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Hell called Home

von

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Schmetterlinge

Am nächsten Morgen riss mich ein penetrantes Klingeln aus meinem traumlosen Schlaf. Ohne die Augen zu öffnen griff ich nach meinem Handy, wollte es soeben mit meiner neuerlichen Gelassenheit gegen die Wand schmettern und mich dichter an Alec neben mir kuscheln, als dieser mein Handgelenk abfing und verschlafen murmelte: "Es ist Aryn. Sie macht sich Sorgen."

Ich richtete mich notgedrungen auf und nahm den Anruf schließlich entgegen: "Hast du um Himmels Willen mal auf die Uhr geguckt, Aryn?"

Meine beste Freundin lachte leise und erwiderte, fit wie jeden Morgen: "Viertel vor Zehn, Schatzi."

Ich stöhnte und ließ mich wieder fallen. Für mich war das früh genug, Aryn hingegen war wahrscheinlich schon Laufen gewesen und hatte bereits gefrühstückt. Meine Antwort kam gedämpft aus dem Kopfkissen: "Bei mir viertel vor ich-hatte-noch-keinen-Kaffee..."

"Dacht ich mir. Deswegen steh ich mit Kaffee und Brötchen vor Alecs Tür", kicherte meine beste Freundin am anderen Ende der Leitung. Blitzschnell hatte ich den Kopf gehoben und jubelte: "Aryn, du bist die Be... Moment mal, wieso wusstest du, dass ich bei Alec bin?"

Alecs Körper neben mir bebte, als er ein Lachen unterdrücken musste und ich erhob mich schließlich, um mich aus der unbequemen Lage zu befreien. Mein Jubel schlug schnell in Ernüchterung um. Aryns schnelle Auffassungsgabe war manchmal schon ein wenig...nervenaufreibend, gab mir aber auch immer den Schubs in die richtige Richtung, wenn ich selbst unsicher war. Manchmal aber hingegen war es einfach nur zum Kopfschütteln. In diesem Moment wusste ich nicht, wie ich ihre Geste bewerten sollte, es war schlicht und einfach noch zu früh, ich brauchte erst einmal einen Kaffee und eventuell.....Alec nahm mir die Entscheidung ab, indem er mich packte und an sich zog, während eins der Hausmädchen seiner chronisch verreisten Eltern die Tür aufmachte.

Mit geschlossenen Augen lächelte ich. Das hier fühlte sich einfach gut an. Für den Augenblick. Doch ich wollte nicht an den Schmerz denken, der später kommen würde. Ich war siebzehn Jahre alt, Schülerin und verliebt. Für einen Tag sollte das Glück auch bei mir sein.

Niemals mehr gefangen sein...

Frei sein und fliegen.

Weitere Gedanken waren aber unmöglich, als Alec einen Arm um mich schlang und mir sanft über den Rücken strich. Ich kuschelte mich dichter an ihn und grinste breiter, ein sanftes Kribbeln breitete sich in meiner Magengegend aus. Vielleicht hatten meine Schmetterlinge die Eiszeit doch überlebt.

Einmal dem Tod verfallen, kehren sie nie mehr zurück.

Ich will dir vertrauen.

Mein Herz anvertrauen.

"Kiyuuuuuuuu!", war alles, was ich hörte, ehe mich beinahe eine Atombombe erwischte und sich Aryns Arme um meinen Hals schlangen. Widerwillig murrte ich und öffnete die Augen, um ihn Aryns funkelnde Augen zu sehen. Alecs Stimme unter mir klang seltsam gepresst, als er keuchte: "Kiyuuuu stirbt gleich an Atemnot."

"Und Jinx fast an Eifersucht", lachte meine beste Freundin und ließ mich los, damit sie sich aufrichten und sich neben uns fallen lassen konnte. Dabei griff sie zum Nachtschrank, wo ein verdächtig köstlicher Duft mir in die Nase wehte und mich versöhnlicher werden ließ. Genauso wie Alec, der nun ebenfalls neugierig den Kopf hob. Mit einem endgültigen Seufzen ließ ich mich schweren Herzens doch dazu herab, mich aufzusetzen und mich mit dem Rücken gegen die Wand zu lehnen, damit ich meinen Kaffee genießen konnte. Alec schien dies nicht viel mehr zu gefallen als mir, folgte aber meinen Beispiel.

"So...sollte ich irgendetwas wissen?", fragte Aryn uns mit einem verschmitztem Grinsen. Alec schwieg und sah mich sanft an. Ich wusste, dass er es mir überließ, wie es weitergehen sollte - aber er erwartete eine Entscheidung. Und ich konnte es ihm nicht verübeln, wie auch, wenn ich selbst eine Entscheidung wollte.

Schmetterlinge reagieren auf Pheromone und Sonnenlicht.

Sie sind unwissend und naiv.

Aber frei und glücklich.

Ohne ein Wort trank ich meinen Kaffee aus und griff nach Alecs Hand, unsere Finger verschränkten sich fast automatisch. Es war leicht, leicht und vertraut und ich spürte, wie Glück in mir hoch stieg und ich lächeln musste. Meine beste Freundin brauchte keinen weiteren Kommentar, sondern sie strahlte und küsste mich kurz auf die Wange, während sie flüsterte: "Ich freu mich für euch beide so sehr....ich freu mich für dich, Jinx."

Unglücksrabe.

Fluch.

Nicht nur ein Name, sondern mein Leben.

Dieses Leben ist vorbei.

"Jinra, Aryn, Jinra", erwiderte ich leise und betrachtete meine Hand in Alecs. Sie wusste, warum ich damals den Namen angenommen hatte, er war en Teil von mir gewesen, so wie Aryn nie ohne ihren Zylinder und den lockeren Zopf zu sehen war. Oder Alec mit dem Lederarmband und den zwei Silberringen. Aber damals war ich auch ein anderer Mensch gewesen, ein Mensch, der ich heute nicht mehr sein wollte. Zum ersten Mal hatte ich jemanden gefunden, dem ich vertrauen und den ich lieben konnte.

"Ich bin unten und helfe Mary beim Frühstück", rief Aryn und stand auf. Ich wollte protestieren, aber sie schüttelte den Kopf und ging einfach aus Alecs Zimmer, nicht ohne mir noch ein neckisches Zwinkern zu zuwerfen. Mein Lächeln wurde breiter. Obwohl ich Aryn mein ganzes Leben lang kannte, hatte sie Eigenarten, die genau richtig kamen, mich aber dennoch immer wieder überraschten. Ich sah Alec an und hielt plötzlich inne. In all dem Chaos und den Unruhen hatte ich ganz vergessen, was er davon hielt.

Verlegen fragte ich: "Ist es....für dich in....?"

Ich brach ab und sah ihn unsicher an. Seine Augen blickten mich warm an und ich kannte seine Antwort, noch ehe er sich hinunterbeugte und mich küsste. Ich schloss die Augen und ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus, als ich seinen Kuss erwiderte. Ich fühlte, wie der erste Schmetterling aus seinem Kokon schlüpfte und der Frühlingssonne entgegen flog.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kiiy
2013-01-26T21:17:37+00:00 26.01.2013 22:17
Wunderbar schön. Das beschreibt dieses Kapitel perfekt. Es gibt nur wenige die schöne Sachen und Dramatisches gleich gut schreiben können. Ich bin wirklich von jedem einzelnen Kapitel beeindruckt. Wollte mich auch dafür bedanken dass Du mal bei mir vorbeigeschaut hast. :> Mach weiter so. ^-^


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