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Josephine Klick - Allein unter Cops

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Kapitel 34
 

Falk war noch nicht lange gegangen, hatte mich noch nicht lange mit meinen Gedanken und den neuen Erkenntnissen alleine gelassen, als sich meine Zimmertür wieder öffnete. Schwester Kerstin kam ins Zimmer und begrüßte mich.
 

„Wie geht es Ihnen heute?“, fragte sie mich, während sie mein Tablett fürs Mittagessen in das Zimmer trug.

„Jeden Tag komm ich meiner Entlassung ein Stück näher.“

Sie lachte und stellte mein Mittagessen auf den Tisch neben mein Krankenbett. „Und ich dachte, dass es Ihnen hier gefällt.“

„Wenn man die Wahl zwischen Krankenbett und dem eigenen hat... Wer wählt da schon das im Krankenhaus?“

„Kommt wohl auf das Bett an“, scherzte sie. Sie löste den Deckel vom Tablett und schob den Nachttisch dicht neben mein Bett.
 

„Lassen Sie es sich schmecken. Ich habe Herrn Munro schon auf dem Gang rumgeistern sehen. Er kommt sie bestimmt bald besuchen.“ Während sie das Zimmer verlies murmelte sie: „Warum hält sich von Ihren Kollegen eigentlich niemand an die Besucherzeiten?“

„Das ist beruflich bedingt. Wir sind es gewöhnt zu unerwünschten Zeiten, unerwünschte Fragen zu stellen.“
 

Sie nahm die Aussage stirnrunzelnd auf, verabschiedete sich aber mit einer freundlichen Geste.

Ich musste wieder daran denken, was sie gesagt hatte. Was machte Fritz hier? Er hatte mich noch nie mitten am Tag besucht. Hatte er frei? Es war seltsam so kurz nach dem Gespräch über meine Gefühle zu Fritz ihn in meiner Nähe zu wissen.
 

Ich versuchte mich mit meinem Mittagessen etwas abzulenken, was jedoch nur bedingt funktionierte. Schwester Kerstin war jetzt mindestens seit einer viertel Stunde gegangen. Warum kam Fritz nicht in mein Zimmer? War er überhaupt wegen mir hier oder wegen des Falls? Hier waren noch zwei weitere Patienten, die er wegen des Falls aufsuchen konnte.
 

Zu wissen, dass er hier war, aber nicht vorbei sah, wurmte mich. Wenn ich schon nicht mitarbeiten konnte, wollte ich zumindest über den aktuellen Stand informiert werden. Er könnte doch wenigstens kurz in mein Zimmer kommen um `Hallo´ zu sagen.
 

Ich schob unzufrieden mein Mittagessen beiseite. Ich hatte durch das ganze Liegen sowieso schon wenig Appetit, aber ignoriert zu werden half der Sache mit Sicherheit nicht.
 

Draußen auf dem Flur hörte ich Stimmen, aber niemand öffnete die Tür. Fritz hatte bestimmt zu tun. Ich sollte meine schlechte Laune wegen der Langenweile und den Entzugserscheinungen nicht auf ihn schieben.

Ich lehnte mich wieder in mein Kissen zurück und versuchte mich zu entspannen, als plötzlich doch jemand die Tür öffnete.

„Josephine.“

Mein Kopf schnellte hoch bei seiner Stimme und ich musste einfach lächeln, als ich ihn im Türrahmen stehen sah.

„Fritz. Schön dich zu sehen.“

„Wie geht es dir?“, fragte er in sanftem Ton. „Hab gehört, die haben heute deine Medikamente abgesetzt.“
 

Mich wunderte es, dass er im Türrahmen stehen blieb. Warum kam er nicht rein? Wollte er gleich wieder los? Ich richtete mich etwas auf um ihn besser sehen zu können. Er stand an den Türrahmen gelehnt und hielt eine Mappe in seiner Hand. Er war wohl wirklich dienstlich hier.
 

„Mir geht es gut. Ich bin froh, dass ich die Schmerzmittel nicht mehr nehmen muss. So merke ich wenigstens, was mit meinem Körper los ist.“ Ich betrachtete ihn einen Moment. „Was machst du eigentlich hier? Musst du nicht arbeiten? Es ist mitten am Tag.“
 

„Ich habe eine Überraschung für dich“, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust, als er mich zufrieden anblickte.

„Bitte keine Blumen oder Schokolade. Davon hab ich schon genug im Zimmer stehen“, sagte ich und sah ihn skeptisch an. Was konnte es für eine Überraschung sein?

„Nein, viel besser. Ich bin mir sicher, dass dir das gefallen wird. Hast du Zeit oder wolltest du dich ausruhen?“
 

Ich wurde neugierig bei seinen Worten. „Was hast du denn vor?“

Er antwortete nicht, was mich verwirrte. Ich sah ihm verwundert hinterher, als er das Zimmer für einen Moment verließ und kurz danach mit einem Rollstuhl wieder den Raum betrat.

„Lust auf einen kleinen Ausflug?“, fragte er und verzog sein Mund zu einem schiefen Grinsen. Jetzt sah ich ihn perplex an. „Ich habe mit deinen Ärzten gesprochen. Die meinten, dass es kein Problem ist. Du sollst nur aufpassen, dass du dich nicht so viel bewegst.“

„Wirklich?“
 

Das konnte man wirklich einen Motivationsschub nennen. Es steigerte meine Stimmung in Sekunden. Wie konnte ich ablehnen, wenn selbst die Ärzte keine Bedenken hatten? Zumal ich mich seit Tagen danach sehnte endlich diesem Bett zu entfliehen.
 

Ich griff nach dem Bettgalgen über mir, zog mich hoch und drehte mich zur Kante. Am Rand zog ich etwas schwerfällig meine Beine unter der Decke hervor um in den Rollstuhl klettern zu können.

Ich hatte nicht erwartet, dass mein Körper so kraftlos war. Wie ein Sack Kartoffeln fielen meine Beine vom Bett und ich verlor mein Gleichgewicht. Beinahe wäre ich gestürzt, aber Fritz erreichte mich rechtzeitig und hielt mich fest.
 

„Hey, mach langsam! Die Ärzte haben zwar gesagt, dass ich dich mit dem Rollstuhl kurz entführen darf, aber wenn du dich so hektisch bewegst reißt du noch deine Wunden auf. “

„Tut mir leid.“

Durch die schnelle Bewegung pochte meine Wunde. Aber der Schmerz war schnell vergessen, als ich durch seine plötzliche Nähe ein angenehmes Kribbeln in meinem Körper verspürte.
 

„Warte, ich helfe dir...“

Fritz platzierte die Mappe auf dem Bett neben mir, beugte sich vor und ich legte meinen Arm über seine Schulter, als sein Arm meinen Rücken umfing.

„Halt dich fest“, forderte er mich auf und zog mich langsam vom Bett.

Ich spürte seinen Atem an meinem Hals, fühlte die Wärme die sein Körper ausströmte und schloss meine Augen für einen Moment. Ich hatte seine Nähe vermisst. Die letzten Tage im Krankenhaus waren seltsam gewesen. Er hatte mich oft besucht, blieb aber immer etwas Abseits stehen. Suchte er Abstand? Das bildete ich mir doch nicht ein, oder?
 

Als ich sicher saß und er sich langsam wieder von mir zurückzog ließ ich ihn nur widerwillig los. Er mied meinen Blick und stellte sich hinter den Rollstuhl, als er die Mappe griff und sie mir reichte.

„Was ist das?“, fragte ich und nahm ihm die Mappe ab. Er schob mich aus dem Zimmer und den Flur entlang.

„Ich dachte, dass du bei der Befragung vielleicht dabei sein willst.“

„Wen befragen wir?“ Ich schlug die Unterlagen auf und sichtete den Inhalt.

„Die Ärzte haben uns heute für Lisa grünes Licht gegeben.“
 

Mich überraschte es, dass wir mit Lisa bereits sprechen konnten. War ich selber schon so lange im Krankenhaus? Ich hatte die Übersicht verloren, wie viele Tage ich an dieses Bett gefesselt war. Warum hatte Falk nichts gesagt? Er musste doch davon gewusst haben.
 

„Falk hat gar nichts erwähnt...“, murmelte ich während ich weiter auf die Unterlagen vor mir blickte.

„Der hat gerade andere Dinge um die Ohren“, entgegnete Fritz ruhig. Ich musste ihm zustimmen. Es war für alle bestimmt gerade chaotisch. Mich erinnerte das wieder an den Bericht, den mir Falk heute vorgelegt hatte. Es war richtig ihn zu zerreißen. Was hatte sich Falk nur dabei gedacht?
 

„Habe gehört, dass du auch den Bericht von ihm abgelehnt hast.“

„Du anscheinen ja auch...“ Es war keine Frage und er klang auch nicht überrascht. Fritz hatte wohl damit gerechnet, dass ich ähnlich reagieren würde wie er.

„Natürlich! Was soll das bringen? Irgendeiner kriegt das früher oder später raus und dann trifft es einen nur doppelt und dreifach.“

Fritz stimmte mir zu. „Ich stehe zu meinen Fehlern. Außerdem mach ich mich doch nicht durch so etwas erpressbar.“

Ich drehte meinen Kopf zu Fritz und sah ihn an. „Traust du Falk das etwa zu?“

Er schüttelte langsam seinen Kopf, blickte weiter gerade aus. „Nein.“
 

Ein Gedanke huschte durch meinen Kopf und ich musste lächeln. „Vertragt ihr euch jetzt?“

„Geht so“, brummt Fritz und beäugte mich kurz, bevor er wieder nach vorne blickte. „Er ist sehr herrisch bei der Arbeit, aber auch sehr effizient. Wir kommen schnell voran.“

Ich drehte mich zufrieden um. Die beiden hatten die letzten Tage offensichtlich besser zusammen gearbeitet, als es vorher der Fall war.

„Hab doch gesagt, dass ihr ein gutes Team seid.“

„Wir sind kein Team!“

Ich musste bei seinem ernsten Tonfall lachen. Es würde wohl noch eine ganze Weile dauern, bis sich die beiden annähern würden.
 

Mein Blick ging wieder auf die Mappe vor mir. Ich hielt meinen Bericht in der Hand, den ich schreiben musste, nachdem Karin und ich Lisa in der Lagerhalle fanden. Bei dem Gedanken an Lisa fühlte ich Erleichterung. Ich war froh, dass sie es geschafft hatte.

„Danke, Fritz.“ Ich schlug die Mappe wieder zu und legte sie auf meinen Schoß. „Das hier ist echt das beste Genesungsgeschenk, das ich je bekommen habe.“

Ich konnte in seiner Stimme hören, dass ihn meine Worte amüsierten. „Habe ich mir doch gedacht. Bist echt die Einzige, die Arbeit als ein Geschenk sieht.“

„Lieg du mal den ganzen Tag im Krankenbett. Da suchst du auch nach Ablenkung.“
 

Er erwiderte nichts, wurde aber langsamer, als wir eine mir bekannte Station erreichten. Im Flur konnte ich in etwas Entfernung zwei Kollegen von uns stehen sehen. Dort befand sich das Zimmer von Lisa.

Auch wenn von Hannes keine Gefahr mehr drohte, konnten wir bis zu dem Gespräch mit ihr nicht ausschließen, dass weitere Personen involviert waren. Solange wir das nicht konnten, musste sie weiterhin überwacht werden.
 

Als wir die Kollegen erreichten begrüßte Fritz die Männer und sie ließen uns passieren. Wir betraten das Zimmer und ich erblickte Lisa, die aufrecht im Bett saß. Es war das erste Mal, dass ich sie mit offenen Augen und bei vollem Bewusstsein erlebte. Sie hatte uns wohl schon erwartet und lächelte Fritz und mir schüchtern zu.
 

„Hallo Lisa“, begrüßte ich sie.

„Hallo.“ Sie klang zurückhaltend und blickte etwas unsicher von Fritz zu mir. Ihr Blick verweilte länger an meinem Rollstuhl. „Herr Moser meinte, dass es sie auch erwischt hat. Er hat mir gesagt, dass sie mich zusammen mit Ihrer Kollegin ins Krankenhaus gebracht haben. Ich konnte mich noch gar nicht dafür bedanken.“
 

„Das ist auch nicht nötig. Ohne Herrn Moser hätten wir dich gar nicht finden können. Er wusste, wo du warst. Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht.“

„Mir geht es sehr gut“, versicherte sie uns. „Ich hatte einen Entzug während ich noch im Koma lag. Ich muss mich nur noch von den Medikamenten erholen, dann kann ich bestimmt bald die Klinik verlassen.“
 

Mich wunderte es, dass sie so positiv von der Entlassung sprach. Was erwartete sie außerhalb des Krankenhauses auf der Straße? Hier hatte Lisa ein warmes Bett, feste Mahlzeiten und es wurde sich gut um sie gekümmert. Aber bevor ich sie darauf ansprechen konnte begann Fritz seine Befragung.

„Du weißt, warum wir hier sind?“, fragte er Lisa. Sie nickte ihm zu und sah etwas unruhig auf ihren Schoß.

Fritz ging um meinen Rollstuhl und nahm mir die Akte ab. Er suchte ein Dokument raus und reichte es ihr. Es musste sich um das Dienstfoto von Hannes handeln. Ein anderes Bild hatte ich dort nicht gesehen. „Hat dir dieser Mann in der Lagerhalle das Mittel verabreicht?“
 

„Ja, dass ist er.“

„Kanntest du ihn schon vorher?“ Als sie mit der Antwort zögerte, trat Fritz ein wenig dichter an sie heran. Seine Stimme war beruhigend, aber auch fordernd. „Es ist wichtig, dass du uns die Wahrheit sagst. Sonst können wir den Fall nicht klären...“

„Ich habe ab und zu Drogen von ihm bekommen“, antwortete sie schließlich.

Bekommen? Drogendealer verschenken nicht einfach so ihre Ware. Mir kam die Formulierung seltsam vor und auch der Ausdruck in ihrem Gesicht. Warum wirkte sie so nervös? Fritz musste es auch aufgefallen sein.
 

„Er hat dir Drogen verkauft?“, fragte er noch einmal nach. Lisa sah ihn einen Moment an, senkte dann jedoch ihren Blick und verneinte langsam mit einer Kopfbewegung seine Frage.

Ich dachte schon, dass sie dem nichts weiter hinzufügen würde, aber dann sah sie Fritz wieder an. Ich konnte Reue und Schuldgefühle in ihrem Blick erkennen.
 

„Ich habe dafür kein Geld bezahlt... Es war eine andere Art der Gegenleistung.“

Bei ihren Worten lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich bekam Gänsehaut. Ich konnte mir vorstellen wie diese Gegenleistungen ausgesehen haben mussten, auch wenn ich hoffte, dass ich mich irrte. Die Kleine war doch gerade erst 18 geworden. Hatte Hannes sich wirklich an einer Minderjährigen vergangen?
 

„Du hast mit ihm geschlafen?“, fragte Fritz und sein Ton klang sanfter als zuvor. Ich konnte die Besorgnis hören. Wir konnten davon ausgehen, dass sie sich ihm wohl nicht an den Hals geworfen hatte. War sie auch ein Vergewaltigungsopfer von Hannes geworden oder hatte sie es aufgrund der Drogensucht einfach über sich ergehen lassen?
 

„Weißt du, ob es andere gab?“, fragte Fritz nachdem Lisa seine Fragen bejahte.

„Nein, weiß ich nicht.“

Es breitete sich für einen Augenblick Stille im Raum aus. Wir hatten durch ihre Aussage etwas den Faden verloren. Unser Anliegen war doch eigentlich zu klären, wie es zu dem Vorfall in der Lagerhalle gekommen war und ob es noch jemand anderen gab, der sie bedrohte. Sie fing von alleine wieder an zu sprechen.
 

„Ich wollte aus der Szene aussteigen, habe jemanden kennen gelernt, der mir viel bedeutet. Also bin ich nicht länger zu Hannes gegangen. Ich hab versucht alleine clean zu werden und habe mich in eine leere Baracke zurückgezogen. Rebecca wusste, wo ich bin. Sie hat regelmäßig nach mir gesehen.“

Sie machte einen Moment Pause und blickte auf ihre Hände, die sie gefaltet über ihren Schoß hielt.
 

„Hannes war sauer auf mich. Ich weiß nicht, wie er mich dort finden konnte. Wir hatten einen Streit und Rebecca ging dazwischen, als sie dazu kam. Sie drohte die Polizei anzurufen, dass sie wusste, wer er war und er im Gefängnis landen würde. Er schlug sie und sie ging zu Boden. Danach kann ich mich nicht mehr an viel erinnern. Hannes hatte mir Drogen verabreicht. Er schrie mich an, dass er mich umbringen würde, wenn ich jemanden davon erzählte. Dann dämmerte ich durch die Drogen weg.“
 

War das der Grund gewesen, warum Hannes versucht hatte sie zu beseitigen? Früher oder später hätte sie von Rebeccas Verschwinden erfahren und natürlich hätte sie ihn damit in Verbindung gebracht. Lisa war die einzige Zeugin. Sie hätte Hannes auffliegen lassen können. Das Mädchen konnte von Glück reden, dass er sie nicht am gleichen Abend mit Rebecca zusammen verschleppt hatte.
 

„Irgendwann wurde ich alleine wach. Ich hatte Angst. Aber ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Ich konnte doch nicht in der Baracke bleiben. Er wusste doch von diesem Ort. Und welcher Polizist würde einer Drogenabhängigen glauben, die gerade einen kalten Entzug macht? Ich wollte niemanden in Gefahr bringen, also habe ich mich in der Lagerhalle versteckt.“
 

Sie krallte sich in den Bettlaken fest, als ihre Hände anfingen zu zittern.

„Aber er hat dich gefunden?“, fragte ich behutsam.

Ihr lief eine Träne über die Wange, als sie mir zunickte.

„Eigentlich wussten nur Herr Moser und Rebecca, dass ich manchmal dort war und durch den Entzug war ich zu schwach mich zu wehren.“ Ihr liefen weitere Tränen übers Gesicht und ihre Stimme brach. „Er sagte, dass Rebecca wegen mir sterben musste.“
 

Wir gaben ihr einen Moment um sich wieder ein wenig zu beruhigen, bevor Fritz weitere Fragen stellte.

„Wer war die Person mit der du aussteigen wolltest? Wusste Hannes davon?“

„Nein ich habe Hannes nichts von ihm erzählt.“

„Woher kanntest du ihn?“

„Er war ein Dealer, der aufhören wollte. Ich hab nichts erzählt, weil ich Angst hatte, dass Hannes Ärger machen würde. Als wir beide aussteigen wollten, hat er mich in seine Wohnung zum Entzug versteckt, aber ich bin weggerannt, wollte nicht, dass er mich so sieht. Ich wollte es alleine schaffen.“
 

„Weiß er, dass du hier bist?“

„Nein, Herr Moser hat versucht ihn anzurufen, aber sein Handy ist aus.“

„Lisa, dir wird klar sein, dass wir ihn befragen müssen...“ Sie sah nicht glücklich darüber aus. Aber wir mussten mit ihm reden. Er konnte uns wichtige Informationen liefern. Vielleicht waren noch andere Polizisten involviert.

Als sie nicht reagierte setzte Fritz nach. „Er will doch da raus, oder? Wenn er also kooperiert und uns hilf, dann kriegen wir ´nen Deal und er bekommt keine Anzeige.“ Sie ließ die Worte eine ganze Weile auf sich wirken, bevor sie antwortete.

