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The Angel who kills

Azrael Chronicles
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich wünsche euch ein frohes, neues Jahr 2015 :3 Komplett anzeigen

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The hint of a feeling

Er hatte nichts gegen die Befehle des Bosses, aber manchmal wünschte er sich, der Boss hätte so etwas wie eine Struktur, was die Liste der Leute anging, die er aus dem Weg haben wollte.

Wie er vom Außenminister, über den Innenminister zu einem Drogenbaron gekommen war, wollte er lieber gar nicht wissen.

Er hatte auch nichts gegen warmes und etwas feuchtes Klima, aber der Regierungsbezirk Bangli mit der gleichnamigen Stadt darauf, auf der Insel Bali war ihm nicht nur zu warm, sondern auch zu nass. Im Vorfeld hatte er sich wie gewöhnlich über das Gelände, die Gegebenheiten und sonstigen Kram informiert und festgestellt, dass es im Monat August im Durchschnitt vier Tage gab, an denen es regnete.

Und genau die schien er erwischt zu haben.

Außerdem war seine Suche nach Kleidung, die einigermaßen Sommer tauglich war, ohne seine Flügel zu entblößen, im Leeren verlaufen.

Mit seiner dunkelbraunen, zerrissenen Röhrenjeans, den grauen Cowboystiefeln, dem schwarzen Shirt und dem mintgrünen Jacket hätte er vermutlich Aufmerksamkeit erregt, wenn es nicht gerade mitten in der Nacht gewesen wäre und die Feierlustigen die Straßen bevölkert hätten.
 

Den Tag über hatte er in seinem gemieteten Bungalow die Zeit damit verbracht, zu schlafen, Lagepläne zu studieren und amüsiert zu grinsen, als Yong Tae ihm ein Bild geschickt hatte, dass sein Badezimmerfenster zeigte vor dem nun zwei zusätzliche Schlösser angebracht waren, mit dem Satz: 'Jetzt zufrieden?!'

Ja, damit war er zufrieden. Zwar hatte er bei dem 'Besuch', bei dem er Yong Tae's Badezimmerfenster als Eingang missbraucht hatte, die Wohnung mit diversen Mikrokameras ausgestattet, aber er war nicht in Korea. Somit war er beruhigt, dass zumindest keine normalen Einbrecher die Wohnung betreten konnten, zumal ihm auch niemand professionelles einfiel, der etwas von dem Jungen wollen würde.

Er hatte Yong Tae auf die Nachricht nicht geantwortet, einfach, weil er das nie tat und auch keinen Sinn darin sah. Was der Junge damit bezwecken wollte, war ihm nicht klar, aber es erschien ihm auch nicht wichtig genug, um es verstehen zu wollen.
 

„Er muss hier irgendwo sein!“

Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, und er drückte sich mit dem Rücken mehr an die graue und feuchte Mauer hinter sich, während er seine Waffen bereit hielt und der Regen ihn durchnässte.
 

Im Prinzip war der Auftrag an diesem Drogenbaron ein Kinderspiel. Zumindest dann, wenn sie ihn anscheinend nicht schon erwartet hätten.

Als er das Gelände des Anwesens betreten hatte, war alles nach Plan verlaufen. So lange, bis er die Villa durch den Dienstboteneingang betreten hatte.

Das Licht, das auf einmal den Raum, in dem er stand durchflutet hatte, hatte ihm in den Augen gebrannt, und er hatte diese aus Reflex zusammengekniffen, während er sich den Arm über das Gesicht gehalten hatte.

Das Klicken einer Waffe war an seine Ohren gedrungen, gefolgt von einem Schuss, bei dem er sich aus Instinkt nach links zur Seite fallen ließ. Die Kugel schlug knapp neben ihm in der Wand ein und er hatte die Augen leicht geöffnet, um sich ein Bild der Situation zu machen.

Er hatte an die zehn Gestalten gezählt, und beschlossen, dass ein Rückzug in diesem Moment das Angebrachteste wäre, weshalb er den Sicherungskasten, der an der Wand hing, mit fünf Kugeln durchsiebt und die Dunkelheit Willkommen geheißen hatte.
 

Vielleicht mochte es kitschig klingen, aber die Dunkelheit war sein Freund, schon immer. Woher es kam, dass er im Dunkeln besser sehen konnte als die meisten anderen Menschen, wusste er nicht mehr genau, aber er erinnerte sich dunkel daran, dass es mit seiner Ausbildung in den Karpaten zusammen hing.

