Zum Inhalt der Seite

Das Gesetz der Krieger

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Gelbstern

Shina schnurrte laut, als der junge Zweibeiner ihr langes, rotes Fell bürstete. Wie jedes mal, wenn er das tat, jaulte er ihr mit leiser Stimme etwas zu. Auch wenn Shina ihn nicht verstand, so erkannte sie doch an der sanften und liebevollen Stimme, das es etwas war, was sie sehr gerne verstehen würde. Leider konnte sie das nicht, dennoch miaute sie: „Danke."

„Mama“, jammerte der kleine, gelbgetigerte Naru aus dem Körbchen. „Mama, was hat der Zweibeiner gesagt?“

„Ich weiß es nicht, mein Schatz“, antworte Shina, leckte dem Zweibeiner entschuldigend die Hand und stand auf, um zu ihrem Sohn zu gehen. Sie legte sich zu ihm in das Körbchen und gab sich mit ihm die Zunge.
 

„Was machen wir mit Shina´s Jungem?“ wollte Tommi wissen. „Er ist das einzige Kätzchen, das niemand haben wollte."

„Wir können ihn leider nicht behalten“, sagte Tommi´s Mutter. „Wenn es nicht anders geht, müssen wir ihn eben im Tierheim abgeben."

„Aber Mama, es ist doch ein Baby von Shina."

„Na schön, Tommi, wenn du auf dein Taschengeld verzichten willst, dann behalten wir ihn."

Tommi sah bedrückt zu Boden. Nein, auf sein Taschengeld wollte er nicht verzichten. Seine Mutter hatte ja recht. Seid Vater weggegangen war, hatten sie zu wenig zum Leben und zum Sterben zu viel.

Aber trotzdem! Ins Tierheim? Wer weiß, was sie da mit ihm machen?!

Tommi ging zu Shina und Naru, die sich gegenseitig die Ohren leckten. Bei dem Anblick wurde ihm warm ums Herz.

„Vielleicht sollte ich doch auf mein Taschengeld verzichten“, murmelte er und streckte seine Hand nach dem kleinen Kater aus.
 

Shina war sehr stolz auf Naru. Er war das Ebenbild seines Vaters Gelbstern. Dem Anführer der Feuerclankatzen. Er war ein stattlicher Kater und mutiger Krieger, dem der Sternenclan zugetan war. Eines Tages, als Shina den verlockenden Duft einer Maus gerochen hatte, war sie davon gelaufen. In den Wald hinein. Jedes Hauskätzchen wusste, wie gefährlich es dort war. Das dort die wilden Waldkatzen und ihre Clans lebten. Kämpfer, die ohne zu zögern über Einzelgänger, Streuner oder Hauskätzchen herfielen, die es wagten, in ihrem Revier zu jagen. Man erzählte sich sogar, sie würden nicht mal vor Füchsen, Dachsen oder Hunden halt machen, so mutig waren sie. Aber Shina konnte nicht widerstehen. Sie verfolgte den Geruch der Maus, sah sie und wollte sich anschleichen. Aber die fette Maus entdeckte Shina und lief los. Shina jagte ihr vergeblich hinterher und schon bald hatte sie keine Puste mehr. Aber der Jagdinstinkt hatte sie gepackt. Sie wollte nicht aufgeben. Langsam folgte sie dem Geruch der Maus, die sicher schon längst in ihrem Bau verschwunden war. Zu ihrer Überraschung wurde der Geruch aber immer intensiver, je weiter sie sich vorwagte. Was hatte das zu bedeuten?

Kurz darauf sah sich Shina einem Gebüsch gegenüber. Der Geruch war hier am Stärksten. Aber sie roch noch etwas Anderes. Eine Katze. Eine fremde Katze. Es musste eine Waldkatze sein, oder ein Einzelläufer. Erschreckt wollte sich Shina umdrehen und davonlaufen, als die fremde Katze mit der Maus im Maul aus dem Gebüsch heraustrat und sie mit ihren azurblauen Augen anfunkelte.

Shina war wie gelähmt. Die fremde Katze legte die Maus auf den Boden, um besser reden zu können. Oder wollte sie angreifen? Shina legte die Ohren zurück und fauchte: „Lass mich in Ruhe."

„Du Trampeltier“, fauchte der gelbgetigerte Kater zurück. „Du verjagst die ganze Beute mit deinem Krach. Tz, ein Hauskätzchen! War ja klar."

Shina duckte sich mit gesträubtem Fell, und rechnete jeden Moment mit einem Angriff. Aber der stolze Kater marschierte nur um sie herum.

„Ein Pelz wie Feuer. Augen wie Saphire. Und Ausdauer, wie ein Krieger, aber der Gestank nach einem Zweibeinernest. Was bist du für eine seltsame Katze?“

Shina wollte ihn schon anfauchen, dass ihn das nichts anginge. Aber irgendetwas hielt sie davon ab. Sie hatte noch nie eine Waldkatze gesehen. Trotzdem wusste sie, dass sie es hier nicht mit einer gewöhnlichen Waldkatze zu tun hatte.

Verlegen setzte sie sich hin und leckte sich die Brust. „Ich bin Shina und ich wohne im Zweibeinerort."

„Dann bist du ziemlich weit weg von zuhause," stellte der Kater fest, der sie immer noch umkreiste.

Erschrocken sah Shina auf. Es stimmte. Sie war so auf die Maus fixiert gewesen, dass sie überhaupt nicht bemerkt hatte, wie weit sie weggelaufen war.

„Ich muss zurück," miaute sie. „Meine Zweibeiner werden sich sorgen."

Der Kater schnaubte verächtlich.

Shina warf ihm einen bösen Blick zu. „Die Zweibeiner sind nicht schlecht, sie behandeln mich sehr gut und...“

„Hetzen ihre Hunde auf uns," unterbrach der Gelbgetigerte sie.

„Was? Nein, das würden sie nie tun. Sie haben die Hunde an der Leine festgebunden."

„Sie lassen die Hunde in der Nacht frei, und sie sind eine Gefahr für meinen Clan."

„Für deinen Clan, dann hatte ich recht, du bist eine Waldkatze. Kein Streuner."

Der Kater setzte sich hin und streckte stolz die Brust heraus.

„Ich bin kein Streuner, ich bin Gelbstern, der Anführer des Feuerclans," klärte er sie auf. Dann sah er ihr wieder in die Augen.

„Du bist ziemlich dumm, oder?“

Shina schnaubte empört, aber der Kater fuhr fort: „Es ist dumm, im Clangebiet zu jagen. Wir brauchen unsere Beute zum Überleben. Da hat ein dummes Hauskätzchen wie du nichts verloren. Abgesehen davon, dass du nicht mal eine so fette und langsame Maus fangen kannst, hätten dich meine Krieger erwischt, wärst du jetzt Krähenfraß."

Plötzlich schämte sich Shina. „Es – es tut mir leid."

Gelbstern zuckte belustigt mit den Schnurrhaaren. Dann schob er ihr die Maus vor die Pfoten. „Hier, probier sie."

„Was? Aber – dein Clan braucht die Nahrung doch."

„Dieses eine Mal ist es okay. Das Blattgrün hat angefangen und wir haben Beute in Hülle und Fülle."

Shina schnüffelte an der Maus. Dann biss sie ein Stück ab. Als sie das frische Fleisch und Blut schmeckte, fing ihr Herz an zu hämmern und als hätte sie wochenlang nichts mehr gegessen, schlang sie den Rest der Maus hinunter.

Im Wald

Nachdem Shina fertig war, putzte sie sich lange und sorgfältig ihr rotes, langes Fell. Gelbstern beobachtete sie die ganze Zeit schweigend. Shina sah ihn fragend an.

„Mit dir würde ich mir gerne mal die Zunge geben," schnurrte er.

„Was? Wirklich?“ Shina war überrascht.

„Ja, wirklich. Komm, ich begleite dich bis zur Grenze, Hauskätzchen."

„Mein Name ist Shina, Waldkätzchen," miaute Shina.

„Nenn mich nicht Waldkätzchen, Shina. Ich bin anders als du."

„Nur weil du der Anführer eines Clans bist?“ fragte Shina ihn leicht überheblich.

„Nein, weil ich mir mit dem Sternenclan die Zunge gebe," antwortete Gelbstern geheimnisvoll.

Weitere Fragen beantwortete ihr Gelbstern nicht mehr. Wie versprochen begleitete er sie zur Grenze seines Reviers und verschwand dann zurück in den Wald.
 

„Naru ist schon fast ein halbes Jahr alt“, beschwerte sich Frau Gerber. „Wie lange sollen wir ihn noch durchfüttern?“

„Aber Lisa, du weißt doch, wie Tommi an ihm hängt."

„Tommi ist in der Schule, also – schaff ihn endlich weg."

„Wegschaffen?“

„Nimm diesen verdammten Kater, der von irgendeinem dahergelaufenen Streuner kommt, und schaff ihn mir aus den Augen. Naru ist anders als Shina. Shina ist eine preisgekrönte Rassekatze, nicht so – so was."

Schwer seufzte Heinz-Werner, aber es war sinnlos seiner Frau zu widersprechen. Er stand auf, und lockte Naru zu sich, während seine Frau wieder in der Küche verschwand.

„Komm, es wird dir schon gut gehen. Im Tierheim."
 

Naru, der sich schnurrend streicheln ließ, schnurrte auch noch weiter, als er hoch in die Luft gehoben wurde. Erst als er in die seltsame Kiste mit dem Gitter gesperrt wurde, die so eng war, das er sich nicht mehr bewegen konnte, bekam er Angst. Wirklich Angst.

Er spürte, wie er samt Kiste hochgehoben wurde und schaukelnd, so dass es ihm fast schlecht wurde, wurde er zu dem stinkenden Monster gebracht, mit denen Tommi´s Eltern immer weg gingen und mit Futter für ihn und seine Mutter zurückkamen. Trotzdem hatte Naru immer Sorge gehabt, sie würden eines Tages nicht mehr wiederkommen. Und nun kam er selbst so dicht an das Monster heran? Er sah, wie sein gieriges Maul aufgerissen wurde, und der Mensch, dem er vertraut hatte, ihn in das Maul hinein schob. Naru kniff die Augen zusammen. Das war das Ende.
 

Gelbstern kontrollierte die Grenze am Donnerweg. Auf dem Donnerweg gingen die Monster spazieren. Zum Glück blieben sie aber auf dem harten Weg und gingen nur selten in den Wald. Trotzdem waren ihnen schon viele Katzen zum Opfer gefallen. Heute war Gelbstern wieder allein unterwegs. Normalerweise gingen sie nur in Gruppen patrouillieren, aber Gelbstern genoss die morgendliche Ruhe und Einsamkeit. Schon als junger Kater hatte er immer gewusst, dass er eines Tages der Anführer des Clans sein würde, und schon damals hatte er sich vorgenommen, die morgendlichen Kontrollgänge alleine zu unternehmen.

Um die Grenzmarkierungen zu erneuern, musste Gelbstern den Donnerweg überqueren. Zum Glück waren die Monster sehr laut und rochen dermaßen übel, dass sie jeden anderen Geruch überdeckten. Gelbstern spürte die Erde unter seinen Pfoten vibrieren und duckte sich. Er wollte warten, bis das Monster verschwunden war. Aus seinem Versteck konnte er schon die gelben Augen leuchten sehen. Gelbstern duckte sich noch tiefer ins Unterholz. Als das Monster, dieses hier war besonders langsam und es stank sehr stark, auf seiner Höhe war, stieß es einen drohenden Zischlaut aus und blieb stehen. Hatte es ihn bemerkt? Sein Fell sträubte sich. Gleich würde es den Weg verlassen, um ihn zu jagen.

Ein Zweibeiner kam aus dem Monster geklettert. Er jaulte dem Monster irgendetwas zu und schlug ihm auf die Schnauze. Gelbstern wagte sich etwas weiter aus seiner Deckung heraus. Aber was er da sah, ließ ihm förmlich das Blut in den Adern gefrieren. Im Magen des Monsters konnte er Naru sehen. Seinen Sohn. Das Monster hatte seinen geliebten Sohn gefressen. Gelbstern jaulte laut auf. Da bewegte sich die kleine Katze. Sie lebte also noch. Ohne zu zögern warf sich Gelbstern dem Monster mutig entgegen. Er sprang auf seinen Kopf und hieb mit den Krallen zu, so fest er konnte. Sein Besitzer wollte ihn vertreiben. Todesmutig stürzte sich Gelbstern in den Rachen des Monsters, um seinen Sohn zu retten.

Es war eher ein Zufall, das sich das Gitter unter Gelbstern´s Angriffen löste, aber es löste sich. Naru war außer sich vor Angst, diesmal galt sie Gelbstern und er wusste das. Aber damit konnte er sich jetzt nicht aufhalten. Er packte seinen Sohn im Nacken, sprang wieder heraus und jagte so schnell er konnte mit Naru durch den Wald bis er sicher war, das weder das Monster noch der Zweibeiner, der sein Scheusal von Tier mit seinem Sohn gefüttert hatte, ihnen folgen konnten. Erst dann ließ er Naru auf den weichen Waldboden sinken.

Gott sei dank, dachte Gelbstern. Was hätte ich Shina sagen sollen? Nachdenklich betrachtete er sein jüngeres Ebenbild. Zurück bringen konnte er ihn nicht. Nicht nachdem er nun wusste, das die Zweibeiner ihre Monster mit Katzen fütterten. Shina war vielleicht auch in Gefahr. Aber zuerst einmal musste er den verängstigten Kleinen beruhigen.

„Du bist jetzt außer Gefahr. Ich habe dich gerettet und werde dem Monster nicht wieder erlauben, dich zu fressen. Stattdessen werde ich dich mit zu mir nehmen. Ja, ich glaube, der Clan könnte einen neuen Schüler gut gebrauchen, du bist nun sechs Monde alt, oder?“ miaute er dem kleinen Fellbündel beruhigend zu.

Naru hob den Kopf und seine blauen Augen funkelten verärgert. „Ich will nicht mit zu dir. Ich will zurück zu Tommi. Und dein Schüler bin ich schon mal gar nicht. Bring mich sofort nach Hause," fauchte er.

Erstaunt blickte Gelbstern den kleinen Kater an. Damit hatte er nicht gerechnet. Seine Schnurrhaare fingen an zu zucken, dann konnte er sich nicht mehr zurück halten, und fing an laut loszulachen. Ja, das war sein Sohn, kein Zweifel. Und der von Shina natürlich.

Gelbstern beruhigte sich und marschierte los.

„Was? Warte, wohin gehst du?“ miaute Naru klagend.

„Ich sagte es dir schon, ich werde dich nicht zurück bringen. Du würdest nur wieder im Magen eines Monsters landen."

Naru´s Augen wurden dunkel vor Trauer. Es stimmte. Das Monster war nur mit Essen gekommen, um ihn fett zu füttern und dann selbst zu fressen. Also würde er Tommi nie wieder sehen. Und auch nicht seine Mutter.

Gelbstern drehte sich nach ihm um. „Nun komm schon, junger Schüler."

„Ich heiße Naru," antwortete er ihm patzig.

„Willst du hier alleine im Wald zurückbleiben? Naru? Dann wirst du nicht lange überleben. Die Clankatzen werden dich angreifen und töten."

Naru verstand nicht, was Gelbstern mit Schülern und Clans meinte. Aber er konnte wirklich nicht alleine hierbleiben. Und selbst wenn er einen Weg zurück gekannt hätte, konnte er auch nicht mehr zurück in sein eigenes Nest. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Fremden zu folgen.

Naru sprang auf seine Pfoten und landete mit einigen Sätzen neben dem Älteren. „Wer bist du?“ miaute er ihm fragend zu.

„Mein Name ist Gelbstern, ich bin der Anführer des Feuerclans." Und mit einem Blick auf Naru fügte er hinzu, „und du bist nun auch ein Mitglied des Feuerclans."

„Hm, Feuerclan," wiederholte Naru.

„Ja, keine Sorge. Ich werde dir alles erklären, was du fürs erste über das Clanleben wissen musst."

„Ganz toll, ich freu mich schon," knurrte Naru sarkastisch, aber so leise, dass ihn Gelbstern nicht hören konnte. Jedenfalls hoffte er das. Wahrscheinlich werde ich jetzt einer dieser Streuner, die nach Krähenfraß stinken, überlegte er.

Im Clan

Gelbstern führte ihn in schnellem Tempo durch den Wald mit seinen vielen Gerüchen, die Naru vollkommen fremd waren. Durch einen Tunnel gelangten sie in das Lager der Clankatzen.

Stolz verkündete Gelbstern mit einem Blick auf Naru: „Siehst du, das ist mein Reich, Naru." Und eines Tages wird es dir gehören, fügte er in Gedanken hinzu.

„Du kennst meinen Namen?“ fragte Naru erstaunt.

„Natürlich, ich kenne auch deine Mutter, mein Sohn. Und außerdem hast du ihn mir doch selbst gesagt."

Majestätisch schritt er voraus auf einen Abhang zu. Mit einem Schwanzschnippen ließ er Naru wissen, dass er unten zu warten hätte.

Naru zuckte zusammen, als Gelbstern auf seinem Felsen plötzlich jaulte: „Alle Katzen des Feuerclans die alt genug sind, selbst Beute zu fangen, mögen sich unter dem Felsen zu einem Clantreffen versammeln."

Plötzlich erhoben sich überall Katzen oder kamen aus den verschiedensten Höhlen gekrochen. Naru hatte sie zwar gerochen, aber nicht wirklich bemerkt. Viele Augen, grüne, gelbe und braune hefteten sich auf ihn, während sie näher kamen, um sich so wie geheißen, zu versammeln. Plötzlich war Naru umringt, und empfand jetzt Furcht. Nein, es war mehr Einsamkeit, als Furcht.

„Ab heute hat unser Clan ein neues Mitglied. Das ist Narupfote. Er ist ein Hauskätzchen, das ich aus einem der Monster gerettet habe," verkündete Gelbstern und sah Naru mit stolzem Blick an.

Bei dem Wort Hauskätzchen hatten die meisten abfällig zu lachen angefangen. Als sie hörten, das Gelbstern ihn aus einem Monster der Zweibeiner gerettet hatte, stellte sich ein ehrfürchtiges Miauen ein.

Als die Andacht für ihren Anführer abgeklungen war, fingen jedoch erste Stimmen an, laut zu werden.

„Was sollen wir mit einem Hauskätzchen? Der Feuerclan braucht keine Hauskätzchen. Er soll wieder verschwinden."

„Genau. Aus diesem verweichlichten Etwas wird nie ein Krieger. Nur weil du ihn gerettet hast, heißt das nicht, das wir ihn hier durchfüttern müssen."

„Er wird uns Unglück bringen."

„Ruhe," rief Gelbstern in das Getümmel. „Er mag ein Hauskätzchen sein, aber er ist jung und stark. Und er hat Mut," fügte er mit einem weiteren Blick auf Naru hinzu.

„Kakapelz, du wirst sein Mentor sein," bestimmte Gelbstern.

„Jawohl," miaute Kakapelz gelassen und ging zu seinem neuen Schüler.

Seltsamerweise fühlte Naru sich von dem stolzen, grauen Kater beeindruckt.

„Ich werde einen guten, nein einen hervorragenden Krieger aus dir machen," sagte er zu Naru und berührte dessen Nase mit der seinen. Kakapelz wandte sich wieder ab, und ging zu seinem Platz zurück.

„Genau wie deinen Vater," miaute er so leise, das niemand der anderen Katzen ihn hören konnten. Kakapelz war schlau, er hatte sofort durchschaut, wessen Blut in diesem Hauskätzchen floss.

„Na prima, dann ist ja alles geklärt," miaute Gelbstern und verließ den Felsvorsprung.

„Moment mal, nichts ist geklärt."

„Gelbstern, warte," rief ein braun-schwarz getigerter Kater.

Aber Gelbstern schenkte ihnen keine Beachtung mehr und verschwand in seinem Bau. Bei Kakapelz war Narupfote gut aufgehoben. Das wusste er.

Ein alter weißer Kater näherte sich Naru. Er betrachtete ihn sehr abschätzend, aber in seinen schwarzen Augen lag auch viel Weisheit.

„Nun, man wird sehen, was aus dir wird," meinte er schließlich.

„Wer bist du?“ fragte Naru, der nun Narupfote hieß.

Der Alte fing an zu lachen. „Wie bitte? Du kennst mich nicht?! Was für ein Hauskätzchen bist du? Ich und meine Kampfkünste sind so berühmt, das deinesgleichen nur im Flüsterton von mir jault."

Narupfote legte den Kopf schief. Das war doch gelogen. Man musste sich den alten, zotteligen Kater doch nur mal ansehen.

Laut und trotzig miaute er: „Nie von dir gehört."

Der Alte sah ihn seltsam an und gab dann einer anderen Katze ein Zeichen.

Der dunkelbraune Kater kam sehr zögerlich und widerstrebend auf Narupfote zu.

„Also gut, Narupfote, wenn es Gelbsterns Entscheidung ist können wir nichts dagegen tun. Ich stelle dich den anderen Schülern vor. Übrigens, ich heiße Iruschweif. Und sei in Zukunft etwas respektvoller gegenüber den Ältesten, hast du verstanden?“

Narupfote hatte sich umgesehen, während Iruschweif mit ihm sprach. Die anderen Katzen waren alle wieder an ihre Plätze zurückgekehrt und starrten ihn von dort aus hasserfüllt an. Und die Katzen, die vorher aus ihrem Bau herausgekommen waren, standen nun davor. Mit dem gleichen Ausdruck in ihren Augen starrten sie ihn eiskalt an. Narupfote fühlte Wut in sich aufsteigen. Er hatte nicht darum gebeten, in diesen seltsamen Clan aufgenommen und um Schüler von diesem grauen Kater zu werden.

„Ob du verstanden hast, Hauskätzchen?“ fauchte Iruschweif ihn an.

Oja, er hatte verstanden. Sehr gut sogar. Er war hier nicht willkommen. Narupfote fühlte sich hin und her gerissen. Am liebsten wäre er weggelaufen. Warum konnte er jetzt nicht mehr bei seiner Mutter und Tommi, bei seiner Familie sein? Hier war er vielleicht gerade zu einem Mitglied im Clan ernannt worden, aber er war allein. Und diese Einsamkeit fühlte sich schon jetzt extrem schmerzhaft an. Aber er würde diesen arroganten Katzen beweisen, aus was für einem Holz er geschnitzt war. Er würde es allen zeigen.

„Natürlich habe ich verstanden," schnurrte er. Er stand auf, rieb sich an Iruschweifs Flanke und zog langsam seinen flauschigen Schwanz unter dessen Nase durch. „Iruschweif," säuselte er ihm dabei ins Ohr.

Iruschweif zuckte zurück. „W...Was soll der Quatsch?“ stammelte er nervös.

Narupfote lachte.

„Tu das nie wieder," kreischte er Narupfote an, der nur unbeeindruckt weiter schnurrte.

Iruschweif versuchte sich wieder zu fangen. Wie eine läufige Kätzin hatte sich dieser Schüler eben verhalten, so etwas hatte er noch nie erlebt. Und es irritierte ihn über alle Maßen. „Ich zeige dir jetzt den Bau der Schüler. Dort ist dein Lager," miaute er und stapfte mit seltsam hölzernen Schritten voran.

Narupfote folgte ihm.

Im Schülerbau

Narupfote folgte Iruschweif durch das Lager. Auf der einen Seite war eine Felswand mit natürlichen Höhlen. Möglich das diese Höhlen im Laufe der Zeit von Wasser in die Felswand gewaschen worden waren, Wasser, das es jetzt nicht mehr hier gab, drei Seiten wurden von dichtem Dornengestrüpp geschützt, die offensichtlich nicht natürlich gewachsen waren. Die Katzen mussten sie herbeigeschleppt haben, und die Pflanzen hatten dann anscheinend ihre Wurzeln in den Boden geschlagen, und waren gewachsen. Wie hatten sie das gemacht, trotz der Dornen?

Aber – Narupfote konnte eine gewisse Anerkennung nicht unterdrücken. Dieses Lager war eine fast uneinnehmbare Festung. Dann gab es noch den Tunnel zwischen dem Gestrüpp. Trotz seiner Größe hatte Narupfote eine unangenehme Erfahrung mit diesem dornen- bewachsenen Tunnel gemacht, und einiges an Fellfetzen verloren, während Gelbstern geschmeidig hindurch marschiert war und geschickt jeder einzelnen Dorne auswich.

„Kibapfote, Sakupfote und Shinopfote. Das hier ist Narupfote. Er ist ab heute ein Schüler des Clans genau wie ihr," erklärte Iruschweif den drei jungen Katzen im Schülerbau. Neugierig kamen sie näher um ihn zu beschnüffeln.

„Hey," fauchte Narupfote,„behaltet eure Nasen bei euch" und wich zurück.

„Er riecht nach Zweibeinern," stellte Sakupfote angewidert fest. Die hellrote, fast pinkfarbene Kätzin krauste angewidert ihre rosa Nase.

Kibapfote und Shinopfote wechselten einen Blick. Warum brachte man ein Hauskätzchen in den Clan?

„Also, macht euch einander bekannt, ich habe noch etwas zu tun. Kibapfote, du zeigst und erklärst Narupfote alles," ordnete Iruschweif an.

„Was, warum ich?“

„Möchtest du lieber das Fell der Ältesten nach Zecken absuchen, Kibapfote?“ fauchte Iruschweif ungehalten.

Kibapfote schwieg und Iruschweif verließ ohne eine weitere Bemerkung den Bau der Schüler.

„Wer ist das überhaupt?“ maulte Narupfote.

„Iruschweif ist unser Lehrer," antwortete Shinopfote.

„Euer Lehrer?“

„Ganz recht. Wer ist deiner?“ fragte Shinopfote.

„Ich habe keinen," miaute Narupfote. Die anderen drei lachten. „Ich habe einen Mentor. Kakapelz."

Sakupfote kreischte plötzlich: „Was? Nein, das kann unmöglich sein. Kakapelz ist mein Mentor."

„Shinopfote und ich haben auch eine gemeinsame Mentorin," miaute Kibapfote nur.

„Komm mit, ich zeig dir wo du schläfst," forderte der braune, zottelige Kater Narupfote auf. Mit einem Schwanzschnippen forderte er ihn auf, ihm zu folgen.

Narupfote folgte ihm bis ans Ende des Bau's. Zu seiner Erleichterung musste er nicht neben der roten Kätzin schlafen. Die schien ziemlich arrogant und kratzbürstig zu sein.

„Was ist eigentlich ein Mentor? Was genau tut er?“ fragte Narupfote.

„Er bringt dir alles bei was ein Krieger wissen muss, um für seinen Clan zu kämpfen. Du musst ihm unbedingt gehorchen, sonst wirst du bestraft," erklärte Shinopfote.

Also ein Lehrer, dachte Narupfote.

Mit seinen Pfoten schob Kibapfote ihm das Moos zurecht.

„Sag mal, ist Iruschweif euer Mentor," fragte ihn Narupfote.

„Nein," antwortete Kibapfote. „Iruschweif wird immer dann als Lehrer eingesetzt, wenn unsere Mentoren in Kämpfe verwickelt sind."

„Kämpfe?“

„Fang nicht gleich an zu zittern, du Maus," kicherte Kibapfote.

„Mach mich nicht so blöde an. Das habe ich nicht gemeint," fauchte Narupfote ihn an.

