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Doppelgänger

Gleich und doch anders
von

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Ein neuer Anfang

„Louie? Du unterrichtest wieder? Geht es dir denn besser?“, fragt meine Kollegin Kerstin und sieht mich besorgt an, als ich das Lehrerzimmer der Kunstuniversität betrete. Seit meinem Unfall habe ich nicht mehr unterrichtet. Seitdem sind schon einige Monate ins Land gezogen. Ich habe lange gebraucht, um über den Tod meines Liebhabers hinweg zu kommen und bin froh, wieder in meinen Alltag zurückgefunden zu haben.

„Ja, ich fühle mich gut und ich halte es zuhause einfach nicht mehr aus! Ich werde noch verrückt, wenn ich mich nicht anderweitig beschäftigen kann. Auf Dauer jeden Tag nur zu zeichnen, macht mich nicht glücklich. Ich möchte mein Wissen weitergeben und endlich wieder unter Menschen kommen!“, erzähle ich und ziehe mir einen Stuhl zu ihr ans Fenster.

Kerstin ist eine gute Freundin und hat einen Töpferkurs. Ich unterrichte Landschafts- und Aktmalerei.

„Ich habe gehört, in deinem Kurs ist ein junger Nachwuchskünstler, der sogar dich in den Schatten stellen könnte. Ich bin schon gespannt, was du von ihm hältst!“, meint Kerstin lächelnd und blättert in einer Modezeitschrift.

„Wie heißt er denn?“, frage ich sie und schaue hinaus in den blauen Himmel, an dem nur langsam ein paar Wolken vorbeiziehen.

„Finn Macon. Er ist 19 Jahre alt und wir haben bereits einige seiner Bilder in den Fluren aufgehängt. Da sind wirklich sehr schöne Werke dabei!“, schwärmt Kerstin begeistert und legt ihr Magazin zur Seite. Sie greift nach ihrer Kaffeetasse und trinkt einen Schluck daraus.

„Ich bin ein wenig aufgeregt.“ Ich ringe mir ein Lächeln ab und knete meine Hände im Schoß. Ich bin schon ein wenig eingerostet, aber wenn meine Schüler sich nicht daneben benehmen, dann sollte es ja eigentlich kein Problem sein.

Kerstin grinst. „Bestimmt gibt es ein paar Jungs und Mädchen, die dir die Zeit sicher verschönern werden!“

Ich verziehe meinen Mund und schüttele heftig den Kopf. „Ich lasse mich auf keinen Fall auf einen Studenten ein, jedenfalls nicht auf einen aus meinem Kurs! Außerdem habe ich da jemanden kennengelernt...“

Kerstin macht große Augen und beugt sich neugierig vor. „Wieso sagst du mir das erst jetzt? Das hättest du mir ruhig schon früher erzählen können!“

Früher? Da habe ich noch darunter gelitten, dass mein Freund nicht mehr da ist...

Ich seufze und sehe zu ihr. „Auf dem Heimweg von einer Kunstausstellung letzten Monat habe ich jemanden in einer Bar kennengelernt. Er sieht gut aus und ist nett. Vielleicht wird ja mehr draus? Ich hoffe es. Ich will wieder einen Mann in meinem Leben.“

Kerstin nickt. „Mit dem letzten hat es ja leider nicht so lange geklappt. Tut mir echt leid!“

Ich zucke mit den Schultern und stehe auf. „Tja, nichts hält für ewig. Das Leben bietet einem immer neue Überraschungen und Herausforderungen, aber daran wachsen wir über uns hinaus!“

„Gehst du unter die Philosophen?“, neckt Kerstin mich.

Ich lache und klopfe ihr auf die Schulter. „Man kann es ja mal versuchen!“, meine ich zwinkernd. Ich gehe zu meinem Platz, auf dem man mir schon die Namensliste meiner Schüler hingelegt hat.

„Dann mal los...“, murmele ich und winke Kerstin kurz zu, ehe ich das Lehrerzimmer verlasse. Ich schlendere durch den Flur und als mir einfällt, dass Kerstin so von Finns Bildern geschwärmt hat, werde ich neugierig und suche danach, während ich durch die vielen Gänge zu meinem Kurs gehe.

Ein Bild fällt mir sofort ins Auge. Es hebt sich deutlich von den anderen Werken an den Wänden ab. Ich stelle mich davor und nehme es genauer unter die Lupe.

Im Vordergrund steht ein verwahrloster Baum in Grautönen. Ein toter Baum. Mir wird mulmig zumute, als ich es betrachte. Dahinter steht ein altes Herrenhaus, umgeben von einem düsteren Himmel und versteckt hinter Nebelschwaden. Ein Schauder rinnt mir über den Rücken. Ein ziemlich düsteres, depressives Bild. Hoffnungslos und angsteinflössend.

Ich schaue auf das Namensschild unter dem Bild. „Tony Adler. Von diesem Studenten habe ich noch nie etwas gehört...“, murmele ich und betrachte noch einmal das Bild. Ob ich ihn noch kennen lerne?

Ich drehe mich um und will gerade weitergehen, als mein Blick auf der gegenüber liegenden Wand auf eine Aktzeichnung fällt. Zu sehen ist ein männlicher Körper. Die filigranen Striche lassen ihn verletzlich wirken. Nur grob wurde dem Bild Farbe gegeben. Es wirkt wie eine einfache Skizze, aber die Zeichnung lässt mein Herz höher klopfen. Als würde ich diesen Zeichenstil von irgendwoher kennen. Nur woher?

Unter dem Werk steht der Name, nach dem ich die ganze Zeit gesucht habe. Minutenlang starre ich nachdenklich auf das Bild und merke gar nicht wie die Zeit vergeht.

Erst als mir die Namensliste aus der Hand gleitet und zu Boden fällt, komme ich wieder zu mir. „Hoppla!“ Hastig greife ich nach der Liste und hebe sie auf. Ich drehe mich um und pralle prompt in jemanden hinein. Hastig halte ich mich an der Schulter fest, um nicht zu fallen und klammere mich an den Körper vor mir. Ich habe die Schritte gar nicht kommen hören.

Ein junges Mädchen sieht mich überrascht an. „Sind Sie der neue Kunstlehrer? Wir haben schon auf Sie gewartet!“, meint sie mit großen Augen. Ich atme tief durch und nicke. „Tut mir leid, ich war so von dieser Zeichnung gefesselt, da habe ich wohl komplett die Zeit vergessen!“, meine ich und zeige auf besagtes Bild.

Ein Lächeln schleicht sich auf das Gesicht des Mädchens. „Ja, Finn zeichnet wirklich wunderschöne Bilder. Ich bin jedes Mal hin und weg!“

„Lass uns reingehen!“, meine ich und folge ihr zum Kunstraum. Als ich ihn betrete, starren mich mehrere Schüler an, unterbrechen ihre Gespräche und mustern mich mit Argusaugen.

„Mein Name ist Louie Leclerc. Ich habe eine Zeit lang nicht unterrichtet, also nehmt es mir bitte nicht übel, wenn ich etwas eingerostet bin!“, erkläre ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Die Studenten scheinen mir gegenüber wohlgesonnen zu sein. Was für ein Glück, dass mich am ersten Arbeitstag niemand in die Mangel nimmt!

Ich gehe die Namensliste durch und überprüfe die Anwesenheit meiner Schüler. „Finn Macon?“, frage ich nach einer Weile. „Anwesend...“, höre ich eine dumpfe Stimme aus den hinteren Reihen. Ich sehe auf und erstarre. Mir gefriert das Blut in den Adern. Starr betrachte ich den jungen Mann vor mir. Ich schlucke heftig, doch der Klos in meinem Hals will nicht verschwinden. Unsere Blicke treffen sich, verschlingen einander und mir klopft das Herz bis zur Hals. Meine Hände beginnen zu zittern und ich merke, wie ich gegen die Tränen ankämpfen muss.

Wie ein gehetztes Tier stürme ich aus dem Raum. Ich habe das Gefühl, jemand schnürt mir die Luft ab! Ich renne so schnell ich kann, während mir die Tränen über die Wangen rollen. Fahrig wische ich sie ab und laufe hinaus, verlasse das Gebäude und lasse mich neben dem Eingang an der Wand zu Boden gleiten. Ich verharre in der Hocke und verstecke mein Gesicht in den Händen.

Er ist tot! Wie kann er dann hier sein? Wieso sieht dieser Junge genauso aus wie er? Sehe ich schon Geister? Fabriziere ich ihn auf die Gesichter irgendwelcher Jungs?

Ich beiße mir auf die Unterlippe, während die Tränen sich weiterhin ihren Weg über meine Wangen suchen. Ich dachte wirklich, ich sei darüber hinweg und kann jetzt wieder von vorne anfangen, einen Neuanfang starten, aber vielleicht bin ich doch noch nicht soweit...?

Ich schniefe und wische mir die Tränen mit dem Ärmeln aus dem Gesicht. Mein Handy vibriert in meiner Hose. Ich hole es heraus und sehe unter dem Tränenschleier, dass ich eine Mitteilung bekommen habe. Ich öffne die SMS und könnte heulen.

Viel Glück an deinem ersten Tag! Du schaffst das! Bis heute Abend! Mark ♥

Wenn er wüsste, dass ich mich schon am ersten Tag total blamiert habe. Wie soll ich jetzt noch vor die Augen meiner Schüler treten? Wie kann ich diesen Jungen je wieder ansehen?

„Er sieht haargenau so aus. Das kann doch kein Zufall sein!“, murmele ich schockiert. „Ich bin darüber hinweg. Ich bin darüber hinweg. Ich bin darüber hinweg...“, flüstere ich wie ein Mantra vor mich hin.

Scheiße, ich bekomme nicht mal sein Gesicht aus meinem Kopf! Es scheint sich regelrecht in meine Netzhaut eingebrannt zu haben! Was mache ich jetzt nur?

Ich müsste zurück in meine Klasse gehen, aber ich fühle mich momentan nicht imstande, ihm noch einmal zu begegnen. Allerdings kann ich auch nicht ewig vor diesem Geist wegrennen.

„Genau, vielleicht sehe ich lediglich einen Geist?“, kommt es mir in den Sinn. Das Problem ist nur, dass ich nicht an Geister glaube und einen verschollenen Zwillingsbruder gibt es leider auch nicht. Wieso sieht er ihm dann so furchtbar ähnlich? Dieselben Gesichtszüge, dieselben grünen Augen und das blonde lockige Haar. Das kann doch kein Zufall sein!

„Verdammte scheiße...“ Ich lehne meinen Kopf gegen die Wand und seufze.
 

Als es klingelt, stehe ich träge auf. Jetzt habe ich die ganze Stunde hier draußen verbracht. Das nenne ich mal einen guten ersten Eindruck. Irgendwie habe ich mir das ganz anders vorgestellt. Ich warte noch eine Weile und gehe dann zurück zum Kunstraum.

Ich öffne die Tür und als ich den Raum betrete, verharre ich in der Bewegung und sehe in die Gesichter meiner Schüler, die mich ansehen, als hätten sie seit Ewigkeiten nur auf mich gewartet. Na ja, dem ist ja auch so.

„I-ihr seid noch da?“, stammele ich und sehe sie mit großen Augen an.

„Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht!“, meint das Mädchen, das mich bereits im Flur angesprochen hat.

„Mi-mir geht es gut...“, erwidere ich hastig. „Die Stunde ist vorbei und...“ - „Wir haben beschlossen, dass wir die nächste Stunde hier bleiben, wenn Sie den Unterricht fortsetzen wollen!“, unterbricht mich das Mädchen. Die anderen nicken zustimmend.

Gerührt sehe ich die Truppe an und könnte jeden einzelnen drücken und nie wieder loslassen!

„Okay, tut mir leid!“, meine ich und gehe zurück an mein Pult. Die Schüler setzen sich wieder zurück auf ihre Plätze hinter den Staffeleien.

„Gut, dann üben wir heute Portraits, meldet sich jemand freiwillig?“, frage ich in die Runde. Das Mädchen hebt sofort ihre Hand und steht auf. Meine Güte, da ist ja jemand sehr eifrig bei der Sache.

„Wie heißt du?“, frage ich sie.

„Simone.“

„Setz dich in hier in die Mitte!“, fordere ich sie auf und ziehe einen Stuhl dorthin, auf dem sie sofort Platz nimmt und sich die glatten langen brünetten Haare zurück streicht.

Während die Kursteilnehmer beginnen zu zeichnen, sehe ich mich um. Dieser Junge sitzt immer noch am gleichen Platz und scheint vollkommen in seiner Arbeit vertieft zu sein. Ich gehe langsam näher. Finn sieht ihm wirklich unglaublich ähnlich. Zu ähnlich.

Als ich hinter ihm stehe, strecke ich meine Hand aus, doch noch bevor ich ihn an der Schulter berühren kann, balle ich meine Finger zu einer Faust und lasse die Hand wieder sinken. Ich beuge mich vor und betrachte seine Skizze. Mir klopft das Herz bis zum Hals, als ich seinen Geruch wahrnehme. Eine Mischung aus Rasierwasser, Shampoo und seinem Eigengeruch. Nur mit Mühe kann ich mich von diesem Aphrodisiakum loslösen und betrachte sein Bild.

Finn merkt, dass ich hinter ihm stehe und hält inne. Er sieht von der Seite zu mir auf und wartet auf meine Meinung, aber als ich ihm in die Augen schaue, überkommt mich nur ein Gedanke: Ich will ihn! Mit Haut und Haaren. Ich will ihn in mir spüren, ihn küssen und berühren, mich mit ihm vereinen und nie wieder gehen lassen!

Ich schlucke heftig und ringe mir ein Lächeln ab. „Da-das sieht schon sehr gut aus! Ich habe dein Bild im Flur gesehen. Es ist wirklich beeindruckend!“, lobe ich ihn.

Finn mustert mich kritisch. „Es könnte besser sein.“

Ich presse die Lippen aufeinander und starre ihm auf den Mund. Heißt es nicht, dass wenn man jemandem auf die Lippen schaut, dass man diese Person küssen will? In diesem Fall stimmt es zumindest.

Ich gehe schnell auf Abstand und widme mich dem nächsten Schüler.
 

„Was ist mit dir? Du bist heute so abwesend?“, fragt Mark mich. Ich sitze breitbeinig auf seinem Schoß, mein Hemd hat er längst aufgeknöpft und über die Schultern gestreift. Seine Versuche mich einzuheizen tragen heute keine Früchte.

Mark ist ein attraktiver Mann, voller Muskeln und einem Schwanz, der nur darauf wartet mich heute Nacht zu verwöhnen.

Ich weiche seinem Blick aus und halte mich an seinen breiten Schultern fest. „Na ja, der erste Tag war ein wenig chaotisch...“, murmele ich ausweichend. Ich kann ihm ja schlecht sagen, dass ich einen jüngeren Mann faszinierender finde als Mark.

Er lächelt und greift nach meiner Wange. „Keine Sorge, ich bringe dich schon noch auf andere Gedanken!“, meint er selbstsicher und küsst mich fordernd. Innerlich seufzend erwidere ich den Kuss. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals, spüre seine Hände, die sich fleißig an meiner Hose zu schaffen machen und streife mir die Jeans von den Beinen. Mark fackelt nicht lange und massiert meinen Kameraden durch den Stoff meiner Boxershorts hindurch. Ich stöhne wohlig und lasse mich aufs Bett drücken. Er befreit mich vom letzten Stück Stoff. Mark ist zum Glück schon nackt und startbereit, verteilt das Gleitgel auf seinem Ständer und dringt hart in mich ein.

Ich atme tief durch und während Mark immer wieder tief in mich stößt, wandere ich mit meinen Gedanken wieder zu einer gewissen Person. Ich war ihm heute so nahe, konnte ihn beinahe berühren und seinen Geruch werde ich wahrscheinlich nie wieder vergessen können.

Von jetzt an werde ich ihm jeden Tag aufs Neue begegnen, jeden Tag an meinen verstorbenen Lover denken müssen und mit Furcht stelle ich fest, dass meine Gefühle mich überwältigen und sich nach diesem Jungen verzehren.

Als ich die Augen öffne liegt nicht Mark auf mir, sondern dieser Junge, mein Liebhaber, eine Mischung aus beiden. Ich schlinge meine Arme um ihn, stöhne angeturnt und küsse ihn leidenschaftlich.
 

In der Nacht sitze ich nackt auf der Bettkante, starre auf meine Füße und kann es immer noch nicht fassen. Selbst mein Kopf beginnt mir eine Lüge vorzuleben. Ich schlinge die Arme um meinen Körper und sehe hinter mich. Mark liegt unter der Bettdecke und schläft seelenruhig. Er hat nicht mal mitbekommen, dass ich die ganze Zeit beim Sex an jemand anderen gedacht habe.

Ich beuge mich vor und ziehe die unterste Schublade auf. Ich hole ein Notizbuch heraus und öffne es. Erfüllt von Schmerz betrachte ich das Foto.

„Wieso hast du mich zurückgelassen? Hol mich endlich zu dir...“, flüstere ich leise.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kalehareda
2013-08-29T09:28:47+00:00 29.08.2013 11:28
Hi,
der Anfang gefällt mir schon richtig gut.
Ich bin sehr gespannt wie sich die Geschichte entwickeln wird mit den einzelnen Charakteren.
LG Kalehareda (^.^)//

Antwort von:  Shunya
29.08.2013 12:32
Kalehareda
Danke für deinen Kommi. :D
Freut mich sehr, dass die Geschichte dir bis jetzt gefällt. *u*
Ich habe noch so einiges geplant für die Jungs. ;D hehe~


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