Ein großer Fehler
Mit Müh und Not bekomme ich Tenten soweit beruhigt, dass sie mir erklären kann, was ihren Zustand ausgelöst hat. Ich habe das Mädchen noch nie so erlebt. Zugegeben, ich kenne sie auch erst eine Woche, doch sie kam mir bisher immer sehr taff vor. Diese Seite an ihr erschreckt mich ein bisschen, auch wenn mir klar ist, dass auch starke Menschen weinen. Es bricht mir das Herz, sie so zu sehen.
Während sie mir erzählt, was passiert ist, streiche ich ihr fürsorglich über den Rücken.
~ Tentens POV ~
Ich wusste es von Anfang an, dass es eine blöde Idee war, mit Ino Wahrheit oder Pflicht zu spielen, da ich es mir denken konnte, dass sie sich irgendwas Gemeines aussuchen würde, wenn ihr das Spiel zu langweilig wurde. Und als dann diese Flasche auf mich zeigte und meine Aufgabe ausgesprochen wurde, war ich wirklich kurz am Überlegen, einfach Drama-Queen-mäßig auf mein Zimmer zu gehen. Ich empfand die Wahl – sich ausziehen oder jemanden küssen – etwas dürftig und wog kurzzeitig die Pros und Contras ab. Schließlich stand mein Entschluss spätestens nach der Frage, welchen BH ich gerade überhaupt anhatte, endgültig fest, dass ich mein Oberteil lieber anbehalten sollte.
Ich sah mich im Raum um. Naruto kam als Küsspartner nicht in Frage, weil ich irgendwie das dumpfe Gefühl hatte, Hinata würde mir beide Beine brechen, wenn ich das wagen würde. Mit Sai hatte ich kaum ein Wort gewechselt und Shikamaru war irgendwie so gar nicht mein Typ. Gaara fand ich ein bisschen unheimlich und Sasuke – so schnuckelig er auch war - konnte ich auch vergessen, da ich nicht in einem Beziehungsdrama landen wollte, das gerade gerüchteweise seine Runden machte. Ob Sasuke nun mit Sakura oder mit Karin was anfing, konnte mir ja auch egal sein.
Und wer blieb noch als Kandidat im Raum übrig? Richtig! Neji.
In den letzten Tagen hingen wir öfter mal zusammen ab, der Kerl schien cool drauf zu sein – sportlich und intelligent. Eine seltene Mischung bei der Spezies Mann. Also wenn man es genau betrachtete, war er keinesfalls eine schlechte Wahl. Neji schien kein besonders emotionaler Typ zu sein, seine wahren Gedanken waren anhand seiner Mimik nicht zu deuten. Wahrscheinlich gab er einen perfekten Poker-Spieler ab.
Ich ließ mein Oberteil los, das ich bereits am Saum gepackt hatte, um es mir über den Kopf zu ziehen, und ging auf Neji zu. Ich wollte das so schnell wie möglich über die Bühne bringen, damit mein armes Herz, das gerade gefühlt einen Hürdenlauf veranstaltete, sich wieder beruhigen konnte. Wir waren schließlich alle hier, um eine Schauspielkarriere zu beginnen – früher oder später würde ich noch viele Fremde küssen müssen, da würde ich auch kaum eine Wahl haben. Obwohl Neji als Fremden zu bezeichnen wahrscheinlich auch nicht ganz richtig war, dafür hatte ich ihn bereits ganz gut kennengelernt. Na, das war doch sogar noch besser! Wir würden danach zusammen darüber lachen und die Sache war gegessen. Ja, so würde es funktionieren!
Neji saß nur zwei Schritte von mir entfernt und unterhielt sich leise mit Gaara. Ich nutzte die Chance, dass er gerade seinen Cocktail wegstellte, beugte mich über ihn und drückte kurz meine Lippen auf seine. Sehr sinnlich kam das sicherlich nicht rüber, allerdings war das auch nicht Teil der Aufgabenstellung. So schnell ich konnte und ohne Blickkontakt zu irgendjemandem im Raum, entfernte ich mich von Neji und ließ ich mich wieder auf meinem Platz nieder. Zugegeben, es fühlte sich schon nicht schlecht an und mein Herz schlug seitdem noch schneller, doch das war sicherlich nur die Aufregung.
Ich merkte, wie mich meine Spielpartner mit großen Augen anstarrten und mein Gesicht glühte. Die Musik im Hintergrund – irgendwas Schnelles – nahm ich nur am Rande war, da es in meinen Ohren rauschte. Ich schnappte mir die Flasche und drehte sie. Glücklicherweise zeigte sie auf Ino, so konnte ich ihr das mal mit gleicher Münze zurückzahlen. Wobei … wahrscheinlich würde ihr das auch noch gefallen! Ich wollte, aber dass sie litt. Liegestütze oder Sit-ups, oh ja!
Noch bevor ich meine Aufgaben an Ino weitergeben konnte, spürte ich, wie mich jemand von hinten an die Schulter tippte. Ruckartig drehte ich meinen Kopf nach hinten und beobachtete, wie Neji sich erhob und Richtung Tür ging. Mit einem Blick bedeutete er mir, ihm zu folgen.
Mein Herz rutschte in die Hose, als ich mich schließlich wortlos erhob und mit ihm auf den Flur trat.
Leise schloss er die Tür hinter uns und sah mich stumm an. Seine Miene war wie gewohnt undefinierbar.
„Hör mal“, begann ich und hob meine Hände abwehrend, „Ino hat mir da drin eine Aufgabe gestellt und ich bin so schlecht in Aufgeben. Es hieß, ausziehen oder jemanden küssen. Und du stimmst mir doch sicherlich zu, dass küssen das kleinere Übel von beidem ist oder?“ Ich hatte ein bisschen das Gefühl, ich würde mich um Kopf und Kragen reden. Doch warum? Er schwieg weiterhin und das machte mich leicht wütend.
„Hast du mich nun rauskomplimentiert, um mich doof anzugucken oder wolltest du reden?“, fragte ich schnippisch und verschränkte demonstrativ meine Arme.
Er atmete tief durch und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Oder aber ich nervte ihn tierisch. Schließlich sagte er langsam: „Warum mich?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Du erschienst mir als die beste Wahl.“
Sein Blick nagelte mich fest. „Also hat es nichts zu bedeuten?“
Ich schluckte. Warum stellte er eine solche Frage? „Ich denke nicht.“ Mein Herz schlug mir wieder bis zum Hals.
„Dann“, sagte er mit einer Stimme, die bei mir sofort Gänsehaut verursachte, machte ein paar Schritte auf mich zu und zog mich an meiner Hüfte näher zu sich heran, „wird das nun auch nichts bedeuten.“ Seine Lippen trafen auf meine, ehe ich überhaupt die Chance hatte, diese Situation zu realisieren. Mein Magen schlug Purzelbäume, als ich seine Zunge an meinen Lippen spürte, und er mich mit sanfter Gewalt gegen die Wand drückte. Und auch wenn mein Verstand überrumpelt wurde, so wusste zumindest mein Körper, was Sache war. Lust überspülte meine Sinne und ich bäumte mich ihm entgegen. Meine Hände wanderten in seinen Nacken, um ihn näher an mich zu ziehen. Alles in mir kribbelte. Er schmeckte nach Alkohol und Sehnsucht.
Neben uns hörte ich ein leises Quieken, ehe die Tür geräuschvoll ins Schloss fiel.
Nejis Kopf drehte sich ruckartig von mir weg und ich verspürte sofort ein Mangelgefühl, sodass ich meine Hand an seine Wange legte, sein Gesicht wieder zu mir drehte und ihn wieder fordernd küsste. Ich wollte mehr – doch Neji löste sich abermals von mir.
Unsicherheit sprach aus seinem Blick. Ich lächelte ihm aufmunternd zu, versuchte ihm klar zu machen, dass alles okay für mich war. Er legte seine Stirn an meine und schloss seine Augen. Er schien mit sich zu hadern. Gerade noch war er so dominant, aber nun hielt ihn irgendwas zurück. Doch ich wollte nicht warten! Bestimmend schob ich ihn von mir weg, nur um dann seine Hand zu nehmen und ihn hinter mich her zu ziehen. Er sah zwar etwas perplex aus, folgte mir jedoch ohne Widerrede. In meinem Zimmer angekommen, schloss ich die Tür hinter uns ab und schubste ihn sanft aufs Bett. Innerhalb von Sekunden entledigte ich mich meines Oberteils und der Hose. Ich wusste nicht, woher ich plötzlich den Mut hatte, so aufzutreten, doch ich tat es und ich fühlte mich in diesem Moment wirklich attraktiv. Nur in Unterwäsche bekleidet krabbelte ich aufs Bett und verharrte so auf allen Vieren über Neji, nur um ihn anschließend mit einem leidenschaftlichen Kuss einzufangen, den er erst zögerlich, dann aber nicht minder genussvoll erwiderte.
Seine Hände wanderten von meiner Taille zu meinem Po, streichelten meine Oberschenkel hinab und folgten dem gleichen Weg wieder zurück. Gänsehaut überspannte meinen gesamten Körper und ließ ihn erbeben. Mit einer Hand öffnete ich die Knöpfe seines Hemdes, ohne jedoch den Kuss zu unterbrechen, und streifte er es ihm von den Schultern. Um mir dabei zu helfen, setzte er sich auf, sodass ich nun rittlings auf ihm saß. Seine Berührungen hinterließen brennende Spuren auf meiner Haut. Ich gab mich ganz diesem wunderbaren Gefühl hin, ich ließ mich fallen …
Als ich meine Augen mit den ersten Sonnenstrahlen aufschlug, waren Kopfschmerzen das erste, das ich bewusst wahrnahm. Ich setzte mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Mein Körper fühlte sich ausgelaugt an, als hätte ich bereits mein morgendliches Training und mehr hinter mir. Kurz erschrak ich, als sich neben mir etwas regte, doch da erinnerte ich mich wieder: an die Hitze, an die Gefühle, an Neji. Ich lief rot an und zog die Decke höher, da mir bewusst wurde, dass ich komplett nackt war. Vorsichtig schielte ich in seine Richtung und sah, wie er sich aufsetzte und sich mit einer Hand durch das lange Haar fuhr. Dann zischte er etwas Undefinierbares und stand auf. Eilig sammelte er seine Klamotten zusammen und begann, sich anzuziehen.
Mein Herz wurde kurz schwer und ich setzte mich vorsichtig auf.
„Was ist los?“, fragte ich krächzend und merkte, wie ausgedörrt meine Kehle eigentlich war.
Neji wirbelte herum. „Du bist schon wach?“ Seine Stimme klang gepresst. Er ballte seine Hände zu Fäusten, seine gesamte Haltung wirkte distanziert.
Aus irgendeinem Grund wurde es kalt um mich herum.
„Es war ein Fehler, Tenten“, sagte er und fuhr sich abermals durchs Haar.
Und dann brach die Welt schlicht über mir zusammen.
~ Sakuras POV ~
„Ich fühle mich wie eine Schlampe“, schluchzt Tenten, ihr gesamter Körper zittert wie Espenlaub.
„Nein, das bist du nicht!“, sage ich bestimmt. „Du bist keine Schlampe, nur weil ihr ein Mal Sex hattet.“ Ich packe sanft an den Schultern. „Aber warum meint er, war es denn ein Fehler?“
„Weil er eine Freundin hat!“, ruft sie und ich erstarre.
Das … ist echt scheiße.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll und umarme Tenten stattdessen nur.
Plötzlich klopft es an der Tür. Ungünstiger Zeitpunkt. Schnell laufe ich hin und öffne einen Spaltbreit. Vor mir steht Hinata und sieht müde aus.
„Hast du Tenten gesehen? Neji sucht sie.“
Ich schaue nach links und rechts, vergewissere mich, dass niemand sonst da ist, packe Hinata an der Hand und ziehe sie wortlos in mein Zimmer. Überrascht folgt sie meiner Bewegung und legt bestürzt ihre Hände an den Mund, sobald sie die aufgelöste Tenten auf meinem Bett sitzen sieht. Sofort eilt sie zu ihr und setzt sich an ihre Seite.
„Was ist passiert?“ Hinatas Stimme überschlägt sich.
Doch Tenten antwortet nicht, sondern weint nun noch mehr.
Ich stelle mich zu den beiden. „Wusstest du, dass Neji eine Freundin hat?“
Hinata wird bleich. „Was?“ Sie schaut von mir zu Tenten und wieder zurück. „Nein! E-Er hat mir gegenüber nie eine Freundin erwähnt!“ Ihre Hand streichelt unaufhörlich über Tentens Rücken, so wie sie es vorhin im Esszimmer bei Naruto gemacht hat.
„Jetzt weißt du es“, sage ich seufzend.
Hinatas Hand zittert. „Was ist geschehen?“ Ich höre es heraus, sie ahnt es.
„Ich habe mit Neji geschlafen“, krächzt Tenten und vergräbt ihr Gesicht wieder in ihren Händen.
Hinata wird noch eine Spur bleicher und erstarrt in ihrer Bewegung.
Ich hole noch eine Packung Taschentücher aus dem Bad und merke, wie meine eigenen Gedanken zu Sasuke abdriften. Was ist, wenn er auch eine Freundin zu Hause hat, die auf ihn wartet? Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen.
Wir bleiben bei Tenten, bis sie eingeschlafen ist. Vorsichtig decke ich sie zu, hole ein Glas Wasser und hinterlasse ihr dieses zusammen mit einer Nachricht auf dem Nachttisch, damit sie sich keine Sorgen macht, wenn sie wieder aufwacht.
Leise schließe ich die Tür hinter mir und schaue in die verunsicherten Augen Hinatas. Sie zupft nervös an ihrem Armband.
„Ich wusste wirklich nichts von einer Freundin“, flüstert sie.
Ich lege ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Ich glaube dir. Und ich denke, Tenten weiß das auch. Neji ist ein erwachsener Mann, der sollte sich seiner Taten bewusst sein.“
„Was hat Neji angestellt?“, höre ich hinter mir Sasukes Stimme und alles an meinem Körper verkrampft sich schlagartig. Irgendwie ist das alles gerade ein bisschen zu viel für mich.