„Beim Sternenclan, so ein lauter und nerviger Kater," grummelte Sakupfote vor sich hin.

„Kämpfe mit anderen Clankatzen," miaute Shinopfote knapp.

„Aha, es gibt also noch andere Clans im Wald?“

„Blitzmerker," stellte Kibapfote fest, trottete zurück zu seinem Platz und drehte sich solange, bis es ihm bequem genug war. Dann legte er sich hin.

„Worum geht es bei den Kämpfen?“ Narupfote war plötzlich sehr aufgeregt.

„Um unser Revier natürlich und jetzt schlafe," Kibapfote riss weit sein Maul auf, so dass man die spitzen, weißen Zähne gut sehen konnte.

„Ich werde der beste Kämpfer des Clans werden," rief Narupfote plötzlich.

Kibapfote und Sakupfote lachten.

„Das heißt Krieger, nicht Kämpfer. Und jetzt schlaf endlich," miaute Shinopfote.

„Warte mal," unterbrach Kibapfote plötzlich und hob den Kopf. „Stimmt es, das Gelbstern dich aus dem Magen eines Monsters herausgeholt hat?“

„Ja, das stimmt. Es hatte mich gefressen," miaute Narupfote angeberisch. „Aber ich hatte trotzdem keine Angst. Gelbstern sprang in sein Maul, rutschte zu mir runter bis in seinen Magen und holte mich raus."

„Das ist Gelbstern. Typisch für ihn, er ist so tapfer," rief Sakupfote verzückt. "Ich wünschte, er hätte mich gerettet vor dem Monster."

„Die Monster der Zweibeiner haben schon einige Katzen unseres Clans auf dem Gewissen," knurrte Kibapfote finster.

„Haben sie sie gefressen?", wollte Narupfote wissen.

Auch er hatte schon tote Katzen auf dem Donnerweg gesehen. Unbehaglich leckte er seine Brust.

„Nein, sie haben sie getötet. Einfach nur zum Spaß. Sie sind furchtbar," antwortete ihm Sakupfote. „Das sie uns auch fressen, höre ich heute zum ersten Mal."

„Warum glotzt du mich so an," fauchte Narupfote Shinopfote ohne jede Vorwarnung an. Er war sich sicher, das Shinopfote ihn anstarrte, obwohl er seine Augen nicht sehen konnte, das lange Fell verdeckte völlig dessen Gesicht. Seltsamerweise war es am übrigen Körper kurz.

„Nichts weiter," sagte Shinopfote mit seiner langsamen und monotonen Stimme. „Ich dachte nur, wenn dein Pelz nicht so lang wäre, dann würdest du genauso aussehen wie...ach vergiss es."

Komischer Kater, überlegte Narupfote. Wo war er hier nur gelandet?

Unglücklich legte er seinen Kopf zwischen die Vorderpfoten. Es wurde ruhig im Schülerbau und schließlich auch im Lager.

Bald hörte Narupfote von den anderen die gleichmäßigen Atemzüge, wie sie nur von schlafenden Katzen kam.

„Wenn ich doch nur zu meiner Familie zurück könnte," dachte Narupfote verzweifelt. Aber existierte sie überhaupt noch? Es war eine Tatsache, das der Zweibeiner ihn mit Absicht an das Monster verfüttert hatte. Auch wenn es ihm schwer fiel, es zu glauben. Vielleicht wachte er morgen früh zuhause auf, und alles war nur ein böser Traum gewesen?

Am Morgen

„Los, auf die Pfoten, du Flohsack," fauchte Sakupfote direkt an Narupfotes Ohr.

Er schreckte auf. „Was? Hab ich – geschlafen?“

Sakupfote schaute ihn erst erstaunt, dann verächtlich aus ihren grünen Augen an.

Was für schöne Augen, dachte Narupfote. Obwohl sie so gemein zu ihm war, fand er sie doch wunderschön.

„Nein," miaute sie ironisch. „Du bist über die Wolken geflogen, hast sieben Füchse besiegt, zwei Monster erlegt...“

„Schon gut," murrte Narupfote verärgert. Er stand auf und streckte sich ausgiebig. Sakupfote sah ihm ungeduldig zu. Als er beim Gähnen sein Maul weit aufriss fauchte sie scharf: „Nun komm schon. Schlimm genug, dass du da bist. Aber zu spät zu kommen, ist unverzeihlich."

Narupfote stellte die Ohren auf. „Zu spät zu kommen ist unverzeihlich? Gehört das zum Gesetz der Krieger?“

Stolz darauf, dass sie soviel wusste, senkte Sakupfote zur Bestätigung den Kopf.

Sie musste wohl recht haben, überlegte Narupfote als er sich umsah. Kibapfote und Shinopfote waren nicht mehr da.

„Dann los," rief er und rannte aus dem Bau.

„Was? Wie? Hey, warte!“ Sakupfote fühlte sich überrumpelt.
 

Zwei Stunden später lag Narupfote immer noch an dem gleichen Platz, an dem er mit Sakupfote auf Kakapelz warten sollte. Der graue Kater war noch nicht erschienen. Nicht einmal die Schwanzspitze war von ihm zu sehen.

„Bist du sicher, das wir uns hier treffen wollten?“ fragte Narupfote zum x-ten Male.

„Ja, vollkommen sicher," nervte sich Sakupfote. Sie saß aufrecht und hatte ihren Schwanz ordentlich um die Vorderpfoten geringelt.

Narupfote gähnte. Wieso muss ich hier warten? Und Hunger hatte er auch. Sein Magen bestätigte das durch lautes Knurren.

Peinlich berührt sah Narupfote zu Sakupfote hinüber, aber die zuckte nur belustigt mit ihren Schnurrhaaren. „Keine Sorge, heute gehen wir jagen."

Narupfote sprang gleichzeitig auf alle Viere. „Ehrlich? Juhu!“ jubelte er.

„Narupfote!“ Sakupfotes Stimme klang streng. „Vergiss bloß nicht, das du nichts von dem was du erlegst essen darfst." Dann hob sie wieder stolz den Kopf und ihre Stimme bekam den alten verächtlichen Tonfall. „Aber vermutlich fängst du nicht mal eine alte Maus mit drei Beinen."

„Wie meinst du das? Ich darf nichts essen, von dem was ich gefangen habe?“ fragte Narupfote verstört.

„Das Gesetz der Krieger schreibt uns vor, das wir zuerst den Clan versorgen müssen, bevor wir selbst fressen dürfen."

Narupfote sah sie ungläubig an. Mittlerweile wusste er, was vom Gesetz der Krieger zu halten war. Sakupfote schien seine Gedanken zu erraten.

„Nein, es ist wahr. Wir sind heute bei der Jagdrotte eingeteilt worden. Das bedeutet, das wir alle Frischbeute die wir fangen ins Lager bringen müssen. Die Ältesten und Königinnen müssen zuerst versorgt werden. Das ist sehr wichtig für einen Clan, Narupfote."

„Älteste? Königinnen?“ wiederholte Narupfote verständnislos.

„Die Ältesten sind altgediente Krieger," erklärte Sakupfote stolz. „Die haben schon viele Kämpfe hinter sich und in jedem ihr Leben riskiert um den Clan zu beschützen."

Sakupfote schloss die Augen und setzte sich sogar noch aufrechter hin, als sei sie selbst eine Älteste, die durch ihren Mut und Treue zu Ehren gekommen wäre. „Und die Königinnen bekommen den Nachwuchs, ohne den unser Clan nicht überleben könnte. Ihre Jungen werden auch zu starken Kriegern heranwachsen. Zu echten Clankatzen eben." Das Wort 'echte' betonte sie ganz besonders.

Narupfote erhob sich. Auf dem warmen Sandboden war er noch schläfriger geworden. Aber jetzt sagte er mit fester Stimme: „Ich bin eine echte Clankatze und ich werde der stärkste Krieger des Clans sein."

Sakupfote legte den Kopf schief. „Ach ja, einen ähnlichen Unsinn hast du gestern schon von dir gegeben." Sie öffnete die Augen und blinzelte ihn an. „Du – wirst – niemals – eine – echte – Clankatze."

„Wieso glaubst du das?“

„Einmal Hauskätzchen, immer Hauskätzchen."

Wie aus dem Nichts erschien plötzlich Kakapelz. Geschmeidig kam der graue Kater näher. „Na na," ermahnte er Sakupfote. „Warten wir erst einmal ab, wie er sich bei der Jagd anstellt, nicht wahr?“

„Natürlich Kakapelz. Oh übrigens. Du bist zu spät," miaute Sakupfote sofort.

„Tut mir leid. Ich habe mich im Flirt Paradies verloren, beim Sternenclan," miaute der mit bedauernder Stimme, aber man merkte, dass es ihm nicht wirklich leid tat.

Was jault er da vor sich hin, überlegte Narupfote, ich verstehe kein Wort.

Kakapelz wandte sich nun an ihn. „Ich hoffe auf eine angenehme Überraschung."

„Äh...,“ Narupfote wusste immer noch nicht, worum es eigentlich ging.

Aber Kakapelz drehte sich schon um und marschierte los. Sakupfote folgte ihm mit steil aufgerichtetem Schwanz. Narupfote folgte den beiden nur zögerlich.

Was für ein verrückter Kater. Und diese eingebildete Katze. Wo bin ich hier nur hineingeraten?

Der Regenclan

„Narupfote, wir werden zuerst einmal die südliche Grenze besuchen. Dort müssen auch einige Grenzmarkierungen neu angebracht werden. Das ist wichtig. Weißt du warum?“ fragte Kakapelz.

„Woher soll ich das wissen,“ fauchte Narupfote.

„Ich weiß es, Kakapelz, frag mich.“

„Na gut, Sakupfote, erkläre es deinem Mitschüler.“

Bei dem Wort Mitschüler verzog Sakupfote ihre Nase.

Ihre Antwort hielt sie auf einmal sehr knapp. „Natürlich deswegen, damit keine andere Clankatzen in unser Gebiet kommen.“

„Sehr beeindruckend,“ miaute Kakapelz, aber Narupfote spitzte plötzlich die Ohren. Er glaubte einen sarkastischen Unterton gehört zu haben. Ach was, das war nur Einbildung. Er durfte nicht vergessen, wer er war und wo er hier war. Eine Hauskatze, der Sohn von Shina und unter Feinden. Er durfte auf gar keinem Fall irgendeiner Katze hier trauen. Egal, ob er von Gelbstern gerettet worden war oder nicht. Vielleicht wollte er für seinen Clan nur ein Spielzeug?

„Es gibt aber auch noch einen anderen Grund,“ fuhr Kakapelz fort. „Nun Sakupfote, was denkst du, warum ich Narupfote unsere Grenze zeige?“

Damit war Sakupfote überfordert. Sie senkte beschämt den Kopf. „Es tut mir leid, Kakapelz, ich weiß es nicht.“

„Nicht?“

Damit ich nicht in ein anderes Gebiet laufe, dachte Narupfote. Ist doch logisch. Die anderen Clans dürfen nicht rein, wir nicht raus. Wie im Tierheim.

Das hatte Narupfote zwar noch nie gesehen, aber die Nachbarskatze hatte ihm viel darüber erzählt. Dort wurden Katzen eingesperrt.

„Nein, Kakapelz, ich kann mich an kein einziges Gesetz erinnern, das diese Frage beantworten könnte.“

„Was ist mit dir, Narupfote?“

Narupfote schreckte hoch. „Wie? Gar nichts, mir geht es gut.“

Sakupfote kicherte.

„Das habe ich nicht gemeint. Weißt du vielleicht, warum ich dir unsere Grenze zeige?“

„Weil ich hier eingesperrt bin,“ erwiderte Narupfote und sah wieder zu Boden.

Kakapelz blieb stehen, und starrte ihn an.

Er fühlt sich eingesperrt, dachte Kakapelz überrascht.

Sakupfote lachte mittlerweile laut. „Du Trottel. Du bist nicht eingesperrt, du kannst jederzeit gehen. Dann wären alle froh.“

„Sakupfote,“ fauchte Kakapelz und wies sie scharf zurecht. „Du wirst heute Abend die Ältesten nach Zecken absuchen.“

„Oh nein, alles nur das nicht, bitte Kakapelz.“

„Was miaust du da? Es ist eine Ehre den Ältesten zu dienen.“

Eine Ehre den Ältesten zu dienen? Plötzlich war Narupfote hellwach. „Das kann ich doch machen,“ rief er.

Kakapelz sah ihn eine Weile verblüfft an. Dann zuckten seine Schnurrhaare amüsiert und er miaute freundlich: “Wenn du das möchtest, gerne.“

„Was für ein Idiot, ich freue mich schon auf die Reaktionen, wenn ich das den anderen erzähle,“ miaute Sakupfote.

„Du wirst dich mit Narupfote um die Ältesten kümmern, Sakupfote.“

„Waaaaas?“

„Sie brauchen auch frisches Moos. Danach kannst du gleich noch erzählen, dass sich Narupfote freiwillig um die Ältesten kümmert, so wie es sich für eine echte Clankatze gehört.“

Sakupfote ließ den Kopf hängen und schwieg, aber so konnte sie ohne das Kakapelz es bemerkte, Narupfote eisige Blicke aus ihren grünen Augen zu werfen.

Narupfote zuckte zurück. Die Botschaft war klar. Ich mach dich fertig, ich kratz dir die Augen aus.

„Narupfote.“

„Hm?“

„Ich zeige dir in der Tat die Grenze, damit du sie nicht überquerst. In wenigen Tagen wirst du den Geruch des Feuerclans haben und nicht mehr nach Hauskätzchen riechen, wenn du dann in ein fremdes Gebiet wechselst, werden sie dich vielleicht töten.“

Narupfote schluckte. „Meinst du mit fremden Gebiet einen anderen Clan?“

Kakapelz nickte ernst.

Dann drehte er sich um und stolzierte wieder voraus.

In wenigen Tagen hatte er gesagt. Aber das bedeutete doch dann das er, Narupfote, jetzt noch die Grenze überqueren konnte, oder nicht? Vielleicht würde er sogar nette Zweibeiner finden, die ihn fütterten und streichelten. Ja vielleicht sogar in der Nähe seines alten Zuhauses, dann könnte er seine Mutter besuchen. Narupfotes Plan stand fest.

„Ich kann es kaum noch erwarten, die Grenze zu sehen,“ miaute er fröhlich und sprang mit wenigen Sätzen an Sakupfote vorbei.

Auf dem Weg zur Grenze kamen sie nur durch karges Gebiet.

„Kakapelz, warum ist hier so wenig Grün?“ fragte er den Mentor.

„Nicht weit von hier gibt es einen Vulkan. Die Erde ist trocken. Es wächst nicht viel. Darum gibt es hier auch nicht viel Beute. Sie finden weder Nahrung noch Deckung.“

„Ah, verstehe.“

„Du mit deinem langen Fell, solltest dich vom Vulkan fernhalten. Es sind immer Rußpartikel in der Luft, die sich in unserem Fell festsetzen. Die Pflege dauert stundenlang. Und bei dir – na ja...“

„Keine Sorge.“ Narupfote hatte nicht vor, in die Nähe des Vulkans zu gehen, er hatte vor über die Grenze zu gehen.

Nach einer Weile kamen sie zu einem Gebüsch. Hier wuchs mehr Grün, und je weiter sie vordrangen, desto dichter wurde es. Plötzlich hörte Narupfote auch das Trippeln von Mäusen.

„Jagen wir?“ fragte er hoffnungsvoll.

„Das überlassen wir heute den anderen,“ erklärte Kakapelz.

„Oh, schade.“ Langsam fiel Narupfote wieder zurück. Trotzdem sah er sich dieses schöne Gebiet genau an. Warum war nicht das ganze Revier so schön? fragte er sich.

Sakupfote schlich sich an ihn heran.

„Das hier war das Gebiet des Regenclans,“ flüsterte sie ihm zu.

„Wie bitte?“ Automatisch hatte Narupfote auch angefangen zu flüstern.

„Ich sagte, das hier der Regenclan lebte.“

„Lebte? Wo ist er denn hin? Sie sind doch nicht etwa – gestorben?“

„Hm? Nein, oder doch. Wie soll ich es sagen, wir haben sie getötet.“

Narupfote blieb erstarrt auf der Stelle stehen.

„Nun ja,“ fuhr sie fort. „Der Anführer, Buchenstern, konnte mit ein paar anderen seiner Katzen entkommen, aber ich glaube nicht das die noch leben. Und die meisten haben wir ohnehin schon vorher getötet. Das ist doch auch besser, findest du nicht? Besser tot, als heimatlos herum zu irren bis man stirbt, stimmst du mir zu, Narupfote? Töten oder getötet werden, das ist das Gesetz.“

Sakupfote erhob wieder stolz ihren Schwanz und hüpfte an ihm vorbei.

Töten oder getötet werden, das sollte das Gesetz sein?

Nein, mit diesem Gesetz, mit diesem Clan wollte Narupfote nichts zu schaffen haben.

Den Rest des Weges hörte er Kakapelz kaum noch zu, er sah sich genau um, nach Verstecken und Fluchtmöglichkeiten. Oder hatte Sakupfote ihn angelogen? Ja, das wäre möglich. Aber dann kamen sie an einer Wand mit vielen verlassenen Höhlen vorbei, und ein leichter Geruch nach Katze hing noch in der Luft.

Sie hatte nicht gelogen.

Die Ältesten

Als sie zurückkamen, eilten Kibapfote und Shinopfote herbei. Angeberisch erzählten sie von ihren Jagderfolgen. Narupfote wandte sich ab, und holte sich ein Eichhörnchen vom Frischbeutehaufen. Als er zum Schülerbau ging, bemerkte er Kakapelz und Gelbstern die sich einander Dinge zu miauten und dabei immer wieder ihn ansahen. Was hatte das denn zu bedeuten? Was interessierte es diesen Kater, wie er, Narupfote sich anstellte? Ah so, ja, er war ja der Anführer. Narupfote hatte wieder das Interesse verloren und verzog sich in ihren Bau, wo er das Eichhörnchen mit einigen wenigen Bissen verschlang. Dann putzte er sich ausgiebig. Shina, seine Mutter, hatte immer viel Wert darauf gelegt, dass er sich nicht nur das Gesicht wusch, sondern auch sein Fell sorgfältig pflegte. Dabei ließ er dieses „Training“ noch einmal Revue passieren. Seine Gedanken schweiften ab.

Was gäbe ich jetzt für eine Schüssel Milch. Und beim Trinken von Tommi gestreichelt zu werden und zu schnurren. Hier war ihm das Schnurren gründlich vergangen. Oder dafür, auf dem weichen Bett vor dem Kasten zu sitzen, in dem die kleinen Leute und Tiere lebten, und von Mutter gewaschen zu werden. Und dabei habe ich das früher immer, nein nicht gehasst, aber ich habe immer lautstark protestiert.

Narupfote seufzte. „Ach Mutter, wenn du mich hier unter den barbarischen Wildkatzen sehen könntest, was würdest du dann denken?“

Iruschweif, der zufällig vorbeigegangen war, hatte Narupfotes Seufzen und das Wort Mutter gehört. Er blieb stehen und sah Narupfote an, der zum Himmel empor schaute.

Iruschweif hatte seine Mutter früh verloren. Auch seinen Vater. Sie waren beide stolze Clankatzen und Krieger gewesen. Als ihr Lager von einem Fuchs angegriffen wurde, hatten sie sich ohne zu zögern in den Kampf gestürzt und ihr Leben für den Clan gelassen.

Er fühlte sich Narupfote plötzlich nahe. Hauskätzchen oder nicht, ein gemeinsames Schicksal schien sie zu verbinden. Iruschweif trat an den Schülerbau heran. Narupfote hatte ihn bemerkt und betrachtete ihn abweisend.

„Vermisst du deine Mama?“ fragte er mitfühlend.“Narupfote?“

Misstrauisch wurde er von Narupfote gemustert. Warum war der auf einmal nett zu ihm? Dafür gab es keinen Grund, nicht wahr? Er hatte weder gejagt und erstaunliche Beute mit ins Lager gebracht, noch einen Feind besiegt.

Narupfote wandte den Kopf ab. Gerade als er Nein antworten wollte, redete Iruschweif weiter. „Ich habe meine Eltern auch verloren, als ich in deinem Alter war.“

Überrascht sah Narupfote wieder zu Iruschweif. Blaue Augen bohrten sich in braune. Aber Narupfote konnte nur Trauer erkennen, keine Bosheit.

Zögernd senkte er den Kopf.

Von Natur aus neugierig, wagte Narupfote sich vor, und fragte den Lehrer, wie es dazu gekommen war.

„Manchmal verirren sich hungrige Dachse oder auch Füchse in die Nähe unseres Lagers. Und greifen an,“ erklärte ihm Iruschweif.

Also nicht nur feindliche Clans, dachte Narupfote. Laut fragte er, „aber warum seid ihr nicht davon gelaufen?“

„Sicher, die älteren Katzen könnten entkommen, aber dann müssten wir ja die Jungen und Alten zurücklassen. Das wäre ihr sicherer Tod.“

„Ach, so ist das.“

„Ja, du verstehst es, nicht wahr?“

„Ja.“

„Nun, was nicht zu ändern ist, ist nicht zu ändern. Ich hoffe, das aus dir eines Tages ein großer Krieger wird. Und ein starker Krieger.“

Iruschweif wandte sich ab und trottete weiter. Immer noch überrascht sah Narupfote ihm hinterher. Plötzlich fiel ihm sein Versprechen ein.

„Ah, Iruschweif.“

Iruschweif blieb stehen und wartete, während Narupfote mit wenigen Sätzen bei ihm war.

„Ja? Was gibt es denn, Narupfote?“

„Es ist eine Ehre, sich um die Ältesten zu kümmern, das stimmt doch oder?“ wollte Narupfote wissen.

„Ähm, nun. Ja, das ist es. Selbstverständlich,“ antwortete ihm Iruschweif.

„Tja also, wenn ich sonst nichts zu tun habe, also, ich würde mich wirklich gerne um die Ältesten kümmern.“

„Tatsächlich, ist das so?“

War der Kater schwer von Begriff? Das hatte Narupfote doch eben gerade gesagt.

„Darf ich?“

„Was? Ja, sicher. Es ist nur eher selten, das ein junger Kater – ich bring dich zu ihnen.“

Na, endlich.

Iruschweif führte Narupfote nicht wie angenommen zu einer der unteren Höhlen, wo die alten Katzen leichter hinein kamen, sondern zu einer recht schwer zugänglichen.

Konnte es sein...

„Iruschweif, verlassen die alten Katzen ihren Bau nicht?“

„Doch, natürlich, wieso fragst du?“

„Na ja, es ist nicht einfach hier hoch zu kommen. Ich dachte, ihr Bau sei unten. Der Schülerbau ist unten. Und wir sind noch jung.“

„Es ist auch nicht einfach für Feinde hoch zu kommen,“ erwiderte Iruschweif nur.

Sollte das die Erklärung sein? Narupfote fand sie nicht sehr zufriedenstellend.

Endlich standen sie vor der Höhle.

„Die Ältesten sind nicht immer ganz – ähm – einfach.“

„Verstehe, sie sind sehr gebrechlich.“

„Nein, das meinte ich nicht. Ganz im Gegenteil. Aber egal, lass uns reingehen. Ich werde dich vorstellen.“

„Gut, und stell mir die Ältesten vor.“

„Nun werde mal nicht unverschämt.“
 

„Das ist Narupfote,“ sagte Iruschweif gerade, nachdem er sie ehrfürchtig begrüßt hatte. „Er möchte sich heute – ähm...“

„Um die Fellpflege kümmern,“ half ihm Narupfote weiter, denn er erinnerte sich, das Sakupfote das Moos wechseln sollte. Falls sie überhaupt kam. „Und vielleicht auch die Unterlagen richten,“ fügte er noch hinzu.

Für den Fall, dass Sakupfote tatsächlich nicht kommen würde. Begeistert war sie nicht von der Idee gewesen, sich um die Ältesten kümmern zu müssen.

Narupfote freute sich auf seine Aufgabe. Nur hatte er mit knochigen und alten Katzen gerechnet, die sich kaum auf den Pfoten halten konnten.

Aber diese hier, ja sie waren alt, aber trotzdem...

„Danke, Iruschweif. Du kannst gehen,“ knurrte ein zotteliger weißer Kater, der Narupfote mit seinen schwarzen Augen derart intensiv ansah, als könne er ihm in sein Herz sehen.

„Jawohl, Rayapelz,“ miaute Iruschweif und verbeugte sich andächtig.

Iruschweif drehte sich um und sprang davon.

Rayapelz stand geschmeidig auf und kam auf Narupfote zu.

„Also du bist der Sohn von Shina, sehr interessant,“ schnurrte der fette Kater.

Vor Überraschung wusste Narupfote nicht, was er antworten sollte.

„Er sieht mehr wie sein Vater aus,“ miaute die Kätzin, die liegen geblieben war.

Ihr Fell war ebenfalls sehr hell, ähnlich wie das von Narupfote. Aber etwas heller, eher gelblich als goldfarben.

„Du kennst meinen Vater?“ stotterte Narupfote.

„Wir alle kennen ihn,“ antwortete Rayapelz an ihrer Stelle, sagte aber nichts weiter dazu. „Das ist übrigens Tsukralle. Wir freuen uns, das du dich ein wenig um uns kümmern willst. Du bist freiwillig hier, nicht wahr?“

„Ähm, ja, bin ich. Schließlich ist es eine Ehre für jede echte Clankatze sich um die Ältesten zu kümmern.“ Zumindest hatte Kakapelz das gesagt. Und – das fiel Narupfote erst jetzt auf, die Ältesten hatten mit keinem Wort erwähnt, dass er doch nur ein Hauskätzchen sei.

Hinapelz

Rayapelz strich einige Male um Narupfote herum. „Sehr interessant, ja wirklich. Und sehr hübsch. Wie schade.“

„Äh, wie?“

Tsukralle schien genervt zu sein, sie verließ wortlos den Bau. Sie wirkte überhaupt nicht wie eine Älteste. Im Gegenteil. Bisher war sie die einzige Katze hier, mit der Narupfote sich auf keinem Fall anlegen würde und wollte. Das sagte ihm sein Instinkt.

Rayapelz seufzte. „Zu schade, das du ein Kater bist,“ und ließ sich vor ihm auf den Bauch fallen. „Los, ich glaube, ich habe Zecken.“

Mit seinen Pfoten durchsuchte Narupfote das Fell von Rayapelz. „Und – woher kennst du meinen Vater? Ich meine, ich kenne ihn nicht. Du sagst, ihr kennt ihn alle?“

„Mit alle meinte ich mich.“

„Dich? Und woher weißt du, wer mein Vater ist?“

„Ganz einfach. Ich weiß alles.“

Verrückter Kater, dachte Narupfote und beschloss, nichts weiter auf Rayapelz Gerede zu geben, stattdessen entdeckte er eine Zecke. Sie war gut sichtbar in dem weißen Fell.

„Ich hab eine,“ rief Narupfote. „Und jetzt? Soll ich sie abbeißen?“

„Um des Sternenclans willen nein, geh zu Hinapelz und lass dir Mäusegalle geben.“

„Ähm...“

„Na los, Junge, worauf wartest du?“ fragte Rayapelz.

„Wer ist Hinapelz? Und wofür die Mäusegalle?“ fragte Narupfote.

„Hm, du musst noch eine Menge lernen, wie? Hinapelz ist unsere Heilerkatze. Sie weiß schon, was du mit Mäusegalle meinst. Nun geh schon,“ Rayapelz wurde ungeduldig.

