Zum Inhalt der Seite

Der Wolf in mir

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Visionen von der Zukunft?


 

I
 

Pitcairn war tot.

Lindsey und Connor kehrten mit Anthony zurück in die Siedlung, wo sie den verwundeten Assassinen, unter Achilles Anweisungen, gesund pflegten. Zwar hatte der Falke immer noch seinen Sturkopf und wollte lieber schon nach New York aufbrechen, doch gegen Achilles kam selbst er nicht an. Er sorgte dafür, das Anthony im Bett blieb und sich schonte. Lindsey wollte ihm zurzeit lieber nicht unter die Augen treten und deshalb beschloss sie, ihr altes Zuhause zu besuchen. Auch wenn es ihr vermutlich schwer fallen würde, wollte sie der Wahrheit ins Auge blicken. Denn früher oder später musste, sie darüber hinweg kommen.

Sie machte sich einige Tage später, nach dem Sieg über Pitcairn, auf und nahm Sugar und Cream mit. Denn schließlich war es eine Familienangelegenheit – sozusagen. Es dauerte nicht mal einen halben Tagesritt, da sah sie schon durch die Bäume das Bauernhaus, in dem sie einmal gewohnt hatte. Alles war noch so wie sie es in Erinnerungen hatte. Nur das die Ställe und Scheunen leer und verlassen waren. Kein Tier streunte über den Hof herum – es war totenstill.

Eine ungewohnte Stille, musste Lindsey zugeben. Sie war es nicht gewohnt, dass es auf ihrem alten Zuhause so still war. Normalerweise war immer was los. Sugar und Cream hatten immer die Hennen gejagt, Sprinkle und Mud versuchten alles zu verschlingen was ihnen vor die Nase kam und Eli unternahm immer die tollsten Entdeckungsreisen. Jetzt hetzten nur noch Sugar und Cream über den Hof, die sich freuten mal wieder ihre gewohnte Umgebung wieder zu sehen.

Ja, alles war fast gleich geblieben und nichts hatte sich verändert, bis auf das Grab hinterm Haus. Es war das Grab von Lindseys Großvater, Joseph.

Lindsey kannte ihn nicht so unter diesem Namen und es war auch wenig ungewohnt für sie. Alle in dem Dorf nannten ihn bloß den Alten und sie Großvater. Nur selten benutzte mal jemand den Namen Joseph. Bei der Beisetzung war fast das halbe Dorf dabei gewesen – das erzählte ihr jedenfalls Achilles. Lindsey selbst war nicht anwesend gewesen. Für sie war der Schmerz immer noch viel zu groß gewesen, als das sie es hätte ertragen können, ihn noch einmal tot zu sehen. Achilles hatte dafür vollstes Verständnis gehabt und sie nicht gezwungen mitzukommen. Das Grab war schlicht und ordinär, wie jedes andere Grab auch. Lindsey strich das Laub von der Grabplatte und putzte die Buchstaben so sauber, das man sie wieder lesen konnte.

Und wieder war dieses Gefühl da. Dieses Gefühl der Einsamkeit und der Schuld. Das sie ihm nicht hätte helfen können – damals, weil sie zu schwach war. Tränen stiegen in ihr auf und sie konnte sie nicht zurück halten, auch wenn sie es gewollt hätte. Doch vielleicht war es gut das sie sich einmal so richtig ausweinte. Dann würde sie vielleicht schneller über den Schmerz hinweg kommen und die Situationen mehr in den Griff bekommen – Gefühls mäßig.
 

Es dauerte eine Weile bis Lindsey sich auch die letzte Träne aus den geröteten und angeschwollenen Augen ran. Sugar und Cream hatten versucht sie zu trösten und ihr immer wieder abwechselnd das Gesicht abgeleckt. Und auch Black Baby hatte ihren Kopf an den des Mädchens geschmiegt, dabei leise geschnaubt und gewiehert. Nachdem alle Tränen versiegt waren und sie sich beruhigt hatte, ging Lindsey mit den beiden Hunden ins Haus und versorgte sich und ihre „Gefährten“.

