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Als Dorren 10 Jahre alt war, saß er wie jeden Abend in seinem Zimmer und erarbeitete sich im Selbststudium zusätzlichen Schulstoff. In zwei Stunden würden seine Eltern mit ihm auf einen dieser Abendempfänge gehen und bis dahin musste er diese Aufgaben erledigt haben. Er unterbrach seine stille Konzentration erst, als er außerhalb seines Zimmer aufgeregte Stimmen und Schritte vernahm. Einen Moment lang lauschte er, ob er den Grund für die Störung ermitteln konnte. Doch die Geräusche passten zu keinen der alltäglichen Vorgänge im Haus. Leise stand er auf und öffnete die Tür einen Spalt breit. Der Flur war dunkel, nur unter der Tür ein paar Zimmer weiter drang ein Lichtspalt hindurch.

Immer noch darauf bedacht kein Geräusch zu verursachen, ging Dorren den Gang entlang. Als er die Tür erreichte, bemerkte er, dass sie ein kleines Stück offen stand. Er steckte die Hand aus um sie weiter zu öffnen und stockte, nur Millimeter von dem Holz entfernt. Er zögerte kurz, wollte die Hand schon wieder zurück ziehen, doch dann gab er sich einen Ruck und stieß die Tür auf. Was er in dem Zimmer sah, war etwas, dass er sein Leben lang nicht vergessen würde. Bücher waren aus dem Regal gefallen und der Sessel lag umgestoßen auf der Seite. Doch das wirklich surreale an dieser Situation, war der Arm, der schlaff hinter dem Sessel zu sehen war. Ein Blutrinnsal zog sich wie ein rotes Band den Arm entlang und tränkte den Teppich. Dorrens Blick wanderte weiter. Überall waren Blutspritzer verteilt. Einen kurzen Moment blieben seine Augen an einer weiteren Gestalt auf dem Boden hängen. Das Gesicht ihm zugewandt lag sein Vater mit scheckgeweiteten Augen in einer Lache seines eigenen Blutes. In seinem Rücken klaffte ein Loch, um das herum sich ein dunkler Fleck ausgebreitet hatte.

Der Vorhang flatterte in einem plötzlichen Windstoß und lenkte Dorrens Aufmerksamkeit zum Fenster. Eine dunkle Gestalt stand davor. Das kurze Aufblitzen von Metall, verriet, dass er eine Waffe in der Hand hielt. Und noch mehr, als die schreckliche Szene, die sich ihm darbot, ließ der Blick des Mannes Dorren zurückweichen. Doch er hatte sich geschworen sich von niemandem einschüchtern zu lassen und er stand zu seinen Entscheidungen. Er straffte seine Schultern und trat einige Schritte in den Raum.

„Hast du das getan?“, fragte er und vermied es die Leichen anzusehen.

„Tze, die haben mir nicht gesagt, dass hier auch ein Kind ist.“, meinte der Mann entnervt. Mit einer fließenden Bewegung richtete er die Waffe auf Dorren und spannte den Hahn.

„Was willst du jetzt tun Kleiner? Die Polizei rufen? Schreien und Toben?“

„Wieso sollte ich?“, erwiderte Dorren ohne zu zögern oder den Blick abzuwenden. Er hatte schon vor einiger Zeit jegliche Gefühle in seinem Inneren verschlossen und für dieses Leute hatte er das letzten Mal vor Jahren so etwas wie Zuneigung empfunden.

Der Mann schwieg einen Moment, nahm sich die Zeit den Jungen genauer zu betrachten. „Ich seh schon.“, meinte er schließlich. Mit wenigen Schritten überwand er die kurze Distanz zwischen ihnen. Im nächsten Moment hatte Dorren den Pistolenlauf vor seinem Gesicht und eine Hand in seinen Haaren zwang ihn dazu, dem Mann in die Augen zu sehen.

„Für mich gibt es hier nichts mehr zu tun. Was ist mit dir Junge? Willst du kämpfen oder aufgeben?“

„Was? Ich …ich …“ Dorrens Kopf war wie lehrgefegt, dass einzige, dass noch Platz in seinen Gedanken hatte, war der Lauf direkt auf seiner Stirn. Er hörte jeden einzelnen hektischen Schlag seines Herzens und spürte überdeutlich das Blut in seinen Adern pulsieren.

„Ich wiederhole mich nur ungern.“, drohte der Mann vor ihm und Dorren wurde nur noch angespannter. Sollte das jetzt wirklich das Ende sein. Keine besonders schöne Geschichte, die er da gehabt hatte. Andererseits, was er hatte er von dieser Welt auch schon anderes erwarten sollen? Der Mann vor ihm wurde langsam ungeduldig und daher sprach Dorren das erste aus, dass ihm in den Sinn kam.

