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Der Weg aus dem Kampf

Wenn Träume Berge versetzen
von

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Redet endlich Klartext!

Kapitel 59

Redet endlich Klartext!
 

Anerkennend nickte der Geflügelte, als er seine Schülerin bei ihren ersten Flugversuchen beobachtete. „Noch nicht so hoch hinaus.“, verlangte er und wies sie an, einige Schleifen zu fliegen und einen Gleitflug zu probieren. Es gab keine Schwierigkeiten. Sie musste halt nur noch lernen, mit ihren Kräften zu haushalten und nicht gegen den Wind zu kämpfen, sondern ihn zu nutzen. Aber auch das würde sie bald gemeistert haben. „Sobald du spürst, dass du nicht mehr kannst, lande. Warte nicht, bis zum allerletzten Augenblick. Du hast jetzt alle Zeit. Nimm sie dir.“, gab er ihr den nächsten Tipp. „Und bleib noch dicht über dem Boden. Dann kannst du auch alleine üben.“ Und schon ließ sich Mimoun fallen und streunte zu der Gruppe hinüber, die sich um seinen Freund gebildet hatte. Xaira fixierte er mit beinahe hasserfülltem Blick, bevor er Dhaôma anlächelte.

„Du kannst stolz sein auf das, was du vollbracht hast. Du hast ihr Freiheit geschenkt.“
 

„Mimoun!“ Dhaôma umarmte ihn. „Xaira wird mit uns kommen, um die Magier und die Hanebito zu überzeugen, den Krieg zu beenden. Ist das nicht toll?“
 

„Oh, wie ich mich freue.“ Zwar erwiderte er die Umarmung, aber deutlich schwang sein Unmut mit. Mimoun hatte nichts dagegen, dass Halblinge sie begleiteten, ganz im Gegenteil, aber warum musste es ausgerechnet diese Frau sein? „Gibt es noch jemanden, der die Furie an die Leine nimmt?“
 

„Äh…“ Dhaômas Freude erstarb. Gerade jetzt hatte er das schreckliche Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Dennoch antwortete er. „Ich habe außer ihr noch keinen gefragt.“, erklärte er kleinlaut. „Das wollte ich nachholen.“

Hinter ihm bekam sich Xaira langsam wieder unter Kontrolle. Mimouns Aussage hatte sie ernüchtert. „Vielleicht möchtest du lieber an die Leine genommen werden? Wenn du dich bei den Magiern so aufführst wie hier, dann wird das nie was mit dem Frieden.“
 

Demonstrativ und besitzergreifend schlang Mimoun seinem Freund die Arme um den Hals und zog ihn an sich. Für ihn war das Aussage genug, dass er unter Dhaômas Pantoffel stand. „Ich weiß wie ich mich zu benehmen habe. Ich will es nur gerade nicht.“
 

„Nicht schon wieder streiten!“, bat der Magier in diesen Disput. Seine Stimme klang flehendlich und er zog an Mimouns Kleidern. Im nächsten Moment hielt er einen Fetzen davon in der Hand. „Oh nein.“, wisperte er und zog sich augenblicklich zurück. „Entschuldige, bitte, das war…“
 

„Ups.“ Mimoun lachte ausgelassen. „Da war ja was.“ Wieder begab er sich auf die Suche nach dem Stein, der erstaunlicherweise noch um seinen Hals baumelte. Aber dieses Band würde keiner Belastung mehr standhalten. Noch immer kichernd, produzierte er ein neues Band und hängte das Schmuckstück direkt dem Wasserdrachen um. Bei ihm würde er einfach am sichersten sein. Den Rest seines Hemdes konnte er sich ohne große Anstrengung vom Leib reißen und warf es nach kurzer kritischer Betrachtung zusammengeknüllt hinter sich.

„Lass mir wenigstens die Hose, sonst wird es peinlich.“, bat der Geflügelte und zog Dhaôma wieder näher. „Ich werde ab jetzt auch brav sein, damit du dich konzentrieren kannst.“
 

Seufzend nickte Dhaôma. Es war so eine Schande. Wirklich. Dass er Mimoun nicht einmal mehr wirklich berühren konnte, wenn sie unter Menschen waren.

„Ich denke, es wird Zeit, dass wir die Willkommensfeier starten. Unsere Jäger waren in letzter Zeit sehr erfolgreich und wir könnten alle ein wenig Spaß gebrauchen, nicht wahr? Und wer weiß, vielleicht kommt ja auch das ein oder andere Gespräch zustande.“, suggerierte Thenra, was von Jii sofort aufgenommen wurde. Plötzlich waren alle in eiliger Beschäftigung, um alles vorzubereiten.

„Sag mal, Dhaôma, wohin wollt ihr denn zuerst?“, fragte Xaira, weil sie und die beiden Reisenden dazu genötigt wurden, nicht zu helfen. „Weißt du, ich würde unglaublich gern eure Tochter kennen lernen. Ich bin sicher, sie ist ein wundervolles, glückliches Kind.“

„Du besuchst Dhaômas Tochter?“, fragte Keithlyn, die seit einiger Zeit wie ein Derwisch zwischen allen herumflatterte. Längst waren ihre Kräfte aufgebraucht, aber sie war so erleichtert, dass alles zu stimmen schien, dass niemand sie deswegen angemacht hatte, dass sie so viel Lob bekommen hatte, dass sie kaum anders konnte. „Ich will mit! Ich fliege auch alleine! Ich will die Hanebito kennen lernen!“
 

„Unsere Tochter.“, bestand Mimoun auf dieser Tatsache. „Und das schaffst du nicht.“, schmetterte er gleich als nächstes gnadenlos ab. „Wenn du selbst fliegst, wird uns das nur unnötig aufhalten.“ Tyiasur kletterte wieder auf die Schulter seines Reiters und kühlte diesen. „Außerdem… du bist noch ein halbes Kind. Was würde Korkkan dazu sagen? Er wird sich große Sorgen machen.“ Aber wie er die Kleine mittlerweile einschätzte, würde sie ihren Ersatzvater solange bedrängen, bis dieser zustimmte. „Oder du überredest ihn mitzukommen, aber ich weiß nicht, wie viele Vilay tragen kann.“

Mit einem Blick reichte er die Frage an eben jenen weiter.
 

„Genug.“, antwortete dieser gelangweilt. Seit einiger Zeit schielte er auf das Essen. Da er selbst nicht zum Jagen gekommen war, hoffte er auf eine Portion für sich. Und wie es aussah, waren sie tatsächlich bereit, einen halben Bock mit ihm zu teilen.