Drinnen war noch alles so vorhanden, wie draußen. Normalerweise müsste es nur so von Spinnen und anderen Ungeziefern wimmeln, doch die Dorfbewohner hatten den Alten so gern gehabt, das sie versprachen das Haus in stand zu halten, bis wieder jemand darin einziehen würde. Natürlich müssten Interessenten sowieso sich erst die Erlaubnis von Lindsey holen, da sie die alleinige Erbin des Alten war.

Es war schon später Abend, doch Lindsey dachte nicht daran schlafen zu gehen. Mit einer Petroleumlampe machte sie sich in den ersten Stock auf und betrat das ehemalige Arbeitszimmer ihres Großvaters. Zum Glück war alles nicht mehr in einem Verwüstungszustand wie damals, als der Überfall war. Alle Bücher und Schriftrollen waren ordentlich und sorgfältig aufgestapelt. Sogar die – teilweise – kaputten Bücher hatte man aufgehoben. Mit dem Tagebuch und dem Artefakt, machte sich Lindsey Platz und begann die anderen Bücher nach Hinweisen zu durchwälzen. Dabei ließ sie die Bücher in dem Geheimraum nicht aus. Nach über ein paar Stunden und wenig Erfolge, rieb sich Lindsey ihre müden Augen.

Viel hatte sie nicht herausgefunden, doch es schien wichtig zu sein und mit der Macht des Artefakt zusammen zu hängen. Es war eine Art Information über die Fähigkeiten der Einzelteile des Tetraeders. Jedes Teil des Tetraeders, besitzt eine individuelle Macht, die zwar nicht sehr groß ist, doch ausreichte um einem „normalen Menschen“ mehr Möglichkeiten zu bieten. Allerdings fordert die Benutzung dieser besonderen Macht ein Tribut der Person, die sie benutzt. Lindsey fragte sich gerade, was das Artefakt wohl für Tribute von einem Menschen fordern würde, da fing plötzlich der Teil ihres Tetraeders in ihrer Tasche an zu leuchten. Reflexartig stieß sie die Tasche von sich weg, doch dann näherte sie sich wieder vorsichtig dem leuchtenden Teil. Mit zittrigen Händen nahm sie das leuchtende Stück, aus der Tasche in ihre Hand. Es fühlte sich warm an und pulsierte in ihren Händen, als ob dieser kleine Gegenstand Leben in sich tragen würde. Kein klarer Gedanke schien in Lindseys Kopf mehr vorhanden zu sein. Sie starrte wie gebannt auf das leuchtende Artefakt, als ob es ihren Blick gefangen halten würde.

Auf einmal sendete es eine grelle, blendende, Stoßwelle von Energie aus und durchfuhr den Körper des Mädchens, das nicht wusste wie ihr geschieht. Lindseys Körper zuckte rebellierend zusammen, als diese Energie sie durchströmte. Das grelle Licht blendete sie und sie kniff die Augen zusammen. Für einige Sekunden schien es ihr, als ob die Zeit still stehn würde.

Als Lindsey ihre Augen wieder öffnete flogen Bilder an ihr vorüber. Bilder aus ihrer Vergangenheit und vor ihrer Zeit. Sie sah ihre Mutter, wie sie in wenigen Sekunden heranwuchs. Ihren Vater. Ihre Geburt, in dem brennenden Haus. Wie sie bei ihrem Großvater aufwuchs. Den Tod von Anthonys Familie. Die paar Jahre Ausbildung, unter der Anweisung ihres Großvaters. Sein Tod. Die Rettung von Haytham. Der Kampf gegen die Mörder ihres Vaters. Die Begegnung mit Connor und die Aufnahme bei Achilles. Jahre der Ausbildung. Der Tanzball. Das Wiedersehen mit Anthony. Die Boston-Tea Party. Das Treffen mit Lenmana. Der beginn der Revolution, der Krieg, Pitcairns Tod.

