Zum Inhalt der Seite

Panem Adventskalender

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

08.12 - Alma Coin

Adventskalender 2014

8. Dezember
 

~
 

Alma Coin

What do you need for Christmas?
 


 

Distrikt 13

23. und 24. Dezember im Jahr der 30. Hungerspiele
 

„Der Weihnachtsbaum ist ein Nadelbaum, der zur Weihnachtszeit in Wohnungen aufgestellt und mit Lichterketten, Kerzen, Glaskugeln, Lametta, Engeln oder anderen Figuren geschmückt wird“, las Alma in den Buch, das sie für ihren Aufsatz hatte ausleihen dürfen. Neben dem Text war ein Bild abgedruckt. Eine Tanne, die in einem Wohnraum aufgestellt war. In der Nähe eines Kamins. Kamine kannte Alma auch nur aus Büchern. Die Wohneinheiten in Distrikt 13 sahen alle gleich aus. Es gab eine Zentralheizung für alle Wohneinheiten. Wie das funktionierte, hatte man ihnen in der Schule erklärt und weil alle eine Zentralheizung hatten, brauchten sie keine Kamine.
 

Fasziniert betrachtete das Mädchen das Foto. An der Tanne hingen glänzende Glaskugeln. Das es Glaskugeln waren, entnahm Alma dem Informationstext. Sie waren Rot und Weiß. Ein paar von ihnen glitzerten. Alma mochte es, wenn etwas glitzerte. Das sah sie nur sehr selten und es gefiel ihr immer wieder. Das behielt sie aber lieber für sich, denn ihre Eltern und ihre Großmutter predigten ihr seit sie denken konnte, dass man nur notwendige Dinge für sein Leben brauchte.

Alles, was ihre Familie besaß, war zweckmäßig. Alma ahnte, ohne es je ausgesprochen zu haben, dass Glitzer nichts Zweckmäßiges und nicht notwendig war. Das sie glitzernde Dinge mochte, war ihr Geheimnis. Sie fuhr mit den Fingern über den abgebildeten Weihnachtsbaum. An seinen Zweigen hingen goldene Fäden, die im Text Lametta genannt wurden und auf seiner Spitze trug er einen Stern, der wie eine Sternschnuppe aussah. Es sollte eine Sternschnuppe sein, korrigierte Alma sich in Gedanken. In der Schule hatte sie gelernt, dass Sternschnuppen Meteore waren und von Meteoren gab es verschiedene Sorten.
 

Alma hatte den Text in ihrem Buch bereits mehrmals gelesen und sich die wichtigsten Informationen raus geschrieben. Es ging darum, wie man Weihnachten im Kapitol feierte und es faszinierte sie mehr als sie freiwillig zugeben würde.

Hier in Distrikt 13 feierte man Weihnachten überhaupt nicht. Der Tagesablauf war fast der gleiche wie an jedem anderen Tag auch. Um 6:30 Uhr ging das Licht an. Man hatte eine halbe Stunde bis man zum Frühstück in den Speisesaal musste. Für das Frühstück selbst war wieder eine halbe Stunde eingeplant. Danach war Schule. Alma ging gern in die Schule. Die Stunden zwischen Frühstück und Mittagessen, die sie in der Schule verbringen durfte, waren ihre Lieblingstageszeit. Sie war gut in der Schule, weil wenn sie gut in der Schule war, dann waren ihre Eltern stolz auf sie. Das hieß, sie waren zumindest zufrieden mit ihr. Ihre Mutter lobte selten.
 

Ihre Nachmittage verbrachte Alma mit ihrer Großmutter in der Wohneinheit, wo sie unter strengen Blicken ihre Hausaufgaben erledigte. Um 18 Uhr kamen ihre Eltern zurück in die Wohneinheit. Dann stand bei jedem das Wort Besinnung auf dem Tagesplan. Alma hatte von ihren Eltern nie eine Antwort auf die Frage bekommen, was Besinnung eigentlich bedeutete, aber sie war in den Schulbüchern wieder und wieder auf dieses Wort gestoßen.

Besonders jetzt in der Weihnachtszeit tauchte das Wort Besinnlichkeit in allen Büchern und Texten auf. Sie hatte dieses Wort in einem Wörterbuch nachgeschlagen. Sie wusste, was dieses Wort bedeutete. Sie kannte Synonyme dafür, aber sie konnte dieses Wort nicht mit Inhalt füllen. Alma glaubte, dass es etwas mit dieser Besinnung im Tagesplan zu tun haben musste. Denn an Weihnachten gab es eine Besonderheit in den Tagesplänen in Distrikt 13. An Heiligabend wurde der Punkt Besinnung im Tagesplan auf eine Stunde verlängert. Das Licht blieb bis Mitternacht an. Am nächsten Tag gab es das Frühstück sogar eine Stunde später als an allen anderen Tagen im Jahr und es war der einzige Tag, an dem schulfrei war, mal abgesehen von allen Sonntagen. Ab Nachmittag ging alles wieder seinen gewohnten Gang.
 

