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Der Weg aus dem Kampf

Wenn Träume Berge versetzen
von

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Unterwegs

Kapitel 24

Unterwegs
 

Der nächste Tag begann mit angenehmer Temperatur, doch Mimoun ahnte nach einem Blick in den Himmel, dass es nicht dabei bleiben würde. Sehr schnell würde die Sonne wieder ihre volle Herrschaft ausleben. Es war besser, sie zogen weiter, solange es noch erträglich war.

Sich noch müde über die Augen reibend, richtete er sich auf. Die Nacht war zu kurz gewesen.
 

Sie flogen fast drei Tage durch. Immer wieder musste Mimoun Pausen machen, wenn er gerade keine schöne Luftströmung fand. Glücklicherweise wurden es mit zunehmenden Temperaturen nachmittags auch mehr Aufwinde, die ihm beim Segeln halfen. Zur Belohnung bekam er ein ganzes Feld voller Erdbeeren. Recht viel mehr konnte Dhaôma zu dieser Etappe der Reise nicht beisteuern, bis sie den Fluss erreichten.

„Magst du schwimmen gehen?“, fragte er, als Mimoun wieder einigermaßen bei Atem war. „Das Wasser ist kalt.“ Das hatte er schon festgestellt, als er ihre Schläuche nachgefüllt hatte.
 

Die Erdbeeren ließ er erst einmal völlig außen vor. So sehr ihm auch das Wasser im Munde zusammenlief. Zuerst brauchte er Wasser auf andere Weise. Mit zittrigen Fingern löste er die Schnallen seiner Rüstung und ließ sie achtlos zu Boden gleiten, gefolgt von seinen Kleidern.

Sein Weg führte ihn geradewegs in die Fluten. Sanft umspielten die Wellen seinen Körper, trugen den Schweiß und die Anstrengungen der letzten Tage mit sich fort. Doch lange stand er nicht darin. Es vergingen nur wenige Augenblicke, da suchte er sich einen Uferstreifen, der einerseits die Möglichkeit bot, liegend komplett unter Wasser zu sein. Andererseits brauchte er auch eine Möglichkeit seinen Kopf abzulegen, ohne Gefahr zu laufen zu ertrinken. Als er etwas Geeignetes gefunden hatte, verschwand er fast völlig im Wasser. Nur knapp ragte seine Nasenspitze hervor, die bei jeder etwas zu hoch geratenen Welle Wasser hervorprustete.
 

Kichernd legte auch der Magier seine Kleidung ab. Jadyas Arbeit sollte wenn möglich geschont werden.

Das Wasser war angenehm kühl. Ein schöner Kontrast zu der Hitze des Tages. Und um ihre Vorräte zu schonen, beschloss Dhaôma, Fisch zu jagen. Es gelang ihm annehmbar, denn zusammen mit den Kleinen hatte er von Nobu das Fischejagen mit einem Speer gelernt. Danach genoss er es, durch das niedere Gestrüpp zu geistern und Holz für ein Feuer zu sammeln. Und während Mimoun im Wasser einweichte, entfachte er die Flammen und grillte die Fische. Kurz bevor sie fertig waren, ging er zu Mimoun und hockte sich leicht auf dessen Bauch, legte gerade soviel Gewicht auf ihn, dass er ihn ein wenig tiefer zu drücken drohte. Solange die niedlichen spitzen Ohren unter Wasser waren, konnte er ihm ja nicht sagen, dass das Essen fertig war. Da musste er schon um Aufmerksamkeit heischen.
 

Mit geschlossenen Augen lauschte er dem Glucksen des Wassers und ließ sich davon einlullen. Und so kam das Gewicht auf seinem Bauch ein wenig unerwartet. Vor Schreck schluckte Mimoun Wasser und kam prustend wieder an die Oberfläche. Einen Arm vor den Mund haltend, hustete er krampfhaft. Böse funkelte er seinen Freund an.

„Sitzt du bequem?“
 

Zuerst war Dhaôma besorgt, aber als er die Frage hörte und der Hustenreiz vorbei war, grinste er frech und legte sein ganzes Gewicht auf den Bauch seines Freundes. „Jetzt schon.“
 

„Freut mich für dich.“ Ein vereinzeltes Husten entrang sich seiner Kehle. Er ließ sich wieder ein wenig zurücksinken, stützte sich auf den Ellenbogen ab und betrachtete Dhaôma mit schief gelegtem Kopf von unten her. Es war ja nicht so, dass dieser Junge schwer wäre. Aber was bezweckte er mit dieser Aktion? „Wenn du mich nicht mehr hier haben willst, dann jag mich bitte fort, aber ertränken ist eine ziemlich fiese Todesart.“ Sein amüsiertes Lächeln und seine sanfte Stimme standen in totalem Gegensatz zu seinen Worten. Aber so versuchte er Dhaôma zu zeigen, dass er ihm nicht böse war.
 

„Eigentlich wollte ich gerade verhindern, dass du stirbst. Hab sogar Essen gemacht, damit du nicht vor Entkräftung sterben musst.“ Grinsend piekte er ihm gegen die Brust. „Also mach, dass du zum Essen kommst. Die Fische können nämlich nicht mehr schwimmen. Ich habe sie effektiv daran gehindert.“
 

Fisch. Mimouns Gesicht hellte sich auf. Ruckartig setzte er sich auf, so dass Dhaôma nach hinten fiel. Mit Schwung landeten die Hände des Geflügelten klatschend auf den Oberschenkeln des Magiers.

„Los. Runter. Sofort.“
 

Lachend lehnte er sich zur Seite, so dass er von ihm herunter glitt. Das hatte gezeckt. Aber die Kinder hatten ihn in dieser Hinsicht schon abgehärtet. „Jetzt auf einmal ungeduldig.“, beschwerte er sich spaßhaft. „Du weißt auch nie, was du willst.“
 

„Ich weiß es ganz genau.“, behauptete der Geflügelte in der Bewegung. Fließend erhob er sich und strebte dem Feuer zu. „Ich will meinen Fisch, ich will meine Erdbeeren. Und niemand sollte es wagen, sich mir in den Weg zu stellen.“, warf er sich in die Brust. Schneller als der Magier es konnte, eilte er zu ihrer Lagerstätte und ließ sich nackt und nass wie er war davor plumpsen, griff sich seinen ersten Fisch. Das Wasser würde die Sonne schon trocknen.
 

„Wer das wohl wagen würde…“, murmelte Dhaôma gerade laut genug, damit Mimoun es noch hören konnte. Weich ließ er sich neben seinem Freund nieder und griff nach seinem Stockfisch. Noch war er heiß, aber nur ein bisschen warten und man konnte ihn essen. Und solange konnte er sich ja an den Erdbeeren gütlich tun.
 

„Du anscheinend.“, erwiderte Mimoun. Er sah wie Dhaôma nach den Erdbeeren griff. „Meine Erdbeeren.“, bestimmte er und lehnte sich blitzschnell zu ihm rüber, drückte seine Lippen auf die seines Freundes. Mit sanftem Druck zwang er die Kiefer des Magiers auseinander und fischte mit seiner Zunge die Erdbeere wieder heraus. Nach erfolgreichem Raubzug lehnte er sich zufrieden zurück und genoss seine Beute. „Meine.“, betonte er noch einmal und leckte sich einen Finger von den Überresten seines Fisches sauber.
 

Dhaôma war im ersten Moment völlig baff. Das hatte er nicht erwartet. Erstarrt folgte er dem weichen Gefühl von fremden Lippen auf seinen, einer angenehmen Wärme, dann der feuchten Zunge, die sich in seinen Mund schob. Und schon war es wieder vorbei. Und er um eine Erdbeere ärmer.

Völlig entgeistert beobachtete er, wie Mimoun wie eine zufriedene Katze seine Finger ableckte. Das war sein erster Kuss gewesen. Sein allererster.

Etwas anderes überlagerte das undefinierbare Gefühl: Er registrierte den seltsamen Mischgeschmack von rohem Fisch, metallischem Blut und säuerlichen Erdbeeren. Das war nicht lecker. Wortlos nahm er seinen Fisch und biss herzhaft hinein, dass er heiß war, störte ihn nicht mehr. Hauptsache, der komische Geschmack wurde fortgespült.
 