Und gerade als Lindsey dachte, es würde in der Gegenwart enden, liefen die Bilder weiter. Sie sah Bilder die Ereignisse aufzeigte – wo unter anderem sie zu sehen war – die sie vorher in ihrem Leben noch nicht erlebt hatte und wie sie erst viel später feststellte, Bilder aus der Zukunft sein mussten. Ereignisse die ihr später anscheinend noch widerfahren werden.

Darunter waren Schreckensbilder von toten Menschen und brennenden Häusern. Menschen die ihr total unbekannt waren. Ihr Vater darunter und ihre Mutter an seiner Seite.

Wie kann das sein? Mutter ist tot, oder sind das wieder Bilder aus der Vergangenheit?

Doch viel Zeit darüber nachzudenken blieb ihr nicht. Sie sah ihre alte Freunde Juliette, Lucar und Pietro. Alle älter und größer. Auf Juliettes Gesicht prägte sich Kummer und Traurigkeit. In Lucars Augen loderte blanker Hass. Haytham tauchte plötzlich auf, mit einem Mann an der Seite, den Lindsey als Charles Lee identifizieren konnte. Wieder sah sie ihren Vater und zwei weitere Männer, die alle in ihren Händen ein Teil des Artefakts hielten. Doch eine stand eine weitere Person im Hintergrund die von einem dunklen Schleier bedeckt wird. Diese hielt ebenfalls etwas in der Hand, was aber nicht wie ein Teil von Lindseys Artefakt aussah. Es war kleiner und leuchtete mehr weiß als gelb oder golden.

Plötzlich wurde alles um Lindsey schwarz. Sogar das Leuchten des Artefaktes verschwand. Kein Licht war zu sehen. Wie aus dem Nichts verspürte die 17 Jährige einen Schmerz in ihrer Brust, der immer mehr zunahm und nicht aufhören wollte. Lindsey krümmte sich und schrie. Sie fiel auf den harten Boden, der schrecklich Kalt war, als ob er aus Stein und nicht aus Holz bestünde. Das Artefakt hatte sie anscheinend fallen gelassen, denn sie konnte es nirgendwo auf dem Boden finden. Mit beiden Händen griff sich Lindsey an die Stelle die so sehr schmerzte und vergrub ihre Fingernägel in ihre Haut. Sie drückte so fest zu, das sie spürte wie auf einmal etwas flüssiges an ihren Fingern herabran. Die Schmerzen – die offensichtlich von ihrem Herz ausging – waren so unerträglich, dass ihr ein paar Kratzer wie Streicheleinheiten erschienen.

Ihr war so kalt und es tat so weh, dass Lindsey erst nicht merkte wie jemand seine Hand auf ihre Schulter legte und auf sie einredete. Erst war es leise, dann wurde es immer lauter, bis sie es schließlich verstehen konnte, was die Person ihr sagte. „.......ndsey,....Lin....ruhige dich......Lindsey, beruhige dich!“

Wild nach Luft schnappend schlug Lindsey ihre Augen auf. Sie war wieder in dem Arbeitszimmer ihres Großvaters. Die Bücher, die Schränke und der Tisch, alles war wieder da.

Eine Hand lag auf Lindseys Schulter und das Mädchen blickte an ihr entlang um zu sehen wem sie gehörte.

„C- Connor?“ sagte Lindsey leise, was mehr wie ein kleines Krächzen klang. Ihr war immer noch kalt und erst jetzt fiel ihr auf das sie am ganzen Körper zitterte. Langsam legte Connor seine andere Hand auf die von Lindsey und versuchte sie sachte von ihr zu entfernen. Sie hatte nicht gemerkt, dass ihre Finger sich noch immer in ihre Haut festgekrallt hatten, aus der langsam Blut floss. Erschrocken über sich selbst und was sie getan hatte, ließ sie sofort los. Es dauerte einen Moment bis sie sich endlich beruhigt hatte und sie auf Connors Fragen reagierte.

„Was ist passiert? Ist alles in Ordnung mit dir?“ Lindsey schüttelte nur den Kopf. Sie wollte etwas sagen doch wusste sie nicht was und brachte nur ein Krächzen aus ihrem Kehlkopf hervor. Connor hob sie hoch und brachte sie nach unten ins Wohnzimmer.

