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Liebe triumphiert

von

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Du allein


 

Du allein
 

Anissina war inzwischen in das Gemach gegangen, das sie hier auf Blood Pledge Castle bewohnte. Sie hatte eine Entscheidung getroffen.

‚Dass gerade ich mich so lange davor gescheut habe, ist eigentlich ein Skandal.‘

Und doch stand sie – vielleicht weil sie es sich auch selbst nicht hatte eingestehen wollen – immer noch etwas zögernd vor dem leuchtend roten Jungfernkleid, das auf ihrem Bett lag.

‚Geh nach vorn! Tu, was du tun musst! Tu es für dich – und für alle Frauen dieses Reiches!‘
 

Yûri hatte sich inzwischen – begleitet von dem ganzen „Beraterstab“ aus seinem Arbeitszimmer – in den Innenhof begeben, wo Cherie-sama die Gäste ablenkte und bei Laune zu halten versuchte.

„Heika!“

Doch merklich erleichtert lächelnd kam die ehemalige Regentin auf den amtierenden Dämonenkönig zu.

„Ich bin froh, dass Ihr da seid. Die Herren… sind bisher ruhig geblieben, aber sie werden sich ohne eine Entscheidung wohl nicht beruhigen.“

Yûri musste die Worte erst einmal ordnen, ehe er nickte. Die Geschichte, die Yozaku ihnen erzählt hatte, hatte ihn so eingenommen, dass er die einander beschuldigenden Adligen fast vergessen hatte.

„Gut, Cherie-sama, danke, aber… darum geht es erstmal nicht.“

Verwirrt legte die Ex-Maô den Kopf schief.

„So? Worum geht es dann?“

Yûri zögerte. Gerade weil er sich ein solches Handeln bei Cherie-sama nicht vorstellen konnte, wusste er nicht, wie er das jetzt ausdrücken sollte. Doch wie nahezu immer, wenn Yûri keine Worte fand, übernahm Wolfram das für ihn – in sehr deutlicher Art und Weise.

„Hast du Konrad versagt, Anissina zu heiraten?“

Innerlich stöhnte Yûri auf.

‚Memo an mich: Wolfram niemals wichtige Verhandlungen führen lassen!‘

„Was? Wie… wie kommt ihr darauf?“

Erschrocken sah Cherie-sama von einem zum anderen.

„Nun…“

Gwendal versuchte mit seiner abgeklärten Art etwas Ruhe reinzubringen, damit niemand weiter auf dieses Gespräch aufmerksam wurde.

„Wir haben aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass Konrad damals, als du regiert hast, bei dir vorgesprochen hat, damit du dich bei Lord von Karbelnikoff für ihn verwendest und dieses heimliche Spiel eine Ende hätte finden können. Doch du sollst ihn abgewiesen und gesagt haben, du hättest dich von den Lords gelöst und würdest nie bitten – auch nicht für ihn. Kurz darauf ist er dann Richtung Rutenberg gezogen.“

Jetzt wurde die Mutter der drei ungleichen Brüder leichenblass. Sie schien die Worte, die Gwendal möglichst genau zitiert hatte, wiederzuerkennen.

„Aber… aber… da ging es doch nicht… Oh Shinou, es ging um Anissina?“

Nun war es an der Männergruppe verwirrt zu sein.

„Was nahmt Ihr an, um wen es sich handeln sollte?“, fragte Günter, um irgendwie Licht in dieses Dunkel zu bringen.

„Na… um Julia.“

„Julia?“

Natürlich wusste Yûri um Suzanna Julia von Wincott, aber er befürchtete, dass es nun mit ihr im Spiel noch komplizierter würde.

„Ja.“

Cherie-sama nickte und versuchte, sich zu fassen, um sich zu erklären.

„Konrad… Nach seiner Ausbildung zum Schwertmeister bestand er auf eine Versetzung an den Hof der von Wincotts. Es gab schnell… Gerüchte, dass die Verbindung zwischen ihm und Julia nicht nur rein… ehrerbietender Natur war.“

Das Nicken seitens Gwendal, Günter und Wolfram bestätigte, dass der Klatsch damals wohl tatsächlich ziemliche Dimensionen angenommen hatte.

„Julia war damals schon mit Adalbert von Grantz verlobt und… Stoffel meinte, dass wir uns einen Skandal solcher Art nicht leisten könnten.“

Bei der Erwähnung ihres Onkels verfinsterten sich die Mienen von Gwendal und Wolfram, doch sie schwiegen.

„Was für ein Skandal?“, fragte Yûri, doch an Cherie-samas Stelle antwortete Günter mit seiner Erklärungsvermutung.

„Der Skandal, wenn Lady Julia ihren Verlobten für Konrad verlassen hätte. Zwar hätte er, um Julia heiraten zu können – gegen den Willen ihres Vaters – der Zustimmung einer höheren Instanz bedurft, aber dies war ja alles andere als unmöglich, wenn die eigene Mutter Dämonenkönigin ist.“

Cherie-sama nickte.

„Stoffel warnte mich, dass Konrad zu mir kommen und mich um mein Wort gegen den Lord bitten würde – und kurz darauf stand er tatsächlich vor mir und… bat mich um genau dies.“

„Aber es ging doch nicht um Julia!“

Yûri verstand immer noch nicht ganz.

„Aber das hat er nicht gesagt.“

Überrascht wandten sich alle zu Gwendal um.

„Wenn ich die genauen Worte im Kopf durchgehe, wie sie uns… die Quelle genannt hat, dann hat Konrad nur von ‚dem Lord‘ gesprochen. Und dass es nicht zu spät wäre, wenn Mutter für ihn bitten würde. Er hat keinen Namen genannt. Und durch Stoffels vorherige… Intervention hat Mutter wohl angenommen, dass es sich um Julia handelt, während Konrad von Anissina gesprochen hat.“

Fassungslos sahen sich alle an. Das machte Sinn! Erschreckenden Sinn! Es war alles ein großes, tragisches Missverständnis gewesen.

„Aber warum hat er sich an den Hof der von Wincotts versetzen lassen?“

Das ergab für den jungen Maô noch keinen Sinn. Für Günter mittlerweile anscheinend schon.

„Der Hof der von Wincotts und der der von Karbelnikoffs liegen nicht sehr weit voneinander entfernt. Ein gutes Pferd schafft die Strecke in weniger als zwei Stunden. Vermutlich… wollte er keine Gerüchte bezüglich sich und Anissina schüren und… hatte das Vertrauen darin, dass sich das über ihn und Julia geben würde, da ja wirklich nichts war.“

Ein fataler Irrtum – auch durch Julias frühen Tod.

„Und was machen wir…“

„Heika!“

Außer Atem kam Yozaku vor ihnen zum Stehen. Yûri hatte ihn nach dem Gespräch losgeschickt, um Konrad zu suchen.

„Yozaku, was ist los?“

„Konrad!“, keuchte der Spion. „Er duelliert sich mit so einem Tier von Schwertmeister in den Diensten Lord von Hillers!“

„Was?“, fuhr Gwendal an Yûris Stelle auf. „Wieso hast du ihn nicht aufgehalten?“

„Wollte ich ja, aber…“

Yozaku zuckte hilflos mit den Schultern.

„Er war zu allem entschlossen und hat mich weggeschickt. Nicht mal als Sekundant sollte ich bleiben. Da dachte ich, ich muss Euch holen.“

„Dann los!“, rief Yûri so laut, dass nun auch die restlichen Leute auf dem Hof darauf aufmerksam wurden. „Durch’s Schloss, das geht…“

Er verstummte mitten im Satz, denn am oberen Ende der Treppe war Anissina erschienen – in einem leuchtend roten Kleid, wie man es sich bei einer adeligen Jungfrau im mittelalterlichen Europa vorstellte. Sie war blass und schaute sehr ernst, doch es war nicht zu erkennen, ob sie mitbekommen hatte, in welch gefährliche Lage sich Konrad ihretwegen begeben hatte.

„Anissina!“

Überraschend erklang die Stimme ihres Bruders, der nun zu ihnen trat.

„Du… du trägst ja das Übergabegewand!“

Fragend sah Yûri zu Günter, der ihm flüsternd erklärte.

„Es ist das Gewand, das unter den Frauen einer Familie vererbt wird und das sie tragen, wenn sie sich einem Mann versprechen. Also in gewisser Weise ein Verlobungsgewand.“

Was auch weniger objektbezogen klang als Übergabegewand.

„Dann hat sich die Lady also entschieden.“

Mit einem selbstgefälligen Grinsen trat Lord von Hiller neben Anissinas Bruder.

„Auch wenn Euch das trotzdem nicht billig kommen wird.“

Anissina ignorierte die letzte Bemerkung und nickte.

„Ja, ich habe mich entschieden.“

Sie atmete noch einmal tief durch und hob dann den Kopf.

„Du allein gibst mir Kraft zu leben. Und die Welt ist wunderschön, wenn wir zusammen sind. Nie zuvor war mir so klar: Nur du allein gibst mir Kraft zu leben. Nimm mich, halt mich, fühl mich, spür mich und versteh mich, denn ich weiß es jetzt genau… ganz genau.“

Spätestens jetzt brauchte man nicht mehr zu raten, dass sie nicht von Lord von Hiller sondern von Konrad sprach.

„Hier bin ich…“

Mit einer Hand wie zur Beruhigung auf ihr Herz gelegt, trat sie ein paar Stufen hinab.

„…suche dich! Jeder Tag ohne dich ist ohne Hoffnung. Doch mit dir wird’s endlich hell in mir. Du bist das Licht in meinem Leben.“

„Sie bricht mit ihrer Familie.“

Wolfram flüsterte zwar, doch Yûri glaubte, tatsächlich so etwas wie Bewunderung aus der Stimme des jungen Prinzen herauszuhören.

„Sie ist bereit, all ihre Ansprüche und Titel für Konrad abzulegen.“

Yûri sah wieder zu Anissina auf. Wenn es tatsächlich das bedeutete, dann bewunderte er sie zutiefst für ihren Mut.

„Du allein gibst mir Kraft zu leben. Und die Welt ist wunderschön, wenn wir zusammen sind. Du allein kannst mein Leben bewegen.“

Sie wusste, was für Konsequenzen diese Worte hatten – und entgegen der Vermutung der anderen hatte sie gehört, dass Konrad sich duellierte. Und sie kannte den Schwertmeister der von Hillers, welcher auch für schmutzige Tricks bekannt war. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wenn Konrad ihretwegen etwas geschah, als sich plötzlich die kleine Gruppe von Bediensteten auf der einen Seite des Hofes teilte und Konrad – mit durchaus schmutziger Uniform aber auf den ersten Blick unverletzt – auf die Treppe zutrat.

„Anya, ich hab dich gesucht. Ist alles okay?“

Er hatte ihre Worte nicht gehört und das Kleid konnte auch etwas Schlimmes bedeuten.

„Ich bin okay. Aber meinetwegen hast du verloren.“

„Das stimmt nicht. Deinetwegen hab ich gewonnen.“

Im Hintergrund humpelte von Hillers Schwertmeister wütend grummelnd zu seinem Herrn hinüber.

„Du hast gewonnen?“

Anissina konnte ihr Glück kaum fassen. Mit einem Sieg im Duell, das von Hiller offenbar abgesegnet hatte, hatte Konrad dessen Anspruch auf eine Ehe mit Anissina zunichte gemacht – ob er selbst sie heiratete oder nicht.

„Ich hab gewonnen.“

Lächelnd zog er ein Tuch aus seiner Jackentasche, das ihr gehörte. Die ritterliche Tugend, das Tuch der Herzensdame mit sich zu führen, wenn man auszog ihre Ehre zu verteidigen. Das Tuch auf seine Hand gelegt streckte er diese nach ihr aus.

„Komm!“

Langsam trat sie die Treppe hinunter.

„Hier bin ich…“

„Hier bin ich…“

„…suche dich.“

„…suche dich.“

„Jeder Tag ohne dich war ohne Hoffnung.“

Als sie am Fuß der Treppe angekommen war, sank Konrad auf ein Knie nieder und küsste in sanfter Formvollendung ihren Handrücken.

„Doch mit dir wird’s endlich hell in mir.“

Auf ihren Wink hin erhob er sich wieder, legte die Hand unter ihr Kinn und hob es so leicht an.

„Du bist das Licht in meinem Leben.“

Fest umschlangen sie die Hände zwischen sich.

„Du allein…“

„…nur du allein…“

„…gibst mir Kraft zu leben. Und die Welt ist wunderschön, wenn wir zusammen sind.“

„Selbst die Nacht ist für mich hell.“

„Selbst die Nacht ist für mich hell.“

„Nur du allein gibst mir Kraft zu leben.“

Sie ließen die Hände los, er legte die Arme um ihre Taille, sie die Hände auf seine Brust.

„Nimm mich, halt mich, fühl mich, spür mich und versteh mich! Und wir werden’s schaffen. Wir allein.“

Denn im Zweifel würde ihnen – sollte Anissinas Bruder sie verstoßen und Konrad die Konsequenzen für den Verstoß gegen das Duellverbot tragen müssen – nichts anderes übrig bleiben.



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