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Liebe triumphiert

von

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Solang' ich dich hab

„Das ist nicht wahr, oder?“

Stöhnend legte Yûri an seinem übergroßen Schreibtisch den Kopf in die Hände.

„Ich fürchte doch, Heika.“

Auch Gwendal schien von der Nachricht nicht unbedingt entzückt.

„Lord von Karbelnikoff hat sich heute Morgen ankündigen lassen. Sich und… den Kandidaten.“

„Hatten wir denn das letzte Mal nicht genug Chaos?“

Oh ja, Chaos war fast noch untertrieben, wenn man bedachte, was sich in Blood Pledge Castle abgespielt hatte, als Lord Densham von Karbelnikoff das letzte Mal versucht hatte, seine exzentrische Schwester Anissina politisch wertvoll zu verheiraten. Nein, so etwas musste man nicht unbedingt zweimal erleben.

„Können wir das nicht irgendwie… ablehnen?“

Günter sah erschrocken zu seinem jungen Herrscher.

„Heika! So sehr es mir auch in der Seele schmerzt, Euch einen Wunsch verweigern zu müssen, aber ein solches Verhalten wäre ein Affront gegenüber dem Herrscherhaus von Karbelnikoff! Im schlimmsten Falle könnte es einen Aufstand geben und…“

„Schon gut, schon gut!“

Yûri hob die Hände, um den Redefluss seines Schulmeisters zu stoppen. Die Quintessenz hatte er verstanden.

„Ganz schlechte Idee, verstanden.“

„Überlassen wir es doch Anissina.“

Desinteressiert zuckte Wolfram mit den Schultern.

„Sie hat doch bisher noch jeden Mann in die Flucht geschlagen.“

Daraufhin herrschte Schweigen im Raum. Zwar teilten alle Wolframs Auffassung, aber keiner getraute sich, das offen zu sagen. Gerade die Augen von Gwenal und Günter zuckten kurz in alle Winkel des Raumes, als hätten sie Angst, „die Rote Teufelin“ – wie Anissina etwas unfein genannt wurde – könnte aus dem Nichts irgendwo auftauchen und auf Grund dieser Aussage zornig sein. Was eventuell das Ausprobieren irgendeiner skurrilen Erfindung nach sich zog, deren Opfer hauptsächlich die beiden waren.

„Also gut.“, durchbrach Yûri schließlich die Stille. „Dann müssen wir da wohl durch.“

In diesem Moment klopfte es an der Tür und Yûris Leibwächter und Kommandant der Wache Konrad trat ein.

„Lord von Karbelnikoff ist soeben eingetroffen.“

„Allein?“

„Ja, er sagte, sein… der weiterhin Erwartete würde sich etwas verspäten.“

„Gut.“

Yûri erhob sich und seufzte noch einmal.

„Dann werden wir mal versuchen, die Zeit irgendwie… zu überbrücken.“

Und hoffen, dass das Schloss danach noch stand.
 

Stunden später herrschte eisiges Schweigen im Thronsaal. Anissina hatte die Arme vor der Brust verschränkt und strafte ihren älteren Bruder mit einem bösen Blick. Deutlich hatte sie ihm gesagt, dass sie weniger als nichts davon hielt, hier mit irgendjemandem, von dem sie noch nie gehört hatte, verheiratet zu werden. Yûri saß auf seinem Thron und war bezüglich der Situation genauso hilflos wie Gwendal, Günter, Wolfram und Murata. Cherie hatte ein paar Mal zustimmend genickt, während Anissina ihrem Bruder die Meinung gesagt hatte und Konrad hatte sich komplett zurückgehalten, wirkte aber deutlich ruhiger als die anderen. Ob dies an seiner militärischen Ausbildung oder der Tatsache, dass Anissina ihn für kein Experiment missbrauchen konnte, lag, war nicht zu sagen. Schließlich kündigte die Dorcas den erwarteten Lord Augustin von Hiller an. Der Mann wirkte auf den ersten Blick in Ordnung. Vielleicht etwas steif, aber immerhin trat er auch gerade vor seinen König, sodass man nicht bestimmen konnte, inwiefern das ein Charakterzug von ihm war. Als er sich tief verbeugte, begann Yûri mit der Begrüßung, die Günter ihm nun schon unzählig oft vorgebetet hatte.

„Lord von Hiller, ich freue mich, Euch hier auf Blood Pledge Castle begrüßen zu dürfen.“

„Ich danke Euch, Heika.“

Lord von Hiller richtete sich wieder auf.

„Und ich bedauere, dass es für mich – auch wenn mir das Treffen mit Euch eine Ehre ist – kein so erfreulicher Anlass ist wie angenommen.“

„Bitte?“

Yûri war verwirrt. Der Mann war doch hier, um sich mit Anissina zu verloben. Und anscheinend hatte er selbst das mit Lord von Karbelnikoff vereinbart. Gut, Anissina wollte ihn nicht, aber es war wohl mehr als unhöflich, sie sofort so deutlich abzulehnen.

„Heika, ich möchte nicht respektlos erscheinen, aber ich wurde betrogen. Von diesem Mann!“

Dabei zeigte er auf Anissinas Bruder, dem fast die Augen aus dem Kopf fielen vor Fassungslosigkeit.

„Wie bitte? Heika, ich versichere Euch, niemals habe ich auf betrügerische Art gehandelt!“

Yûri hob die Hände. Er hatte mittlerweile gelernt, dass er so einen Tumult unterbinden konnte.

„Lord von Hiller, auf welche Art, meint Ihr, hat Lord von Karbelnikoff Euch betrogen?“

„Der Lord und ich kamen überein, dass ich eine eheliche Verbindung mit seiner jüngeren Schwester – Lady Anissina von Karbelnikoff – eingehen könnte.“

Soweit waren ja auch alle im Bilde.

„Jedoch versicherte er mir auch, dass sie eine ehrenvolle Jungfrau sei – und ich weiß mittlerweile, dass dies eine Lüge ist.“

Das war ein Hammer – offensichtlich für alle Anwesenden. Lord von Karbelnikoff wirkte ehrlich entsetzt. Es war anzunehmen, dass er davon ausgegangen war, nichts Falsches versprochen zu haben. Anissina war totenblass geworden und fand anscheinend auch keine Worte dafür. Und alle anderen fühlten sich alles andere als wohl bei dem Gedanken, dass sie jetzt über das Intimleben Anissinas debattieren sollten.

„Woher…“

Gwendal räusperte sich leicht, um wieder Kontrolle über seine Stimme zu erlangen.

„…zieht Ihr Eure Kenntnis?“

„Mir ist dies zugespielt worden.“

Lord von Hiller winkte einen seiner Diener nach vorne, der eine Schale vor dem Thron aufstellte. Dann zog der Lord selber eine Art Kugel aus der Innentasche.

„Was ist das?“, flüsterte Yûri, denn er wollte lieber vorher wissen, was auf ihn zukam.

„Es ist eine magische Art, Geschehnisse aufzuzeichnen.“, antwortete Günter ebenso leise. „Aber sie erwies sich als unhandlich und daher wurde schon seit langer Zeit kein Gebrauch mehr davon gemacht.“

Okay, also eine Art altes Überwachungsband. Da konnte ja wohl nicht viel passieren.
 

Vor ihnen erschien wie auf einer riesigen Leinwand ein Gemach – offensichtlich das einer Frau und offensichtlich bei Nacht oder zumindest am späten Abend. Auf der Fensterbank des geöffneten Fensters saß eine Frau – nur in ein weißes Laken gehüllt. Auf den zweiten Blick erkannte man sie als Anissina, die lächelnd in die Nacht hinaus sah.

„Nimm‘ mir den Atem, wenn du mich küsst. Nur dann bin ich sicher, dass du bei mir bist. Nicht mal in Träumen fiel es mir ein, bei dir zu liegen – mit dir eins zu sein. Für ein paar Stunden, solang‘ ich dich hab, vergess‘ ich die Grenzen, die’s bisher für mich gab. Wenn mir auch klar ist, was ist, bleibt nicht wahr, die Hoffnung bleibt unauslöschbar. Solang‘ ich dich hab…“

An ihr vorbei konnte man sehen, wie sich eine Tür öffnete, die anscheinend zu einem Bad führte. Nicht ungewöhnlich für die Privatgemächer Adeliger. Und dass ein Mann hervortreten würde, war ja nach der Ankündigung auch keine Überraschung mehr. Die stellte sich erst ein, als man den Mann erkennen konnte, der mit einem ebenfalls weißen Handtuch um die Hüften das Schlafzimmer betrat: Es war Konrad.

„Bin ich gefangen oder befreit? Mir scheint, was vor dir war, unendlich weit.“

Nun war er bei ihr angekommen und strich ihr lächelnd über die Wange und gleichzeitig ein paar Strähnen ihres roten Haares zurück.

„Ich könnte sagen, ich sei verhext. So stark ist die Sehnsucht, die du in mir weckst.“

Anissina glitt von der Fensterbank und legte nun ihrerseits eine Hand an seine Wange, während seine Arme sich um ihre Taille legten.

„Für ein paar Stunden, solang‘ ich dich hab, will ich mich ergeben, wie ich mich nie ergab.“

„Und ist auch morgen schon alles vorbei…“

„…es bleibt diese Nacht für uns zwei. Für ein paar Stunden, solang‘ ich dich hab, sei so wie du sein willst. Wir beide sind so stark. Hol uns das Mondlicht…“

Das in ihrem Rücken in den Raum fiel, während sie sich – einander immer noch zärtlich in die Augen blickend – langsam in Richtung des großen Bettes bewegten.

„…deck‘ uns damit zu. Denn alles, was zählt, das bist du. Solang‘ ich dich hab…“

Sie ließen sich auf das Bett sinken, doch Anissinas Blick zeugte noch von einer leichten Abwesenheit, weshalb Konrad sich auf die Ellenbogen stützte und ihren Blick zu deuten versuchte.

„Was ist?“

Anissina lächelte und schüttelte leicht den Kopf.

„Es ist nur… zum ersten Mal… fühl‘ ich mich irgendwie… wicked.“

Damit traf ihr Blick den seinen und ihre Lippen fanden sich in einem hingebungsvollen Kuss.
 

Hier endete die kleine Vorstellung und Lord von Hiller nahm die Kugel wieder an sich.

„Näheres ist nicht verzeichnet, aber die Situation spricht in meinen Augen für sich.“

Da konnte man allerdings nichts entgegenhalten – denn dass die beiden so gut wie nackt miteinander im Bett gelegen hatten und nichts passiert war, war wohl mehr als unwahrscheinlich. Gerade wenn man die Blicke und Zärtlichkeiten bedachte, die sie ausgetauscht hatten.

„Wäre die Lady geschändet worden, hätte ich darüber hinwegsehen können, aber sie hat sich hingegeben – einem halbblütigen Mann hingegeben.“

Er würdigte Konrad nicht einmal eines Blickes.

„Ich denke, wir… beenden das hier… erstmal.“

Denn Yûri wollte einfach nur raus aus dieser Situation – und war sicher, dass er da nicht der Einzige war. Was das hektische Aufbrechen daraufhin deutlich machte – wobei als Erste Anissina verschwunden war.



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