Narupfote schnaubte und trabte davon. Unterwegs stieß er fast mit Sakupfote zusammen. Sie beschimpfte ihn, aber Narupfote hörte nicht hin. Vermutlich war sie nur schlecht gelaunt, weil sie die Betten der Ältesten erneuern musste.

Als sich Narupfote in der Mitte des Lagers befand, sah er sich um. Die einzige Katze, die er kannte, und die ihn nicht ganz so misstrauisch ansah, war Shinopfote. Also ging er auf ihn zu.

„Was willst du?“ wurde Narupfote von Shinopfote gefragt.

„Weißt du vielleicht, wo Hina – äh – die Heilerkatze ist?“

„Warum? Fühlst du dich nicht wohl?“

„Doch, doch. Mir geht’s prima.“ Das war irgendwie gelogen. Trotzdem, Narupfote war auch neugierig. „Kann sie wirklich heilen?“

„Selbstverständlich. Ich seh schon, du willst mehr wissen. Wieso nicht, ich erkläre es dir. Eine Heilerkatze kennt alle Kräuter des Waldes und weiß wozu sie gut sind. Natürlich kennt sie auch giftige Kräuter, mit denen man Hauskätzchen wie dich umbringen kann,“ Shinopfotes Stimme wurde leiser. Er klang nicht gehässig, eher so, als würde er einem Jungen eine Horrorgeschichte erzählen.

Trotzdem musste Narupfote schwer schlucken. Das klang schon sehr nach einer alten Hexe.

„U..und wo wohnt die Hexe ähm die Heilerkatze?“ stotterte er.

Shinopfote hob die Pfote, als Zeichen, dass er nicht unterbrochen werden wollte.

„Jeder Clan hat eine Heilerkatze. Sonst wären wir aufgeschmissen. Überhaupt kein Clan.“

„Oh, so wichtig ist sie?“ Narupfote war beeindruckt.

Shinopfote nickte bestätigend. „Sie kann nicht nur heilen, sie empfängt auch Botschaften des Sternenclans.“

„Das höre ich immer wieder, der Sternenclan. Gibt es den überhaupt?“

„Selbstverständlich,“ Shinopfote war sichtlich entrüstet. „Du wagst es doch nicht etwa zu zweifeln?“

Narupfote wagte das. Aber sagen würde er das jetzt nicht. Er hatte genug Feinde hier.

„Also, wo finde ich sie?“ fragte er stattdessen.

Shinopfote deutete mit dem Schwanz auf ein Gebüsch. „Dort.“

„Da im Gebüsch?“ vergewisserte sich Narupfote.

„Blödmann, dort ist ihr Bau.“

„Sie hat einen eigenen Bau? Ganz für sich alleine? Genau wie der Anführer, wie Gelbstern?“

Shinopfote nickte wieder. „Sie ist genauso wichtig wie Gelbstern.“

„Hm.“ Narupfote war sich nicht ganz sicher, ob er Shinopfote glauben konnte. „Okay, danke Shinopfote.“

Der nickte nur selbstzufrieden und stakste davon in Richtung Frischbeutehaufen.

Narupfote sah ihm nach. „Entweder er hat noch nichts gefressen, oder er ist ...“

Sein Magen knurrte. „Ich bin auch hungrig.“

Narupfote wartete bis Shinopfote sich einen Vogel genommen hatte und im Schülerbau verschwand. Dann ging er selbst zum Frischbeutehaufen. Es störte ihn, dass er selbst nichts zur Beute beigetragen hatte. Aber er musste dennoch bei Kräften bleiben.

Also schnappte er sich eine Maus und schluckte sie mit zwei Bissen runter. Dann kam ihm die Idee, dass er Hinapelz etwas mitbringen könnte. Er beschnüffelte die Beute genau, und entschied sich dann für ein kleines Kaninchen. Wer das wohl erwischt hatte? Egal, er packte es im Nacken und lief zum Heilerbau. Ratlos stand er vor dem Gebüsch. Rufen konnte er nicht, mit der Beute im Maul. Er streckte den Kopf durch das Gebüsch und zuckte überrascht zusammen. Vor ihm lag ein großer Bau. Die Kühle des Sandes und viele fremde und gute Gerüche strömten ihm entgegen.

Wahnsinn, er fühlte sich plötzlich wohl und irgendwie geborgen.

Dann sah er sie. Ihre Augen funkelten gütig und silbern. Und ihr Pelz war kurz und pechschwarz.

Hinapelz hatte bemerkt, das jemand den Bau betreten hatte. Geschmeidig ging sie ihm entgegen. Den Geruch der Kräuter die sie hatte, konnte sie genau auseinander halten. Der Geruch der Katze die gekommen war, war ein fremder Geruch. Vielleicht ein verletzter Streuner? Nein, Streuner rochen anders. Dieser – roch sehr edel. Und er hatte etwas zum Fressen dabei. Ihre Schnurrhaare zuckten und dann sah sie ihn. Strahlend blaue Augen sahen direkt und offen in ihre. Selbst im Dunkeln konnte sie erkennen, das sein Fell länger war, als das der anderen Clankatzen und von der gleichen Farbe wie das von Gelbstern. Er ist sein Sohn, schoss es ihr durch den Kopf. Aber mehr noch als das alles faszinierte sie seine Aura. Ein Ritter in goldener Rüstung. So kam er ihr vor. Es war der gleiche Kater. Der Gleiche, den sie im Traum gesehen hatte. Plötzlich schlug ihr Herz schneller und sie wurde unsicher.

Auserwählt

„Shina,“ miaute Gelbstern leise. Gerade als er sie wieder rufen wollte, kam sie schon über den Zaun gesprungen.

„Gelbstern, wie geht es meinem Sohn?“ kam sie sofort zur Sache.

Gelbstern blinzelte mit den Augen und lächelte innerlich. „Unserem Sohn geht es gut. Er ist ein Rebell, und ich habe sicherheitshalber eine Wache aufgestellt – aber, er ist auch mein Sohn und darum wird er sich bald eingelebt haben.“

Shina atmete auf. „Ich bin so froh, das du ihn gerettet hast.“

Gelbstern schien in Gedanken versunken zu sein, er antwortete nicht.

„Gelbstern ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

Der Anführer des Feuerclans schreckte auf. „Nichts worüber du dir Sorgen machen musst, Shina.“

„Ich kenne dich doch. Wenn du dir Sorgen machst, muss ich mir auch welche machen. Bitte, sag mir, was es ist.“

„Es ist nur, weil ihn die anderen Clankatzen noch nicht als solche akzeptieren. Vermutlich werden sie ihm erst wirklich vertrauen, wenn er sich beweist. Fürchte ich. Wenn du verstehst, was ich meine.“

„Mein armer Naru.“ Shina sah ihn traurig aus ihren großen Augen an.

Gerade als Gelbstern sie trösten wollte, sträubte sich plötzlich ihr langes rotes Fell und sie fuhr alle Krallen aus. Selbst Gelbstern ging zur Sicherheit auf Abstand. „Wehe, wenn sie ihn ärgern, dann werden sie mich kennen lernen. Hast du verstanden, Gelbstern,“ fauchte sie ihn an.

„J..ja, selbstverständlich. Ich – äh – muss jetzt wieder zurück.“

Gelbstern drehte sich schnell um, „Wiedersehen Shina, bis demnächst“ und sprang davon.

„Hol mich sofort, wenn sie mein Baby ärgern, diese Banausen.“

„Ja,“ rief Gelbstern über die Schulter zurück.
 

Narupfote ließ das Kaninchen fallen. „Bist du Hinapelz?“

„J-j-ja,“ stotterte Hinapelz.

„Hier, hab ich dir mitgebracht.“ Narupfote stupste das Kaninchen mit der Nase in ihre Richtung. „Die Ältesten schicken mich. Ich soll von dir Mäusegalle gegen Zecken holen.“

„Oh.“

Hinapelz bewegte sich nicht. Seltsam, dachte Narupfote.

„Hast du vielleicht schon gefressen?“ fragte er sie.

„Wie? Äh nein, vielen Dank. Bitte komm mit.“

Hinapelz drehte sich um und ging zurück in den Bau.

Narupfote hob das Kaninchen wieder auf und folgte er. Verblüfft sah er sich um. Dieser Bau war riesig mit sehr vielen Kammern. In einer hingen Kräuter von der Decke, in einem anderen lagen zwei kranke Katzen, in einer dritten waren Kräuter wohl zu Brei zerkaut worden und lagen zum Transport auf Eichenblättern bereit. Es gab auch Beeren.

Narupfote folgte Hinapelz bis zu ihrer eigenen Schlafstätte.

„Leg es bitte hier hin. Ich hole sofort die Mäusegalle.“ Sie hielt inne und lächelte ihn liebevoll an. „Ist sie für Rayapelz?“

Überrascht nickte Narupfote. „Ja, woher weißt du das?“

„Tsukralle kümmert sich selbst um ihre Zecken.“ Hinapelz senkte leicht den Kopf. Dann sah sie ihn wieder an. Diesmal neugierig, fast so, als erwarte sie etwas ganz Besonderes von ihm. Narupfote war verwirrt.

„Wie – gefällt es dir hier?“

„Es – ist sehr schön,“ antwortete Narupfote ehrlich. Wollte sie Smalltalk halten? Freundlich sein? Aber hatte Shinopfote nicht gesagt, sie wäre etwas Besonderes und genauso wichtig für den Clan wie dieser Gelbstern?

„Ich – als ich hier hereinkam, da war es fast so als wäre ich nach Hause gekommen, so gut hat es sich angefühlt,“ fuhr er fort.

Was faselst du da überhaupt? Am besten hältst du den Mund, nimmst die Mäusegalle und verschwindest wieder, ermahnte er sich, bevor du dich hier zum Affen machst.

Aber Hinapelz sprang auf. „Ich wusste es.“

„Wie? Was?“

„Möchtest du eine Heilerkatze werden, Narupfote? Ich habe dich kommen sehen. In meinen Träumen.“ Sie stand auf, fixierte ihn mit ihren silbernen Augen, so dass er sich fast hypnotisiert fühlte. „Möchtest du mein Schüler werden?“

„Dein Schüler?“

Sie schien nicht sehr viel älter als er zu sein. Und – sollte er nicht ein Krieger werden?

Genauso wichtig wie Gelbstern. Ja, er wäre gerne hier geblieben, hier – bei Hinapelz.

„Du könntest vielen Katzen das Leben retten.“

Er sah zu Boden, auf seine Pfoten, dann an die Decke. „Glaubst du wirklich ich kann das? Außerdem, Kakapelz ist mein Lehrer. Gelbstern hat das so angeordnet.“

„Ich rede mit Gelbstern.“ Hinapelz schien Feuer und Flamme dafür zu sein. Narupfote konnte sie nicht so recht verstehen, es wurde ihm etwas unheimlich zumute. Was, wenn er versagte, sie enttäuschte und sie ihm eine der tödlichen Beeren gab?

„Ich überlege es mir,“ beeilte er sich zu sagen. „Und Rayapelz wartet bestimmt schon auf mich. Also...“

Hinapelz schien enttäuscht zu sein. Aber dann fasste sie sich wieder. „Denk gut darüber nach, Narupfote. Nicht jede Katze wird vom Sternenclan auserwählt. Ich hoffe auf eine positive Antwort.“

Damit verschwand sie und kam kurz darauf mit der Mäusegalle zurück. Sie erklärte ihm noch, wie er sie verwenden musste, bedankte sich noch einmal für das Kaninchen und sah ihm sehnsuchtsvoll hinterher. Am liebsten wäre sie neben ihm gelaufen.
 

Rayapelz schnarchte, als Narupfote zurückkam. Er wachte nicht mal auf, als Narupfote die Mäusegalle vorsichtig über den Zecken zerbiss und darauf achtete nichts von dem bitteren Zeug in den Mund zu bekommen. So wie Hinapelz es erklärt hatte. Dann saugte er etwas von dem Wasser aus der Mooskugel, die ihm Hinapelz mitgegeben hatte, ließ das Wasser einen Moment in seinem Maul kreisen und spuckte es vor die Höhle. Sogar eine Beere gegen den unangenehmen Geschmack hatte sie ihm noch mitgeben wollen, aber das hatte Narupfote abgelehnt. Jetzt wünschte er sich, er hätte sie angenommen.

Hinapelz war wirklich nett.

„Krieger oder Heiler,“ flüsterte er leise.

„Warum nicht beides?“

„Rayapelz!“ Narupfote fuhr herum. „Ich dachte, du schläfst.“

„Du solltest merken, wenn eine Katze schläft und wenn nicht.“ Er wedelte mit den Pfoten in der Luft herum, als wolle er nach Fliegen jagen.

„Kakapelz ist ein guter Lehrer, aber den letzten Schliff, den solltest du von jemandem wie mir lernen.“

„Wie dir, aber du bist ein ...“

„Ältester? Na und?“

Darauf wusste Narupfote nichts zu erwidern. „Na gut, aber was hast du gemeint mit ich könnte beides werden?“

„Richte dein Lager bei Hinapelz ein, lass dir von Kakapelz das Kämpfen und Jagen beibringen. Und auch von mir.“ Seine schwarzen Augen blitzten auf.

„Es ist nicht schwer, eine Heilerkatze zu sein, wenn man auserwählt wurde, ich habe dich beobachtet. Du musst nur lernen, welche Kräuter wie aussehen, riechen und wozu man sie benutzt, das ist alles. Aber ein junger und starker Kater wie du, der ist damit nicht ausgelastet oder? Das würde dir schnell langweilig werden.“

„Ja, stimmt.“

„Dann geh und teile Hinapelz deine Entscheidung mit. Überlasse ihr alles weitere. Du wirst dich auch wohler fühlen, wenn du bei ihr wohnst. Hab ich Recht? Du magst sie, oder?“

„Na ja, schon.“

„Dann geh endlich, Junge.“ Rayapelz drehte sich auf die Seite und würdigte ihn keines Blickes mehr.

Verwirrt und nachdenklich ging Narupfote zum Schülerbau. Wieso, wieso kümmern sich diese beiden Katzen um mich? Einen Außenseiter?

Das Jagdtraining

Am nächsten Tag zog er wieder mit Sakupfote und Kakapelz los. Diesmal wollten sie wirklich jagen. Das war viel eher nach Narupfotes Geschmack, als Grenzgänge.

Kakapelz suchte einen Platz für sie aus, bei dem Narupfote schon bei der Ankunft jede Menge Beutetiere hörte und witterte.

Kakapelz baute sich vor ihnen auf, und sagte: „Hier werde ich euch das Jagen beibringen.“

Narupfote sah gelangweilt in die andere Richtung.

Kakapelz bemerkte das natürlich, wollte sich aber nicht aus dem Konzept bringen lassen.

„Mäuse hören euch, wenn ihr euch anschleicht.“

„Ehrlich, aber – wir sind so leise?“ Sakupfote schien ehrlich überrascht.

Was für eine dumme Katze, dachte Narupfote.

„Hm, na ja sie hören uns nicht gerade, das habe ich etwas falsch ausgedrückt. Du weißt es sicher besser – Narupfote?“

Sakupfote freute sich schon auf seine dumme Antwort.

„Mäuse spüren die Vibrationen unserer Pfoten auf der Erde,“ antwortete er.

Sakupfote fing schon an zu kichern, als Kakapelz sagte: „Das stimmt, woher weißt du das?“

„Von meiner Mutter.“

„Von deiner Mutter? War sie kein Hauskätzchen?“ Sakupfote war überrascht.

Narupfote drehte sich zur Seite. Er hatte Heimweh.

„Vielleicht zeigst du mir, wie du eine Maus fängst?“ fragte Kakapelz.

Genervt sah Narupfote ihn an. Aber dann spitzte er die Ohren. Kakapelz beobachtete ihn genau.

„Du musst sie riechen indem du dein Maul aufmachst, Dummkopf,“ fuhr Sakupfote ihn an, wurde aber mit einem Blick von Kakapelz sofort wieder zum Schweigen gebracht.

Narupfote kümmerte sich nicht darum. Er hatte schon leises Trippeln und Knabbern gehört und ging zu Boden. Er konzentrierte sich nochmal. Ja, etwa zwei Schwanzlängen von ihm entfernt war eine Maus, nein mehrere mindestens drei, unter der Erde. Er schob sich langsam vorwärts bis er nahe genug für einen Sprung war. Jetzt musste er nur darauf warten, das eine sich blicken ließ. Geduldig wartete er bis er hörte, dass das Trippeln lauter wurde. Er spannte die Muskeln an und – da war sie – er sprang. Ein Biss in den Nacken und es war vorbei.

Kakapelz war nur bedingt zufrieden. „Das war gut, sehr gut sogar. Deine Technik zumindest, aber willst du jedes mal warten bis sich eine Maus blicken lässt?“

Sakupfote kicherte.

„Jetzt du, Sakupfote. Fang eine Maus. Du konntest die Anschleichtechnik bei Narupfote genau beobachten, nicht wahr?“

„Ähm, ja.“ Sie öffnete das Maul und sog die Gerüche ein, bis sie den einer Maus gefunden hatte. Vorsichtig schlich sie sich an sie heran. Ihre Bewegungen waren geschickt und geschmeidig und sie wollte sie unbedingt fangen. Auf keinem Fall würde sie gegen einen Außenseiter verlieren. Als sie das Gefühl hatte, nahe genug zu sein duckte sie sich, wie sie es vorher bei Narupfote beobachtet hatte und schlich sich Stück für Stück heran. Endlich konnte sie die Maus auch sehen. Arglos hangelte sie sich einen Grashalm hoch. Das war ein Kinderspiel. Sakupfote setzte zum Sprung an. Während die Maus von dem sich biegenden Strohhalm fiel sprang sie mit ausgefahrenen Krallen auf sie zu. Aber der Sprung war viel zu kurz. Die Maus erschrak kurz und machte sich dann aus dem Staub. Verärgert jagte Sakupfote ihr hinterher, hatte aber keine Chance mehr sie zu erwischen. Die Maus verschwand in dem nächstbesten Loch in der Erde.

„Man muss seine eigenen Grenzen kennen,“ erklärte Kakapelz.

„Wie meinst du das?“ fragte sie ihn verärgert.

„Du bist mit dem gleichen Abstand los gesprungen, den auch Narupfote benutzt hat.“

Sakupfote verstand immer noch nicht.

„Wenn du nicht so weit springen kannst, musst du dich näher an schleichen,“ erklärte Kakapelz.

Sakupfote kochte vor Wut. Hatte sie das eben richtig verstanden? Die verwöhnte Hauskatze sollte weiter springen können als sie?

Kakapelz schien zu wissen, was in ihr vorging. „Jeder hat andere Qualitäten, Sakupfote. Sieh dir seine Hinterbeine an.“

Ohne Begeisterung tat Sakupfote was Kakapelz gesagt hatte. Und erkannte, das er recht hatte. Narupfotes Hinterbeine waren länger und muskulöser als ihre eigenen. Das hatte sie zuvor überhaupt nicht bemerkt oder besser, es hatte sie auch nicht interessiert.

Kakapelz wandte sich Narupfote zu. Er schien sich zu amüsieren. „Wollen mal sehen, wie weit du springen kannst.“

Narupfote verstand nicht, was Kakapelz von ihm wollte.

Der deutete mit dem Schwanz auf einen Baum. „Siehst du den Vogel dort?“

Oh Gott, sollte er etwa den Vogel fangen, wie kindisch war das denn?

„Sakupfote wird ihn aufschrecken, du musst ihn nur fangen. Glaubst du, du schaffst das?“

Narupfote nickte nur. Kakapelz hatte ihm noch nie ein böses Wort gegeben. Also wollte er nicht laut aussprechen, dass er sich fühlte wie in einer Kinderstube.

„Na dann los. Sakupfote?“

Sakupfote rannte laut kreischend auf den Baum zu, Narupfote duckte sich. Der erschreckte Vogel flatterte auf und Narupfote stieß sich vom Boden ab. Mit dem Vogel im Maul landete er direkt vor Kakapelz.

„Wie sein Vater,“ dachte Kakapelz.

Sakupfote war überrascht. Aber sie konnte nichts Negatives dazu sagen.

„Gut, das sollte reichen für dich Narupfote. Nimm die Maus und den Vogel und bring sie zum Frischbeutehaufen. Ich werde alleine mit Sakupfote weiter trainieren.“

Sakupfote fing an zu schnurren. Endlich würde sie mal wieder mit ihrem großen Idol Kakapelz alleine sein.

„Dann gehst du zu Gelbstern, er möchte dich sehen.“

„Ach, ehrlich?“ Narupfote war überrascht. Wurde er jetzt doch noch aus dem Clan geworfen? Selbst wenn, was kümmerte es ihn, er wollte ohnehin weg.

„Ist gut,“ miaute er desinteressiert, nahm den Vogel und die Maus in sein Maul und lief davon in Richtung Lager.

„Okay Sakupfote, mal sehen ob wir den anderen noch ein leckeres Eichhörnchen mitbringen können, was meinst du?“

„Jawohl Kakapelz.“
 

Der Eingang zur Höhle von Gelbstern war mit Efeu bewachsen. Sie lag unter einem großen Felsen, dort wo Gelbstern gestanden hatte, als er den anderen Katzen verkündete, dass er, Narupfote, nun zum Feuerclan gehörte. Narupfote schüttelte sich bei der Erinnerung.

„Gelbstern, ich bins, Narupfote. Kakapelz schickt mich.“

„Komm rein,“ schnurrte Gelbstern.

Neugierig betrat Narupfote den Bau. Er sah sich um bevor er in Gelbsterns blaue Augen sah, die ihn genau beobachteten.

„Du hast sicher Heimweh?“

Überrascht sah Narupfote ihn an, wollte sich aber keine Blöße geben.

„Geht schon,“ sagte er knapp.

„Ein Jungtier vermisst seine Mutter, das ist ganz normal.“

Verdammt, was wollte Gelbstern von ihm? Das er sich ihm schluchzend in die Pfoten warf oder was?

„Umgekehrt ist es genauso. Eine Mutter vermisst auch ihr Kind. Aber ich habe Shina gesagt, dass du bei mir bist und das es dir gut geht. Es geht dir doch gut?“

Narupfote war zu verwirrt um sofort zu antworten.

„Narupfote?“

„Ähm, du – hast meine Mutter gesehen?“

„Ja,“ Gelbstern stand auf und umkreiste ihn. „Sie war sehr erleichtert, als ich ihr sagte, das du hier in Sicherheit bist.“

„Oh.“

Er blieb stehen. „Hinapelz war bei mir. Du hast Träume?“

„Träume? Was meinst du? Natürlich habe ich Träume.“

„Hast du auch sehr realistische Träume? In denen du – hm – Dinge siehst, oder fremde Katzen die zu dir sprechen?“

„Ähm, na ja. Manchmal.“ Narupfote wurde rot.

„Verstehe. Möchtest du das Heilen lernen, Narupfote? Du würdest unserem Clan damit sehr helfen.“

„Wieso? Ihr habt doch Hinapelz?“

„WIR haben Hinapelz,“ korrigierte ihn Gelbstern. „Heilerkatzen werden nicht trainiert so wie Krieger, sie werden geboren. Es scheint deine Bestimmung zu sein. Und darum – solltest du es zumindest versuchen, meinst du nicht auch?“

„Na ja schon, es stimmt, ich würde sehr gerne bei Hinapelz wohnen, es ist nur...“

„Was denn?“

„Na ja, die anderen Schüler akzeptieren mich nicht. Weil ich ein Außenseiter und ein Hauskätzchen bin, obwohl ich besser jagen kann,“ fügte er schnell hinzu.

„Aber trotzdem, ich bin eben wohl – anders. Vielleicht will ich bei Hinapelz nicht wohnen, weil ich da wohnen will sondern weil ich von den anderen weg will.“

„Verstehe. Es ist nie leicht anders zu sein. Es wird ganz sicher der Tag kommen, an dem du die Chance bekommst dich zu beweisen. Wenn dieser Tag da ist solltest du sie auf jedem Fall ergreifen.“

Narupfote sah auf.

„Hinapelz ist sehr begeistert von dir. Auch von Kakapelz höre ich nur Gutes.“

„Tatsächlich, Kakapelz hat – gut von mir gesprochen?“

Gelbstern senkte zur Bestätigung den Kopf. „Rayapelz ebenso. Du bist hier nicht so allein wie du vielleicht denkst, Narupfote. Also?“

„Na gut, ich kann es ja versuchen.“

Gelbstern nickte zufrieden. Dann wurde er wieder ernst. Ganz der Anführer.

„Geh zu Hinapelz und sage ihr, das du ihr ab sofort helfen wirst. Wenn sie mit dir zufrieden ist soll sie mir Bescheid geben. Dann gebe ich offiziell bekannt, dass du der Schüler von Hinapelz bist. Und wenn du das nächste Mal kommst erwarte ich, das du nicht mit leerem Maul zu mir kommst. Verstanden?“

„Ja.“

„Gut. Das ist alles, du kannst jetzt gehen.“

Das bedeutete wohl, dass er entlassen war. Narupfote drehte sich um und verließ den Bau. Erst draußen fiel ihm ein, dass er sich nicht angemessen verabschiedet hatte. Aber er war so in Gedanken gewesen. Gelbstern wollte es offiziell bekannt geben? War es denn so etwas Besonderes der Schüler einer Heilerkatze zu sein? Und – er wäre doch trotzdem noch der Schüler von Kakapelz, oder etwa nicht?

Der neue Clan

Wohin jetzt? Kakapelz wollte mit Sakupfote alleine trainieren, Gelbstern hatte ihn sozusagen raus geworfen, Rayapelz war seine Zecken los, Tsukralle kümmerte sich ohnehin lieber um sich selbst, blieb nur noch Hinapelz. Eine Heilerkatze, wie? Nur weil er Träume hatte. Dabei hatte er immer gedacht, das wäre normal. Ohne es zu merken war Narupfote nicht zum Bau der Heilerin gelaufen, sondern hatte sich vom Lager entfernt. Und obendrein – verlaufen.

Aber das war doch die Gelegenheit, um abzuhauen. Niemand hatte ihn aufgehalten, alle waren wohl irgendwie beschäftigt gewesen. Er musste nur nach Süden gehen, dort wo früher der Regenclan war. Irgendwo würde er schon etwas finden, was ihm bekannt vorkam, er konnte zurück zu den Zweibeinern, vielleicht nahm ihn sogar einer auf, der in der Nähe seiner Mutter wohnte. Der Gedanke beflügelte ihn und fröhlich sprang er immer wieder in die Luft, während er in Richtung Süden rannte. Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie untergehen, im Norden ist sie nicht zu sehn, trällerte er vor sich hin.

Da – der Baumstamm, und da waren auch die Büsche. Ja, dahinter lag das ursprüngliche Gebiet des Regenclans, das aufgeteilt worden war. Ein Teil davon gehörte noch zum Feuerclan. Danach gehörte es einem fremden Clan und er, Narupfote, roch noch nicht nach Feuerclan. Jedenfalls hatte Kakapelz das behauptet.

Trotzdem, ich sollte vorsichtig sein, dachte Narupfote. Wer weiß, wie dieser andere Clan so drauf war.

Vorsichtig schlich er sich weiter, plötzlich – Katzenpfoten sausten über die Erde. Was war das? Das war hier noch das Revier des Regenclans. Durch den Busch vor ihm schoss eine graue Katze direkt auf ihn zu. Es war zu spät zum Ausweichen, sowohl Narupfote als auch Kakapelz wussten das in der gleichen Sekunde in der sie sich in die Augen sahen.

Der Zusammenprall erfolgte sehr hart und beide Katzen wurden davon geschleudert, so schnell dass sie sich nirgends festkrallen konnten und sich mehrfach überschlugen.

Es schmerzte und es wurde dunkel.
 

Als Narupfote die Augen öffnete schmerzte immer noch alles. Und es war immer noch dunkel. Aber es roch gut. War er beim Sternenclan? Nein, er war ja noch kein Krieger. Moment, er wollte doch eine Hauskatze sein, oder nicht? Plötzlich erinnerte er sich wieder. Kakapelz war durch das Gebüsch gesprungen. Er erinnerte sich an den Schmerz in den Augen des grauen Katers, als er das Unglück erkannte welches gleich passieren würde. War er in Ordnung? Narupfote musste sofort wissen wo Kakapelz war und wie es ihm ging.

„Nein, bleib liegen.“ Es war die leise Stimme von Hinapelz.

Fragend sah er sie an.

„Kakapelz liegt in der anderen Krankenhöhle.“ Hinapelz drehte sich in die Richtung der zweiten Höhle, die für kranke Katzen bestimmt waren. Ihre Stimme hatte einen traurigen Unterton gehabt.

Alarmiert stand Narupfote auf. „Ich – will ihn sehen.“

Hinapelz schloss die Augen und schüttelte langsam den Kopf. Dann sah sie ihn wieder an mit ihren seltsamen, silberfarbenen Augen. War sie vielleicht blind?

„Ihr habt euch beide zum Glück nichts gebrochen. Nur leichte Verletzungen, Schürfwunden und Prellungen.“

Narupfote bemerkte erst jetzt, das um sein linkes Vorderbein ein Efeublatt gewickelt und festgebunden war. Auch an anderen Stellen seines Körpers waren so eine Art von Verbänden angebracht worden.

Hinapelz waren seine Blicke nicht entgangen. „Ich habe Ginster und Goldrute zu einem Brei zerkaut und dir diesen Brei als Verband angelegt. Auf die anderen Wunden habe ich den Saft von Ampfer geleckt, auch auf deine Pfoten.“

„Ah – danke.“

„Merk es dir, Narupfote. Diese Kräuter sind für solche Verletzungen.“

„Jawohl Hinapelz,“ antwortete er. „Sie war so ähnlich wie Kakapelz oder? Eine Mentorin. „Und – was ist mit Kakapelz?“

Traurig senkte Hinapelz ihren Kopf. „Ich konnte sein Auge nicht retten. Auch das ist eine Lektion die du dir gleich merken kannst, Narupfote. Selbst wenn du dein Bestes gibst kann es passieren, das du nicht helfen kannst.“

Narupfotes Beine gaben nach und er sackte auf das Moosbett. Hinapelz leckte ihm sanft über sein Ohr.

„Das ist schrecklich.“

„Keine Sorge, Kakapelz ist stark, aber ja – es ist schrecklich.“

„Darf ich zu ihm?“ fragte Narupfote. Ob Kakapelz ihn wohl umbringen würde?

Das alles war nur seine Schuld. Wäre er nicht so dumm gewesen und hätte abhauen wollen, wäre er stattdessen den Anweisungen von Gelbstern gefolgt und zu Hinapelz gegangen, dann wäre Kakapelz nicht in ihn hinein gerannt und hätte auch nicht sein Auge verloren.

„Er schläft,“ miaute Hinapelz. „Ich habe ihm Mohnsamen gegen die Schmerzen gegeben.“

Narupfote fühlte sich immer schlechter.

„Das ist nur meine Schuld,“ sagte er leise. „Er wird mich sicher hassen dafür.“

„Wofür hassen, Narupfote?“

„Weil er doch wegen mir sein Auge verloren hat.“

„Was redest du denn? Wieso wegen dir? Das waren die Katzen des Falkenclans.“

Moment mal, was war hier los. „Hinapelz, Kakapelz ist in mich hinein gerannt, darum ist er nun verletzt oder?“

„Nein, davon hat er keine seiner Verletzungen bekommen.“

„Aber, sein Auge, du sagtest...“

Augenblick, Kakapelz war im Gesicht voller Blut gewesen, als er ihn gesehen hatte. Er hatte sich nur so erschrocken, dass es ihm entfallen war und irgendwie hatte er dem keine Beachtung geschenkt, irgendwie hatte er es vergessen.

Hinapelz hatte gesagt, es waren Katzen des Falkenclans, dann bedeutete das - „Kakapelz hat mit den Falkenclankatzen gekämpft.“

Hinapelz nickte. „Wir haben sie nicht bemerkt, sie müssen in der Nacht angekommen sein und haben sich das ehemalige Territorium des Regenclans zu eigen gemacht.“

Aber was war dann mit Sakupfote? Sie hatte er nicht gesehen. Und er wagte es auch nicht, Hinapelz nach ihr zu fragen.

„Sakupfote wurde getötet.“

Erschrocken starrte Narupfote auf seine Pfoten. Langsam sagte er dann: „Ich habe sie nicht gemocht oder besser gesagt, sie hat mich nicht gemocht, aber – ich finde es grausam und schlimm, dass sie so ein Ende gefunden hat. Ist es das, was ein Clan ist?“

Der Traum

„Es ist traurig, das du so denkst“, miaute Hinapelz.

Überrascht sah Narupfote sie an.

„Du solltest wissen, was ein Clan ist. Nicht wahr?“

Ja, ja irgendwo tief in seinem Inneren wusste er, nein kannte er die Bedeutung. Und wenn er ehrlich war, so war seine Flucht mehr als nur halbherzig gewesen. Im Grunde hatte er nur fliehen wollen, weil er sich das irgendwann mal in den Kopf gesetzt hatte.

„Es stimmt, ich bin keine Hauskatze mehr.“

Hinapelz nickte. „Ruh dich jetzt aus. Damit du heute Abend fit bist.“

„Was ist denn heute Abend?“

„Gelbstern wird uns zu einer Versammlung rufen. Natürlich muss das Ganze besprochen werden. Immerhin wurde eine Katze unseres Clans getötet.“

Hinapelz hatte Recht. Das konnte nicht so einfach hingenommen werden. Narupfote nickte verstehend. Dann legte er den Kopf auf seine Pfoten und schlief augenblicklich ein.
 

Narupfote sah sich einer Katze gegenüber. Sie war allein, es war die, die Sakupfote getötet und Kakapelz angegriffen hatte. Und sie war allein. Ihr Fell war so schwarz wie die Nacht. Genau wie die Augen. Die Gelegenheit war günstig. Jetzt konnte er den Feuerclan rächen, seine wahre Natur beweisen. Oh ja, sie war stark, viel stärker als er. Aber sie war gefangen. In einer Fuchsfalle. Wehrlos, und er wäre der Held des Feuerclans. Über sich hörte er den Ruf eines Falken. Langsam, wie an eine Beute schlich er sich an. Die andere Katze sah ihm furchtlos entgegen. Warum? Wusste sie nicht, das er sie töten würde? Doch, das wusste sie. Und jetzt lächelte sie ihm sogar noch aufmunternd zu. Narupfote hielt irritiert inne. Oder war das ein Trick.

„Tu es“, miaute sie mit tiefer wohlklingender Stimme. „Tu es, Narupfote.“

„Du kennst meinen Namen?“

„Ja, du bist mir sofort aufgefallen. Und nun tu was du tun musst und befreie uns beide.“

„Befreien? Wovon?“

„Befreie dich von deiner Außenseiterrolle und befreie mich aus dieser Falle.“

„Du denkst, ich will dich aus der Falle befreien?“

Der schwarze Kater schüttelte den Kopf. „Nein, du sollst mich töten. Oder bist du zu – feige?“
 

Narupfote schreckte hoch und sah sich verwirrt um. Sein Herz klopfte wild und sein Schwanz peitschte den Boden. Hinapelz erschien und Narupfote sprang mit ausgestreckten Krallen gleichzeitig auf allen vier Pfoten auf. Aber dann erkannte er Hinapelz. Und wo er war.

„Ein Traum?“

„Ja nur ein Traum“, nickte Narupfote.

„Ein Traum, aber nicht nur ein Traum, Narupfote. Wir werden bald gehen.“

„Gehen? Wohin denn?“

„Zum hohlen Baum, um den Sternenclan zu besuchen.“

Narupfote schreckte zurück. Dann beugte er sich vor. „Hast du unseren Tod gesehen, Hinapelz?“

Narupfote wusste, dass Hinapelz Prophezeiungen oder etwas ähnliches machen konnte.

Ihre Schnurrhaare zuckten zuerst, dann fing sie wirklich zu schnurren an. Narupfote versteifte sich, als Hinapelz plötzlich näher kam, viel zu nah, und sich an ihm rieb.

Was sollte er tun? Er wusste es nicht, also ließ er sie machen und hielt still, auch wenn er ihr Treiben sehr merkwürdig fand. Plötzlich sprang sie zurück.

„Du liebe Güte, was tue ich da?“ Sie schien tatsächlich über sich selbst erschrocken zu sein.

„Ja, das weiß ich auch nicht“, meinte er knapp.

Mit großen Augen sah sie ihn an. „Heilerkatzen – Heilerkatzen dürfen keine Partner haben“, stotterte sie plötzlich.

„Ich will auch gar keinen Partner haben und schon gar nicht will ich dein Partner sein.“

Narupfotes Stimme klang schroffer als beabsichtigt, aber er war selbst verwirrt. Daher, nicht dass er so mit ihr hatte reden wollen.

Und obwohl sie vorher selbst gesagt hatte, dass Heilerkatzen keine Partner haben dürfen sah er den Schmerz in ihren Augen bevor sie davon eilte.

„Verdammt“, fauchte Narupfote. Er war wütend auf sich selbst. Hinapelz war immer freundlich zu ihm gewesen. Ob sie ihm verzieh? Und wenn ja, dann wollte er gerne wissen was sie damit meinte, dass Heilerkatzen keine Partner und damit auch keine Familie haben durften.

Er legte sich wieder hin. Nur mühsam konnte Narupfote dem Drang widerstehen, Kakapelz zu besuchen, um zu sehen, wie es ihm gimg und um zu hören, was passiert war. Aber er spürte, das durfte er jetzt nicht. Es wäre ein Fehler. Noch einer.
 

Wie voraus gesagt von Hinapelz rief Gelbstern am Abend eine Versammlung ein. Narupfote hatte wieder geschlafen, als er ihn jaulen hörte. Sicher stand er wieder auf dem Felsvorsprung.

„Alle Katzen die alt genug sind, ihre eigene Beute zu erlegen mögen sich hier versammeln.“

Damit war auch Narupfote gemeint. Einen Moment lang überlegte er, ob er nicht einfach liegen bleiben sollte. Aber dann seufzte er und stand auf. Diese Ansprache konnte schließlich nicht ewig dauern. Hinapelz kam geschmeidig aus dem Bau in dem Kakapelz lag. Vermutlich hatte sie sich gerade um ihn gekümmert. Und auf dem Boden vor ihm lag eine fette Maus. Verwundert sah er sie an.

„Kibapfote hat sie gebracht“, erklärte Hinapelz, als sie seinen erstaunten Blick bemerkte.

„Kibapfote? Wieso das?“

„Weil du eine Heilerkatze bist.“ Sie ging an ihm vorbei auf den Ausgang zu.

Ja, jemand hatte gesagt, eine Heilerkatze sei fast so wichtig wie ein Anführer. Narupfote verstand. Aber hatte er wirklich das Zeug zur Heilerkatze oder hatte Hinapelz andere Gründe, warum sie ihn hier haben wollte. Mit einem gewissen Unbehagen dachte Narupfote daran, wie Hinapelz sich an ihn geschmiegt hatte.

Aber jetzt war dafür keine Zeit, er trabte ein paar Schritte bis er neben ihr war. „Wie geht es Kakapelz?“

„Die leere Augenhöhle heilt gut ab. Keine Anzeichen einer Entzündung.“

„Das ist gut, oder?“

„Ja, das ist es.“

„Aber – was wird aus Kakapelz? Ich meine, mit nur einem Auge, da kann er kein Krieger mehr sein.“

„Das mag für Iruschweif und Kurekralle gelten, aber nicht für Kakapelz“, schnurrte sie.

„Keine Ahnung was du meinst, aber es klingt beruhigend.“

Sie waren auf dem Platz angekommen und Narupfote sah Gelbstern. Er wirkte irgendwie anders. Viel ernster und ja auch Erwachsener. Beeindruckender. So hatte Narupfote ihn noch nie gesehen.

Der Sternenclan

„Ihr alle wisst, was geschehen ist. Nicht nur unser Clan wurde angegriffen, der Schneeclan auch.“ Allgemeines Gemurmel.

„Ruhe“, rief Gelbstern sofort. „Ein neuer Clan ist in unser Gebiet gekommen. In vier Tagen wird Vollmond sein. Ich werde mich dann mit den anderen Anführern beraten, was zu tun ist.“

Die Katzen des Feuerclans schwiegen nun. Sie schienen verwirrt zu sein. Plötzlich miaute eine der Katzen fragend und Narupfote erkannte Kibapfotes Stimme, „warum vertreiben wir diesen Clan der Eindringlinge nicht genauso wie den Regenclan?“

„Kibapfote“, rief Gelbstern scharf. „Es war nicht ehrenhaft den Regenclan zu vertreiben. Und sie waren auch keine Eindringlinge. Zur Zeit der Blattleere haben alle Clans hier im Gebiet gehungert und die Königinnen haben ihre Jungen verloren, weil sie keine Milch hatten. Einzig der Regenclan hatte genug Beute.“ Gelbstern machte eine Pause. „Wir haben den Regenclan gebeten uns in der Zeit der Blattleere auf ihrem Gebiet jagen zu lassen doch Buchenstern hat abgelehnt. Darum haben wir beschlossen diesen Clan zu vertreiben."

Gelbstern erhob sich nun wieder zu seiner vollen Größe. „Dieser neue Clan ist anders als wir und der Regenclan. Sie haben ohne Grund und Vorwarnung angegriffen und getötet. Die Lage ist ernst. Ich werde später entscheiden, wen ich mitnehmen werde. Hiermit ist die Versammlung beendet.“

Ohne ein weiteres Wort sprang Gelbstern geschmeidig von seinem Felsen und verzog sich in seine Höhle.

Narupfote fühlte die seltsame Atmosphäre auf der Lichtung. Und – er fühlte auch mit Gelbstern, denn er war allein, ohne Gefährtin, allein in seinem Bau und das in dieser Situation.

„Ich bin Shikapfote“, sagte plötzlich eine Stimme neben ihm. Ein großer braunschwarzer Kater stand vor ihm. Größer als er, aber sicher nicht älter. „Der Schüler von Sumakralle.“

„Aha. Sollte ich wissen wer das ist?“

„Ja, du solltest die Katzen deines Clans kennen, Narupfote.“

Hatte er eben die Katzen deines Clans gesagt?

„Besonders in dieser Situation. Und vor allem in deiner Position. Du willst doch nicht aus Versehen gegen deinen eigenen Clan kämpfen, oder?“

„Kämpfen? Wird es zum Kampf kommen?“

„Ich denke schon oder glaubst du, wir können dem neuen Clan freundlich zunicken, nachdem sie Sakupfote getötet haben?“

Narupfote senkte den Kopf und sah betreten auf seine Pfoten. Verlegen fuhr er die Krallen aus und ein. Shikapfote stand auf und ging an ihm vorbei. Plötzlich blieb er stehen. „Ich glaube, wir beide werden zur Versammlung mitgenommen“, miaute er leise dann lief er weiter.

Wieso wir beide, hätte Narupfote gerne gefragt, aber er schwieg. Und was meinte Shikapfote mit Position?

„Es wird Zeit, Narupfote.“

Narupfote schreckte herum. Er hatte Hinapelz weder gerochen noch gehört.

„Zeit, Zeit wofür?“

„Um zu sehen, ob der Sternenclan dich akzeptiert.“

„Wie?“

„Narupfote, ich sagte doch es ist Zeit bald zu gehen?“

„Ja, ja schon, aber ich dachte nicht, dass es heute schon Zeit ist.“

„Doch, heute ist sogar die beste Zeit.“ Hinapelz sah zum Himmel. „Der Sternenclan wartet nämlich schon, also komm.“

„Äh Moment mal, einfach so?“

Hinapelz drehte sich um. Sie sah ihn fragend aus ihren silberfarbenen Augen an. Augen wie die Sterne, wie der Mond.

„Was meinst du mit einfach so?“

„Tja, na ja, ich dachte an Vorbereitungen oder so. Und - wir können Kakapelz doch jetzt nicht alleine lassen also, das ist...“

„Er hat starke Schmerzen, ich habe ihm Mohnsamen gegeben und er wird schlafen bis wir zurück sind. Es ist nicht weit, Narupfote.“

„Nicht weit?“ Narupfote sah zum Himmel. „Mir kommt es sehr weit vor.“

Hinapelz folgte seinem Blick. „Ja, dort oben jagen die Katzen des Sternenclans, aber dort gehen wir nicht hin. Noch nicht. Und jetzt komm.“

Narupfote folgte Hinapelz schweigend. Sie kamen an die Grenze zum Schneeclan. Narupfote konnte den anderen Clan riechen. Von den Grenz- Patrouillen, die er mit Kakapelz und Sakupfote gemacht hatte wusste er, dass es gefährlich war, über die Grenze zu gehen, in das Revier eines anderen Clans. Er zögerte.

„Heilerkatzen können in Nächten wie diesen ohne Gefahr andere Reviere betreten“, erklärte Hinapelz.

„Verstehe“, miaute Narupfote. Aber nicht das Revier des neuen und fremden Clans, dachte er.

Nach knapp einer Stunde kamen sie zu einer versteckten Höhle. Efeuranken hingen davor. Sie leuchteten silberfarben in der Nacht.

„Giftiger Efeu“, sagte Hinapelz leise und ging hindurch.

Narupfote folgte ihr. Er spürte, dass das ein heiliger Ort war. Ohne ein Wort kauerte er sich gegen die feuchte, kalte Erde. Hinapelz kauerte sich dicht neben ihn und hielt ihn warm. Narupfote schloss die Augen.

Plötzlich sah er den Platz an dem sie waren, obwohl er die Augen geschlossen hatte. Ohne ein Geräusch war er mit einmal übersät von lauter fremden Katzen, die er noch nie gesehen hatte. Sie schienen ihn auch nicht zu sehen oder sie ignorierten ihn. Und irgendwie waren sie anders. Aber dann sah er den Umriss einer Katze, die er kannte. Es war Gelbstern. Wie kam er denn zu den Sternenclankatzen und wieso war er so – durchsichtig? Es sah aus als könne er seine Gedanken lesen und würde lachen. Dann sah er noch eine bekannte Katze. Sakupfote. Sie stellte sich direkt vor ihn. Obwohl sie eben noch, genau wie alle anderen Katzen leuchtete und schimmerte, hatte sie plötzlich ihr altes Fell wieder, aber es war zerzaust und voller Blut. Mit Schrecken sah er so tiefe Bisswunden, dass er alleine bei dem Anblick ihren körperlichen Schmerz spürte. Den gleichen Schmerz und die Trauer sah er in ihren Augen. Im nächsten Moment war sie wieder eine Sternenclankatze. Narupfote erhob sich erschüttert, drehte sich um und rannte davon. Keinen Augenblick länger konnte er das ertragen.

Er rannte bis zum Heilerbau und legte sich dort in die hinterste Ecke. Kurz nach ihm kam Hinapelz. Sie schmiegte sich wieder an Narupfote bis er aufhörte zu zittern.

„W-was war das?“

„Der Sternenclan. Sie haben sich dir vorgestellt, Narupfote. Und dich akzeptiert.“

Hinapelz klang freudig erregt. Aber Narupfote war sich nicht sicher, ob er sich darüber freuen sollte.

„Ich habe Sakupfote gesehen, ihr ist – schreckliches widerfahren.“

„Ja. Daran siehst du mit wem wir es zu tun haben.“

„Ich habe auch Gelbstern gesehen. Ist er tot?“

„Nein, nein noch nicht.“

Hinapelz Wärme beruhigte ihn und er wurde müde. Schließlich schlief Narupfote ein.

Hinapelz's Bestrafung

In der Nacht wurde Narupfote von Hinapelz geweckt. Sie wollte etwas, was eine Heilerkatze doch nach ihrer eigenen Aussage gar nicht durfte. Und doch – sie konnte anscheinend nicht aufhören. Immer wieder drängte sie sich an ihn, und Narupfote, der irgendwie nicht richtig wach wurde, konnte ihr nicht ausweichen. Ihm wurde klar, das sie ihm etwas gegeben hatte. Irgendein Kraut. Dazu noch ihr Geruch. Sie war zweifellos läufig. „A-Aber was ist mit Kakapelz, er – wird uns hören“, versuchte es Narupfote, aber wenn er ehrlich zu sich war, er wollte überhaupt nicht mehr ausweichen. „Selbst wenn, diese Nacht gehört uns, Narupfote. Nur – diese einzige Nacht, mehr will ich doch gar nicht“, miaute sie und rieb sich schnurrend an ihm. Narupfote gab auf.

„Nur – diese – Nacht,“ wiederholte er leise.

Ja, es würde nur diese eine Nacht sein, das wussten sie beide.
 

Am nächsten Tag weckte Hinapelz Narupfote nicht, sie ließ ihn ausschlafen. Erst als er wach war setzte sie sich vor ihn. „Narupfote, es wäre möglich, dass es zum Kampf kommt.“

„Was? In Ordnung, ich bin bereit.“

„Nein das bist du nicht. Du bist noch kein Krieger. Du wirst mir helfen, unseren Kräutervorrat aufzustocken und – für den Fall eines Kampfes – an meiner Seite sein und den verletzten Katzen helfen.“

Narupfote wollte protestieren, er erinnerte sich an seinen Traum, aber dann nickte er nur. Er hatte so gut wie keine Erfahrung im Kampf. Dadurch das Kakapelz immer noch Schmerzen hatte und sich zuerst zurecht finden musste mit einem Auge, und auch den Tod seiner Schülerin verkraften musste, hatte Narupfote keinerlei Training bekommen.

Hinapelz schien ihm anzusehen, was er dachte. „Gut, hör zu, wir werden wohl den ganzen Tag unterwegs sein. Wenn wir die Kräuter die wir suchen vor Sonnenuntergang finden, werde ich dich im Kampf trainieren.“

„Du kannst kämpfen?“ fragte Narupfote überrascht.

Hinapelz schnurrte nur.

„Na dann, worauf warten wir noch?“ Narupfote eilte voraus, blieb aber dann wieder abrupt stehen, „öhm, wohin wollen wir?“

„Zum Fluss,“ Hinapelz sprang geschmeidig aus der Höhle und Narupfote folgte ihr. Der schwarze Pelz, die silbernen Augen, ihre Bewegungen – Narupfote konnte den Blick nicht von ihr lassen. Es war für ihn das erste Mal gewesen. Für Hinapelz sicher auch. Warum er? Und warum – behandelte sie ihn nun so, als sei nichts passiert? Ja, es war so ausgemacht, aber – warum dann überhaupt? Unsicher tapste Narupfote hinter ihr her bis sie zum Fluss kamen.

Hinapelz sah sich bereit nach den gesuchten Kräutern um, als plötzlich mit unglaublichem Getöse zwei Blitze in den Fluss schossen, bevor es kurz regnete und dann aufhörte.

„Oh Mann, hab ich mich erschreckt,“ stöhnte Narupfote und rieb seinen Kopf gegen den Boden. „Was für ein Krach.“

Hinapelz saß ruhig dort, wo sie auch zuvor gesessen hatte. „Der zweite Verstoß gegen die Regel des Sternenclans,“ miaute sie leise.

„Was meinst du?“ wollte Narupfote wissen, aber er bekam keine Antwort. „Hinapelz?“

Nanu? „Hinapelz redest du nicht mehr mit mir?“

Immer noch keine Antwort. Vorsichtig stupste Narupfote sie mit der Nase an. Hinapelz drehte langsam den Kopf zu ihm. In ihren Augen konnte er Trauer sehen und – aus ihren Ohren floss Blut. Der Schrecken, als er erkannte was passiert war, fuhr Narupfote in alle Glieder und sein Blut schien sich wie Eis durch seine Adern zu bewegen. Hinapelz war taub geworden.

Schweigend zeigte sie ihm die Kräuter die sie brauchten, und erklärte ihm deren Bedeutung. Obwohl sie selbst nichts hörte. Es war so – deprimierend. Gab es nichts, was man tun konnte. Narupfote versuchte sich mit Zeichen verständlich zu machen, aber Hinapelz schüttelte den Kopf. „Das ist die Strafe des Sternenclans.“

„Das kann doch nicht sein, dann müsste ich doch auch bestraft werden.“

Wieder benutzte er Zeichensprache, bewegte seine Ohren, zeigte mit der Pfote zum Himmel und auf sich selbst. Hinapelz schüttelte wieder den Kopf. „Narupfote, sei so nett und fang mir eine Maus.“

Narupfote tat was Hinapelz sagte. Er selbst hatte noch keinen Hunger, und ein Vogel war einfacher, aber wenn es eine Maus sein sollte, das war auch kein Problem. Seine Ohren waren wieder in Ordnung, er kauerte sich auf den Boden und lauschte. Kurz darauf hörte er das Trippeln von kleinen Füßen. Er sah in die Richtung, und sah eine schöne fette Maus, die sich an einem Grashalm empor hangelte. Glück musste man haben. Hier musste er sich nicht lange an schleichen. Er spannte die Muskeln an, achtete auf die Entfernung und sprang. Mit einem schnellen Biss in den Nacken tötete er sie und brachte die Beute zu Hinapelz. Er legte sie vor ihre Füße. Hinapelz nahm eine Beere. Der Geruch kam Narupfote bekannt vor. Mit dem Maul riss Hinapelz der Maus den Bauch auf und steckte die Beere in die Maus, dann schob sie sie zu Narupfote. Gestern – da war es auch so gewesen. Hinapelz hatte ihm eine am Bauch aufgerissene Maus zugeschoben, er hatte sich noch gewundert, sich aber keine weiteren Gedanken gemacht. Und ja, sie hatte auch diesen seltsamen Geruch gehabt. Narupfote sah Hinapelz an. Die nahm die Maus in ihr Maul und ließ sie in den Fluss fallen, wo sie noch kurz an der Oberfläche schwamm und dann versank. Narupfote verstand. Also hatte Hinapelz ihm tatsächlich irgendeine Art von – tja von was – Liebesbeere? gegeben um ihn gefügig zu machen?

Darum wurde sie bestraft, aber nicht er? Wollte sie das damit sagen?

Warum hatte sie es überhaupt getan, sie war doch so – entsetzt gewesen über sich selbst, als sie sich an ihn geschmiegt hatte.

„Warum?“ flüsterte Narupfote leise. Er wusste, sie konnte ihn nicht mehr hören, trotzdem musste er die Frage einfach stellen. Aber Hinapelz schüttelte so heftig den Kopf, das Blutstropfen rechts und links aus ihren Ohren geschleudert wurden. Narupfote wusste nicht, ob sie es nicht sagen konnte, wollte oder vielleicht selbst nicht wusste. Er fühlte sich dennoch schuldig und traurig. Hinapelz rieb tröstend ihren Kopf an seinem Gesicht und zeigte auf die Buchenblätter, die sie gesammelt hatten. Mit den Pfoten verteilte sie sie und Narupfote half ihr dabei.

Dann legte sie die Bachminze und die Baldrianblätter auf zwei verschiedene Haufen. Narupfote half ihr dabei. Anschließend nahm sie ein wenig Bachminze und zwei Baldrianblätter in ihr Maul und kaute darauf herum, bis beide zu einem Brei vermischt waren. Diesen spuckte sie dann auf ein Buchenblatt, und rollte es zusammen. Mit einem Grashalm befestigte sie es so geschickt, das der Brei im Buchenblatt eingeschlossen blieb. Narupfote, der sie genau beobachtet hatte, kaute den Brei und spuckte ihn auf die Buchenblätter, während Hinapelz diese zuband. Als sie fertig waren, sah Narupfote sie fragend an. „Es hilft gegen Bauchschmerzen,“ miaute sie zaghaft und Narupfote merkte, das ihre Taubheit es ihr schwer machte zu reden, obwohl sie nicht stumm war. Ja, es verunsicherte sie mehr, als er anfangs gedacht hatte. Narupfote und Hinapelz trugen die verschnürten Buchenblätter zurück ins Lager und er nahm sich vor, mit Hinapelz möglichst wenig zu jaulen, und stattdessen mehr Körpersprache zu benutzen, um ihr die Peinlichkeit zu ersparen. Das hatte sie nicht verdient. Gut, sie hatte ihm was gegeben und es war sicher nicht richtig, aber so eine Strafe, das war sehr grausam vom Sternenclan.

Als sie in den Bau zurückkamen wurden sie von Kakapelz freudig begrüßt, es schien ihm viel besser zu gehen und Narupfote sah, dass er nicht nur sein eigenes Bett neu gemacht hatte, sondern das von Hinapelz und Narupfote auch noch.

Kakapelz wandte sich zuerst an Hinapelz. „Ich danke dir, Hinapelz, ohne dich wäre ich...“

„Kakapelz,“ unterbrach ihn Narupfote. „Hm?“ Narupfotes Miauen hatte ihn aufhorchen lassen. „Hinapelz ist taub.“

„Wie bitte? Wie ist das passiert?“ Kakapelz war sichtlich geschockt.

„Wir waren am Fluss und haben Kräuter gesucht, als plötzlich ein Blitz mit Getöse im Wasser einschlug. Hinapelz stand zu nah.“

Mehr musste Kakapelz nicht wissen.

„Das ist schlecht,“ miaute er leise. Seine ganze Energie von vorhin schien mit einem Schlag verschwunden zu sein.

„Ich werde gehen und Gelbstern die Neuigkeit berichten,“ erklärte er niedergeschlagen.

„Gut, wie du meinst, Kakapelz. Berichte ihm auch, das nur ihre Ohren betroffen sind, aber nicht ihr Verstand.“

Kakapelz sah Narupfote überrascht an. Dann lächelte er. „Verstehe. Und du passt bestimmt gut auf, Narupfote?“

Narupfote nickte, „darauf kannst du dich verlassen.“

„Gut zu wissen.“

„Ah danke Kakapelz, dass du das Moos auf meinem Lager gewechselt hast, ich hatte übrigens den Eindruck du wolltest mir was sagen?“

Kakapelz nickte. „Ich habe keinen weiteren Schüler mehr, außer dir.“

Narupfote senkte den Kopf. „Es tut mir wirklich leid, wegen Sakupfote, ich habe gesehen, wie sehr sie gelitten hat.“

„Du hast es gesehen,“ fragte Kakapelz überrascht.

„Ja, als ich vom Sternenclan begrüßt wurde, auch Sakupfote war da.“

„Verstehe. Wie gesagt, außer dir habe ich zur Zeit keinen Schüler. Ich werde dir all mein Können beibringen, Narupfote.“

Narupfotes Schwanz stellte sich vor Freude auf. „Das ist wunderbar. Wann denn?“

„Nach der Versammlung, bist du einverstanden?“

„Und ob ich das bin.“

Kakapelz schnurrte und leckte Narupfote über das Ohr. Dann drehte er sich um und verließ den Bau.

Der vierte Clan

Gelbstern, der Anführer vom Feuerclan, Gaarastern, der Anführer vom Sandclan und Killerstern, der Anführer vom Schneeclan hatten sich getroffen, um sich zu beraten was gegen oder wegen des neuen Clans zu tun sei. Der Anführer des neuen Clans, des Falkenclans, Sasustern war uneingeladen auf dieser Versammlung erschienen. Gelbstern war mit seinen beiden Vertrauten, die ihn begleitet hatten wieder zurückgekommen und berief eine Versammlung ein. Er teilte dem Feuerclan mit, dass sie den Falkenclan dulden würden. Ungläubiges Miauen. Die Grenzen würden neu gesetzt und markiert werden, außerdem verbot er jeden Schritt auf deren Gebiet, sonst könne er für nichts garantieren, miaute er vom Felsen herunter. Natürlich kam sie, die Frage aller Fragen. Was man tun würde in der Zeit der Blattleere. Gelbstern sah die Fragstellerin streng an. Das solle man gefälligst ihm überlassen, fauchte er. Und wenn dem Clan etwas nicht passen würde, so sei er , Gelbstern jederzeit und überall bereit jede Herausforderung anzunehmen, egal wie lächerlich sie auch sein möge.

Damit sprang er vom Felsen und verzog sich in seinen Bau. Verwirrte Katzen blieben im Lager zurück. So kannten sie ihren Anführer nicht. Jede wusste, etwas war passiert, aber auch die beiden Vertrauten hüllten sich in eisiges Schweigen. Es gab allerhand Spekulationen, aber wirklich wissen tat keiner etwas.

Narupfote beschloss, für den Clan zu tun was er tun konnte, was im Bereich seiner Fähigkeiten lag. Er lief Grenzpatrouillen, ging mit Jagdrotten, erlernte die Kampfkünste von Kakapelz und die Heilkunst von Hinapelz.

Hinapelz gestand ihm irgendwann, das sie zu dieser List gegriffen hatte, weil sie ihn liebte. Sie schämte sich schrecklich, sich in so einen jungen Kater verliebt zu haben, und wünschte sich nichts sehnlicher als Kinder von ihm. Als der Sternenclan ihr auch noch mitteilte, dass Narupfote als Heiler geboren sei, glaubte sie es sei Schicksal. Sie wartete, bis er alt genug war, und verabreichte ihr die Beere, wohl wissend, dass der Sternenclan sie bestrafen würde, aber ihre Liebe zu ihm sei so tief und unendlich, dass sie entschied, diese Strafe auf sich zu nehmen. Hauptsache, sie hatte Junge von ihm. Das würde ihr schon genügen. Mehr wolle sie gar nicht. Ihn sehen, ihn beobachten, in seiner Nähe sein, und kleine kuschelige Katzen mit langem goldenen Fell und blauen Augen bei sich liegen haben, die "Mama" nach ihr riefen.

Narupfote war von ihrem Geständnis ziemlich erschüttert. Er war inzwischen alt genug, immerhin waren schon vier Monde vergangen, um ihre Gefühle zu verstehen, um zu verstehen, was es für sie bedeutete, auch wenn er selbst nicht die gleichen Gefühle hegte, so mochte er sie doch sehr gerne. Und das jemand eine solche Strafe aus Liebe zu ihm in Kauf nahm, bewegte ihn sehr. Aber Hinapelz war nicht trächtig geworden. Ihre Beziehung war zu einer Freundschaft geworden. Sie gaben sich gegenseitig die Zunge und säuberten ihr Fell. Ja, Hinapelz war eine wunderschöne und gefühlvolle Katze mit großem Wissen und vom Sternenclan als Heilerkatze auserwählt. Ihre Liebe war echt und Narupfote respektierte sie mit jedem Haar seines Fells. Er bedauerte es zutiefst, dass er nicht die gleichen Gefühle für sie hatte, wie sie für ihn.

Dennoch, ihren Wunsch nach Kindern, den wollte er ihr erfüllen, sofern der Sternenclan sie nicht wieder bestrafen würde. Hinapelz war überglücklich und zog los, um den Sternenclan zu befragen. Als sie zurückkam schmiegte sie sich an ihn und schnurrte,“Narupfote, der Sternenclan hat mir mitgeteilt, das ich dieses Mal zwei Kinder von dir bekommen darf, einen Jungen und ein Mädchen.“

„Wirklich und – der Sternenclan ist auch wirklich damit einverstanden?“

Hinapelz nickte. „Sobald du zum Heiler und Krieger ernannt wirst, erlaubt mir der Sternenclan zwei deiner Kinder zu gebären.“

„Das ist doch gut, nicht wahr, Hinapelz?“

Sie sah ihm in die azurblauen Augen. „Oja, das ist es. Narupfote, ich bin sehr glücklich. Und – vergiss das niemals, egal was passieren sollte.“

Das sah man ihr an. Narupfote senkte den Kopf und schnurrte: „In Ordnung.“
 

Nach fast zwei Monden war es soweit. Die Bäume veränderten schon ihre Blätter, was bedeutete, das die Blattleere kurz bevorstand. Damit wurden auch die Katzen langsam nervös, denn sie wussten immer noch nicht, was das für sie bedeuten würde, jetzt, wo der Falkenclan im Gebiet des ehemaligen Regenclans lebte. Hatte ihr Anführer einen Kompromiss ausgehandelt? Oder mussten sie wieder hungern? Musste vielleicht möglicherweise sogar die ein oder andere Katze verhungern? Aber es war nicht nur das. Wenn es keine Frischbeute gab und sie hungern würden, kämen auch die Krankheiten. Ganze Epidemien könnten kommen und der Gestank von kranken Katzen würde die Füchse und Dachse anziehen. Und noch schlimmer – Ratten.
 

Alle Schüler waren aufgeregt und liefen mit steil aufgerichteten Schwänzen durch die Gegend. Die letzten Wochen war Narupfote auch von Rayapelz ausgebildet worden. Der alte Kater kam nun öfters aus seinem Bau heraus, genau wie Tsukralle. Tsukralle folgte ihnen, legte sich in die Sonne und sah ihnen zu bei ihrem Training. Ab und zu forderte sie Narupfote heraus oder gab ihm den ein und anderen Tipp. Die beiden Ältesten mochten den quirligen Kater. Besonders Rayapelz wurde er immer wichtiger und darum nahm er ihn beim Training auch besonders hart ran. Noch härter als Kakapelz. Rayapelz hatte selbst keine Nachkommen und Narupfote wurde für ihn eine Art Ersatzsohn oder Enkel. Je stärker er war, desto schwerer war er zu besiegen. Nach diesem Motto ließ er Narupfote schuften und trainieren bis zum umfallen.
 

Dann, am Abend eines warmes letzten Herbsttages sprang Gelbstern auf den Felsvorsprung. Sein Fell leuchtete in der untergehenden Sonne fast rot, als er jaulte: „Alle Katzen, die alt genug sind, selbst Beute zu erlegen, mögen sich unter dem Felsen versammeln.“ Eigentlich war es eine Formsache, denn jeder stand schon hier. Nur einige wenige kamen aus ihrem Bau, sogar Rayapelz und Tsukralle waren anwesend, um Narupfotes Ernennung zum Krieger mitzuerleben.

Naruglanz

„Shikapfote, ich empfehle dich dem Sternenclan als neuen Krieger. Möge der Clan von deiner Intelligenz und deinem Mut profitieren. Bist du damit einverstanden und schwörst du, den Feuerclan mit all deinem Können zu unterstützen und sogar mit deinem Leben zu beschützen?“

„Ja, ich schwöre.“

„Dann gebe ich dir jetzt deinen Kriegernamen. Shikapfote, du heißt ab sofort Shikakralle.“

Die Katzen jaulten im Chor „Shikakralle, Shikakralle," während Gelbstern zu Shikakralle ging, der sein Haupt vor Gelbstern senkte. Gelbstern legte seinen Kopf auf Shikakralle und dieser leckte Gelbstern an der Schulter.
 

„Shinopfote, ich empfehle dich dem Sternenclan als neuen Krieger. Möge der Clan von deiner Intelligenz und deinem Stolz profitieren. Bist du damit einverstanden und schwörst du, den Feuerclan mit all deinem Können zu unterstützen und sogar mit deinem Leben zu beschützen?“

„Ja, ich schwöre.“

„Dann gebe ich dir jetzt deinen Kriegernamen. Shinopfote, du heißt ab sofort Shinoschweif.“

Die Katzen jaulten wieder im Chor „Shinoschweif, Shinoschweif," während Gelbstern zu Shinoschweif ging, der sein Haupt vor Gelbstern senkte. Gelbstern legte seinen Kopf auf Shinoschweif und dieser leckte Gelbstern an der Schulter.
 

Als nächstes rief Gelbstern Kibapfote zu sich. Wieder erfolgte die gleiche Zeremonie und Narupfote, der zu anfangs noch ungeduldig war, wurde plötzlich von Ehrfurcht ergriffen. Gemeinsam mit den anderen Katzen jaulte er den neuen Kriegernamen von Kibapfote. „Kibazahn, Kibazahn.“
 

Dann wurde er selbst von Gelbstern gerufen. Wie benebelt ging er mit hoch erhobenem Haupt zu ihm.

„Narupfote, ich empfehle dich dem Sternenclan als neuen Krieger und Heiler. Möge der Clan von deinem Wissen und deiner Kraft profitieren. Bist du einverstanden und schwörst du, den Feuerclan mit all deinem Können treu zu dienen und ihn sogar mit deinem Leben zu beschützen?“

„Ja, ich schwöre.“

„Dann gebe ich dir jetzt deinen neuen Namen. Narupfote, du heißt ab sofort Naruglanz.“

Der Clan jaulte „Naruglanz, Naruglanz.“
 

Gelbstern legte seinen Kopf auf den von Naruglanz und Naruglanz leckte ihm die Schulter. Er hatte das Gefühl, Gelbstern ließ seinen Kopf etwas länger auf seinem liegen, als er es bei den anderen getan hatte, aber vielleicht war das auch nur Einbildung. Oder es war, weil er nicht nur zum Krieger sondern auch zum Heiler ernannt worden war. Aber Gelbstern flüsterte ihm plötzlich ins Ohr: „Ich bin stolz auf dich, mein Sohn.“

Als wäre nichts gewesen wandte sich Gelbstern ab, sprang wieder auf den Felsen und rief. „Katzen des Feuerclans. Uns wurden heute drei neue Krieger und ein Heiler vom Sternenclan geschenkt.“

Die Katzen jubelten wieder.

„Wir alle bitten den Sternenclan darum, über uns zu wachen und werden selbst unser Bestes zu tun, um seinen Gesetzen zu folgen.“

Wieder zustimmendes Gejaule.
 

Naruglanz war wie trunken von der Zeremonie und vor Stolz. Er bemerkte nicht einmal wie Hinapelz ihn begeistert beobachtete. Ja, sie würde ihm zwei Junge gebären, doch das es keine Strafe mehr geben würde, war gelogen.

Hinapelz zog sich in den Heilerbau zurück um auf Naruglanz zu warten.
 

Zwei Monde später wurde ein goldener Kater und eine schwarze Kätzin geboren. Goldblüte und Schwarzblume nannte Hinapelz ihre Jungen.

„Darf ich reinkommen?“ Gelbstern kratzte am Eingang damit Hinapelz ihn bemerkte.

„Komm herein, Gelbstern, ich kann dich riechen“, miaute Hinapelz.

Gelbstern trat ein. Hinapelz hatte sich zwei Nester gebaut. Eine weit hinten, für die Nacht und wenn es kalt war, eine zweite weit vorne, falls die Sonne schien. Auch wenn die Zeit des Schneefalls da war.

Gelbstern betrachtete stolz ihre Jungen, waren sie schließlich auch seine Enkel, aber es lag auch Trauer in seinen Augen als er Hinapelz ansah.

„Naruglanz ist ein guter Vater,“ schnurrte Hinapelz. „Du kannst auf deinen Sohn sehr stolz sein.“

Gelbstern nickte. Er wusste, das Hinapelz Naruglanz sehr wichtig war. Auch wenn er sie nicht wirklich liebte. Nicht wie ein Kater seine Gefährtin liebte. Normalerweise.

Wie lange würde Hinapelz noch an seiner Seite bleiben?

Die Kleinen drängten sich dicht an den Bauch ihrer Mutter. Hinapelz sah glücklich aus. Also waren die Jungen wohl in Sicherheit. Und das wiederum bedeutete, dass sie bis zum Ende gesäugt werden konnten, solange sie Milch bräuchten, wäre Hinapelz für sie da. Er nickte zum Zeichen das er verstanden hatte.

Hinapelz senkte kurz den Kopf. Dann hob sie ihn wieder. „Ich hätte nie erwartet, dass in der Zeit der Blattleere und des Schneefalls so viele Beutetiere hier sein würden.“

Gelbsterns Blick verdunkelte sich leicht. Hinapelz fuhr fort: „Auch wenn sie nach Fuchsdung riechen, so kann ich doch noch einen anderen Geruch wahrnehmen. Den Geruch von Zweibeinern.“

Gelbstern legte sich hin. „Es stimmt. Der Falkenclan hat in seinem Revier einen Tunnel gegraben, der in den Zweibeinerort führt.“

Gelbstern nickte ihr zu, malte mit der Kralle einen Falken und einen Kreis darum. Das Revier. Dann zog er eine Linie vom Kreis und ließ sie dort enden, wo er zwei Striche gezeichnet hatte, als Symbol für einen Zweibeiner.

Hinapelz sah ihn erschrocken an.

Gelbstern wandte den Kopf ab und knurrte. Der Falkenclan war sich nicht zu schade, die Beute der Zweibeiner in den Wald zu treiben und zu jagen. Sie hatten keine Ehre. Aber wenigstens musste sein Clan nicht hungern, oder sterben. Obwohl das den Clankatzen sicher lieber gewesen wäre, hätten sie gewusst, woher die Beutetiere stammten.

Hinapelz schwieg. Dann miaute sie leise. „Die Zeiten werden sich wieder ändern, Gelbstern.“

Gelbstern nickte, dann stand er auf und ging.

Er hoffte, das Hinapelz recht hatte. Mit den neuen Kriegern und den Jungen und vielleicht unter der Führung von Naruglanz hoffte er auf ein neues Zeitalter, das den Feuerclan stärker machte, als den würdelosen Falkenclan.

Dein Herz

Er konnte verstehen, dass eine Katze Junge wollte, selbst, wenn es eine Heilerin war. Er konnte sogar verstehen, dass sie von dem Kater Junge wollte, den sie liebte, selbst wenn ihre Liebe nicht vollständig erwidert wurde. Aber – er konnte nicht verstehen, warum sie bereit war, dafür zu sterben. Hatte ihre Taubheit dem Sternenclan also nicht gereicht?

Hinapelz war schön, klug, treu, sanftmütig, liebevoll, eine herzensgute Mutter, und zweifelte mit keinem einzigen Schnurrhaar am Sternenclan, aber trotzdem war es diesem immer noch nicht genug?

Naruglanz spürte Wut in sich aufsteigen von der er wusste, dass Streifennase, der Heiler vom Regenclan, der diesen weiten Weg auf sich genommen hatte, um mit ihm zu reden, das mit seinem Besuch nicht erreichen wollte, deswegen versuchte er sie zu unterdrücken, aber – es ging nicht.

Er erinnerte sich wie er Hinapelz während der Geburt beigestanden hatte, sie hatte ihm selbst da noch ihr Wissen weitergegeben.

Für beziehungsweise während der Geburt hatte er ihr auf ihr Geheiß hin Himbeerblätter gebracht, da es die Schmerzen der Mutter lindert und die Blutung stoppt. Er war begeistert gewesen, und unendlich dankbar, dass er bei der Geburt dabei sein durfte. Zuerst hatte er das schwarze Köpfchen mit dem rosa Näschen von Schwarzblume gesehen, der einzige Unterschied zu Hinapelz war, das Schwarzblume blaue Augen hatte. Dann kam Goldblüte, dessen Augen am Anfang auch blau waren, mittlerweile wurden sie immer heller, aber nicht weiß wie die von Hinapelz, sondern ungewöhnlicherweise von der gleichen Farbe wie sein Fell. Goldfarben. Naruglanz und auch sonst keine Katze hatte je solch eine Augenfarbe gesehen, darum glaubten alle, Goldblüte wäre etwas Besonderes. Für ihn als Vater war er das sowieso, aber Naruglanz glaubte nicht, das sein Sohn irgendwie auserwählt sei. Farben sind Farben.

Später hatte er Hinapelz Borretsch gebracht, um die Milchproduktion anzuregen.

Das alles sollte vorbei sein, sobald die Jungen Fleisch fressen konnten? Niemals.

Er rannte los, bis er zum alten Baum kam und schrie hoch zum Sternenclan. „NIEMALS.“

Naruglanz fühlte sich plötzlich hilflos gegenüber dem Sternenclan. Auch wenn sie nicht mit ihm sprechen würden, er wollte mit ihnen reden.

Also legte er sich hin und schloss die Augen. Er wartete darauf, ob er nicht doch in den Zustand kommen würde, wie für gewöhnlich, wenn er sich mit dem Sternenclan die Zunge gab.

Es vergingen wohl gute zwei Stunden, denn das Sonnenhoch begann schon, als immer noch nichts passiert war. Naruglanz beschloss zu reden. Er wusste, sie würden ihn hören, selbst wenn sie keine Antwort gaben.

Leider wusste er nicht mehr genau, was Streifennase ihm gesagt hatte. Das er um Hinapelz Leben bitten sollte? War es das gewesen?

„Katzen des Sternenclans, hört mich an. Ich bitte euch, Hinapelz am Leben zu lassen, und den Kindern nicht die Mutter zu nehmen, dem Clan nicht die Heilerin. Ich tue dafür alles, was ihr wollt.“

Keine Antwort.

Streifennase hatte gesagt, er solle demütig sein.

„Ich bitte die Katzen des Sternenclans mir zu verzeihen, dass ich nach der Nachricht von Hinapelz geplantem Tod euch nicht angemessen demütig gegenüber trete. Das tut mir sehr leid. Und ich bitte deswegen um euer Verständnis.“

„Naruglanz.“ Endlich, endlich hörte er eine gespenstische Stimme. „Es war Hinapelz Entscheidung, sie hat ihr Leben angeboten, wir haben es nicht verlangt.“

Bedeutete das, sie hätte auch ohne ihr Leben zu geben Junge bekommen können?

„So ist es. Wir sind nicht eure Richter, wir beschützen euch und den Wald.“

Naruglanz senkte den Kopf. Was für ein folgenschweres Missverständnis.

„Wir haben zugestimmt, als Hinapelz uns um die Erlaubnis gebeten hat.“

„Aber - Hinapelz wird hierher kommen um zu sterben, nicht wahr?“

„Das wird sie und ich fürchte, du wirst sie nicht umstimmen können, Naruglanz, denn in ihren Augen ist es so etwas wie eine Bedingung, ein Vertrag. Sie glaubt fest daran, für die Geburt der Jungen mit dem Tod bezahlen zu müssen. Naruglanz, Hinapelz ist dem Sternenclan mehr als jede andere Katze ergeben, und überzeugt, dieses Opfer bringen zu müssen.“

„Was wenn ich sie umstimmen kann?“ fragte Naruglanz.

„Wir befürchten, dass es dir nicht gelingen wird, da wir Hinapelz sehr gut kennen, genau wie dich, Naruglanz. Aber selbst wenn du sie umstimmen kannst, so wird sie sich die Schuld geben an allem was den Jungen, dir oder dem Clan noch passieren wird. Sie wird glauben, das es ihre Schuld sei, weil sie das Versprechen gegenüber uns nicht eingehalten hat. Und darunter wird sie leiden. Bei uns wird es ihr gut gehen, darum haben wir ihrer Bitte zugestimmt.“

„Wird denn was Schlimmes passieren?“

Schweigen.

Naruglanz wartete dennoch. Schließlich meldete sich die Stimme wieder.

„Naruglanz, gibt es irgendeinen Grund, warum du Hinapelz und auch keine andere Katze des Feuerclans liebst?“

„Ich verstehe nicht.“

„Nun, dir ist eine andere Katze als Partner vorherbestimmt, der du dein Herz schenken wirst.“

Die Verbindung brach ab. Naruglanz hatte nicht verstanden, was der Sternenclan meinte, aber – mist, er war nicht dazugekommen, sein eigenes Leben im Austausch für Hinapelz Leben anzubieten. Und jetzt würde der Sternenclan ihn nicht hören, das wusste er. Er war ganz und gar wieder im Hier und Jetzt.

Langsam ging Naruglanz zurück. Es war nicht mehr viel Zeit, aber es war noch Zeit. Dann würde er eben morgen nochmal mit dem Sternenclan sprechen müssen.

Er sah kurz bei Hinapelz vorbei und ging dann zu Gelbstern, der nach ihm verlangt hatte.

In den letzten zwei Wochen war es Gelbstern nicht gut gegangen. Er hatte einen Rattenbiss davongetragen, und es war zu einer schlimmen Entzündung gekommen, trotz des Bärlauchs.

Naruglanz holte eine Maus vom Frischbeutehaufen und stellte sich dann vor Gelbsterns Höhle um sein Kommen anzukündigen.

Aber der hatte ihn schon bemerkt und rief ihn herein. Als Naruglanz ihn sah, ließ er vor Schrecken die Maus fallen.

„Ja, ich werde sterben, Naruglanz,“ miaute Gelbstern schwach.

„Nein, nein das darfst du nicht. Wir haben keine andere Katze im Clan die als Anführer geeignet wäre.“

Gelbstern lächelte wissend. „Doch, da gibt es eine. Aber sie braucht noch ein wenig Zeit, um Anführer zu werden. Rayapelz wird ihm den letzten Schliff geben, den er braucht.“

„Rayapelz? Der trainiert doch mich. Wer ist denn diese Katze?“

„Das wirst du noch früh genug erfahren, Naruglanz. Ich habe dich kommen lassen, weil ich möchte, das du hier bist, während ich sterbe.“

Naruglanz wiegte verzweifelt den Kopf hin und her. Das war mit Sicherheit das Ende des Feuerclans. Vielleicht war Gelbstern nicht mehr klar im Kopf, mit seinen seltsamen Reden, aber es machte keinen Sinn mit dem sterbenden Kater darüber zu diskutieren. Und die Bitte seines Anführers konnte Naruglanz schon mal gar nicht abschlagen.

Shikakralle tauchte auf. „Ich habe den anderen Kriegern Bescheid gegeben, so wie du es wolltest, Gelbstern. Heute Nacht werden alle Wache halten.

„Gut,“ miaute Gelbstern zufrieden, „sag Shinoschweif, er soll für Naruglanz ein Bett zubereiten für die Nacht in meiner Höhle, ich will ihn bei mir haben.“

„Jawohl.“ Shikakralle senkte den Kopf und verschwand.

