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Der Sanftmütigen Erbe

von

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Begegnungen I

Familie ist...

... sich jeden Tag überraschen lassen.

    ... sich gegenseitig den Rücken stärken.

         ... über Grenzen gehen.

              ... Zusammenhalt, Liebe und Vertrauen.
 

„Willkommen zuhause, Kinder“
 

Etwas verwirrt blinzelten die beiden Angesprochenen, als die tiefe, sonore Stimme sie ansprach.

Sie erinnerten sich an das, was vor kurzem geschah, nur schemenhaft und beinahe wären sie vor dem Wesen, zu dem die Stimme zu gehören schien, zurückgeschreckt. Doch etwas tief in ihnen vertraute diesem Wesen und langsam, ganz langsam kehrten die Erinnerungen zurück.

Das Mädchen legte eine Hand auf ihre Brust. „Ich… ich kann wieder frei atmen…“, brachte sie hervor.
 

Der Löwe wandte ihr etwas den Blick zu. „Ja, das kannst du. Ihr wart sehr krank, weißt du?“
 

Etwas zögernd nickte das Mädchen. „Ja, ich erinnere mich. Aber… wo sind wir hier? Und warum… warum nennst du dies hier unser zuhause? Wir stehen mitten im Wald“
 

Der Löwe lachte leise. „Das sehe ich, Mädchen. Und doch ist dies hier in gewisser Weise euer Zuhause. Das wo wir uns hier befinden, nennt sich mein Reich. Und es gehört zu einer Welt, zu der ihr eine sehr starke Verbindung habt, ohne dass ihr es je wissen konntet. In dieses, in mein Reich, konntet ihr aber nur einen Fuß setzen, weil ihr eure Welt für immer verlassen habt“
 

Die Hände der Kinder, die noch immer auf dem Rücken des großen Tieres ruhten, verkrampften sich, doch keiner von beiden sagte etwas.
 

Also sprach der Löwe weiter. „Ihr kennt mich schon eine ganze Weile, nicht wahr? Schon vor Jahren habe ich euch im Traum besucht“

Er wartete das Nicken der Kinder nicht ab, sondern fuhr fort: „Doch ich kenne euch schon sehr viel länger. Genau genommen habe ich über euch gewacht, seit ihr auf der Welt wart“
 

Das Mädchen sah ihn nur mit großen Augen an, doch der Junge zog plötzlich seine Hand von Aslans Rücken. „Wenn du doch über uns gewacht hast, warum hast du dann zugelassen, dass Mutter uns genommen wird?“, fauchte er.
 

Aslan senkte augenblicklich den Kopf. „Wachen heißt nicht etwas beeinflussen zu können, Nathan. Aber du hast Recht, an eurer Mutter habe ich wohl meinen größten Fehler begangen. Sie war meine Schutzbefohlene ebenso wie ihr und doch habe ich viel zu spät bemerkt, dass sie begann, sich von mir abzuwenden, bis ich nicht mehr an sie heran kam. Aus diesem Grund war es mir auch unmöglich, sie nach ihrem Tod hierher zu holen. Es tut mir Leid, Kinder, soviel kann ich von ganzem Herzen sagen“

Aslan blickte erst Emily, dann Nathan mit der ihm eigenen Aufrichtigkeit und Wärme an und schließlich entspannte der Junge sich wieder etwas.

Er schien Aslan Glauben zu schenken und der war nur zu froh darum. „Euch aber habe ich holen können, wie ihr seht. Und ich möchte euch auch bald den Grund verraten, warum diese Möglichkeit bestand. Doch jetzt kommt, Kinder, wir sollten dorthin gehen, wo es gemütlicher ist“

Damit setzte der große Löwe sich mit sachten Schritten in Bewegung. Hier in seinem Reich war es niemals kalt, auch jetzt, mitten in der Nacht herrschte eine angenehme Temperatur, aber die Kinder waren barfuß und trugen nur die dünnen Flatterhemden aus dem Krankenhaus. Außerdem hatte er viel zu erzählen. Sehr viel.
 

Als sie Kinder sich ihm anschlossen, spürte er, wie die Geschwister sich über seinen Rücken hinweg, an den Händen fassten und er lächelte stumm vor sich hin.

Nie seid ihr hier gewesen, nie habt ihr Narnia wirklich gekannt. Doch der Geist von Narnia ruht tief in euren Herzen.

Erstens, vertraut in jene, die ihr kennt und liebt. Wenn die Welt ins Wanken gerät, sind sie euer Halt.

Zweitens, öffnet eure Herzen für jene, die euer Vertrauen gewinnen wollen. So lauft ihr zwar Gefahr, enttäuscht zu werden, aber nur so habt ihr auch die Möglichkeit, neue Bande zu knüpfen…

In der dichten Mähne fast unsichtbar, drehten sich seine Ohren nach hinten, um dem leisen Gespräch der Kinder zu lauschen.
 

„Er sagt, wir haben unsere Welt für immer verlassen. Heißt das, wir sind…“, Emily erstickte fast an ihren eigenen Worten.
 

„…tot, ja“, erwiderte Nathan fast tonlos und auch ihm schien dieses Wort nur schwer über die Lippen zu kommen.
 

Von Emily war ein lautes Schluchzen zu vernehmen, Aslan roch die Tränen, die haltlos über die Wangen des Mädchens rannen. „Tante Lucy, Onkel Edmund und Onkel Peter werden uns schrecklich vermissen…“
 

An dieser Stelle hielt Aslan es für besser, sich wieder einzuschalten. „Wisst ihr, Kinder, sie werden euch sicherlich vermissen. Aber alle drei wissen sie, dass ihr in meiner Obhut seid und das wird ihnen die Trauer erleichtern. Und sie wissen, dass sie euch eines Tages wiedersehen werden“

Nun, zumindest Lucy wird es wissen, tief in ihrem Herzen, fügte er gedanklich hinzu.
 

Emilys Tränen versiegten jetzt. „Wirklich?“, schniefte sie.
 

Aslan nickte leicht. „Wirklich, Mädchen. Vertrau‘ mir“

Weiter sagte er nichts, aber er spürte, dass die verschränkten Hände der Kinder sich auf seinen Rücken senkten und in seine Mähne gegraben wurden, als suchten die beiden Halt bei ihm.

Aslans Gedanken kehrten dorthin zurück, wo sie vor wenigen Minuten noch gewesen waren:

Und drittens, glaubt daran, dass es auf jede Frage, die ihr euch stellt, irgendwann einmal die richtige Antwort geben wird… eure Tante, eure Onkel, ja auch eure Mutter haben das erst lernen müssen. Aber ihr wisst es von selbst, nicht wahr? Und das schweißt euch in diesen Minuten, in denen ihr einander einzig Halt gebt, mehr aneinander, als all die Jahre eures kurzen Lebens…
 

~*~
 

Am Tag darauf konnte man an einem Ort nicht weit entfernt, eine gänzlich andere Gruppe beobachten.

War ein Löwe, der mit Menschenkindern sprach, schon seltsam genug, so war dieser Mensch – scheinbar ein Mann in den besten Jahren – von einem aufrecht gehenden Dachs, einer kniehohen Maus und einem rothaarigen Zwerg umgeben und unterhielt sich auch noch angeregt mit ihnen.
 

Eben pflichtete die Maus dem Dachs bei, worauf der eine ungeduldige Handbewegung machte. „Natürlich habe ich Recht! Es ist die Aufgabe von uns Dachsen, sich zu erinnern!“

Die Maus beantwortete das nur mit einem kleinen Diener, sichtlich nicht gewillt, einen Streit einzugehen.
 

Der Mann schmunzelte. „Gib‘ es auf, Riepichiep, du kriegst ihn nicht klein“
 

Entrüstet sah die Maus ihn von unten her an, plötzlich einen kleinen Degen in der Hand. „Ein Ritter von Narnia gibt niemals auf, wenn er etwas auf seine Ehre hält! – Und eine Maus auch nicht!“
 

„Das hier ist aber kein Kampf, der mit scharfen Waffen gefochten werden sollte!“, mischte der Zwerg sich mit etwas mürrischem Ton ein.
 

„Ach nein? Welcher ehrenvolle Kampf ist es denn nicht wert, auf die Waffen zurückzugreifen, die wir besitzen?“
 

„Du solltest dir mal bewusst werden, dass deine Zunge ebenso gefährlich sein kann, wie dein Schwert“, erwiderte der Zwerg ungerührt von Riepichieps halb ernstgemeinen Schimpftiraden.

Sie alle kannten sich nun schon so lange, waren so enge Freunde, dass solcherart kleine Diskussionen an ihnen abperlten.
 

„Trumpkin hat recht, Riepichiep“, mischte sich auf einmal eine weitere Stimme in das Gespräch ein und alle vier schauten zur Seite, wo jemand zwischen den Bäumen aufgetaucht war.

Sofort verneigte Riepichiep sich, die anderen folgten seinem Beispiel.
 

Aslan sah ihnen nur lächelnd dabei zu.

„Erhebt euch wieder, Freunde. – Ich bin gekommen um mit dir zu sprechen, Caspian. Hättet ihr anderen die Güte, uns allein zu lassen?“
 

Abgesehen davon, dass Riepichiep sich erneut verneigte, waren die drei in Sekundenbruchteilen verschwunden.
 

Aslan sah ihnen lächelnd nach, ehe er den kleinen Hang hinab kam, bis er neben Caspian auf dem weichen Waldboden stand. „Ich habe euer Gespräch mit angehört. Und ich hoffe, du weißt, dass ich nie das Vertrauen, dass in mich gesteckt wurde, enttäuschen wollte“
 

„Trumpkin reitet doch nur immer darauf herum, dass du dich meistens erst zeigst, wenn gar nichts mehr hilft“, erwiderte Caspian bloß und setzte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm, als auch Aslan sich niederließ.
 

Der große Löwe schüttelte etwas seine Mähne. „Ich weiß. Aber das hat seine Gründe. Jeder, dem ein Leben geschenkt wurde, Menschen und andere Wesen, sie alle machen Fehler und sie alle müssen daraus lernen. Vor allem aber müssen sie lernen, selbst zurecht zu kommen. Ich bin ein Wächter, kein Befehlshaber. Ihr seid eigenständige Seelen und nicht etwa meine Schachfiguren“
 

Caspian nickte leicht und blickte zu den Baumkronen hinauf. „Das ist auch der Grund, warum du den Königinnen und Königen der alten Zeit irgendwann verwehrt hast, zurückzukehren, nicht wahr?“
 

Aslan nickte auf diese Frage hin leicht. „Sie alle hatten gelernt, was sie zu lernen hatten, was ich, was Narnia ihnen beibringen konnte.

Peter hatte gelernt, was es bedeutet, Verantwortung zu haben, Entscheidungen zu treffen, aber seinem Umfeld auch Freiheit zu lassen.

Susan…“, er zögerte kurz.

Als Caspian zwar die Augen schloss, ihn aber nicht unterbrach, sprach er weiter: „Susan hatte gelernt, sich zu behaupten, zu vertrauen und an ihren Entscheidungen festzuhalten. Wenn auch manchmal zu sehr.

Edmund hatte gelernt, dass es schön ist, sich auf jemanden verlassen zu können und dass man die Folgen seiner Entscheidungen tragen muss. Aber er hatte auch gelernt, dass Fehler einen erstarken lassen.

