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Wie Türme bauen

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von

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Wie Türme bauen

Gregory Goyle schaute in Richtung Uhr und straffte automatisch die Schultern. Bald war es so weit. Sie kam schließlich immer um genau diese Uhrzeit. Selten früher und noch seltener später. Außer natürlich, wenn sie Urlaub hatte, dann kam sie gar nicht.

Er richtete sich auf seinem bequemen Stuhl hinter der Theke in einer Ecke des Eingangsbereichs des Zaubereiministeriums auf. Er gehörte zum Sicherheitspersonal.

Wie hatte sein enger Schulfreund Draco Malfoy irgendwann einmal zu ihm gesagt? „Greg, du bist so groß, wie du hohl bist. Aber du bist stark und eindrucksvoll. Benutz das.“ Und dann hatte er ihm – über welche Verbindung auch immer das nach dem zweiten Krieg gegen Voldemort (dessen Namen mittlerweile immer genannt wurde) geschehen war – einen Job beim Sicherheitspersonal des Zaubereiministeriums besorgt.

Üblicherweise gab es wenig zu tun. Meist musste er nur aufpassen und hin und wieder irgendwelche Angeklagten zum Zaubergamot eskortieren, aufdringliche Besucher hinausbegleiten oder Tierwesen, die irgendwelche Aktivisten eingeschleust hatten, um ihre Harmlosigkeit zu beweisen, außer Gefecht setzen. Am anstrengendsten war es tatsächlich eher, wenn eine eifersüchtige Ehefrau – wahlweise auch ein eifersüchtiger Ehemann – auftauchte und eine Szene machte. Das waren immer die Leute, die am schwierigsten zu beruhigen waren und die Gregory am liebsten einfach mitten auf die Nase haute.

Gregory zupfte an seiner Uniform herum und beobachtete dann besonders aufmerksam die hereinströmenden Leute.

Da war sie.

Ihre schwarzen Haare waren mit einer roten Schleife hoch am Hinterkopf zusammengebunden und der Pferdeschwanz wippte bei jedem ihrer energischen Schritte. Ihr Umhang war ebenfalls knallrot, genauso die Schuhe. Darunter trug sie jedoch sicher wieder ein grünes oder schwarzes Kleid. Sie trug meist grün oder schwarz.

Gregory seufzte leise, während er ihr entgegensah.

Sie schaute ihn an und der Blick aus ihren dunklen Augen traf ihn wie so oft mitten ins Herz. Ein kurzes Lächeln glitt über ihr Gesicht, dann nickte sie ihm grüßend zu und eilte in der Menge weiter.

„Trottel“, sagte der Hauself neben ihm, der gemeinsam mit ihm Schicht hatte.

Eine der neuesten Entwicklungen war, dass im Ministerium Hauselfen beim Sicherheitspersonal eingesetzt wurden, sofern sie den Wunsch danach hatten. Da Hauselfen auch ohne Zauberstab zaubern konnten, schnell und unauffällig apparierten sowie noch immer den meisten Hexen und Zauberern nicht auffielen, waren sie ausgezeichnete Backups. Wenn die Hexe oder der Zauberer schon am Boden lag, konnte der Hauself üblicherweise noch ein Ass aus dem Ärmel ziehen.

„Cecil...“, knurrte Gregory leise.

„Ja, ja, ja.“ Der Hauself verdrehte die Augen und zupfte an seinen Schulterpolstern herum. Die Uniform war etwas, das für Cecil zwischenzeitlich noch etwas ungewohnt war.

„Wenigstens weißt du, wie sie heißt.“

Gregory warf dem Hauselfen einen finsteren Blick zu und daraufhin verstummte dieser.