„Ich mache schnell ein Feuer.“ sagte er zu ihr und gab ihr ein paar Decken, die er gefunden hatte, damit sie sich langsam aufwärmen konnte. Auf dem Sofa gekauert, saß Lindsey da, eingewickelt in ein paar Decken und versuchte sich an das sonderbare Geschehen zu erinnern, das ihr vor wenigen Minuten widerfahren war.
 

„Also was ist passiert?“ fragte Connor nach einiger Zeit des Schweigens. Das Feuer leise vor sich hin knisterte und den Raum mit Licht und Wärme erfüllte. Lindsey starrte mit leerem Blick ins Feuer.

„Ich weiß es nicht genau.“ antwortete sie leise. „Das letzte woran ich mich erinnern kann ist, dass das Artefakt angefangen hat zu leuchten. Ich nahm es in die Hand und dann....“ sie brach ab. Wie um alles in der Welt sollte sie es Connor erklären was sie gesehen hatte. Doch er kam ihr zuvor.

„Hast du einen Geist gesehen?“ Lindsey schaute ihn fragend an. Stumm schüttelte sie nur den Kopf.

„Nein,“, sagte sie, „da war niemand. Ich habe nur eine Abfolge von Bildern gesehen. Bilder aus der Vergangenheit. Meiner Vergangenheit und noch andere seltsame Erscheinungen, die ich mir nicht erklären kann. Und danach...“ Sie fasste sich an die Wunde die sie sich selber zugefügt hatte. „Ich habe anscheinend die Macht des Artefakts benutzt und musste dafür ein Tribut zahlen.“

Connor verstand sie nicht ganz. „Was meinst du?“

„In Aufzeichnungen meines Großvaters habe ich Informationen über das Artefakt gefunden. Jedes Einzelteil hat eine bestimmte Macht. Doch wenn man diese benutzt, muss dafür bezahlen. Sei es ein Körperteil, der Verstand, Erinnerungen oder vorübergehend keine Kraft mehr zu haben.“ Um ehrlich zu sein war Lindsey froh, dass sie kein Körperteil oder ihren Verstand einbüßen musste. Sie blickte zum Fenster hinaus. Es dämmerte bereits. Lindsey strich sanft mit ihrer Hand über die Verletzung. Connor bemerkte ihre Geste. „Was ist passiert?“ fragte er und wies auf die zerkratzte Haut. Lindsey zuckte nur stumm mit den Schultern. Woher sollte sie wissen was passiert war, wo sie nicht mal selber realisieren konnte was ihr widerfahren war.

„Du schienst ganz schön lang in diesen Zustand gewesen zu sein.“ bemerkte Connor. „Ich wollte dich etwas fragen und Achilles sagte mir wo ich dich finden kann. Als ich fast da war, kam mir schon Sugar entgegen gerannt. Sie kläffte laut und gab mir zu verstehen das etwas schlimmes geschehen ist. Als ich dann oben bei dir ankam, fand ich dich in verkrampfter Haltung auf den Boden liegen. Du warst eiskalt. Hast geschrien und dich gewunden - vor Schmerzen anscheinend. Doch ich konnte keine große Wunde finden die solche Schmerzen hervorruft. Die die du dir selber zugefügt hast, ist zu klein. Ich dachte du hättest den Verstand verloren.“ Connor erwartete eine Antwort, doch Lindsey konnte ihm keine geben. Vielleicht wollte sie es auch einfach nicht.

„Was ist eigentlich damals geschehen? Wo du noch bei deinem.......“ so plötzlich wie er die Frage gestellt hat, brach er sie auch gleich wieder ab. „Tut mir leid, du musst nicht wenn du nicht willst.“

„Nein ist schon ok.“ entgegnete Lindsey ihm kühl. Connor hatte ihr damals seine Geschichte erzählt, also sollte sie ihm auch ihre erzählen.
 

II
 

Unbarmherzig kalt war der Winter dieses Jahr gewesen. Überall, weit und breit, lag Schnee, soweit man nur blicken konnte. Seufzend blickte Lindsey aus dem Fenster. Die Sonne ging bereits unter, doch tauchte sie nicht alles in Orange- oder Rottönen, nein, graue Wolken verdeckten die helle, warme Scheibe und tauchten alles in eine trübe Stimmung. Lindsey drückte ihr Gesicht an die Fensterscheibe, die von dem Feuer im Zimmer, nur so beschlagen war. Mit ihrer plattgedrückten Nase wischte sie über die kalte Glasscheibe, bis sie sich ein kleines Guckloch geschaffen hatte und schaute hinaus in die weiße, öde Landschaft. Mit einer geringen Erwartung schaute Lindsey aus dem Guckloch. Doch wurde ihre Aufmerksamkeit auf einmal geweckte als sie hinten im Wald etwas vorbeihuschen sah.

War das ein Tier?

Für ein Tier war das besagte Ding etwas zu groß gewesen, es sah mehr aus wie ein Mensch. Doch lange blieb Lindsey der Blick auf dieses Interessante etwas nicht verwehrt, denn schon in binnen weniger Sekunden war es in einem Gebüsch verschwunden. Das kleine Mädchen wartete ein paar Minuten lang, dass es herauskäme, doch sie wartete vergebens. Wahrscheinlich hätte sie noch länger gewartet, wenn nicht jemand in ihr Zimmer gekommen wäre.

„So Lindsey, jetzt geht’s aber ab ins Bett.“ verkündete der alte Mann mit einem Lachen.

„Och wieso denn?“, maulte das Mädchen, „Ich bin doch noch gar nicht müde.“

„Keine Widerrede. Heute kriegst du mich nicht noch einmal rum so wie gestern.“ Lindsey schob ihre Unterlippe nach vorne und blickte ihren Großvater von unten herauf an. Sie sah so süß und unschuldig aus wie man sich nur denken konnte.

„Oh nein mit dieser Nummer kriegst du mich nicht mehr klein.“ Ein kleines Fiepen entkam Lindsey, das sie wie ein kleiner Hund klingen ließ. Dagegen konnte selbst der Großvater nicht mehr stand halten.

„Also schön,“ sagte er mit einem Seufzen, „aber nur noch eine halbe Stunde.“

„Versprochen.“ Sie grinste ihren Großvater an. Der Hundeblick funktionierte immer. Lindsey widmete sich wieder ihrer Sicht aus dem Fenster und der geheimnisvollen Gestalt die sie zuvor gesehen hatte. Doch es rührte sich immer noch nichts im Gebüsch nach 10 Minuten. Deshalb beschloss Lindsey einmal nachzusehen, wer oder was sich da im Unterholz versteckt – die Neugierde war in ihr geweckt und wenn die einmal wach war, konnte sie nur sehr schlecht wieder einschlafen. Schnell waren eine Stoffhose, ein dünnes Hemd unter dem Nachthemd und die gefütterten Stiefel angezogen. Leise schlich sie sich nach unten. Der Alte saß gemütlich beim Kaminfeuer und rauchte eine Pfeife. An ihren Mantel kam Lindsey nicht, da würde er sie bemerken und außerdem war sie auch nur kurz draußen, da würde sie ihn nicht brauchen. Mit laut klopfenden Herz öffnete Lindsey ganz leise die Haustür und schloss diese ebenso leise. Als sie nun so draußen in der Kälte stand, überkam sie sofort ein frösteln. Es war doch kälter, als sie gedacht hatte. Mit zügigen Schritten steuerte das kleine Mädchen auf das Dickicht zu, das sie von ihrem Fenster aus beobachtet hatte. Es lag 100-200m vom Haus entfernt, auf einem kleinen Hang. Als sie endlich ihr Ziel erreicht hatte, bückte sich Lindsey und durchwühlte das Gestrüpp. Doch wurde sie nicht fündig. Es war nichts da, außer abgeknickte Zweige, was bewies das vor ein paar Minuten noch jemand da gewesen sein musste. Achselzuckend dreht Lindsey sich um und machte sich wieder auf den Weg ins Warme. Sie hatte sich anscheinend nur getäuscht.

