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Die Hüter der Kindheit und der Jugend

Amber
von

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Das Ende einer Kindheit

In ein paar Wochen ist schon wieder Weihnachten. Wie die Zeit rennt! In den Straßen werden schon die ganzen Weihnachtslichter hingehängt. Wie schön sie leuchten. Das war mir immer das Schönste an Weihnachten. Durch die mit Weihnachtsbeleuchtung behängten verlassenen Straßen gehen, von aussen sehen, wie die Menschen in ihren warmen Häusern und Wohnungen sind und sich mit ihren Liebsten einen schönen Abend machen. Wie glücklich mich das macht, diese Menschen so zu sehen, wie sie lieben und sich freuen! Nur wenn ich an einem Haus vorbei spaziere, wo es die Menschen ein wenig mit der Weihnachtsbeleuchtung übertrieben haben und man so das Geld für die Disko sparen und bei der Open Air Disko mitfeiern kann, macht es mich eher traurig, wie die Leute so mit ihrem Geld protzen können. Hmmm... Die Lichter in den Straßen... Sollte ich auch langsam mal wieder meine Pyramide aufstellen? Aber eigentlich haben das doch bloß Omas an ihren Fenster stehen... Aber die geben so ein schönes Licht ab!

„Amber! Hallo? Erde an Amber! Wo gehen wir hin?“

Wie aus einem tiefen Traum gerissen schaute ich David, der dicht neben mir herlief, tief in die Augen. Verdammt, dabei hatte ich doch versucht mich mit irgendeinem schönen Gedanken abzulenken, um nicht wieder dieses unangenehme, aber gleich wundervolle Kribbeln zu spüren, wenn er in meiner Nähe war! Ich wusste ganz genau, es ist falsch, also wieso versuchte wieder diese Herde an wildgewordenen Schmetterlinge wie eine Seuche mich von innen aufzukribbeln!?

„D... Das wirst du schon sehen...“, sagte ich benommen, ohne meinen Blick auch nur ein Stück von seiner Nasenwurzel zu wenden, um nicht in seine kastanienbraunen Augen sehen zu müssen und damit es trotzdem so aussah, als würde ich ihm in die Augen gucken. Kastanienbraune Augen... Fiel mir dafür kein besseres Wort ein? Haselnussbraun, Schokobraun, so braun wie...

„Es ist schon spät am Abend. Was um himmelswillen willst du mir so spät hier im Central Park zeigen? Amber, du konntest noch nie gut lügen. Der Vorwand, „mir etwas zeigen zu wollen“ ist nicht wirklich einfallsreich, das musst du zugeben!“, sagte David, der glücklicherweise just in diesem Moment seinen Blick von mir ab wand und nach vorne auf dem Gehweg gucke. Das hätte ich mal auch lieber machen sollen, den prompt rutschte ich plötzlich auf einer gefrorenen Wasserpfütze aus, die ausgerechnet schon Anfang November wie aus heiteren Himmel unter meinen Füßen erschien. AUTSCH! Das war die linke Pobacke, aber zum Glück wird dieser blaue Fleck an einer Stelle sein, die eh niemand in nächster Zeit so schnell zu Gesicht bekommen würde, ausser meiner Wenigkeit, die dann jedesmal an dieses peinliche Vorkommnis erinnert wird. Das war wohl die Strafe, dass ich so schlecht lügen konnte. Lügen gehörte noch nie zu meiner Stärke, das stimmt. So gut konnte er mich schon durchschauen! Aber das ist auch nicht allzu schwierig. Ich arbeite als Kellnerin in einer kleinen Bar mit Snacks. Immer, wenn der Chefkoch zu mir sagt, ich solle die Gäste anlügen, dass ein Gericht aus sei, nur weil er zu faul ist kurz bevor die Küche schließt noch ein Gericht kochen zu müssen, stehe ich vor dem Gast und ich bekomme es einfach nicht hin, zu lügen... Dann ist der Chefkoch sauer auf mich und der Gast ebenso, weil der Koch sich extra wenig Mühe beim Essen gegeben hat und ich als Kellnerin seine Wut natürlich als allererstes abbekommt. Ich bin so ungern der Mediator zwischen Küche und Gästen...

„Warte, ich helfe dir auf! Oh nein, du bist ja voller Schnee! Wo kommt der denn plötzlich her... Warte ich helfe dir den abzuklopfen. Jetzt ist dein Mantel ganz nass. Soll ich dir meinen geben?“
„Oh nein nein nein... Neeeein brauchst du nicht! Ach das trocknet ganz schnell! Wirklich! Nein, ich brauche deinen Mantel nicht! Das geht schon...“

„Aber du hast auch noch so wenig an für das Wetter. Es wird Winter, lass dir doch helfen!“

„Du hilfst mir genug, wenn... wenn wir jetzt weitergehen! Komm! Los jetzt!“

Was fällt ihm ein? Mir seinen Mantel anzubieten, wie ein alter Ehemann zu seiner Göttergattin. Oh nein nein nein nein, so nicht... Diese verdammte Eispfütze, verdammtes Eis, verdammter Frost verdammter Win... Nein, dem Winter und der Kälte kann ich nicht die Schuld an meinem menschlichen Versagen geben, daran bin ich alleine Schuld, wenn ich jeden Winter, immer zu Weihnachten alleine nachts die Straßen entlang spaziere und die Leute in ihren warmen Häusern beneide, und vorallem die Pärchen, die sich in dieser Jahreszeit noch näher kommen, um sich gegenseitig zu wärmen.

„Verratest du mir jetzt bitte, wo wir hingehen? Ja, auch einem harten Burschen wie mir wird es mal kalt!“ Langsam schien David wirklich ungeduldig zu werden. Das so ein Mann mit so einem gut gebauten Körper überhaupt frieren konnte... Wie kann ich nur sowas denken!?

„Wir sind gleich da!“ Ja ganz genau! Ich sehe sie schon! Meine Rettung, um mich aus diesem Schlamassel endlich befreien zu können! Meine beste Freundin...

„Emily?“, rief David plötzlich leise zu sich, das nur ich es in seiner Umgebung hören konnte.

Da saß sie, einsam auf der Bank und dachte, dass sie nur auf mich warten würde, damit wir zusammen ins Kino gehen. Auch wenn sie sich schon gewundert hatte, wieso wir uns ausgerechnet im Central Park treffen würden, um ins Kino zu gehen und nicht gleich vor dem Kino.

Emily schrak hoch und fragte verdutzt: „David?“

Das sie mich garnicht mehr sah und nurnoch Augen für David hatte, wunderte mich kein wenig, denn nur ihr gehörten die Augen von David, nicht mir.

Ich ergriff den Moment der sich verdattert ansehenden beiden liebsten Menschen aus meinem Bekanntenkreis und lief weg... Ja ich lief weg! Mir fiel einfach nichts Besseres ein, um die beiden alleine zu lassen! Für einen Moment strömte Adrenalin durch meine Adern, ich fühlte mich wie ein Geheimagent, oder noch besser! Wie ein Superheld, ein Superheld auf der Flucht!... Dann wohl eher wie ein Schwerverbrecher auf der Flucht, ein Verbrecher der Liebe, der sich selbst keine Liebe zutraut... Um das alles mal aufzulösen, was hier geschehen ist und um meine Lage etwas zu verdeutlichen, ist zu erzählen, dass Emily, meine beste Freundin schon seit ihrer Kindheit, ja schon seit wir alle drei zusammen in die Grundschule gegangen sind, in David verliebt war. Meine Liebe... Nein mein Verknallt sein, meine wildgewordenen aggressiven Schmetterlinge die mein Magen-Darm-System zerfetzen wollen, das alles hat sich erst viel später entwickelt, weshalb es mir einfach nicht zusteht, mit David zusammen zu sein. Emily‘s Vorgeschwärme, wie toll David doch sei und was er für einen tollen Charakter er hat, schien angesteckt zu haben, weil sie es mit so einer Liebe im Gesicht mir vorgetragen hatte, dass man David einfach nicht mehr widerstehen konnte, auch wenn man ihn vorher noch nie gesehen hatte...