Es war müßig, dieses Thema bei seinem menschlichen Kollegen anzusprechen. Cecil verdrehte noch einmal die Augen und seufzte theatralisch. Sie saßen jetzt seit anderthalb Jahren hier zusammen und seit einem Jahr himmelte Gregory die junge Frau an – tat aber absolut nichts, um ihr näher zu kommen. Sie grüßte ihn mit einem Lächeln, aber das war auch alles. Cecil war der absoluten Überzeugung, dass, wenn alle Menschen so waren, die Menschheit sehr wahrscheinlich in absehbarer Zeit aussterben und die Hauselfen die Welt übernehmen würden. An sich ein reizvoller Gedanke. Gleichzeitig aber würde er sich vermutlich irgendwann noch mal aus lauter Verzweiflung über Gregorys offenkundigen Liebeskummer umbringen. Cecil knallte seinen Kopf auf die Tischplatte.

„Du übertreibst.“

„Du siehst dich ja auch nie dabei, wie du sie ansiehst. Und wie du dann dreinschaust, wenn sie weggeht.“ Cecil öffnete ein Augen und blinzelte zu Gregory empor. „Mach einfach endlich was. So schwer ist das doch auch nicht!“

„Hmpf“, kam es nur von Gregory.

Sie hätten das Thema noch – wie so ziemlich jeden Morgen – weiter diskutiert, wenn in diesem Augenblick nicht die Alarmleuchte angesprungen wäre.

Die große, magische Lampe befand sich direkt neben ihrem Platz und konnte von allen Ministeriumsmitarbeiter mittels eines einfachen Fluchs bedient werden. In der Leuchte wurde dann die Abteilung angezeigt, zu der sie gerufen wurde.

„Tierwesen?“, erkundigte sich Cecil und richtete sich auf. Die Tierwesen-Abteilung suchten sie am häufigsten auf.

„Tierwesen“, bestätigte Gregory. „Ich setze auf irgendeinen Vogel.“

„Krabbeltier. Garantiert wieder ein Krabbeltier. Spinne oder so.“

„Neue Socken gegen eine Tafel Schokolade?“

„Ist gebongt.“

Das ungleiche Duo eilte zum Fahrstuhl, schob einige wartende Zauberer und Hexen davor bei Seite und raste im Notfalltempo in den vierten Stock.
 

Kaum hatten sie den Fahrstuhl verlassen, kam ihnen schon eine äußerst hysterische Hexe entgegen.

„Büro fünf, Büro fünf!“, kreischte sie und stürmte in den Fahrstuhl, um nach oben zu flüchten.

„Ganz sicher kein Vogel“, sagte Cecil trocken, während sie Richtung Büro fünf rannten.

„Abwarten“, gab Gregory zurück.

Sie waren kaum außer Atem, als sie das Büro betraten und sofort wie angewurzelt stehen blieben.

Eine Hexe – Arabella Sminta, wenn sich Gregory richtig erinnerte – stand eng an die Wand gepresst. Er schlussfolgerte, dass das gerade auf dem Gang dann vermutlich ihre Bürogenossin gewesen war. Neben ihr lehnte ein kleinwüchsiger Zauberer mit einem gewaltigen spitzen Hut, der einen panischen Gesichtsausdruck hatte, mit seinem Zauberstab herumwedelte und auf ein kleines, pelziges Tier zielte. Dieses kleine Tier sah wie eine Mischung aus einem explodierten Pudel, einer Ratte und einem federlosen Papagei aus. Und es knurrte und geiferte wie wild.

Dummerweise zielte dieser Zauberer offenbar nicht sehr gut.

Gregory hob seinen Zauberstab und schickte einen Schockzauber los, um die Minibestie zu betäuben.

Zu seiner Verblüffung funktionierte das aber nicht. Offenbar steckte auch etwas magische Schildkröte in diesem Wesen, denn der Zauber prallte einfach ab und knockte den panischen Zauberer aus. Gregory nahm das trocken als Erleichterung ihrer Arbeit zur Kenntnis – immerhin rief niemand mehr panisch irgendwelche Zauber. Erschwerend kam jetzt allerdings hinzu, dass die Minibestie seine Aufmerksamkeit auf die neue Bedrohung richtete.

Jetzt wirkte er die Ganzkörperklammer – und erzielte wieder nicht das erwartete Resultat.

„Es ist magieimmun!“, brüllte Arabella Sminta in diesem Moment.

„Danke für die Warnung“, grummelte Gregory in seinen nicht vorhandenen Bart, während er einen Schritt zurückwich und ihm das Tier knurrend und geifernd folgte.

„Ist das giftig?“, erkundigte sich Cecil und spähte hinter Gregory hervor.

„Keine Ahnung!“, schrie die Hexe zurück. „Schalten Sie es aus!“

„Zwei Tafeln auf giftig“, sagte Gregory, dann trat er einen Schritt vor, täuschte einen Griff mit der linken Hand an, auf die das Tier wie erwartet losging, und packte es mit der rechten am Nacken.

Keifend, zeternd und sabbernd hing es in seiner Hand und versuchte, sich aus seinem Fell zu winden, um auf ihn losgehen zu können.

„Zwei Socken dagegen“, ging Cecil verspätet auf die Wette ein.

Die Hexe kam aus ihrer Ecke und stieß den geschockten Zauberer in die Seite. Leise vor sich hinmurmelnd hob sie den Zauber auf.

„Folgen Sie den Herren bitte nach draußen. Ihr Antrag auf Haustierhaltung dieses Hybriden ist hiermit nachdrücklich abgelehnt – und das Tier hat ab sofort Hausverbot. Wehe Sie bringen es noch einmal mit!“, fauchte sie den verwirrt dreinblickenden Zauberer an. Ihr zorniger Blick traf auffordernd auf Gregory und Cecil.

Da Gregory noch immer das tobende Tier in der Hand hielt, packte Cecil den Zauberer und stellte ihn mit vermutlich unerwarteter Kraft auf die Beine.

„Bitte folgen Sie uns, Sir“, sagte er und hielt den Saum des abgewetzten Mantels des Zauberers fest.

Es war offensichtlich, dass er trotz seiner kleinen Statur keinen Widerspruch duldete.

Das geifernde Tier lieferten sie drei Türen weiter bei Gerry ab. Gerry O'Donnel war der Meister im Umgang mit tierischen Geschöpfen aller Art und kannte für solche Tiere auch immer einen Ort – und sei es, dass es am Ende der Zoo war.
 

Merlin sei Dank hatte Gregory fast immer gemeinsam mit Cecil Dienst. Hin und wieder wurde ihm auch Zizzy zugeteilt, aber mit diesem Hauselfen kam er einfach nicht klar. Im Gegensatz zu Cecil sprach dieser immer in der dritten Person von sich und bediente sich einer äußerst kindlichen Sprache. Gregory wusste zwar, dass er nicht die hellste Kerze im Leuchter war, aber damit fühlte sogar er sich unterfordert und genervt. Außerdem konnte er sich auf Zizzy nie verlassen, wenn es drauf ankam. Zizzy sprang sofort, wenn irgendeine Hexe oder irgendein Zauberer ihm etwas befahl – und zwar ganz egal, wie sinnlos oder entgegen ihres Auftrags das war – und ließ Gregory damit jedes Mal schmählich im Stich. Cecil dagegen war für ihn die perfekte Rückendeckung. Sie verstanden sich und arbeiteten super zusammen. Und außerdem machten die Wetten Spaß – auch wenn Gregory die meiste Zeit verlor. Aber das machte ihm nichts aus.

Sicher, Cecil war ein Hauself. Aber Gregory musste zugeben, dass er darüber die meiste Zeit gar nicht mehr nachdachte. Es fiel ihm allenfalls auf, wenn er abends nach Hause ging und überlegte, dass er ganz keine Ahnung hatte, wo – und wie – Cecil eigentlich lebte.
 

Gregory war zu dem Schluss gekommen, dass seine Nicht-Beziehung zu ihr vergleichbar war, wie Türme mit Bauklötzen zu bauen. Stein legte man auf Stein und irgendwann krachte alles zusammen.

So wie an diesem Morgen, als seine Angebetete nicht allein hereinkam, sondern neben einem jungen Mann herschritt und sich lebhaft mit ihm unterhielt. So lebhaft, dass sie sogar vergaß, ihn zu grüßen.

Gregory starrte ihnen hinterher. Er kannte ihn. Das war Percy Weasley, die rechte Hand des Zaubereiministers Shacklebolt, und somit ein richtig hohes Tier. Das war etwas vollkommen anderes als er.

Betrübt starrte Grgeory auf den Boden.

Cecil stieß ihn in die Seite. „Kopf hoch. Das hat sicher nichts zu bedeuten. Du wärst eine viel bessere Partie.“

Gregory knurrte etwas Unverständliches.

Cecil seufzte tief. „Wirklich, es ist nicht der Weltuntergang.“

Der düstere Blick, den er daraufhin erntete, sorgte dafür, dass Cecil den Mund hielt. Sein Freund wollte offenbar absolut keine aufmunternden Worte hören. Und außerdem fand der Hauself es nicht besonders nett, so abgebügelt zu werden. Menschliche Schwäche hin oder her.
 

Sie schwiegen sich noch immer an, als sie der Notruf erreichte.

„Sechster Stock, Vorzimmer der Flohnetzwerkaufsicht“, las Cecil ab.

Gregory sprang schneller auf, als Cecil gucken konnte.

„Beweg dich!“, knurrte der große Mann und stürmte los. Der Hauself konnte ihm kaum folgen. Keuchend erreichte er den Fahrstuhl, den Gregory schon bereits rücksichtslos geräumt hatte, um dann im Expressgang in den sechsten Stock hinabzurasen.

„Keine Wette heute?“, erkundigte sich Cecil besorgt. Ihm gefiel Gregorys Verhalten gar nicht. Sicher, er nahm seinen Job auch sonst immer ernst, aber das hier? Das passte irgendwie nicht zu ihm.

Als sie jedoch das Vorzimmer stürmten und er sah, wer dort mit dem Zauberstab energisch auf eine Horde Niffler einfluchte, war ihm alles gar. Das hier war niemand anderes als Gregorys Angebetete – Romilda Vane.

„Was ist passiert?“, fragte Gregory, während er als erstes den offenbar unrechtmäßig an das Flohnetzwerk angeschlossenen Kamin stilllegte, denn aus diesem strömten noch immer haufenweise neugierige Niffler in den kleinen Raum. Die kleinen pelzigen Tiere konnten binnen Sekunden gewaltiges Chaos anrichten. Sie stürzten sich auf alles, was glänzte, und wuselten wie wild durcheinander.

Cecil stürzte sich ebenfalls in den Kampf, schockte Niffler und hinderte sie vor allem daran, den Raum zu verlassen. Denn das letzte, was sie gebrauchen konnten, waren ein Haufen wildgewordener Niffler, die durch das Ministerium stromerten.

Nach und nach – auch dank des kräftigen Einsatzes von Romilda – bekamen sie das Niffler-Problem in den Griff.

„Also, darauf hätte ich jetzt mal definitiv gewettet“, murmelte Cecil, als sie den letzten Niffler geschockt hatten und ein Haufen der schwarzpelzigen Kreaturen bewegungslos auf dem Boden lag.

„Vielen Dank für eure schnelle Hilfe.“ Romilda lächelte die beiden an und Gregory spürte, wie ihm die Knie ganz weich wurden.

„Ähm, ja... Ist doch klar.“ Er grinste und fühlte sich dabei wie ein Vollidiot. „Ist doch unser Job.“

Romildas Lächeln wankte ein klein wenig, aber sie strahlte die beiden immer noch an. „Wie verfahrt ihr mit ihnen?“

Da Gregory nun offenbar vollkommen die Worte fehlten, sprang Cecil ein.

„Oh, kein Problem. Der große Beutel gehört zu unserer Standardausrüstung.“ Er zog einen Leinenbeutel auf einer Tasche. „Unbegrenzter Platz. Reicht im Notfall auch für einen Elefanten.“ Er grinste Romilda zu und begann, die Niffler einzuladen. Danach würden sie sich bei Gerry von der Tierwesenbehörde abliefern.

„Ich helfe dir“, sagte Gregory und machte einen Schritt auf Cecil zu.

„Nee, nee, lass mal. Unterhalte dich ruhig noch.“ Cecil zwinkerte ihm zu. Das sorgte dafür, dass sich Gregory vollkommen überfordert fühlte.

Er wandte sich um und blickte in Romildas dunkle Augen. „Äh, ist sonst alles in Ordnung mit dir? Kein Biss oder so?“

„Nein. Alles ist gut.“ Sie lächelte ihn schon wieder auf diese Art an, bei der er das Gefühl hatte, dass sie damit seinen Verstand komplett ausschaltete. „Danke noch mal.“ Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Du bist schnell mit dem Zauberstab.“

„Na ja, das macht die Erfahrung.“ Gregory zuckte verlegen mit den Schultern und blickte zu Boden. „Niffler sind leichter zu treffen als Gnome oder die ganzen komischen Tiere, die wir in der Tierwesenbehörde immer antreffen.“

„Na, dann bin ich ja froh, dass ich nicht dort arbeite.“ Romilda lachte leise und Gregory liebte dieses Geräusch. „Mir hat diese Überraschung gereicht. Wir müssen den Fall noch untersuchen und...“

„Romilda!“, erklang es von der Tür und Romilda wandte sich von Gregory ab.

„Mrs. Chang.“ Sofort straffte sie sich und ging auf ihre Vorgesetzte zu. Miu Chang war die aktuelle Leiterin der Flohnetzwerkaufsicht.

„Was ist hier geschehen?“

„Lassen Sie uns nach nebenan gehen, Mrs. Chang, und die Herren ihre Arbeit machen. Ich erkläre Ihnen dann alles, was ich bisher weiß.“ Romilda nahm Mrs. Chang am Arm und nickte Gregory noch einmal kurz zu, ehe sie mit ihrer Chefin im benachbarten Büro verschwand.

Gregory seufzte leise. Seine Gedanken waren noch immer bei Romilda, während er Cecil dabei half, die Niffler alle in den großen Sack zu stopfen.

Und neben der Frage, ob Romilda ihn wohl mochte, fragte er sich auch ganz kurz, was hier eigentlich geschehen war, dass ausgerechnet bei der Flohnetzaufsicht ein Kamin illegal ans Flohnetzwerk angeschlossen und ein Haufen wildgewordener Niffler hindurchgeschickt wurden.
 

„Erde an Gregory! Erde an Gregory. Bitte kommen!“, versuchte Cecil seinen Arbeitskollegen aus den Gedanken zu reißen. Er hatte damit nur mäßigen Erfolg. Aber immerhin blinzelte ihn Gregory verträumt an.

„Sie ist so... entschlossen. So stark. Und schön. Habe ich erwähnt, dass sie schön ist? Und klug ist sie... Und...“

„Und du solltest diesen verdammten Bericht schreiben“, knurrte Cecil. „Falls es dir entgangen ist: Meine Rechtschreibung sorgt nur wieder dafür, dass der Boss verlangt, dass wir den ganzen Kram noch mal machen müssen.“ Cecil konnte zwar ganz gut lesen, aber Schreiben war nicht gerade seine Stärke. Hauselfen brauchten das üblicherweise einfach nicht. Hohe Schmerztoleranz und starke Servilität gehörten eher zu den herausstechenden Merkmalen von Hauselfen.

„Kann ich schreiben, wie toll sie ist?“, fragte Gregory und seine kleinen blauen Augen blickten Cecil treuherzig an.