Also sprang Dhaôma ein. „Sie haben es doch auf der Insel ausprobiert. Er hat fünf problemlos tragen können. Und hat sie abgeschüttelt, als es ihm zuviel wurde. Also sollten wir wohl nicht mehr als vier sein.“ Allerdings blieb die Frage, wie er sie tragen würde. „Vielleicht sollten wir Körbe flechten, in denen man sitzen kann, weil sicher nicht alle auf seinen Rücken passen.“ Dann wurde er rot. „Außerdem muss Tyiasur auch bei uns mitfliegen. Ohne ihn wird der Tragegurt wahrscheinlich porös.“
 

„Die Körbe kriegst du locker alleine hin. Dann bleibt nicht viel Kraft für Chaos übrig.“, überlegte Mimoun laut. „Und wie weit reicht eigentlich die magielose Zone, die Tyiasur errichtet? Kannst du das einschränken oder muss ich in großem Abstand zu euch fliegen?“

„Ich habe es nicht ausprobiert. Es war nicht nötig.“

„Gut.“ Bekräftigend nickte der Geflügelte. „Dann haben ja alle was zu tun. Keithlyn übt fliegen, Tyiasur übt mit mir zusammen das gezielt Magie blockieren, Dhaôma lässt Körbe wachsen und du…“ Mit einem zuckersüßen Lächeln wandte er sich an Xaira. „…stehst niemandem im Weg.“
 

„Schon klar, und der Störenfried trifft Reisevorbereitungen.“ Sie streckte ihm die Zunge raus, gerade als Lulanivilay sich erneut meldete.

„Ich konnte jederzeit den See in mir nutzen, wenn Pusteblume Freiheit geholfen hat.“, merkte er an und blinzelte jetzt zu dem kleinen Drachen. Er schien nicht so ganz zu verstehen, wo das Problem liegen sollte.
 

„Sagte die Giftschleuder.“ Mimoun wandte sich dem Drachen zu. „Du hast aber auch einen größeren See und mehr Kraft als ich. Wenn Tyiasur es nicht auf ein Minimum reduzieren kann, also nur auf Dhaôma, dann werde ich nicht so lange durchhalten und du musst mich ebenfalls tragen.“
 

„Ich weiß, dass du ein schwacher Mensch bist.“, gab der Drache indifferent zurück und beobachtete weiter seinen Anteil des Festmahls.

„Vilay!“ Dhaôma war empört. „Das ist nicht wahr.“

„Wenn du es sagst, Freiheit.“

Neben ihnen fing Xaira an zu lachen.
 

„Im Vergleich zu ihm, bin ich schwach.“, stimmte Mimoun dem Drachen ungerührt zu. „Aber da ich bei Weitem stärker bin als der Durchschnitt, sind die anderen wohl auf Säuglingsniveau im Vergleich zu ihm.“ Der Geflügelte gab sich die größte Mühe der lachenden Frau die kalte Schulter zu zeigen. Warum auch immer, es fiel ihm heute schwer, in ihrer Gegenwart ruhig zu bleiben. Vielleicht weil sie ihm trotzig die Stirn geboten hatte.

Um sich abzulenken, zog er Dhaôma in seine Arme und bettete seinen Kopf auf dessen Schulter, während er Keithlyn beobachtete, die wieder über die Wiese sprang. „Du könntest für den Nachtisch sorgen.“, nuschelte der Geflügelte leise.
 

Das würde er wirklich gerne… „Mimoun, die Samen liegen sicher verwahrt bei Thenra, damit ihnen nichts passiert, während meine Magie so verrückt spielt. Ich habe sie darum gebeten, sie zu bewahren.“

„Wir könnten sie doch holen.“, schlug Xaira vor.

„Findest du den Erdbeersamen in dem Beutel?“

„Ist er beschriftet?“, gab sie zweifelnd zurück

Dhaôma lachte. „Wie das denn? Er ist zu klein.“ Ein weiteres Lachen gluckerte durch seinen Bauch.

„Ich hole einfach den ganzen Beutel.“ Die junge Frau erhob sich und schüttelte ihr lockiges Haar aus. „Ich bringe ihn auch wieder weg, wenn du den richtigen Samen gefunden hast.“

Wenig später versperrte Tyiasur Dhaômas Magie, während dieser zielsicher in dem Beutelchen suchte. Den Samen zu finden, ohne wenigstens ein bisschen Magie einzusetzen, dauerte definitiv länger, aber schließlich hatte er den Samen. „Heute gibt es die kleine Variante, ja?“
 

„Ich muss mich ja auch erst langsam wieder daran gewöhnen, welche zu bekommen.“ Vorfreudig rieb sich der Geflügelte die Hände. Wie lange hatte er jetzt auf Erdbeeren verzichten müssen? Genauso lange, wie auf denjenigen, dem er diesen Reichtum zu verdanken hatte.

Mimoun schenkte Dhaôma schon im Voraus ein dankbares Lächeln, als hinter ihnen auch schon Stimmen laut wurden, dass alles fertig sei, dass sie endlich kommen sollten. Ohne seinem Freund die Zeit zu lassen, Erdbeeren wachsen zu lassen, ergriff er ihn am Handgelenk und zog ihn sanft in den Kreis der anderen, ließ sich neben ihm nieder.
 

Es wurde laut und lustig. Irgendjemand hatte beschlossen, dass Jii eine Rede halten sollte, aber dieser war darauf nicht vorbereitet. Die wenigen Worte, die er sagte, hatten keinen wahren Zusammenhang, außer, dass er sich freute, Mimoun wieder dabeizuhaben. Dann wurde gegessen, ein reichhaltiges Mahl, da nach dem Regen vor einigen Wochen alles freudig wuchs und gedieh. Die größte Delikatesse, die sie anboten, waren einige Früchte der stacheligen Kakteen, die man vorher pellen musste, um die Stacheln nicht im Mund zu haben.

Eine Frage in die Runde zeigte an, dass es einige gab, die Erdbeeren haben wollten. Und Keithlyn war ganz scharf darauf, seine Magie endlich wieder zu sehen. Ihrer Meinung nach hatte er sie viel zu lange unter Verschluss gehalten. Allerdings waren auch Vertreter der Meinung, dass es vielleicht gefährlich sein könnte, anwesend, so entfernte sich Dhaôma ein wenig.

Aus dem einen Kern wurde schnell eine Pflanze, die Blühte und verblühte, Früchte bildete, die zerfielen und neue Samen freisetzten. Immer mehr Pflanzen kamen aus der Erde hervor, vervielfältigten sich rasant, bis Dhaôma der Meinung war, jetzt alle ausreichend mit Erdbeeren eingedeckt zu haben.

