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Weil du mich nicht kennst

Taito
von

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Gute Ratschläge

Manchmal, wenn wir neue Orte betreten oder fremde Menschen treffen, spüren wir sofort, dass sie bedeutungsvoll für unser Leben sein werden, dass ein neuer Abschnitt beginnt, eine neue Ära...

Der erste Tag an einer neuen Schule, der erste Tag im Fußballverein, die erste Liebe, der erste Tag in der eigenen Wohnung, die erste Nacht in einem Männerclub, ... in Taichi Yagamis Leben hatte es schon viele solcher Momente gegeben.

Aber manchmal kommt es auch vor, dass wir von einem solchen Ort oder einer Person etwas ganz anderes erwarten, als wir letztendlich bekommen. Genau so ein Ort war das Grand Blue Hotel, welches er gerade zusammen mit seinem Kumpel Ryo betrat.

Das Foyer allein bot einen postkartenreifen Anblick: Marmorboden, riesige Palmen, kleine gemütliche Sitzecken mit roten Ledersofas und ein Empfangstresen aus dunklem, poliertem Holz mit einer noch polierteren Empfangsdame dahinter.

Sie schlenderten zur Theke. Die blonde Dame trug ein weinrotes Kostüm und hatte das Haar in einem perfekten Dutt gebunden. Das strenge Aussehen machte sie mit ihrem charmanten Lächeln wieder wett.

„Willkommen im Grand Blue Hotel meine Herren! Haben Sie reserviert?“

Die jungen Männer nickten. „Auf Kobayashi, Ryo.“

Es sollte ein kleiner, feiner, gemütlicher, privater und vor allem ruhiger Urlaub werden. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass solche Vorhaben erfolgreicher waren, wenn er seine Zimmer nicht auf seinen Namen buchte. Die Presse war überall. In Besenkammern, in Kellern, Fahrstühlen und auf Balkonen...

Die nette Dame nickte und machte ein paar Klicks an ihrem PC, es dauerte nur ein paar Sekunden, die Tai und Ryo nutzten, um das Foyer eingehender zu betrachten. Der Marmor setzte sich bis zum Fahrstuhl fort, an dessen Seiten sich die Eingänge zum Treppenhaus befanden. Weiter hinten führten Flure zum Hotelrestaurant, dem Wellness-Bereich und den anderen hoteleigenen Einrichtungen, die bereits im Flyer angepriesen worden waren.

„Ah, da habe ich Sie gefunden!“, verkündete die Dame schließlich und zauberte im Handumdrehen zwei kleine Schlüssel hervor. „Zimmer 1470 im sechsten Stock! Hier sind Ihre Schlüssel.“

Ein wieseliger Angestellter in ebenfalls weinroter Uniform kam wie auf Befehl herüber geeilt. „Lassen Sie mich das Gepäck erledigen“, sagte er höflich und lächelte hilfsbereit.

Tai erwiderte das Lächeln und überließ ihm die Koffer.

Ryo hatte sein Smartphone aus der Hosentasche gezogen und hielt es auf Augenhöhe, um ein Foto zu schießen – eine gewöhnungsbedürftige Angewohnheit, mit der Tai sich aber inzwischen arrangiert hatte. So hatte er wenigstens am Ende des Urlaubs tatsächlich mal ein paar Erinnerungsfotos. Meist war er viel zu vergesslich, um selber an so etwas zu denken.
 

*
 

Tai joggte die Treppen hinauf bis zum sechsten Stock. Marmor, überall Marmor. An den Wänden hingen Aquarelle, die größtenteils verträumte Strandszenen zeigten. Keine Menschenseele kam ihm entgegen. Ob Treppen demnächst komplett abgeschafft werden würden?

Im Gang wartete Ryo bereits auf ihn. „Da hinten“, sagte er nur und deutete den Flur hinunter. Ihr Zimmer war das letzte auf diesem Gang. Hinter der Tür verbarg sich ein Raum, der deutlich größer war, als erwartet. Links führte eine schmale Tür ins Badezimmer, rechts befanden sich die Schränke. Das Zimmer war komplett mit weinrotem Teppich ausgelegt und das Bett war von dem gleichen dunklen Holz wie die Einrichtung im Foyer. Hier legte jemand Wert auf ein stimmiges Gesamtbild. Über ihrem Bett hing noch ein ein Strandaquarell.

Ryo sprintete sofort zum Bett und ließ sich mit Schwung darauf fallen. Grinsend ging Tai an ihm vorbei um den Rest des Raums zu inspizieren. Eine niedliche Sitzecke schmiegte sich an die Wand, es gab einen Fernseher – den sie wahrscheinlich sowieso nicht benutzen würden – und einen Kühlschrank. Das mit Abstand Interessanteste war jedoch die Tür zu ihrem Balkon. Tai drehte den Hebel und öffnete die Tür, die ein leichtes Quietschen von sich gab. Er grinste. Na endlich mal etwas, das hier nicht vollkommen perfekt war.

Der Balkon war klein, aber ausreichend. Seine Größe spielte auch eigentlich keine Rolle, denn Tai ging es hauptsächlich um den Ausblick und die frische Meeresluft. Er trat an das weiße Geländer und lehnte sich vor. Ihr Zimmer zeigte direkt zum Meer. Zum etwa zwanzigsten Mal fragte er sich, wie Ryo dieses Hotel ausgegraben hatte. Es war geradezu übertrieben paradiesisch hier und trotzdem wirkte das Grand Blue kein bisschen überlaufen, im Gegenteil.

Der erste andere Gast, den er erblickte, stand auf dem Balkon des Nachbarzimmers und rauchte eine Zigarette. Er wirkte völlig gelassen, wie er da an seinem Geländer lehnte und in die Betrachtung des Meeres versunken zu sein schien, während er langsam den Rauch auspustete.

Tai hörte erneut das Quietschen der Balkontür und dann stand Ryo neben ihm.

„Wahnsinn! Hat sich echt gelohnt!“, rief er aus und holte schon wieder das Handy heraus. Wenn etwas wert war, fotografiert zu werden, dann auf jeden Fall diese Aussicht. Tai ging einen Schritt zur Seite, um Ryo bessere Sicht zu gewähren, da bemerkte er, dass der Nachbar seine Kippe ausgedrückt hatte und zu ihnen herüber sah. Tai schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Sein Gesicht war ebenmäßig und mit dem markanten Kinn, den modisch gestylten Haaren und der perfekten Nase wirkte es beinahe wie das eines Models... nur der leicht genervte Blick – welcher Ryo zu gelten schien - wollte nicht recht dazu passen.

„Hi.“ Tai lächelte. Es war zwar nur ein zweiwöchiger Urlaub, aber gute Nachbarschaft konnte ja trotzdem nicht schaden, oder?

In dem hübschen Gesicht des Fremden regte sich kein Muskel, einzig seine Augen bewegten sich einen Millimeter – von Ryo zu Tai. Eine Sekunde lang schauten sie sich an, bevor der schweigsame Nachbar den Balkon verließ.

„Komischer Typ“, kommentierte Ryo und lachte. „Lass uns gleich runter ans Meer gehen, ja?“
 

*
 

Nachdem sie in lässigere Kleidung geschlüpft waren, machten sich die beiden auf den Weg nach Draußen, wo deutlich mehr los war, als im Hotel selbst. Auf den Terrassen tummelten sich Sonnenanbeter und planschende Familien, dazwischen huschte das Personal hin und her. Sicherlich war der Pool gut besucht. Ein Plakat vor dem Hotel pries das nächtliche Unterhaltungsprogramm an jedem dritten Abend an. Von Barbecue, Live-Musik und Shows war da die Rede. Tai hatte jedoch keine Zeit, die Informationstafel eingehender zu studieren, denn Ryo stand schon am Fuß der langen, weißen Treppe und winkte ihm hektisch zum Zeichen, dass er doch bitte endlich nachkommen sollte.
 

Es lagen nur zwei kleine Straßen zwischen dem Hotel und der Strandpromenade. Alles war wie erwartet voller kleiner Läden, mehrheitlich Souvenirshops, aber auch Restaurants, Klamottengeschäfte und sogar ein exotischer Körperschmuckladen, der sogleich Ryos Aufmerksamkeit auf sich zog.

Die Augen seines Freundes leuchteten, als er das Schaufenster begutachtete.

„Glaubst du, mir würde das stehen?“, fragte er und deutete auf einige merkwürdig geformte Piercings, die auf den Beispielfotos an noch merkwürdigeren Körperstellen angebracht waren. Aber bevor Tai seine Antwort geben konnte, war Ryos Fokus schon zu den Tattoos gewechselt. Schlüsselbeine mit Kirschblüten und Lilien waren da zu sehen, Fußknöchel mit Comicfiguren, Oberarme mit Tribals und Nacken mit irgendwelchen englischen Lebensweisheiten. Ryo schob den kurzen Ärmel seines Shirt hoch und drehte Tai die Seite zu. „Hier so?“

Tai musste unwillkürlich grinsen. Ryo war laut eigener Aussage hundert Prozent hetero und Tai hatte keine handfesten Beweise dagegen... aber manchmal fühlte er sich durch sein Verhalten an die Typen in seinen Lieblingsclubs erinnert.

„Ich bin für sowas der falsche Ansprechpartner, fürchte ich.“ Er bildete sich nicht ein, zu wissen, ob Frauen Tattoos auf Männeroberarmen mochten oder nicht. Wahrscheinlich konnte man das ohnehin nicht pauschalisieren. Es war doch dasselbe wie mit einem Haarschnitt oder Klamotten – dem einen stand es, dem anderen nicht. Und dass Geschmäcker verschieden waren, wusste ohnehin jeder. Wenn es um seine persönliche Empfindung ging: Die wenigen Tattoos auf Männerkörpern, die er bisher aus der Nähe gesehen hatte, hatten wässrig und eher störend als attraktiv auf ihn gewirkt. Einen schönen Körper konnte zwar nichts wirklich entstellen...

„Aber ich denke, das ist etwas, worüber du lieber ein oder zwei Tage nachdenken solltest, bevor du es überstürzt.“ Tai stellte sich die Gesichter von Ryos Eltern vor, wie sie ihn nach der Rückkehr für die Blumenwiese auf dem Oberarm ihres Sohns verantwortlich machten. Wie konntest du das zulassen Tai? Wir dachten, du wärst vernünftiger, als unser Sohn.

Ryo seufzte halbherzig und betrachtete seinen „leeren“ Oberarm.

Schleunigst startete Tai einen Ablenkungsversuch. „Lass uns lieber endlich ans Meer gehen!“

Sein Kumpel blickte auf, grinste breit und nickte euphorisch. „Ja!“

Puh, da hatte er nochmal Glück gehabt. Er nahm sich vor, beim nächsten Mal einen großen Bogen um diesen Laden zu machen. Ryo war sonst zuzutrauen, dass er ihn noch davon überzeugte, sich aus Solidarität ebenfalls verunstalten zu lassen.
 

*
 

Das Licht der Dämmerung spiegelte sich auf den heranrollenden Wellen. Während Ryo zu den Fackeln der Strandbar und den dort versammelten Gruppen junger Leute joggte, betrachtete Tai das Vor und Zurück des Meeres. Die Wolken hatten sich am orangeroten Himmel verknotet und die Sonne lag wie eine ertrinkende Boje ganz weit hinten im Meer. Die Luft roch angenehm lebendig. Tai lächelte. Das hier war ziemlich nahe an dem, was er als Paradies bezeichnet hätte.