„Äh, du darfst es denken, aber du solltest es besser nicht aufschreiben...“ Cecil täuschte einen Hustenanfall vor, um sein Kichern zu überdecken.
 

Auch am nächsten Morgen noch wirkte Gregory wie weggetreten.

„Baust du weiterhin Luftschlösser?“, fragte Cecil und stieß den Freund sachte in die Seite.

„Aus Bauklötzen“, gab Gregory zurück und lächelte verträumt.

„Poet.“ Cecil grinste breit.

„Hmpf“, war daraufhin Gregorys einzige Antwort. Seine Augen suchten bereits in der Menge der zu ihrem Dienst erscheinenden Hexen und Zauberer nach dieser einen Frau.

Als er Romilda sah, breitete sich ein breites Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er erwartete, dass sie ihn wie immer kurz anlächeln würde, doch zu seinem Erstaunen, ja, regelrechtem Entsetzen, kam sie direkt auf ihn zu.

„Guten Morgen“, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln.

„Gu-gu-guten Morgen“, brachte Gregory mühsam heraus und bemühte sich, nicht vollkommen debil auszusehen. Romilda sah umwerfend aus: Ihre schwarzen Haare fielen ihr offen über die Schultern und wurden nur durch ein grünes Stirnband gebändigt. Passend dazu trug sie ein grün-weiß gemustertes Kleid.

„Hallo Miss Vane“, begrüßte auch Cecil sie. „Wie können wir Ihnen helfen?“

„Oh, ich wollte heute nicht um Hilfe bitten. Interessiert euch, was gestern die Ursache für diese Niffler-Überraschung war?“

„Sicher.“ Cecil nickte für sie beide. Gregory war ganz offenkundig kaum in der Lage, noch etwas anderes zu tun, als Romilda anzustarren.

„Treffen wir uns heute Abend im Tanzenden Einhorn? Dann erzähle ich euch alles. Jetzt habe ich leider nicht genug Zeit.“ Sie zuckte bedauernd mit den Schultern. „Mrs. Chang legt sehr viel Wert auf Pünktlichkeit.“

„Wann sollen wir da sein?“, gab Cecil zurück. Er verspürte Neugierde und war sich sicher, dass es Gregory genauso ging. Jedenfalls, sobald er seinen Verstand wieder aktiviert hatte.

„Gegen sieben? Dann habe ich auf jeden Fall frei.“ Romilda schnitt eine Grimasse. „Durch das Chaos gestern muss ich einiges nacharbeiten.“

„Wir werden da sein.“ Cecil nickte.

„Genau. Werden wir. Ich... ich hoffe, dein Tag ist heute dennoch schön“, brachte Gregory hervor.

„Aber sicher. Ich freue mich ja auf heute Abend.“ Romilda zwinkerte ihm zu und verschwand in der Menge.

„Bis... heute Abend.“ Gregory starrte ihr vollkommen verblüfft hinterher.

Cecil lachte und klopfte seinem Partner auf die Schulter. „Ich glaube, du gefällst ihr.“

„Was? Ich?“ Diesmal war es Entsetzen, das sich auf Gregorys Miene zeigte.

„Bei Merlin, sie will sich wohl kaum mit mir heute Abend treffen.“ Genervt rollte Cecil mit den Augen. „Ich bin zwar ein äußerst attraktiver Hauself, aber eben nur ein Hauself. Eine Hexe fährt wohl kaum auf mich ab. Das ist dein Part.“ Erneut tätschelte er Gregorys Schulter.

„Aber... aber... Sie... kennt mich doch nicht.“

„Du warst gestern ihr Held. Sie will dich kennenlernen. Und wenn du es nicht vermasselst...“

„Oh, bei Merlin! Ich werde das sowas von vermasseln!“ Jetzt war es blanke Panik, die in Gregorys Augen flackerte, während er auf seinem Stuhl zusammensackte.

Cecil schlug die Stirn auf die Tischplatte. Das versprach ja ein spaßiger Abend zu werden.
 

„Gehen wir da wirklich hin? Ich meine, was ist, wenn sie mich nicht mag? Wenn ich sie enttäusche? Was ist, wenn sie gar nichts von mir will? Und was ist, wenn sie doch was will?“ Gregory sprudelte auf dem Weg zum Tanzenden Einhorn mit Fragen nur so über.

„Alles wird gut“, redete Cecil auf ihn ein. „Alles wird gut, mein Freund.“ Gleichzeitig betete er innerlich, dass dem auch so war. Sein Freund hatte es schließlich verdient.

Irgendwie schleifte er Gregory, der ständig seinen Umhang zurechtzupfte – sie hatten sich umgezogen und trugen nun ihre Privatkleidung, keine Uniform mehr – bis zu dem Lokal.

Merlin sei Dank war Romilda schon da und winkte ihnen von einem der Tische aus zu.

„Hier ist ja viel los“, murmelte Cecil, während er sich auf einen Stuhl fallen ließ.

„Ist es immer. Aber das Butterbier ist hier auch das Beste jenseits von Hogsmeade.“ Sie grinste und winkte der Bedienung zu.

Gregory setzte sich Romilda gegenüber und musterte sie schüchtern.Er öffnete den Mund, als ob er etwas sagen wollte, und schloss ihn dann doch wieder.

„Ich hoffe, ihr hattet heute nicht mit so vielen Nifflern zu tun wie gestern.“ Romilda lächelte.

„Oh, nein. Heute waren es ein durchgeknallter Zauberer und ein komisches Hybridwesen, das mal wieder jemand bei der Tierwesenbehörde anmelden wollte.“

„Eine Mischung aus Spinne, Tiger und Dodo. Es war schwierig, etwas zu schocken, da es dauernd unsichtbar wurde,“ grummelte Gregory.

Romilda musste kichern. „Aber ich bin mir sicher, dass ihr es erfolgreich eingefangen habt.“

„Natürlich. Gregory lässt sich von so etwas doch nicht beeindrucken.“ Cecil grinste und schlug seinem Freund kräftig auf die Schulter.

„Da bin ich mir sicher.“ Romilda legte den Kopf schräg und ihr Lächeln vertiefte sich noch ein wenig.

„Drei Butterbier. Darf es noch etwas sein?“ Die Bedienung stellte drei Krüge auf den Tisch und musterte die Gruppe. Hauselfen gehörten hier zwar nicht gerade zu den Stammkunden, wurden aber immer häufiger.

„Später vielleicht“, sagte Romilda und die Bedienung ging wieder. Sie wandte sich wieder an Cecil und Gregory. „Also, auf meine beiden Helden aus der Schlacht gegen die Niffler.“

Sie stießen an, Cecil und Gregory beide mit einem verlegenen Lächeln.

„Hey, nicht so schüchtern.“ Romilda lachte auf. „Aber ich wollte euch ja noch erzählen, wie es zu diesem Niffler-Chaos kommen konnte...“

„Da bin ich aber mal gespannt“, warf Cecil ein und nippte an seinem Butterbier.

„Ich auch“, brummte Gregory und kam sich dabei dumm vor. Warum fiel ihm nichts Intelligentes ein, was er sagen konnte?

„Es gibt da diesen Zauberfarmer, der uns dieses Jahr ungefähr fünfmal aufgesucht hat, um jedes Mal einen Antrag für einen Flohanschluss zu stellen. Das Problem ist nur: Sein Kamin erfüllt die Sicherheitsbestimmungen nicht. Außerdem hat er zwischenzeitlich den Kamin immer wieder illegal ans Flohnetz angeschlossen. Etwas, das uns natürlich relativ schnell auffällt. Entsprechend hat er diese Woche eine lebenslange Sperre für einen Flohanschluss in diesem Haus bekommen. Das ist bis dahin eigentlich ein Standardfall...“

„Abgesehen davon, dass er den illegalen Anschluss so oft hingekriegt hat“, unterbrach sie Gregory. „Das ist eigentlich ziemlich schwierig.“

„Stimmt.“ Romilda nickte. „Und das hat er auch benutzt, um sich dann persönlich zu rächen. Er hat diesen riesigen Berg Niffler eingefangen, ihn eingefroren und über den Flohkamin im Tropfenden Kessel zu uns geschickt. Wenn er nicht den Kamin in meinem Büro per Fernzauber ans Netzwerk angeschlossen hätte, wäre er uns durch die Lappen gegangen.“

„Aber den Fernzauber konntet ihr zum Zauberstab zurückverfolgen?“, fragte Cecil aufgeregt.

„Genau. Und das war's dann mit dieser Racheaktion.“ Romilda lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. „Das war das absurdeste, was mir bei meinem Job bislang untergekommen ist. Und ich habe schon einige Dinge gesehen.“ Sie machte eine kurze Pause und fuhr fort: „Ehrlich gesagt, habe ich mich ja immer gefragt, wofür ihr zwei da unten eigentlich sitzt. Ich meine, auch wir anderen Ministeriumsangestellten können uns schließlich wehren. Aber... nachdem die Niffler bei mir auftauchten, war ich so froh, dass ich um Hilfe rufen konnte und dass ihr gekommen seid.“ Sie lächelte. „Danke.“

„Oh, nicht der Rede wert.“ Cecil winkte ab. Gregory tat es ihm gleich, obwohl ihm bei ihren Worten ganz warm ums Herz wurde.

Romilda erzählte lebhaft von noch einigen kuriosen Fällen, die sie bislang erlebt hatte: von der Hexe, die einen Zauberer wochenlang dauerangefloht hatte, von dem Papagei, der die Leitung seines Besitzers ständig belegte, von dem dressierten Dodo, der für Einbrüche missbraucht wurde, und und und.

Gregory ertappte sich dabei, wie er Romilda regelrecht anhimmelte. Mühsam zwang er sich zu einem eher neutraleren Gesichtsausdruck, doch Romildas wissendes Lächeln sagte ihm mehr als deutlich, dass sie ihn durchschaut hatte. Er schluckte schwer.

Cecil spähte derweil in Richtung Uhr. „Entschuldigt mich, ich muss los. Meine Frau und die Kinder warten auf mich.“ Er erhob sich.

„Natürlich.“ Romilda nickte freundlich, während Gregorys Augen nackte Panik verrieten. Cecil zwinkerte ihm aufmunternd zu, dann verließ er den Tisch.

„Aber du bleibst doch noch, oder?“, fragte sie Gregory nur einen Sekundenbruchteil später und er hatte schon genickt, ehe der Sinn ihrer Worte wirklich bei ihm angelangt war.

„Schön.“ Sie lächelte ihn an und orderte noch zwei Butterbier. „Weißt du... wir könnten das hier gerne mal wiederholen.“

„Das wäre toll.“ Gregory gehorchte seine Stimme nicht so recht und er stammelte die Worte mehr, als dass er sie klar und deutlich aussprach.

„Definitiv.“ Sie griff über den Tisch hinüber und berührte sanft seine Fingerspitzen.

Gregorys Augen wurden groß. Und während sie mit ihren schmalen Fingern seine großen umfasste, hatte er auf einmal das Gefühl, dass das hier wirklich wie Türme aus Bauklötzen zu bauen war. Nur, dass das hier vielleicht ein Schloss werden könnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Delacroix_
2014-03-12T15:52:45+00:00 12.03.2014 16:52
Wieso hat diese Story eigentlich keinen Kommentar?
Die ist genial! 
*quietsch*
Eine der besten Stories, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Gut geschrieben, unterhaltsam und die Charas waren wirklich alle toll. Inklusive des Hybriden. Du kannst dir ganz ganz sicher sein, dass ich sie weiterempfehlen werde. Schon wegen der Darstellung von Gregory, die mir richtig, richtig gut gefällt.

LG


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