würde ihn nicht anlügen, zumindest daran hielt er fest.

Irgendetwas stimmte an dieser Situation ganz und gar nicht. Aber er würde sich weiter etwas vormachen, solange, bis der Unsicherheit Sicherheit wich. Und das würde sie früher oder später.

Sich vor lehnend um das Licht zu löschen, legte er die Feder auf seinen feinen Holzschreibtisch und erhob sich. Der Sterne funkelten fast so hell wie der Mond der Illusionen.

Eine Illusion? Ja, ein besseres und beschreibenderes Wort fand er nicht.

Und er hoffte inständig, dass sich bald ein positiverer Begriff in die Lage verirren würde.

Es musste einfach.

Kapitel Vier: Aufmerksamkeit


 

~Aufmerksamkeit~
 


 

Jahrzehnte glücklicher Kampf fürs Glück, eine Sekunde unaufmerksam und du bist nicht mehr.“
 

- Manfred Hinrich

(Deutscher Philosoph & Kinderliedautor)
 

In den kommenden Tagen versuchte er alles, um der Unsicherheit in seinem Herzen Herr zu werden. Er plante, traf Vorkehrungen, sprach sich mit seinem Vater und dem König ab. Und er schrieb viel; Briefe, welche er nie abschicken würde und welche er oft zerknüllt zu Boden fallen lies. Aber es verschaffte seinem Geist zumindest ein wenig Erleichterung. Es lenkte ihn ab. Sicherlich wäre er sonst verrückt geworden.

Von seiner Braut sah er so gut wie gar nichts. Manchmal hatte er Glück und sie lächelte ihm beim gemeinsamen Abendessen zu. Scheu und unsicher, aber es war ein Lächeln und das machte ihn unsagbar glücklich. Er wollte ihr Geschenke überbringen lassen, wollte ihr zeigen, wie ernst es ihm war. Ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit war ein Ziel, welches es zu erreichen galt. Wenn auch diesmal mit einer anderen, romantischeren Intention dahinter. Als sie sich damals nach Jahren wiedergesehen hatten, glaubte er zunächst nicht, dass es wirklich sie war. Sie war zu einer wunderschönen, jungen Frau herangewachsen und doch hatte sie sich ihr kindlich-trotziges Gemüt beibehalten. Eine königliche Anmut hatte sich zu dieser Attitüde hinzugesellt und machte das Bild, was er von ihr hatte, perfekt. Er wollte sich von seiner besten Seite zeigen, wollte sie auf Teufel komm raus beeindrucken. Geschafft hatte er das nur in geringem Maße, denn bei diesem Abenteuer war auch ihr Ritter anwesend und ihre Augen lagen weitestgehend auf ihm.

Damals hatte er gesagt, es gäbe wichtigere Güter als materielle Werte. Nichts weiter als ein flotter Spruch, doch während ihrer Reise zum Tal der Wunder, brachte er ihn zum nachdenken. Er hatte gemerkt, wie schön es war, sie jeden Tag um sich zu haben. Sie jeden Tag zu sehen und jeden Tag ein kleines Bisschen ihrer Aufmerksamkeit zu genießen. Und wenn es nur ein einfaches 'Hallo' war, oder ein begrüßendes Zunicken oder ein zufälliger Blick. All das tat ihm gut und er wollte mehr davon. Er wollte, dass sie ihn so ansah, wie sie ihren Ritter ansah. Ab und an führten sie Gespräche miteinander. Meist ging es darin um das Königreich, wie es ihrem Vater und ihrer Schwester ging und was er in den Jahren seiner Abwesenheit nicht mitbekommen hatte. Was nicht viel war, schließlich hatte er genügend Informationsquellen. Aber er lies sie gerne berichten, konnte er so doch ihrer Stimme lauschen. Es musste während dieser Gespräche passiert sein. Dass er sich so sehr in sie verliebt hatte. Dass das Spiel vorbei und einem Kampf gewichen war.