Daran merkte das kleine Mädchen auch in Distrikt 13 das es Weihnachten war. Alma mochte den Tag nach Heiligabend nicht, wenn es keine Schule gab. Sie wusste nicht, was sie mit über fünf Stunden Freizeit tun sollte. In diesem Jahr hatte ihr Vater ihr versprochen, dass er sie mit zu seiner Arbeit nehmen würde. Er war ein hochrangiger Berater des Präsidenten. Ihre Großmutter sagte oft, er hätte eine glänzende, politische Karriere vor sich und würde sicher eines Tages Präsident sein.

Es fiel Alma schwer sich vorzustellen wie es wäre Weihnachten im Kapitol zu feiern. Alles war ganz anders dort. Sie kannte es von Fotos. Die vielen, bunten Lichter. So viele Farben gab es in ganz Distrikt 13 nicht. Die geschmückten Weihnachtsbäume und der Brauch sich gegenseitig Geschenke zu machen. In Distrikt 13 machten sich nur wenige Familien gegenseitig Geschenke und wenn schenkten sie einander nützliche Dinge. Almas Sitznachbarin aus der Schule hatte in alle Overalls ihres Vaters seinen Namen gestickt. Das war ihr Weihnachtsgeschenk gewesen. Alma hatte ihren Eltern noch kein einziges Geschenk gemacht.
 

In ihrer Familie war es nicht üblich sich Geschenke zu machen. Für ihre Eltern musste alles einen Wert im Sinn der Gemeinschaft haben. Ein Individuum musste seine Forderungen zurück stellen. Die eigene Arbeitskraft musste für die Gemeinschaft eingesetzt werden, ob in der Soldatenausbildung oder auf den unterirdischen Farmen, die die Lebensmittelgrundlage des Distrikts bildeten. Alles, was man tat, sollte dem Wohl der ganzen Gemeinschaft dienen. Einer einzigen Person etwas zu schenken, diente kaum der gesamten Gemeinschaft. Das war der Grund warum Alma Coin mit ihren zehn Jahren noch nie im Leben ein Geschenk geöffnet hatte. Während sie sich fragte wie es wohl wäre ein Geschenk zu öffnen, machte die Hand, die ihren Stift hielt, sich selbstständig. Ob es Spaß machen würde ein Paket zu öffnen, von dem sie wusste, dass es nur für sie bestimmt war. Wenn sie wusste, dass es eine Überraschung enthielt, die nur für sie bestimmt wäre. Alma betrachtete ihr Heft. Wie von selbst hatte ihre Hand einen kleinen Weihnachtsbaum gezeichnet, der nicht so schön bunt war, wie der in ihrem Buch, weil Alma nur zwei Stifte besaß, einen der schwarz schrieb und einen der blau schrieb. Bunte Stifte bekamen die Schüler nur zwei Mal im Jahr im Rahmen des Kunstunterrichts um jeweils ein Bild damit zu malen. Alma konnte gut zeichnen, aber ihre Mutter und ihre Großmutter hielten das nicht für ein nützliches Talent. Eher im Gegenteil.
 

„Bist du noch nicht mit deinen Hausaufgaben fertig?“, war die erste Frage, die Antonie Coin an ihre zehnjährige Tochter hatte, nachdem sie in die Wohneinheit getreten war. Schnell verstaute Alma das Blatt mit dem Weihnachtsbaum ganz unten unter ihren anderen Zetteln, damit ihre Mutter nicht merkte, dass sie soeben ein Blatt Papier verschwendet hatte.

Auf Antonies Gesicht erschien der gewohnt strenge Ausdruck, den sie grundsätzlich hatte, wenn Alma ihre Pflichten nicht in der Zeitspanne erledigte, die den Vorstellungen ihrer Mutter entsprachen.

„Ich muss einen Aufsatz für die Schule schreiben“, antwortete Alma kleinlaut und schuldbewusst. Sie hatte sich beim Arbeiten von Tagträumen ablenken lassen, obwohl sie wusste wie wichtig diszipliniertes, konzentriertes Arbeiten war. „Welches Thema?“, erkundigte sich ihre Mutter, während sie begann die eigentlich ordentliche Wohneinheit aufzuräumen. „Wo ist deine Großmutter?“, wunderte sich Antonie und hielt kurz inne, in ihrer Tätigkeit die Decken glatt zu streichen. „In der Küche ist jemand ausgefallen. Sie springt ein“, antwortete Alma. Ihre Großmutter war eine resolute Frau, die es sich nicht ausreden lassen würde auch im hohen Alter weiter zu arbeiten. Es diente schließlich der Gemeinschaft.
 

„Gut.“ Ihre Mutter nickte. „Welches Thema hast du für deinen Aufsatz?“

„Warum Weihnachtsbäume Ressourcenverschwendung sind“, antwortete Alma. Sie entspannte sich wieder. Ihre Mutter hatte ihre kleine Zeichnung nicht gesehen. Das hätte sicher Ärger gegeben.

„Interessantes Thema“, sagte Almas Vater, der in diesem Moment ebenfalls die Wohneinheit betrat. Er war ein paar Minuten früher zu Hause als gewöhnlich. „Warum sind Weihnachtsbäume denn Ressourcenverschwendung, Alma?“

„Die zweckmäßige Benutzung von Bäumen besteht darin Holz zum Heizen herzustellen oder sie für die Papiergewinnung zu nutzen. Wir können Bäume als Baustoff nutzen, obwohl Holz als Baustoff in Distrikt 13 eine untergeordnete Rolle spielt, aber dafür nutzen wir das Harz, das wir aus Bäumen gewinnen“, betete Alma das herunter, was man ihr in der Schule über die Nutzung von Bäumen beigebracht hatte. Ihr Vater nickte ihr stolz zu. „Ein Weihnachtsbaum wird in eine Wohnung gestellt und wenn er nicht mehr gebraucht wird, dann wird er weg geworfen. Er wird weder der Nutzholzgewinnung noch anderer wirtschaftlicher Zweige zugeführt.“
 

„Das solltest du weiter ausbauen“, fand Almas Mutter und warf einen Blick auf Almas Notizen. „Da hast du viel mehr stehen.“

„Sie ist auch nicht fertig“, warf ihr Vater ein. „Hast du den Aspekt mit den künstlichen Weihnachtsbäumen aufgeschrieben?“ Er zog Almas Notizen zu sich herüber. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass ihr Vater die Zeichnung nicht fand. Er hielt ihr Talent zwar nicht für nutzlos, aber auch er wäre bestimmt alles andere als begeistert, wenn er den gezeichneten Weihnachtsbaum finden würde. Diese Zeichnung würden ihre Eltern als befürworten des verschwenderischen Lebensstil des Kapitols ansehen.

Alma dachte über die Frage mit den künstlichen Weihnachtsbäumen nach. Dabei wurde zumindest kein Nutzholz verschwendet.

„Es ist bestimmt irgendeine Ressourcenverschwendung“, vermutete Alma. Alles war immer irgendeine Ressourcenverschwendung. Damit konnte man immer sehr gut argumentieren.

„Alma!“ Ihre Mutter klang empört. Ihr Vater hingegen wirkte amüsiert.

„Wir haben eine halbe Stunde bis zum Abendessen. Solange arbeiten wir an deinem Aufsatz.“
 

Am nächsten Morgen saß Alma aufgeregt im Unterricht. Ihre Eltern hatten sie ihren Aufsatz am Abend so oft vortragen lassen, dass Alma ihren Aufsatz beinahe auswendig konnte. Ihre Großmutter war sogar ein paar Mal mit ihr durchgegangen an welchen Stellen sie ihre Stimme erheben sollte und was sie betonen sollte. Alma hatte sich beschwert, dass es ein Aufsatz war und keine der Reden ihres Vaters, aber ihre Eltern und Großeltern waren sich einig, dass sie nicht früh genug Reden halten lernen könnte.

Alma wusste, dass ihre Eltern von ihr erwarten würde, dass sie sich freiwillig meldete ihren Aufsatz vorzutragen. Ihre Mutter arbeitete mit der Frau ihres Lehrers zusammen. Ihre Eltern würden wissen, ob sie sich gemeldet hatte, bevor sie die beiden zum Mittagessen im Speisesaal sah.
 

„Frohe Weihnachten“, wünschte Alma ihren Mitschülern, denn heute war Heiligabend. Ein Tag, der in Distrikt 13 ablaufen würde, wie fast jeder andere Tag auch.

„Mein Thema ist 'Warum Weihnachtsbäume Ressourcenverschwendung sind'.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück