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Zwischen den Fronten

RusAme
von

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Wut

Mitten in der Nacht wurde Amerika dadurch wach, dass sich jemand wenig umsichtig auf den Bettrand fallen ließ. Im Halbdunkel erkannte er Russlands Umrisse und setzte sich ruckartig auf, als er bemerkte, dass der Ältere Uniform und Schal trug.

„Warst du etwa draußen?“, fragte er fassungslos.

Russland schwieg, drehte sich nicht einmal nach ihm um. Vorsichtig schob sich der Blonde näher und legte behutsam eine Hand auf die Schulter.

„Du kannst sowas in deiner Verfassung wirklich nicht machen“, tadelte er leise. „Wenigstens hättest du mir Bescheid sa-“

„Schlaf weiter.“

Amerika verschlugen die kalten Worte zunächst die Sprache. Als er sich aus seiner Starre lösen konnte, beugte er sich vorerst zum Nachttisch vor und knipste die Lampe an, ließ Russlands Schulter während dessen jedoch nicht los.

„Russland, wo warst du? Hast du-“, setzte er eindringlich an, doch bevor er sich zurückdrehen konnte, wurde sein Handgelenk gepackt, er herumgewirbelt und von einer behandschuhten Hand auf dem Mund flach auf das Bett gepresst. Eisig funkelten ihm violette Augen entgegen, sodass ihm der Schreck tief in den Körper fuhr.

„Lass. Mich. In. Ruhe!“, zischte Russland ihn mit einem verzerrten Lächeln an. Einige Sekunden lang fühlte sich der Jüngere von diesem vor Wut und Mordlust glänzenden Blick aufgespießt, sodass er ihm nur entgeistert entgegen starren konnte. Dann zog sich Russland ruckartig von ihm zurück und entfernte sich. Mit rasendem Herzen lag Amerika auf dem Bett und starrte reglos zur Decke hinauf. Er fühlte sich nicht in der Lage zu einer Bewegung, so viel Furcht hatte die mehr als scharfe Zurechtweisung in ihm wachgerufen. Dennoch zuckte er zusammen, als am anderen Ende des Raumes nacheinander zwei gläserne Gegenstände unter russischen Flüchen zu Bruch gingen. Es kehrte Stille ein, dann knirschten Schritte auf Glassplittern, bevor sich ihr Urheber geräuschvoll auf dem Sofa niederließ. Der Blonde atmete lautlos auf und bemühte sich, sein heftig klopfendes Herz zu beruhigen. War das eben tatsächlich derselbe Mann gewesen, der ihn wenige Stunden zuvor beinah angefleht hatte, ihn nicht alleine zu lassen? Es hatte nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert, aber er hatte die dunklen Spritzer und Flecken auf dem hellen Uniformstoff sehr wohl bemerkt. Auch spürte er nun wieder Eis und Feuer in diesem Raum um die Oberhand ringen, noch weit stärker als zuvor, und die unangenehme Anspannung, die damit einherging. Das eiskalte Gefühl, das der Handschuh auf seinem Gesicht hinterlassen hatte, schien ebenfalls nicht verblassen zu wollen.

„Tut mir leid…“

Amerika blinzelte, glaubte, sich verhört zu haben. Langsam richtete er sich auf. Die Stimme hatte vollkommen anders als wenige Minuten zuvor geklungen, doch auch so viel mehr nach Russland und auch wieder nicht. Ehrliche Reue? Amerikas Augen fanden seinen Verbündeten, nicht etwa auf dem Sofa, sondern auf dem Boden davor kauernd mit einem Kissen zwischen den angezogenen Knien und den um sie geschlungenen Armen. Das Gesicht lag im Kissen verborgen – ein trostloser, verlorener Anblick, der den Blonden berührte. Langsam, aber mit deutlichen Schritten, damit der Ältere ihn bemerkte, näherte er sich dem Sofa und ließ sich neben seinem Verbündeten auf das Sofa sinken, bevor er seine anfangs unsicher verharrende Hand erneut auf dessen Schulter legte.

„Dein Name ist Ivan, oder?“

Minimal hob sich der Kopf aus dem Kissen, jedoch nicht genug, damit Amerika im düsteren Zimmer etwas erkennen konnte. Der graublonde Schopf nickte langsam, woraufhin Amerika behutsam darüber streichelte.

„Weinst du, Ivan?“

Russland senkte den Kopf, wendete ihn von ihm ab und kauerte sich mehr zusammen.

„Nein“, kam die halbwegs feste Antwort, die in den Ohren des Blonden trotzig klang.

„Das ist eine Lüge, nicht wahr?“, streichelte er lächelnd weiter, während sein Gesicht einen mitfühlenden Ausdruck zeigte, der im Halbdunkel des Zimmers ungesehen blieb.