„Gelbstern“, jaulte Naruglanz verzweifelt. „Sogar du lässt alle Krieger Wache halten, da du nicht kämpfen kannst, wenn was passiert, aber – was ist dann morgen.“

„Morgen? Das wirst du dann schon sehen, Naruglanz. Komm heute Abend zu mir. Und nun, gehe deiner Arbeit nach und trainiere mit Rayapelz.“

Naruglanz seufzte. „Jawohl, Gelbstern.“

Sasustern

Rayapelz brachte ihm nicht nur Kampfkünste bei, oder erzählte ihm alte Geschichten. Er sprach auch von seinen Visionen aus der Zukunft. Kakapelz trainierte ihn nun auch wieder regelmäßig, nahm ihn mit zur Patrouille oder Jagd. Wenn Naruglanz mit Kakapelz unterwegs war, dem man überhaupt nicht anmerkte, das er nur noch ein Auge hatte, dachte er oft an die alte Zeit mit Sakupfote. Wie sie wohl den Tod gefunden hatte? Na ja, sie hatte es ihm gezeigt, aber war das auch die Wirklichkeit gewesen? Wenn es den Sternenclan gab, warum ließ er diese Dinge zu. Die ganzen Erklärungen, die er bisher gehört hatte, waren so – fischig. Und nun die Sache mit Gelbstern. Der ihn gerettet hatte, als Tommis Vater ihn, den hilflosen kleinen Kater an dieses große Monster verfütterte. Einfach so.

„Du bist heute nicht du selbst,“ miaute Rayapelz plötzlich.

„Hm.“

„Ist es wegen Gelbstern?“

„Ich weiß es nicht, Rayapelz, vielleicht – wegen allem. Ich bin heute wirklich kein guter Schüler, Zuhörer oder sonst irgend etwas,“ miaute Naruglanz schwach.

„Es ist bestimmt wegen Gelbstern. Schließlich ist er dein Vater. Wer sieht schon gerne wie sein Vater stirbt. Trotzdem – er will dich – und nur dich – dabeihaben, Naruglanz.“

„W...wie bitte?“ Naruglanz glaubte sich verhört zu haben.

Rayapelz legte nur den Kopf zur Seite und sah ihn an.

„Ich denke, ich lasse dich jetzt allein. Du weißt selbst, wo du heute Abend zu sein hast.“

Damit stand der zottelige weiße Kater auf und trottete davon, Richtung Frischbeutehaufen, um anschließend mit irgendetwas im Maul zu einem Stein in der Sonne zu marschieren, wo er sich zum Fressen niederließ.

Naruglanz hatte ihn beobachtet aber erst jetzt, als Rayapelz nichts interessantes mehr tat, was man beobachten konnte, kamen Naruglanz wieder die Worte ins Bewusstsein und vor allem ihre Bedeutung.

Gelbstern, war sein Vater. Stimmt das, Mutter? fragte er im Stillen.

Hatte er ihn deswegen gerettet? Nein, so war Gelbstern nicht, er hätte ihn auch gerettet, wenn er nicht sein Sohn gewesen wäre. Sein Sohn. Wer wusste sonst noch davon, wieso hatte es ihm keiner gesagt, nicht mal Gelbstern selbst?

Und – er war oft bei Naruglanz Mutter. Bei Shina. Nur hatte sich Naruglanz nie Gedanken darüber gemacht, warum. Ja, je länger er nachdachte, desto mehr ergab es einen Sinn. Und genau das war es, was er jetzt am meisten suchte, nach einem Sinn.

Und trotzdem, der Tag an dem er erfuhr, wer sein Vater war, war auch der letzte Tag an dem er seinen Vater sehen würde.

Wer sollte dann Anführer werden. Hatte Gelbstern ihn gemeint, mit dem neuen Anführer? Aber selbst wenn, so hatte er auch dazu gesagt, dass er noch nicht soweit sei und dem stimmte Naruglanz aus ganzem Herzen zu. Er konnte keinen Clan anführen, das wusste er selbst. Er wollte es noch nicht einmal. Krieger und Heiler zu sein, mit Hinapelz als Gefährtin und Vater zu sein, er war damit zufrieden. Sehr zufrieden sogar. So hätte es doch bleiben können, oder nicht?

Aber – warum mischte sich der Sternenclan ein?

Hinapelz hatte vielleicht ihr Leben angeboten, aber sie hätten es doch ablehnen und ihr trotzdem Junge gestatten können? Man konnte doch sagen, nein danke, nicht nötig, ich gebe es dir auch so? Kannte der Sternenclan so etwas nicht?

Hatte er sein Leben gegen das von Hinapelz angeboten? Er wusste es nicht mehr genau, aber ja, doch, die Erinnerung war nur schwach, aber sie war da.

Was bin ich nur für eine dumme Katze, schalt er sich selbst.

Er musste mit ihr reden. Es war bald soweit und die beiden Kleinen standen auf eigenen Füssen. Mitten im Schritt hielt Naruglanz plötzlich inne.

Der Sternenclan hatte so gesprochen, als würden sie Hinapelz durch ihren Tod irgendetwas ersparen wollen, sie schützen wollen, aber das – war einfach lächerlich. Sie hatten angefangen zu fragen, wieso es keine Katze gab, im Feuerclan, die er, Naruglanz liebte. Was hatte das damit zu tun? Was sollte dieser Schwachsinn? Naruglanz wurde immer wütender, je weiter er in den Wald lief. Irgendwann brach es aus ihm heraus. Er stellte sich auf die Hinterbeine, die Vorderbeine angewinkelt schrie er zu den Sternen hinauf: „Wollt ihr jede Katze töten oder sterben lassen, die ich nicht liebe? Ihr Narren?!“

Das war eine eindeutige Kampfansage an den Sternenclan.

Die Verzweiflung das sein Vater heute sterben würde und das sogar Hinapelz, die Mutter seiner Tochter und seines Sohnes bald sterben würde hatte ihn dazu getrieben. Sein Herz war zu schwer vor Schmerz, rastlos im Dornengestrüpp des Kummers gefangen, tat alles nur noch weh.

„Und? Wie viele Katzen wären das dann?“ miaute eine dunkle rauchige Stimme vollkommen ruhig.

Naruglanz fuhr herum.

Vor ihm saß ein pechschwarzer Kater mit großen glänzenden ebenso schwarzen Augen. Auch wenn er saß konnte Naruglanz abschätzen, dass er etwa von gleicher Statur war. Er schien auch im gleichen Alter wie Naruglanz zu sein.

Wer war das? Ein Streuner? Eine Hauskatze? Aber er roch ganz anders. Und warum benahm er sich so seltsam.

Naruglanz hatte sämtliche Krallen ausgefahren und sein Fell gesträubt, aber der andere Kater saß nach wie vor da, als wäre alles in bester Ordnung.

„Wer bist du?“ fauchte Naruglanz ihn an. „Was hast du im Gebiet des Feuerclans...“ Er hielt inne. Irgendetwas stimmte nicht. Ohne den Gegner aus den Augen zu lassen sperrte Naruglanz das Maul auf um die Gerüche wahr zu nehmen und zuckte zusammen. Nein, nicht der fremde Kater war im Gebiet des Feuerclans, er Naruglanz war gedankenverloren gelaufen und aus Versehen ins Gebiet des Falkenclans geraten. Und das dort – war ein Krieger des Falkenclans.

Er war allein, aber – es konnte einen Krieg geben, wenn er ihn angriff und tötete.

Umgekehrt, wenn der andere ihn tötete, dann könnte er nicht mehr bei seinem Vater sein heute Nacht. Vom Falkenclan hatte er nur Übles gehört. Und sie hatten Sakupfote, eine Schülerin getötet. Es war dann wohl eher unwahrscheinlich, das die Katze dort, die immer noch an Ort und Stelle saß und ihn nur anstarrte, mit sich verhandeln ließ. Sie musste sich schon sehr sicher fühlen, einem feindlichen Krieger gegenüber zu stehen, der kampfbereit vor ihm stand wenn sie sich dabei auch noch so ruhig verhielt.

War dieser fremde Krieger so gut? So schnell, dass er es nicht für nötig hielt...Naruglanz hasste ihn jetzt schon. Was für eine Arroganz.

Wie auch immer, er musste es wenigstens versuchen.

Naruglanz zog seine Krallen wieder ein. Sein Fell fiel zurück und glänzte im Mondschein. Es war keine Zeit mehr. Er musste zurück.

„Hör zu, mein Vater stirbt heute Nacht. Darum – ich muss zurück, komme was da wolle. Aber ich verspreche dir – ich komme morgen um die gleiche Zeit zurück, und dann – können wir unsere Kräfte messen. Ich weiß, du darfst mich eigentlich nicht gehen lassen - ...“ Naruglanz verlor den Faden.

„Morgen um die gleiche Zeit?“ fragte der andere.

Überrascht sah Naruglanz ihn an. Dann nickte er.

„In Ordnung, ich werde da sein.“ Der schwarze Kater stand geschmeidig auf und kehrte ihm den Rücken zu. Der hatte vielleicht Nerven, entweder er war sehr von sich überzeugt oder sehr dumm, oder auch beides.

„Warte.“

„Hm?“ Fast gelangweilt blieb der Kater stehen und sah ihn an.

„Wer bist du?“

„Ich bin Sasustern.“

Naruglanz schluckte schwer. Ausgerechnet mit dem Anführer des Falkenclans hatte er sich angelegt.

„Ich bin Naruglanz,“ miaute er schwach.

„Mir doch egal.“ Damit drehte sich der arrogante Kater um und war mit zwei langen Sprüngen verschwunden.

Gelbsterns Tod

Naruglanz machte sich auch auf den Rückweg. Seinem Vater würde er definitiv nichts von dieser Begegnung erzählen, das war klar. Sonst konnte er nicht in Frieden sterben, im Moment ging er wohl davon aus, das er Naruglanz, eines Tages den Feuerclan anführen würde.

Und Hinapelz, mit ihr musste er auch ganz dringend reden. Darüber, das die Jungen sie noch brauchten, wenn er nicht mehr da war. Und das der Sternenclan ihr Leben nicht unbedingt wollte. So gesehen war zumindest ein Problem gelöst. Nicht zu vergessen, dass sie einen neuen Heiler ausbilden musste.

Plötzlich wurden seine Pfoten schwer. Naruglanz wurde immer langsamer bis er schließlich ganz stehenblieb. Wieso bekam er nie etwas auf die Reihe? Hatte er nicht vor Kurzem noch laut getönt, das er bereit sei, für Hinapelz zu sterben? Aber jetzt, mit dem Tod so nahe vor Augen – morgen schon – spürte er, wie sehr er am Leben hing.

Er schüttelte den Kopf. Reiß dich zusammen, letztendlich bekommst du genau das, wonach du verlangt hast. Also...

Gelbstern lag vielleicht schon in den letzten Zügen. Er musste sich beeilen.
 

Es hatte etwas gedauert, bis Naruglanz sich wieder auskannte und wusste wo er war. Vorher war er einfach Richtung Norden gelaufen und hoffte, dass er keinem Fuchs oder einem Dachs begegnete oder auch noch schlimmer – einem Menschen, der ihn einfangen wollte. Aber jetzt hatte er seine Orientierung zurück, er ersparte sich um das ganz Lager herum zu rennen, wozu konnte er springen, wie kein anderer? Von einem Waldvorsprung konnte er das Lager sehen. Es war doch ein ordentliches Stück. Ich sollte lieber Anlauf nehmen, dachte Naruglanz und lief ein paar Schritte zurück um dann vorwärts zu rasen bis seine Vorderpfoten den äußersten Rand des Vorsprungs erreichten, wo er sich mit aller Kraft abstieß. Er flog über das schützende Dornengestrüpp, aber merkte noch mitten im Sprung, dass er es doch nicht ganz schaffen würde.

Als er aufsetzte rutschten seine Hinterpfoten weg, und sein Hinterteil landete auf den Dornen. „Uuooh.“ Mist. Warum hatte er sich nicht mit den Krallen festgehalten?

Naruglanz humpelte unter den Blicken der anderen Katzen, die ihn verblüfft ansahen, weil er so geschrien hatte, zum Bau ihres Anführers.

„Naruglanz?“ miaute eine sanfte Stimme.

„Nicht jetzt Hinapelz,“ antwortete er ihr nur knapp und versuchte seine Schmerzen nicht vor ihr zu zeigen, als er zum Bau seines Vaters trabte. So lässig und leicht wie es nur ging. Später war noch genug Zeit, sich von ihr behandeln zu lassen. Aber er spürte dennoch, wie sich ihr besorgter Blick in sein Fell brannte. Typisch Hinapelz. Immer machte sie sich Sorgen um andere.

„Vater?“

„Komm rein, Naruglanz,“ krächzte Gelbstern.

Naruglanz trat in die Hütte. Er wäre fast wieder rückwärts hinausgegangen, so stark war der Gestank von Krankheit und Tod.

„Wird Zeit für mich, höchste Zeit, findest du nicht auch?“ krächzte Gelbstern wieder und wollte lachen, fing aber zu Husten an.

Mist, er hätte etwas zur Linderung mitbringen sollen.

Warum zum Teufel bin ich immer so gedankenlos?

„Vater, ich hole etwas, um dir das ähm um es dir leichter zu machen.“

Gelbstern zögerte. Als ob er wüsste, das ihm keine Zeit mehr blieb. So war es wohl auch. Er schien abzuwägen, zwischen der Zeit, die er noch zu leben hatte, mehr schlecht als recht, und der Zeit, die er mit seinem Sohn verbringen konnte.

Endlich miaute er: „Schon gut. Ist ja nicht das erste Mal.“

„Hm?“ Was meinte er?

„Setz dich in meine Nähe. Ich weiß das dich etwas bedrückt. Möchtest du es mir nicht sagen?“

Naruglanz schrak zusammen. War er so leicht zu durchschauen?

Diesmal lachte Gelbstern wirklich. „Ich bin dein Vater. Hast du das vergessen?“

„Äh nein. Eigentlich hatte ich es nicht mal gewusst. Wieso hast du es mir nicht gesagt?“

„Nun ja, das Wichtigste war mir immer, das es dir gut ging. Ich wollte, das du alleine deinen Platz hier findest. Nur dann ist es der Richtige.“

Naruglanz ging näher an Gelbstern heran. Der Geruch störte ihn jetzt nicht mehr.

„Was meinst du?“

„Ich wollte nicht, das du in deinen Entscheidungen beeinflusst wirst. Egal was du tust. Ich glaube an dich und an dein Schicksal.“

„Oh. Ja. Mein Schicksal.“

„Du scheinst es noch nicht gefunden zu haben, nicht wahr?“

„Na ja. Ich habe Hinapelz und meine Kinder. Außerdem akzeptieren mich die Clankatzen jetzt. Ich kann ihnen helfen...“

„Trotzdem scheinst du nicht auf dem richtigen Platz zu stehen. Oder hast du das Gefühl, es wäre so?“ Gelbstern wandte den Blick ab. Sein Kopf sank zu Boden. „Es fühlt sich auf jedem Fall so an.“

„Ich...es ist schon okay.“ Und nicht mehr wichtig fügte er in Gedanken hinzu. Naruglanz legte sich auch auf den Boden. Den Kopf auf den Pfoten sah er wie die Augen von Gelbstern stumpf wurden. Er bemühte sich, möglichst ruhig zu atmen.

Als hätte er es schon mal erlebt, dachte Naruglanz. Moment, war es möglich, das sein Vater auch eine Heilerkatze war? Bevor er zum Anführer wurde?

Seine Atmung hatte aufgehört. Seine Pfoten zuckten ein wenig. Schließlich verschwand auch der letzte Funke Leben aus seinen Augen.

Naruglanz blieb trotzdem liegen. Das es so schnell gehen würde, hätte er nicht gedacht. Er stand auf, ging zu Gelbstern und legte sich an seine Seite. Durch den Körperkontakt konnte er spüren, wie schnell es neben ihm kühl wurde. Er fühlte sich seltsam klein und hilflos an. Der leblose Körper an seiner Seite.

„Ich denke, mir wird es bald genauso gehen. Ja, gegen Sasustern habe ich keine Chance. Hoffentlich lässt er mich dort liegen oder verscharrt mich. Nicht das meinetwegen ein Krieg ausbricht. Das ist das letzte was ich will.“

Müdigkeit überkam ihn und er schlief ein.
 

Als Naruglanz aufwachte konnte er trotz der Pflanzen vor dem Höhleneingang erkennen, dass es schon hell war. Und er war allein. Die anderen mussten Gelbstern weggetragen haben. Naruglanz wollte aufstehen, aber sein Hinterteil wollte nicht, wie er wollte. Klar. Wie hatte er das vergessen können. Gestern hatte er damit eine unangenehme Begegnung mit den Dornen gemacht, und sich nicht behandeln lassen. Er drehte sich um, um sich selbst zu begutachten. „Oje, was für ein Schlamassel.“

„Ah, du bist ja wach. Ich habe schon nach Hinapelz geschickt. Keine Sorge“, kicherte der Kater der im Eingang stand. Seine blauen Augen blitzten. Das goldfarbene Fell schimmerte selbst im Dunkeln. Das – konnte nicht sein. Unmöglich. Er war doch selbst dabei gewesen wie – ein Traum. Ach so. Das war nur ein Traum.

„Vielen Dank, Gelbstern.“ Hinapelz war in der Lage, ihn zu hören. Vielleicht kam sie tatsächlich. „Ich freue mich, das es dir gut geht.“

„Nett von dir“, miaute Gelbstern, drehte den Kopf zur Seite und sah ihn an. „Weißt du, ich sollte das wirklich nicht sagen, aber – ja ich bin froh darüber gestorben zu sein. Es ging mir schon länger nicht mehr besonders gut, aber jetzt fühle ich mich wieder wie neu geboren.“

„Ähm, willst du damit sagen, es fühlt sich gut an, tot zu sein.“

„Nein, es fühlt sich gut an zu leben.“

Aber du lebst doch gar nicht, hätte Naruglanz gerne gesagt. Nur widerstrebte es ihm, so etwas zu seinem anscheinend gut gelaunten Vater zu sagen.

„Entschuldige, Gelbstern. Lässt du mich vorbei?“

„Natürlich Hinapelz.“ Gelbstern zog sich aus der Höhle zurück.

Hinapelz beeilte sich, um zu Naruglanz zu kommen, und sich dessen Bescherung anzusehen. „Beim Sternenclan, wie konntest du nur so leichtsinnig sein.“ Ihr Miauen klang wütend. „Unmöglich dich hier zu behandeln, wenn du nicht zum Heilerbau laufen kannst, hole ich Katzen die dich tragen werden.“

„Alles, alles nur das nicht.“ Naruglanz stand unter Schmerzen auf. Neben Hinapelz humpelte er zum Heilerbau. Alleine die Vorstellung getragen zu werden, weil er Dornen im Hintern hatte, das würden sie ihn nie mehr vergessen lassen. Ganz sicher nicht. Hinapelz war immer noch wütend. Also versuchte Naruglanz sie auf andere Gedanken zu bringen.

„Ich habe noch nie so ähm intensiv mit einer Geisterkatze gesprochen, wie mit Gelbstern. Er war wirklich etwas Besonderes. Nanu?“ Naruglanz fiel auf, das keine der Katzen Totenwache hielt. „Wo ist er?“

„Wovon faselst du da? Hast du etwa Fieber?“

„Na, Gelbstern. Wo ist sein Leichnam, wieso benimmt sich jeder, als wäre nichts passiert?“

„Hmmm,“ Hinapelz sah sich um. „Ich glaube, er ist zur Grenze gegangen.“

Meinte sie die Grenze zwischen Tod und Leben? Nein, das konnte nicht sein.

„Du weißt ja selbst, das er keine Markierungen anbringen konnte in der letzten Zeit. Wir fragen ihn wenn er zurückkommt, aber zuerst kümmern wir uns mal um dich.“
 

Naruglanz blieb stehen. „Ich verstehe nicht, wovon du redest. Hinapelz, ich war dabei. Mein Vater ist gestern gestorben, wieso sollte er zur Grenze gehen um sie zu markieren? Und warum verhalten sich die anderen so komisch? Keiner scheint zu trauern.“

Hinapelz sah ihn mit großen Augen an. „Sag nicht, du weißt es nicht.“

„Wissen, was denn?“

Die Kraft des Sternenclans

„Hm.“ Sie schien zu überlegen.

„Was ist denn?“ Naruglanz war verwirrt und wurde ungehalten.

„Ich überlege nur, ob ich dir von der Kraft des Sternenclans erzähle, oder lieber zuerst dein ähm Hinterteil behandele.“

„Die Kraft des Sternenclans,“ wiederholte Naruglanz.

Er dachte sich nichts dabei, aber Hinapelz verstand ihn so, dass es das war, was er als erstes wissen wollte.

„Na gut. Der Anführer eines Clans der unter dem Schutz des Sternenclans steht, bekommt mehrere Leben.“

„Unter dem Schutz des Sternenclans,“ wiederholte Naruglanz wieder. Die mehrere Leben hatte er irgendwie nicht verstanden, und darum ignoriert.

„Genau. Sobald eine Katze zum Anführer wird, und der Sternenclan sie akzeptiert, bekommt sie neun Leben, und heißt ab sofort Stern. Gelbstern ist bisher insgesamt dreimal gestorben.“

„Moment mal, wie bitte? Mein Vater soll schon drei mal gestorben sein? Du meinst - er ist gestorben und LEBT jetzt wieder?“ Naruglanz miaute immer lauter. Er konnte es nicht begreifen. Tot war tot, und leben war leben, da gab es nichts dazwischen, was redete Hinapelz da?

„Du glaubst mir nicht?“

„Uh,“ Hinapelz hatte ihn kalt erwischt.

„Doch selbstverständlich,“ miaute Naruglanz ziemlich kläglich, obwohl er es nicht glauben konnte. Er legte sich hin, und zeigte damit, das er für die medizinische Behandlung bereit war. Aber eigentlich wollte er über das eben gehörte nachdenken.

Hinapelz war sehr vorsichtig, als sie mit den Zähnen die Dornen mit einem Ruck herauszog und anschließend mit der Pfote und der Zunge nach weiteren Dornen suchte, die tiefer steckten.

Sein Vater lebte. Wieso hatte ihm das keiner gesagt? War er etwa doch immer noch ein Außenseiter? War das der Grund? Nicht einmal Kakapelz oder Rayapelz hatten ihm davon erzählt. Von Hinapelz ganz zu schweigen, aber auf sie war er nicht wütend, denn sie hatte ja geglaubt, er wüsste das.

Und er wünschte, es wäre so gewesen. Die Einsamkeit, die er gefühlt hatte, als er neben dem kalten Körper seines Vaters lag...

Ob das auch für Heilerkatzen galt? Schließlich hatten sie auch ein besonderes Verhältnis zum Sternenclan.

„Hinapelz. Hast du auch – mehrere Leben bekommen?“

„Nein. Ich bin ja keine Sternenkatze, nur eine Heilerkatze.“ Damit zog sie den letzten Dorn aus seinem Hinterteil.

Sie trottete in den hinteren Teil des Baus um Heilkräuter zu holen, damit es keine Infektion gab.

Dann kam sie zurück, legte die Kräuter vor ihre schwarzen Pfoten und zerkaute sie zu einem Brei.

„Hinapelz, es ist nicht notwendig, dein Leben zu geben nur, weil du dafür Leben geboren hast.“

Hinapelz schien zu erstarren.

„Ich weiß es vom Sternenclan. Sie wollen dein Opfer nicht. Also – so wie ich es verstanden habe, nehmen sie es nur deswegen an, also wenn du denn darauf bestehen solltest, um dich vor Schmerz zu bewahren.“

Hinapelz stand immer noch regungslos. Schließlich fragte sie mit fast geisterhafter Stimme: „Vor welchem Schmerz? Verliere ich die Kinder?“

„Nein, ich glaube, es hat mit mir zu tun.“

Hinapelz hob erschrocken den Kopf.

Ob er ihr erzählen sollte, das er nicht mehr wiederkommen würde?

„Hinapelz, ich – also, die Kinder brauchen dich und der Clan ebenso. Wenn du dein Opfer unbedingt bringen willst, dann warte doch damit, bis die Jungen größer sind, und bilde eine Heilerkatze aus.“

Als er keine Antwort bekam, beschloss Naruglanz zu einer Lüge zu greifen.

„Ich – werde weggehen.“

„Weggehen? Aber - wohin denn?“

„Zurück zu den Menschen. Du weißt es doch, oder? Ich war von Anfang an ein Hauskätzchen, das hat sich niemals geändert.“

„Nein. Das stimmt nicht. Das kann nicht sein, Naruglanz. Du - du lügst doch.“

„Nein, das tue ich nicht,“ er lachte. „Nicht einmal du kennst mein wahres Ich.“

Hinapelz schwieg, dann verteilte sie den Brei auf Naruglanz Wunde, das Blut war schon getrocknet. Sie war schon öfters darüber erstaunt gewesen, wie unglaublich schnell seine Wunden heilten. Sogar ohne Narben zu hinterlassen. Das war schon fast – abnormal. Nein nicht nur fast. Es war nicht normal.

Es konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht wahr sein, das er zurück zu den Menschen wollte. Es stimmte, er war ein Hauskätzchen gewesen, aber er war auch noch sehr jung gewesen, als er zum Clan gekommen war. Inzwischen war er eine Wildkatze, wie alle anderen im Clan auch. Nein, er würde sich nicht in einem Zweibeinerheim einschließen lassen. Ganz sicher nicht.

Log er wegen ihr? Wollte er den Clan verlassen, damit sie sich nicht opferte und eine neue Heilerkatze für den Clan ausbildete. Oje.

„Naruglanz, ich – werde nicht gehen, es ist nicht notwendig, dass du nur meinetwegen den Clan verlässt. Es würde mir das Herz brechen.“

„Das siehst du falsch. Es ist nicht deinetwegen.“

„Aber...warum dann?“

„Hab ich doch gesagt.“

„Ich glaube dir nicht. Keine Sekunde lang. Kein einziges Wort.“ Hinapelz kreischte so laut und für sie war es auch so ungewöhnlich, das sämtliche Katzen außerhalb des Baus inne hielten in ihrer jeweiligen Beschäftigung.

Naruglanz bemühte sich um einen ruhigen und desinteressierten Tonfall. Es musste sein.

„Mir egal was du glaubst oder nicht. Ich werde noch heute gehen. Um ehrlich zu sein, ich denke schon seit langem, eigentlich schon immer daran, wie ich am besten von euch wegkomme. Ich wollte nur warten, bis na ja mein Vater gestorben war. Wollte ihn nicht alleine in seiner schweren Stunde lassen. Aber hätte ich gewusst, das er wieder lebt, ich wäre gestern nicht zurückgekommen.“

Hinapelz sog scharf die Luft ein. Plötzlich spürte sie das Verlangen Naruglanz mit ihren Krallen wieder zu Verstand zu bringen, und sie begann vor Verzweiflung am ganzen Körper zu zittern.

Dann rannte sie davon.

Naruglanz atmete tief ein und wieder aus. Selbst wenn er eine Chance gegen Sasustern gehabt hätte...er war auch ein Stern. Mit anderen Worten, er hatte mehrere Leben.

Und Naruglanz hatte nicht die Absicht, als Feigling zu gelten. Wenigstens würde Hinapelz sich nicht opfern. Und der Clan hatte nach wie vor einen Anführer. Es war, trotz allem ein großer Trost. Und Naruglanz war dafür dankbar.

Naruglanz stand auf. Er war bereit. Er würde sich jetzt gleich auf den Weg machen. Wann genau Sasustern ihn töten würde, konnte dem doch egal sein. Aber Naruglanz wollte Hinapelz Verzweiflung nicht noch einmal sehen. Und vielleicht wollte sie Gelbstern oder jemand anderen um Hilfe bitten, ihn zum Bleiben zu überreden. Auch dem wollte Naruglanz aus dem Weg gehen. Denn das hätte noch mehr Lügen bedeutet.

Er ging zu seinen Jungen und tauschte mit ihnen Liebkosungen aus. Sie gaben sich gegenseitig die Zunge. Dann drehte er sich um, um seinem Schicksal entgegen zu gehen.

Du gehörst mir

Morgen um die gleiche Zeit, hatte er gesagt. Er hatte es Sasustern versprochen. Und der hatte ihn laufen lassen. Vielleicht war er gar nicht mal so übel. Natürlich, er würde ihn töten, aber er hätte es eigentlich auch gleich tun können.

„Unsinn, was denke ich da überhaupt?“ Naruglanz schüttelte sich.

Wahrscheinlich hoffte der arrogante Fatzke nur darauf, das er, Naruglanz sein Versprechen nicht hielt. Er würde ins Lager kommen und Gelbstern auffordern, Naruglanz auszuliefern. Schließlich hatte er die Grenze überquert und war unerlaubt auf dem Revier des Falkenclans herum spaziert. Auch wenn er dort nicht gejagt hatte, wie sollte er das beweisen?

Sein Vater würde vermutlich nicht darauf eingehen. Die Stimmung war ohnehin angespannt. Ja, es war recht merkwürdig, das die anderen Clans den Falkenclan duldeten und das hatte gewiss einen Grund. Und Naruglanz konnte ihn sich denken. Obwohl sie den Falkenclan als würdelos bezeichnet hatten, und einer von denen Kakapelz, eine Elitekrieger verletzt, sowie eine Schülerin, Sakupfote getötet hatten, war es zu keinem Krieg gekommen. Schlimmer noch, nicht mal zu einer Strafe oder irgendeiner Form der Wiedergutmachung. Die drei Clans hatten sich nicht entschlossen, gemeinsam gegen den Falkenclan anzutreten, sowie sie es beim Regenclan getan hatten. Obwohl es ganz so aussah, als würde es Krieg geben. Darum hatten sie sich doch getroffen. Aber dann war Sasustern an diesem Treffpunkt aufgetaucht.

Möglich, das sein Vater ihn doch, wenn auch schweren Herzens ausliefern würde. Falls nicht, würde Sasustern Beute oder Reviergebiete fordern, oder auch andere Dinge, vielleicht sogar die Jungen, Dinge eben, die der Feuerclan nicht überstehen würde.

Und – der Grund konnte nur sein, das der Falkenclan stärker war, als alle drei Clans zusammen. Naruglanz Beine wollten nicht mehr weiterlaufen. Es war, als seien seine Gelenke plötzlich aus Pudding. Er drückte sich auf den Boden. Hoffentlich ging es schnell. Hoffentlich würde er ihm einfach das Genick brechen. Mühsam hob Naruglanz den Kopf. Gestern war schon Mondschein gewesen. Es war also noch viel Zeit. Es wäre vielleicht gut, wenn er soweit wie möglich in das Gebiet des Falkenclans eindrang. Wenn er Glück hatte, dann dachten die anderen, er wäre in einen Zweibeinerort gegangen. Wenn er Pech hatte, warf Sasustern seine Leiche zurück ins Revier des Feuerclans.

Naruglanz wünschte sich, er hätte sich mit dem Sternenclan nochmal austauschen können. Aber dazu würde es nicht mehr kommen. Er wollte sich hoch stemmen, aber es ging nicht, also ließ er sich einfach zur Seite rollen. Viel lieber wäre er in den Krieg gezogen. Gemeinsam mit den anderen. Seite an Seite. Aber – das hier, es war demütigend. Sein Fell sträubte sich. Alles in ihm sträubte sich, auch nur eine einzige Pfotenlänge weiter zu gehen.

„Aber ich muss. Ich bin kurz vor der Grenze.“ Naruglanz konnte die Markierung riechen. Gestern konnte er es nicht. Er war viel zu aufgewühlt gewesen. O je, wenn der Sternenclan Hinapelz Leben nehmen wollte, um sie zu schützen dann bedeutete das doch nur, das sie von seinem Tod erfahren würde.

Er raffte sich auf. Seltsam. Eigentlich wollte er Sasustern doch einen echten Kampf liefern. Normalerweise, war er doch gar nicht so.

„Ich bin nicht ich selbst. Wie kommt das?“

„Ja. Das sehe ich. Und es kommt von deiner Angst. Ich kann sie riechen. Du stinkst.“

Diese Stimme verdammt nochmal. Diese arrogante rauchige Stimme, die er nie vergessen würde.

Mit einem Satz war er auf den Beinen. „Sasustern,“ knurrte Naruglanz.

„Oh? Du konntest dir meinen Namen merken? Ich bin überrascht. So blöd wie du aussiehst, hätte ich das nicht erwartet.“

„Es ist noch nicht mal Abendrot. Und das ist immer noch das Revier des Feuerclans.“

„Und?“

„Du hast hier nichts verloren.“

Gelangweilt leckte sich Sasustern über seine Brust. „Nicht so ganz,“ miaute er fast versöhnlich. „Ich bin gerade dabei unsere Grenzen zu markieren.“

Dieser Kater. Naruglanz fühlte sich wie ein Idiot. Nur wegen diesem blöden Kater.

„Und was machst du hier? Hast du es so eilig zu sterben oder wolltest du dich nur nochmal umsehen?“

Naruglanz war verwirrt. Also würde er ihn jetzt noch nicht angreifen? Doch, dem traute er zu, das er es plötzlich tat. Er würde ihm ins Genick springen, sobald er ihm den Rücken zudrehte. Diese alberne Gehabe war doch nur Ablenkung um ihn in Sicherheit zu wiegen.

„Th. Eilig zu sterben? Ist das so sicher für dich? Aber wenn es dich so sehr interessiert, abgesehen davon, das ich von unseren besten Kriegern ausgebildet wurde...“

Sasustern ließ sich zu Boden fallen und gab schnurrende und knurrende Geräusche von sich. Er rollte sich vor Lachen sogar zusammen.

„Wie gesagt, abgesehen davon, das du deine Herausforderung noch bereuen wirst...“

„Die Herausforderung kam von dir,“ wurde er erneut unterbrochen.

Und wenn schon, sollte er dem etwa erklären, wieso er auf dem Gebiet des Falkenclans gelandet war? Es war Sasustern egal, er konnte sich Rechtfertigungen schenken. Der würde es ohnehin nicht verstehen.

„Wie gesagt,“ fing Naruglanz wiederholt an und bemühte sich um ein ruhiges Miauen, „komme ich selbstverständlich zu unserem – ähm – Treffen. Pünktlich. Aber fürs Erste muss ich noch ein paar Heilkräuter besorgen. Wir – ähm – haben sehr viel starken Nachwuchs bekommen, mehr als geahnt...und...“

„Augenblick mal.“ Sasustern sah ihn von unten aus seinen schwarzen Augen interessiert an.

„Was?“ kreischte Naruglanz entnervt.

„Bist du geschickt worden?“

„Geschickt? Was meinst du? Von wem denn geschickt?“

Sasustern setzte sich auf und beugte sich vor um ihn näher in Augenschein zu nehmen. „Bist du etwa eine Heilerkatze?“

„Ja und? Was dagegen?“

„Hm.“ Sasustern senkte den Kopf. Es sah fast aus, als würde er listig grinsen. „Ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Wir haben nämlich auch sehr viel starken Nachwuchs bekommen. Allerdings nicht so ahnungslos wie ihr. Nur – unsere Heilerkatze wurde von irgendetwas Giftigem getötet.“

„Irgendetwas?“

„Er war schon tot, als wir ihn fanden. Ich hab es gerochen. Das Gift.“

„Tja, tut mir leid für euch,“ miaute Naruglanz sarkastisch. Sasustern sollte merken, das es ihm kein bisschen leid tat. „Und es tut mir auch leid, das du nicht riechen konntest woher das Gift überhaupt kam.“

„Na ja, es roch nach Fressen.“

„Hä?“

„Und nach Zweibeinern.“

Naruglanz begriff. Zweibeiner kamen in den Wald und legten vergifteten Fraß aus. Davon musste der Clan unbedingt erfahren.

„Ich – ich muss sofort gehen.“ Er drehte sich schon um, aber sein langes Fell verfing sich im Gestrüpp.

Mit seinen Zähnen beeilte er sich, die beiden dünnen Äste durchzukauen, in denen er sich verfangen hatte. Sasustern sah ihm interessiert zu.

„Du bist keine normale Clankatze,“ stellte er fest.

„Was soll das heißen,“ brauste Naruglanz auf.

„Dein langes goldenes Fell. Und deine Augen. Du siehst fast genauso aus wie Gelbstern. Ist er dein Vater?“

„D...d...das geht dich gar nichts an.“

„Also ja. Und er hat ein Leben verloren. Interessant.“ Sasustern kam nahe an ihn heran und begann zu schnüffeln. Viel zu nah. Und viel zu stark. Er bewegte den Kopf hin und her, als wolle er jeden Zentimeter von Naruglanz erschnüffeln.

Naruglanz wich zurück, aber wurde immer noch festgehalten. „L...lass das.“

Mit einem Ruck riss er sich los. Endlich frei. Wenn auch um ein paar Haarsträhnen weniger.

„Ah. Jetzt weiß ich. Deine Mama ist ein Hauskätzchen.“ Sasustern gab erneut diese seltsamen Laute von sich. „Was für ein Glück für dich, das Papa der Anführer von eurem jämmerlichen Clan ist. Sonst hätten sie dich gleich getötet.“ Sasustern umkreiste ihn. Das war doch die Höhe, denn jetzt betrat er wirklich das Gebiet des Feuerclans. Naruglanz fauchte ihn an. „Warum strengst du dich so an für die? Die wollten dich doch gar nicht haben.“

„Woher weißt du d...“ das, hatte er sagen wollen. Mist. Sasustern umkreiste ihn weiterhin. Er tat es irgendwie triumphierend.

„Das ist egal. Jetzt bin ich eine Clankatze. Ich bin wichtig für den Clan. Ich bin einer der besten Krieger und Heiler, verstanden?“

„Sehr gut. Dann gehörst du ab sofort mir.“

Naruglanz glaubte sich verhört zu haben. Er bewegte die Ohren vor und zurück, ja sicher hatte er sich verhört.

„Ich hab dich nicht verstanden.“

„Du kommst mit.“

„Es ist noch nicht die Zeit.“

„Ist mir egal. Das spielt überhaupt keine Rolle. Seit gestern, seit du mich getroffen hast, gehört dein Leben mir, das musst du doch gewusst haben.“

So deutlich, so direkt. Ja, er hatte es gewusst.

„Du hast Glück, du bekommst eine Galgenfrist. Also komm sofort mit, oder ich töte dich hier und jetzt auf der Stelle, Naruglanz.“

Er meinte es ernst, aber – er erinnerte sich an seinen Namen. Wie seltsam.

Wo ist Naruglanz

Hinapelz war besorgt. Sie konnte sich einfach keinen Reim auf Naruglanz Worte machen. Er wollte zurück zu den Zweibeinern? Obwohl er sich so angestrengt hatte, als Clankatze akzeptiert zu werden? Und nicht nur der Clan akzeptierte ihn jetzt, auch der Sternenclan hatte ihn sofort als Heilerkatze akzeptiert. Sie hatten zu Naruglanz sogar eine engere Beziehung als zu ihr, eine engere Bindung, als sie, Hinapelz, jemals zu ihnen hatte. Genau das hatte sie zu der Überzeugung kommen lassen, das Naruglanz ein besonderes Schicksal hatte.

Sie wusste auch, das er eines Tages den Clan anführen sollte. Das war es was sie am meisten bereute. Nicht mehr erleben zu können, wie Naruglanz zu Narustern wurde. Aber Goldblüte und Schwarzblume konnten es erleben. Sie würden sicher sehr stolz auf ihren Vater sein. Im Moment kuschelten sich die kleinen Katzen aber noch an ihren Bauch und schliefen.

Voller Kummer leckte Hinapelz ihren Kindern, Naruglanz Jungen über den Pelz und striegelte ihn mit den Borsten auf ihrer Zunge.
 

Naruglanz folgte Sasustern vorsichtig. Das Gebiet des Falkenclans war ein echtes Paradies, soviel Grün. Überall raschelte es und in den Bäumen zirpten die Vögel. Beute ohne Ende. Kein Wunder, das der Regenclan vertrieben worden war. Wenn die Zeit der Blattleere kam, hatten die anderen drei Clans sehr zu kämpfen, um überhaupt zu überleben. Sie mussten praktisch ständig jagen. Tag und Nacht, um genug Frischbeute heran zu schaffen.

Warum hatte der Regenclan sich geweigert, in der harten Zeit die anderen Clans hin und wieder in ihrem Revier jagen zu lassen? Dann wären die noch hier und nicht der Falkenclan. Und warum akzeptierten die anderen Clans den Falkenclan?

„Sag mal, Sasustern, was ist bei der Versammlung eigentlich passiert?“

„Ah richtig, du warst nicht dabei, nicht wahr? Seltsam. Gerade dich hätte Gelbstern doch mitbringen müssen.“

„Das – geht dich gar nichts an.“ Naruglanz ärgerte sich. Ja, er hätte dabei sein sollen. Er wollte dabei sein. Shikakralle hatte es auch angenommen. Aber sein Vater hatte sich für einen anderen jungen Krieger entschieden. „Und das war auch nicht meine Frage.“

„Wie war deine Frage?“

Der stellte sich doch nur dumm. Naruglanz fauchte leise, aber Sasustern hörte ihn trotzdem. Er reagierte auf seinen Ärger aber eher amüsiert. Dann drehte er sich um und sah ihm in die Augen. „Vielleicht sage ich es dir ja irgendwann mal.“ Dann fuhr er fort, seine Konzentration auf die Grenzmarkierungen zu legen, als sei Naruglanz nur Luft.

Naruglanz vermisste die anderen jetzt schon. Er hätte sich gerne verabschiedet. Aber – das ging nicht. Er wollte ihnen keinen Ärger machen. Außerdem wollte er nicht, das es dann doch noch zum Krieg kam, oder – vielleicht noch schlimmer, das sein Vater ihn ziehen ließ. Was Gelbstern jetzt wohl von ihm dachte? Hinapelz hatte es ihm bestimmt schon erzählt. Ob er sich verraten fühlte? Bestimmt. Immerhin hatte er große Hoffnungen in ihn gelegt. Genau wie Rayapelz und Kakapelz. Das einzig Gute war, das Hinapelz jetzt in Sicherheit war. Sie würde die Sache mit dem Sternenclan schon regeln, da war er sich ganz sicher. Niemals würde sie die Jungen ohne Elternteil oder den Clan ohne einen neuen Heiler zurücklassen.

Plötzlich spürte Naruglanz einen Hieb im Gesicht, der so schnell und stark war, das er zu Boden ging. „Hast du jetzt genug geträumt?“ wurde er angefahren.

Naruglanz rappelte sich auf. „Was ist mir dir denn los?“

Sasustern sah richtig wütend aus. Aber Naruglanz hatte keine Idee, welche Maus ihm entwischt war. „Hör auf zu träumen. Du wirst deinen Clan, deinen Vater und deine Freunde nie wieder sehen, kapiert?“

„Und meine Gefährtin auch nicht.“ Naruglanz wusste selbst nicht, wieso er glaubte, Sasustern damit provozieren zu können.

„Wie bitte?“ Sasustern hatte wirklich ein ungewöhnlich kräftiges Gebiss.

„Natürlich auch nicht meine Jungen.“

Ein weiterer Hieb. Dieser war nicht so stark. Naruglanz wurde nicht unvorbereitet getroffen. Nur gut, das Sasustern seine Krallen nicht ausgefahren hatte. Dennoch irgendwie seltsam. Man könnte glauben, der wäre eifersüchtig. Aber – das war wohl nur Einbildung.

„Hast du eine Gefährtin?“ Natürlich hatte der eine.

„Das geht dich überhaupt nichts an.“

„Ich sehe es ja ohnehin, wenn du mich mitnimmst.“

Sasustern zeigte ihm seine Kehrseite und ignorierte ihn.

Was für ein launischer Kater. Aber der Geruch der anderen Clankatzen wurde immer stärker. Weit konnten sie vom Lager nicht mehr entfernt sein. Und wenn die wie ihr Anführer waren, dann konnte er sich jetzt schon mal auf jede Menge Hohn einstellen.
 

„Hinapelz,“ miaute Kakapelz ungeduldig.

Hinapelz stand auf und lief zum Ausgang ihres Baus. Sie konnte sich denken, was Kakapelz von ihr wollte. Aber sie hoffte, das es was anderes war.

Der schlanke aber kräftige graue Kater zuckte verärgert mit seiner Schwanzspitze.

„Kann ich etwas für dich tun Kakapelz? Tut dein Auge weh?“

Kakapelz ignorierte die Frage. „Ist Naruglanz immer noch nicht zurück? Wir wollten auf Patrouille gehen.“

Also wusste man, das Naruglanz das Lager verlassen hatte. Natürlich. Sicher hatte ihn jemand gesehen. Schließlich wurden Wachen rund um die Uhr aufgestellt.

„Naruglanz? Nein, ich habe ihn nicht gesehen.“

„Er hat dir nicht gesagt, wo er hingeht?“

„Nein. Ähm, also nicht so genau.“

„Hm.“ Kakapelz schien nachzudenken. „Vielleicht sollten wir nachsehen. Womöglich ist er mit einem Fuchs oder einem Dachs zusammen gestoßen. Oder sogar mit einem Zweibeiner.“

„Das – also, das wird nicht nötig sein.“

Kakapelz stellte die Ohren auf. „Wieso nicht?“

Hinapelz schwieg. Es war sinnlos. Sie musste es Gelbstern sagen. Aber sie hoffte immer noch, das Naruglanz es sich überlegen würde. Das er zurück kam.

„Er – ähm, er sagte, er sei spätestens bei Abendrot zurück. Ich glaube, er wollte in den Zweibeinerort.“

„WAS?“

„Um seine Mutter zu sehen. Nur von Weitem. Aber er wollte sie gerne sehen.“

„Dieser Kater ist einfach unmöglich. Na gut. Dann warten wir eben, bis er da ist. Aber ich werde ihm das Fell über die Ohren ziehen. Der wird trainieren bis er eine Maus nicht mehr von einer Ratte unterscheiden kann. Das kannst du ihm von mir ausrichten.“

„Gut.“

Schwimmende Katzen

„Puh. Dem Sternenclan sei Dank,“ dachte Hinapelz und ging zurück in die Kinderstube, wo sie sich um ihre Jungen ringelte. Es sah so aus, als habe Kakapelz ihr ihre Lüge abgekauft. Na ja, schließlich log sie normalerweise nicht. Und es war auch nicht so ganz gelogen. Sie hoffte, Naruglanz etwas Zeit verschafft zu haben. Traurig legte sie ihren Kopf auf ihre Pfoten.

Als ob Schwarzblume sie trösten wollte, kam sie zu ihr gekrochen und stupste sie mit ihrer Nasenspitze an. Hinapelz hob den Kopf ein wenig, so dass Schwarzblume sich näher an sie kuscheln konnte und leckte ihr die Ohren sauber. Wäre sie ein Zweibeiner gewesen, dann hätte sie sicher lautlose Tränen geweint. Schwarzblume war inzwischen schon wieder eingeschlafen, aber dafür wurde Goldblüte unruhig. Seine Pfoten zuckten unruhig. Ein schlechter Traum? Hinapelz beugte sich etwas zu ihm, um auch ihn beruhigend zu lecken.

Aber Goldblüte maunzte urplötzlich: „Nein, Papa. Geh nicht mit ihm. Bitte komm wieder nach Hause. Papa.“ Sein Maunzen wurde zum Ende hin ein klägliches Wimmern.

Hinapelz war wie elektrisiert. Das war kein normaler Traum. Was meinte Goldblüte mit geh nicht mit IHM? Mit wem ging ihr Geliebter? Am liebsten wäre Hinapelz auf der Stelle aufgesprungen und los gelaufen. Immer dem Geruch von Naruglanz hinterher. Sie musste sich schon sehr zusammen reißen, um sich um Goldblüte zu kümmern. Einen Moment lang überlegte sie sogar, ob sie ihm nicht besser Mohnsamen geben sollte. Aber er war noch so jung, es musste auch so gehen. Liebevoll strich sie ihm mit der Zunge über den Bauch. Immer wieder musste Hinapelz innehalten, weil sie lange Haare im Maul hatte, die sie nur schwer wieder los wurde. Und jedes Mal wenn sie ihre Berührung unterbrach, maunzte Goldblüte, „Geh nicht mit ihm, Papa.“

„Mit wem soll Papa nicht gehen? Goldblüte?“ versuchte es Hinapelz. „Träumst du? Mit wem siehst du ihn?“

„Schwarz. Alles schwarz,“ jammerte Goldblüte. „Ein schwarzer Teufel.“

„Pst, schon gut. Alles wird gut,“ schnurrte Hinapelz ihm zu und leckte weiter seinen Bauch und seine Schwanzwurzel. Es dauerte eine ganze Weile, bis er endlich ruhig schlief. Hinapelz stand auf, entfernte sich von den Jungen und wartete einen Moment. Sie musste Gelbstern informieren. Sofort. Als sie kein Rufen nach ihr hörte sprang sie mit langen Sätzen los.
 

Naruglanz und Sasustern waren mittlerweile im Lager angekommen. Es lag versteckt in einer Grube und Naruglanz sah mehr als zehn Wächter, die allesamt nur grüßten, aber sich nicht von der Stelle bewegten. Keiner kam neugierig herbei gerannt um den fremden Kater in Augenschein zu nehmen. Alle sahen stark und gesund aus und natürlich waren sie auch gut genährt, aber nicht fett.

Sasustern hatte seinen Clan im Griff. Daran bestand jetzt schon kein Zweifel.

„Das ist mein Reich,“ verkündete Sasustern stolz und hob dabei sogar angeberisch eine Pfote. Er warf einen Blick auf Naruglanz um seine Reaktion zu sehen.

Naruglanz tat so, als würde er sich unbeeindruckt und gelangweilt umsehen. Schließlich miaute er: „Aha.“ Und gähnte anschließend herzhaft.

Sasusterns funkelnder Blick bohrte sich wütend in seinen Pelz.

„Eine Grube also. Hier ist euer Lager. Ziemlich leichtsinnig, oder nicht?“

„Pah! Warte nur ab. Du hast doch noch gar nichts gesehen,“ fauchte er wütend.

Er lief weiter, aber seine Bewegungen waren lange nicht mehr so geschmeidig wie zuvor. Naruglanz wusste, das er nicht besonders gut reagiert hatte. Er war schließlich kein Gast, Ehrenmitglied oder sonst was Besonderes, er war ein Gefangener. Ein Feind. Also wäre es wohl klüger, diese Katzen nicht gegen sich aufzubringen.

Aber nun war es eben passiert. Er hatte sich nicht beherrschen können.

Anders als im Feuerclan gab es hier keinen natürlichen Schutz durch Dornengestrüpp. Dann aber sah Naruglanz etwas glänzendes. Zuerst wusste er nicht, was es war. Ein Platschen war zu hören und jetzt erkannte er einen Teich der sich rund ums Lager zog. Sasustern war verschwunden. War er etwa hinein gesprungen? In das Wasser? Naruglanz beugte sich weiter runter und sah sein eigenes Spiegelbild im Wasser. Aber wo war Sasustern? Er hätte doch längst wieder auftauchen müssen? Etwa drei bis vier Meter vor ihm lag ein Erdfleck. War der etwa ertrunken? Nicht auszuschließen, bei dem. Vielleicht hatte er angeben wollen und vergessen, das er als Katze eben nicht schwimmen konnte.

Naruglanz hörte wieder ein seltsames Geräusch vom Wasser her. Er spitzte die Ohren und versuchte etwas zu sehen. Tatsächlich, hinter dem Erdfleck tauchte Sasusterns Kopf auf. Und er schwamm. Naruglanz hätte sich jetzt vielleicht umdrehen und flüchten können. Aber er hatte ja ein Versprechen gegeben. Wenn auch nicht das, das er mitkommen würde in deren Lager. In Ordnung. Sasustern konnte schwimmen. Das war – zugegeben – beeindruckend. Und ungewöhnlich. Aber Naruglanz hatte auch ein Talent. Er konnte weiter springen, als jede andere Katze, die er bisher getroffen hatte. Vier Meter waren überhaupt nichts. Er sprang und landete leicht und ohne Probleme auf dem Erdfleck. Die Wachen wurden nun doch noch aufmerksam. Naruglanz konnte erkennen wie sie ihre Nasen und Schwanzspitzen aufgeregt bewegten. Sasustern hatte ihn auch gehört. Er warf ihm einen missbilligend Blick zu. Dann konzentrierte er sich wieder aufs Schwimmen. Den nächsten Erdfleck erkannte Naruglanz noch weiter entfernt. Tz, dieser Sasustern. Er hätte auf dem einen Platz eine Pause machen können. Bevor er zum Nächsten schwamm. Dieser Angeber. Er tat es um anzugeben. Naruglanz wusste es einfach.

Der nächste trockene Platz lag ungefähr sechs Meter weit entfernt. Vielleicht etwas weiter. Aber er konnte ihn erreichen. Nur – sollte er das? Er könnte auch so tun, als wäre das zu weit. Scheiß auf den Stolz, vielleicht bot sich hier eine Gelegenheit abzuhauen. Sasustern war mittlerweile am Ufer angekommen und drehte sich triumphierend zu Naruglanz herum. Der stand zitternd nach wie vor an Ort und Stelle, duckte sich als wolle er springen, dann drehte er sich im Kreis, ließ eine Pfote ins Wasser gleiten, zog sie sofort wieder zurück und gab schließlich auf. Naruglanz kauerte sich zitternd auf den Boden und hoffte, man würde ihm sein kleines Schauspiel abkaufen.

Sie taten es. Die Katzen, die aus den Höhlen gekommen waren, fanden sein Verhalten irrsinnig komisch und selbst die Wachen hatten Mühe ihre Haltung zu bewahren. Sasustern sah sehr zufrieden aus.

„Siehst du Hauskätzchen, das hast du jetzt davon, das du dich lustig gemacht hast,“ höhnte er.

Die anderen Clankatzen wollten mit einstimmen, wurden aber zu Naruglanz und ihrer eigenen Überraschung sofort von Sasustern gestoppt.

„Der gehört mir, verstanden?“

Sasustern leckte sich die Pfote und warf immer mal wieder einen Blick auf Naruglanz, als würde er überlegen, was er mit ihm anfangen sollte. Naruglanz schätzte, das er sich wohl nur ausruhte, aber warum er Zeit schinden wollte, war ihm ein Rätsel.

Plötzlich beendete Sasustern seine Fellpflege, sprang mit einem gewaltigen Satz ins Wasser und schwamm auf ihn zu. Naruglanz stand auf und ging ein wenig zurück. Ohne weitere Erklärung schlug Sasustern seine Krallen in die Erde und zog sich hoch. Dann packte er Naruglanz kurzerhand im Genick und warf ihn ins Wasser.

Gejagte Maus oder begossener Pudel?

Als Hinapelz den Bau von Gelbstern erreichte, sah sie Shikakralle dort liegen. Er döste tatsächlich vor sich hin und hatte sich sogar auf den Rücken gedreht um sich seinen weißen Bauch von der Sonne wärmen zu lassen. Unglaublich. Was für ein fauler Kater. Im Grunde genommen hasste Hinapelz jeden Streit. Sie liebte eine harmonische und positive Atmosphäre und dachte normalerweise nicht mal im Ansatz schlecht über andere Katzen des Clans. Aber das hier – wie konnte Shikakralle als Wächter so sorglos herum liegen?

