Ich bin nicht schlau. Echt nicht.
Wär ich schlau, hätte ich gecheckt, was mein Lehrer in der Französischarbeit von mir gewollt hätte. Dann hätte ich mich nicht so übel blamiert, dass es selbst für meine Verhältnisse peinlich ist.
Aber weil ich halt leider nicht schlau bin, sind die einzigen schriftlichen Ergebnisse auf dem Blatt und dem Heft mein Name, eine drei Zeilen Entschuldigung, warum ich nicht zum Lernen gekommen bin, und eine krüppelige Variante vom Haus vom Nikolaus.
Drunter thront die gnadenlos rote Sechs meines entnervten Lehrers.
Meine Mas werden mich rösten und den Nachbarn zum monatlichen Grillfest servieren.
Aber ich ärgere mich nicht über meine schlappe Leistung, das würde mir den Tag noch mehr verhageln als ohnehin schon.
„Du bist schon voll der Loser“, bemerkt Juma sachlich, als sie mir ohne mein Einverständnis den Fail des Tages aus den Fingern zerrt und einen kritischen Blick darüberjagt. Wie immer weiß ich nicht, ob sie das ernst meint und mich als Trottel der ganzen Stufe sieht oder ob das ihre Art ist, ihr Mitleid auszudrücken.
Keiner versteht Juma; sie selbst sich wahrscheinlich auch nicht.
„Passiert.“ Genau wie die fünf in Bio; ich bin nicht für die Schule gemacht, mein bestes Fach ist Sport und damit kann ich nicht einmal ansatzweise mein Unvermögen ausgleichen.
„Frag doch Sebu, ob der dir hilft.“ Sie schmeißt das Heft zurück auf meinen Tisch, kneift die Augen zusammen und überdenkt ihre Aussage. „Nein, ich glaub, selbst der kann dir nicht helfen, Nik. Du hast es einfach nicht drauf. Brech ab, mach eine Ausbildung. Tu irgendwas, aber beweg deinen Arsch aus der Schule raus.“
Was für eine geniale Idee; ich muss erst mal die Schulpflicht hinter mir lassen, um an Aufhören überhaupt zu denken. Danach können wir gerne über nicht vorhandene Zukunftspläne streiten.
Manchmal frag ich mich, wie ich Jumas verqueres Geschwafel seit Ewigkeiten ertrage; wir sitzen zwar seit gefühlt immer in diesem Raum nebeneinander, sind aber weit davon entfernt, befreundet zu sein oder uns besonders zu mögen, dafür ist sie mir zu seltsam.
Und sie hält mich wohl für dumm, weil ich halt nicht schlau bin.
Ich bin gerne draußen, mache Sport und gehöre zu den wenigen in der Klasse, für die Rennen nicht nur ein Wort in einem PC Game ist, aber zu ungeduldig, um auswendig zu lernen, zu vergesslich, um mir Vokabeln zu behalten, und leider auch irgendwie zu beschränkt, um den ganzen Quatsch mir Tag für Tag einzutrichtern.
Vielleicht hat sie recht, dass selbst mir Sebu nicht helfen kann; und der ist ein Ass in Französisch, aber da hat er auch Heimvorteil.
Vielleicht sollte ich ihn fragen; versuchen kann man es ja, wobei ich bezweifle, dass ich Erfolge erzielen werde. Eher schmeißt er genervt das Handtuch und verklagt mich wegen meiner unterirdischen Kenntnisse. Ich könnte mir in Paris nicht mal ohne Hilfe ein Baguette bestellen.
Die Pause dauert an, um mich herum schreit und lärmt es. Normalerweise würde ich mitmischen, aber ich muss noch entscheiden, ob ich Sebu wirklich fragen soll.
Manchmal ist er ganz in Ordnung und dann lässt er wieder den Assi raushängen; dabei gehört er auch nur zu den Durchschnittsschülern, kann weder mit Handy noch Freundin angeben und darf eine Zahnspange tragen.
Vielleicht ist er deshalb zeitweise so bescheuert drauf.
Juma neben mir krümelt meine Seite des Tisches mit ihren selbstgekauften Plätzchen voll, als wäre das abnormal legitim, irgendjemand haut mir seine Wasserflasche gegen den Kopf, weil er mich angeblich nicht gesehen hat, und ich entscheide mich, das Wagnis einzugehen.
Im schlimmsten Fall frisst mich Sebu auf; dann habe ich meinen Mas bewiesen, dass ich es wenigstens versucht habe.