„Ich will frei sein.“ Allerdings schien das die falsche Antwort gewesen zu sein, denn Dorren konnte sehen, wie sich der Finger um den Abzug spannte. Die Panik, die sich schon die ganze Zeit in ihm breit gemacht hatte, erreichte nun ihren Höhepunkt. Seine Hände wurden schwitzig und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, außerdem spürte er, dass sein Atem immer hektischer wurde. Er wollte nicht sterben. Auch wenn er bisher nie etwas für sich selbst entschieden hatte, auch wenn seine Eltern jetzt tot und er damit völlig allein war, wollte er nicht sterben. Warum musste er auch unbedingt so schwach sein? Er konnte sich ja nicht mal selbst helfen wenn es um sein Leben ging. Wieso hatte es soweit kommen müssen? Wieso er? Reflexartig kniff er die Augen zusammen und hätte sich bei dem folgenden lauten Knall am liebsten die Ohren zugehalten, doch er war wie versteinert. Seine Gedanken schienen still zu stehen und er war völlig geschockt. So war es auch nicht verwunderlich, dass er eine Weile brauchte, bis er bemerkte, dass er immer noch atmete, dass sein Herz immer noch schlug.

Augenblicklich riss er seine Augen wieder auf und blickte zu dem Mann hinauf. Der hatte inzwischen seine Haare losgelassen und die Hand mit der Pistole auf seiner Schulter abgelegt. Überrascht wandte Dorren den Kopf zur Seite und entdeckte hinter sich in der Wand ein Einschussloch.

„Erinner' dich an das Gefühl Junge und jetzt komm.“ Der Mann wandte sich ab und verschwand aus dem Fenster. Dorren brauchte ein paar Anläufe um seine streikenden Gliedmaßen dazu zubringen ihm wieder zu gehorchen. Doch dann folgte er ihm eilig und warf keinen Blick zurück.

Das neue Leben, dass Dorren daraufhin begann, war alles andere als leicht und völlig anders als das, was er bisher gekannt hatte. Er musste durch ein hartes Training gehen, immer mit der Aussicht darauf zu sterben wenn er schlapp machte. Doch das erste mal in seinem Leben, bekam er das Gefühl wirklich wahrgenommen zu werden. Ausgerechnet bei dem Mann, der seine Eltern getötet hatte, fühlte er sich wohler als er es in diesem Haus jemals getan hatte.

Dorren wusste sehr wohl, was sein neuer Beschützer tat, wenn er ihn allein zurückließ oder warum sie ständig von einer Stadt zur nächsten reisten. Doch es störte ihn nicht, denn zum ersten mal kümmerte sich jemand um ihn.

Es war wieder einer jener Abende, an denen Regald arbeiten musste. Dorren hatte sich den ganzen Tag über nicht besonders wohl gefühlt. Wie üblich schmerzte ihm jeder Knochen im Körper, doch diesmal kam noch diese bleierne Müdigkeit und Taubheit in den Fingern dazu. Allerdings hielt er es so gut es ging verborgen. Selbstverständlich hatte Regald seinen Zustand trotzdem bemerkt. Es war so gut wie unmöglich diesen Mann zu überraschen oder etwas vor ihm zu verheimlichen. Doch wie es seine Art war, sagte er kein Wort dazu. Weder unterstütze er Schwäche noch würde er jemals irgendjemanden verhätscheln. Ohne ein Wort zu sagen ging er und ließ Dorren allein. Aber ihm war nicht der musternde Blick entgangen. Regald hielt ihn noch immer für ein hilfloses, verwöhntes, kleines Kind. Teils aus kindischen Trotz, teils aus dem Wunsch heraus sich selbst und vor allem Regald zu beweisen das er kein Schwächling war, erledigte er alle Aufgaben, die ihm in die Finger kamen.

Allerdings hatte er es anscheinend übertrieben, denn sein Körper versagte ihm mit einmal seinen Dienst. Das atmen fühlte sich schwer auf der Brust an und sein Blickfeld verschwamm immer wieder. Er versuchte noch sich an der Tischkante festzuhalten, griff aber daneben und fiel zu Boden. Mit aller Macht kämpfte er gegen die Schwärze an, die von ihm Besitz ergreifen wollte.

Als er wieder zu sich kam, fühlte Dorren sich noch immer elend. Er schwitzte und gleichzeitig schüttelte sich sein ganzer Körper. Seine Sicht war nur verschwommen, doch er konnte eine Gestalt neben dem Bett wahrnehmen. Angst überkam ihn. Er konnte seinen Körper kaum spüren und jede noch so kleine Regung schmerzte. Nach Halt suchend und ohne darüber nachzudenken streckte er die Hand aus. Er bekam das Hemd der Gestalt zu fassen und krallte sich daran fest. Nur träge registrierte er, dass seine Hand augenblicklich feucht war. Dumpf hörte er ein zischen und gemurmelte Worte, ehe seine verkrampften Finger wieder aus dem Stoff gelöst wurden. Schemenhaft beobachtete er wie sich die Gestalt bewegte. Im nächsten Moment lag etwas kühles auf seiner Stirn und Dorren seufzte erleichtert. Ohne das er etwas dagegen machten könnte, driftete er wieder zurück in den Schlaf.