„Shikakralle?“

„Hm?“

„Solltest du nicht – ähm – aufmerksamer sein, wenn du Gelbsterns Bau bewachst?“ miaute sie zaghaft.

„Ja. Ja, das sollte ich, aber Gelbstern ist ja gerade nicht da.“ Shikakralle drehte sich gelangweilt auf die Seite.

„Wie bitte? Er ist nicht da? Aber – wo ist er denn?“ Hinapelz war überrascht. Normalerweise sagte Gelbstern der Gruppe Bescheid, wenn er weg ging und meistens ließ er sie auch wissen, wohin er ging.

Ob er Shina wieder besuchte? Und – oh nein, was wenn er Naruglanz über den Weg lief?

„Keine Ahnung.“

„Hat er denn nichts gesagt? Er kann doch nicht einfach sang- und klanglos verschwinden?! Ich meine, was wenn wir angegriffen werden und ihn schnell informieren müssen?“

Shikakralle warf ihr einen seltsamen Blick zu. „Wir werden schon nicht angegriffen. Nebenbei – er verfolgt zusammen mit Kakapelz Naruglanz. Oder dachtest du wirklich, wir würden nicht mitkriegen, das der sich aus dem Staub gemacht hat?“

Hinapelz fühlte sich ertappt. Verlegen fuhr sie die Krallen ein und aus, während sie auf den Boden sah. „Und du? Du hast uns verraten.“

„Was? Nein, das hab ich nicht.“

„Nein? Was denn sonst. Hättest du mal früher Bescheid gesagt, würden wir jetzt nicht in solchen Schwierigkeiten stecken.“

„Welche Schwierigkeiten? Er wollte doch nur wieder zurück. Sagte er.“ Hinapelz wurde bewusst, das sie sich selbst belog. Naruglanz wollte nicht zu den Zweibeinern zurück. Schon gar nicht, nachdem er soviel erreicht hatte. Er war der Heiler des Clans und Vater von zwei bezauberten Kätzchen. Nein. Keine Chance, das er sie im Stich lassen würde.

„Wie? Er wollte nur wieder zurück? Was meinst du?“ Shikakralle drehte sich so um, dass er jetzt auf dem Bauch lag und sie besser ansehen konnte.

„Na – zurück zu den Zweibeinern.“

Jetzt sprang Shikakralle alarmiert auf und Hinapelz zuckte zurück. „Er, na ja, er sagte er wäre immer ein Hauskätzchen gewesen. Er wolle zurück und würde nicht wiederkommen.“

„Ist der verrückt geworden?“ grollte Shikakralle los. „Moment mal. Da stimmt doch was nicht. Naruglanz ist mittlerweile eine Heilerkatze mit unglaublichen Fähigkeiten und Wissen geworden. Außerdem ist er ein exzellenter Krieger. Er hat dafür gearbeitet. Er wollte doch von Anfang an akzeptiert werden. Egal, wie dumm er ist, er treibt keine falschen Spielchen. Nein. Da stimmt was nicht.“

„Das – das dachte ich mir auch. Darum bin ich ja hier.“

Shikakralle funkelte sie wütend an. „Ach ja. Und das fällt dir jetzt erst ein? Sag endlich die Wahrheit. Warum bist du hier?“

„Ich, also ich wollte Naruglanz nicht verraten.“

„Ja. Und darum stehen wir ohne Heilerkatze da. Nur weil du dich mit ihm eingelassen hast, haben wir keinen Heiler mehr. Aber da du ihn auch ausgebildet hast, hatten wir ihn als Heilerkatze. Darum haben wir darüber hinweg gesehen,“ fauchte Shikakralle drohend.

Shikakralle fauchte nur selten. Umso gefährlicher klang er jetzt. Normalerweise war er ein eher diplomatischer Kater und Hinapelz hatte nie persönliche Probleme mit ihm gehabt.

„Es – tut mir leid. Tut mir leid.“

„Aber irgendetwas verschweigst du doch. Warum dieser Sinneswandel? So plötzlich.“

„Wegen Goldblüte,“ jammerte Hinapelz. „Er träumte. Ein Albtraum. Goldblüte miaute im Traum, das er nicht mit dem schwarzen Teufel mitgehen dürfe.“

Shikakralle stellte die Ohren auf. „Schwarzer Teufel? Hast du dich auch nicht verhört? Ganz sicher?“

„Ähm, ja. Ganz sicher. Warum, was ist denn?“

„Verdammt.“

„Was ist denn los?“ Hinapelz bekam langsam Panik.

„Keine Zeit,“ knurrte Shikakralle nur und rannte los. Aber Hinapelz wollte sich diesmal nicht abschütteln lassen. Naruglanz steckte in großen Schwierigkeiten. Soviel war ihr klar geworden. Sie rannte neben Shikakralle her.

„Wohin gehst du?“

„Zu den Ältesten. Sie müssen Bescheid wissen. Ich kenne nur einen schwarzen Teufel und das ist der Anführer vom Falkenclan. Wenn wir nichts unternehmen, kommt Naruglanz wirklich nicht mehr zurück.“

Vor Schreck stolperte Hinapelz über ihre eigenen Pfoten und fiel hin. Als sie hoch sah, hatte der braune Kater schon eine beachtliche Entfernung zurück gelegt.

„Der Anführer vom Falkenclan?! Aber warum?“
 

Naruglanz kam prustend an die Wasseroberfläche und strampelte verzweifelt mit allen vier Pfoten. „Mmmiooooouuu.“ Dann ging er wieder unter.

Sasustern sah ein paar Minuten zu, wie Naruglanz um sein Leben kämpfte. Dann sprang er hinterher und packte Naruglanz im Genick, als wäre er ein kleines Kätzchen. Naruglanz strampelte vor Panik immer noch.

„Wenn du nicht still hälst, lass ich dich hier und jetzt ersaufen.“ Sasustern´s Stimme klang ganz normal, nur etwas gedämpft, weil er Naruglanz Nacken zwischen den Zähnen hatte.

Augenblicklich stoppte Naruglanz seine Bewegungen. Das eben war keine leere Drohung gewesen. Sasustern meinte es absolut ernst. Tödlich ernst.

Er ließ sich von ihm auf die andere Uferseite ziehen, während er immer mal wieder Wasser schluckte und hustete. Als sie das Ufer erreicht hatten, zog Sasustern ihn auf trockenen Boden, wo Naruglanz erschöpft liegen blieb.

Die anderen Katzen waren neugierig, trauten sich aber nicht näher heran.

„Hört mal her,“ rief Sasustern. „Das hier ist Naruglanz.“

Plötzliches Getuschel.

Auch wenn er immer noch unter Schock stand, konnte Naruglanz genug verstehen, um zu wissen, das die Katzen des Falkenclans wussten, wer er war. Das überraschte ihn. Als wäre seine Vorstellung eine Art Einladung oder Erlaubnis gewesen ihn endlich in Augenschein nehmen zu dürfen, kamen die Clankatzen näher. Einige beglückwünschten ihren Chef für seinen großartigen „Fang.“

Sasustern hatte ihnen wohl nichts davon gesagt, das er Naruglanz schon zuvor getroffen hatte?

„Was willst du mit ihm machen?“ säuselte eine helle Stimme. Sie gehörte einem silbergrauen Kater. Naruglanz fühlte einfach, das etwas mit dem nicht stimmte. „Wie wäre es damit,“ schlug er auch gleich vor, „wir geben ihm einen Vorsprung und jagen ihn dann. Sobald wir ihn geschnappt haben, bringen wir ihn um.“ Sein Blick traf den von Naruglanz. „Genau wie bei einer Maus.“

„Eine Maus? Er sieht eher aus wie ein begossener Pudel,“ meinte eine andere Stimme und alle brachen in lautes Gelächter aus. Sasustern ließ seinem Clan den Spaß, ohne das er selbst sich dazu äußerte oder irgendeine Gefühlsregung zeigte. Nach einer Weile miaute er einfach: „Das ist genug.“ Und sofort herrschte ehrfürchtiges Schweigen. Er hatte seinen Clan nicht nur im Griff. Sie verehrten ihn fast wie einen Gott.

Sasustern ging auf Naruglanz zu, der sich schon mehrmals geschüttelt hatte, um das Wasser loszuwerden, das sich in seinem Pelz gesammelt hatte.

„Itabro bringt dich zur Heilerhöhle. Sieh dich um und mach eine Bestandsaufnahme. Sag mir was du brauchst. Wie ich schon sagte, haben wir viele trächtige Katzen, die jederzeit werfen könnten, als auch Kätzchen. Aber weil wir keinen Heiler hatten, sind zwei Mütter gestorben. Die Milch der anderen reicht nicht für alle. Kümmere dich auch darum. Und lass dir besser keinen Blödsinn einfallen. Du kannst weder schwimmen, noch auf den Erdfleck springen. Über die Bäume kannst du auch nicht balancieren.“ Sasustern sah hoch. Naruglanz folgte seinem Blick. Es ist leicht für mich, da rauf zu kommen und über die Äste zu laufen, dachte Naruglanz. Diesen Weg hatte er noch gar nicht gesehen. Aber – er sah Sasustern an. Egal was für ein mieser Kater das war, er schien sich um seinen Clan zu sorgen. Naruglanz beschloss, erst mal aus zu helfen, bevor er – ja was. Sich Sasustern im Kampf stellte oder wie ein feiges Huhn davon lief. Zum Feuerclan konnte er nicht zurück. Es würde nur zu einem Krieg kommen. Tatsächlich und ironischer weise konnte er nur Zuflucht in einem Zweibeinernest finden. Aber – was für eine Schande für seinen Clan. Er wollte nicht, das Gelbstern sich für ihn schämte. Nicht nur, weil er sein Vater war, er hatte ihm auch das Leben gerettet und ein Zuhause gegeben. Das sollte er nicht bereuen.

„Was gibt es denn zu überlegen, Sohn von Gelbstern?“

Das hatte gesessen. Naruglanz sah auf. „Gar nichts.“

„Dann ist ja alles klar.“ Sasustern nickte einem Kater zu, den Naruglanz bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Als er näher kam sah er, das dieser Kater noch größer als Sasustern war und genauso schwarz, bis auf zwei weiße Streifen im Gesicht, die sich von den Augen bis zur Nasenspitze zogen.

Er kam nach vorne bis er neben Naruglanz stand. „Na, dann komm mal mit.“

Die Herkunft des Falkenclans

Hinapelz hatte sich wieder aufgerappelt und folgte Shikakralle, obwohl sie sich am liebsten in ihrem Bau verkrochen hätte. Es war ein Fehler gewesen, Gelbstern nicht sofort zu informieren. Es war ein Fehler gewesen, Naruglanz einfach so gehen zu lassen. Sie hätte ihn viel energischer daran hindern müssen. Oder ihm notfalls auch drohen sollen. So viele Fehler. Sie fühlte sich zutiefst deprimiert, aber es ging hier um den Kater, den sie liebte. Sie musste einfach wissen, was los war.
 

Shikakralle stürmte den Bau der Ältesten und wurde sofort wieder hinaus geschleudert, noch bevor er begriffen hatte, wie ihm eigentlich geschah. Tsukralle trat ihm entgegen und ihr Blick war zum Fürchten.

„Was fällt dir ein?“ knurrte sie ihn an. „Hier einfach herein zu platzen ohne jede Erlaubnis?“

„Beruhige dich Tsukralle.“ Die Stimme gehörte zu Rayapelz.

„Unmöglich. Er muss bestraft werden. Die jungen Katzen von heute wissen einfach nicht mehr, was sich gehört. Also? Was soll ich mit dir machen?!“

„Du kannst mit mir machen was du willst, wenn du mich bitte zuerst angehört hast,“ miaute Shikakralle. „Es geht um Naruglanz. Er ist in Gefahr.“

Shikakralle wusste, das die Ältesten eine gute Beziehung zu Naruglanz hatten und das sie ihn darum zumindest anhören würden.

„Ja, das wissen wir schon.“

Shikakralle traute seinen Ohren kaum. Das war doch Gelbstern. Er stand auf und sah vorsichtig in den Bau der Ältesten, aber so weit entfernt von Tsukralle wie möglich. Gelbsterns Umrisse waren zu erkennen. Es war dunkel, aber er war es eindeutig. Shikakralle würde nie verstehen, warum die Alten diese Dunkelheit dem Licht vorzogen.

„Wenn du wegen Naruglanz gekommen bist, glaube ich, die Ältesten können dir verzeihen. Na? Tsukralle?“

„Pah!“ Tsukralle drehte sich mit hoch erhobenem Schweif um und stolzierte selbstbewusst zurück in den Bau.
 

Hinapelz hatte Shikakralle endlich eingeholt. Er saß geduldig vor dem Bau der Ältesten und hatte seinen Schwanz um die Vorderpfoten geringelt. Als sie bei ihm ankam, flüsterte er nur: „Sei leise und geh nicht näher ran.“ Also setzte sie sich wortlos neben ihn.
 

„Wo habt ihr seine Spur verloren? Ich hör wohl nicht recht? Dieser dumme dumme Taugenichts,“ maunzte Tsukralle wütend und empört.

„Wie gesagt, vor der Reviergrenze des Falkenclans. Seine Spur ging natürlich noch weiter, aber – nun ja.“ Das war Kakapelz. Er sprach relativ gelassen. Aber das hatte nichts zu sagen. Der war eigentlich immer so.

Hinapelz entfuhr ein kleiner Heuler, der aber zum Glück nicht bemerkt oder vielleicht auch nicht beachtet wurde.

„Wären wir weiter gegangen, hätte der Falkenclan es als Herausforderung angesehen oder sogar als Kriegserklärung. Uns blieb nichts anderes übrig, als erst mal den Rückzug anzutreten,“ erklärte Gelbstern. „Ich glaube nicht, das Naruglanz im Augenblick in Lebensgefahr ist. Jedenfalls noch nicht.“

„Ich sehe das genauso,“ stimmte Kakapelz zu. „Einer der Katzen, die Sasustern zur großen Versammlung mitgebracht hatte roch nach Krankheit. Auch wenn er nach wie vor ein gefährlicher Gegner war und keine Schwäche zeigte, war er mit Sicherheit krank.“

Gelbstern nickte. „Ich habe ein paar unbemerkte Tests mit diesem Clan gemacht um ihre Schwachpunkte und Stärken heraus zu finden. Für alle Fälle. Einer von meinen Tests hat ergeben, das sie nicht besonders gut riechen können. Viel schlechter, als wir. Sie suchen ihre Beute mit den Ohren, ohne die Nase einzusetzen.“

„Wie klug von dir, Gelbstern,“ rief Rayapelz. „Aber, wie kamst du überhaupt auf die Idee, so einen Test mit ihnen durchzuführen.“

„Es war die Art der Begrüßung.“

„So kenne ich dich. Du hörst nicht auf Beleidigungen, sondern konzentrierst dich auf das nicht so offensichtliche. Sehr gut.“

„Was heißt das genau? Die Art der Begrüßung?“ wollte Tsukralle wissen.

„Nun, obwohl sie auf Entfernung blieben, setzten sie ihre Nasen nicht ein. Ich dachte mir, das sie es vielleicht deshalb nicht tun, weil sie es nicht tun können. Das habe ich überprüft und das ist auch schon alles.“

„Sie können nicht riechen?“ Tsukralle klang mehr als verblüfft.

„Doch, aber nicht so gut wie wir. Sie – es scheint sie müssen wohl in die Nähe kommen, wenn sie dich riechen wollen.“

„Komische Katzen.“

„Es ist nur ein Gerücht, aber meine Spione haben es mir bestätigt,“ meldete sich Kakapelz nun wieder zu Wort. „Diese Katzen kommen alle, oder fast alle, aus einem Versuchslabor der Zweibeiner. Wir glauben, das ihr – ähm – seltsames Benehmen damit zusammen hängt.“

„Versuchslabor? Ich verstehe kein Wort,“ beschwerte sich Tsukralle.

Rayapelz schwieg.

Kakapelz schien wohl zu wissen, was es war und Gelbstern hatte zu den Zweibeinern schon Kontakt gehabt oder genauer gesagt, nicht zu den Zweibeinern aber zu Shina, einem Hauskätzchen. Eher zweifelhaft, das er wusste, was genau das war, überlegte Shikakralle. Er sah ratlos zu Hinapelz, aber sie zuckte auch nur ahnungslos mit den Ohren.

Im nächsten Moment bestätigte Gelbstern auch schon seinen Verdacht.

„Erklär uns bitte, was ein Versuchslabor genau ist. So gut du eben kannst beziehungsweise es weißt, Kakapelz,“ forderte er den einäugigen, grauen Kater auf.

„Nun, mit einem Wort, es ist das Grauen.“

Niederdrückende Stille breitete sich aus.

„Ich war einmal dort,“ berichtete Kakapelz weiter. Seine Stimme klang plötzlich überhaupt nicht mehr gelassen. Eher – ja, fast ängstlich. Und das bei einem wie ihm. Was hatte er nur gesehen? fragte sich Shikakralle. Selbst er spürte ein Gefühl des Unbehagens, obwohl er zum ersten Male davon hörte.

„Die Katzen leben dort in kleinen und engen Rechtecken aus Draht. Sie haben so wenig Platz, das sie sich nicht mal umdrehen oder hinlegen können.“

Tsukralle sog scharf die Luft ein. Hinapelz lief plötzlich ein kalter Schauer den Rücken hinunter und sie fröstelte. Am liebsten hätte sie ihren Kopf im Sand vergraben, sie wollte nicht noch mehr hören.

„Die Zweibeiner kommen mit Nadeln und stechen die Katzen. An den Nadeln klebt was wo eine Flüssigkeit herum schwimmt. Ich habe verschiedene Farben gesehen. Manche waren wie Wasser, andere rosa oder gelb. Dann setzen sich die Zweibeiner hin und beobachten die Katzen. So als ob sie darauf warten, das etwas passiert. Also habe ich das auch gemacht. Und...“ Kakapelz brach ab.

„Hm. Verstehe,“ murmelte Gelbstern.

Shikakralle verstand überhaupt nichts. Anscheinend passierte etwas bei oder mit den Katzen. Nachdem sie gestochen wurden.

„Gibt es – sonst noch etwas?“

„Ja. Sie werden auch auf heißen Draht gestellt und springen immer wieder in die Höhe, aber da ist nichts zum Drauf springen oder festhalten, oder sie stehen auf Draht der ab und zu eine seltsame und schmerzhafte Reaktion auslöst. Jedenfalls zucken sie dann. Und springen auch. Manche verlieren auch völlig die Kontrolle und lassen sich zu Boden fallen. Aber – das ist auch noch nicht alles.“

„Das reicht, ich habe mehr als genug gehört. Ich habe die Zweibeiner noch nie gemocht, aber das sie so weit gehen...“ Tsukralle schwieg einen Moment. Dann fragte sie: „Und deine Spione unter den Zweibeinern sagen, der Falkenclan kommt aus so einer – ähm – Einrichtung?“

„Ja. Ein Feuer brach aus und viele der Katzen konnten entkommen. Irgendjemand, ein Zweibeiner, hat die Käfige geöffnet.“

„Ansonsten wären sie verbrannt und jetzt tot,“ stellte Gelbstern fest.

„Das wären sie jetzt auch, wenn sie beim Feuer nicht hätten fliehen können,“ meinte Kakapelz. Seine Stimme hatte ihren gewohnten Klang zurück.

„Was hat das Ganze mit Naruglanz zu tun?“ fragte Rayapelz.

„Das wissen wir nicht.“

Der Heilerbau des Falkenclans

Naruglanz suchte noch einmal kurz den Blickkontakt zu Sasustern, aber der schien sich nicht mehr für ihn zu interessieren. Dafür wurde er von Itabro zum Gehen gedrängt. Der schwarze Kater lief seitlich und etwas hinter Naruglanz her. Geschickt lenkte er Naruglanz ohne ihn überhaupt zu berühren.

Naruglanz spürte immer noch vereinzelte Blicke auf sich ruhen, aber er wusste nicht, wie er sie einordnen sollte. Die Begrüßung des Falkenclans war ja ziemlich eindeutig gewesen, aber die Blicke die er spürte waren nicht gehässig. Sie waren alles mögliche. Neugierig, verzweifelt, hoffend, ablehnend – sie brachten ihn komplett durcheinander. Und der schweigende Kater der ihn so geschickt wie ein Hund eine Herde von Schafen vor sich her trieb machte die Sache auch nicht besser.

„Ich habe noch nie Katzen gesehen, die schwimmen können,“ miaute Naruglanz um das bedrückende Schweigen zu brechen. Keine Antwort. Itabro schwieg nicht nur, man hörte nicht mal seine Pfoten. War der Kerl ein Geist? Naruglanz schielte zu Boden um zu überprüfen, ob die Tatzen des großen Katers den Boden auch tatsächlich berührten. Natürlich taten sie es. Was war er nur für ein Idiot. Oder vielleicht gab es hier ja auch Giftgase, die einem den Verstand umnebelten.

„Schwimmt ihr gerne?“ versuchte Naruglanz es erneut.

Schweigen. Egal. Wenigstens einer maunzte.

„Habt ihr schwimmen gelernt? Ist das angeboren? Warum nennt ihr euch den Falkenclan und nicht den schwimmenden Clan? Habt ihr auch Kiemen? Ich meine ja nur – für unter Wasser zu tauchen. Könnt ihr vielleicht mit Fischen reden? Oh – wohl eher nicht. Oder doch?“

„Hör auf zu reden.“

Naruglanz wollte gerade feststellen, das Itabro eine Zunge hatte, als der anhielt. Vor sich sah Naruglanz eine kühle Erdhöhle. Ein modriger Geruch strömte ihm entgegen. „Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?“

„Hier lebte unser Heiler.“

„Bevor er krank wurde und starb?“

Naruglanz sah den anderen Kater provozierend an, aber der blieb völlig gelassen. „Ja.“

Dieses eine einfache Wort, das der andere so gelassen aussprach erschreckte Naruglanz mehr als alles andere, was er bisher hier gesehen und erlebt hatte. Seine hilflose Wut verflog augenblicklich und er wurde plötzlich zu dem, was er war, ein Heiler. Ohne ein weiteres Wort betrat er die Höhle und sah sich um. Ähnlich wie seine alte Höhle hatte auch diese mehrere Kammern. In einer davon sah er vertrocknetes Gestrüpp. Irgendwie hatte die Katze, die zuvor hier gelebt hatte, wohl eine Vorstellung davon gehabt, was notwendig war, aber die Pflanzen hier – das war doch nur Unkraut. Und außerdem - „Es ist viel zu feucht. Hier kann man keine Heilkräuter trocknen lassen, geschweige denn kranke Katzen unterbringen,“ ließ er Itabro wissen.

„Es ist feucht, weil es hier viel Wasser gibt. Und darum auch viel Kräuter.“

„Die Kräuter trocknen hier nicht,“ wiederholte Naruglanz. „Sie vermodern.“

Itabro sah ihn genau an. Dann nickte er langsam. „Ja. Ich verstehe. Aber wieso haben dann alle anderen Clans ihre Heilerunterkünfte am Boden oder unterirdisch gegraben?“

Naruglanz stockte für einen Moment der Atem. Das der Falkenclan das wusste konnte doch nur bedeuten, das sie vorher die anderen Clans ausspioniert hatten. Aber wie? Und warum? Vor allem wie – wie hatten sie unbemerkt eindringen können?

„Weil es bei den anderen Clans kein – Wasser – gibt?“ fragte Naruglanz zögernd.

„Was ist mit dem Schneeclan?“ wollte Itabro wissen.

„Keine Ahnung. Wenn sie ihren Heilerbau am Boden haben, dann ist er bestimmt gut gepolstert.“

„Womit?“

„Mit Fell, womit denn sonst?“

„Katzenfell?“

„Natürlich nicht. Dem Fell von Mäusen, Mardern und so weiter. Es ist besser, wenn der Heilerbau am Boden ist oder unter der Erde.“

„Warum?“

„Weil man die kranken Katzen besser dorthin transportieren kann. Und unter der Erde sind sie geschützt vor – vor feindlichen Clankatzen.“

„Verstehe.“

Naruglanz verstand immer weniger. Dieser Kater benahm sich wie ein Idiot, aber er war mit Sicherheit keiner. Aber war er überhaupt eine Clankatze?

Naruglanz atmete tief durch. „Ich brauche einen Bau der trocken und warm ist. Aber trotzdem einfach zu erreichen. Dieser hier ist nutzlos. Absolut nutzlos.“

Itabro durchbohrte ihn wieder mit seinem Blick, als wolle er sich vergewissern, das er nicht lüge, nickte dann leicht und drehte sich um. „Ich werde es meinem Bruder berichten.“

„Deinem Bruder? Berichte es doch am Besten Sasustern.“

„Das hab ich doch gesagt.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (44)
[1] [2] [3] [4] [5]
/ 5

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  qiinqz_
2017-11-07T15:25:49+00:00 07.11.2017 16:25
Ich finde dein Story richtig gut und würde mich über eine vort setzung freuen
Von:  Imika
2015-05-28T15:32:28+00:00 28.05.2015 17:32
das ist echt gut
geht es hier irgendwann auch wieder weiter?
bin gespannt was zwischen naruglanz und sasustern passieren wird ^^
auch bin ich sehr gespannt was allgemein noch passieren wird. ^^
Von: abgemeldet
2014-11-11T22:13:43+00:00 11.11.2014 23:13
Oh mein Gott :D ich habe die FF soeben gefunden und dachte: "Shõnen-Ai? Naruto und Warrior Cats? Du liest das jetzt!"
Ja...abgesehen davon, ist es ein interessanter Einstieg und ich bin von deinem Schreibstil sehr angetan.
Von:  Skaletsakura-chan
2014-10-27T15:08:21+00:00 27.10.2014 16:08
der arme tommi die mutter von tommi ist doff und gemein.
Der arme Naru

Von:  Wernes23
2014-06-10T04:28:14+00:00 10.06.2014 06:28
Sehr sehr schönes Kapi, freue mich tierisch, wenn das hier und auch deine anderen FF´s weiter gehen.

LG Wernes
Von:  Kitty24
2014-05-25T07:00:21+00:00 25.05.2014 09:00
klein aber fein.
Das ist ganz toll, vor allem finde ich es interessant wie du die Namen zusammenstellst. Das letzte soll wohl heißen ITAchi-BROther oder?

Bis dann
Cat
Von:  Shanti
2014-05-24T12:09:51+00:00 24.05.2014 14:09
halllooooo

jaaaaaaa endlich geht es weiter xD
jetzt bin ich mal gespannt wie naru reagiert hahahah

lg
shanti
Von:  yukihima
2014-05-24T11:18:25+00:00 24.05.2014 13:18
jippi es geht weiter das ist toll . und wie immer sehr spannend aber auch sehr kurz freu mich aber wenn es weiter geht
LG yuki
Von:  Sayuri94
2014-03-09T18:45:24+00:00 09.03.2014 19:45
Mach bitte schnell weiter
Von:  Lady-Bloody-Rose
2014-02-21T01:56:32+00:00 21.02.2014 02:56
Oooojjjeeee armer Sasu, arme Katzen. Bin ja mal gespannt wie Naru auf die Story reagiert. L.g.deine cat


Zurück