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1945

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Dies ist ein One-Shot, der zwar im Universum der eigentlichen Geschichte spielt, aber nicht im direkten zeitlichen Zusammenhang mit dem vorherigen Kapitel steht sondern später spielt. Eine Art Schmankerl mit ein bisschen "Extra", für die Feiertage. Frohes Weihnachtsfest euch allen! :) Komplett anzeigen

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V.V - Bonus: Winterschlaf


 

Winterschlaf


 

Es war kalt. Nicht nur draußen, sondern auch drinnen. Zu den seltenen Gelegenheiten zu denen sich die Sonne zeigte war es etwas erträglicher – das Sonnenlicht allein konnte Gilbert jedoch nie vollends aufwärmen, und das Feuerholz wurde streng rationiert. Wichtiger als es nur zum Heizen zu benutzen war es, tagsüber Wasser abzukochen damit sie es trinken konnten. Generell wurde auch nur dort geheizt wo man sich tagsüber aufhielt. Ab und zu. In einem einzigen Raum, den sie sich teilen mussten – falls sie überhaupt je mehr als nur einen Augenblick zum Verschnaufen hatten, was selten vorkam. Der dürftige Zustand in dem sich das in die Jahre gekommene Haus befand, mit den Rissen in der Fassade und Löchern im Dachboden, tat sein übriges.
 

Gilbert fror ständig. Es war schon eine gefühlte Ewigkeit her, dass er sich nicht kalt gefühlt hatte. Irgendwann im Sommer musste er wohl nicht gefroren haben, das gebar allein schon die Logik. Doch es schien ihm so als hätte er seit Herbstanfang nicht mehr aufgehört zu zittern. 
 

Die kalte Jahreszeit hatte alles mit einem bleiernen, grauen Schleier überzogen. Umringt von fast nur Nadelhölzern hatte nicht einmal der Herbst den direkten Umkreis des Hauses in seine so typischen, vielfältigen Farben getaucht. Es war schlichtweg kalt, ungemütlich und irgendwie dreckig draußen geworden. Der Schnee der schon Anfang Dezember fiel versteckte all dies zwar, doch brachte er auch diese von Gilbert so gehasste Kälte mit sich. Es gab einen guten Grund, warum er das schöne, warme Italien stets so gemocht hatte.
 

Dabei hatte der Winter gerade erst begonnen!
 

„Du hast noch drei volle Monate vor dir. Es wäre gut, wenn du lernen würdest dich damit zu arrangieren“, hatte Russland milde lächelnd zu ihm gesprochen, und ihm eine alte, rostige Schaufel zum Schnee schippen in die Hand gedrückt. An und für sich wäre es eine gute Idee, durch Bewegung selbst die gewünschte Wärme zu erzeugen – in der Theorie. Doch mit Gilberts stark reduzierter Leistungsfähigkeit wenn es um körperliche Arbeit ging, waren Russlands Aufträge gelinde gesagt eine Vorstufe zur Folter.

Doch Gilbert wusste es besser, als dass er seine Situation mit der von deutschen Soldaten in den Gulags vergleichen würde. Zu einem gewissen Grad sah er den Sinn in den Arbeiten – jeder im Haus hatte seine Aufgaben und war angehalten, diese so gut er konnte zu erfüllen. Die Frauen mussten genau so arbeiten wie die Männer, und zwar so viel und so gut wie es ihnen ihre Möglichkeiten erlaubten. Doch so wie Gilberts Arme mit jeder Schippe voll Schnee die er zur Seite hob schwerer wurden desto verbitterter und missmutiger wurde er. Seine Lunge schmerze, strahlte einen hellen, stechenden Schmerz in seine Seiten. Gilbert keuchte und hielt inne, versuchte wieder zu Atem zu kommen. Er fühlte sich, als wäre jeder Atemzug nur noch oberflächlich, als würde er seine Lunge nur zu einem winzig kleinen Teil tatsächlich mit Luft füllen können.
 

Sein Blickfeld flackerte, wurde schwarz und ein Klingeln zog durch seinen Kopf, füllte seine Ohren wie es schien komplett aus. Ahh … scheisse. Nicht jetzt! 
 

„ … sten. Osten?“
 

Gilbert blinzelte. Blinzelte noch einmal. Hatte ihn jemand gerufen?
 

„Osten … du kannst rein gehen. Ich mache weiter.“
 

Gilbert schluckte. Als sein Blick sich allmählich klärte, hob er seinen Kopf vorsichtig und blickte in Litauens Gesicht. Er sah keine Anteilnahme, kein Mitleid darin. Der Blick des anderen war neutral. Und, Gilbert war sich fast sicher, ein wenig angesäuert.
 

Er nickte stumm, übergab dem anderen seine Schaufel und machte sich auf den Weg zurück ins Haus. Gilbert war sich dessen bewusst, dass es die anderen massiv störte, dass er praktisch ein Invalider war, jemand auf den zwangsweise im Alltag Rücksicht genommen werden musste. Er verursachte mehr Arbeit als er erbringen konnte, er war eine Last für die Gemeinschaft in die er von Anfang an nicht hinein passte. Die einzigen Aufgaben, die er erledigen könnte, wären andere als die, die ihm zur Verfügung standen. Er war immer noch in einem Zwischenzustand – nicht souverän, nicht selbstverwaltet. Gilbert war der Osten, und sonst nichts. Das Gegenstück zu seinem Bruder, der der sich in Ivans Gewalt befand. Einer von zweien. Was ihn definierte war nicht er selbst, sondern die Tatsache, dass er nicht der andere war.

Er knirschte mit den Zähnen als er sich so gut es ging den Schnee von den Stiefeln klopfte. Es strengte ihn an und die Tatsache, dass es ihn anstrengte, macht ihn noch mürrischer.
 

Unbeobachtet von Gilbert blickte Russland gedankenverloren aus seinem Fenster im ersten Stock, folge Gilberts Silhouette wie sie sich gegen den weißen Hintergrund bewegte.

Er seufzte und schloss die Akte die vor ihm lag.
 

-*-
 

Der 24. und die darauf folgenden Weihnachtsfeiertage kamen und gingen ohne dass irgendwer groß davon Notiz nahm. Weihnachten zu feiern so wie es Tradition war, war unter der Sowjetherrschaft verpönt. Die Kirchen waren weitgehend ihres Einflusses beraubt, auch wenn sich seit dem Eingreifen Russlands in den Krieg vieles getan hatte. Kirchen waren inzwischen wieder geduldet, auch wenn ihre Freiheiten deutlich begrenzt waren und sie unter strenger Überwachung durch den Staatsapparat standen. In Russlands Haus wurden die Weihnachtstage behandelt wie jeder andere Tag auch; als Arbeitstag. Wie die anderen Bewohner darüber dachten konnte Gilbert nur erahnen.
 

In der darauf folgenden Zeit jedoch begann sich eine gewisse Geschäftigkeit im Hause breit zu machen. Es wurde auch tatsächlich noch eine Tanne heran geschafft, transportiert auf einem Schlitten. Es war der Neujahrsbaum, wie Gilbert erfuhr, und ersetzte im gewissen Maße das nicht länger geduldete Weihnachtsfest im klassischen Sinne. Es war ein bisschen so, als hätten sich die verbotenen Bräuche in neuer Gestalt zu einem geduldeten Fest wiedergefunden. Das Christkind war das Neujahrskind, und die Geschenke brachte Väterchen Frost. Für besonders sentimental hatte sich Gilbert nie gehalten, doch es versöhnte ihn etwas mit seiner Situation als er merkte, dass es nun zum Jahresende doch noch so etwas wie ein Fest geben würde.
 

Weißrussland und Lettland bereiteten verschiedene Speisen zu, die Gilbert nicht vertraut waren. Ukraine und die anderen schmückten den Baum mit Holzfiguren und bunt bemalten Kugeln. Gilbert selbst machte sich nützlich, indem er einer nicht besonders anstrengenden aber dafür umso monotoneren Arbeit nachging; Socken stopfen.
 

Es fühlte sich jedoch nie so wirklich heimelig an. Gilbert versuchte, nicht allzu sehr an Ludwig und Roderich zu denken und wie sie einst gepflegt hatten, Weihnachten „mit der Familie“ zu feiern, mit köstlichem Essen und wohlbekannter Musik vom Klavier.
 

Als der Rest der Bewohner später am Nachmittag nach draußen ging, um eine Schneeballschlacht zu veranstalten, hatte Gilbert zunächst vorgehabt, drinnen zu bleiben. Beim Gedanken an eine Konfrontation mit den anderen, auch wenn sie noch so spielerisch sei, wurde ihm mulmig. Russland hatte jedoch darauf bestanden, dass er mit kam, und zwängte sich ihm auch prompt als „Beschützer“ auf. Gilbert hatte ein Gesicht gezogen als hätte er in eine Zitrone gebissen.
 

Letztendlich hatte er die Schneeballschlacht überstanden – es war erstaunlich, wie gelöst alle im Laufe des Spiels wurden, als würde eine schwere Last von ihnen genommen. Am Anfang noch unbeholfen und verkrampft flogen die Schneebälle immer großzügiger und zielgerichteter, es wurde gelacht und geschrien und für eine Weile vergaß Gilbert fast wo und bei wem er war. Seine Befürchtungen, die anderen würden ihn ganz besonders hart in die Mangel nehmen wurden nicht bestätigt – obwohl Gilbert den Gedanken nicht abschütteln konnte, dass dies vor allem an der Präsenz Russlands lag. Er hatte das Gefühl, er würde weniger oft getroffen als andere, und das hatte nichts mit seiner eher begrenzten Wendigkeit im Schnee zu tun. 

Gilbert versuchte jedoch, den Gedanken beiseite zu schieben und wenigstens einen schönen Tag zu haben. Wenigstens einen Tag, seitdem ich hier bin … Wer weiß, was noch kommen wird? 
 

-*-
 

Das Abendessen war für ihre Verhältnisse üppig – es gab Borschtsch, Pelmeni und Blini. Der Gewürztee, versetzt mit reichlich Schnaps, spendete wenigstens von innen Wärme und jemand hatte eine Schallplatte mit alten russischen Volksliedern aufgelegt. Die Stimmung war gelassen, sofern Gilbert es beurteilen konnte. Nur sehr selten wurden nervöse Blicke in Richtung Russland geworfen, und die große Nation wirkte friedlich und nachsichtig. Gilbert gefiel, dass Russland ihn für heute in Ruhe zu lassen schien. Keine versteckten Ermahnungen kamen von ihm, keine Belehrungen und keine Sticheleien. Gilbert genoss das vorzügliche Essen und erlaubte sich sogar ein wenig Alkohol zu trinken, obwohl er sich sicher war, in seinem jetzigen Zustand so gut wie nichts davon zu vertragen.
 

Als sie um Mitternacht das Haus verließen, konnten sie aus der Ferne vereinzelt Feuerwerk ausmachen, das die Nacht erleuchtete. Es war nicht besonders viel; die Menschen hatten offensichtlich andere Sorgen als Geld beiseite zu legen, um Feuerwerk zu kaufen. Aber es reichte, um ein gewisses Gefühl von Feierlichkeit zu verbreiten.
 

Gilbert ließ seinen Blick schweifen, und seine Augen verharrten auf der großen Silhouette von Russland, die nicht weit neben ihm stand. Russland schaute in die Richtung der großen Stadt, mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und funkelnden Augen. Das blaue, fahle Licht des entfernten Feuerwerks erlosch und sie waren wieder in fast komplette Dunkelheit gehüllt.

Gilbert stutzte – er hatte das Gefühl, zum ersten Mal seitdem er hier war, hätte er einen kurzen Augenblick das wahre Russland gesehen … etwas Authentisches. Nicht aus Berechnung oder Kalkül. 