„Hey, Tai“, meldete sich Ryo zu Wort und schloss zu ihm auf. Er wandte ihm den Kopf zu.

„Das mit dem Doppelzimmer... ich meine...“ Ryo grinste, warf einen kurzen Blick zurück zur Bar und sah dann wieder Tai an.

„Oh ich verstehe schon, was du meinst.“ Tai grinste zurück.

„Würdest du mir den Vortritt überlassen?“

Tai schnaubte belustigt. Ryo der kleine Aufreißer. Gleich am ersten Abend auf Beutezug. „Kein Problem.“ Wenn man auf Männer stand, war es nicht ganz so einfach an einem fremden Ort. Außerdem war er nicht hier, um Typen abzuschleppen... Für ihn war dieser Urlaub einfach nur eine Auszeit, eine Gelegenheit, andere Dinge zu sehen und neue Kraft zu tanken. Er liebte die Trainings und die Spiele, aber ab und zu brauchte auch er eine Abwechslung. Naja, okay, wenn sich eine gute Chance in Form eines attraktiven Typen bieten würde, würde er sicher nicht nein sagen. Immerhin war das auch eine Art der... Entspannung.
 

*
 

Es war nach Mitternacht, aber Müdigkeit ließ auf sich warten. Umso besser. Er hatte sich vorgenommen, Ryo bis ein Uhr Zeit zu geben. Das würde hoffentlich reichen.

Inzwischen standen unzählige Sterne am Himmel und das Meer war zu einer schwarz-silbernen Masse geworden. Tai hatte die Schuhe ausgezogen und joggte auf dem nassen Sandstreifen entlang, der alle paar Sekunden von der Spitze einer Welle befeuchtet wurde. Eigentlich war der Plan gewesen, den ganzen Strand abzulaufen, aber nach ein paar Kilometern waren Felsklippen dazwischen geraten, sodass er umgedreht hatte. Das Laufen am Meer war großartig. Durch den nachgebenden Boden war es anstrengender, als auf hartem, ebenem Untergrund, aber das kalte Wasser und die Meerluft trieben ihn stundenlang voran. Er hatte das Gefühl, tagelang so laufen zu können. Es erschöpfte ihn einfach nicht, er war hellwach. Vielleicht lag es auch am Jetlag.

Langsam machte er sich auf den Rückweg zum Grand Blue.

An der langen Treppe, die zum Eingang hinauf führte angekommen, schlüpfte er wieder in seine Schuhe. Im Mondlicht strahlte die perfekte weiße Fassade des Hotels wie Schnee. Drinnen schlug ihm Wärme entgegen. Jetzt spürte er den leichten Schweißfilm auf seiner Haut erst deutlich. Im Foyer saßen ein paar ältere Herren und spielten Karten. Die Empfangsdame stand hinter ihrer Theke, als hätte sie sich seit heute Vormittag kein Stück bewegt, und lächelte ihn freundlich an. Er nickte ihr zu und joggte dann im Treppenhaus nach oben.

Es brannte kein Licht mehr im Flur, aber durch die Fenster am Ende der Gänge leuchtete der Mond. Hier brauchte man ja auch nicht wirklich welches. Tai schlich durch den Flur und lauschte. Er wollte ungern in etwas hineinplatzen. Tatsächlich hörte er Geräusche, die deutlicher wurden, je näher er ihrem Zimmer kam. Er hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass Ryo so lange – Moment mal. Stirnrunzelnd blieb Tai stehen. Das Keuchen war direkt neben ihm. Hinter der Tür mit der Nummer 1469. Leicht grinsend fuhr Tai sich durchs Haar und ging die zwei Schritte weiter zu ihrem Zimmer. Möglichst leise drehte er den Schlüssel im Schloss und trat ein.

Ryo lag auf der Seite, mit zufriedenem Gesichtsausdruck ans Kissen gekuschelt. Ein Fuß hing aus dem Bett. Tai verzog sich in das kleine Badezimmer und entledigte sich seiner Klamotten, um sich den frischen Schweiß von der Haut zu waschen. Dann schlüpfte er mit frischen Boxershorts ins Bett. Ryo hatte zwei Drittel der Bettdecke an sich gerissen und schien keinen Millimeter davon abgeben zu wollen. Egal, es war ohnehin zu warm.

Tai schloss die Augen und löste sich von seinen Gedanken. Sein Körper hätte erschöpft und dankbar für die Ruhe sein sollen... aber der Schlaf kam nicht, um ihn davonzutragen. Erst jetzt wurden ihm die Geräusche aus dem Nachbarzimmer wieder bewusst. Es war eine Mischung aus Keuchen und Stöhnen, abgehackt. Hin und wieder mischte sich ein hölzernes Klopfen dazwischen. wow, da drüben bewegten sich sogar die Möbel. Nach Ryos gleichmäßigem Atmen zu schließen, ließ ihn diese Geräuschkulisse völlig kalt. Tai kniff die Lippen zusammen. Er sollte besser schlafen. Er hatte schließlich einen langen Flug und eine anstrengende Trainingseinheit am Strand hinter sich.
 

*
 

Verwundert darüber, dass er tatsächlich irgendwie eingeschlafen war, streckte Tai sich im Licht der Morgensonne, das durch die Balkontür direkt auf seine Bettseite fiel. Ryos Platz war leer. Tai richtete sich auf und wischte sich übers Gesicht. Aus dem Bad war die Dusche zu hören. Es war halb neun. Er sprang aus dem Bett und streckte sich ausgiebig. Die Luft im Zimmer fühlte sich abgestanden an, also öffnete er die Balkontür. Ein kühler Lufthauch belohnte ihn dafür.

Als er nach draußen trat, hörte er schon wieder Geräusche. Ihr blonder, nachtaktiver Zimmernachbar stand auf dem Balkon und telefonierte. Zu Tais Überraschung in akzentfreiem Japanisch. Der Typ warf ihm einen kühlen Blick zu, was ihn dazu veranlasste, mit einem Lächeln wieder ins Zimmer zu verschwinden. Es reichte ja schon die unfreiwillige Lauschaktion von letzter Nacht, da musste er ja nicht auch noch private Telefongespräche mithören, oder?

„Guten Morgen!“, flötete Ryo, der gerade aus dem Badezimmer kam.

„Na, wie war deine Nacht?“

Ryo setzte seinen obszönsten Gesichtsausdruck auf und erwiderte: „Perfekt, ich bin dir zu großem Dank verpflichtet, Kumpel.“

Tai kramte nach seinen Schwimmsachen und beschlagnahmte dann auch erstmal das Bad bevor beide frühstücken gingen.
 

*
 

Nach dem Essen brachen sie wieder zum Strand auf. Die Sonne knallte vom Himmel und es tummelten sich eine Menge Menschen auf Handtüchern und Liegestühlen. Nach einer Weile fanden sie glücklicherweise einen Platz für ihre Sachen und ließen sich nieder. Die ganze Zeit über „beglückte“ Ryo Tai mit einer detaillierten Nacherzählung seiner nächtlichen Aktivität. Tai hörte nur mit einem Ohr hin, denn so wirklich großes Interesse konnte er der Sache nicht entgegenbringen.

Als die Strandtücher ausgebreitet waren, machte Ryo ein paar Fotos während Tai mit der Sonnencreme hantierte. Dank seines ohnehin etwas dunkleren Teints war er nicht sehr anfällig für Sonnenbrand, aber man musste es ja auch nicht drauf anlegen. Als er fertig mit Knipsen war, half Ryo ihm mit dem Rücken.

„Ich hätte auch gerne so einen Oberkörper wie du“, kommentierte er und verteilte die Creme. „Die Mädels stehen auf sowas.“

„Da hilft nur Sport.“

„Ja~ ich weiß.“

Tai grinste. Ryo legte Wert auf sein Aussehen, aber er setzte am liebsten auf Methoden, die möglichst wenig Schweiß kosteten. Er war schlank und groß und auch nicht unbedingt ein Schwächling, aber von einem Sixpack doch recht weit entfernt. Dafür trug er sein Haar stets nach der neusten Mode und hatte einfach ein unheimlich charmantes Lächeln.

„Soll ich mir dann für heute Abend was einfallen lassen?“, fragte er und packte die Sonnencreme weg.

Tai lachte und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht auf der Jagd.“

„Aber das solltest du.“

„Wieso?“ Interessiert schaute Tai zu ihm auf.

„Du kennst doch schon gar nichts anderes mehr, als das Fußballfeld.“

„Jetzt übertreibst du aber.“

Ryo kniete sich zu Tai auf die Decke und sah ihm in die Augen.

„Wenn wir zurückkommen, gehst du für ganze zwei Monate ins Trainingslager. Da wirst du kaum nochmal so eine Gelegenheit haben.“

Das stimmte schon... auf jeden Fall würde er da sehr diskret sein müssen, denn er wusste, dass einige seiner Teamkameraden seine „Neigung“ verurteilten.

„Mag sein, dass du Recht hast. Aber-“ „Jetzt sag nicht, es gäbe nicht genug scharfe Typen hier.“

Tai seufzte und lächelte. Ryo sprach weiter. „Wirf doch wenigstens für zwei Wochen mal ein bisschen was von deiner Sportlerdisziplin über Bord und hab Spaß.“

Ryo hatte ihn bei den Schultern gepackt und sah ihn eindringlich an, was ihn erneut zum Grinsen brachte. Er tat ja beinahe so, als ginge es um Leben und Tod. Fehlte nur noch, dass er ihn schüttelte und rief 'Komm zur Besinnung, Taichi!'.

„Am besten ich fange sofort damit an, scharfe Typen abzuschleppen“, sagte Tai mit ernster, tiefer Stimme und strich sanft mit der Hand durch Ryos schwarze Mähne. Sein Kumpel wurde einen Augenblick lang stockstarr und stumm, bevor er Tai einen halbherzigen Schlag verpasste und aufsprang.

Tai kippte lachend nach hinten auf die Decke. Er glaubte sogar einen leichten Rotstich auf Ryos Wangen gesehen zu haben.

„So meinte ich das nicht.“

Tai rappelte sich auf und jagte Ryo in die Wellen.
 

*
 

Nach einem heißen Nachmittag am Strand, einem kleinen Mittagessen und einer weiteren Ansprache von Ryo bezüglich des Spaß-Habens, joggte Tai alleine über den Strand. Dort hinten brannten einige Feuer, meist umringt von angeheiterten jungen Leuten oder kuschelnden Pärchen. Am Ende des Strandes, wo die Klippen den Weg abschnitten, erspähte Tai schließlich auch ein Beachvolleyballfeld und eine Gruppe junger Männer, die sich daran erfreuten. Das war doch schon eher die Art spaßige Abendunterhaltung, die er sich vorstellte. Volleyball war jetzt nicht Fußball, aber genauso gut geeignet, um überschüssige Energie loszuwerden... und vielleicht ein paar nette Kontakte zu knüpfen.

Das Feld wurde von zwei Fackeln jeweils in der nähe des Netzpfostens erhellt. Tai näherte sich und betrachtete die Teams. Passenderweise war die linke Mannschaft in der Unterzahl.

„Hey, kann ich mitmachen?“, rief er, als der Ball das nächste Mal auf den Boden prallte.

Mehrere Köpfe ruckten in seine Richtung, Augenpaare musterten ihn und befanden ihn binnen weniger Sekunden für tauglich. Ein Typ mit dunkelblondem, zu einem kurzem Zopf zusammengerafftem Haar winkte ihn in seine Spielfeldhälfte. Tai grinste und nahm seine Position ein. Nun waren die Seiten ausgeglichen und nach ein paar Runden zeigte sich, dass auch das Kräfteverhältnis relativ gleich war. Die Jungs spielten mit vollem Einsatz und schmetterten sich den Ball um die Köpfe, als ginge es um den Meisterschaftstitel. Tai war beeindruckt und bemühte sich, sich von der besten Seite zu zeigen. Tatsächlich versammelte sich sogar sowas wie Publikum um das Feld. Ein paar attraktive junge Frauen in knappen Bikinis jubelten ihnen von der Seitenlinie aus zu. Tai verlor bald das Zeitgefühl und es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, in der sie abwechselnd punkteten und niemand den zwei-Punkte-Vorsprung erringen konnte. Letztendlich war es der junge Mann mit dem Zopf, der ihnen den Siegpunkt holte und das Spiel damit beendete. Tais Team verfiel in Jubel, einige der Umstehenden applaudierten sogar.

Zwei seiner Kameraden klopften ihm auf die Schulter und gesellten sich dann zu den Mädels außerhalb des Feldes. Er hatte sich mehr verausgabt, als er geglaubt hatte. Seine Füße und Knie glühten vom Kampf gegen den Sand und er war ziemlich aus der Puste, aber das fühlte sich gut an. Jetzt die Füße in die brandenden Wellen halten...

„Hey du hast toll gespielt. Wie heißt du?“

Es war der Matchsieger.

„Danke, dass ich mitspielen durfte. Ich heiße Tai.“

„Ethan“, stellte sich der Mann vor und bot ihm seine Hand zum Gruß an, welche Tai ohne zu zögern ergriff. Ein fester, selbstbewusster Handschlag.

„Freut mich.“

„Spielst du professionell, Tai?“, wollte er sofort wissen und ließ seinen Blick unverhohlen über Tais Oberkörper wandern.

„Ja, aber Fußball.“

„Na dann lag ich ja fast richtig.“ Ethan lächelte. „Lust mit einem Cocktail auf den Sieg anzustoßen?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MissAngel
2013-12-27T21:06:03+00:00 27.12.2013 22:06

Hey, hab grad deine FF entdeckt und finde sie sehr vielversprechend, zumal man in der letzten Zeit nur noch selten gute Taito FFs hier findet, was ich echt schade finde :(

Aber naja, dafür hast du dieses Fandom ja nun mit einer weiteren bereichert, die du, wie ich in der Inhaltsangabe gelesen habe, bereits beendet hast, was ein weiterer Pluspunkt ist, denn ich finds echt doof, wenn man sich dazu entscheidet eine FF zu lesen und auf die man echt Lust hat und die dann nach zwei drei Kapiteln nicht mehr fortgeführt wird.

Aber nun kurz zur Story, die Idee find ich schon mal sehr gut, gabs glaub ich auch noch nicht, dass Taito sich im Urlaub kennengelernt hat und ich mag es auch dass du aus unserem lieben Taichi 'nen Profibussballer gemacht hast, ist irgendwie auch am realistischsten für ihn und auch wie du ihn so beschreibst gefällt mir.
Ich finds auch gut, dass Tai sich nicht sofort auf den ersten Blick in Matt verliebt hat, was ja auch oft in vielen Taito Storys vorkommt.

Ich hoffe die beiden lernen sich dann im nächsten Kapi endlich persönlich kennen und nicht nur aus der Ferne ;=)

Ach und ich hoffe, Tai wird die Bekannschaft zu dem Typen 'Ethan' im nächsten Kapi nicht zuuuu sehr vertiefen und wenn doch erspar uns bitte die Details XD


Sooo, ich hoffe ich konnte dir mit meinem Kommi eine kleine Freude machen und bin schon aufs nächste Kapitel gespannt, was hoffentlich in den nächsten Tagen auf den Schirm kommt ;=)

Liebe Grüsse


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