Zum Inhalt der Seite

Der Vorhang fällt in der Dunkelheit

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Vorhang fällt in der Dunkelheit

Der Vorhang fallt in der Dunkelheit
 


 

„So schön“ flüsterte ein weißhaariger junger Hanyou melancholisch, während er den Wintermond betrachtete, welcher an dem nahezu wolkenfreien Himmel stand. Es war kurz vor Neumond und das hell leuchtende Gestirn am schwarzen Himmel war nur als Sichel zu sehen. „Und er erinnert mich wieder so sehr an ihn“ flüsterte er wieder, doch diesmal war es kaum zu hören.

Wie so oft dachte der junge Hanyou an seinen Bruder. Eben den, von dem er so sehr gehasst wurde.
 

Ein leiser Seufzer stahl sich über Inuyashas Lippen. Langsam drehte er sich um sich selbst, und betrachtete seine Umgebung.

Er befand sich nicht in Japan. Er befand sich auch nicht in der Gesellschaft von Menschen oder Youkai oder sonst einem anderen Lebewesen. Er war alleine, umgeben von klaffenden Abgründen, scharfkantigem Felsengestein, steilen Abhängen und sanft geschwungenen Bergen.

Seine Freunde hatte er schon vor mehreren Jahrhunderten verlassen. Vor über 300 Jahren, stellte er nun selbst etwas erstaunt fest, als er zurückrechnete. Kurz nachdem Kagome in ihre Zeit zurückgekehrt war, hatte sich auch der Rest der Gruppe aufgelöst. Und schließlich war dann auch Inuyasha gegangen. Menschen starben, das war eben der Lauf der Dinge, aber er wollte es bei seinen Freunden nicht miterleben und Sesshomaru verabscheute ihn. 'Und ich?' dachte Inuyasha resigniert, 'Ich liebe ihn!'.
 

Auch das war ein Grund, weshalb er zuerst nur die Gegend und schließlich das Land verlassen hatte. Er wanderte immer weiter und weiter. Er war rastlos, konnte es nicht ertragen für länger als ein oder zwei Wochen an einen und dem selben Ort zu verweilen.

Inuyasha wanderte schon sein ganzes Leben durch Wälder, aber es war in den letzten Jahrhunderten immer schlimmer geworden. Früher blieb er stets in seinem Territorium, doch irgendwann reichte das nicht mehr. Er hatte weg gewollt. Weit weg, und wenn er ehrlich zu sich selbst war, wusste er, dass er fliehen wollte. Vor dem Hass, den er für sich selbst empfand und vor der Verachtung, die sein Bruder für ihn empfand.
 

Nun wanderte Inuyasha schon seit 300 Jahren durch die Welt, ohne ein Ziel zu haben. So kam es zwar, dass er eine menge von der Welt sah, wofür ihn zweifellos der ein oder andere beneidete, aber er hatte er es nicht genossen. Er konnte nicht, denn es war wie ein Zwang für ihn gewesen weiterzukommen. Der Ort jedoch an dem er sich jetzt befand gefiel ihm. Fast genauso gut wie Japan und doch hatten die beiden Gegenden nicht besonders viel miteinander zu tun.

Er befand sich in den schottischen Highlands, einem rauen, kahlen und vor allem verregneten Ort. Und doch wohnte diesem Land eine solch machtvolle Schönheit inne, dass es ihn mehrere Jahre hier gehalten hatte, ohne dass er den Anblick der Highlands je müde geworden wäre.
 

Mit einem weiterem Seufzer riss er sich von den sanft geschwungenen, grünen Hügeln und den zerklüfteten, scharfkantigen Felsen los und ging.

Nicht einmal mehr Nachts vermochte er Ruhe zu finden und so wanderte er durch die Highlands, wenn er nicht gerade für ein paar Stunden schlief.

Ohne es selbst zu merken, trugen ihn seine Füße Richtung Japan.
 

Mehrere Tage und Wochen zogen ins Land und der junge Hanyou war immer noch auf dem Weg nach Hause. Nein, korrigierte er sich selbst. Er hatte kein Zuhause, aber die Wälder der Mitte Japans erweckten dennoch ein heimisches Gefühl in ihm.

Nachdem Inuyasha gemerkt hatte, dass er dabei war wieder nach Japan zu gehen, hatte er sich entschlossen seinen Bruder zu besuchen.