„Max ist sein Name. Maximilian Rother.“
 

Fritz stutzte bei dem Namen. Er sah mich kurz an, aber ich konnte seinen Blick nicht deuten.

„Du hast ihn vermutlich nicht erreicht, weil er hier auch im Krankenhaus liegt. Hannes hat ihn angeschossen“, sagte Fritz zu Lisa. Ich konnte sehen, wie die Farbe aus ihrem Gesicht wich.

War die Person von der Lisa sprach, der Student der beim Einsatz angeschossen wurde? Fritz hatte nie seinen Namen erwähnt. Aber es machte Sinn. Lisa hatte von jemandem erzählt, der aussteigen wollte.
 

„Was ist mit ihm passiert?“, fragte Lisa erstickt.

„Keine Sorge, ihm geht es gut. Er wurde, wie meine Kollegin in der Lagerhalle von Hannes angeschossen, aber seine Verletzungen heilen gut.“

Bei den Worten von Fritz beruhigte sie sich etwas.

„Können Sie ihm sagen, dass ich hier bin und dass es mir gut geht?“

„Vielleicht solltest du ihm selber eine kleine Nachricht schreiben. Das wird ihn bestimmt mehr beruhigen als meine Worte“, schlug Fritz vor und reichte ihr einen Zettel und einen Stift.
 

Wir befragten Lisa noch eine Weile. Die Bewachung durch die Polizei konnte aufgehoben werden. Aus dem Gespräch mit ihr konnten wir keine weitere Bedrohung für Lisa erkennen.

Es war zwar nur eine Befragung, aber durch die Entzugserscheinungen fühlte ich mich schlapp und hatte Probleme mich zu konzentrieren. So sehr ich den Gedanken hasste, aber ich musste dringend wieder ins Bett.
 

Wir verabschiedeten uns und sprachen anschließend mit den Polizisten und den Ärzten. Dann verließen wir die Station. Als sich Fritz wieder auf dem Weg zu meinem Zimmer machte drehte ich meinen Kopf für einen Moment zu ihm und sah ihn fragend an.

„Willst du nicht zum Jungen?“

„Ich bring dich erst zurück. Du musst dich ausruhen.“

„Nein“, widersprach ich ihm. „Erst zu dem Jungen. Er macht sich bestimmt Sorgen. Ich würde auch wissen wollen, wo du bist und ob es dir gut geht, wenn du dich in so einer Situation tagelang nicht melden würdest.“
 

Fritz erwiderte nichts, wurde aber nach einigen Schritten langsamer und schlug schließlich eine andere Richtung ein. Er ließ mich vor dem Zimmer des jungen Mannes stehen und verschwand für wenige Minuten, bevor er mich zurück brachte.

Er half mir wieder in mein Bett. Es verunsicherte mich, dass ich ihn nur zögernd losließ während er sich anscheinend nicht schnell genug von mir lösen konnte. Als ich sicher lag nahm er einige Schritte von mir Abstand.
 

„Ich werde los“, sagte er knapp und schnappte sich den Rollstuhl.

„Sehen wir uns morgen?“

„Ich hab gerade viel zu tun, aber ich sehe wieder nach dir, sobald ich ein wenig mehr Luft hab.“

„In Ordnung.“

Was blieb mir auch anderes übrig außer zuzustimmen? Aber meine Enttäuschung konnte ich nicht verbergen.
 

Er sah mich einen Augenblick wortlos an, als wenn er nach etwas suchte. Dann verabschiedete er sich aber erneut und verließ den Raum.

Ich blickte noch einige Augenblicke auf die verschlossene Tür. Auf was hoffte ich? Er würde nicht wieder ins Zimmer kommen. Das er Abstand suchte kam mir wie eine Strafe vor. Vielleicht verdiente ich es. Ich hatte das Beste, das mir seit langem passiert war, von mir gestoßen.



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