Mimoun hatte eigentlich, wenn auch verspätet, mit Protest gerechnet, doch als nichts dergleichen kam, sah er forschend zu Dhaôma. Dessen Gesicht bot eine seltsame Mischung aus Verwirrung und leichtem Ekel. Ein wenig schrumpfte Mimoun in sich zusammen. Vielleicht war seine Handlung doch nicht so gut gewesen, auch wenn es ihm in diesem Moment richtig erschienen war, schließlich ging es um die Verteidigung und Rückeroberung seiner Erdbeeren.

Mit einem um Verzeihung heischendem Blick und zur Besänftigung hielt er Dhaôma eine der leckeren Beeren entgegen.
 

Mit wenig begeistertem Blick fixierte der Junge die Frucht. „Du meinst, mit gegrilltem Fisch zusammen schmeckt das besser?“, wollte er wissen, doch sein Gesicht zeigte deutlich, dass er das bezweifelte. „Später vielleicht. Danke.“
 

Mimoun sackte noch ein wenig mehr in sich zusammen. Er hatte seinen Freund wohl richtig verärgert, wie er dem Tonfall und dem Gesichtsausdruck entnehmen konnte.

„Tut mir Leid.“, murmelte er fast unhörbar und ließ die Frucht in seiner Handfläche hin und her rollen. Sein Hunger und sein Appetit waren irgendwie verflogen. Unangerührt blieb das Essen vor ihm liegen.
 

„Was tut dir Leid?“ Irritiert blinzelnd sah Dhaôma auf. Es erschreckte ihn, diese Trübsal zu sehen. „Was… Mimoun? Hab ich was falsch gemacht?“ Besorgt legte er seinen Fisch beiseite und wandte sich ihm endgültig zu. Aus Reflex hob er die Hand, um sie auf den Arm seines Freundes zu legen, doch Mimouns Einigelung hinderte ihn daran, so dass sie unentschlossen in der Luft schweben blieb.
 

„Nein. Ich.“ Kurz huschte ein trauriges Lächeln über sein Gesicht, die Augen noch immer auf die Erdbeere gerichtet. „Verzeih. Ich wollte dich weder ärgern oder verletzen.“ Nun sah er doch auf und Dhaôma in die besorgten Augen. „Es kommt nicht wieder vor. Sei mir nicht mehr böse.“
 

„Wieso sollte ich böse sein? War doch nur ein Spaß. Ich weiß doch, dass du das mit den Erdbeeren nicht ernst gemeint hast und dass du nicht so selbstsüchtig bist.“ Hilflos streichelte Dhaôma über die schwarzen Strubbeln. „Sei nicht so. Du hast nichts falsch gemacht.“
 

Mimoun akzeptierte die Finger in seinen Haaren, doch genießen konnte er diese Berührung nicht. Es hatte nicht die beruhigende Wirkung wie sonst.

„Wenn es so wäre, dann hättest du dich nicht so deswegen geekelt.“ Bevor er eine Erwiderung erhalten konnte, schüttelte er den Kopf. „Das, was ich getan habe, ist nicht richtig gewesen. Es tut mir Leid.“
 

Dhaôma nickte. „Ja, roher Fisch, Blut und Erdbeeren zusammen schmecken echt eklig!“ Er schüttelte sich und kicherte. „Das ist eine Erfahrung, auf die ich lieber verzichtet hätte.“
 

Verwirrung spiegelte sich auf Mimouns Gesicht, die sehr schnell in einfaches Erstaunen wechselte. Dann erst ging es ihm auf. Er hatte rohen Fisch gegessen und den Geschmack mit dieser Aktion an Dhaôma weitergereicht. Und dieser mochte so was ja nun gar nicht.

Mit einer Hand schlug er sich auf den Mund.

„Tut mir Leid. Tut mir Leid. Tut mir Leid.“, plapperte er zwischen seine Finger hindurch. „Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht.“ Dann brach er in Gelächter aus. Ihm kam die ganze Situation albern vor. Mimoun befürchtete mit seinem Mundraub so richtig tief in Hinterlassenschaften gegriffen zu haben und alles, was den Magier beschäftigte, war der für ihn widerliche Geschmack. Mehr schien ihn nicht zu stören. Und der Geflügelte machte sich hier völlig umsonst Sorgen.
 

Erleichtert ließ sich Dhaôma wieder auf seine Fersen sinken. Er war glücklich, dass die komische Stimmung vorbei war. Das Lachen stand Mimoun doch viel besser als diese Trübsal. „Ich sagte doch, dass du nicht so böse bist.“ Er hatte es ja von Anfang an gewusst.

Fließend fanden seine Beine wieder die Position des Schneidersitzes, bevor er einfach weiteraß. Er hatte Hunger. Und wenn er wirklich danach noch Erdbeeren essen wollte, sollte er vor Mimoun fertig sein, sonst bekam er keine mehr ab, wie dieser gerade eindrucksvoll bewiesen hatte.
 

Auch Mimoun fand seinen Hunger wieder, nachdem der Lachanfall nachgelassen hatte. Zwar wurde er noch immer ab und zu von amüsiertem Glucksen unterbrochen, doch es hinderte ihn jetzt nicht mehr daran, sich mit seinem geliebten Fisch vollzustopfen.

Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich seine Erdbeeren wieder von Dhaôma zurückzuholen, als dieser sie zu verspeisen begann, doch er beließ es bei dem Gedanken. Einerseits hatte er Dhaôma gerade selbst eine angeboten, andererseits schmeckte er selbst noch immer den Fisch. Also tat er einfach so, als würde er nichts sehen und tat sich anschließend von der anderen Seite des Feldes aus an den Erdbeeren gütlich. Und es waren ja auch genug Beeren für beide da.

Nach dem Essen streckte er sich abseits des Feuers im Gras aus. Das Wasser auf seiner Haut war schon lange verdunstet, doch er fühlte sich noch immer wohl. Nicht zuletzt, weil er sich den Bauch mit Leckereien vollgestopft hatte. So ließ es sich leben, dachte er noch, bevor er wieder wegzudämmern begann.
 

Am nächsten Morgen war Dhaôma wieder früh auf den Beinen. Die Reise ging weiter. Zwar waren sie langsamer, da der Magier darauf bestand, selbst zu laufen, aber es machte ihnen Spaß. Außerdem mussten sie Dank Mimoun viele Pausen machen. Je weiter der Tag fortschritt, desto schwerer wurde es für den Hanebito die Hitze des Sommers zu ertragen. Ein paar Mal flüchtete er sich hinauf in die kühlen Höhen, es als Ausrede nutzend, dass er Bericht erstatten sollte, und abends badeten sie im Fluss.

Eine Woche verging auf diese Weise, bis Dhaôma sich dazu durchrang, ihn zu fragen, ob er nicht einfach die Rüstung ausziehen wollte. Im Grunde brauchte er sie nicht. Sie war hier nur nutzloser Ballast, der seinen Träger langsam und grausam zermürbte.
 

Dieser nickte und schüttelte zeitgleich den Kopf auf diese Frage. Unter dem Ding wurde es unglaublich schnell unglaublich heiß. Doch so war es angenehmer zu tragen als zusammengeschnürt auf dem Rücken. Die Schnallen ließ er schon seit Tagen locker, um Luft darunter zu lassen.

Dennoch ließ er die Rüstung zwei weitere Tage angelegt, bevor er sich entschloss, sie eine Weile nicht zu tragen. Ihm wurde nicht mehr ganz so warm, doch das Gewicht, das er nun trug, verlagerte sich ungünstig. Es hatten beide Varianten ihre Vor- und Nachteile. Also lief er einige Tage ohne Rüstung. Aber auch das war nicht wirklich das Wahre.

Wie erleichtert war er, als er winzige Punkte über sich schweben sah. Hier musste ein Dorf in der Nähe sein. Er machte seinen Freund darauf aufmerksam und sein Blick wurde, so sehr er es auch zu verhindern suchte, bittend. Mimoun wollte aus der Hitze raus.