Mit diesen schweren Gedanken lag er in einem der großen Betten des Schlosses. Gerade war ein Treffen mit dem König und seinem Vater von statten gegangen und er war erschöpft von den vielen Besprechungen. Er fühlte sich wie ein Pferd, welches man immer und immer wieder in einem Rondell zur Höchstleistung trieb. Linderung für die stechende Unsicherheit in ihm verschafften diese Planungen ebenfalls nicht. Vermutlich ging es ihr nicht besser.

Da kam ihm eine Idee. Ein Geschenk, welches ihr sicherlich gefallen würde. Ihm sicherlich ihre Aufmerksamkeit bringen würde. Und wenige Tage vor der Hochzeit war ein solches Präsent gewiss nicht der Schlechteste aller Einfälle. Schnell erhob er sich, griff sich eines seiner vielen Notizbücher und begann etwas zu skizzieren. Ein Schmuckstück sollte es werden, eines, welches ihre Schönheit widerspiegeln sollte. Ein Armreif? Ein Diadem? Eine Kette? Ja, eine Kette erschien passend. Silber oder Gold? Mit einem Edelstein? Ein Rubin? Ein Smaragd? Oder ein Diamant?

Gewöhnlich entwarf er nicht solcherlei Dinge und er merkte seine Unsicherheit in den Federstrichen. Er kicherte kurz. Selbst hierbei war er unsicher. Eine Schande.

Es dauerte seine Zeit, bis er zufrieden mit seinem Werk war, doch schlussendlich war es vollbracht.

Eine goldene Kette mit einem roten Diamanten besetzt. Nichts filigranes, sondern ein repräsentatives Collier, welches einer Prinzessin gebührte. Es musste ihr einfach gefallen, vielleicht trug sie es sogar bei der Hochzeit, wenn es zum Kleid passte. Rasch rief er nach seinem Berater.

„Sorge dafür, dass dieses Schmuckstück so schnell wie möglich angefertigt und der Prinzessin zum Geschenk gemacht werden kann. Sag aber nicht, dass es von mir ist, verstanden?“

Kapitel Fünf: Unsicherheit


 

~Unsicherheit~
 


 

Es gibt keine Sicherheit, nur verschiedene Grade der Unsicherheit.“
 

- Anton Pawlowitsch Tschechow
 

(Russischer Dramatiker)
 

Den ganzen Morgen huschten Zimmermädchen, Schneider und sein mausähnlicher Berater um ihn herum. Es war ein einziges Chaos in dem doch recht großen Raum, überall lagen Kleidungsstücke, Schmuck und sonstige Utensilien. Er seufzte. Als ob es nicht reichen würde, dass sein Herz bis zum Anschlag hämmerte. Er sollte nicht so aufgeregt sein. In den letzten Tagen kreisten seine Gedanken um nichts anderes, als die Hochzeit. Und um sie.

Das Letzte, was er gehört hatte, war, dass sein Geschenk irgendwohin verschwunden war. Sein Berater sagte, ein Maulwurf hätte es mitgenommen. Wunderbar, einfach nur wunderbar. Jetzt waren es nur noch Stunden bis er das Boot besteigen sollte, mit dem er auf dem Wasser zum Altar fahren würde. Es war so unendlich viel unausgesprochen geblieben und er war unzufrieden mit sich und der gesamten Lage. Nichts hatte sich gebessert. Die Unsicherheit war da, nach wie vor.

Oft genug verfolgte er den Leitsatz, den Tag zu genießen. Aber ein Händler dachte immer auch an die Zukunft, wenn er seine Pakte und Verkäufe schloss. Und dieser Pakt, welchen er heute schließen sollte, würde vermutlich seine restlichen Lebensjahre bestimmen. Mit ihr an seiner Seite. Seiner Prinzessin. Seiner unglücklichen Prinzessin.