Erneut erleuchteten zwei kleinere Raketen den Himmel. Russland hatte sich nun zu ihm gedreht – Gilbert stockte der Atem als er realisierte, dass Russland ihn anlächelte. Er konnte nur darüber mutmaßen, was für einen Gesichtsausdruck er trug, aber Russlands Lachen nach zu urteilen, ließ es ihn nicht all zu souverän erscheinen. Er fühlte wie seine Wangen warm wurden. Was … was soll das … !?
 

Das neue Jahr hielt Einzug, und der Rauch wurde jäh vom kalten Wind hinfort getragen, um den Blick auf die Sterne dahinter freizugeben. 

Vielleicht … vielleicht würde das neue Jahr etwas Besseres bringen als das vorherige.

Gilbert konnte nur hoffen.
 

-*-
 

Es war mitten in der Nacht, und Gilbert fror wie er es noch nie zuvor getan hatte. So fühlte es sich jedenfalls an. Ein Gefühl als würde das Blut in seinem Körper stillstehen anstatt zu zirkulieren. Er lag im Bett, eingewickelt in eine Daunendecke und eine Wolldecke darüber, und er zitterte trotzdem am ganzen Leib. 
 

Ja … das neue Jahr fängt ja wirklich ganz reizend an …
 

Seine Zehen und Finger fühlten sich bereits komplett taub an, sie kribbelten nicht einmal mehr. Wie lange er schon wach lag, wagte Gilbert nicht zu beurteilen. Er grunzte frustriert und rollte im Bett hin und her, in seiner riesigen Rolle bestehend aus zwei Decken. 
 

Es hatte keinen Sinn. So würde er niemals Schlaf finden.
 

Ohne einen konkreten Plan was er nun tun sollte, schälte sich Gilbert aus seinen Decken. Wie erwartet, traf ihn die ganze Kälte des Zimmers nun ungeschützt. Vielleicht konnte er irgendwo noch eine weitere Decke holen …
 

Die Kälte schien ihm direkt durch seine in Wollsocken gehüllten Füße zu kriechen. Gilbert fluchte leise, und trat aus seinem Zimmer in den Flur.

Sogleich erblickte er, dass unter dem Türschlitz von Russlands Zimmer noch Licht schien. Die alten Holzdielen knarrten verdächtig trotz seiner vorsichtigen Schritte als er versuche, sich unbemerkt an dem Zimmer der anderen Nation vorbei zu stehlen.
 

„Osten? Bist du das?“, erklang seine Stimme prompt von hinter der Tür als Gilbert versuchte, sie unbemerkt zu passieren. Verdammt!Ihm blieb auch wirklich nichts erspart!

Gilbert seufzte, wissend, dass es keinen Sinn hatte, Russland zu ignorieren. Er schluckte, und drückte die Türklinke hinunter um einzutreten.
 

Die Öllampe brannte auf Ivans Nachttisch und tauchte das Zimmer in ein trügerisch warmes Licht. Dabei war es hier nicht wärmer als bei ihm selbst. Russland lag im Bett, ein paar Kissen hinter seinem Oberkörper, anscheinend um im Bett lesen zu können. Er legte das Buch von seinem Schoß auf den kleinen Tisch neben seinem Bett.

Etwas unbeholfen wartete Gilbert an der Tür, und fragte sich, was zur Hölle der Russe nun von ihm wollte. Er war es gewohnt, dass die andere Nation ihn oft auf dem Flur abfangen würde, um ihm eine Hausarbeit aufzuerlegen oder um ihn schlichtweg ein wenig zu piesacken – es schien eine Tätigkeit zu sein, die dem Russen überaus große Freude bereitete, vor allem wenn Gilbert adäquat und wie gewünscht reagierte. Das bedeutete im Endeffekt; je größer die Reaktion war, die Russlands Worte in ihm hervorrief, desto zufriedener war er. Sehr zum Leidwesen Gilberts, dem es partout nicht gelang, seine Ruhe zu bewahren, auch wenn er um Russlands Taktiken wusste.
 

„Komm’ her“, sprach Russland, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, einen anderen Mann nur in Schlafkleidung in sein Zimmer zu bitten. Zögernd trat Gilbert näher, und sein Mundwinkel verzog sich mit jedem Schritt weiter nach unten.
 

Russland lachte, als er in Gilberts Gesicht blickte. Schon wieder!! Hat der vielleicht Nerven! 
 

„Osten … dir ist kalt, nicht wahr?“
 

„Wow. Hundert Punkte für dich!“ spottete Gilbert.
 

„Ich hatte eine Weile schon das Gefühl, dass du nicht genug schläfst. Liege ich da richtig?“ 
 

Gilbert lachte trocken. „Und?“
 

Russland musterte ihn einen Augenblick, und schlug dann seine Bettdecke zurück. Gilbert schaute einen Augenblick verdutzt drein, bevor er bemerkte, was die andere Nation ihm zeigen wollte. Auf Russlands Torso lag eine Art großer Sack aus handgestrickter Wolle – zuerst verstand Gilbert nicht was das ganze sollte, doch dann wurde es ihm schlagartig klar …
 

Das ganze war eine Art Umschlag für eine Wärmflasche. Augenblicklich erinnerte sich Gilbert an Ukraines Strickarbeiten der letzten Wochen – sie hatte dieses Teil wohl Russland zum Geschenk gemacht.
 

Der Bastard … hatte eine Wärmflasche. Eine Wärmflasche!!
 

„ … und nun? Du hast mich neidisch gemacht, gute Arbeit“ grummelte Gilbert, sein Gewicht vom einen Fuß auf den anderen verlagernd, Arme eng um seinen Oberkörper geschlungen. Es wurde mit jedem Augenblick kälter und unangenehmer und wäre es nicht schon anstrengend genug, bei dieser Kälte auszuharren, hätte er bestimmt noch die Energie aufbringen können, richtig angesäuert zu sein. Was genau hatte Russland diesmal für Hintergedanken!?
 

„Na was wohl? Ich werde mit dir teilen. Aber nur diese Nacht.“
 

Gilbert blinzelte.
 

Bitte … was!?? 
 

„Du willst deine Wärmflasche mit mir teilen?“
 

Russland nickte und eine seiner blonden Augenbrauen verschwand unter seinem Pony.

Bei Gilbert fiel der Groschen – aber pfennigweise.
 

„… du meinst …“
 

„Mir wird kalt, Osten. Komm’ jetzt zu mir, wenn du nicht frieren willst.“
 

Gilbert runzelte die Stirn. Sein Kopf war auf einmal wie leergefegt – und wie von selbst taten seine Füße zwei Schritte vorwärts. Nein. Er konnte das nicht tun. Es wäre wie eine erneute Niederlage, ein Eingeständnis. Verletzlichkeit zeigen. Schwäche. Er stoppte und ballte die Hände zu Fäusten.
 

Russland seufzte hörbar. „Ich kann erahnen, was du dir denkst. Aber Hilfe von mir anzunehmen wäre in deiner Situation nur vernünftig. Es wird in absehbarer Zeit nicht wärmer werden, oder?“
 

Natürlich hatte er recht damit, egal wie sehr Gilbert es hasste, das zuzugeben. Russland … nutzte ihn aus, oder? Hatte er etwas hier von? Wollte er Gilbert … nah sein? Warum!??

Gilbert durchfuhr ein Schaudern und er setzte sich endlich auf das Bett, den Blick starr auf den Boden gerichtet.
 

„Was ist das Problem?“, fragte Russland so unschuldig als ob er es wirklich nicht wüsste.
 

Und auf einmal wusste Gilbert gar nicht, ob es denn tatsächlich ein Problem gab. Ob er alles nicht nur aus Unsicherheit und Scham und Abneigung konstruierte, oder ob Russland all das wirklich nur tat, um ihm zu zeigen wie abhängig er von der größeren Nation war, um auch nur ein Fünkchen Komfort zu erfahren in seiner Situation.
 

Wie ferngesteuert zog Gilbert die Beine an und rutschte weiter in die Mitte des Bettes. Russland schien zufrieden, und warf die große, dicke Decke über ihn. Sie war vorgewärmt und Gilbert schloss für einen kurzen Moment die Augen.
 

„Ich werde es niemanden wissen lassen, falls es das ist was dich beunruhigt.“
 

Gilbert war sich sehr sicher, dass seine Wangen spätestens jetzt hellrot waren – sie fühlten sich heiß an, und sein Hals schien wie zugeschnürt. Er blieb stumm. Langsam ließ er sich auf der Matratze nieder und legte seinen Kopf auf eine Ecke des großen Kissens auf dem auch Russland schlief. Er versuchte es rational zu sehen – das hier war eine Ausnahme, und es bedeutete nur so viel wie er entschied. Und das war im Moment; nichts außer einem Gewinn an Komfort. Und wenn man dazu halt ein Bett teilen musste, dann war das eben so!
 

Russland beugte sich auf einmal über ihn, und Gilbert stockte der Atem. Er war nah … so nah … Er konnte Russlands Körper gegen seinen pressen fühlen, als er mit seinem Arm über ihn griff um …
 

… die Lampe auszuschalten.
 

Der Kontakt war so schnell weg wie er gekommen war. Gilbert atmete langsam aus. 
 

Was war das!?? Reiß’ dich mal zusammen!! 
 

Die Decke raschelte von Russlands Seite aus, und schon bald fühlte Gilbert, wie die Wärmflasche seinen Rücken berührte und wohlige, lang vermisste Wärme in seinen Körper fließen ließ. Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit fühlte Gilbert sich auch nur ansatzweise wohl. Egal ob Russland mit ihm gerade ein Bett teilte oder nicht.

Schnell merkte er, wie die Müdigkeit von ihm Besitz ergriff und es immer schwerer wurde, seinen Gedankengängen nachzugehen.

Russland lag auf der Seite, Gilbert zugewendet, welcher im Gegenzug auch auf dem Rücken von ihm abgewandt lag. Entweder Gilbert bildete es sich ein, oder Russland kam ihm immer ein kleines bisschen näher … denn die Wärme an seinem Rücken wurde immer stärker, was dazu führte, dass Gilbert zufrieden seufzte und kaum einen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Im Halbschlaf bemerkte er, dass Russlands Atem ihn an seiner Schulter streifte – er war warm und regelmäßig, völlig normal. Russland war also doch gar kein eisiges Monster, das ohne Wärme lebte … Vielleicht musste er so leben, weil es einfach nicht anders ging. Auch Russen frieren …, geisterte es in Gilberts Kopf herum. Was für ein wirrer Gedanke … 
 

Jetzt wusste er ganz sicher, dass Russland ihm näher gekommen war. Er konnte jetzt fühlen wie Russlands Brust gegen seinen Rücken presste und mit jedem Atemzug sank und hob. Wäre Gilbert nicht so warm und schläfrig, hätte er mit Sicherheit niemals so viel Nähe zugelassen – aber die Wochen und Monate der Entbehrung und harter Arbeit forderten nun ihren Tribut. Als wäre die Erschöpfung von all dieser Zeit nun über ihm zusammengebrochen. In diesem Moment fühlte es sich einfach gut an – die Wärme, die Nähe. Es war alles ganz simpel. 
 

„Nur weil es warm ist …“, murmelte Gilbert, kurz bevor der Schlaf ihn ereilte.
 

Russland lachte leise und flüsterte zurück: „Gute Nacht … und ein frohes neues Jahr, Osten.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Zoja
2014-12-25T21:53:07+00:00 25.12.2014 22:53
Vorerst wünsche ich dir auch schöne Feiertage und einen guten Rutsch in das neue Jahr 2015! :)
Nun aber zu deiner Geschichte, bzw. diesem Kapitel.
Ein ganz kleiner Rechtschreibfehler hat sich eingeschlichen, es heißt "zugewand" und nicht "zugewendet".
Ansonsten sind mir keine Fehler aufgefallen.
Aber genug von der Kritik, ich komme mal zum Positiven, was auch deutlich überwiegt.
Ich finde es vorallem schön, dass du dich an die, ich sage mal "russischen Traditionen" gehalten hast, da in Russland ja traditionell wirklich kein Weihnachten, sondern Neujahr gefeiert wird. Ob es so ähnlich/ genau so wie unser Weihnachten abläuft weiß ich zwar nicht aber du hast diese typische, weihnachtliche Atmosphäre hervorragend zum Ausdruck gebracht.
Auch wenn es insbesondere für Preußen keine leichte Zeit ist, konnte er sich trotzdem ein wenig entspannen, fühlt sich an zu Hause erinnert und wird ein wenig lockerer, auch wenn ein kleiner Anschubs benötigt war. Das alles passt gut zur Situation, ist treffend beschrieben und die Charaktere sind außerdem auch nicht ooc geworden. Respekt! (trotz der Festtagsstimmung, wo man doch ziemlich leicht ins Kitschige abschweift...zumindest ich ^^)
Njah, ist das nicht knuffig von Russland? Lässt Osten einfach bei sich schlafen~ (Wobei ich mich erstmal an dieses "Osten", anstatt von Preußen gewöhnen musste)
Und für einen Moment hatte ich wirklich gehofft, dass er ihn in den Arm nehmen würde, bzw. seinen Arm um ihn legen würde. Aber nein, er schaltet nur die Lampe aus... Wenigstens wird dannn noch ordentlich "gekuschelt", das entschädigt die verpatzte Umarmung.
"Nur weil es warm ist", was? ;)
Antwort von:  wildfang
26.12.2014 10:06
Vielen Dank, und das wünsche ich dir auch!
Danke für die Verbesserung, das werde ich sobald ich kann nachbessern! Ich habe zwar eine Beta-Leserin, aber kleine Dinge werden ja manchmal trotzdem übersehen - da kann ich nur hoffen dass es den Lesefluss nicht zu sehr behindert hat. ;)

Ich konnte leider keine Russen zu den Traditionen selbst befragen, von daher musste ich mich auf das verlassen was ich online zu dem Thema gefunden habe. Ich hoffe, ich konnte der Realität zumindest ein bisschen nah kommen - normalerweise bin ich bei solchen Dingen sehr pingelich, aber da ich das Kapitel zu den Feiertagen fertig kriegen wollte musste ich mich mit dem zufrieden geben was ich gefunden habe zu dem Thema.
Und ich bin froh dass die Atmosphäre gut rüberkam - ich hätte auch jede Szene (Baum schmücken, Schneeballschlacht) ausschreiben können, aber das wäre im Endeffekt viel zu langatmig und vielleicht auch unspannend geworden.

Ahh das freut mich! Ich habe sehr mit mir gehadert was Preußen angeht - ob er wirklich seinen Stolz einen Moment vergessen kann und mit Russland ins Bett steigt ... eigentlich hätte ich zu dem frühen Zeitpunkt in der Fanfiction noch "nein" dazu gesagt, aber da es sich hier um ein Kapitel "außer der Reihe" handelt, habe ich mir alles ein wenig zurecht gebogen soweit ich es verschmerzen kann - dafür wollte ich Russland dann nicht zu aufdringlich gestalten, da genau das Preußen wahrscheinlich dazu bewegt hätte, ihm eben nicht nahe kommen zu wollen.
Ich hätte es auch wirklich sehr sehr gerne gesehen dass Russland seinen Arm um ihn gelegt hätte, aber das wäre schlichtweg zu viel des guten gewesen, leider. Wenn man eh schon mit einem änglichen Häschen im Bett schläft dann sollte man es nicht noch mehr aufschrecken, denkt sich Russland da wohl ... eine gute Entscheidung, in diesem Fall ;> (Ja, natürlich NUR wegen der Wärme!! ;D)

Ich tue mich mit dem Namen "Osten" auch ein wenig schwer, aber es geht mittlerweile. Im nächsten "richtigen" Kapitel der Fanfiction wird die Umbenennung auch noch zum Thema!

Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! Ich kriege leider nicht sonderlich viel an Rückmeldung zu meinen Fanworks, da freut mich so ein ausführlicher Kommentar ganz besonders! Schöne Feiertage dir noch! :)


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