„Möchtest du dort oben dein Werk beginnen?“
 

Wenig begeistert von der Idee nickte der Braunhaarige. Eigentlich wäre es ihm lieber, wenn sie einfach vorankommen würden, aber es war die Bedingung gewesen, dass er gehen durfte. Und Bedingungen musste man erfüllen.

„Dann mal los.“ Vertrauensvoll schlang er seine Arme um ihn. „Damit wir wenn möglich heute noch vorwärts kommen können.“ Dhaôma hatte in der letzten Zeit immer wieder Samen gesammelt, die in solchen Höhen vielleicht wachsen konnten und den Bewohnern Nutzen brachten. Jetzt konnte er sie sähen.
 

Zwar schlang auch er seine Arme um den Körper des anderen, doch er blieb auf dem Boden.

„Wäre es eine große Energieverschwendung unser Gepäck hier unten von Dornenbüschen bewachen zu lassen?“ Das ganze Zeug zusätzlich mit hinauf und wieder hinunter zu schleppen, hatte er eigentlich keine Lust.
 

„Nein, eigentlich nicht.“ Nachdenklich ließ er Mimoun wieder los und kramte schon in seinem Rucksack nach dem Beutel mit Samen. Er überließ es Mimoun die Sachen auf einen Haufen zu legen, bevor er eine simple, getrocknete Brombeere in den Boden setzte. Wenige Minuten später waren die Sachen Mittelpunkt eines Geschlinges aus dornigen Ranken. Vor Fressfeinden und Räubern geschützt.

Zufrieden drehte sich der Junge zu seinem Hanebito um. „Gut so?“
 

Dieser kratzte sich in einer amüsiert-genervten Geste am Hinterkopf und fing an zu grinsen.

„Auf jeden Fall sind unsere Sachen nun sicher.“ Dhaôma hatte es ein klein wenig mit der Größe des Gestrüpps übertrieben, aber so kam zumindest niemand so einfach daran. Spielerisch tippte der Geflügelte eine der kleinen Blüten an und wandte sich dann seinem Freund zu. Er schlang wieder seine Arme um Dhaôma und flog mit ihm auf direktem Wege zu den Inseln empor. Je höher sie kamen, umso besser fühlte er sich. Hier herrschte nicht die drückende Hitze der unteren Ebene.

Es dauerte auch nicht lange, da wurden sie von den über ihnen Dahinsegelnden entdeckt. Und sie brauchten noch weniger Zeit, um sich den Neuankömmlingen zu nähern. Misstrauisch begutachteten sie den Magier, doch Mimoun überging es. Er hielt sich dort, wo er war, in der Luft und erklärte mit knappen Worten, wer sie waren und welches Ziel sie hier verfolgten. Auch in wessen Auftrag sie handelten, ließ er nicht unerwähnt. Es vergingen noch wenige Augenblicke in denen sie sich mit stummen Blicken zu beraten schienen, doch schließlich nickten sie und winkten ihnen zu, dass er ihnen folgen solle.

Mimoun schloss sich den drei Geflügelten an und ließ sich von ihnen zu ihrem Dorf führen. Wie erwartet, schwebte die Insel nicht weit von hier entfernt und innerhalb weniger Augenblicke hatten sie diese erreicht. Der junge Geflügelte landete etwas außerhalb des eigentlichen Dorfes. Mit gemischten Gefühlen stellte er fest, dass dieses hier größer als sein eigenes war, wenn auch nicht viel. Es würde dauern, bis Dhaôma selbst mit seiner Arbeit zufrieden sein würde. Was Pflanzen anging, übertrieb er ja gerne ein wenig.
 

Eigentlich hatte Dhaôma erwartet, dass er hier willkommen war. Nicht nur war es seine Aufgabe, die Inseln zu begrünen, er hatte sich auch daran gewöhnt, von Mimouns Dorf nahezu unbegrenztes Vertrauen entgegengebracht zu bekommen, aber was er spürte, waren Misstrauen und Ablehnung.

Unwohl wandte er sich Mimoun zu. Es war fast wie anfangs bei dessen Dorf. Er konnte diese Atmosphäre nicht leiden. Sogar die Kinder wurden jetzt in die Häuser gebracht. Am besten, er brachte seine Arbeit schnell hinter sich und sie gingen wieder. Je schneller desto besser.

Er lächelte den ankommenden Mann an, der schien, als wäre er hier der Anführer. Er war bei weitem nicht so alt wie Oldon. „Guten Tag. Ich bin hier, um Pflanzen wachsen zu lassen. Wenn ihr mir sagt, wo und was ihr haben wollt, fange ich gleich an.“
 

Mitfühlend ließ Mimoun eine Hand auf dem Rücken seines Freundes liegen. Aber ehrlich gesagt, hatte er nichts anderes erwartet. Magier waren nun einmal Feinde, auch wenn sich die Gerüchte um ein besonderes Exemplar immer weiter vermehrten.

„Es wäre uns am liebsten, wenn du nicht innerhalb des Dorfes zaubern könntest.“, begann der Dorfälteste ohne Umschweife und deutete auf eine kleine Insel außerhalb, etwa auf selber Höhe wie die Dorfinsel. Er bemühte sich höflich zu sein, wie es einem Abgesandten Addars zustand, doch seine Abneigung gegen Magier überwog zeitweise. „Dort kannst du machen, was du willst.“
 

Einverstanden nickte der Junge, dann bedeutete er Mimoun, dass er ihn hinüber fliegen sollte. Es war enttäuschend, was er vorfand. Diese Insel bestand aus trockner Erde, wenig Gras und viel kahlem Fels. Im Grunde konnte er hier machen was er wollte, viel würde hier nicht wachsen. Nicht ohne Wasser, das nicht vorhanden war. Nachdenklich drehte er sich im Kreis, überlegte, was man hier überhaupt wachsen lassen konnte.

Und er beschloss, dass er hier einen Teich anlegen würde. Dafür brauchte er erstens viel Wasser und zweitens einen Baum, der wenig von selbigem brauchte, um damit den Felsen zu spalten und eine Teichgrundlage zu schaffen.

Eine Kiefer sollte sein Zentrum werden, so ließ er sie wachsen. Vorher bat er Mimoun, wenigstens den Proviant heraufzuholen, da er mindestens zwei Tage brauchen würde, um aus dieser Insel etwas Vernünftiges zu machen.

Am Abend hatte er mit Hilfe des Baumes einen großen Riss geschaffen, der sich unterhalb des Bodens noch fortsetzte und zu seinem Glück nicht nach unten offen war. Im Gegenteil, er hatte sogar noch eine Kaverne gefunden, die schon immer innerhalb des Felsens existiert hatte und den Hohlraum natürlich vergrößerte. Um den Baum herum hatte er allerlei Grünzeug wachsen lassen, von dem er wusste, dass Hanebito es gerne mochten.

Die Nacht über verbrachten die beiden in kühlen Höhen, eine Wohltat für Mimoun, der sogar einen erholsameren Schlaf hatte deshalb.

Dhaôma wartete am nächsten Morgen gerade lange genug, um Mimoun ausschlafen zu lassen, bevor er diesen zu den Hanebito schickte, um sie vorzuwarnen, dass er Regen rufen würde. Wenig später ging über der ganzen Gegend ein Wolkenbruch nieder, der stärker war als die der letzten Monate. Seine ganze Kraft reichte gerade mal aus, die Kaverne zu zwei Dritteln zu füllen, aber im Grunde war das auch egal. Sie würden wieder Wasser haben, ein paar Nahrungsmittel mehr und das musste reichen, selbst wenn es nicht an seine Ansprüche heranreichte.

Mit ein paar wenigen Anweisungen bezüglich gießen und düngen verabschiedeten sich die beiden gegen Mittag, als die Luft endlich wieder klar war, hinunter in die Ebenen. Dhaôma wollte noch ein wenig vorwärts kommen.

„Es ist schade, dass Vertrauen so ein kostbares Gut ist. Es ist so schwer zu erringen und die Menschen verlieren es viel zu schnell wegen Nichtigkeiten.“, meinte er, als sie landeten.
 

„Hab Geduld.“, mahnte Mimoun und begann ihre letzten Habseligkeiten aus den Dornen zu befreien. Doch sehr schnell verhedderten sich ihre Taschen an den Ranken. Sie mit Gewalt herauszuziehen, würde bedeuten sie zu zerreißen. Und Dhaôma hatte seine Kräfte für den Regen aufgebraucht. „Bald werden sie dich alle mit offenen Armen empfangen. Ganz sicher.“ Er zog eine seiner Armschienen hervor und begann mit der Klinge die Ranken zu zerschneiden. Als er endlich alles unbeschadet befreit hatte, waren seine Hände und Unterarme zerkratzt und hier und da steckte noch ein Dorn in seiner Haut. Triumphierend hielt er das letzte Ausrüstungsteil in die Höhe.
 

Der Braunhaarige beobachtete das mit einem schlechten Gewissen. Dass der Schutz gegen Feinde auch so hervorragend gegen sie selbst wirkte, war ihm peinlich. Eigentlich hatte er ja vorgehabt, die Ranken einfach welken zu lassen, aber nachdem er den Regen gerufen hatte, war das kaum möglich. Beim nächsten Mal sollte er auch auf diese Eventualität gefasst sein.

Sie wanderten an diesem Tag nicht mehr weit. Die Hitze war extremer denn je und die trockene Luft machte das Atmen schwer. Schon früher hatte Dhaôma festgestellt, dass das nach dem Regen immer so war. Also suchten sie sich eine kleine Aue, in deren Schatten sie ruhten. In den Abendstunden schließlich, als die Hitze nachließ, setzten sie ihren Weg fort.

Nachdem Dhaôma verstanden hatte, dass es Mimoun leichter fiel, sich in den Stunden zu bewegen, in denen die Sonne nicht so steil stand, richtete er sich danach aus. Und so kamen sie in den nächsten zwei Wochen recht schnell voran. Zweimal noch kamen sie an kleinen Inseln vorbei, die nach ein paar Stunden Aufenthalt des Magiers wie jahrelang gepflegte Gärten hinter ihnen blieben.

Dann wurde es zum ersten Mal von alleine schwül. Die feuchte Hitze in der Luft war für beide unerträglich. Mimoun war schlapp und kaum gewillt, das Wasser zu verlassen, und auch Dhaômas Wille sich zu bewegen schlief ein. Sie wussten, bald würde es regnen, und beide hofften, dass es gleich sein würde. Dennoch dauerte es noch zwei Tage, in denen sie kaum vom Fleck kamen.

Der erste Regenguss des Spätsommers spülte allen Dreck von den Pflanzen und den Felsen um sie herum, ließen die Welt um sie herum leuchten. Dhaôma konnte gar nicht anders, als diesen Pflanzen ein wenig zu helfen. Er brauchte kaum etwas tun, denn die Vielfalt an Früchten um diese Jahreszeit war genug, um sie beide satt zu machen.

„Ah, ich hab euch gefunden!“ Asam landete neben ihnen, als sie gerade aßen. „Ihr hinterlasst eine ziemlich deutliche Spur.“ Sein Blick war weniger misstrauisch als amüsiert, als Dhaôma ertappt errötete. Offenbar hatte er von seinem Großvater einiges abbekommen, seit dem letzten Mal. Man konnte seiner Haltung ansehen, dass er den Magier nicht für gefährlich hielt. Zu oft hatte er ihn jetzt gesehen. Und die Kinder waren das letzte Mal durchaus überzeugend gewesen. „Mein Großvater lädt euch zum Essen ein.“, eröffnete er ihnen mit einem noch breiteren Grinsen.
 


 

Wenn die weißen Wolken ziehn

Über Meer und Strand

Ziehn auch wir den Wolken nach

In ein fernes Land

[Kelly Family]



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Wernes23
2014-09-19T09:21:48+00:00 19.09.2014 11:21
Wieder mal super Kapitel ^^


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