„Njiet…“

Behutsam kniete er sich neben ihn und umarmte den in sich zurückgezogenen Mann, dann flüsterte er ihm in das Ohr, welches als einziges zwischen Kissen, Schal und Schopf zu erreichen war.

„Es ist okay, Ivan“, redete Amerika ihm behutsam zu. „Ich weiß wie schrecklich Krieg ist… Obwohl sich ein Neuling wie ich wahrscheinlich kaum vorstellen kann, was du gerade durchmachst… Aber… du kannst mir vertrauen, ich möchte nur, dass es dir besser geht…“ Das schwache Zittern des Körpers in seinen Armen riss nicht ab, weshalb Amerika die letzten Worte aussprach, die ihm einfielen, um Russland zu unterstützen. „Ich lasse dich nicht alleine.“

Ihre Haltung löste sich, Russlands Arme legten sich um seinen Rücken und das Gesicht an seine Schulter. Er wusste nicht, wie viel Zeit verstrich, während derer er der großen, zitternden Nation, die hin und wieder vor Schmerz und Qual wimmerte, Halt gab und ihr beruhigend durch das Haar strich. Eine gefühlte Ewigkeit später seufzte Russland tief, was Amerika als Zeichen auffasste, dass er sich beruhigt hatte.

„Ist dir kalt, Russland?“, fragte er leise und registrierte erleichtert, wie sich der Schopf von seiner Schulter ein wenig hob, ohne ihn anzusehen, doch genug, damit er den beruhigenderweise gefassten Gesichtsausdruck erahnen konnte.

„Nenn mich Ivan“, verlangte der Größere lächelnd. „Nicht so sehr, weil du mich so fest an dich drückst.“

Ein wenig ruppiger streichelte Amerika über den Schopf, bevor er sich von Russland löste und aufstand.

„Es scheint dir schon wieder besser zu gehen“, stellte er amüsiert fest.

„Mhm“, nickte Ivan, ohne jedoch ebenfalls Anstalten zum Aufstehen zu machen.

„Ich hole mal meine Brille und dann mache ich den Kamin an, okay?“

Während er zum Bett ging, rappelte Russland sich doch auf und ließ sich interessiert nach ihm umgedreht auf dem Sofa nieder.

„Schaffst du das denn, ohne mein Haus abzubrennen? Ich glaub, sonst wär' ich ganz schön sauer…“

Da auch Russland lächelte, ehrlich lächelte, wie Amerika hoffte, hob er grinsend den Daumen, als er zurückkam.

„Überlass das nur mir! Übung macht den Meister!“

Nachdem er sich ausgiebig mit dem Kamin beschäftigt hatte und das Feuer zu seiner Begeisterung loderte, ohne dass der Raum einer Räucherkammer glich, verflog seine anfängliche Erleichterung über Russlands Zustand wieder, als er den Kamin Kamin sein ließ und sich wieder seinem Verbündeten zuwendete. Die Ellenbogen auf die Knie gestützt, die Hände verschränkt und die Stirn mit verzogenem Gesichtsausdruck darauf gebettet, machte der Ältere kaum den Eindruck, als ginge es ihm sehr viel besser als zuvor auf dem Boden kauernd. Vermutlich hatte er nur für ihn eine kurzzeitige Fassade erhoben, die nun wieder eingebrochen war. Zuversichtlich setzte er sich an das andere Ende des Sofas und legte sich das Kissen auf den Schoß.

„Ivan, komm mal her“, klopfte er auf das Kissen. „Es wird dir gut tun, dich einen Moment zu entspannen.“

Das verfinsterte Gesicht blickte skeptisch drein, musterte das Kissen, musterte ihn, seufzte, bevor Russland sich langsam auf die Seite sinken ließ und mit dem Hinterkopf zu ihm im Kissen landete. Zufrieden legte Amerika eine Hand auf den Schopf und die andere auf die angespannte Schulter.

„So ist es gut“, lobte er streichelnd. „Ruh dich einfach aus.“

Schweigend streichelte er weiter, ebenso wie Russland es schweigend hinnahm. Dennoch bemerkte der Blonde in dem zunehmend heller lodernden Licht des Feuers, dass das blasse Gesicht gerötet war. Dann öffnete Russland minimal die Augen.

„Weißt du, aus welchem Grund es niemandem erlaubt ist, sich in diesem Zimmer aufzuhalten, wenn ich da bin?“

„Hab nicht den geringsten Schimmer“, erwiderte Amerika ehrlich und die violetten Augen schlossen sich.