Plötzlich ergriff sie jemand, hielt ihr den Mund zu und zog sie in einen Haselnussstrauch hinein. Das alles ging so schnell, dass Lindsey einige Zeit brauchte um zu realisieren was geschehen war.

„Sei lieber still kleine.“ hauchte ihr eine raue Stimme von hinten zu. „Es sei den du willst Bekanntschaft mit meiner Jolie machen.“ Mit diesen Worten hielt er ein großes langes Messer in Lindsey Blickfeld. Es war zwar schon fast dunkel, doch immer noch hell genug das sie die gefährlich Waffe sehen konnte. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck und sie wagte es nicht zu atmen. Doch nicht nur weil sie Angst hatte der Unbekannte würde ihr die Kehle durchschneiden, sondern auch weil seine Hand einen unangenehmen Geruch von Alkohol verströmte, den Lindsey verabscheute. Doch wenn sie sich still verhalten würde, würde sie früher oder später sowieso sterben, wenn sie der Typ nicht mehr benötigen würde. Also tat Lindsey das einzige was sie tun konnte.

Sie biss kräftig in die Hand des Mannes. Dieser jaulte auf vor Schmerzen und zog Lindsey an den Haaren, damit sie das seien ließ. Doch das kleine Mädchen ließ nicht ab, sie biss nur noch fester zu und nach wenigen Sekunden verspürte sie schon den Geschmack von Blut auf ihrer Zunge.

„Lässt du los du kleines........Argh!“ Doch Lindsey dachte gar nicht daran. Sie ließ erst los, als der Fremde ihr sein Messer in den Leib stoßen wollte. Schnell stieß sie den Mann von sich weg und rannte so schnell sie konnte, zurück zum Haus. Die Kälte kümmerte sie nun weniger, denn jetzt ging es um ihr Leben – das schon in wenigen Sekunden zu ende sein könnte. Lindsey sprintete nun und war schon fast da, als-

Peng!

Ein Schuss ertönte und Lindsey fiel in voller Länge in den weißen Schnee, der nun – in dem aufgehenden Mond - mehr gräulich wirkte als weiß. Lindseys Atem ging setzte für einige Sekunden aus. Ihr tat nichts weh – sie wurde nicht getroffen. Doch einen ordentlichen Schreck hatte sie sich geholt. Lindsey war es gewohnt selber eine Schusswaffe abzufeuern, aber das jemand auf sie feuerte war ein völlig anderes Gefühl. Noch nie hatte sie es zuvor mit echten lebenden Gegnern zu tun gehabt, bei dem ihr Leben auf dem Spiel steht.

„Lindsey!“ die Stimme ihres Großvaters holte sie wieder in die Realität zurück. Als sie aufsah, erblickte sie ihren Großvater, der gerade aus dem Haus gerannt kam – in der einen Hand ein langes Schwert und in der anderen eine Pistole. Mit einer Kopfbewegung wies er Richtung Haus und Lindsey verstand. Sofort rappelte sie sich auf und wollte ins Haus laufen, als ihr plötzlich ein maskierter Mann den Weg versperrte. Er hatte sich in einen Schal eingemummt und seinen Hut tief ins Gesicht gezogen. Ängstlich wich Lindsey wieder zurück zu ihrem Großvater. Der stellte dich schützend vor ihr so gut es ging, denn schon nach wenigen Sekunden, waren sie beide von allen Seiten umstellt. Jede Person die sie sahen hatte ihr Gesicht verhüllt und war bewaffnet. Unangenehme Sekunden der Stille verstrichen, in denen sich keiner der beiden Parteien bewegte oder einen Angriff startete.