Er musste sich bei diesem Gedanken kurz schütteln und die Dienerin, welche ihm gerade die Haare zurechtmachte stockte einen Moment irritiert, bevor sie fortfuhr. Er musste positiv und selbstsicher auf ihre gemeinsamen Tage sehen. Doch der Gedanke, an eine unglückliche Prinzessin, welche gezwungenermaßen mit ihm zusammen sein musste, löste so viel Ekel und Angst in ihm aus, wie kaum etwas anderes. Dass sie eben doch aus politischen Zwecken zugestimmt hatte, seine Frau zu werden. Um dem Volk zu helfen und es in diesen schwierigen Zeiten aufzumuntern. Sie konnte so selbstlos sein, auch wenn sie egoistischerweise vor ihrem Pflichten bei Hofe davon- und ihrem Ritter hinterhergerannt war.

Still betrachtete er sich im Komodenspiegel vor ihm. Er hatte sich rasieren müssen, die Brille musste ebenfalls weichen und die Haare hatte er offen zu tragen. Sogar in eine Uniform der Ritter des Himmels hatte man ihn gesteckt. Sicherlich gab es hässlichere Gewandungen und der edle Mantel, welchen er später noch darüber präsentieren würde, sollte den Anblick noch etwas aufhübschen, aber er fühlte sich so fehl am Platz. So unwohl. So unsicher.

Nach weiteren endlosen Minuten stand er allein in dem Ankleidezimmer und musterte sich misstrauisch. Er kam sich vor wie ein Prinz und das war falsch. Er war ein Händler, kein Prinz.

Neben ihm lag der Federhut, welchen er nun in die Hände nahm, kurz beäugte und schließlich aufsetzte. Gleich würde sein Vater hier sein, um ihn zum Schiff zu begleiten. Diese letzten Momente wollte er noch genießen.

Er hatte von der Vermählung zwischen der ältesten Prinzessin des Königreiches und einem Herzog gelesen. Aus der Ehe war ein kleiner Mann entstanden und er wusste wie besorgt seine Prinzessin um ihre Schwester gewesen war. Letztendlich schienen die beiden glücklich miteinander gewesen zu sein, bevor eine Krankheit die wunderschöne junge Herzogin dahinraffte.

Ob es bei ihm auch so werden könnte? Dass sie auch glücklich mit ihm sein könnte, anstatt mit ihrem holden Ritter? Dass sie ihn auch einmal so lieben könnte, wie er sie?

Er holte tief Luft.

„Bis jetzt war ich ein Mann, der immer bekam, was er wollte. Und für all das musste ich hart arbeiten. Warum also nicht auch jetzt?“

Sein Spiegelbild lächelte ihm kokett zu.

„Schluss mit dieser albernen Unsicherheit! Schluss mit den Illusionen! Es wird Zeit, etwas zu tun! Du musst kämpfen, für das was du willst! Versuche es immer weiter und weiter, bis du dein Ziel erreicht hast! Es war immer so und so wird es auch in Zukunft sein!“

Es klopfte. Die raue Stimme seines Vaters hallte zu ihm herein und er wusste, es war soweit.

„Ich komme!“

Der Griff lag vertraut und ruhig in seiner Hand, als er ihn herunterdrückte und durch die Tür trat.

[AKT ZWEI] Kapitel Eins: Blut


 

~Blut~

Jede Wunde hat ihr eignes Blut.“

- Stefan Schütz

(Deutscher Notat-Verfasser)

Viel zu langsam kroch sein Bewusstsein zurück in die Realität. Sein Kopf schmerzte fürchterlich, als hätte man mit einem Stein mehrmals dagegen geschlagen. Richtig.

Es waren Trümmer gewesen. Trümmer eines Gebäudes, welches vom Blitz getroffen wurde und welche ihn dann am Kopf getroffen hatten. Aber nicht nur am Kopf.

Als er versuchte, sich aufzurichten, stach ihm ein heftiges Pochen in die Seite und sein linker Arm prickelte unangenehm, war sogar fast taub. Scharf zog er Luft durch seine Zähne.

„Sei vorsichtig!“

Zwei Hände waren sofort zur Stelle und legten sich behutsam auf Rücken und Brust des Verletzten, halfen ihm zurück in die Kissen. Es waren ihre Hände. Die zarten Hände seiner Prinzessin.

„Du hast zwei Rippen gebrochen...es wird einige Zeit dauern, bis du wieder vollständig genesen bist.“

Ihre Stimme klang dumpf, heiser und schuldbewusst. Als sie sich wieder auf den Stuhl neben dem Bett sinken lies, vergrub sie ihre Hände ineinander und starrte nervös auf das kleine, goldene Schmuckstück an ihrem linken Ringfinger.

„Dein Arm ist ebenfalls verletzt und am Hinterkopf hast du eine Platzwunde...“

Sie wurde leiser, während sie sprach. Ernst lag sein Blick auf ihr, dabei glitten seine Erinnerungen Stück für Stück wieder an ihren Platz, wie die Teile eines zerstreuten Puzzles. Als ob es ihn gerade interessieren würde, was mit seiner Gesundheit los war. Eher erwartete er eine Rechtfertigung von dem schönen Wesen neben ihm. Von seiner Frau. Schließlich war die Hochzeit eine Katastrophe gewesen. Sie wurden angegriffen, viele Menschen hatten ihr Leben verloren und im Versuch seine geliebte Prinzessin zu beschützen, war er verwundet worden. Ein kleiner Preis für ihr Wohlergehen, aber trotz allem schmerzhaft. Auf mehr als eine Art.

„Ich habe die Karten vertauscht und die Zukunft falsch vorhergesagt! In Wahrheit kannst du nur mit einem Mann glücklich werden...“

Das hatte man ihnen gesagt, als er dort blutend lag und notdürftig versorgt wurde. Von ihr.

Und der Name, der dann fiel, war natürlich nicht seiner. Es war der Name des holden Ritters und weder die Wunden, noch die Unsicherheit konnten ihm mehr weh tun.

Erneut versuchte er sich aufzurichten und unter Mühen schaffte er es endlich, das Bett zu verlassen. Vorsichtig humpelte er einige Meter um sich seinen Mantel überzuwerfen, welcher auf dem Stuhl nahe dem Fenster lag. Ein Feuer prasselte im Kamin, die Sonne hatte ihren Höhepunkt schon lange hinter sich gelassen und es war warm im Zimmer, aber trotzdem war ihm zu kalt in seinem weiten Hemd. Er wusste, dass dies die Folgen der Verletzungen sein mussten. Aber er konnte und wollte nicht mehr liegen.

„Ich habe dich nicht gezwungen, meine Frau zu werden.“, ergriff er schließlich das Wort, des Schweigens endlich überdrüssig, den Blick aus dem Fenster und auf den zerstörten Palasthof gerichtet.

„Ich sagte dir bereits, dass ich Konkurrenz nicht fürchte, von niemandem. Wir sind einander versprochen worden, doch ich habe dich nie gezwungen, mich zu heiraten. Ich habe dich, wie ich es für üblich und angebracht halte, gefragt, ob du mich willst. Hättest du es nicht gewollt, hättest du 'Nein' sagen können. Ich hätte wieder verreisen können und unsere Väter wären in dem Glauben gewesen, die Hochzeit fände nach meiner Rückkehr statt. Aber ich habe dich gefragt.“

Seine Stimme wurde lauter und auch wenn er nicht schrie, füllte er den Raum mit Zorn und Anspannung.

„Ich habe dich gefragt, weil ich wollte, dass du mich willst! Weil ich wollte, dass du mich willst, weil du mich willst! Ich glaube an keinen Firlefanz wie Weissagungen und es ist mir egal, was irgendwelche Karten sagen, aber ich habe trotzdem das Recht auf Ehrlichkeit, oder? Prinzessin? Zumindest das!“

Als er sich umdrehte, um sie anzuschauen, milderte sich ein wütender Blick. Sie hatte sich ebenfalls erhoben und ihre Augen sahen ihn voller Mitleid an, in den Winkeln hatten sich Tränen gebildet.

Ein kleines Murmeln entfuhr ihren Lippen und stießen den Dolch tiefer in sein Herz.

„Es tut mir Leid...“

Kapitel Zwei: Gedanken


 

~Gedanken~

Jeder neue Schritt endet vor dem nächsten.

Allein du bestimmst, wie weit du gehen willst.“

- Bernd Mai

(Fotograf & Buchautor)

Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden. Selbstverständlich war ihm dieses Sprichwort geläufig, vor einer Weile hatte er ein Buch über die Herkunft besagter Weisheiten seiner Sammlung hinzugefügt. Er selbst hatte nicht viel für Sprichwörter übrig, vielmehr interessierten ihn die Geschichten dahinter. Woher sie kamen, warum sie so formuliert waren, wie sie es waren und welchen eigentlichen Zweck sie verfolgten. Menschen der Tat wie er glaubten nicht an Übersinnliches. Seine eigenen Fähigkeiten waren da weitaus vertrauenswürdiger, als okkulter Hokuspokus. Obwohl sich das während seiner Reise zum Tal der Wunder ein wenig geändert hatte. Natürlich hatte er darüber nachgeforscht. Über das Mädchen vom Mond der Illusionen, über das Tal selbst und über die Mysterien, welche sich mit beidem verbanden. Als wissbegieriger, junger Mann schöpfte er aus diesen Quellen immer neue Rätsel, die er zu lösen suchte. Die Reise war wunderbar gewesen, genau was er gebraucht hatte, um dem Händleralltag zu entfliehen. Außerdem mochte er das Gefühl eine Hilfe für die Gruppe zu sein.

Und immerhin war sie dabei. So hatte er nach fünf Jahren die Gelegenheit, seine Zukünftige kennenzulernen. Zumindest ein bisschen.

Die Verlobung war ohne sein Beisein beschlossen worden, aber er hatte schriftlich seine Zustimmung gegeben. Schließlich sollte das eine Heirat mit der Prinzessin seines einflussreichen und großen Heimatlandes sein. Er hatte ihre Schwestern und sie schon einmal getroffen, damals war sie jedoch noch ein kleines Mädchen gewesen und er selbst bereits fast ein Mann. Doch er dachte sich, wenn ihre Schwestern bereits solch wunderschöne Blumen waren, würde die jüngste Knospe mit Sicherheit nicht weniger bezaubernd werden. Es schien absolut kein Nachteil für ihn zu sein. Noch besser, er würde sogar König werden. Dass es nun so gekommen war, schnürte ihm die Luft zum Atmen ab und gleichzeitig versetzte es ihn in einen Zustand emotionaler Ekstase. Dass er sich in sie verliebt hatte.

Ein Lotterleben hatte er geführt, zumindest wenn es um die holde Weiblichkeit ging. Viele Gespielinnen hatte er gehabt und einige Male schwang auch wirklich etwas Ähnliches wie Zuneigung mit, doch für mehr als ein kleines Abenteuer hatte es nie gereicht. Was für ihn auch nie ein Problem war, einsam war er keineswegs. Und nun? Jetzt beherrschte seine Prinzessin die Gefühls- und Gedankenwelt und das, obwohl er sich das momentan wirklich nicht leisten konnte. Der Überfall auf die Hauptstadt während ihrer Hochzeit sollte tiefgreifende und weitgehende Folgen haben.

Es hieß nun einen Krieg mit dem Heimatland soweit hinauszuzögern, wie es irgendwie möglich war. Die Forderung der Angreifer war klar. Sie wollten das Mädchen vom Mond der Illusionen, doch für ihn stand es außer Frage, eine gute Freundin einfach so auszuliefern. Als momentaner Stellvertreter des Königs hatte er glücklicherweise das Recht, sich über die Köpfe der Berater hinwegzusetzen und so zu verfahren, wie er für richtig hielt. Das beinhaltete auch dem ehemaligen General der feindlichen Streitkräfte Asyl zu gewähren. Dafür erntete er viel skeptisches Gemurmel, aber gerade sein Vater stand bei dieser Entscheidung hinter ihm. Wohl aus der gleichen Neugier, die auch ihn immer wieder heimsuchte.

Trotz das er immer hinter seinen Entschlüssen stand, fühlte er sich weniger als Wohl in seiner Haut. Die Königsbürde wog schwer auf seinen Schultern, viel schwerer, als er es sich je hatte vorstellen können. In solch einer brüchigen Umgebung musste er alles daran setzen einen Krieg zu verhindern und, wenn das nicht mehr möglich war, sogar versuchen ihn zu gewinnen. Womöglich sogar selbst in die Schlacht ziehen.

Solch eine Verantwortung, solch eine gigantische Aufgabe nagte unablässig an ihm, lies ihn nachts nicht schlafen. Er hatte gehofft, in die Königsrolle hineinwachsen zu können.

Zumindest eine gute Sache brachte der Krieg mit sich: Man hatte ihn noch nicht dazu gedrängt, die Ehe schnellstmöglich zu vollziehen, um einen Prinzen hervorzubringen. Das wäre der Gipfel gewesen.

Er würde eine weitere Entscheidung treffen müssen. Eine Entscheidung, die möglicherweise noch mehr Überlegungen verlangte, als die Vorherige.

Und vor dem Ergebnis dieser Überlegungen hatte er am meisten Angst.

Kapitel Drei: Aufbruch


 

~Aufbruch~

Über Vergangenes mach dir keine Sorgen,

dem Kommenden wende dich zu.

- Dschuang Dsi

(taoistischer Philosoph)


 

Mit einem Geräusch, welches wie ein lauter Donner in den Ohren hallte, fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Sein Daumen glitt über die kleine, helle Stelle an seinem Finger, wo bis vor wenigen Minuten noch der goldene Ehering seinen Platz gehabt hatte. Das sollte also das Ende sein? Nein, viel mehr ein Anfang. Ein neuer Lebensabschnitt lag vor ihm. Zusammen mit den blutigen Überresten, die der Krieg hinterlassen würde.

Einen Moment sammelte er sich, musste tief Luft holen, bevor er sich in Bewegung setzte und den langen, dunklen Korridor entlang schritt. Ohne Umwege machte er sich auf den Weg zu seinem Luftschiff. Das Letzte seiner ehemals stolzen Flotte. Als König hätte er sicherlich mit einer riesigen Armada von Schiffen abreisen können, doch dieses Amt hatte er gerade zurück in die lieblichen Hände seiner Prinzessin gelegt.

Die Prinzessin, die ihn nicht liebte. Von der er sich so sehr wünschte, so sehr gewünscht hatte, dass sie ihn liebte. Doch es hatte keinen Sinn. Ihr Herz gehörte weiterhin ihrem Ritter.

'Ich weiß nicht, ob ich auf dich warten kann...', hatte sie ihm nachgerufen und ihm so schmerzhafte Hoffnungssplitter auf den Weg geworfen, welchen es nun zu überqueren galt.

Er hatte es ihr geschworen. Er würde einen Pfad zu ihrem Herzen finden, auch wenn dieser mit noch so vielen Steinen und Splittern und Scherben übersät sein würde. Als hätte ihn das vorher schon aufhalten können.

„Aber Junger Herr? Seid Ihr sicher, dass ihr schon aufbrechen wollt? Ohne Euren verehrten Vater in Kenntnis zu setzen? Ooooh, das wird nicht gut ausgehen, junger Herr!“

Sein Berater wälzte nervös Bücher über mögliche Handelsrouten, welche das Kriegsgebiet großzügig umschiffen würden. Er selbst seufzte gedankenverloren und richtete behutsam seine Brille.

„Ich werde Vater schreiben, sobald wir aufgebrochen sind. Nenn mich einen Feigling, aber ich habe keine Lust auf eine väterliche Standpauke. Es wird sich schon alles klären.“

Ja, das würde es sich mit Sicherheit. Denn er hatte große Pläne.

Er wollte helfen. Den Menschen, die nach dem Krieg alles verloren hatten. Vätern, Müttern und Kindern wollte er beistehen. Dann würde auch sein Vater zufrieden sein. So konnte er zu dem Mann werden, der sie verdiente. Wie er es versprochen hatte.

„Weißt du, mein Bester?“, sprach er, während er sich einen Wein einschenkte. „Krieg ist Unsinn.“

Sein Helfer schüttelte kurz verständnislos den Kopf, was ihn zum kichern brachte. Ein bitteres Kichern.

Er wusste, dass der mausähnliche Gehilfe schon unter seinem Vater gedient hatte und sicherlich den ein und anderen Krieg miterleben musste, was aber für ihn hauptsächlich gewinnbringendes Geschäft versprach.

„Krieg...so ein Blödsinn.“, murmelte er weiter.

Was war er für ein Egoist? Floh, wie ein feiger Hund mit eingezogenem Schwanz vor dem Krieg und der Verantwortung eines Königs. Aber er wollte lernen. Er wollte lernen, was das Volk brauchte, was das Volk wollte und verdiente. Er wollte lernen, was sie schon wusste.

Nachdem sein Berater ihn schnellen Schrittes verlassen hatte, wohl um seine Nerven zu beruhigen, setzte sich dessen Herr schweigend an seinen Schreibtisch, das Glas Wein in der Hand. Den Blick starr auf einen Haufen Dokumente zu seiner Rechten.

So viele Wörter überschlugen sich in seinen Gedanken. So viele Dinge, die er ihr gerne noch gesagt hätte. Die er ihr gerne jeden Tag, immer und immer wieder gesagt hätte.

Zumindest war er froh, die drei wichtigsten Wörter noch ausgesprochen zu haben, sodass sie nicht mehr wie schemenhafte Gespenster um seinen Verstand herumkreisten.

'Ich liebe dich.“

Wie schön es geklungen hatte. Auch wenn danach der Abschied folgte. Allerdings kein endgültiger, soviel war sicher. Schließlich nahm er sich Feder und Papier, tauchte das feine Instrument kurz in das Tintenfass und begann zu schreiben.

„An meine geliebte Prinzessin...“

Kapitel Vier: Abstand


 

~Abstand~

„Wer Abstand hält, hat sich nicht unbedingt entfernt.“

- Edith Linvers

(Schriftstellerin & Aphoristikerin)
 

Wie schrecklich sich die Tage des Krieges zogen. Immer wieder erreichte ihn Kunde über Mord und Vernichtung und Trauer. Die wenigen Handlungspartner, die ihn auf seinem Luftschiff besuchten, erzählten von den Opfern und den Hinterbliebenen, von den Tränen und den Trümmern, aber auch über Mut und Hoffnung. Wenn er Geschichten darüber hörte, wie Menschen mit einem Lächeln auf den Lippen der Zukunft entgegensahen, konnte auch er neue Kraft schöpfen und an einen baldigen Frieden glauben. Dann würde die wirkliche Arbeit beginnen, denn um ein Leben auszulöschen benötigte es nur einen Wimpernschlag. Eines aufzubauen jedoch, konnte manchmal ein weiteres Leben andauern.

Vor einigen Tagen hatte eine Explosion gewaltigen Ausmaßes seine kleine Flotte erschüttert und bald darauf bekam er die Information, eines der kriegführenden Länder habe eine gigantische Bombe gezündet.

Ohne Warnung und mitten im Kreis ihrer eigenen Verbündeten.

Wie viele hatten dabei ihren letzten Atemzug getan? Wirklich nervös wurde er allerdings, als er hörte, dass seine Freunde ebenfalls an der Front stationiert waren und er betete, dass ihnen nichts zugestoßen sei.

Selbstverständlich entsandte er sofort Briefe um über das Wohl seiner ehemaligen Gefährten auf einen aktuellen Stand gebracht zu werden, doch er bekam keine Antwort.

Zumindest nicht von ihr. Von seiner Prinzessin.

Sie schwieg weiterhin. Auf keinen seiner Briefe hatte sie reagiert und er hatte Dutzende geschrieben.

Oft versuchte er sich selbst einzureden, dass sie auf Grund des Krieges genug zu tun habe. Doch gerade abends, wenn er auf seinem Bett lag, rotierten seine Gedanken und das kühle Gemüt begann zu lodern.

Was wenn sie gerade bei ihrem Ritter ist?

Während er über einigen Unterlagen hing und Zahlen kalkulierte, hörte er seinen Berater japsend heranstürzen.