Und Lucy hatte gelernt, dass sie sich selbst vertrauen kann, selbst dann wenn andere es nicht tun, und dass sie genau so bleiben soll, wie sie ist“
 

„Und… ich? Was habe ich gelernt?“, wollte Caspian dann wissen.
 

Aslan schnurrte etwas. „Du hast gelernt, den Mut aufzubringen, ein neues Leben zu beginnen, Vergangenes hinter dir zu lassen und dich zu öffnen für das, was kommen mag. Und das hat dich zu einem König gemacht, wie ihn sich die Narnianer nur wünschen konnten“, erwiderte er, hatte aber durchaus auch die unausgesprochene Frage nicht überhört: „Caspian, du bist in Narnia geboren. Durch deine Adern fließt narnianisches Blut. Die Könige und Königinnen der alten Zeit, sie… sie kamen aus einer anderen Welt. Aus einer Welt, in der die Zeit nicht nur sehr viel langsamer vergeht, sondern in der sie ebenso lernen mussten, zurechtzukommen. Sie haben Narnia geliebt, sie waren hier willkommen, aber es war nicht ihre Heimat. Und genau das mussten sie verstehen.

Außerdem weiß ich im Nachhinein, dass ich sie dort, in ihrer Welt, gebraucht habe. Ohne sie, hätte sich ein Fehler, den ich machte, noch sehr viel schwerer ausgewirkt“
 

Jetzt sah Caspian ihn deutlich fragend an und Aslan unterdrückte das unwillkürliche, erneute Schnurren.

Da hatte Caspians Frage ihm ja richtig in die Karten gespielt.

„Caspian, weißt du, was mit jenen geschieht, die Narnias Blut in sich tragen, aber nicht in Narnia geboren sind?“
 

Etwas zögernd schüttelte der dunkelhaarige Mann den Kopf.
 

„Siehst du“ Damit erhob Aslan sich und wandte sich etwas ab.

„Komm‘ am Morgen nach Cair Paravel. Dort wird sich einiges klären“

Damit verschwand der große Löwe im Wald, als sei er nie dagewesen.
 

Caspian sah ihm noch einen Moment nach. Er hatte nicht den geringsten Schimmer, wovon Aslan sprach, aber er wusste auch, dass die einzige Möglichkeit, dies herauszufinden, darin bestand, Aslans Aufforderung zu folgen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  franzi_hope
2014-10-19T20:32:00+00:00 19.10.2014 22:32
Hey :-)
Das 11. Kapitel war wirklich toll nur irgendwie konnte ich nicht kommentieren. Ich bin gespannt wie und wann es weiter gehen wird! *-*
Dein Schreibstil ist wirklich toll und auch wie du Caspians Gefühle dargestellt hast, als er Emily und Nathan trifft war wirklich super.
LG Franzi :-)
Antwort von:  Mimiteh
20.10.2014 19:42
Schön, dass es wieder gefallen hat. Das nächste Kapitel ist dann er endgültige Epilog.
Von:  franzi_hope
2014-09-14T12:02:24+00:00 14.09.2014 14:02
Ich war schon so lange gespannt darauf wie es weiter geht und hab mich voll gefreut als ich gesehen habe es gibt ein Neues Kapitel. :)
Deine Schreibweise gefällt mir sehr gut vorallem weil man sich dann alles so bildlich vorstellen kann..auch die Wortwahl für Aslan finde ich sehr gut getroffen. :)
Ich bin gespannt wie es weiter geht und freue mich auf das nächste Kapitel!! :)
LG Franzi.
Antwort von:  Mimiteh
15.09.2014 12:18
Schön, dass ich die Spannung so aufrecht erhalten konnte, obwohl der Leser ja mehr weiß, als Caspian^^
Und ja, Aslans salbungsvolle Wortwahl zu erfinden, hat auch echt Spaß gemacht.
Ich denke, bis nächste Woche müsste ich das nächste Kapitel fertig haben...


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