Trotz der Absätze seiner Cowboystiefel machte er fast keine Geräusche, als er sich den ersten der Männer schnappte und ihm das Genick brach, und dann taktisch alle Anderen abarbeitete.

Die Männer waren durch die Dunkelheit verwirrt und sahen fast die Hand vor Augen nicht, was es für ihn einfach machte, sie in die falsche Richtung zu dirigieren und sie dazu zu verleiten, auf ihre Kollegen zu schießen.

Als es in dem Raum still war, hatte er sich weiter nach vorne in die Küche geschoben und war von dort aus aus dem Fenster ins Freie gelangt, wo er beschloss, zu warten.
 

Nun saß er hier neben dem Küchenfenster an die Mauer gedrückt in einem Beet, das mit Rhododendron bepflanzt war, und der Regen prasselte unaufhörlich auf ihn nieder.

Es hatte nicht lange gedauert, bis die Männer in dem Raum gefunden worden waren und der Alarm los ging.

Das Sicherheitspersonal war offensichtlich präsenter, als aus den Informationen hervorging, weshalb er dazu genötigt war, seinen Plan zu ändern.

Er konnte nicht mehr einfach durch das Haus spazieren, hin und wieder ein paar unliebsame Leute ausschalten, und sich dann die Zielperson vorknöpfen. Wenn er mit dieser Mission erfolgreich sein wollte, musste er sie alle beseitigen, was nicht nur Raffinesse, sondern auch noch Zeit beanspruchen würde.
 

Auf allen Vieren krabbelte er unter dem Küchenfenster und zwischen den Büschen vorbei an die nächste Hausecke, um die er vorsichtig spähte, ehe er einen abschätzenden Laut von sich gab und sich wieder an die Wand lehnte.

Er legte den Kopf in den Nacken und sah in den dunklen Himmel, während er die Augen zusammenkniff als der Regen in sein Gesicht fiel und ihm eine Idee in den Kopf gab.

Leise steckte er seine Waffen in die Waffenholster an seinen Oberschenkeln und stand vorsichtig auf, um kein Geräusch zu erzeugen, bevor er die Arme über seinen Kopf hob und die Mauer abtastete, bis er einen Spalt gefunden hatte, an dem seine Finger Halt fanden.

Vorsichtig zog er sich daran hoch und tastete mit seinen Füßen an der Mauer entlang, bis er so viel Halt gefunden hatte, dass er nach dem nächsten Vorsprung suchen konnte.

Vermutlich war es nicht der klügste Plan, offen an einer Hausmauer empor in das erste Geschoss zu klettern, vor allem dann nicht, wenn es überall vor bewaffneten Sicherheitsleuten nur so wimmelte, aber er hielt noch nie viel von konventionellen Methoden, wenn sein Auftrag auf der Kippe stand.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn erwischten, lag bei ungefähr 90%, aber über diesen hohen Prozentsatz machte er sich keine Sorgen, denn was auch immer diese Leute für Informationen über ihn hatten, sie würden nicht ausreichen.

Niemand, nicht einmal der Boss selbst, war ihm bisher so nahe gekommen, als dass er hätte einschätzen können, wie er in welcher Situation handeln würde. Er handelte für jemanden, der unterkühlt war und Menschen ihr Leben nahm, viel zu sehr nach Gefühl, als dass sich das hätte voraussagen lassen.

Selbst wenn sie ihn erwischen würden, würde er sich irgendwie wieder herauswinden, so wie er es schon immer getan hatte.
 

Seine Finger ertasteten den Fenstersims und er zog sich daran hoch, ehe er vorsichtig durch das Fenster spähte, aber niemanden sehen konnte. Kurz hielt er den Atem an und lauschte nach Schritten oder einem anderen Atem, der einen eventuellen Gegner verriet, hörte aber nichts, weshalb er sich durch das nachlässig aufstehende Fenster in das Zimmer schwang, vom Fenster wegduckte und seine Waffen zog, als er hinter sich ein Geräusch hörte.

Er ließ die Waffen sinken, während ihn drei braune, verängstigte Augenpaare anstarrten, von Mädchen, die höchstens zehn Jahre alt waren, wenn überhaupt.

Die Mädchen wimmerten und klammerten sich aneinander, während sie auf seine Waffen starrten, weshalb er sie wegsteckte und auf sie zuging, ehe er vor dem Bett in die Hocke ging und die Mädchen ansah.

„Sht!“, kam es über seine Lippen, während er einen Zeigefinger darauf legte und sich dann im Zimmer umsah.

„Wirst du uns weh tun?“

Sein Blick fiel auf das größte der Mädchen, die diese Frage gestellt hatte, und er sah sie eine Weile schweigend an, während er die Hämatome und Blutergüsse auf ihrem Körper registrierte, ehe er ein „Nein.“, von sich gab.

Azrael stand wieder auf und zog seine rechte Waffe, was die Mädchen wieder zum Wimmern brachte.

Er ignorierte das Wimmern und ging zur Zimmertüre, deren Knauf er probehalber drehte und feststellte, dass sie nicht verschlossen war.

„Es wird bald vorbei sein.“, verließ es ruhig seine Lippen, bevor er die Tür einen Spalt öffnete und auf einen verwaisten Flur blickte, den er betrat, ehe er die Türe wieder hinter sich schloss und seine Beine ihn über den weichen Teppich des Flurs trugen.
 


 

Fast zwei Stunden war er durch die Villa gelaufen, hatte sich hier und da wieder versteckt, und hatte das Sicherheitspersonal systematisch ausgeschaltet.

Natürlich hätte er auch ein paar Männer überspringen können, immerhin war er nicht gezwungen alle zu töten, solange sie ihm nicht in den Weg kamen.

Inzwischen ging es aber nicht mehr nur darum, den Baron auszuschalten, sondern auch darum zu verhindern, dass sich eine dieser widerwärtigen Gestalten den Mädchen näherte. Es war unwahrscheinlich, dass sie versuchen würden, die Kinder als Druckmittel gegen ihn zu benutzen, immerhin hatte er keine Verbindung zu ihnen, aber bei dem Gedanken, dass jemand diesen Kindern noch mehr Leid zufügen könnte, drehte sich ihm der Magen um.

Im selben Moment verfluchte sich Azrael dafür, dass er tatsächlich so etwas wie Mitleid gegenüber diesen Kindern empfand, da sie ihm im Prinzip egal sein konnten. Er kannte sie nicht und sie waren auch nicht Teil des Auftrags, und doch wollte er vermeiden, dass diese Kinder noch mehr ertragen mussten als vermutlich sowieso schon.
 

Den Drogenbaron hatte er im Keller der Villa gefunden und war von dessen erbärmlichen Auftreten angewidert. Er hasste es, wenn Menschen so taten, als hätten sie keine Schuld auf sich geladen und um ihr armseliges Leben winselten, ohne Stolz und ohne Würde.

Natürlich hatten ihn schon mehr Menschen angefleht, sie zu verschonen, aber so etwas erbärmliches sah er selten, weshalb er ohne etwas zu sagen abgedrückt und es als Befriedigung empfunden hatte, als der Körper in sich zusammen sank.
 

Sein Auftrag war erledigt gewesen, und doch war Azrael noch einmal zu dem Zimmer mit den Mädchen zurück gekehrt.

Im Nachhinein fand er seinen Entschluss, die Kinder wieder nach Hause zu ihren Eltern zu bringen, wo sie hingehörten, äußerst lächerlich. Würde das jemand erfahren, würde das vermutlich ganz schön an seinem Ruf kratzen, weshalb er ganz froh war, dass er allein arbeitete.

Er hatte die Mädchen eins nach dem anderen abgesetzt und in der Dunkelheit gewartet, bis sie in den Armen ihrer Eltern lagen, bevor er zu dem Bungalow gefahren war und seine Sachen gepackt hatte, während er dem Boss mitteilte, dass die Mission abgeschlossen war und er zurück kommen würde.
 

Er hatte den vom Boss bereit gestellten Flieger zurück nach Südkorea genommen, und war nach Hause gefahren. Seine Kleidung war inzwischen wieder trocken, aber sie fühlte sich dennoch unangenehm auf der Haut an, weshalb der einzige Wunsch, den er im Moment hegte einfach nur war, unter die Dusche zu steigen.

Nachdem er seinen Wagen in der Tiefgarage abgestellt und die Treppen nach oben gestiegen war, holte er seine Post, die auf den ersten Schein wieder nur aus Werbung zu bestehen schien, bevor er die Stirn runzelte und einen türkisen Umschlag in den Händen drehte und wendete, auf den 'Für Dich' in einer etwas krakligen und doch geschwungenen Schrift geschrieben war.

Er drehte und wendete den Umschlag noch ein paar Male, während er die restliche Post unter den Arm geklemmt, zu seiner Wohnungstüre gegangen war und diese aufgeschlossen hatte.

Die Werbung fand ihren Weg zusammen mit dem Schlüssel auf die Kommode, als er den Umschlag mit dem kleinen Finger öffnete und weiter in sein Wohnzimmer ging.
 