„Junger Herr! Das müsst ihr euch ansehen!“

„Nicht jetzt, du siehst doch, dass ich gerade...“

Sein Blick glitt durch eines der Fenster des Luftschiffes und innerhalb von Sekunden war er aufgesprungen und zum nächstbesten Balkon geeilt. Aus der Richtung des Königreiches der Drachen stieg eine riesige, schimmernde Lichtsäule gen Himmel. Ein solches Phänomen war ihm nicht unbekannt und er konnte sich denken, welche Bedeutung sie hatte. Offenbar hatte eine liebe Freundin ihren weiten Weg zurück zum Mond der Illusionen angetreten. Hatte sich von ihrem geliebten König getrennt, um ihr Leben bei der Familie zu verbringen. Und das obwohl sie sich gerade erst gefunden hatten. Welch tragische Entscheidung.

„W-was bedeutet das, junger Herr?“, stammelte sein Berater unruhig.

Er lächelte und kreuzte die Arme vor der Brust.

„Das, mein Lieber, ist ein Abschied. Allerdings bin ich mir unsicher, ob es sich bei diesem Ende um ein Glückliches oder ein Dramatisches handelt.“, antwortete er gelassen, als sich die Säule langsam auflöste und schließlich gänzlich verschwunden war.

Ein kurzes Kichern entglitt seiner Kehle.

„Es bedeutet auch, dass der Krieg endlich vorbei ist und wir jetzt alle Hände voll zu tun haben werden. Wird Zeit, dass wir Gutes tun.“

„Aber Ihr seid doch Händler, kein Samariter. Was würde Euer Vater...“

„Mein Vater ist nicht hier und ich bin durchaus in der Lage für mich selbst zu entscheiden, verstanden?“, schnitt er seinem Helfer ins Wort. Als hätte ihn sein Vater jemals von irgendetwas abbringen können.

Rasch ging er zurück in seine Bibliothek und setzte sich an seinen Schreibtisch.

„Das werden viele Briefe...“, seufzte er kurz, bevor er die Feder ergriff und zu schreiben begann.

Die ersten Briefe gingen an seine Freunde, danach folgten einige an diverse Geschäftspartner und schließlich ein weiterer an seine Prinzessin.

Das letzte Schreiben ging an den König des Drachenlandes.

Ihm schien, es wäre an der Zeit für ein Gespräch unter Männern.



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  CatariaNigra
2016-09-29T17:04:16+00:00 29.09.2016 19:04
Schön, dass es ein neues Kapitel gibt!
Antwort von:  Hielo
29.09.2016 21:01
Und ich freu mich, dass es gelesen wird :)
Hoffentlich hat es dir auch gefallen.
Ich versuche jetzt wieder regelmäßig weiterzuschreiben ><
Von:  CatariaNigra
2015-02-09T18:23:20+00:00 09.02.2015 19:23
Juchuu, ein neues Kapitel *__* Freue mich auf mehr
Antwort von:  Hielo
10.02.2015 13:33
Danke ^////^
Ich freu mich, wenn sich jemand über ein neues Kapitel freut~
Von:  CatariaNigra
2015-01-18T16:29:50+00:00 18.01.2015 17:29
Eine bisher wirklich schön geschriebene Fanfic, ich bleibe mal dran! Das Pairing Dryden und Millerna mag ich ebenfalls sehr gerne.

Kleiner Tipp: vielleicht schreibst du noch in die Beschreibung, wie deine FF zeitlich einzuordnen ist.
Antwort von:  Hielo
18.01.2015 21:45
Danke, ich freu mich, wenn sie dir bis jetzt gefällt :)

Gute Idee! Hab ich gleich mal nachgeholt!
Antwort von:  CatariaNigra
19.01.2015 04:21
Hab ich gesehen, danke dir :-) Manchen Lesern fällt die Einordnung sehr schwer, deshalb ist das eine gute Verständnishilfe.

Und gerne! Freue mich schon auf mehr. Schreibe selbst gerade an einer FF zu Escaflowne, die ist aber momentan noch nur für mich und kommt dann irgendwann in gezeichneter Form online :P


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