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Endosymbiontentheorie

RuffyxNami
von

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Katzen und Schlangen

Manchmal frage ich mich, ob ich mir das Leben extra schwer mache und gar nicht erkenne, dass ich es eigentlich sehr gut habe, so wie es ist. Nüchtern betrachtet habe ich keinen Grund mich zu beschweren, doch fühle ich mich so unvollständig. Mir fehlt eine wirkliche Aufgabe, ein Ziel oder… jemand. Da ist eine Leere in mir, die nichts zu füllen vermag oder die ich zwanghaft offen halte. Ich kann es nicht genau sagen, aber sie hindert mich daran, glücklich zu sein.

Früher wollte ich immer ein Abenteurer werden, die ganze Welt und ihre Schönheit sehen und jeden Ort für immer einprägen. Es gab so vieles, das ich unbedingt einmal mit eigenen Augen sehen wollte. Von den Giraffenhalskäfern in Madagaskar bis hin zu den Baumsteigerfröschen im tropischen Regenwald.

Ich hinge mit dem Kopf in den Wolken, hatte Ace immer gesagt, wenn ich ihm Einblick in meine Wünsche gegeben hatte, und dann gelacht. Vielleicht ist dieser Traum noch nicht gestorben, wartet weiterhin auf Realisierung, denn der Wunsch nach Abenteuern erfasst mich jede Nacht.

Ich habe ein Ventil gesucht, um mit den Sehnsüchten umzugehen, mich nicht von ihnen auffressen zu lassen. Bevor die Sache mit Nami war, habe ich angefangen, Manga zu zeichnen, meine Wünsche greifbar zu machen. Zeichnen ist wohl nicht das richtige Wort, ich versuche es zumindest. Mein Zeichenstil ist viel zu schlecht, um etwas Akzeptables hervorzubringen, ich bräuchte wohl eine Menge Übung, um jemals gut zu werden, aber die Zeit habe ich nicht. Darf sie nicht haben.

„Ist das von dir, Ruffy?“, hatte Ace mich gefragt, als er die Blätter in die Hände bekommen hatte. Ich hatte genickt, obwohl es mir insgeheim peinlich gewesen war, dass ich sie so einfach auf meinem Schreibtisch hatte liegen lassen, und damit sogleich ein freches Grinsen auf seine Lippen getrieben.

„Die Story ist gut, aber die Zeichnungen... Deine Frauen sehen ja wie Fische mit Perücken aus! So wird das aber nichts mit dem Durchbruch als Mangaka... Ernsthaft nutz' die Zeit lieber zum Lernen, als sie zu verträumen. Davon hast du nichts.“

Ich hatte es mir nicht anmerken lassen, aber seine Worte hatten mich tief getroffen. Er hatte mich als Träumer abgetan, ohne jegliche Chancen. Selbst wenn es eine Stimme im eigenen Inneren gab, die stets versuchte, einen zur Vernunft zu rufen, so tat es unbeschreiblich weh, wenn einem von außen klar gemacht wurde, dass die eigenen Träume utopisch waren.

Kannte er dieses Gefühl etwa nicht? Hatte Ace denn gar keine Träume?

Diese Frage stellte ich mir oft, konnte jedoch nie eine klare Antwort darauf finden. Vielleicht hatte er sich mit seiner Situation auch bloß arrangiert oder stellte sie vorerst hinten an. Vielleicht kannte ich ihn auch zu schlecht, als dass ich darüber ernsthaft spekulieren könnte, immerhin hat er nichts darüber jemals durchsickern lassen.

Manchmal beneidete ich ihn dafür, weil ich oft das Gefühl hatte, meine Träume versperrten mir den Weg. Dabei hatte ich doch auch alle Zeit der Welt, sie zu erfüllen. Niemand drängte mich zu schnellen Erfolgen, es gab kein Ablaufdatum. Doch ihnen gefiel nicht, dass ich versuchte, sie zur Seite zu schieben und je mehr ich sie verdrängte, umso stärker holten sie mich ein und versuchten mich zur Realisierung zu drängen. Doch je mehr es mich in die Welt zieht, desto stärker halten mich meine Wurzeln fest. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ace, Dadan, Opa, Vivi und Titi einfach so zurücklassen könnte. Sie sind doch meine Familie.
 