„Jii, ich werde die Pflanzen danach verschwinden lassen, also sieh es mir nach, dass sie hier wachsen.“

Der Mann wurde rot. „Ja, weißt du…“, begann er und kratzte sich am Hinterkopf. „Du kannst sie gerne stehen lassen. Erdbeeren wachsen hier ja sonst nirgendwo.“
 

Das entlockte Mimoun tatsächlich ein Kichern. Er wusste, dass so ein Vorfall Angst auslösen konnte. Es war nur allzu verständlich. Man musste ihnen einfach mal den Kopf gerade rücken, damit sie ihren Fehler einsahen. Und zumindest Jii hatte das ja nun getan.

„Ich gehe nicht davon aus, dass diese Pflanzen hier lange überleben können.“, merkte er an und machte sich bereits über die ersten Beeren her.

„Wenn du da bist, ist das auch kein Wunder.“, kam ein Zwischenruf und löste Gelächter aus. Die einzige Reaktion des Geflügelten bestand darin der Sprecherin die Zunge herauszustrecken.
 

Jii entschuldigte sich, um auch ein wenig in dem kleinen Feld zu sammeln, während Dhaôma drei Erdbeeren für Thenra pflückte und sie ihr brachte. „Ich möchte Xaira mitnehmen. Und vielleicht noch ein oder zwei andere. Wäre das in Ordnung?“

„Wohin sollen sie denn mit dir gehen?“

„Ich brauche Zeugen eurer Geschichte. Sie sollen mir helfen, diejenigen zu besiegen, die die Welt, die ich zu lieben beginne, zu zerstören versuchen.“

„Hat Xaira dir ihre Hilfe angeboten?“

„Sie hat schon zugesagt.“

„Dann ist das in Ordnung.“, lächelte die alte Frau. „Wen möchtest du noch mitnehmen?“

„Das weiß ich noch nicht. Die, die mitgehen wollen.“

„Dann solltest du sie fragen. Was hält dich davon ab?“

Lächelnd schüttelte der Braunhaarige den Wuschelkopf. „Dir bin ich nicht gewachsen, Thenra.“

Scheckerndes Lachen begleitete ihre nächsten Worte: „Das hätte mich auch gewundert.“

„Und wen soll ich fragen?“

„Wie wäre es mit Ula? Sie kann die Karte lesen und vervielfältigen.“

„Ich glaube, Mimoun möchte keine Frauen dabei haben. Es steht gegen ihre Überzeugung, Frauen in den Krieg zu schicken.“

„Langfristig sicher eine gute Entscheidung. Wie wäre es dann mit Juuro. Er ist ein guter Kämpfer wenn es darauf ankommt, wenn auch ein wenig schweigsam.“

Nachdenklich sah Dhaôma zu dem älteren Mann hinüber. Er hatte einen Charakter, der es schwer machte, ihn zu verstehen. Dhaôma konnte niemals sagen, was er gerade dachte. Aber er hatte ihn bei der Jagd gesehen und konnte nur zustimmen, dass er stark war. „Versteht er sich mit Xaira?“

„Ja, er versteht sie gut.“

Er nickte. „Und sonst?“

„Frage ihn. Er wird dir antworten.“

Wieder nickte der Magier und streunte dann zu Mimoun, um ihm Thenras Vorschlag mitzuteilen.
 

„Ich werde ihn fragen.“, stimmte Mimoun zu, als ihm klar wurde, dass Dhaôma sich dazu nicht so schnell würde durchringen können. Er klaubte sich die nächste Beere vom Stängel und seufzte abgrundtief. Dhaômas Blick war so bohrend und bittend, dass der Geflügelte anscheinend sofort gehen musste. Das war’s erstmal mit seinem Nachtisch. „Ich geh ja schon.“

Genauso schwerfällig, wie er sich erhoben hatte, ließ er sich mit ein paar Erdbeeren neben dem Älteren fallen. Auch wenn ein Friedensangebot nicht nötig war, so hielt Mimoun ihm doch einige hin. Ein wenig erstaunt wurden die kleinen roten Gebilde begutachtet, dann aber mit einem kurzen Nicken angenommen.

„Dhaôma hätte gerne ein paar von euch dabei, um eure Geschichte glaubhafter zu machen. Xaira kommt bereits mit, aber das wird keine leichte Reise. Für niemanden von uns. Und wir brauchen auch starke Kämpfer.“, begann der Geflügelte ohne Umschweife.

„Sie ist stark.“

Nur widerwillig stimmte Mimoun zu. Ja. Mochte sein. „Dennoch hätten wir gerne auch dich dabei. Du musst nicht sofort darauf reagieren.“, stellte er sofort klar. „Wir werden noch eine Weile hier bleiben müssen. Also überlege es dir gut.“

Ohne auf eine weitere Reaktion zu warten, erhob er sich wieder und kehrte zu Dhaôma zurück. „Ich habe ihn gefragt. Aber ich habe ihm auch gesagt, er soll es sich reiflich überlegen.“
 

„Mimoun! Mimoun!“ Keithlyn flog ihm in die Arme und klammerte sich dann mit Beinen und Armen an ihn. Dhaôma hatte gar keine Chance bekommen, zu antworten. „Warum fragst du so viele, ob sie mitkommen? Dann bleibt am Ende kein Platz für mich!“
 

Der Geflügelte musste einen Schritt zurückgehen um ihrem Anprall standzuhalten. Oh je. Was sollte er denn jetzt darauf antworten? „Jeder von ihnen hat immer noch die Möglichkeit nein zu sagen.“ Er verschränkte die Hände unter ihrem Hintern, so dass sie nun bequem darauf sitzen konnte. „Und ich hätte dich wirklich gerne dabei. Ich würde dir so gerne meine Familie und Freunde vorstellen. Aber…“ Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe herum. „Das hier wird kein kleiner Familienbesuch. Wir reisen in Kriegsgebiet, geraten sicher auch in Frontnähe. Das ist kein Ort für ein Mädchen. Du bist hier behütet aufgewachsen. Du weißt nicht, wie es ist, jede Minute um sein Leben fürchten zu müssen. Ich würde dir gerne dieses Schauspiel von Blut und Tod ersparen. Wenn alles vorbei ist, wenn euch keine Gefahr mehr droht, dann kann ich euch dort wenigstens ruhigen Gewissens willkommen heißen.“
 

Sie starrte ihn an. Und man sah in ihrem Gesicht, dass sie das Nein hinter den Worten verstand. Ihre feinen Züge verhärteten sich, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und dann begann sie zu toben. Ihre Fäuste trafen Mimouns Schultern, während sie weinte, heulte und schrie. Dhaôma war mit dieser Hysterie völlig überfordert, obwohl er versuchte, sie zu beruhigen. Seine Worte kamen bei ihr nicht an. Er war regelrecht glücklich, als Korkkan auf sie zutrat.

Noch bevor ihr Vater sie erreichte, war jemand anderes plötzlich da. Ein junger Mann, der graues Haar hatte. „Lass sie los!“, fauchte er Mimoun an und packte sie an der Taille, um sie von ihm herunterzuheben. „Ich lasse nicht zu, dass du sie so berührst!“
 

Ihre Reaktion war vorherzusehen und verständlich. Deshalb tat Mimoun auch nichts, als sie nach ihm schlug. „Tut mir Leid.“, murmelte er immer wieder, doch auch das hatte sie nicht erreicht.

Aber die Reaktion des jungen Mannes überforderte ihn tatsächlich. Wie berührte? Er verhinderte, dass sie durch ihre Zappelei auf dem Boden landete. Und warum waren seine Worte so heftig? Verwirrt blinzelte Mimoun ihn an. Hier schien er etwas verpasst zu haben. Aber beinahe mechanisch tat er, was man von ihm verlangte und zog seine Hände unter ihr hervor.
 

Ihre Reaktion war ein erschrockenes Aufquietschen und reflexartiges Festklammern an seinem Hals. Grisu zog an ihr, aber sie strampelte und traf ihn empfindlich auf der Brust. Zischend ließ er sie los.

„Was soll das? Hast du vergessen, dass ich dein Lebenspartner bin, sobald du alt genug bist? Du hast es mir vor Jahren versprochen!“

Entgeistert sah sie ihn an und streckte ihm die Zunge raus. Ihr Verhalten, sich an Mimoun zu klammern und Grisu zu ignorieren, flammte dessen Zorn auf. Er packte sie am Arm und zerrte an ihr, was sie vor Schmerz aufheulen ließ.

„Lass das.“, schritt Dhaôma ein und wurde nur wütend angezischt.

„Lass sie los!“, forderte der Mann wieder von Mimoun.

Zum Glück war Jii zur Stelle. „Grisu, lass sie los. Du tust ihr weh.“

„Sie hat sich ihm nicht an den Hals zu werfen. Sie hat sich mir versprochen!“
 

Wenn seine Mutter nun hier wäre, würde sie wieder mit Mimoun schimpfen. Als es so heftig wurde, umschlang er die Hüften des Mädchens, breitete die Schwingen aus und stieß sich ab. „Was soll das?“, verlangte der Geflügelte außerhalb der Reichweite Grisus von diesem zu erfahren. „Wann hat sie dir das versprochen? Als sie ein Kind war und nichts von Liebe wusste? Gefühle können sich ändern im Laufe der Zeit. Hast du sie mal gefragt, was sie heute will?“ Aber der Junge hatte Recht. Es war wohl zur Beruhigung aller Gemüter besser, wenn er sie nicht mehr festhielt. Aber er landete nicht dort, wo er gestartet war. Er setzte sie inmitten einer Gruppe Halblinge ab, die sich zwar erhoben hatten und starrten, aber nicht eingriffen, um das Chaos nicht zu vergrößern. Mimoun überließ das Kind ihrem Schutz und trat vor die Gruppe, um dem wütenden Mann entgegenzutreten.

„Mein Herz ist bereits vergeben.“, versuchte der Geflügelte ruhig zu erklären und seinen Kontrahenten damit zu beschwichtigen. „Ich habe keinerlei Interesse dieser Art an ihr. Für mich ist sie nur eine gute Freundin. Und noch ein Kind.“
 

„Sicher, eine Freundin! Dafür verbringst du verdammt viel Zeit mit ihr! Zumal sie deinesgleichen jetzt ähnlicher ist, nicht wahr? Jetzt hat sie jemanden besseren verdient als einen Halbling, nicht wahr? Wir sind ihrer nicht mehr würdig oder was?“, brüllte er.

Und sah sich im nächsten Moment von Dhaôma zurückgeschupst. „Du redest Mist. Denk nach, bevor du so etwas Unsinniges von dir gibst!“ Der Braunhaarige holte tief Luft. „Seit wann bitte soll Mimoun rassistisch veranlagt sein? Was glaubst du eigentlich, warum wir hier sind, warum wir befreundet sind, warum wir euch gern haben?“

Grisu schüttelte die Verblüffung über Dhaômas Handgreiflichkeit ab. Was wagte es dieser nichtsnutzige Magier, ihn zu schelten! Das würde er ihm büßen. Wutentbrannt hob er die Faust.
 

Um die sich starke Finger schlossen. Die zweite krallenbewehrte Hand legte sich um die Kehle des Mannes. „Beruhige dich.“, verlangte Mimoun. „Ich hatte nicht einmal vor, sie mitzunehmen.“ War das noch Liebe bei dem Kerl oder schon Besitzgier? „Und zuallererst entscheidet immer noch Keithlyn, mit wem sie sich abgibt.“
 

Einen Moment hatte Dhaôma schon gedacht, er würde geschlagen werden, und ihm war das Herz in die Hose gerutscht. Zum Glück war Mimoun da und passte auf ihn auf.

„Es ist genug, Grisu.“, erklang da die Stimme von Mihara. „Du bist zu weit gegangen. Du wirst jetzt in deine Höhle gehen und dort bleiben, bis du dich beruhigt hast. Denke darüber nach, was du gerade gesagt hast, dann komm hierher zurück und entschuldige dich.“

„Tch!“ Grisu riss sich von Mimoun los und schlug dessen Hand weg. Um ihn herum standen seine Leute und starrten ihn schweigend an. Keiner ergriff Partei für ihn, keiner verteidigte ihn. Selbst Tori, sein bester Freund, hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Verreckt doch alle!“, knurrte er und drehte sich um. Tatsächlich trat er in die Höhle.

„Er greift den Gedanken an Mord wieder auf.“, teilte Tyiasur seinem geflügelten Freund mit. „Diesmal schließt es dich mit ein.“
 

„Verdammt.“ Ein wenig entnervt, ein wenig verzweifelt, rieb sich Mimoun über den Nacken. Das hatte er eigentlich nicht bezwecken wollen. Unwirsch schüttelte er den Kopf. Erst einmal das nächstgelegene Problem lösen.

„Geht es euch gut?“, fragte der Geflügelte einerseits Dhaôma, andererseits Keithlyn, die jetzt aus der Gruppe hervortrat. Korkkan trat an die Seite seiner Tochter und wünschte dasselbe zu erfahren.
 

„Ich bin okay.“

„Ich auch.“ Das Mädchen sah Mimoun an und sie wirkte niedergeschlagen. „Ist es wahr, dass du mich nicht mitnehmen willst? Gibt es keine Chance für mich? Ich kann doch jetzt selbst fliegen.“ Hoffnungsvoll sah sie Dhaôma an, der nur den Kopf schüttelte.

„Du wärst im Weg. Weißt du, Mimoun hat alle Hände voll zu tun, auf sich aufzupassen, wenn er bei den Magiern ist. Dann muss er auf mich aufpassen, weil ich immerzu in dumme Situationen gerate. Und wenn wir auf dich aufpassen müssen, damit dir nichts passiert, dann kommen wir nicht mehr voran.“

„Aber ich kann doch wegfliegen.“

„Aber du weißt, dass die Magier Jagd auf Hanebito machen. Du bist jetzt einer von ihnen.“

Ihre roten Augen begannen wieder in Tränen zu schwimmen. Unwirsch wischte sie sie weg. „Und wie lange seid ihr weg?“

„Das wissen wir nicht.“

„Keithlyn. Mach ihnen keine Probleme. Unterstütze sie, so gut du kannst, damit sie wiederkommen, um dich zu holen.“ Die Stimme ihres Vaters klang sanft und doch eindringlich. Er stimmte sie schließlich um. Enttäuscht ließ sie den Kopf hängen.

„Na gut. Mimoun? Bist du wirklich schon gebunden?“
 

„Mein Herz… ja.“, gab Angesprochener ein wenig wehmütig zu. „Es tut mir aufrichtig Leid, wenn ich Gefühle dieser Art in dir geweckt haben sollte, aber ich werde sie nicht erwidern können.“ Aber das sollte jetzt eigentlich nicht Inhalt des Gespräches werden. „Jemand sollte eindringlich mit Grisu reden. Ich würde ihm gerne selber verständlich machen, dass seine Eifersucht unbegründet ist, aber ich fürchte, derzeit würde es mit einem Toten enden.“

„Würdest du ihn denn töten, könntest du ihn nicht umstimmen?“, wollte Thenra wissen.

Mimoun verneinte mit einem Kopfschütteln. „Er wünscht derzeit meinen Tod.“

„Das würde ich nicht zulassen. Ich habe es auch bei Dhaôma unterbunden.“, stellte die Alte sofort klar.

„Ich weiß.“ Der Geflügelte schenkte ihr ein sanftes Lächeln, das sie zwar nicht sehen, aber in seiner Stimme hören konnte. „Ich danke dir dafür.“
 

Dhaôma runzelte die Stirn. Grisu wünschte Mimouns Tod? Das war ganz und gar nicht im Sinne ihrer Mission. Und wenn man bedachte, wie schnell so jemand zuschlagen konnte, dann war es regelrecht gefährlich hier zu bleiben. Sie hatten an Kekaras ja schon gesehen, wohin das führte.

Leise ging er zu seinem Drachen, hockte sich in seine Halsbeuge und lehnte sich gegen ihn. „Mimoun hat gesagt, es ist noch immer kalt da, wo wir hinwollen. Das heißt, wir können noch nicht los fliegen, aber ich möchte auch nicht mehr hier bleiben.“

„Du flüchtest, Freiheit.“

„Ich weiß.“, nuschelte er und drückte seine Nase in seine Armbeuge. Seine braunen Augen suchten nach einem schwarzen, wuscheligen Haarschopf und fanden ihn bei Keithlyn, die sich an seinem Arm festklammerte. Er fragte sich wirklich, an wen Mimoun sein Herz verschenkt hatte. Bevor sie von den Drachen zurückgekommen waren, hatte er davon noch nichts gehört, also musste es ein Mädchen sein, das er später kennen gelernt hatte. Oder Jadya. Sie hatte er ja auch wieder getroffen und sie war schon damals in ihn verliebt gewesen.

„Bist du traurig, Freiheit?“

Er schüttelte den Kopf, nickte und versteckte sein Gesicht. Lulanivilay legte tröstend den Schwanz um seinen Reiter.
 

„Ist das denn von Bedeutung?“, wich Mimoun den ganzen Fragen aus, mit denen ihn Keithlyn bestürmte. Sie wollte alles wissen über seine Auserwählte. Sanft löste er ihre Finger von seinem Arm. „Und es wäre wirklich besser, wenn du ein wenig Abstand halten könntest. Sonst werde ich früher gehen müssen, als es mir Recht wäre.“

„Warum kannst du es mir nicht einfach sagen? Ist sie hübsch? Nun sag schon.“ Sie ignorierte seinen Vorschlag gekonnt.

„Das schönste Geschöpf auf dieser Welt.“, erwiderte er schließlich mit einem wehmütigen Lächeln. „Und unerwiderte Liebe tut weh, nicht wahr? Vor allem wenn man immer wieder daran erinnert wird.“

Es dauerte einen Augenblick, bis das Albinomädchen begriff und schwieg. Leicht streichelte er ihre Hand, die nun locker auf seinem Oberarm lag und wandte sich dann ab. Er bemerkte Xaira nicht, die völlig entnervt die Hände über dem Kopf zusammenschlug.

Der Blick des Geflügelten glitt über die Anwesenden. Zwar hatte Dhaôma gesagt, es ginge ihm gut, aber das sagte dieser häufig. Und nicht immer entsprach es auch der Wahrheit. Doch er konnte den Magier nicht entdecken. Er stand nicht in seiner Nähe. Nur Lulanivilay lag halb zusammengerollt ein wenig abseits. Dort musste der Gesuchte sich aufhalten, denn in die Höhlen würde er jetzt wahrscheinlich eher nicht gehen. Dort fand er ihn tatsächlich und bei dem Anblick, den das Häufchen bot, schnürte es ihm die Kehle zu.

„Hey. Alles in Ordnung. Ich passe schon auf, dass dir niemand etwas tut.“, versuchte Mimoun mit sanfter Stimme zu beruhigen und streichelte die braunen Haare.
 

Dhaôma sah auf. Er lächelte, sein Gesicht war trocken. Es hatte ihn zwar geschockt, das Mimoun jetzt vergeben war, dass er vielleicht bald wieder alleine war, aber irgendwie hatte er damit gerechnet. Als Mädchen hätte er ihn sofort genommen.

„Ich weiß.“, sagte er leise und schmiegte sich in die streichelnde Hand. „Trotzdem fühle ich mich hier fest gekettet. Ich möchte weg. Möchte anfangen, etwas Sinnvolles zu tun, möchte diese Sache endlich beenden!“ Aber es würde bedeuten, dass Mimoun ihn früher verlassen würde, nicht? Sollte er sich also Zeit lassen? Nein. Nicht bei einem so hohen Preis.

Hinter ihnen tauchte Xaira auf. „Ich will mit euch reden. Jetzt. Möglichst privat.“, sagte sie und verschränkte grimmig die Arme vor der Brust.
 

Nicht sie. „Ehrlich. Dich kann ich jetzt am allerwenigsten ertragen.“ Mimoun sah sie bei diesen Worten nicht einmal an. Ruhig bleiben, nicht streiten, damit sich Dhaôma auf Wichtigeres konzentrieren konnte.
 

„Das ist mir herzlich egal. Er ist traurig wegen dir. Du bist total eifersüchtig. Und ich habe die Schnauze voll, von dir angezickt zu werden, also kommt jetzt mit und hört zu, was ich zu sagen habe, sonst mache ich es hier vor allen Leuten und das kann wirklich peinlich für euch werden, klar?“

Tyiasur stupste seinen Ziehvater ermunternd an, seine blauen Augen bohrten sich in dessen grüne.
 

Dhaôma war seinetwegen traurig? Warum? Weil er schon wieder Ziel von Anfeindungen wurde? Und reagierte er tatsächlich eifersüchtig? Er konnte Xaira einfach nicht ausstehen. Was war daran bitte Eifersucht?

Erneut erntete er einen Stoß in sein Gesicht. Mimoun war wohl zu lange eine Antwort schuldig geblieben. Mit einem abfälligen Geräusch wandte er sich an die Frau. „Aber fass dich kurz.“, verlangte er und wandte sich um, blieb außerhalb der Hörweite anderer wieder stehen.
 

„Komm du auch, Dhaôma, ja?“

Der junge Mann nickte und ließ sich von ihr hochziehen. Sie folgten Mimoun und Xaira schlug vor, noch ein wenig weiter zu gehen, um sich vielleicht hinsetzen zu können. Sie versprach auch, sich kurz zu fassen, während sie hinter ihrem Rücken die Augen rollte.

In einem kleinen Hain blieben sie schließlich.

„Setzt euch.“

Dhaôma tat, was sie verlangte. „Xaira, ist was nicht in Ordnung?“

„Das stimmt, hier ist etwas gewaltig verrutscht, aber das werden wir gleich grade rücken, also Geduld.“ Sie wandte sich an den Geflügelten. „Nimm Platz und beantworte meine Frage geradeheraus, ohne großartig nachzudenken oder zu lügen: Magst du Dhaôma?“
 

Zwar runzelte Angesprochener aufgrund der Absurdität diese Frage überhaupt zu stellen die Stirn, dennoch nickte er. „Ja.“, bekräftigte er seine Bewegung auch noch verbal.
 

„Wunderbar. Dhaôma, was sagst du dazu?“

Irritiert zuckte der Braunhaarige die Schultern. „Das weiß ich doch.“

Sie seufzte. Sie hatten keinen blassen Schimmer, worauf sie hinauswollte. „Dann also ganz von vorne. Sozusagen für Anfänger.“ Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Mimoun. „Gerade eben hast du gesagt, du wärst verliebt, ist das richtig?“

Dhaôma presste die Lippen zusammen. Er wollte das eigentlich nicht noch mal hören. Zumindest nicht, bevor er sich an den Gedanken gewöhnt hatte und Mimoun von ganzem Herzen Glück wünschen konnte.
 

Hör auf, schrie etwas in dem Geflügelten. Hör auf in meinen Wunden zu stochern! Nur mühsam konnte er seine Wut im Zaum halten und die Worte herauspressen: „Was bezweckst du?“
 

„Ich will, dass er nicht mehr so verletzt aussehen muss. Ich will, dass er sich nicht mehr quälen muss!“, zischte sie und zeigte auf Dhaôma, die andere Hand in die Hüfte gestemmt. „Und ich will, dass du nicht mehr eifersüchtig auf mich sein musst.“

„Es ist gut, Xaira. Das musst du nicht tun.“

Sie fuhr herum. „Dhaôma, hast du eigentlich eine Ahnung, wie ich mich fühle? Jedes Mal, wenn ihr zusammen seid, dann tut ihr, als gäbe es nichts Natürlicheres auf der Welt, als euer Geflirte! Zärtlichkeiten, die nicht einmal unter Geschwistern normal sind, seht ihr als normal an. Ihr beobachtet den anderen mit einer Liebe, dass es einem eine Gänsehaut verursacht. Und hast du mir nicht gesagt, dass deine Liebe unerwie…“

„Hör auf!“, rief er dazwischen.

„Nein! Ich will nicht. Du liebst ihn. Er liebt dich! Warum könnt ihr das nicht begreifen? Ihr solltet das auch nicht von mir hören! Ihr solltet es euch selbst eingestehen, aber bei euch zweien wird das ohne Hilfe nie was!“
 

In seinem Kopf herrschte Leere. Erst war da Angst, dass etwas zerstört worden wäre durch ihre Worte. Dann Hoffnung. Doch jetzt nur noch Leere. Zu gerne hätte er Xaira ‚Du irrst dich.’ gesagt, aber der Einwurf seines Drachens warf ihn aus der Bahn.

„Leoni wollte, dass ihr es allein schafft diese Hürde zu überwinden, deshalb habe ich geschwiegen. Aber sie hat Recht.“, pflichtete Tyiasur der Frau bei.

Sein Blick suchte den aus braunen Augen. „Er kannte nicht einmal Freundschaft. Wie soll er Liebe begreifen, wenn es ihm niemand erklärt hat?“ Seine Worte waren leise, ziellos gesprochen und so, als wäre sein Freund nicht anwesend. Sein Blick wurde tieftraurig. „Ihr irrt euch.“
 

Auch bei Dhaôma hatte Xairas Wortschwall einen Hoffnungsschimmer ausgelöst, Freude war in ihm aufgekommen, Aufregung, ob das Wahr sein könnte. Und dann Mimouns Worte. Sie holten ihn auf den Boden der Tatsachen zurück und wiesen ihn zurück auf seinen Platz. Er war Mimouns bester Freund, stand immer an seiner Seite. Das würde sich nicht ändern, nicht wahr?

„Du kleiner…“, schäumte Xaira auf, doch Dhaôma stand auf und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Lass gut sein, ja? Setz ihn nicht mehr unter Druck.“ Er schloss kurz die Augen, dann wandte er sich an Mimoun. „Sie hat Recht. Und Leonie hat mir erklärt, was Liebe ist. Ich weiß also, was sie meint. Dennoch hat Xaira Recht. Zumindest im Bezug auf mich. Aber ich werde deiner Liebe nicht im Weg stehen. Ich werde…“
 

„Halt. Stopp.“ Mimoun griff einerseits nach Dhaômas Hand, unterbrach ihn so zusätzlich, mit der anderen griff er sich an den Kopf. Das musste er erst einmal verarbeiten. Leoni hatte es Dhaôma erklärt? Hatte der Magier es auch verstanden? Er behauptete das zumindest und schürte damit sowohl Hoffnung als auch Angst. Angst davor, wenn Dhaôma es falsch verstanden hätte und schließlich ein Mädchen finden würde, das er ernsthaft liebte. Könnte der Geflügelte es dann ertragen, seinen Freund gehen zu lassen? Alles zog sich bei diesem Gedanken in ihm zusammen.

„Vertrau seinen Gefühlen.“

Unsicher glitt der Blick der grünen Augen zu Tyiasur, der noch einmal bekräftigend nickte, und schweifte wieder zurück zu Dhaôma. Auf einmal war sein Hals trocken und er schaffte es nicht mehr, den Blickkontakt aufrecht zu erhalten. „Du…“ Zittrig holte er Luft. „Du würdest meiner Liebe nur im Weg stehen, wenn du mir dein Lächeln verwehren würdest.“
 

Der Schreck über den schnellen Einwurf verlor sich in der langen Phase, in der Mimoun nachdachte. Er sah so fertig aus. „Ich weiß.“, lächelte er. „Mach dir keine Sorgen, ich werde es nicht verlieren. Ich habe doch versprochen, an deiner Seite zu sein.“

Misstrauisch kniff die junge Frau die Augen zusammen, dann rieb sie sich über die Nasenwurzel. Wie konnte man nur so hart an jedem Ball vorbei schlagen, der einem zugeworfen wurde? War das jetzt nur eine sehr umständliche Art zu sagen, dass sie sich liebten, oder hatten sie es wieder nicht geschafft?
 

„Wirst du das wirklich?“ Seine Stimme war beinahe ein tonloses Flüstern. „Und wenn du jemand anderen findest? Jemand, der dir wichtiger sein wird als ich? Noch kann ich dich gehen lassen. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, nachdem du mir gehört hast. Ich habe Angst, Dhaôma. Ich bin nicht so stark wie du einst behauptet hast.“
 

Wichtiger als Mimoun? So etwas würde es niemals geben. „Mach dir keine Sorgen. Du musst nicht stark sein. Ich sagte doch, dass du bei mir auch mal schwach sein kannst.“

„Halt, halt.“ Xaira bekam immer mehr den Eindruck, dass es Mimoun zwar langsam aber sicher begriff, dass Dhaôma jedoch falsch abgebogen war. Er sah nicht so aus, als hätte er begriffen, dass seine Liebe erwidert wurde. „Mimoun, du musst es für ihn buchstabieren, sonst versteht er es nie. Oder soll ich hier ein wenig übersetzen? Mal ehrlich, redet doch endlich mal Klartext, ohne euch hinter irgendwelchen Vermutungen und Interpretationen oder Andeutungen zu verstecken.“

Beleidigt sah Dhaôma sie an. „Ich habe sehr wohl begriffen, dass ich ihm meine Unterstützung geben muss, damit er mit seiner Liebe glücklich sein kann.“

Von Xaira kam nur ein frustrierter, lauter Schrei.
 

„Erklär es mir.“, verlangte der Geflügelte mit einem Mal sehr ernst und ruhig. „Was ist Liebe?“
 

Ein Test? Natürlich wusste er es. Er hatte sooft darüber nachgedacht, wie Leoni es vorgeschlagen hatte. „Ein höher schlagendes Herz, wenn man denjenigen sieht. Das Gefühl der Zerrissenheit zu denken: ‚Er kommt morgen endlich zurück, warum nicht schon heute? Ich freue mich - ich bin traurig.’ Kleine Gesten, die einen glücklich machen. Das Gefühl der Freude, wenn derjenige lächelt. Eifersucht, wenn er mit jemandem redet, der ihn mag. Angst, dass er in anderen Armen liegt. Schmerz, wenn man sich zu überreden versucht, ihn bei einer Beziehung mit einer anderen zu unterstützen.“, betete er wirr herunter. „Oder habe ich das falsch verstanden?“
 

Müde glitt die Hand des Geflügelten vom Handgelenk seines Freundes. Mit einem resignierten Seufzen schloss er die Augen. Es stimmte zwar, was Dhaôma aufgezählt hatte, doch es klang so… auswendig gelernt.

„Dann wenden wir uns von der grauen Theorie ab und kommen zur Praxis. Kannst du irgendetwas davon auf mich anwenden, ohne es stur nachzuplappern?“ Noch immer sah Mimoun den Magier nicht an. Nur seine geballten Fäuste waren stumme Zeugen des winzigen Funkens Hoffnung, der erbittert ums Überleben kämpfte. Vertrau seinen Gefühlen, hatte Tyiasur ihm geraten. Hatte es etwa tatsächlich Anzeichen gegeben, die er einfach nur übersehen hatte?
 

Schlagartig rutschte Dhaôma das Herz in die Hose. Mimoun vermittelte ihm nicht den Eindruck, als wolle er, dass er ihm sagte, dass er ihn liebte. So abweisend war er sonst nicht. Normalerweise sah er ihn an. Normalerweise war er nicht so angespannt. Normalerweise lächelte er! Was sollte er tun? Hatte Xaira es jetzt kaputt gemacht? Hätte sie doch nur nichts gesagt!

Ein schneller Blick zu ihr und er machte einen Schritt zurück. Sie wartete genau wie Mimoun. Letztlich ließ er den Kopf hängen. Mimoun schätzte es nicht, wenn er ihn anlog. „Es tut mir Leid.“, flüsterte er. „Ja, kann ich. Ich habe gewartet. Seit Tyiasur gesagt hat, dass du kommst. Ich war furchtbar traurig, dass du schlafen musstest, obwohl ich es verstanden habe, obwohl ich dich selbst dazu überredet hätte. Ich war schrecklich einsam, bis du endlich angekommen bist, war rastlos und unruhig. Danach war es viel einfacher, Farben zu sehen oder fröhlich zu sein. Mein Herz schlägt jedes Mal wie wild, wenn du in einer Menge stehst und ausgerechnet mich ansiehst, oder wenn du mich wie selbstverständlich findest, obwohl ich nicht gekommen bin, um dich zu begrüßen. Dir mag es egal sein, aber mich macht es glücklich. Die Einfachheit, mit der du Dinge tust, ein Lächeln, ein Winken, wenn du an mich denkst - das ist etwas Besonderes. Deine Art, alles, was du anpackst, mit vollem Einsatz zu tun, dass du Fiamma so unvoreingenommen aufgenommen hast, ist eine wunderbare Eigenschaft, die ich über alle Maßen bewundere. Als du weggeflogen bist, wäre ich beinahe kaputt gegangen. Natürlich wusste ich, dass du zurückkommen würdest, aber das hinderte die Träume nicht, mich auch am Tage zu torpedieren. Egal wo ich hinsah, ich erwartete immer, dich zu sehen, obwohl ich genau wusste, dass es nicht sein kann. Das hat wehgetan. Ich konnte kaum atmen, als ich an Jadya dachte. Natürlich ist sie ein wundervolles Mädchen, natürlich hat sie dich verdient und ich werde euch auch nicht im Wege stehen, aber es piekst in mir und ich fühle mich elend.“ Tränen quollen aus seinen Augen und er wischte sie unwirsch weg. „Es tut mir Leid. Wirklich. Ich werde es nie wieder sagen. Ich steh dir nicht im Weg! Du musst auch keine Rücksicht mit mir üben, solange ich nur an deiner Seite bleiben kann.“
 

Noch immer war das Seelenleben des Geflügelten aufgewühlt, doch nun war nicht mehr Furcht das vorherrschende Gefühl. Tiefe Liebe und unendliches Glück wirbelten in ihm, nahmen ihm die Luft zum Atmen und Reden.

Also zeigte Tyiasur nach Einverständnis seines Reiters eine Erinnerung, diesmal aus der Sicht des kleinen Drachens, nicht aus der Mimouns. Dhaôma konnte sich selbst sehen, blass, in Felle gehüllt in einem Raum, der lang gesteckt war und nur aus Betten zu bestehen schien. Neben sich selbst konnte der Magier einen offensichtlich von Verzweiflung und Sorge erfüllten Geflügelten erkennen. Und klar und deutlich waren für ihn die Worte Mimouns zu vernehmen. „Du hast gesagt, du möchtest, dass ich glücklich bin. Das bin ich nur bei dir, nur durch dich. Nirgendwo sonst werde ich solches Glück finden, wie ich es an deiner Seite erfahren durfte. Du bist mein Leben. Dir gehören mein Herz und meine Seele, hörst du? Niemand sonst hat solche Macht über mich.“ Auch den darauf folgenden zärtlichen Kuss zeigte Tyiasur, bevor er die Erinnerung abbrechen ließ.

„Niemals habe ich erwähnt, dass Jadya für mich je eine solch große Bedeutung bekommt, wie du sie für mich hast.“, erklang in der Gegenwart die noch immer leise und unsichere Stimme Mimouns.
 

Braune Augen waren immer weiter geworden, dann war Dhaôma zusammengesunken, weil seine Knie sich in warmes Wachs verwandelt hatten. Sein Gesicht brannte. „Das hast du mir gesagt?“, fragte er atemlos. „Ich erinnere mich nicht daran. Dabei…“ Er verstummte. Das war so eine wichtige Botschaft, wie konnte er die vergessen?

Erst danach überschwemmte ihn das Begreifen und im gleichen Maße Glück. Mimoun liebte ihn? Ernsthaft? Wirklich? Wahrhaftig?

„Aber… du hast geweint, als ich dich geküsst habe! Leoni hat gesagt, dass Küssen dazu gehört. Ich dachte…“ Immer leiser werdend verstummte er. „Ich habe es wieder missverstanden, nicht wahr?“, fragte er geknickt.
 

„Du hast nicht zugehört. Auch du hast geweint, als ich zu Addars Insel zurückkehrte, nachdem…“, schüttelte Mimoun unwirsch den Kopf. „Tränen bedeuten nicht immer etwas Schlechtes. Sie können auch Freude symbolisieren.“
 

Unbemerkt zog sich Xaira zurück. Die beiden hatten es endlich geschafft. Sie war unendlich erleichtert, dass sie jetzt endlich überstanden war, diese heikle Situation. Und sie fühlte sich unendlich elend, weil sie ihre eigenen Chancen auf immer zerstört hatte. Wie blöd konnte man eigentlich sein?

Schweigend setzte sie sich neben Thenra, die ihrer Freundin sachte die Hand auf die Schulter legte. Kein Wort kam über ihre Lippen, aber dennoch schien die Alte Frau es genau zu verstehen. Diese einfache Geste hatte etwas ungeheuer Tröstliches.

„Du hast es ihnen also gesagt.“

Stumm kauerte sie sich zusammen und Thenra rieb sachte über ihren Rücken, stellte keine weiteren Fragen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  KuroMikan
2015-01-19T08:05:16+00:00 19.01.2015 09:05
Hallö :D

mensch.... endlich XDDD da sieht man mal wie tief die sich in ihre eigene meinung reingegraben haben ohne auf das herz des andren zu hören...
so wenig ich das weib auch leiden kann...das hat sie gut gemacht :)
haha gut das ich grad den kommi von zebran les... das hätt ich jetz voll vergessen XD armer daho, der hat ja noch das legg problem... :(
vielleicht bekommt er es ja auch selbst auf die reihe seine damm-löcher zu flicken.... hmm
freu mich schon auf die fortsetzung :)

lg Mikan
Von:  Zebran20121
2015-01-18T20:28:44+00:00 18.01.2015 21:28
oh Gott endlich sind die beiden ein paar. Gelobt sei Xaira ohne sie hätte es sicher nie geklappt ich hoffe für euch dass sie auch ein happy End kriegt am besten in form eines Gefährten oder so. wird Dhao jetzt die ganze zeit auslaufen oder kriegen sie das wieder hin? ich würde ja unsern freund Zeitmagier fragen der hat sicher ne Lösung. ich freu mich schon auf die nächsten teile die ganze Woche warten wird mal wieder eine Qual die Neugier wird mich zerfressen schönes we noch

LG Zebran


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