Ich seufzte tief in mich rein, während ich weiter wie eine Bekloppte tiefer in den Park rannte, ohne zu wissen wohin. Das man so überhaupt noch seufzen könnte, war mir im Nachhinein ein Rätsel.

Ich hatte eigentlich noch nie Glück mit irgendwelchen Jungs, auch wenn ich schon Ende 19 war, hielt bei mir eine Beziehung noch nie länger als vielleicht... Ein Tag? Kürzer, ich ließ es garnicht erst soweit kommen, so sehr hatte ich Angst. Doch wovor hatte ich Angst? Angst zurückgewiesen zu werden? Angst, jemand anderes diesen Typen wegzunehmen? Das musste es sein, das würde zu mir passen. Zu mir, die es mehr liebt glückliche Pärchen miteinander zu sehen, als sich selbst glücklich zu sehen. Dieses Gefühl auf der Arbeit, wenn sich ein Gast in die Damen, die gegenüber am Tisch sitzt verguckt und ich die Liebesbotin sein darf, die die Zettelchen hin und her reichen darf, ist das Beste an meinem Job, auch wenn es nicht zu den Hauptaufgaben einer Kellnerin gehört, Menschen zu verkuppeln. Würde es sowas als Studienfach geben, hätte ich es gleich gewählt und würde damit glücklich sein, doch leider habe ich noch kein Studium finden können, welches ich so zielstrebig machen könnte, wie ich eben David und Emily zusammengebracht habe. Abends, alleine, im Park, zusammen, es ist kalt und nun hätte nurnoch Armor seine Pfeile schwingen müssen, um die beiden nach all den Jahren endlich zusammen bringen zu können.

Und schon wieder: AUTSCH! Ich war gegen einen Baum gelaufen. Wie kann jemand nur so tief in Gedanken versunken sein wie ich, dass man keine Augen mehr im Kopf hat?! Gegen einen Baum laufen! Wie peinlich! Irgendwie beneide ich auf einmal Kinder. Wie unbekümmert sie doch sind. Ein Kind hätte nun gelacht, sich die Beule gerieben und wäre weiter gelaufen, oder es hätte wie am Spieß geschrien um Aufmerksamkeit von seinen Eltern zu bekommen, um wieder im Mittelpunkt stehen zu können. Ich war zwar noch fast Kind, meine Mutter hätte, wenn sie noch leben würde gesagt: „Du bist eine Heranwachsende Jugendliche“, aber leider haben sich meine Eltern getrennt als ich noch sehr klein war. Unglücklicherweise ist meine Mutter demnach so in Depressionen verfallen, dass sie sich kurze Zeit nach der Trennung einen „Feuerwehreinsatz“, oder aber auch „Personenunfall auf den Schienen“ nennen konnte. Mein Vater hat sich damals sehr starke Vorwürfe gemacht, verfiel auch in Depressionen und fand keinen anderen Ausweg, als seine Gefühle in Drogen zu erkoksen. Seitdem sitz er in Haft. Keine Ahnung, wie es ihm geht. Das Jugendamt hat es verschlafen, mich zu informieren. So habe ich schon illegalerweise mit 14 angefangen als Kellnerin zu jobben. Tut mir ja auch leid Gesetz, dass ich von irgendetwas leben muss. Andere Kinder haben nicht diese Probleme... Vielleicht erklärt das auch mein gestörtes Verhältnis zu anderen Paaren, dass ich sie lieber in Ruhe lasse und mich über dieses Beisammensein von denen freue, weil ich sonst denke, dass ich daran Schuld bin, wenn es bei denen nicht klappen sollte.

Meine nicht-kastanienbraunen, dunkelbraunen Haare fingen an meine Nase zu kitzeln als ich bemerkte, wie ich am Boden lag und mir der Mond ins Gesicht schien.




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