„Ich sperre mein schlechtes Verhalten hier ein“, erklärte Russland leise. „Das ist mein einziger Rückzugsort. Hier wagt es niemand, mich zu stören.“

„Findest du, dass es klappt?“, fragte er mit skeptisch hochgezogenen Augenbrauen nach.

„Sehr gut“, lächelte Russland gruselig und drehte sich ein wenig zu ihm um. „Findest du nicht?“

„D-Doch, doch“, beeilte Amerika sich, lächelnd beizupflichten, woraufhin sich der Ältere wieder wegdrehte.

„Aber mein Boss versteht das nicht.“

Amerikas Hand in den graublonden Haaren hielt inne, denn die Verbitterung in der Stimme glich dem Tonfall von zuvor.

„Er hat sich einfach nur zurückgezogen und Moskau aufgegeben.“

Die Muskeln der Schulter unter Amerikas Fingern verkrampfte sich zunehmend.

„Wie kann er mir das antun? Dieser Kreml, Moskau,… das ist alles, was ich habe…!“

Fassungslosigkeit und Entsetzen stand in Amerikas Gesicht geschrieben, als Russland sich erneut lächelnd in seine Richtung drehte.

„Ich möchte ihn töten. Frankreich und meinen Boss.“

Hastig, sodass selbst Russland überrascht blinzelte, presste Amerika ihm die Hand auf den Mund.

„Sowas darfst du nicht tun! Frankreich ist eine Sache, aber dein Boss…“, redete er erschrocken mit gedämpfter Stimme auf ihn ein. „Du würdest in Anarchie enden. Das wäre womöglich dein Tod!“

Lächelnd drehte Russland sich auf den Rücken, nahm Amerikas Hand von seinem Mund und legte sie auf seine blutbesudelte Uniform.

„Verstehst du jetzt, warum ich dieses Zimmer brauche? Ich hab Angst, dass alles wieder so wie ganz früher wird, als ich allein war und niemanden und gar nichts hatte…“

Amerika blickte lange zurück, ohne zu Antworten. Russland sah in diesem Augenblick so gutmütig aus, wie er mit dem Kopf in seinem Schoß lag und seine Hand haltend lächelte, obwohl ihn dieses Lächeln sichtlich quälte. Er verstand es. Dieser Raum war ein Schutz für diejenigen, die Russland so wichtig waren, dass er sie nicht verletzen wollte, aber ebenso für Russland selbst, um sich nicht selbst zu verletzen.

„Kann ich irgendetwas tun, damit es dir besser geht?“, fragte Amerika ernsthaft besorgt.

„Haha“, lachte Russland fröhlich. „Werde eins mit mir, da?“

Niedergeschlagen sah der Jüngere gesenkten Blickes zur Seite. Diese eine Sache, die er unter gar keinen Umständen tun konnte, obwohl er in seiner momentanen sentimentalen Verfassung beinah alles für Russland getan hätte… Eine Hand tätschelte ihm über den Kopf, sodass er seinen betrübten Blick auf das lächelnde Gesicht richtete.

„Nur Spaß, kleines Amerika“, beruhigte Russland. „Bleib noch ein wenig länger an meiner Seite, ja? Das kannst du doch tun, nicht wahr?“

Das zuversichtliche Lächeln kehrte in Amerkias Gesicht zurück, als er zustimmend nickte. Doch dann senkte er erneut niedergeschlagen den Kopf.

„Ich kann dir leider nicht gegen Frankreich helfen“, gestand er ein. „Ich stehe noch in seiner Schuld, weil er mir während dieser Sache mit England Waffen geliefert hat …“

„Das ist in Ordnung“, lächelte Russland, während er sich aufrichtete und dicht zu Amerika vorbeugte, sodass dieser unter seinen sanften Worten eine Gänsehaut bekam. „Ich brauche niemanden, der für mich kämpft.“

„S-Sondern?“, hauchte der Blonde gegen Russlands Lippen, die nur wenige Zentimeter vor seinen auf Abstand blieben.

„Du scheinst mir nicht zu glauben“, stellte die große Nation neckend fest, während sie behutsam das Kinn zwischen die Finger nahm. „Ich brauche jemanden, der mich unterstützt, während mich mein Boss verrät. Ich brauche jemanden, der mich nicht zu sehr fürchtet, um freiwillig bei mir zu bleiben, eine unschuldige kleine Nation wie dich.“

Amerikas Lippen öffneten sich leicht, zögerten, dann blickte er Russland gerade heraus in die berechnenden, violett schimmernden Augen.

„Es pisst mich wirklich an, wenn du mir solch eine Bezeichnung gibst“, erwiderte er. „Ich bin nicht klein und schon gar nicht un-“

„Ich weiß“, unterbrach ihn Russlands Flüstern, bevor dessen Lippen ihn in einen hungrigen Kuss verwickelten.



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