Inuyasha wusste, dass der Lord des Westens ihn hasste, dass er für ihn nichts anderes als Verachtung übrig hatte und dennoch, er wollte seinen Bruder sehen.

Und dann? Er wusste es nicht. Er wusste schon so lange nicht, was er tun sollte und er war müde. Nicht körperlich, sondern geistig.
 

Inuyasha wusste, dass er Zeit brauchen würde, ehe er sich wieder in dem Land befand, indem er geboren worden war. Doch beeilte er sich, aus einem ihm selbst unbekannten Grund, sehr, und so hatte er es in nur einem Monat geschafft von Schottland nach Japan zu reisen.
 

§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§
 


 


 

Lautlos bewegte sich Sesshomaru, der Herr des Westens, durch den Wald. Er war auf der Jagt und fügte sich trotz seiner leuchtend weißen Kleidung nahezu perfekt in die Umgebung ein. In dem Wald, nur ein paar Meilen von seinem Schloss entfernt lungerten ein paar niedere Dämonen herum, die nicht zum Inuclan gehörten und in diesem Wald wilderten. Und das quasi direkt neben seinem Schloss! Wie konnte man nur so dreist sein?
 

Bei dem Gedanken leise knurrend, legte er noch ein wenig Tempo zu und jagte durch den Wald.

Es wurde langsam dunkler, denn die Sonne stand inzwischen tief am Himmel und in spätestens 45 Minuten würde sie ganz hinter dem Horizont verschwinden.

Dann würde die Nacht anbrechen, die Zeit der Dämonen.

Schon gestern war die Nacht dunkel gewesen, so wie Sesshomaru sie gerne hatte und perfekt zur Jagd geeignet. Diese Nacht würde gar kein Mond am Himmel stehen. Es war Neumond.
 

Sesshomarus Gedanken begannen abzuschweifen. Er hatte seinen Bruder nun schon seit über 300 Jahren nicht mehr gesehen. Diese Nacht würde er wohl wieder seine Menschenform annehmen.

Wenn er noch lebte.
 

Wütend knurrend schüttelte Sesshomaru seinen Kopf. Natürlich lebte sein Bruder noch! Aber er kam einfach nicht drumherum, sich ein wenig um ihn zu sorgen. Schließlich hatte er schon seit 300 Jahren nichts mehr von ihm gehört.

Ein weiteres leises, unwilliges Murren war von dem Silberhaarigen zu hören. Warum machte er sich in den letzten Jahren so viele Sorgen um seinen Bruder? Schließlich war er stark, stärker als viele andere Volldämonen.

Bei dem Gedanken regte sich leiser Stolz in ihm. Er hatte schon lange aufgehört seinen Bruder zu hassen. Irgendwann war ihn seine eigene Ignoranz klar geworden, und er hatte verstanden wie unglaublich dämlich und gemein es von ihm gewesen war, Inuyasha wegen seiner Mutter zu verurteilen. Später hatte er nur noch mit ihm gekämpft, weil es ihm Spaß gemacht hatte, sich mit jemanden so starken zu messen.
 

Aber das war jetzt schon so lange her. Der Jüngere war irgendwann einfach verschwunden und Sesshomaru hatte keinerlei Lebenszeichen mehr von ihm erhalten. Er war wie von Erdboden verschluckt.

Dennoch weigerte er sich, auch nur daran zu denken, dass sein kleiner Bruder tot sein könnte.
 

Auf einmal wurde der Lord des Westens von einem ihm allzu bekannten Geruch aus seinen Gedanken gerissen. War das möglich?
 


 

§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§§
 


 

Inuyasha war schon seit einem Monat unterwegs, nun aber endlich in Japan angekommen. Da er von Süd-Korea aus mit einem Schiff nach Japan übergesetzt hatte, kam er direkt im Westen Japans an, unweit von Sesshomarus Schloss entfernt.

Zwei weitere Stunden vergingen, in denen sich langsam dem Schloss näherte, dabei jedoch nie seine Umgebung aus dem Auge (und seinen restlichen Sinnen) ließ.

Schließlich schnappte er ein wenig überrascht den Geruch seines Bruders auf. Er wusste, dass es nicht allzu erstaunlich war, seinen Bruder hier anzutreffen, aber er hatte nicht damit gerechnet ihn so schnell zu finden.
 

Mit einem leichten Schlenker veränderte er die Richtung in die er lief und sprang von Baum zu Baum, seinem Bruder entgegen.

Als er schließlich vor ihm stand, hing die Sonne schon gefährlich tief über dem Horizont.

Eine Weile standen sich die beiden Brüder einfach nur ohne Regung gegenüber. Dann, im Bruchteil einer Sekunde, zogen die beiden ihre Schwerter und gingen aufeinander los.

Sie kämpften hart, voller Elan und mit einer gewissen, für beide spürbaren Aggression gegeneinander. Dennoch war auch noch nach mehreren Minuten keiner Verletzt, als sie aufeinander prallte, zurück sprangen und anschließend ein wenig voneinander entfernt stehenblieben und sich gegenseitig musterten.
 

Bis jetzt hatte weder der eine noch der andere auch nur ein Wort gesagt. Doch in dieser kurzen Pause, die während des Kampfes entstanden war, fing der Ältere endlich an zu sprechen.

„Du warst lange Weg“ Von Inuyasha kam keine Reaktion. Sesshomaru hatte keine Frage gestellt, sondern nur eine Tatsache ausgesprochen und da sie auch sonst nie redeten, wusste der Jüngere nicht, ob und was der andere als Antwort erwartete.

Sesshomaru, der die Unentschlossenheit des Halbdämons bemerkt hatte, stellte eine direkte Frage: „Wo warst du all die Jahre?“

„Überall auf der Welt“ antwortete Inuyasha nach einer kurzen Pause endlich. Dann sah er zum Himmel hinauf. Die Sonne berührte schon fast den westlichen Horizont. Es würde nur noch wenige Minuten dauern, bis sie endgültig verschwand und das Licht gezwungen war der Dunkelheit zu weichen.

Inuyasha ging wieder in Stellung, woraufhin Sesshomaru erneut angriff.

'Es ist schon seltsam' dachte der weißhaarige Hanyou, während er einen von Sesshomarus Schwerthieben parierte und seinerseits angriff.

'Ich bin stärker geworden. Ich kann mit ihm mithalten und ich bin mir recht sicher, ich könnte es auch dann noch, wenn er ernst machen würde.' Aber Inuyasha hatte seine Entscheidung bereits getroffen und seine Zeit lief ab, denn die Sonne wäre bald untergegangen.
 

Der Hanyou begann immer aggressiver zuzuschlagen, sodass auch der Lord gezwungen war mit immer mehr Kraft zu kämpfen.

'Er hält sich immer noch zurück. Und das, obwohl er mich so sehr hasst. Er will mich nicht töten, weil ich der Sohn seines Vaters bin.' Inuyasha machte einen Ausfallschritt und wich dem, zwar mit Elan ausgeführten, aber nicht tödlichen Schwerthieb seines Bruders aus.

Als Sesshomaru seine Schwert wieder hob, erkannte Inuyasha seine Chance.
 

Blitzartig schoss der Halbdämon nach vorne, sah zuerst Überraschung und dann Entsetzen in den Augen seines Bruders aufblitzen. Doch es war bereits zu spät. Der Lord des Westens konnte nichts mehr tun, um Inuyasha aufzuhalten.

Dieser ließ Tessaiga los und sprang blitzschnell in das Schwert seines älteren Bruders, welches sich durch seinen Brustkorb bohrte, bis das Heft das Schwert daran abhielt weiter durch seinen Körper zu dringen.
 

Sesshomaru konnte nicht glauben, was sein Bruder gerade getan hatte. Seine sonst so undurchdringliche, kalte Maske war Entsetzen und Unglauben gewichen. Unfähig etwas zu sagen, starrte er einfach nur bewegungslos auf einen Punkt hinter Inuyasha, während er versuchte seine Fassung wieder zu erlangen.
 

Inuyasha stand unterdessen einfach nur gegen seinen Bruder gelehnt da und lächelte traurig, während unaufhörlich und unaufhaltsam Tränen aus seinen Augen und Blut seinen Körper hinab rann.

„Warum?“ erklang die Stimme des silberhaarigen Lordes nach ein paar Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit erschienen. Ob der untypisch rauen und so unendlich fassungslosen Stimme seines Bruders, musste Inuyasha noch ein wenig mehr lächeln. Dann gaben seine Knie unter ihm nach und er drohte umzufallen. Schnell umschlang Sesshomaru seinen Bruder mit seinem freien Arm und hielt ihn fest. Mit seiner anderen Hand, welche immer noch das Heft des Schwertes umfasst hielt, zog er eben dieses aus dem erschlafften Körper seines Bruders.