„Luffiiiiiii“, riss die Kleine mich aus den Gedanken, kam zum Sofa gerannt und plumpste auf ihren Hintern, als es ihren Beinen zu schnell wurde. „Luffi, Bleeiiiiiii!“

„Oh Mann, Titi, du bist viel zu spät“, antwortete ich ihr und setzte ein entsetztes Gesicht auf. „Den letzten Brei habe ich eben gegessen und es war auch noch der leckere aus Himbeeren.“

Um das Ganze zu unterstreichen, leckte ich mir über die Lippen und rieb mir den Bauch, was ihre Augen glitzern ließ und sie dazu brachte, sich auf die Unterlippe zu beißen.

„Blei?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Alle, alle...“

Es war fies und auch gemein, aber es machte mir unglaublichen Spaß sie zu foppen. Vor allem jetzt, wo kein Ace um die Ecke kommen und es versauen konnte. Ich meinte es ja nicht böse, ich ärgerte Titi einfach nur gerne, sah gerne, wie groß ihre Augen wurden und sie das Quatschen anfing. Ob ich eifersüchtig auf sie war? Nein, dafür liebte ich das kleine Würmchen zu sehr und freute mich für sie, dass sie trotz ihres ungeplanten Erscheinens ohne Kompromisse geliebt wurde. Am liebsten sah ich es, wenn sich ihr Gesicht wieder aufhellte und ich dafür verantwortlich war, so wie in dem Moment, als ich das Gläschen Brei hinter meinem Rücken hervor zog.

„Oi, Titi, schau mal!“

„Bleiiii!“, quiekte sie und verlangte nach dem Löffel. Gerade hatte ich den Deckel abgeschraubt, als mein Handy klingelte. Ich konnte mir ja schon genau denken, wer es war und welches Anliegen er hatte, doch als ich Aces Stimme vernahm, verstummte ich für den Augenblick.

„Hey, Brüderchen! Alles klar bei euch? Wie geht's meiner Prinzessin? Ich kann dir gar nicht sagen, wie gerne ich wieder zu Hause wäre. Ich hatte mir ja schon gedacht, dass es kein Vergnügen wird. Aber der gestrige Tag war ein Ritt auf einer Python. Der Alte hat so am Rad gedreht, dass ich kurz davor war, ihm eine zu verpassen. Oh Mann, Ruffy, kannst du dir das vorstellen? Ich wollte einen Behinderten schlagen...“

Ich schluckte und ließ mich in die Sofakissen sinken. Das war wirklich krass! Ace war ein temperamentvoller Typ, schnell auf höchster Flamme, aber auch er wusste, sich im Zaum zu halten. Da konnte ich mir zumindest ansatzweise ausmalen, wie Vivis Vater sich aufgeführt haben musste.

„Krass, es ist aber nichts passiert, oder?“

Ich machte mir in dem Augenblick große Sorgen um die beiden, fühlte mich so schrecklich hilflos mit den vielen Kilometern Entfernung zwischen uns. Ace seufzte, ließ mich das Schlimmste denken.

„Nein“, brachte er angestrengt hervor. „Du musst wissen, dass er Vivi bereits bei unserer Ankunft Vorwürfe gemacht hat. Zunächst hat sie die noch abgewiegelt und zu ignorieren versucht. Aber er hat nicht locker gelassen. Gestern ist es dann eskaliert. Er hat sie immer weiter beschimpft, selbst als sie geheult hat, hat er nicht aufgehört. Ich sag dir, da hätte ich ihn schon erwürgen können. Aber als er dann noch meinte, einen Spruch über Titi abzulassen. Da ist mir echt der Kragen geplatzt.“

„Scheiße“, flüsterte ich, darauf bedacht, dass Titi es nicht hörte. „Was hat der Mann nur für Probleme? Wie geht es Vivi denn jetzt?“

Bei der Nennung von Vivis Namen sah Titi kurz von ihrem Brei auf, sagte aber nichts.

„Sie ist fix und fertig. Ich glaube, sie liegt immer noch im Bett“, es rauschte kurz durch die Sprechmuschel. „Ja, sie schläft noch.“

„Und was ist jetzt mit dem Vater? Hier einziehen könnt ihr doch mal glatt vergessen. Das geht doch keine fünf Minuten gut.“

„Also da kannst du dir gleich die Pest ins Haus holen. Kobra war vorher schon nicht gerade pflegeleicht, aber ich glaube, dass der Unfall den Rest getan hat. Er wirkt ziemlich verbittert. Eigentlich könnte er mir fast schon wieder leidtun.“

„Na ja, Ace, er hatte seine Chancen. Ihr seid extra über Nacht zu ihm gefahren, um ihm zu helfen und er tritt euch nur mit Füßen. Da kann man nichts machen.“

Ich zuckte die Achseln. Manche Leute wollten einfach keine Hilfe und zum Nachdenken konnte man sie noch weniger motivieren, sie mussten schon selber auf den Trichter kommen.
 

„Ace…“, murmelte Titi, warf den Kopf nach oben und blickte mich mit großen Augen an. „Papa Ace Fon?“

Ich lächelte.

„Da will dich jemand sprechen“, sagte ich und hielt Titi das Handy ans Ohr, das sie umgehend mit beiden Händchen umklammerte.

„Ace Papa?“

„Hallo Prinzessin“, tönte es aus dem Handy und Titi riss die großen Kulleraugen auf. „Wie geht es dir? Ist Onkel Ruffy auch lieb zu dir?“

„Sag ja nichts Falsches“, zischte ich spaßeshalber, was sie ein wenig verwirrte, bevor sie „Bleiii“ ins Handy nuschelte.

„Was ist mit dem Brei? Hat Ruffy ihn dir weggegessen?“

Sie nickte übertrieben mit dem Köpfchen.

„Der Papa sieht das nicht, Titi.“

„Luffi gegessen…“

„Was? Stimmt doch gar nicht, du hast doch eben erst noch welchen gehabt! So klein und schon ein Lügner.“

Ace lachte laut.

„Ihr habt ja wirklich eine Menge Spaß zusammen...Ich hoffe, ich bin bald wieder zu Hause.“

„Das hoffen wir auch“, sagte ich, Titi auf dem Schoss und mithören lassend. „Grüß Vivi von uns und sag ihr, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Wir kommen gut zurecht.“

„Vivi Mama! Und Oma suchen“, warf Titi ein.

„Geht ihr Dadan besuchen?“, fragte Ace. „Coole Sache. Aber, Ruffy, erzähl er nichts von Kobras Klöpsen, sonst kollabiert sie noch.“

„Haha, keine Sorge. Aber ich grüß sie von euch. Bis bald.“
 

Um zu Dadans Haus zu kommen, musste man zunächst die U-Bahn aus der Stadt nehmen und mit dem Bus weiter aufs Land fahren. Allein war es lästig, aber kein großes Ding. Mit Prinzessin Titi im Schlepptau eine Zumutung. Für ein Kind musste die Fahrt einer Ewigkeit gleichkommen und vor allem extrem langweilig sein. Nicht mal ihr Lieblingsbuch vermochte sie aufzuheitern, stattdessen schleuderte sie das Buch mit den extra dicken Pappseiten quer durch den Waggon. Na toll, wenn ich eines mochte, dann, wenn sie die Zicke heraushängen ließ.

„Wir sind doch gleich bei Oma, der darfst du gerne das Buch an den Kopf hauen. Aber reiß dich doch jetzt noch ein bisschen zusammen“, flüsterte ich ihr ins Ohr, als ich mich von dem Platz erhob und das Buch aufheben wollte. Doch jemand kam mir zu vor. Mir stockte der Atem, als ich erkannte, wer es in den Händen hielt und mich anstrahlte.

„Hey Ruffy, schön dich zu sehen“, begrüßte mich Nami, die mittlerweile richtig lange Haare bekommen hatte, und streichelte über Titis sommersprossige Wange, während sie sich neben mich setzte. „Und du bist ja so groß geworden. Wie lange habe ich dich nicht mehr gesehen?“

„Willst du sie mal auf den Schoß nehmen?“, fragte ich, unfähig etwas anderes hervorzubringen, und nahm Titi das Buch ab, nachdem Nami vor Freude zugestimmt hatte.

„Oh, ich weiß gar nicht, wem du ähnlicher siehst. Wenn du so guckst, siehst du aus wie deine Mama“, sagte Nami, während Titi lächelte, und lachte, als sie die Nase krauszog. „Und so siehst du aus wie dein Papa, eindeutig.“

„Sie zieht die Nase aber auch nur kraus, weil wir alle immer drüber gelacht haben“, sagte ich, mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Wie sehr ich es hasste, konnte ich den Fall Nami nicht einfach zu den Akten legen? Es war doch schon so lange her.

„Echt? Du bist ja ein richtig süßer Fratz. Da bekommt man glatt Lust auf Eigene...“

Es war, als wäre etwas in mir dabei gestorben und ich konnte mir nicht einmal erklären, warum ich so an dieser Frau hing. Wir waren niemals zusammen gewesen, ich hatte nicht mal mit ihr geschlafen, aber diese Umstände ließen mich irgendwie nicht zur Ruhe kommen. Richtig bescheuert.

„Wohin wollt ihr denn?“

„Zu Dadan raus aufs Land.“

„Ehrlich?“, Nami strahlte. „Das ist ja ein Zufall, ich bin auf dem Weg zu Bellemere. Stell dir vor, ihre Orangenzüchtung ist so begehrt, dass sie jetzt noch mehr davon anbauen. Nojiko hilft ihr deswegen auch öfters aus, obwohl sie ja eigentlich schon mit ihrem Laden alle Hände voll zu tun hat.“

„Glückwunsch“, presste ich hervor und übte mich den Rest der Fahrt in Schweigen, während Nami Titi das Buch vorlas.
 

Ich war unglaublich dankbar, dass Titi dabei war und als Puffer fungierte, so konnte ich Namis Anwesenheit wenigstens halbwegs ertragen. Dennoch versetzte mir die Vorstellung mit ihr zusammen noch Bus zufahren einen weiteren Dämpfer. Sie aber machte den Anschein, als schien ihr die Situation absolut nichts auszumachen. Nicht einmal einen Hauch Unbehagen konnte ich erkennen. Ich steigerte mich wohl sehr in die Sache hinein.

„Hey, kannst du nicht aufpassen?!“, fuhr mich eine große, schwarzhaarige Frau beim Ausstieg an. Ich wandte mich flüchtig zu ihr herum, jedoch ohne sie genau anzusehen.

„Sorry, ich hab Sie nicht gesehen.“

„Was für eine Ziege“, keifte Nami, während wir in den Bus stiegen. „Sie hat doch gesehen, dass du die Kleine auf dem Arm hattest und sie sicher durch das Gedrängel tragen musstest. Aber was erwarte ich von diesen Stadtzicken?“

Ich hatte ganz vergessen, welch liebenswerte Person Nami im Grunde genommen war. Welche eleganten Phrasen sie präsentierte. Ich musste lachen, sie hatte verdammt noch mal recht. Dass die Landbevölkerung konsequent ausstarb, sah man nicht nur anhand demografischer Tabellen, nein, auch im Bus nach nirgendwo herrschte gähnte Leere. Außer uns drein war niemand an Bord und ich hatte genau das lange Gesicht des Busfahrers bemerkt, als wir eingestiegen waren.

Nervös nestelte ich an meiner Jacke, Titi schlief derweil in meinen Armen und Nami blickte aus dem Fenster. Ich hatte den Eindruck, dass die Zeit sich wie zäher Gummi zog und der Bus einfach auf der Stelle fuhr. Ich wollte raus, weg von Nami. Es machte mich rasend neben ihr zu sitzen, zu wissen, dass sie mich nicht wollte, jemand anderes mir vorgezogen hatte. Doch ihr Verhalten setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Tat sie einfach so, als sei nie etwas zwischen uns geschehen. Es war ja auch nicht so, dass sie mir das Herz gebrochen und es wie eine alte Kippe zertreten hatte. Nein, das musste ich mir eingebildet haben.

„Sag mal, Ruffy, hast du eigentlich eine Freundin?“, fragte sie beiläufig und ließ mir das Herz in die Hose rutschen.

„Ne.“

„Wirklich?“

„Ja, wirklich, Nami!“, platzte es aus mir heraus, Titi schreckte auf und weinte. „Ich wollte dich, aber du hattest kein Interesse. Was denkst du von mir, dass mir das egal wäre?“

„Ich hab doch nur gefragt“, sagte sie kleinlaut.

„Und jetzt hast du deine Antwort.“

Das waren die letzten Worte, die wir wechselten. Nicht mal eine Verabschiedung folgte, als ich mein Ziel erreicht hatte. Ich stand einfach auf und ging. Es brodelte in mir, gleichzeitig fühlte ich mich befreit, weil sie nun endlich wusste, wie sehr mich ihr Verhalten verletzt hatte. Ob sie sich darüber weiter Gedanken machte, bezweifelte ich. Sie regte sich gewiss über meinen Ton auf, das war's.
 

Mir ging Zorros „blöde Funzel“ nicht mehr aus dem Kopf. Das hatte er damals über Nami gesagt, als ich ihm beim Training davon erzählt hatte. Ich grinste dämlich. Wieso musste ich immer in den unpassendsten Situationen lachen? Aber verdammt, es ging nicht anders, es kam mir alles viel zu lächerlich vor. Ace und Vivi hatten echt Probleme, die sie aus der Welt schaffen mussten und ich machte mich wegen Nami verrückt. Aber das war ja jetzt endgültig gegessen. Nach der Ansage brauchte ich mir nicht mal den Hauch einer Chance auszurechnen.

Von Weitem sah ich Dadan in ihrem Gemüsegarten hocken, wahrscheinlich zupfte sie mal wieder Unkraut oder wunderte sich, warum kein Geldbaum aus der vergrabenen Münze wuchs. Pochi, ihr Hund, den ich seit meiner Kindheit kannte, räkelte sich genüsslich auf der Fußmatte vor der Haustür und hob bloß müde den Blick, als er mich kommen sah. Kein Bellen, kein Schwanzwedeln zur Begrüßung. Das war man von ihm gewohnt.

„Hallo Dadan!“, rief ich ihr zu und winkte, bis sie auf mich aufmerksam wurde, die Handschuhe auszog und auf mich zu gehoppelt kam.

„Ruffy, da seid ihr ja endlich, ich hatte schon Sorge, der Bus wäre ohne euch abgefahren.“

Ich konnte gar nicht so schnell schauen, wie sie mir Titi von Arm genommen und in eine feste Umarmung gezogen hatte. Sie liebte dieses Mädchen abgöttisch, doch wer von uns tat das nicht? Sie brachte Sonne in den tristen Alltag, die sich Dadan immer besonders herbeisehnte. Sie war ganz schön einsam, seit Ace und ich ausgezogen waren. In der Nähe lebten zwar ihre Brüder Dogura und Magura, aber ich denke, was Dadan wirklich brauchte war ein Partner. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie jemals einen hatte, aber manchmal hatte ich den Eindruck, dass irgendwas zwischen ihr und Opa lief. Zumindest haben sie immer gestritten wie ein altes Ehepaar.
 