Es dauerte ein paar Tage, bis Dorren sich soweit erholt hatte, dass er sich wieder bewegen konnte. Er schämte sich dafür so schwach gewesen zu sein. Das schlimmste war allerdings, dass Regald kein Wort dazu gesagt hatte. Auch wenn sie nicht darüber sprachen, wusste Dorren, dass er es gewesen war, der sich um ihn gekümmert hatte. Das er ihn in einem so erbärmlichen Zustand hatte sehen müssen. Er wollte diesen Mann doch unter keinen Umständen enttäuschen. Auch wenn Dorren es sich nicht eingestehen wollte. Regald hatte sich seine Achtung verdient und war zu jemandem geworden, zu dem er aufschauen konnte. Ein Gefühl, dass er bisher noch nie gehabt hatte. Auch wenn sein Training hart war und er kalt und unnachgiebig wirkte, wusste Dorren, dass er ihm vertrauen konnte.

Er fühlte sich schrecklich, weil er Regald zur Last fiel. Ihm war nämlich durchaus bewusst was das damals an seiner Hand gewesen war. Regald war von einem Auftrag zurückgekehrt und wahrscheinlich war er verletzt worden. Trotzdem hatte er sich um ihn gekümmert. Eine völlig neue Erfahrung für Dorren und er wusste nicht so recht damit umzugehen. Also schwieg er und auch Regald brachte es nicht zur Sprache. Und doch hatte es einen sehr großen Eindruck auf ihn gemacht.

Dorren machte daraufhin eine ziemliche Veränderung durch. Der fast schon lethargisch zu nennende Musterschüler und folgsame Sohn verschwand endgültig. Stattdessen wurde Dorren vorlaut und frech. Er gab Regald Widerworte und dieser würde eine Kugel dicht neben seinem Kopf vorbeischießen wenn es ihm mal wieder zu viel wurde. Dieser rabiate Umgang war allerdings mit viel mehr Respekt und gegenseitiger Anerkennung erfüllt, als es nach außen den Anschein haben würde. Auch wenn Dorren mehr als einmal tot müde und mit kleineren Wunden ins Bett fiel, hatte er doch immer ein Lächeln auf den Lippen. Denn vielleicht … nur vielleicht … war er doch nicht allein in der Welt.

Zwei Jahre lang ging es gut.

Zwei Jahre lang konnte er so tun, als wäre alles in Ordnung.

Doch irgendwann musste jeder aufwachen.

Als er in jener regnerischen Nacht zum zweiten mal alles verlor was er bis dahin gekannt hatte, wusste Dorren wirklich nicht ob er überleben würde.

Wieso?

Wieso?!

Wieso?!!

Wieso?!!!

Wieso musste er immer alles verlieren?

Man war wirklich besser dran, wenn man sich nur auf sich selbst verließ.

Kurz darauf wurde Dorren von einer Organisation aufgegriffen, der auch Regald angehört hatte. Es interessierte ihn nicht wirklich. Weder was ihre Ziele waren, noch was oder wieso sie taten was sie taten. Diese Organisation war für ihn ein Mittel zum Zweck. Um zu überleben. Mehr nicht.

Allerdings gab es da einen jungen Mann, der es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht hatte ihn unter seine Fittiche zu nehmen. Ständig tauchte er überall auf und folgte ihm. Dorren duldete ihn und manchmal, wenn er einsam war, redete er mit ihm. Was hätte er mit seinen 12 Jahren auch schon sonst tun sollen?

In den nächsten 4 Jahren trainierte er stoisch und ohne sich auch nur jemals zu beschweren. Er wurde besser als jeder andere und übertraf schon bald auch weit ältere und erfahrenere Assassinen. Natürlich führte auch er Aufträge aus, kaltblütig und präzise. Nicht ein einziges mal empfand er Mitleid mit seinen Opfern oder stellte die Befehle in frage, die er bekam. Als sich herausstellte, dass er Magie beherrschte, wurde er von einigen abtrünnigen Zauberern auch darin unterrichtet. Clod, der Mann, der ihm immer gefolgt war, war er auch jetzt noch ständig an seiner Seite. Mittlerweile hatte Dorren sich damit arrangiert und genoss seine Nähe sogar manchmal, war er doch völlig anders als er selbst.



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