„Bitte vergib mir“ flüsterte Inuyasha mühsam, während Sesshomaru ihn sanft auf den Boden legte.

„Du solltest jetzt nicht reden“erwiderte Sesshomaru ruhig, obwohl in seinem Inneren das reinste Chaos herrschte.

Doch Inuyasha wusste, dass dies seine letzte Gelegenheit seien würde, seinen Bruder um Vergebung zu bitten.

„Es tut mir so leid, dass du dich immer für mich geschämt hast“ brachte Inuyasha mühsam hervor, ehe er einen weiteren rasselnden Atemzug nahm. Seine Lunge füllte sich mit immer mehr Blut, was es ihm fast unmöglich machte zu atmen oder zu sprechen.

„Was redest du da?“ fragte er ruhig, aber verwirrt, und unterdrückte seine aufsteigende Panik, als er sah, dass der Hanyou Unmengen von Blut spuckte und langsam blau wurde.

„Vielleicht kannst du mir ja irgendwann-“ Inuyasha musste abbrechen, da er wieder Blut spuckte. Als er wieder zitternd ein wenig Luft holen konnte, sprach er weiter und der Youkai hinderte ihn nicht daran. Ihm war klar, dass Inuyasha das nicht überleben würde.

„... vergeben, dass ich existiert habe.“ sprach der Hanyou weiter. Sesshomaru starrte ihn geschockt an und beobachtete wie die Tränen des Jüngeren ihren Weg über seine Schläfen fanden und schließlich in seinen Haaren verschwanden. Dennoch lächelte Inuyasha fast schon zufrieden, wenn auch unendlich traurig und sah seinem Bruder direkt in die Augen.

Sesshomaru wollte protestieren, irgendetwas erwidern, doch genau in dem Moment versank die Sonne endgültig hinter dem Horizont und mit ihrem Licht verschwanden auch Inuyashas Dämonenkräften. Sein Haar und seine Augen wurden schwarz und seine Reißzähne, seine Klauen und Hundeohren verschwanden.

Zurück blieb ein Menschenjunge mit tödlichen Verletzungen und dem Wissen, dass er sterben würde.

Wie hatte Sesshomaru das nur vergessen können? Heute war Neumond! Er hatte doch vor nicht mal einer Stunde noch daran gedacht gehabt!

Sesshomarus Maske viel ein weiteres mal und er schaute voller Verzweiflung auf seinen nun menschlichen Bruder.

„Es gibt nichts, was ich dir verzeihen müsste. Ich bin dir wegen deine Abstammung schon lange nicht mehr böse und ich hasse dich auch nicht“ [Voll gefühlvoll der Kerl, wa?]
 

Inuyasha lächelte zufrieden und holte ein weiteres mal mühsam und rasselnd Luft. Sesshomaru wusste nicht was er tun sollte. Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie so hilflos gefühlt, wie in diesem Moment. Er lauschte auf das Herz des Jüngeren, welches im Todeskampf raste und schließlich stockte. Noch ein letztes mal bäumte es sich auf, ehe ein zucken durch den Körper des Hanyous lief und es endgültig aufhörte zu schlagen.

Mit seinem letztem Atem hauchte der nun Schwarzhaarige ein leises „Ich liebe dich“ ehe er von Dunkelheit umhüllt wurde.

Inuyasha war tot. Der Vorhang seiner Bühne war mit diesen drei leise geflüsterten Wörtern gefallen, ohne Sesshomaru die Chance zu geben, ihm zu antworten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  nicoleherbster
2017-07-27T18:21:56+00:00 27.07.2017 20:21
Eigentlich könnte doch tensaiga einsetzten und ihn zurück holen.
Von:  Coppelius
2014-11-10T08:18:32+00:00 10.11.2014 09:18
woah, dass ist so traurig =(
Von:  CheyennesDream
2013-03-29T13:35:11+00:00 29.03.2013 14:35
Deine Geschichte kenne ich zwar schon länger aus einem anderen Fandom aber ich glaube, noch nie habe ich sie gewürdigt.
Du hast alles schön beschrieben, vor allem die Gegend, konnte es mir bildlich vorstellen.
Die Gefühle und das Zusammentreffen der Brüder ebenso. Ist zwar schade das es so ausgeht aber dennoch eine unterhaltsame Geschichte

Chris
Antwort von:  Minias
29.03.2013 17:20
hallo,

danke für das tolle review ;)hat mich wirklich super gefreut!!


Zurück