Auf dem Weg ins Haus tätschelte ich Pochis Kopf und seinen Rücken, woraufhin er mir flüchtig über die Hand leckte. Eine größere Liebesbekundung durfte man von ihm nicht erwarten, außer auf Dadan reagierte er kaum auf jemanden. Dadan streifte geschickt die Stiefel ab, während sie Titi auf dem Arm balancierte und deutete mir an in die Küche zu gehen. Auf den ersten Blick sah sie aus, wie immer. Zeitungen stapelten sich am Rand der Eckbank, auf dem Tisch stand eine Schale Obst, die außer einer Horde Taufliegen keiner anzurühren schien, die Küchenuhr war mal wieder stehen geblieben. Erst als ich meinen Stammplatz am anderen Ende der Bank einnehmen wollte, fiel mir etwas ins Auge. Zwei dünne Stiele, an deren Enden sowohl Glitzerzeug als auch ein Band mit Leopardenmuster befestigt waren.

„Dadan, du kannst doch nicht einfach deine Sexspielzeuge hier rumliegen lassen!“

„Was?“, schreckte sie auf, ließ die Teekanne stehen und begutachtete mich mit misstrauischem Stirnrunzeln. Ich hielt ihr die Dinger unter die Nase, nach denen Titi gleich zu grapschen begann, während Dadans Miene sich auflockerte.

„Ach, die...Das sind Katzenspielzeuge.“

Katzenspielzeuge? Ich hob eine Augenbraue an. Wollte sie mich verarschen?

„Katzen? Du hast doch gar keine Katzen!“

Sie lächelte vielsagend.

„Komm mal mit ins Wohnzimmer.“

Mit Titi auf dem Arm ging sie vor, öffnete langsam die Tür und ließ mich dann rein. Tatsächlich lagen zwei Kätzchen, ein weißes und ein schwarzes, auf ihrem Sofa und sahen uns aus verschlafenen Äuglein an.

„Uiiiii“, quietschte Titi, klatschte in die Händchen und machte Dadan mit vollem Körpereinsatz darauf aufmerksam, dass sie sich das aus der Nähe ansehen wollte. Zugegeben, die Kleinen waren wirklich niedlich, dennoch blieb ich skeptisch in der Nähe der Tür stehen. Dadan brauchte dringend einen Partner, bevor sie noch anfing, Tiere zu horten.

„Und was sagt Pochi dazu? Oder Opa?“

„Pochi findet die beiden doof“, antwortete sie beiläufig, als sie sich mit Titi zu den Kätzchen setzte und ihr zeigte, wie sie die beiden zu streicheln hatte. „Und Garp sag ich das nicht. Geht den doch nichts an!“

Und ich konnte mir schon genau denken, weshalb sie es ihm verschweigen wollte. Er würde sie bloß für verrückt erklären und ihr weismachen, dass sie auf dem besten Wege wäre, eine alte Katzenlady zu werden. Opa war von den Tieren nicht gerade angetan, was nicht zuletzt daran lag, dass die seiner Nachbarn regelmäßig seinen Garten umpflügten. Die Kätzchen miauten und das Schwarz sprang kurzerhand auf Dadans Schultern, nur um anschließend auf ihren Kopf zu klettern, wo es ihre rotblonden Locken anknabberte.

„Oh, Titi, schau mal, was die Oma auf dem Kopf hat“, flötete sie und versuchte die Aufmerksamkeit der Kleinen zu gewinnen. „Guck mal, wie lustig bei der Oma!“

Opa hätte wohl gar nicht so unrecht.
 

Ich weiß gar nicht, wie lange wir im Wohnzimmer gewesen waren, doch als die beiden Kätzchen sich unter dem Sofa verkrümelt hatten, um ihre Ruhe zu haben, waren wir zurück in die Küche gegangen. Selbst wenn Titi am liebsten noch dageblieben wäre.

Dadan hatte extra einen ihrer berühmten Pflaumenkuchen für uns gebacken. Als ich noch bei ihr gewohnt hatte, gab es den nur sehr selten. Doch nun schien sie ihn bei jedem anstehenden Besuch zu backen und war ernsthaft beleidigt, wenn man sich zurückhielt. Nie werde ich den Tag vergessen, als sie Vivi dazu genötigt hatte, sechs Stücke zu essen, die sie während der Busfahrt zurück beinahe wieder von sich gegeben hätte. Ich kann nicht sagen, ob sie seitdem noch mal Kuchen oder Pflaumen gegessen hat.

Ich stocherte in meinem dritten Stück Kuchen, während Dadan noch immer voller Eifer Titi beinahe Krümel für Krümel eines fütterte.

„Willst du nicht lieber was eigenes Kleines?“, fragte ich stichelnd, schlug einen weiteren Löffel Sahne auf meinen Teller und ließ einen Teil davon in meinem Mund verschwinden. „Oder versuchst du das mit den Katzen auszugleichen?“

Sofort schaute sie zu mir herüber und hielt die Gabel so weit von Titi weg, dass diese sich mit offenem Mund vorbeugte und versuchte, den Kuchen darauf zu erreichen.

„Machst du dich etwa über mich lustig?“, fragte Dadan mit erheiterter Stimme, woraufhin ich die Achseln zuckte.

„Würde ich nie tun.“

Sie drohte mit ihrem Zeigefinger, ehe sie Titi endlich den Kuchen in den Mund schob und ihn anschließend mit einem Tuch sauber wischte.

„Nein, ich bin schon froh, dass ich die unbequemen Seiten nicht mitbekomme.“

„Ja, ja, zum Quetschen und Knuddeln ist sie dir gut genug, aber die blöden Aufgaben kann Ace dann wieder übernehmen, was?“

Dadan wippte Titi auf ihrem Schoss hin und her und ich erwartete schon, dass ihre Bluse von unschönen Flecken verziert wurde, als sie ihr einen Kuss auf die Stirn gab und zu mir sah.

„Oder du“, lachte sie, nahm einen Schluck Kaffee aus der Tasse und bot mir noch welchen an. Ich verneinte.

„Aber sag mal, Ruffy, hast du denn mal was von Ace gehört? Mich ruft er ja nie an. Ist ja ein Wunder, dass ich überhaupt weiß, dass er da unten ist. Wie ist die Lage in Kyushu?“

„Hm“, druckste ich, es war mir unangenehm, mit Dadan über das Thema zureden, fand ich, dass es weder mich noch sie etwas anging. Vor allem aber wollte ich mein Versprechen gegenüber Ace nicht brechen, der eine zeternde Dadan alles andere als gebrauchen konnte. Ich löffelte etwas von der restlichen Sahne auf meinem Teller und spürte, wie Dadans Blick auf mir ruhte. Sie würde nicht nachlassen, bis ich ihr etwas erzählt hatte.

„Er hat gestern angerufen“, nuschelte ich, den Blick gesenkt und unentwegt mit der Gabel über den Tellern schabend.

„Und? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.“

Ich seufzte.

„Was soll ich sagen? Läuft wohl nicht so prall. Viel Stress und so. Mehr weiß ich auch nicht.“

Ich stocherte weiterhin in den Krümeln auf meinem Teller ohne Dadans Augenkontakt zu erwidern.

„Dieser alte Kauz ist schon seltsam. Alle versuchen es ihm recht zu machen und er hat trotzdem an allem was zu meckern. Irgendwas hat der doch quer stecken“, nörgelte Dadan, trank einen Schluck Kaffee und erschrak leicht, nachdem „hat was quer stecken“ als Echo von Titi kam.

„Toll, Dadan, du weißt ganz genau, wer sich die Standpauke für solche Wörter immer anhören darf!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dassy
2015-04-21T22:27:07+00:00 22.04.2015 00:27
Ich weiss gar nicht wieso hier so wenig kommis sind? :o die story ist richtig nice ih vergöttere deinen Schreibstil *sich auf den Boden hock und vor dir verneig*


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