Doch dann ging alles ganz plötzlich, ein Schuss, einer der Maskierten fiel und weitere Schüsse. Lindsey ging reflexartig in die Hocke, bei den Schüssen. Zum Glück traf sie nichts und sie blieb unversehrt. Ganz im Gegenteil zu ihrem Großvater dieser hatte zwei Streifschüsse abbekommen, doch das kümmerte ihn wenig. Schon stürmte mit seinem Schwert in der Hand los und erstach einen Maskierten im Lauf. Schon entstand ein wilder Kampf, in dem laufend das aufeinander klirren von Stahl zu hören war. Als Lindsey aufblickte sah sie ihren Großvater kämpfen wie ein Löwe, dem man seine Beute wegnehmen wollte. Auf einmal spürte Lindsey eine Hand auf den Rücke und wenige Augenblicke später legte ihr jemand eine Klinge an den Hals. Es war der Fremde, mit dem übelriechenden Atem und seiner Jolie. Ehe der Fremde ihr etwas sagen konnte schrie Lindsey auch schon aus voller Kehle. „Großvater!“ Dieser dreht sich reflexartig zu ihr um. Für wenige Sekunden konnte Lindsey seine geweiteten Augen sehen, doch dann kam eine derart schnelle Reaktion, die sie – und bestimmt auch nicht der Maskierte – nicht erwartet hätten. In einer fließenden Bewegung entwaffnete der alte Mann einen der Maskierten. Nahm seine Pistole, die noch geladen war, und schoss auf den Mann der Lindsey bedrohte. Knapp über Lindsey Kopf schlug die Kugel in die Brust des Mannes ein und traf ihn mitten ins Herz. Sofort wich jegliches Leben aus dem Mann und er fiel tot um. „Lindsey geh in Haus!“ schrie er, doch Lindsey blieb wie erstarrt stehn. Doch wurde ihre Aufmerksamkeit plötzlich auf eine Person gelenkt, die sich im Hintergrund der ganzen Kampfszene aufhielt. Sie war in einen Mantel gehüllt und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass man nicht einmal die Augen sehen konnte. Wie ein hungriger Wolf schlich diese Person herum, in der einen Hand ein Messer, und wartete anscheinend nur auf den richtigen Augenblick, um zuzuschlagen. Sein Ziel war offensichtlich – der Alte. Niemand der Anwesenden schien Lindsey groß zu beachten, nicht einmal der Fremde mit der Kapuze. Dieser hatte sich nun langsam den Alten genähert, der mit dem Rücken zu Lindsey, und dem Fremden mit der Kapuze, stand und tapfer kämpfte. Auf einmal ging alles ganz schnell, binnen von Sekunden beschleunigte der Fremde seinen Schritt und holte schon mit dem Messer aus um dem Alten das Licht auszuknipsen, als Lindsey schrie: „Großvater hinter DIR!“ Sofort drehte sich dieser um, doch zu spät. Mit geweiteten Augen starrte er erst Lindsey und dann den Fremden an. Es war still. Totenstill. Und Lindsey vernahm nur noch ein leises Flüstern von ihrem Großvater, dem jetzt ein Messer im Herz steckte und Blut über sein Hemd lief. „Das...kann nicht sein....w-warum?“ Dann sackte er zusammen und sein Körper kippte zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Lindseys Beine waren wie Gummi. Sie konnte sich nicht mehr halten und fiel in den Schnee. Ihre Augen begannen sich mit Tränen zu fühlen. Ein Krächzen verließ ihre Kehle, dann ein Schluchzen und schon begannen die Tränen über ihre Wangen zu fließen.

Nein. Warum? Immer wieder stellte sich Lindsey diese Fragen. Sie schaute von ihrem Großvater zu dem Fremden der ihn getötet hat und sah nur noch ein teuflisches Grinsen unter seiner Kapuze. Mit einer Kopfbewegung zu den übrigen, lebenden Maskierten, wies der Fremde auf Lindsey.

Diese saß immer noch wie aus einem bösen Traum erwacht da und weinte. Das letzte was sie noch von ihrem sterbenden Großvater vernahm, war ein heiseres „Renn....weg.“ der sie aus weinenden Augen anblickte. Doch schon im nächsten Moment fielen seine Augen nach hinten und blickten starr nach oben.

„Nein....nein.....GROSSVATER!“
 

III
 

„Das tut mir sehr leid.“ Entgegnete Connor, nachdem er Lindseys Geschichte gehört hatte.

