Prolog
1731 AD
Die Faust verfehlte Bakuras Gesicht nur um Haaresbreite.
Es war mehr Glück als Können gewesen und doch gab es ihm die nötige Zeit zurückzuschlagen. Sein beherzter Schwung mit der Faust traf seinen Kontrahenten am Kinn, aber seine körperliche Unterlegenheit forderte ihren Tribut. Der Schlag hatte sein Gegenüber lediglich kurz ins Taumeln gebracht und seine Rage nur noch weiter geschürt. Mit vor Wut rot angelaufenem Kopf langte er nach
Bakuras Hals und drängte ihn gegen den Hauptmasten. Keuchend verkrallte Bakura sich im Arm des bärtigen Mannes und schnappte nach Luft.
„Na, ist dir deine freche Zunge nun im Hals stecken geblieben?“, spottete er und schien die Nägel, die sich in seinen Arm bohrten, vollkommen zu ignorieren.
Unfähig zu sprechen griff Bakura auf die verbleibende Möglichkeit zurück, seinen Unmut auszudrücken und spuckte seinem Gegenüber auf sein grinsendes Gesicht. Seine Miene verzog sich zu einer Fratze und Bakura spürte einen knochigen Daumen direkt gegen seine Luftröhre drücken.
„Was fällt dir ein, Bursche?!“
„Hngh..!“ Er trieb seine Nägel in die Haut seines Angreifers, der davon weiterhin keine Notiz nahm und lediglich fester zudrückte, während der Speichel zäh von seiner Wange tropfte.
Bakuras Wahrnehmung begann langsam aber sicher unklar zu werden, schwarze Ränder bildeten sich um sein Sichtfeld und der verzweifelte Versuch, nach seinem Angreifer zu treten, scheiterte an mangelnder Kraft.
Einige Crewmitglieder besahen sich das Schauspiel aus sicherer Entfernung, niemand gewillt einzuschreiten.
„Genug!“
Die wohlbekannte Stimme mischte sich ungnädig in den Lärm der tobenden See und brachte Bakuras Gegenüber dazu, inne zu halten. Ein weißhaariger Mann war aus seiner Kajüte getreten und verströmte mit jeder Pore seines Körpers Gefahr.
„Lass ihn los, Moran.“, befahl der Weißhaarige betont ruhig und trat näher an den Ort des Geschehens heran.
„Aber Captain“, gab Moran heiser zurück und ließ kurz darauf von Bakura ab, der bereits blutige Striemen in seine Haut geritzt hatte. Kaum dass der Druck gegen seinen Hals nachließ und seine Atemwege wieder frei waren, sackte Bakura in sich zusammen und pumpte unkontrolliert Luft in seine Lungen, sodass er für einen langen Moment überhaupt nicht mitverfolgen konnte, was vor sich ging.
Schwer atmend lehnte er sich gegen den Mast in seinem Rücken und unterdrückte mit Mühe den Hustenreflex, als sich ein Schatten über ihn legte. Er musste nicht einmal nach oben schauen um zu wissen, dass es Akefia war, der vor ihn getreten war.
Bakura schluckte und steckte all seine verbliebene Konzentration in eine einigermaßen kontrollierte Fassade, mit der er nun den kühlen Blick des Captains erwiderte. Schon bevor er auf diesem Schiff angeheuert hatte, war ihm dieser Mann kein Unbekannter gewesen. Er gehörte zu den Piraten, die sich Kaperbriefe ausstellen ließen, um ihre Raubzüge zu legalisieren und den Tag ihrer Hinrichtung zumindest ein wenig weiter in die Zukunft zu verschieben. Das machte ihn nicht gerade zu den beliebtesten seiner Zunft, aber es änderte auch nichts an dem Ansehen, das er unter seinesgleichen genoss.
Der Blick aus den unwirklich violetten Augen bohrte sich durch Bakuras Geist und ließ ihn für einen kurzen Moment den Faden verlieren.
„Ich war davon ausgegangen, dass dir die Regeln auf diesem Schiff bekannt sind.“
Mühevoll stemmte Bakura sich am Mast in eine aufrechte Position, musste den Kopf aber noch immer heben, um Akefia direkt in die Augen sehen zu können. Sein Puls war wieder auf ein gesundes Maß gesunken und gab ihm die Möglichkeit, wieder Herr über sich und seine Erscheinung zu sein. Es fiel ihm schwer, Akefias Blick zu erwidern.
„Sind sie.“
„Nämlich?“
Bakura biss verstimmt die Zähne zusammen, empfand er schon diese Unterhaltung als Vorführung vor der gesamten Crew.
„..Keine Handgreiflichkeiten an Bord.“
„Und bei Wiederholung droht Bestrafung“, setzte Akefia Bakuras unvollständige Einsicht fort und trat anschließend einen Schritt von ihm weg, seine Aufmerksamkeit nun wieder beim Rest der Mannschaft.
„Los, an die Arbeit!“
Während die Crew sich folgsam wieder ihren eigentlichen Aufgaben widmete, wandte Akefia sich ein letztes Mal an Bakura. Es missfiel ihm sichtlich, Bakura eine Sonderbehandlung zukommen lassen zu müssen.
„Ich kann auf meinem Schiff keine Unruhestifter gebrauchen also mach dich lieber nützlich und fang nicht dauernd Streit an“, raunte er dunkel und erwartete vergeblich eine ergebene Bestätigung.
Bakuras Miene zeigte wieder Selbstsicherheit und er machte keine Anstalten, noch weiter auf seinen Fehler einzugehen, geschweige denn Akefia den Respekt zu zollen, der ihm zustand.
„Dann lasst mich auf den Ausguck. Ich habe gute Augen.“
„Nein.“
„Wieso nicht?“
„Ich vertraue dir nicht. Geh unter Deck und hilf die Kanonen zu reinigen.“
Empört über diese niedere Aufgabe schnaubte Bakura und spürte im nächsten Moment hart den Mast in seinem Rücken. Akefias große Hand lag schwer auf seinem Brustkorb und erschwerte ihm das Atmen.
„Unter Deck. Sofort.“ Das bedrohliche Grollen in seiner Stimme fachte Bakuras auflehnendes Wesen ein weiteres Mal an, doch noch bevor er zum verbalen Konter ausholen konnte, hatte Akefia sich nach einem letzten schmerzhaften Druck auf seine Brust von ihm entfernt und wieder zu voller Größe aufgerichtet, womit er Bakura um fast einen ganzen Kopf überragte. Sein Gesicht war von Anspannung gezeichnet als müsse er sich selbst beherrschen, um seinem Ärger nicht ungebremst Luft zu machen. Die große Narbe unter seinem rechten Auge hob sich stark von der braungebrannten Haut ab, die davon zeugte, aus welch sonnigem Klima der hoch angesehene Pirat stammen musste.
„Das war ein Befehl“, wiederholte er seine Anweisung und ballte eine Hand zur Faust, was die Ringe an seinen Fingern klirren ließ.
„Aye“, lenkte Bakura schließlich ein und rieb sich den wunden Hals, während Akefia sich mit festen Schritten zurück in seine Kajüte begab.
