Zum Inhalt der Seite

Des Königs Schatzmeister

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel Drei erzählt, was nach der Feier geschah.

Er wusste nicht, wohin er nun gehen sollte.

In seinem Zimmer würden sie ihn sofort finden und Hals über Kopf das Königreich zu verlassen, würde ihn nicht weit bringen.

Bilbo entschloss sich also, die Feier und dessen Gäste zu nutzen, um unentdeckt in der Menge zu verschwinden. Als Hobbit fiel ihm das nicht schwer.

Er nahm den Tumult um sich herum kaum wahr und musste nun seine Gedanken und Gefühle ordnen.

Was war gerade passiert? Er hatte es nicht geträumt, dessen war er sich sicher, doch wenn es die Wirklichkeit war, was hatte das alles zu bedeuten?

Fieberhaft versuchte er nun, alle Puzzleteile zusammenzusetzen und ihm wurde mit jeder Sekunde mehr und mehr bewusst, dass er ein Dummkopf gewesen war.

Die Geschenke, die Kleidung, die Gerüchte, das Verhalten von Fíli und Kíli. Alles ergab Sinn.

Nein, eigentlich nicht. Nichts ergab in Bilbos Augen Sinn. Vielleicht war es doch nur ein Scherz gewesen. Vermutlich lachten die Zwerge gerade über ihn, weil er geglaubt hatte, Thorin hätte ihm tatsächlich eine Art Heiratsantrag gemacht.

Bei dieser Vorstellung merkte der Hobbit wieder, wie alles um ihn herum verschwamm.

Das war einfach alles zu viel. Zu viele ungeklärte Fragen. Zu viele Gefühle, die sich in seinem Inneren überschlugen.

Er brauchte Abstand. Er brauchte Zeit zum Nachdenken.

Als er in der Menge Fíli erkannte, flüchtete Bilbo aus dem Festsaal und verließ den Berg, um sich an einen Ort zurückzuziehen, den er bereits seit langer Zeit als Ruheort nutzte.

Abseits von Erebor hatte Bilbo etwas, das man wohl Garten nennen konnte, aus dem Nichts geschaffen. Der Einsame Berg war nicht gerade ein Ort, an dem man viel für Blumen und andere Pflanzen übrig hatte. Aus diesem Grund nutze der Hobbit dieses kleine Stück Erde, um zumindest ein wenig Farbe in sein Leben zu bringen. Ein Stück Auenland. Ein Stück Heimat.

Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen setzte er sich und betrachtete das Gänseblümchen und die Jungpflanze, die sich nebeneinander zur Sonne streckten. Der Halbling wollte, dass hier ein Eichenbaum wuchs. Es würde lange dauern, doch dieser Baum würde viele Jahrzehnte, vielleicht gar Jahrhunderte überdauern, selbst wenn Thorin, für den er die Eiche gepflanzt hatte, bereits nicht mehr lebte.

Momentan waren das Gänseblümchen und der Setzling gleich groß, doch irgendwann würde die Eiche immer größer und stärker werden, während die kleine Blume bald in seinem Schatten stand.

Es war genau wie bei ihm und dem König. Thorin wurde mit jedem Tag stärker und erfahrener, doch Bilbo blieb, wer er war. Sie konnten nicht nebeneinander stehen, Seite an Seite. Irgendwann würde auch der Hobbit nur noch im Schatten des Königs leben.

Es würde nicht funktionieren. Nicht auf Dauer. So etwas war zum Scheitern verurteilt.

Nein, er würde jetzt nicht weinen. Das war Unsinn.

Er atmete tief durch und versuchte für einen Moment einfach an nichts zu denken. Alles würde sich schon irgendwie klären. Dieser Vorfall würde nicht an die Öffentlichkeit geraten.

Immer und immer wieder versuchte er, sich selbst zu beruhigen und je länger er einfach auf der Wiese saß, machte sich der Schlafmangel der letzten Tage bemerkbar. Er hatte vor der Feier immer bis tief in die Nacht gearbeitet und das forderte nun seinen Tribut.

Mit einem lauten Gähnen bettete Bilbo seinen Kopf auf das Gras und schloss die Augen.

Wenn er wieder aufwachte, würde bestimmt alles wie vorher sein. Vielleicht war alles doch nur ein Traum gewesen. Er würde es bald erfahren.
 

Der Schlaf tat ihm gut, doch er dauerte nicht lang genug, um alle Sorgen zu vertreiben.

Müde blinzelte Bilbo der bereits tief stehenden Sonne entgegen. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Etwas war anders.

Statt der frühen Kälte des Abends umfing den Hobbit eine angenehme Wärme, die ihm seine Kleidung eigentlich nicht spenden konnte.

Nachdem er wieder gänzlich wach war, bemerkte er, dass jemand einen Mantel über ihn gelegt hatte, an dem ein vertrauter Geruch haftete.

»Ich hatte mir schon gedacht, dass du hier sein wirst.«

Bilbo wagte es nicht, sich zu bewegen. Sein Herz schlug schmerzhaft schnell in seiner Brust.

Thorin saß neben ihm, doch der Halbling traute sich nicht, ihn anzusehen.

Zwischen den beiden herrschte für eine viel zu lange Zeit ein Schweigen, das Bilbo mit jeder Sekunde nervöser machte. Als er es nicht mehr aushielt, stellte er endlich die Frage, die ihn quälte.

»Thorin, was sollte das alles? Sollte es ein Scherz sein?«, fing er an und blieb noch immer regungslos im Gras liegen. »Du könntest dir damit viele Probleme machen, falls jemand diese Sache ernst genommen hat.«

Der Zwerg hob eine Augenbraue. »Ein Scherz?«, fragte er. »Du denkst, ich würde scherzen?«

Bilbo musste zugeben, dass sein Gegenüber nicht gerade ein Witzbold war. Ganz im Gegenteil. Aber die andere Erklärung erschien ihm noch abwegiger.

»… Du hast die Frage ernst gemeint? Was hast du dir nur dabei gedacht?«

Thorin verstand nicht, weshalb Bilbo diese Fragen stellte. »Ich hielt es für das Beste, jemanden an meiner Seite zu haben.«

Der Halbling atmete tief durch. »Das ist auch ein absolut vernünftiger Gedanke, aber für diese Aufgabe wäre eine Frau, eine Zwergin die beste Entscheidung. Jemand, der deinen Thronfolger zur Welt bringen kann. Jemand, den das Volk akzeptieren wird und keinen Hobbit, der von der Welt der Zwerge keine Ahnung hat und vor allem keine Frau ist.«

Er seufzte schwer. »Du begreifst offenbar nicht, was passiert, wenn jemand davon erfährt. Denkst du, jemand wird dir deinen Segen geben, wenn du so etwas auch nur in Betracht ziehst?«

»Du hast recht. Die meisten, die davon wissen, sind dagegen. Besonders Dwalin hatte nicht ein einziges Wort des Zuspruchs für meine Entscheidung übrig«, antwortete der Zwerg und blickte zu Bilbo. »Er hat damit gedroht, Erebor zu verlassen, sollte ich meinen Willen durchsetzen.«

Der Hobbit biss sich auf die Unterlippe und richtete sich nun auf. Thorins Mantel lag noch auf seinen Schultern. »Hör’ auf Dwalin. Er will nur dein Bestes. Er möchte nicht, dass du zur Zielscheibe für alle wirst. Und ich auch nicht. Du kannst das nicht tun. Du solltest das nicht tun. Es widerspricht jeglicher Vernunft. Außerdem begreife ich nicht, wieso du mich gefragt hast! Du solltest jemanden wählen, der für diese Aufgabe geeignet ist und den du liebst.«

»Genau das habe ich getan.«

»Wie bitte?«, fragte Bilbo und starrte den König an, als hätte ihm dieser gerade erzählt, dass Schweine fliegen konnten.

»Du hast mich verstanden.«

Dem Hobbit wurde schwindelig. »Das kann einfach nicht dein Ernst sein«, sagte er heiser.

Was war nur passiert? Warum war dieser Tag so außer Kontrolle geraten? Alles hätte ganz anders sein müssen.

Es war nur ein Scherz. Es musste ein Scherz sein. Anders konnte er sich das alles nicht erklären.

Thorin musterte seinen Gegenüber mit einer leichten Besorgnis. »Ist alles in Ordnung?«

Bilbo atmete mehrere Male tief ein und aus. »Nein, nichts ist in Ordnung«, flüsterte er verzweifelt. »Gar nichts ist in Ordnung, Thorin Eichenschild. Ich verstehe einfach nicht, warum du… Merkst du denn nicht, dass das alles… Ich will einfach nicht, dass du… Nein!«

Unruhig faselte er vor sich hin und Thorin ließ es einfach stumm geschehen. Er war zu der Überzeugung gekommen, dass der Halbling Zeit brauchte, die er ihm gerne geben wollte.

Aufmerksam beobachtete er Bilbo, dessen Gedanken noch immer geordnet werden mussten. Er versuchte gerade, das Für und Wider abzuwägen und war mit dieser Situation einfach restlos überfordert. »Nein, nein, nein, nein«, murmelte er immer wieder vor sich hin.

»Dieses Wort hast du heute ausgesprochen oft in meiner Gegenwart genutzt, Halbling.«

Der Hobbit wurde rot und wusste nicht mehr, wie er dieser Situation entkommen sollte. Deshalb kauerte er sich auf der Wiese zusammen und versteckte sich unter Thorins Mantel.

Der Zwerg schmunzelte bei dem Anblick.

»Du versteckst dich vor mir?«, fragte er und bekam nur ein unverständliches Murmeln zur Antwort.

»Glaube nicht, ich hätte meine Entscheidung nicht gut genug durchdacht. Du hast mir oft gezeigt, dass du alles hast, was man braucht, um die Aufgaben, die auf dich zukommen würden, zu meistern. Fíli, Kíli und Balin sind ebenfalls davon überzeugt.«

»Natürlich sind die drei auch mit darin verwickelt...«

Thorin lachte leise. »Bist du böse auf mich?«

Es dauerte eine Weile, bis Bilbo antwortete. »Wie könnte ich dir böse sein?«

Wieder schwiegen die beiden für eine lange Zeit, doch diesmal war der Halbling dankbar dafür. Er hatte noch einmal die Möglichkeit, um über alles nachzudenken, doch egal, wie er es drehte und wendete, immer wieder kam er auf das selbe Ergebnis. Er konnte nicht zustimmen. Es wäre unverantwortlich.

»Nur wenige würden es akzeptieren, Thorin. Außerdem… kann ich dir keinen Thronerben schenken. Oder soll ich ein Kind stehlen? Ich war zwar ein Dieb, aber eine Kindesentführung kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.«

Der König lächelte leicht. »Sollte uns etwas passieren, gibt es Fíli und Kíli.«

Ein seltsames Gefühl breitete sich in Bilbos Körper aus, als Thorin den Hobbit und sich selbst als ‘uns’ bezeichnete. Es klang in seinen Ohren so richtig. Aber es war nur ein Wunschtraum, weiter nichts. Es ließ sich nicht mit der Wirklichkeit vereinbaren.

»Wie kann man nur so sorglos sein, Thorin? Du denkst, das Ganze wäre einfach.«

»Du bist derjenige, der ein Problem daraus macht.«

Bilbo lugte unter dem Mantel hervor. »Du glaubst wirklich, dass alles gut gehen würde, wenn ich… Nein.«

Thorin verdrehte die Augen. »Halbling, ich will dieses Wort heute nicht mehr von dir hören. Bereits beim ersten Mal hat es mir missfallen.«

Schuldbewusst sah der Hobbit zu dem Zwerg auf. »Verzeihung, es ist nur… unvorstellbar, was du da von mir verlangst.«

»Ich verlange nur von dir, dass du mir vertraust.«

Zögerlich kroch der Halbling aus seinem Versteck und setzte sich neben den König, der stumm das Gänseblümchen und die Jungpflanze betrachtete.

»Darf ich noch ein wenig darüber nachdenken?«, fragte Bilbo irgendwann leise und Thorin nickte.

Beide hingen eine Weile ihren Gedanken nach, während die Sonne langsam am Horizont verschwand.

Alles sprach gegen diese… Beziehung. Jeder, mit einem Funken Vernunft würde ablehnen und Bilbo gehörte zu diesen Personen. Doch war es vernünftig, diesen so greifbaren Traum einfach ziehen zu lassen? Es brauchte nur ein Wort und er war damit an Thorin gebunden. Offiziell. Jeder würde es erfahren.

Dieser Gedanke reizte und erschreckte ihn zugleich. Der König hingegen schien keinerlei Zweifel zu hegen. Er musste zugeben, es ehrte ihn, dass der Zwerg solch großes Vertrauen zu ihm hatte.

Er sah zu Thorin auf. »Wieso bist du dir so sicher, dass alles gut gehen wird? Zweifelst du überhaupt nicht daran?«

»Ich vertraue dir voll und ganz. Ich habe in der Vergangenheit zu oft an dir gezweifelt und es immer bereut. Das wird mir nie wieder passieren.«

Bilbo lächelte leicht. »Danke, Thorin. Das bedeutet mir sehr viel«, sagte er. »Aber… ich mache mir Sorgen. Ich möchte einfach nicht, dass du wegen mir zum Spott für andere wirst.«

»Lass’ das meine Sorge sein.«

Der Hobbit seufzte leise. »Es wird auch unweigerlich meine Sorge sein...«

»Ist das ein ‘Ja’?«

Abwehrend hob Bilbo die Hände. »So war das nicht gemeint!«

Sie drehten sich nur noch im Kreis.

Verzweifelt ließ sich der Halbling rückwärts ins Gras fallen. »Ich glaube nicht, dass ich deinen Anforderungen gerecht werde. Ein richtiger Meisterdieb bin ich ja auch nicht geworden.«

Thorin blickte auf den Hobbit herab. »Mir hast du scheinbar etwas Wichtiges gestohlen.«

Bilbo sah betreten zu Boden. »Du nimmst mir die Sache mit dem Arkenstein also doch noch immer übel.«

Er hatte nicht verstanden, dass der König etwas vollkommen anderes gemeint hatte. Die zeitweise auftretende Naivität des Hobbits amüsierte und faszinierte den Zwerg immer wieder aufs Neue.

Lachend stand er auf und reichte Bilbo die Hand.

Dieser zog einen Schmollmund. »Das ist nicht witzig! Ich habe deswegen immer noch Schuldgefühle!«

»Ich habe auch nicht vom Arkenstein gesprochen.«

Der Hobbit ergriff dankend die dargebotene Hand und überlegte kurz. »Oh.«

Er wurde rot, als er merkte, dass er gerade Thorins herzliche Worte im Keim erstickt hatte. »Nachdenken, Bilbo Beutlin! Nachdenken!«

Der Zwerg lächelte leicht. »Gehen wir zurück nach Erebor. Fíli und Kíli suchen sicherlich immer noch verzweifelt nach dir.«

Bilbo nickte und sah noch einmal zu dem Gänseblümchen und dem Setzling.

Eines Tages würde die Blume im Schatten des Baumes stehen, doch dieser Tag war noch so fern und in der Zwischenzeit konnten beide nebeneinander stehen. Verschieden, aber ebenbürtig.

Mit einem zufriedenem Lächeln folgte der Halbling dem König.

»Thorin?«, begann er und sah zu dem Zwerg auf. »Ja, ich will.«



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück