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Nichts als Lügen

Kapitel 20: Nichts als Lügen


 

Als Temari nach Hause kam, hockte Matsuri mit Kairi auf dem Fußboden im Wohnzimmer und stapelte Holzbausteine. Ihre Tochter vergaß das Spielen sofort, krabbelte auf sie zu und streckte die Arme aus. Sie hob sie hoch und drückte ihr einen Kuss auf.
 

„Und wie sieht’s aus?“, fragte ihre Freundin neugierig.
 

Sie zog das Bild aus ihrer Tasche und reichte es ihr.
 

„Oh, shit!“, stieß sie aus. „Dann hat es sich nicht erledigt?!“

„Nein“, sagte sie, „ich konnte sogar seinen Herzschlag sehen.“

„Ach, du sch…“ Matsuri brach mit Blick auf Kairi ab und verbesserte: „Ich meinte, was für ein Mist!“

„Warum?“

„Warum nicht? Oder sag bloß, du bist auch noch glücklich darüber?“

„Glücklich nicht unbedingt, aber hey, es ist mein Kind und ich liebe es, auch wenn es noch nicht viel mehr als ein zusammen gewürfelter Zellhaufen ist.“

„Wirklich?“

„Wirklich.“
 

Temari ließ ihre Tochter auf der Couch herunter und setzte sich zu ihr. Sie zog sich an der Rückenlehne hoch und hangelte sich dort entlang.

Nein, die Aussicht auf noch eins von der Sorte stimmte sie tatsächlich nicht unglücklich.
 

„Wow, dass du das einfach so gelassen wegsteckst …“, bemerkte ihre Freundin. „Für mich wäre es eine halbe Apokalypse.“

„Der Weltuntergang war für mich der Moment, als der Vater meiner beiden Kinder abgehauen ist“, erwiderte sie gefasst. „Viel schlimmer kann es also nicht mehr werden.“

„Meinst du?“

„Der Worst-Case ist eingetreten, da er mich geschwängert hat. Was soll also noch kommen?“
 

Die Haustür ging auf. Am Gang der Person erkannte sie, dass es nur Kankurou sein konnte. Was für ein perfektes Timing.
 

„Na, Schwesterherz“ – er blieb im Türrahmen stehen – „Was sagt der Arzt?“
 

Temari fing Matsuris entsetzten Blick auf, bewahrte aber im Gegensatz zu ihr die Fassung.
 

„Nicht viel“, antwortete sie beiläufig. „Alles in Ordnung. Ich soll halt abwarten.“
 

Sie wusste, dass diese Ausrede es letztendlich nur schlimmer machte, aber im Augenblick hatte sie keine Wahl.
 

„Und wie war dein erster Tag im Wachtdienst?“

„Du tust ja so, als hätte ich das noch nie gemacht“, sagte Kankurou belustigt. „Aber es ist ganz okay. Ach, und ich wurde diesmal Isamus Gruppe zugeteilt. Von daher sehe ich mal ein paar andere Gesichter.“
 

Temari spürte, wie ihr eine tonnenschwere Last vom Herzen fiel. Maki gehörte nicht in diese Gruppe und so lief er ihr höchstens zur Ablöse über den Weg. Das schloss zwar nichts hundertprozentig aus, aber es erleichterte sie ungemein.
 

„Wie kommt’s?“, fragte sie, obwohl sie den Grund natürlich kannte.
 

Sie hatte Baki, der für Gaara gelegentlich als Berater tätig war, unter einem Vorwand darum gebeten. Und das Gute daran war, dass ihr ehemaliger Lehrmeister nicht nach dem Grund gefragt hatte. Das tat er nie.
 

„Keine Ahnung. Ist mir auch wurscht.“ Kankurou ließ sich auf den freien Sessel fallen. „Ätzend nur, dass uns in zwei Wochen wieder für’n Monat die Nachtschicht zufällt.“

„Tja, da musst du durch“, kommentierte Temari gleichmütig, obwohl ihr der Gedanke nicht sonderlich gefiel, dass sie ihn dann jeden Tag so viele Stunden um sich hatte. Aber das war immer noch besser, als wenn sich Maki bei einem Kaffeekränzchen – etwas anderes machten die Wachen meist nicht – verplapperte.

„Ach, ich hab übrigens das Gefühl, dass Manabu auf dich steht.“ Ein breites Grinsen erschien auf seinen Lippen. „Er hat mich heute dreimal gefragt, wie es dir geht.“

„Manabu?“

„Dieser große, blonde, muskulöse Kerl mit dem markanten Kinn, der ständig ’ne Sonnenbrille trägt.“

„Aha“, gab sie zurück. „Und?“

„Da du Koutarou abgeschossen hast, könntest du dich mal mit ihm treffen.“ Ihr Bruder zwinkerte ihr eindeutig zu.
 

Temari juckte es in den Fingern, ihm eine zu scheuern. Doch in ihrer Lage war es besser, wenn sie die Ruhe bewahrte, bevor er noch Verdacht schöpfte. Wenn ihr Bauch wuchs, verdächtigte er sie noch früh genug.
 

„Nein, danke“, erwiderte sie. „Mit dem Thema Mann bin ich erstmal durch. Letztendlich geht’s euch doch eh nur ums Vögeln.“
 

Der letzte Satz hallte in ihrem Kopf wider.

Scheiße, wenn es Shikamaru auch nur darum gegangen war, warum hatte er sich die Mühe gemacht und war extra hergekommen, anstatt sich vor Ort eine Doofe dafür zu suchen? Für ein bisschen Sex war der Aufwand eindeutig zu hoch gewesen. Oder er war tatsächlich mit dem Vorsatz aufgetaucht, Kairi zu sehen, und das andere war einfach ein netter Nebeneffekt gewesen.

Je länger sie darüber nachdachte, desto weniger Sinn machte es.
 

„So was nennt man Bedürfnisse“, sagte Kankurou. „Und um mal Koutarou als Beispiel zu nehmen: Es ist nur natürlich, dass man nach gefühlten tausend Dates auch mal zur Sache kommen möchte. Und ich hab nicht behauptet, dass Manabu mit dir ins Bett will – zumindest nicht gleich. Er scheint mir ein anständiger Kerl zu sein. Oder, Matsuri?“
 

Die Angesprochene zuckte überrascht über die Frage zusammen.
 

„Wenn das eine Anspielung auf die lange Liste meiner Lover sein soll“ – sie seufzte und rollte genervt die Augen – „Nein, der Kerl steht nicht drauf.“

„Siehst du, Schwesterlein“ – er klatschte in die Hände – „du kannst dich also beruhigt mit ihm treffen.“

„Ich sagte nein“, wiederholte Temari ihre Aussage. „Ich hab erstmal eine Weile genug von Männern.“

„Vor drei Monaten wolltest du auch nicht und was ist passiert? Du hast Koutarou kennengelernt!“

„Und das hat sich als riesiger Fehler herausgestellt“, sagte sie. „Also lass mich damit in Ruhe. Ich will keinen Mann, ich brauche keinen Mann und ich komme großartig alleine zurecht.“
 

Lügen, nichts als Lügen.

Sie wollte nicht auf Dauer alleinerziehende Mutter sein, aber der Mann, den sie wollte und brauchte, hatte sie im Stich gelassen und eine neue Beziehung mit einem anderen kam auf gar keinen Fall in Frage. Vor allem nicht, da sie nun sein zweites Kind erwartete und nach dessen Geburt sie wahrscheinlich genauso wenig alleine zurecht kam wie nach der von Kairi damals.
 

Kankurou warf Matsuri einen vorwurfsvollen Blick zu.
 

„Sag doch auch mal was!“, forderte er sie auf. „Sie zu verkuppeln war auch deine Idee!“

„Im Gegensatz zum vorigem Mal hat sie jetzt erst seit Kurzem eine Beziehung hinter sich“, erwiderte sie ruhig. „Also lass ihr Zeit.“
 

Er zog skeptisch die Augenbrauen zusammen, murmelte ein „Weiber!“ und verließ das Wohnzimmer.
 

„Er wird sich freuen, wenn du ihm die Neuigkeit verklickerst“, sagte Matsuri.
 

Temari legte ihre Hand auf ihren noch flachen Bauch.
 

„Und wie“, entgegnete sie sarkastisch.

„Warum hast du es ihm nicht gleich gesagt?“

„Soll das ein Witz sein? Er wird völlig ausrasten, wenn ich es ihm erzähle.“

„Dann sag ihm halt nicht, von wem das Kind ist“, schlug sie vor.

„Und du glaubst ernsthaft, dass er sich damit zufrieden geben würde? Er wird mich so lange löchern, bis ich mit der Sprache rausrücke.“

„Dann ist es halt bei ’nem One-Night-Stand passiert und du weißt den Namen von dem Kerl nicht mehr.“

„Wäre ich du, würde das wahrscheinlich funktionieren“, sagte Temari beherrscht, „aber da ich nicht so bin, ist es mehr als unglaubwürdig.“
 

Ihre Freundin lenkte ihren Blick auf Kairi und sie bereute, was sie gesagt hatte.
 

„Entschuldige“, setzte sie nach, „das klang wohl sehr viel persönlicher, als ich es gemeint habe.“

„Schon okay.“ – Matsuris Grinsen wirkte so aufgesetzt, dass sie es ihr nicht einmal im Ansatz abnahm – „Ich mach mir nichts aus den Kommentaren anderer.“

„Aber aus meinen“, legte sie fest.

„Mach dir darum mal keinen Kopf.“ Sie winkte ab. „Du bist durcheinander und da muss ich nachsichtig mit dir sein. Hab’s auch schon vergessen!“
 

Das bezweifelte Temari stark, aber da sie die Zeit nicht zurückdrehen und ihre Worte unausgesprochen lassen konnte, beließ sie es dabei.

Die Zeit zurückdrehen …

Wenn das möglich wäre, würde sie sich dann an dem Abend vor fünf Wochen davon abhalten, mit ihrem Ex zu schlafen?

Ihre Finger fuhren zu der Stelle, an der sich ungefähr das kleine Würmchen befinden musste.

Nein, wenn die Option bestünde, würde sie keinen Gebrauch davon machen.
 

Matsuri wedelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht herum.
 

„Ich hab doch gesagt, dass es okay ist“, sagte sie. „Oder woran denkst du gerade?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nichts weiter.“
 

Temari kitzelte Kairi im Nacken, das Mädchen kicherte und warf sich ihr dann um den Hals. Sanft strich sie ihr übers Haar.
 

Ihre Freundin seufzte. „Du siehst auf einmal so zufrieden aus.“

„Zufrieden?“, wiederholte sie und lächelte. „Das sind nur die Hormone.“
 

Es war einfach, diesen teuflischen Biestern die Schuld zu geben, auch wenn es nicht ganz der Wahrheit entsprach.

Denn obwohl ihr Leben in den nächsten Wochen kompliziert wurde: Sie wollte es so.

Unbedingt.
 

---
 

Missmutig betrachtete Temari ihre Haarbürste. Sie hatte erst vor zwei Tagen ein Büschel daraus entfernt und heute hatten sich schon wieder so viele Haare wie sonst nach zwei Wochen darin angesammelt.

Sie zog das Gröbste heraus und beförderte es in den Kosmetikeimer, der auf dem Boden unter dem Waschbecken stand.
 

Dann griff sie nach ihrer Zahnbürste. Die Borsten waren schon ausgefranst, doch das wunderte sie nicht, so oft wie sie sie in der letzten Zeit benutzte.

Sie schraubte eine neue Tube Zahnpasta auf und musterte sie argwöhnisch. Es war die dritte Sorte, die sie in dieser Woche ausprobierte, und sie bezweifelte, dass es etwas an dem unangenehmen Nebeneffekt änderte, der sie abends vor dem Schlafengehen heimsuchte.

Temari trug sie auf, schloss die Augen und –

Nichts passierte.

Sie jubelte innerlich. Endlich konnte sie wieder ihre Zähne putzen, ohne mindestens drei Anläufe zu benötigen.
 

Sie fuhr mit der abendlichen Routine fort und gerade als ihre Euphorie verebbte, kam es wieder: Das widerwärtige, drückende Gefühl in ihrem Magen.

In wenigen Sekunden überkam sie eine solche Übelkeit, die jede Lebensmittelvergiftung im Vergleich zu einem lächerlichen Zipperlein machte.

Sie stürzte zur Toilette und verabschiedete sich von der halben Scheibe Toast, die ihr Abendbrot gewesen war und in einem zweiten Schwall von einer Menge Galle.
 

Fluchend sank sie auf den Boden.

Warum konnte es nicht so einfach sein wie damals, als sie mit Kairi schwanger gewesen war? Strahlende Haut, volle Haare, ein guter Appetit … und jetzt? Ihre Haare fielen aus und am Abend kotzte sie sich die Seele aus dem Leib, obwohl sie fast nichts aß. Diese Schwangerschaft entwickelte sich für sie zur Tortur.

Na ja, vielleicht hatte sie es nicht anders verdient. Sie war so dumm gewesen es mehrmals ohne Verhütung mit ihrem Ex zu treiben und das waren nun die Konsequenzen daraus.
 

Sie richtete sich auf und ging zum Waschbecken zurück.

Sie startete einen zweiten Versuch, ihre Zähne zu putzen, und diesmal lief es glatt. Schlecht war ihr immer noch, aber die Tatsache, dass ihr Magen leer war, bewahrte sie vor einem weiteren Brechreiz.
 

Es klopfte an der Tür.
 

„Temari“, hörte sie Kankurou ungeduldig sagen, „wie lange brauchst du denn noch? Meine Schicht beginnt in einer halben Stunde!“

„Bin sofort fertig“, rief sie zurück.
 

Sie spülte sich den Mund aus und wusch sich die Hände. Ein letzter Blick in den Spiegel und ihr bleiches Gesicht ernüchterte sie. Wenn das noch Tage so weiterging – und daran hatte sie keine Zweifel – wurde das Misstrauen ihres Bruders eher geweckt, als ihr lieb war.
 

Sie löste die Verriegelung und drückte die Klinke herunter.
 

„Was machst du da drinnen eigentlich?“ Kankurou musterte sie mit einer gehörigen Portion Skeptik. „Du schließt dich sonst nie ein.“

„Ja, ’tschuldige, dass ich auch mal ein bisschen Privatsphäre auf dem Klo haben möchte“, erwiderte sie ironisch.

Er ignorierte ihre Bemerkung und fragte: „Hast du dich eben übergeben?“

„Ja, und? Musstest du dich das noch nie?“
 

Sie spürte, wie er ihr eine Hand auf die Schulter legte.
 

„Du siehst krank aus“, meinte er besorgt. „Versprich mir, dass du morgen früh gleich zum Arzt gehst.“
 

Innerlich atmete sie auf. Er schien wirklich nicht den Hauch einer Ahnung zu haben. Noch.
 

„Okay“, sagte sie in dem Wissen, dass sie es nicht tun würde. „Dann gute Nacht.“

„Sehr witzig.“ Kankurou verzog das Gesicht und grinste im Anschluss. „Schlaf dich aus.“

„Mal sehen, ob Kairi mich lässt“, erwiderte Temari und wandte sich ab. „Viel Spaß bei der Nachtschicht!“
 

Als sie ging, gesellte sich zu der Übelkeit ein allgemeines Unwohlsein. Es gefiel ihr nicht, dass sie so unehrlich zu ihm war, obwohl sie ihm mit Kairi so viel verdankte. Nein, anstatt ihm die Fakten zu präsentieren, machte sie es mit jeder Lüge noch schlimmer.

Lügen … Bis jetzt hatten sie ihr nur Unglück gebracht.

Warum sollte das in diesem Fall anders sein?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich danke fürs Lesen! :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fahnm
2015-04-08T20:35:17+00:00 08.04.2015 22:35
Spitzen Story.^^
Antwort von:  Rabenkralle
09.04.2015 12:35
Danke!
Von:  Stef_Luthien
2015-04-08T16:07:38+00:00 08.04.2015 18:07
Bitte, bitte, bitte lass Kankuro nicht ausrasten, wenn er erfährt, dass Temari wieder schwanger ist und dann schon wieder von Shikamaru :)
Ich finde es echt prima, wie Kankuro sich um seine Schwester sorgt, aber bei manchen Sachen macht er ihr es auch schwer ;)
Cooles Kapitel:)

LG,
Asuna
Antwort von:  Rabenkralle
08.04.2015 21:52
Dankeschön für dein Review! :)
Einen Grund hätte Kankurou schon und er ist ja von Charakter her eher weniger zimperlich, aber lass dich einfach überraschen. :D
Das stimmt. Wahrscheinlich hätte sie eine Sorge weniger, wenn er nicht so engagiert wäre

Liebe Grüße,
Rabenkralle
Von:  Micah_Mc_Kogane
2015-04-08T12:27:51+00:00 08.04.2015 14:27
Arme Temari, dass es für sie so viel schwerer ist als bein ersten mal und dann auch noch das sie ihren Bruder anlügen muss.. Sie tut mir Leid. Ich hoffe das sich ihr Zustand (?) verbessert und das wenn Kankuro dahinter kommt nicht zu schlimm reagiert. Ich wünsch ihr viel Glück, echt jetzt ^^
Fantastisches Kapitel und ich kann das nächste kaum erwarten :3 ^-^
Antwort von:  Rabenkralle
08.04.2015 21:51
Dankeschön für deinen Kommentar! :)
Sie ist wirklich in einer weniger guten Situation und mit ihren Lügen macht sie es nicht gerade besser. Kankurou hätte natürlich jedes Recht auszurasten, aber mal gucken. ;D

Liebe Grüße,
Rabenkralle


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