„Das muss es nicht. Ich werde den Mörder meines Großvaters schon noch finden und ihn dann zur Rechenschaft ziehen.“ Die 18 Jährige schlug bei dieser Aussage einen überzeugenden Ton an und auch ihr Augen funkelten Hasserfüllt, bei dem Gedanken an dem Mörder. Manchmal sah sie sein Grinsen in ihren Träumen wieder und wünschte sich nichts sehnlicheres, als ihm endlich eine Kugel zwischen seine vermaledeiten Augen zu jagen. Connor verstand sie, denn ihm ging es ähnlich mit Charles Lee. Und Lindsey tat der Gedanke gut, dass sie wusste das da noch jemand war. Jemand der sie versteht.
 

Nachdem Lindsey ein bisschen Schlaf nachgeholt hatte und es ihr soweit wieder besser ging – denn das benutzen des Artefakt, hatte ihr ganz schön viel Kraft gekostet – machten sich beide wieder auf den Rückweg nach Davenport. Anthony brach, zu Lindseys Erleichterung, ein paar Tage später auf, als es ihm wieder besser ging, nach New York auf. Er wollte dort seine beiden Freunde treffen, die er schon viel zu lange hat warten lassen.

Doch auch Connor machte sich ein paar Wochen später nach New York, in Begleitung eines gewissen Benjamin Talmadge. Dieser wusste wo er einen weiteren Templer finden konnte. Lindsey wollte diesmal nicht mitkommen, sondern ihre Forschungen an dem Artefakt weiter betreiben. So viel Neues hat sich ereignet, worüber sie sich den Kopf zerbrach, seit dem merkwürdigen Erscheinungen mit den Bildern. Sie hatte viele Bücher aus der Bibliothek ihres Großvaters mitgenommen und musste sogar mehrere Male dort hin- und wieder zurückreiten, da es doch mehr Bücher waren als sie erwartet hatte. Als es endlich alle waren, füllten diese schon mehr als einen ganzen Schrank, mit den anderen Büchern, die Lindsey bis jetzt gesammelt hatte. Doch verbrachte sie nicht nur Zeit mit den ganzen Büchern und Nachforschungen, sondern unternahm auch ab und zu etwas mit Lenmana. Diese brachte ihr eine Menge über Tiere bei. Ihre Sprache und wie man sich mit ihnen Verständigt. Lindsey faszinierte so etwas und es dauerte nicht lange da hatte Lenmana mit ihr einen kleinen Falken gezähmt. Natürlich passierte so etwas nicht innerhalb von ein paar Tagen und Lenmana erzählte ihr das sie schon seit Wochen versuchte diesen Falken zu zähmen. Sie tauften den Kleinen Alpa. Was so viel heißt wie Kleiner. Lindsey grinste bei der Benennung des Namens, denn er stimmte perfekt auf das kleine, aber dennoch flinke und nicht ungefährliche Tier. Lenmana und sie beschlossen Alpa beizubringen wie man Briefe oder Nachrichten überbringt, wie eine Brieftaube. Nur ist die Besonderheit bei diesem Training das sie Alpa auf Signale oder Töne zu spezialisieren, die er dann anvisiert und dort seine Nachricht abgibt. Doch leider blieb ihnen dafür nicht sehr viel Zeit, denn schon nach einem Trainingstag, kam ein Brief von Benjamin in dem stand, dass Connor fälschlicher weise ins Zuchthaus geworfen wurde. Die Anklage belief sich auf Fälschung von Geld, doch Lindsey wusste das es ein Irrtum sein musste. Es stand auch drin das Benjamin schon versucht hat ihn da heraus zu holen, doch hatte man jedwede Erklärung oder sonstiges abgelehnt. Wie sollte es auch anders sein. Als Lindsey Achilles davon erzählte, sagte er das sie sofort aufbrechen müssten.

„Glaubst du sie werden Connor etwas tun?“ fragte Lindsey voller Sorge.

„Sie werden ihn vermutlich hängen.“ antwortete ihr Achilles.

„WAS!?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück