Chapter V – Haste makes Waste
„Hey, du bist ja richtig gut in so was, echt jetzt!“
Naruto und Hinata hatten sich in einem Laden für Elektrogeräte verschanzt; dieser verkaufte auch Spiele für alle möglichen Konsolen und natürlich konnte man das eine oder andere hier auch ausprobieren. Hinata hatte gar keine Ahnung von solchen Spielen – für so etwas hatte sie ja schließlich nie Zeit. Außerdem hielt Neji sie für völlige Zeitverschwendung und verblödend seien sie auch.
Naruto erzählte ihr, dass er öfters hier sei, weil der Laden einmal in der Woche die Spiele austauschte, die man ausprobieren konnte. Er hatte nicht das Geld, sich selbst welche zu kaufen und die, welche er zu Hause hätte, seien schon uralt. Hinata hörte ihm stumm zu.
„Spielst du irgendwas?“, fragte Naruto, seine meerblauen Augen klebten am Bildschirm und seine Finger drückten eifrig die Knöpfe des Controllers. Zwischen seinen Lippen spitzte konzentriert seine Zunge hervor.
Hinata schüttelte ihren Kopf, dann fiel ihr ein, dass Naruto sie ja gar nicht ansah. „Nein, ich darf nicht. Außerdem hab ich so was gar nicht zu Hause“, antwortete sie leise, drückte wahllos irgendeinen Knopf und Narutos Spielfigur ging in die Knie.
„Gibt’s doch nicht!“, fluchte Naruto und legte den Controller zurück. „Ernsthaft? Spielt ihr überhaupt irgendwas?“, wunderte er sich und musterte Hinata mit gerunzelter Stirn.
„Doch, Shogi.“
Im Elektrogeschäft roch es nach neuem Auto, fand Hinata. Hier lagen und standen Dinge herum, die sie noch nie wirklich in Augenschein nehmen konnte. Mit Naruto zusammen hatten sie sich die neuesten Fernseher angesehen, Kameras ausprobiert und alberne Bilder von sich geschossen – mal einer allein, mal zu zweit. Sie hatten sich die Kopfhörer aufgesetzt, Lampen und Tastaturen angeschaut und sich durch sämtliche DVDs gewühlt. Sie hatten sich CDs angehört und die verschiedenen Spielekonsolen angesehen, einfach alles ausprobiert und angesehen, was es hier auszuprobieren und anzusehen gab und das aus dem einfachen Grund, weil Hinata noch nie die Möglichkeit dazu gehabt hatte und es machte riesigen Spaß.
In Hinatas Brust und Bauch kribbelte es wie es noch nie gekribbelt hatte, sie fühlte sich aufgedreht wie eine Aufziehfigur, deren Drehschlüssel wie verrückt in ihrem Rücken kreiselte. Das war eine völlig neue Welt für sie und plötzlich fragte sich Hinata, ob das Neji nicht auch gefallen würde. Dann fiel ihr wieder ein, wie bescheuert er das hier alles finden würde und wie wütend er wäre, wenn er wüsste, dass sie sich hier mit Naruto die Zeit vertrieb.
Nein. Es würde Neji wohl nicht gefallen.
Seltsamerweise stimmte diese Erkenntnis Hinata traurig, aber Naruto riss sie wieder aus ihren Gedanken und dafür war sie ihm sehr dankbar.
„Unten gibt’s eine Videothek. Warst du da schon mal drinnen?“, fragte Naruto sie unvermittelt. Er hatte sie an der Schulter gepackt und sacht geschüttelt. Verneinend schüttelte sie ihren Kopf und ihre beiden Zeigefinger fanden wieder den Weg zueinander. „Na dann, komm! Mein Zuhause ist um die Ecke, wäre doch lustig, wenn wir uns Irgendwas ansehen könnten!“, schlug Naruto vor und grinste Hinata gewinnend an.
Ein eisiger, aber auch wohliger Schauer kroch über Hinatas Rücken. Es wäre das nächste Level, ein ungeahntes Risiko für die sonst so vorsichtige Hyuuga. Mit Naruto einen Film ansehen? Das wäre …! Siedend heiß fiel Hinata ein, dass ihr Vater in weniger als einer Stunde nach Hause käme. Hinata fürchtete sich ja schon davor, Neji unter die Augen zu treten, da mochte sie über ihren Vater erst gar nicht nachdenken. Ihr wurde schlagartig schlecht – das Zittern kehrte zurück und mit ihr diese tief greifende Angst. Verlegen schüttelte sie den Kopf und stupste ihre Zeigefinger aneinander.
Naruto zog ein enttäuschtes Gesicht. „Du kriegst doch so oder so Ärger!“
„Ja, schon, aber …!“
„Aber was?“, fragte Naruto sanft nach, er legte Hinata seine Hände auf die Schulter und schaute ihr mitfühlende in die Augen. „Eigentlich ist es doch schon gelaufen, oder nicht?“
„Ja, bei Neji … Aber bald kommt mein Vater heim, das ist was anderes!“
Er dachte kurz darüber nach, anschließend nickte er verständnisvoll. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht und in seinen Augen stahl sich ein verschlagenes Funkeln. „Ich bring dich nach Hause, wie wäre das? Ich meine, du sitzt zu Hause und Neji sucht sich hier drinnen einen Fuchs! Dein Vater kommt heim und der einzige, der gewaltigen Ärger kriegt, wäre dein dämlicher Cousin! Das wäre doch der Oberknaller, echt jetzt!“ Naruto drückte sanft Hinatas Schultern und schüttelte sie wieder. Sie musste breit grinsen; diese Vorstellung war wirklich zu komisch.
„Das wäre schon irgendwie cool …“, flüsterte sie leise und senkte ihren Blick.
„Dann machen wir das! Los!“ Naruto griff nach Hinatas Hand zog sie hinter sich her. Stolpernd kam sie ins Laufen und starrte ihre Hand an, fest umschlungen von Narutos. Das Gefühl war zurück, das Gefühl von Glück – Glück und Freiheit.
„Großer Vogel an Weißauge, bitte kommen!“
„Lass den Schwachsinn! Hast du Hinata gesehen, oder nicht?!“, blaffte Neji ins Handy. Seine Knöchel traten weiß hervor, so fest hielt er es umklammert. Die Anspannung war kaum noch auszuhalten, er hatte wirklich nicht mehr viel Zeit und sie lief ihm buchstäblich davon.
„Leider nicht, ich hab alles abgesucht, keine Hinata. Tut mir echt leid, Kumpel“, antwortete Lee und klang aufrichtig geknickt.
Seufzend ließ Neji sein Handy sinken und beendete das Telefonat.
Sasuke warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Mir tut’s nicht leid.“
„Weiß ich!“, knurrte Neji. Hilflos stand er da, mitten in der Einkaufspassage des dritten Stocks und wusste einfach nicht mehr, wohin mit sich. Er war äußerst selten in einer Situation, in der er keinerlei Kontrolle über das Geschehen hatte. Er hätte Hinata längst finden müssen, sie müssten längst zu Hause sein – also warum war es nicht so?!
„Wenn ich sie nicht finde …“
„Ja, ich wäre wirklich gern dabei“, summte Sasuke und grinste schief.
Neji ignorierte ihn, sich über Sasuke aufzuregen nutzte ihm im Moment gar nichts. Lee hatte hier alles abgesucht, Tenten hatte auch noch nichts gesehen, eigentlich waren sie doch schon überall. Wie schaffte Hinata es nur, ihnen allen zu entwischen? Neji fühlte eine Hilflosigkeit in sich aufkeimen wie noch nie zuvor. Er drehte sich um sich selbst und zum ersten Mal gab es keinen Ausweg. Die Besucher des Einkaufcenter liefen eilig an ihm vorbei oder rempelten ihn zur Seite. Selbst die bunt geschmückten Weihnachtsbäume schienen sich Neji in den Weg zu stellen. Alles was er hörte, dröhnte schrecklich laut in seinen Ohren und die grelle Weihnachtsbeleuchtung brannte in Nejis Augen.
Verzweifelt? Ich?!
Egal wie clever er war, egal wie gut er Hinata kannte … Es war doch immer alles so einfach, so logisch. Alles war immer so gewesen, wie es sein sollte und nie anders, also warum war Hinata dann nicht so, wie sie immer war?!
„Sie hat gar nicht den Mumm dazu, ich versteh das nicht!“, zischte Neji leise und lief ein paar Meter geradeaus, dann wieder zurück. Wohin auch immer er ging, die Richtung fühlte sich ständig falsch an, Neji hasste dieses Gefühl, im Moment hasste er einfach alles.
„Vielleicht ist sie gar nicht mehr allein“, dachte Sasuke laut nach. Neji blickte stumm auf. Stimmt … Vielleicht ist sie …
„Lee?“
„Großer Vogel an –“
„Lass das! Du hast doch gesagt, du hättest Naruto gesehen, stimmt’s?!“
„Ja, der treibt sich hier öfters rum, warum?“
„Such nach Naruto, ich hab da so ein Gefühl …“
„Verstehe … ich nicht, aber ich mach’s!“
Sasuke schaute Neji fragend an. „Sag nicht, ich hab dir grade geholfen!“
Neji schenkte ihm ein eisiges Lächeln.
Sasukes Augen wurden schmal. „Ach, Mist!“