In dem Umschlag steckte eine Karte in derselben Farbe, die er heraus zupfte und dann betrachtete.

In goldenen Lettern stand 'Einladung' darauf gedruckt, was ihn die Stirn runzeln ließ. Er bekam nie Einladungen, zumindest keine schriftlichen.

Die Einladungen seines Bosses erfolgten prinzipiell durch Frau Kang, die Sekretärin, und die einzige schriftliche Einladung, die er jemals bekommen hatte war zum Nachbarschafts-Grillen von dem alten Ehepaar gegenüber gewesen, und das war nun auch schon ein paar Jahre her.

Er klappte die Karte auf und überflog die Informationen von Beginn und Ort der Veranstaltung, die ihm nicht viel sagten. Es handelte sich dabei anscheinend um eine Gesangsveranstaltung mit anschließender Party in einem Club. Erst als sein Blick auf die zweite Seite der Karte schweifte, wusste er etwas damit anzufangen.

In derselben Schrift wie auf dem Umschlag stand 'Bitte komm', ehe Yong Tae unterzeichnet hatte.

Im Nachhinein machte es Sinn, da der Junge eine AG in der Universität belegte, die sich wohl mit Musik beschäftigte.

Vermutlich hatte 'Für Dich' auf dem Kuvert gestanden, weil Yong Tae nicht unbedingt seinen Namen darauf schreiben wollte, sollte diesen Brief jemand zu Gesicht bekommen.

Schlauer Junge.
 

Allerdings fragte sich Azrael, was er mit dieser Einladung anfangen sollte. Er hasste Partys und vor allem hasste er schiefen Gesang. Zumal er sich fragte ob der Junge tatsächlich glaubte, er würde dort erscheinen. Wenn ja, war er dümmer, als er angenommen hatte.

Achtlos warf er die Karte auf den Glastisch vor seinem Sofa und ging weiter ins Schlafzimmer, wo er seine Reisetasche auf das Bett warf und sich neue Kleidung aus dem Kleiderschrank suchte.

Zur Abwechslung zog er sich eine schwarze Trainingshose und ein dunkelviolettes, etwas weiteres Shirt zusammen mit Shorts und Socken aus dem Schrank, bevor er den Weg ins Badezimmer antrat.

Es kam, außer zum Schlafen, selten vor, dass er sich Kleidung überwarf, die eher für die Nacht oder zum Joggen geeignet war.

Nur manchmal hatte er das Bedürfnis, sich etwas zu entspannen, wie andere Menschen in seinem Alter das eben auch taten. Er war selten entspannt, und auch wenn man es ihm nicht ansah, war er stets auf der Hut und kampfbereit.
 

Nachdem er seine Kleidung ausgezogen und zusammen mit der aus der Wäschetonne in die Waschmaschine gestopft, und diese angeschaltet hatte, stieg er unter die Dusche und drehte das Wasser heiß auf.

Der Wasserdampf beschlug sogleich die Scheiben des Spiegels und die Wände der Duschkabine, während er sich mit den Händen an den Fliesen abstützte, und nach vorne gebeugt einfach bewegungslos unter dem Wasserstrahl stehen blieb.

Automatisch wanderte seine rechte Hand über die Schulter zu einer der Narben, die über seine Schulterblätter verliefen, und strich darüber, ehe er kurz würgte und die Hand wieder weg nahm, während er sein Gesicht im gleichen Moment gegen den Wasserstrahl hielt.

Das Brennen, das das heiße Wasser auslöste, half ihm dabei, sich wieder unter Kontrolle zu bringen und er öffnete die Augen, bevor er nach seinem Duschgel griff und anfing sich einzuseifen.
 

Nachdem er sich auch die Haare gewaschen hatte, drehte er das Wasser aus und verließ die Dusche, wo er sich eines der weißen Handtücher aus dem Regal nahm und sich zuerst die Haare provisorisch trocken rubbelte, und danach seinen Körper abrieb.

Er zuckte zusammen, als ein grässliches Geräusch seine Wohnung erfüllte, und griff automatisch nach einer seiner Waffen, die er auf der Waschmaschine abgelegt hatte.

Schnell band er sich das Handtuch um die Hüften, bevor er vorsichtig die Badezimmertüre öffnete und in den Flur spähte, allerdings niemanden entdecken konnte, als das Geräusch wieder erklang.

Er folgte ihm und blieb dann im Eingangsbereich stehen, wo er die Wohnungstüre betrachtete und eine Augenbraue hob.

Bei genauerer Betrachtung hörte sich seine Türklingel wirklich abscheulich an, was er bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal richtig wahr genommen hatte. Er konnte es darauf schieben das er meistens zu erledigt war um genau darauf zu achten, oder eben darauf, dass sich die Türklingel vollkommen anders anhörte wenn der Fernseher auf voller Lautstärke lief.
 

So leise wie möglich und mit gehobener sowie entsicherter Waffe schlich er an der Wand entlang zur Wohnungstüre, um zu vermeiden, von einer Kugel getroffen zu werden, sollte jemand auf die Idee kommen, durch die Türe zu schießen.

Bei der Türe angekommen lehnte er sich nur so weit vor, dass er durch den Spion blicken konnte und ließ die Waffe dann sinken, ehe er die Verriegelung der Türe löste und diese öffnete.
 

„Was willst du hier?“

Der Junge, der vor ihm stand, knetete nervös seine Hände, während er überall hin blickte, nur nicht in Azrael's Gesicht, was ihn eine Augenbraue heben ließ.

Eine Weile lang kam nichts und es herrschte stattdessen ein schweres Schweigen, ehe Yong Tae Luft holte und den Blick auf Azrael's Brustkorb heftete, was ihm allerdings genauso unangenehm zu sein schien wie durch die Gegend zu blicken.

„Kann ich...rein?“

Er schwieg kurz, bevor er die Tür ganz aufstieß und an der Seite mit dem Rücken zur Wand stehen blieb. Das Letzte was er brauchte war, dass er der Türe den Rücken kehrte und genau jetzt jemand den Hausflur entlang ging, nur um die Flügel auf seinem Rücken zu sehen.
 

Yong Tae trat ein und schloss die Türe hinter sich, wobei er die Nervosität des Jungen förmlich riechen konnte.

Die ganze Körpersprache des Jüngeren drückte eine Nervosität und Anspannung aus, die er glaubte, beinahe greifen zu können.

Als die Türe einrastete, entfernte er sich von der Wand und sicherte seine Waffe, bevor er ins Wohnzimmer ging und sie auf den Glastisch zu dem türkisen Kuvert legte.

Er hörte wie Yong Tae ihm folgte, da er dessen Schritte, trotz dass der Junge seine Schuhe im Eingangsbereich wie gewohnt ausgezogen hatte und nun auf dem weichen Teppich lief, hörte.

„Also, was willst du?“, fragte er wieder, während er sich zu dem Anderen umdrehte und diesen abwartend ansah.
 

Dass er den Jungen eingelassen hatte, konnte man als pure Freundlichkeit auslegen. Er hasste es, wenn sich andere Menschen in seiner Wohnung aufhielten, weshalb es ihn schon einiges an Überwindung kostete einen Klempner einzulassen, wenn einmal etwas kaputt war.

Zwar war es ihm nicht mehr so unangenehm wie am Anfang, dass Yong Tae sich in seiner Wohnung aufhielt, aber er hatte trotzdem eine Abneigung dagegen.

„Ich...“, fing der Junge an und begann im selben Moment wieder damit, seine Hände zu kneten und an der Haut seiner Finger herum zu zupfen, was ihn zu einem missbilligenden Laut verleitete.

Yong Tae zuckte aufgrund dieses Lauts zusammen und Azrael verengte seine Augen zu Schlitzen, bevor er einen Schritt auf den Jungen zumachte und sich dessen Hände schnappte, als dieser erschrocken einen Schritt zurück wich.

„Lass das.“, war das Einzige was er sagte und nickte in Richtung von Yong Tae's Händen, ehe er diese wieder los ließ und seine eigene Hand an dem Handtuch um seinen Hüften abwischte.
 

Der Junge schob die Hände in seine Hosentaschen und trat stattdessen nervös von einem Bein auf das andere, während er wieder durch die Gegend sah, und Azrael sich kurzzeitig fragte, ob er heute wohl noch den Grund für diesen unangekündigten Besuch erfahren würde, oder vermutlich doch erst im nächsten Leben.

Er wunderte sich sowieso, dass der Junge einfach bei ihm vor der Tür stand. Für gewöhnlich versuchte der Jüngere ihm so gut wie nur irgendwie möglich aus dem Weg zu gehen, was er insgeheim auch begrüßte, da er nun wirklich keinen Wert auf dessen Gesellschaft legte.

Normalerweise hatten sie nur miteinander zu tun, wenn es sich nicht anders vermeiden ließ und er ihn mitnehmen musste, auch wenn er ihn am liebsten so lange in einem Hotel oder einem Tierheim abgeladen hätte, um ihn dann später wieder aufzusammeln. Eine Ausnahme war ihr Treffen im Einkaufspark gewesen.

Und genau deswegen erschien ihm dieser Besuch irgendwie seltsam.
 

„Ich kann nirgendwo hin.“

Azrael schreckte aus seinen Gedanken auf, als doch noch eine Antwort kam, und hob eine Augenbraue, da er diese Äußerung nicht nur für absurd, sondern auch für irgendwie lächerlich hielt.

„Ich kann nicht zu meinen Eltern, das hat Onkel mir untersagt, da ich sonst vermutlich nicht einmal lang genug lebe, um meine Eltern in die Arme zu schließen.“, kam es verängstigt, deprimiert und doch leicht angefressen über die Lippen des Jüngeren.

Natürlich wusste Azrael, dass das der Fall war, immerhin war er selbst dabei gewesen, als der Boss diese Regel aufgestellt und ihm den Auftrag erteilt hatte den Jungen zu töten, sollte er es doch versuchen.

„Ich will nicht mehr nach Hause.“

„Und da kommst du ausgerechnet zu mir?“, kam es spöttisch über seine Lippen, während er erneut eine Augenbraue hob.
 

Er verstand nicht warum der Junge nicht mehr in seine Wohnung zurück wollte, aber noch weniger verstand er, warum dieser ausgerechnet zu ihm kam, anstatt dass er zu irgendeinem seiner Freunde aus der Universität ging.

Yong Tae hatte eine natürliche Abneigung gegen ihn, wie sie wohl jeder gegen eine Person hatte, die damit beauftragt war, sie zu töten wenn sie nicht das tat, was man sagte.

Sein Blick wanderte zu den großen Fenstern, die auf die Straßenecke hinaus ging, deren eine Straße zum Clubviertel Seoul's führte, und er bemerkte, dass es bereits dämmerte.

Es war noch früh am Morgen und teilweise dunkel gewesen, als er wieder in Seoul angekommen war, aber inzwischen begann der Himmel sich bläulich zu färben und ein winziger Schimmer orange mit rot erschien am hinteren Ende des Horizonts, das den Sonnenaufgang ankündigte.

Unweigerlich fragte er sich, was Yong Tae um diese Uhrzeit schon auf den Beinen machte, da er um diese Zeit für gewöhnlich schlief.

Er selbst schlief meistens am Tag und war Nachts unterwegs, weswegen es für ihn die reinste Folter darstellte, den Jungen teilweise im Auge zu behalten, da er sich dadurch gezwungen sah, tagsüber wach zu bleiben.
 

„Ich war fast bis um vier Uhr morgens bei Ji Hiong zum lernen für die Prüfung nächste Woche.“, erklärte Yong Tae und Azrael konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn, anstatt auf das Panorama.

Kurz herrschte wieder Schweigen und der Junge nahm seine Hände aus den Taschen, um damit zu gestikulieren, ehe er doch wieder anfing, an der Haut an den Fingern zu zupfen.

„Azrael, da war jemand in meiner Wohnung!“, platzte es dann aus ihm heraus, ehe er wieder aufhörte, an seinen Fingern zu zupfen.

Noch bevor er fragen konnte, ob der Junge sich sicher war, holte dieser wieder Luft um weiter zu reden.

„Ich bin nach Hause gekommen und meine Türe stand einen Spalt offen, aber ich war mir sicher, dass ich sie abgeschlossen habe. Dann hab ich zwei Männer reden hören, dass ich nicht da wäre und ob sie nun warten sollten oder nicht.“

Eine Weile herrschte wieder Stille und Yong Tae blickte sich wieder nervös um, während er auf seiner Unterlippe kaute.

„Da hab ich Angst bekommen und bin abgehauen.“, beendete er seine Erzählung und sah schlussendlich auf den Boden.
 

„Wieso hast du mich nicht angerufen?“

Der Junge sah auf und ihn fragend an, während er die Stirn runzelte und wieder mit seinen Händen rang.

„Warum?“

Die Frage war so simpel wie dämlich, dass sie Azrael nicht im Geringsten überraschte, weshalb seine Mundwinkel zuckten und sich seine Lippen zu einem kalten Lächeln kräuselten.

„Damit ich sie mir vornehmen kann.“

Innerhalb eines Sekundenbruchteils wich Yong Tae sämtliche Farbe aus dem Gesicht, was Azrael bestätigte, dass er einmal wieder verdrängt hatte, mit wem er es zu tun hatte.
 

Yong Tae blieb stehen wo er war, als Azrael seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte und sich umdrehte, um wieder ins Bad zu gehen und sich anzuziehen.

Auf dem Weg dorthin entschied er sich doch dazu, in sein Schlafzimmer zu gehen, und schloss die Türe hinter sich, bevor er seinen Kleiderschrank aufriss und sich eine dunkelblaue Jeans, einen schwarzen Pullover sowie eine Lederjacke, Socken und eine Shorts heraus riss, da er zu faul war, Socken und Shorts aus dem Badezimmer zu holen.
 

Rasch schlüpfte er in die Klamotten und warf das Handtuch auf einen der Stühle in seinem Schlafzimmer, ehe er das Zimmer wieder verließ und das Badezimmer betrat, wo er sich seine Beinholster sowie die eine Waffe schnappte, bevor er wieder ins Wohnzimmer ging.

Yong Tae stand noch immer am selben Fleck wie zuvor und beobachtete ihn schweigend, während er die Holster an seinem Gürtel sowie den Oberschenkeln befestigte und die Waffen hinein schob.

Er schob seine Zigaretten in die Jackentasche und sah dann den Jungen an, bevor er an diesem vorbei ging und ein „Bleib hier.“, seine Lippen verließ.
 

Eine Bewegung im Augenwinkel ließ ihn herumfahren und Yong Tae ansehen, der mitten in der Bewegung, den Arm noch ausgestreckt in der Luft, angehalten hatte, wohl aus Angst, dass er ihm irgendwelche Knochen oder das Genick brach.

Der Grund, warum der Junge mit seinen teils unüberlegten Handlungen noch intakt war, war der, dass sich Azrael trotz der kurzen Zeit an dessen Bewegungen, seine Schritte und die Atmung so weit gewöhnt hatte, dass er seine Instinkte unter Kontrolle hatte.

Die ausgestreckte Hand vor seinem Gesicht bewegte sich vorsichtig, und er folgte ihr mit seinen Augen, bis die Hand vorsichtig den Ärmel seiner Lederjacke fasste, ehe er wieder in das Gesicht des Jungen sah.
 

„Lass mich hier nicht alleine zurück!“

In Gedanken wägte er die Wahrscheinlichkeit ab, dass man dem Jungen gefolgt war und stufte diesen als gering ein, weshalb Yong Tae allein hier bleiben konnte.

Bei dem Blick in das Gesicht des Jungen, entschied er sich allerdings dafür nachzugeben, weshalb er einen missbilligen Laut von sich gab und die Hand von seiner Jacke wischte, ehe er sich umdrehte und hörte wie Yong Tae ihm folgte.
 

Den Weg von seiner Wohnung zur Wohnung des Jungen verbrachten sie schweigend, und Azrael parkte um die Ecke am Rand des Gehsteigs, ehe er den Motor abstellte und sich zu dem Jungen rüber lehnte, was diesen dazu brachte, sich anzuspannen.

Er warf einen Blick nach oben in dessen Gesicht und öffnete dann das Handschuhfach, aus dem er zwei Schalldämpfer nahm und sich wieder auf seinen Sitz zurück lehnte, bevor er die Waffen aus den Holstern zog und in routinierten Bewegungen die Schalldämpfer aufschraubte.
 

Yong Tae folgte ihm, als er ausstieg, und nachdem der Junge die Wagentür so leise wie möglich zugeschlagen hatte, verschloss er seinen Wagen und ließ den Schlüssel in seine hintere Hosentasche gleiten.

So leise wie möglich betraten sie das Wohnhaus und er deutete dem Jungen mit einer Handbewegung hinter ihm zu bleiben, während er gleichzeitig seine Waffen entsicherte und begann, die Treppen nach oben zu schleichen.

Das Wohnhaus war ein Altbau und zu seinem Leidwesen sehr hellhörig, weshalb er jede Stufe abtastete bevor er sein Gewicht darauf verlagerte, um ein eventuelles Ächzen und Knarren der Stufen zu vermeiden.
 

Azrael sah über seine Schulter nach hinten, als er Hände auf seinem Rücken spürte, die kurz darauf zu seinen Schultern nach oben glitten.

In dem Gesicht des Jüngeren spiegelten sich Anspannung, Panik und Angst, aber seltsamerweise auch ein Ausdruck, den er nicht zuordnen konnte, während der Junge zu ihm aufrückte und fast an seinem Rücken klebte, weshalb er das Gesicht verzog, sich jedoch jeglichen Laut verkniff.

Die Wärme an seinem Rücken lenkte ihn ab, weshalb er einmal tief durchatmete als Yong Tae ihn los ließ, als sie sich vor seiner Wohnung befanden.

Mit einer Handbewegung deutete er ihm, dass er dort auf der Treppe stehen bleiben sollte, ehe er die Wohnungstüre vorsichtig aufdrückte und sich in den Flur schob.
 

Der kleine Flur der Wohnung lag still und dunkel vor ihm und er drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand gegenüber der Garderobe, durch deren Spiegel er freien Blick auf das Schlafzimmer hatte, in dem sich eine Gestalt zu schaffen machte.

Fast lautlos glitt er in das Zimmer und näherte sich der Person, die dabei war, eine Schublade in der Kommode zu durchwühlen, in der sich offenbar Socken befanden, die sie ein Paar nach dem anderen heraus zog und achtlos zu Boden warf.

Vermutlich spürte der Mann noch nicht einmal etwas, außer vielleicht einen kurzen Ruck, als sein Genick brach.

Er fing den Mann auf und legte ihn vorsichtig und leise auf den Boden. Nicht, weil er Mitleid mit ihm hatte oder es ihm Leid tat, dass er ihn getötet hatte, sondern um jegliches Geräusch zu vermeiden und weitere Eindringlinge nicht über seinen Besuch zu informieren.
 

Während er wieder auf den Flur schielte, schalt er sich in Gedanken dafür, unbehelligt geduscht zu haben, anstatt über die Kameras nachzusehen, ob in der Wohnung des Jungen alles in Ordnung war.

Er betrachtete es schon als positive Fügung, dass sie erst heute hier aufgetaucht waren und nicht, während er sich noch auf Bali befunden hatte.

Sein Weg führte den Flur entlang, wo er kurz in die Küche spähte, die verwüstet, aber leer war, weshalb er sich dem Wohnzimmer zuwandte, in dem er die zweite Gestalt ausmachen konnte.
 

Es war sein Fehler, dass er auf die Scherben der Glasscheibe von der Wohnzimmertür trat und sich damit verriet, weshalb sich der Mann zu ihm umdrehte. Er hatte sich schon auf den Boden geworfen, bevor der Schuss ertönte und die Kugel über ihm vorbei schoss und irgendwo in der Wohnung landete.

Durch das Knallen des Schusses war, vermutete er, das ganze Haus aufgewacht, weshalb er die Sache schnell zu Ende bringen musste.

Er duckte sich hinter einen alten Sessel, durch den eine erneut abgefeuerte Kugel hindurch schoss und in den Wandschrank einschlug, dessen Holzsplitter durch die Luft flogen.

Eine Weile wartete er und lauschte der Stille, ehe er sich aufrichtete und in Richtung Wohnzimmertüre schoss, als er das Knirschen von Glas auf dem Fußboden hörte. Seine Trefferquote war gut, aber er brauchte noch einen zweiten Schuss, der den Mann diesmal nicht in die Schulter sondern zwischen die Augen traf, weshalb er durch die Öffnung der Wohnzimmertüre fiel und in den Zacken aus Glas hängen blieb.
 

Azrael schob seine Waffen in die Holster und ging zu ihm, ehe er sich in die Hocke begab und systematisch die Taschen des Mannes abtastete, um etwas zu finden, das ihm sagen konnte, für wen diese Männer gearbeitet hatten, oder im besten Falle, warum sie hier waren.

Seine Bewegungen wurden langsamer und seine Muskeln spannten sich an. Er hörte nichts, aber er spürte eine Präsenz, die ihn dazu veranlasste, in einem enormen Tempo sein Bein auszustrecken und noch in der Hocke herumzuwirbeln, während er im selben Moment seine Waffe zog und zielte, als ein dumpfer Laut zu hören war.

Der Mann war wie seine Kollegen ganz in schwarz gekleidet und hatte ein Jagdmesser in der Hand, bewegte sich ansonsten aber nicht. Stattdessen verdrehten sich seine Augen und er fiel vorne über, wo er genau vor Azrael's Füßen landete.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-01-06T09:40:32+00:00 06.01.2015 10:40
Wer diese Männer wohl sind, die bei Yong eingebrochen sind?
Vielleicht welche aus der Organisation? Oder aus einer anderen Organisation mit ebenso Auftragskillern. Das wird sehr spannend. Und warum will man Yong töten? Er ist doch nur ein ganz kleiner Fisch. Vielleicht hat es etwas mit seinem Vater zu tun. Gut möglich.^^


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