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An die Zurückgebliebenen

One-Shot-Sammlung
von

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Hanji -> Levi

Sie brauchte etwa zehn Minuten, um das Problem (eine undichte Verbindungsstelle) zu finden und so zu beheben, dass ihr Versuch keinen Schaden daran nahm. Allerdings war bei dem Malheur ein wenig der Testflüssigkeit in das Destillat getropft.

Hanji nahm das Gefäß mit der klaren, ein wenig ölig schimmernden Flüssigkeit in die Hand, schätzte die Menge ab und tauschte dann kurzerhand die beiden Glaskolben, ehe sie einen dritten aus dem Schrank holte und ans Ende der Apparatur setzte. Sie brauchte ein reines Ergebnis, wenn sie daraus etwas ablesen wollte.

Ohne weiter groß darauf zu achten, stellte sie die Reste der ersten Testflüssigkeit irgendwo auf ihren Tisch und ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken.

Jetzt hieß es also noch einmal warten.

Sie machte sich eine kurze Notiz auf einem Schmierzettel, dass sie den Aufbau wiederholt hatte und warum, dann wollte sie das Papier wieder weglegen, hielt aber kurz inne. Sie hatte Zeit, dann konnte sie auch, wenn sie ohnehin dabei gewesen war, gerade noch einen weiteren Brief schreiben, nicht?

Er war nicht notwendig, zumindest nicht in der gleichen Art und Weise, wie der an Erwin es war, aber … sie lächelte sacht und griff sich ihren Stift. Vielleicht war er es auf eine andere Art und Weise doch und wenn nicht, so war sie auf jeden Fall auf Nummer sicher gegangen.

 
 

Lieber Levi,
 

 
 

ja, du hast richtig gelesen. Lieber. Sieh mich nicht so an, so beginnt man Briefe im Allgemeinen, auch wenn du mir jetzt vermutlich gleich sagen wirst, dass ich mich doch auch sonst einen Dreck darum schere, wie „man etwas macht“. Und natürlich hast du damit vollkommen recht, aber ich dachte trotzdem, dass es ein netter Anfang wäre.

Irgendwie muss ich diesen Brief ja beginnen, warum dann nicht ausnahmsweise einmal so, wie andere es auch tun?

Verdreh nicht die Augen, ist ja schon gut, ich höre auf. Dann bringen wir lieber das „Gesülze“, wie du es vermutlich nennen würdest, hinter uns, was meinst du?

Nein, nicht wieder die Augen verdrehen! Lass mich doch erstmal anfangen, ich versuch es auch unsülzig zu halten, extra für dich (denke ich … ich weiß nicht, ob ich etwas sülzig schreiben könnte, wenn ich wollte … soll ich es nicht doch mal …? Okay, okay, ich weiß schon, sag nichts).

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich das erste Mal gesehen habe. Und mein erster Gedanke war, dass du klein bist. Ja, ich weiß, das überrascht dich nicht und das habe ich oft genug klar gemacht. Aber es ist nun einmal eine Tatsache, dass du der kleinste Mann bist, den ich kenne. Ich mein, schau mal, selbst unsere Neuzugänge sind fast alle größer als du – und die wachsen noch!

Schon klar, ich weiß, Klappe halten. Aber ich denke, du weißt, dass ich es nie böse gemeint habe, wenn ich dich damit aufgezogen habe. Ebenso wenig, wie mit allem anderen. Und du glaubst nicht, wie herrlich es war endlich jemandem zu begegnen, der meinen Sinn für Humor versteht … oder zumindest nicht komisch guckt, wenn ich versuche einen Witz zu reißen. Ganz sicher, ob du ihn wirklich verstanden hast, bin ich nicht, wenn ich so darüber nachdenke.

Aber ich glaube, da haben wir eine Gemeinsamkeit, so, wie alle immer gucken, versteht auch niemand deine Witze, oder?

Haha, jetzt schau nicht so grummelig, das weißt du doch selbst auch ganz genau. Sie sind halt alle komisch. Oder wir. Macht keinen Unterschied.

Was ich auf jeden Fall sagen wollte, ich weiß, dass ich anstrengend bin. Ich weiß, dass ich unordentlich bin und nicht halb so oft dusche, wie ich sollte (ja, okay, nach deiner Definition, wahrscheinlich nicht mal ein Zehntel so oft), ich weiß, dass die Leute Angst vor meinem Labor haben und kaum jemand freiwillig herkommt.

Und ich bin froh, dass du trotzdem immer wieder gekommen bist. Obwohl du einen halben Anfall wegen meiner Unordnung (ja, ich habe das gesehen, auch wenn du es nicht glaubst) bekommen hast. Ich bin froh, dass dich all das nicht davon abgehalten hat mit mir zu reden.

Vermutlich würden mich die meisten für diese Worte seltsam ansehen, aber ich habe unsere Gespräche immer unglaublich genossen und ich denke gerne an jedes einzelne Mal zurück, wenn wir abends noch hier zusammensaßen, du dich über die Zeit oder deine Leute beschwert hast, während ich am Werkeln war … ja, und wie du mich mehr als einmal darauf aufmerksam machen musstest, dass irgendwas überkocht, das wolltest du doch gerade sagen, oder?

Ich schätze, da hast du mich ein paar Mal vor Schlimmerem bewahrt und dafür schulde ich dir wohl was.

Und ich bin auch fast am Ende, denn wenn du das hier lesen solltest, dann habe ich wohl mein letztes großes Experiment begonnen und erforsche jetzt, was nach dem Tod kommt. Wir können dann darüber reden, wenn du irgendwann einmal in hoffentlich ferner Zukunft folgen solltest. (Ja, das muss sein, immerhin habe ich dann deutlich mehr Erfahrung als du.)

Bis dahin aber, rede doch mal mit Erwin oder Moblit, ich habe den beiden meine Forschungen überlassen. Du wirst es Zeitverschwendung und wirres Gerede nennen, aber vielleicht interessiert dich die eine oder andere Theorie über die Schwachpunkte der Titanen ja doch. (Ja, das glaube ich wirklich, egal, wie sehr du jetzt das Gesicht verziehst.)

 

Nun, ich denke, ich sollte mich jetzt wieder um mein Experiment kümmern. Es wird verdammt langweilig ohne dich in Zukunft sein, pass auf dich auf.

(Und ich weiß, dass du jetzt entnervt den Kopf schütteln und den Brief weglegen wirst, daher kann ich es am Ende ruhig noch schreiben, wenn du es ohnehin nicht lesen wirst.)

Danke, Levi. Danke, dass du da warst.

 
 

Hanji
 

 
 

Hanji sah traurig auf den überraschend lang gewordenen Brief in ihrer Hand. Er war unordentlich geschrieben, auf einem Notizzettel, der offenbar schon den einen oder anderen Tropfen abbekommen hatte und wirkte … so unwichtig.

Und doch hatte es sie ein wenig melancholisch gestimmt. Noch während sie schrieb, hatte sie Levi vor sich gesehen, wie er reagiert hätte, wenn sie diese Worte zu ihm gesagt hätte. Sie hatte auf ihre letzten Worte hin tatsächlich eine andere Reaktion gesehen – ein langsames, schweres Schließen der Augen, als wollte er nicht vorhandene Tränen wegblinzeln und ein trauriges Seufzen – aber sie weigerte sich darauf einzugehen.

Er war der stärkste Kämpfer der Menschheit, er würde auch mit ihrem Tod fertig werden, irgendwie. Aber es schmerzte immer einen Freund zu verlieren und egal, was einige Leute sagen oder denken mochten, Hanji sah ihn schon lange als einen an und sie war sich sehr sicher, dass er es ähnlich sah.

Zumindest würde er sich sonst sicher niemals freiwillig in ihre „Muffhölle“ begeben, wie er das Labor seit dem ersten Tag nannte, dachte sie mit einem kleinen Lächeln.

Dann erklang ein Krachen und sie sprang schnell auf, als ihr Experimentaufbau gefährlich zu schwanken und knallen begann.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Noch einmal kurze Zwischeninfo: Entgegen der ursprünglichen Planung wird das hier doch nicht der letzte Brief sein. Ich habe mich entschieden noch zwei weitere Kapitel hochzuladen. Nach diesen wird es dann aber wirklich zu Ende sein. :) Komplett anzeigen

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