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Black´sche Löcher

von

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3. Ebene: 1927


 

Marius Black

*1916 --> 1927: 11

#

Cygnos Black & Violetta

*1889 --> 1927: 38

*1889 --> 1927: 38

Kinder:

Pollux (15), Cassipoia (12), Dorea (7), Marius

*

Elladora Black

*1850 --> 1927: 77

Phineas Black ||

*1882 --> 1927: 45

Isla Hitchens

*1855 --> 1927: 72
 

1927

Die hellbraunen Haare hingen wie ein Vorhang vor seinem Gesicht, wie er sich über seine kleine Nichte beugte, die friedlich in ihrem Kinderbettchen schlummerte. Wie konnte sie nur so unbekümmert schlafen? Heute war so ein wichtiger, so ein großer Tag. Dafür war er heute sogar schon um sieben Uhr aufgestanden – aufgrund dieser untypischen frühen Stunde war auch noch niemand wach. Selbst die kleine Walburga schlief und das tat sie äußerst selten, wenn er es sich genau überlegte.

Marius schniefte, wischte sich mit dem Ärmel über die Nase und streckte die Finger aus, um der Zweijährigen durch die, bereits dunklen, Haare zu streichen. Nicht jeder hatte dieses vollkommene Black´sche Erbe. Seine eigenen Haare waren zum Beispiel nur hellbraun, womit Dorea ihn immer zu ärgern pflegte, und bei dem Cassiopeia ihm versicherte, dass es in den nächsten Jahren schon noch dunkler gestalten würde. Aber seine drei Geschwister hatten keinen Grund zur Sorge. Sie alle hatten die schwarzen Haare seines Vaters geerbt – Marius war dafür der Stolz seiner Mutter, deren haselnussbraunes Haar den armen Cygnus schon in früher Jugend verzaubert hatte. Aber davon verstand der Elfjährige noch nichts. Wollte er gerade auch nicht. Selbst jetzt wo er bereits von seinen Eltern aufgeklärt worden war, nachdem bekannt wurde, dass Pollux der Vater von Irma Crabbes Kind sei. Damals war dieser dreizehn gewesen. Und mit dreizehn Vater zu werden, war für ein Kind definitiv sehr überfordernd. Aber Violetta hatte das Kind, die kleine Walburga, angenommen, behandelte sie wie eine eigene Tochter, ließ Dorea nur zu gerne große Schwester spielen.

So über das Gitter des Bettes hängend, berührten seine Füße kaum den Boden aus dunklem Parkett und ließen ihn vergessen, wie kalt der Boden in der Früh noch war, sodass er erschrocken die Luft einzog, als er die Zehen wieder auf ihm absetzte. Die Ohren spitzend, entfernte er sich vom Kinderbett, welches mit einigen wenigen Babymöbeln den Raum zierte und schob sich aus der Tür.

Das gesamte Haus schlief anscheinend immer noch.

Gelangweilt stieg Marius die enge, hintere Treppe ins Erdgeschoss hinab, ignorierte dabei standhaft die, an der Wand hängenden, Köpfe der Hauselfen, die ihn anstierten, als habe er sie persönlich geköpft und tapste schließlich in Vaters Arbeitszimmer hinein. Es war kleiner als das Büro seines Onkels im Manor der Familie Black, aber es war mindestens genauso prunkvoll eingerichtet und schrie geradezu nach Geld und Macht. Eigentlich war das ganze Haus eine reine Vorführung des hohen Status seiner Familie. Oma Elladora wachte immer noch mit Adleraugen über ihr Haus, welches ihrem Ziehsohn Cygnus und seiner Familie als Hauptwohnsitz zur Verfügung stand. Sie besaß ein größeres Zimmer im ersten Stock, genau unter dem Zimmer von Marius, mit einer Terrasse, welche sie komplett hatte ummauern lassen. Marius konnte stattdessen von seinem Fenster aus die Themse sehen, wie sie sich ihren Weg durch die Stadt bahnte, wie eine übergroße Schlange. Leider durfte er nicht oft zum Ufer hinunter. Oma verbot es ihm immer und sein Vater hielt es für wichtiger, wenn Marius mit seinem Privatlehrer weiterhin Astronomie studierte. Ein Naturtalent im Lernen war er ja nicht gerade. Während Pollux und Cassy bereits einige Jahre vor ihrer Einschulung ihre kindliche Magie hatten steuern können, war Marius sich noch nicht einmal seiner Fähigkeiten bewusst. Aber sie waren mit Sicherheit da. Er war immerhin ein Black. Seine Mutter sagte ihm das jeden Abend, wenn sie ihn zu Bett brachte. Küsste ihn auf die Stirn und flüsterte seiner inneren Magie kleine Aufmunterungen zu. Süße Worte, die das Herz eines kleinen Jungen nur zu gerne hörte.

Deswegen war heute auch so ein großer Tag.

Heute würden die Briefe kommen.

Die Eule brachte sie seit vier Jahren immer am gleichen Tag und stets war es sein Vater, der mit den Briefen in der Hand aus seinem Arbeitszimmer trat. Heute nicht. Heute wollte es Marius sein, der sie als erstes in den Händen hielt. Er würde seinen eigenen Umschlag unter den dreien finden und dann würde er mit Pollux und Cassy Schulbücher kaufen gehen. Bücher und einen Kessel – seinen eigenen Zauberstab.

Ungeduldig schob er Vaters ausgepolsterten Holzstuhl vor das große, hohe Fenster, zog die Vorhänge beiseite und musste die Augen zusammen kneifen, da die ersten Sonnenstrahlen ihn blendeten. Da war sie wieder. Die Themse. Wie ein eigenes, ruhiges Lebewesen zog sie sich durch London hindurch und für Marius symbolisierte sie einfach nur das perfekte Leben. In den träumerischen Phantasien des Jungen wollte er sein Leben auch so verbringen, immer voran gehend, gemächlich, ruhig, mit seinen Fähigkeiten glänzend.

Das Fenster wurde aufgerissen, seine braunen Strähnen flogen im Wind.

Leise summend kniete er sich auf den Stuhl, stützte die Ellenbogen auf dem Fensterbrett auf, bettete das Kinn in die Handflächen und betrachtete den Himmel.

Heute ...
 

Dorea eilte auf flinken Kinderfüßen die hintere Treppe hinab, schnell vorbei an den gruseligen Köpfen, hinunter ins Erdgeschoss – die Arme links und rechts wie Flügel ausgebreitet. Ihr Nachthemd schlug um ihre Beine, die schwarzen, feinen Haare wehten umher. Natürlich konnte man auch langsam gehen, gemütlich dahin schreiten, aber das war für ein Kind im Alter von sieben Jahren nicht wirklich aufregend. Die Welt hatte doch so viel zu bieten, da verschwendete man nur Zeit, wenn man alles langsam anging.

Die jüngste Tochter von Cygnus Black tanzte den Flur entlang, achtete äußerst peinlich darauf, dass ihre nackten Füße immer nur auf die ausgelegten Teppiche traten. Inzwischen durchflutete die Vormittagssonne die Flure und Zimmer, die kleine Eingangshalle leuchtete durch die farbigen Mosaike in den Fenstern in einem sanften grün. Nach dem Flur ging es tänzelnd hinein in die Eingangshalle, mit kleinen Sprüngen das kalte Parkett zurücklassend, weiter in den nächsten Flur – und dann die scharfe Kurve re-e-e-chts - die Tür war abgesperrt.

Das leise „Dong“ das erklang, als Dorea gegen die mächtige Holztür stieß, klang in ihrem Kopf noch hundert Mal lauter und verwirrt legte sie die Hände um den silbernen Türknauf, rüttelte und drehte daran. Wirklich abgesperrt.

Und doch konnte sie deutlich hören, dass aus dem Salon dahinter die Stimme ihres Vaters kam. Allerdings nicht in einer Weise, die Dorea bekannt war. Sie klang tiefer, rauer und eindeutig zornig. Das Ohr neugierig an die Tür drückend, schob sie die Zunge zwischen die Lippen, schloss die Augen.
 

„Der Mantel reicht“, schnarrte Cygnus und schubste das elfjährige Kind durch die Eingangstür hinaus. Mit der linken Hand die Tür hinter sich zuziehend, mit der rechten schon wieder das Kind weiter schubsend, wurden die ersten Treppenstufen überwunden. Der nächste unsanfte Stoß zwischen die Schulterblätter brachte es zum Schwanken und der Junge schrammte sich die Hände blutig, als er den Sturz auf den Gehweg mit ihnen abfing.

Marius Augen waren rot und geschwollen vom vielen Weinen. Durch den Tränenschleier, der seine Augen benetzte, konnte er nur verschwommen erkennen, was vor seinen Augen geschah. Der viel zu große Mantel von Pollux hing ihm um die Schultern, sodass die Ärmel über seine Hände glitten, als er versuchte, sich die Tränen wegzuwischen. Er verstand das alles nicht. Das war sicherlich ein großes Missverständnis. Sie hatten den Brief vergessen. Polaris hatte ihn auf dem Flug hierher verloren. Er war unleserlich adressiert gewesen. Er kam später.

„Papa“, weinte er mit viel zu hoher Stimme, doch Cygnus sah sich nicht mehr in dieser Rolle. Der stolze Ziehsohn von Elladora Black griff nach den – in seinen Augen nun so verräterischen – hellbraunen Haaren des Jungen, riss ihn daran in die Höhe und hinderte ihn daran, wieder auf die Knie zu gehen. Er hatte sich noch nicht überlegt, wohin er ihn bringen sollte. Eigentlich war er es nicht mehr wert, überhaupt weggebracht zu werden, aber Violetta würde es das Herz endgültig brechen, sollte dem Junge unter diesem Dach etwas zustoßen. Cygnus konnte dem Jungen nicht in seinem Haus das Leben nehmen, wie man es zweifellos von ihm verlangen würde. So eine Schmach ertragen zu müssen, weiterhin mit einer solchen Kreatur verwandt zu sein, konnte die Familie nicht dulden. Wäre da nicht Violetta gewesen, hätte Cygnus das Ding in den Keller gesperrt. Es dort unten verhungern und verdursten lassen. Aber er konnte ihn nicht durch die eigenen Hände beseitigen. Das wäre zu viel. Diese Schuld …

Cygnus zerrte Marius ein kleines Stück den Gehweg entlang, ehe er mit ihm disapparierte.

Die Vorhänge im ersten Stock bewegten sich und glitten wieder zusammen. Dorea wusste nicht, was passiert war. Ihre Mutter weinte oben in ihrem Schlafzimmer. Walburga schrie. Das Mädchen drehte sich hilflos im Kreis, nicht wissend, was ihrer Familie gerade passiert war. Der Salon war wieder offen, nachdem ihr Vater mit Marius den Raum verlassen hatte, um mit ihrem Bruder schließlich zu disapparieren. Traurig blieb sie im Türrahmen stehen, sah sich um, versuchte zu verstehen – bis ihr die Briefe auffielen, die auf dem kleinen Teetisch lagen. Zwei Briefe ...
 

Mama sagte einmal, dass der Himmel vor Glück geweint hat, als ich geboren wurde. Dass er Sterne vom Himmel schickte, um mich zu begrüßen und dass sie sich damals ganz fest wünschte, dass ich einmal ebenso hell leuchten würde.

Doch vielleicht hat sie die Zeichen einfach nur falsch gedeutet. So wie jetzt hatte der Himmel sicher nur geweint, weil ich Menschen unglücklich machen würde und ich für ihn nichts wert bin. Ich stellte sicherlich eine Schande für den großen, blauen Himmel da. Und die Sterne? Ich konnte sie nicht sehen. Wolken schoben sich über den dunklen Himmel. Sie leuchteten nicht für mich und ich würde es ihnen niemals gleichtun können.

Es war kalt. Der Mantel von Pollux wärmte zwar, aber er war zu groß, um wirklich schützend zu sein. Und als ich nach Stunden immer noch keinen Ort gefunden hatte, an dem ich hätte bleiben können, hatte ich mich einfach an der nächsten Bushaltestelle in die Ecke des Wartehäuschens gedrängt. Dort war der Wind wenigstens erträglich und der Regen konnte mich nicht mehr erreichen. Wobei es dafür sowieso zu spät war. Ich war durchgefroren, völlig durchnässt. Das Schniefen ließ nicht lange auf sich Warten und etwa eine Stunde später spürte ich das Kratzen im Hals. Hustend schlang ich den triefenden Stoff des Mantels um mich, erschauerte, weil er so kalt war, und gab mich wieder meinen Tränen hin. Meine Füße taten weh davon, den ganzen Tag durch die endlose Stadt gelaufen zu sein. Für ein Kind, das noch nie allein in der Großstadt unterwegs gewesen war, der reinste Alptraum.

Ich weiß nicht, wie lange ich da saß, immer wieder schwankend zwischen Träumen, Schluchzen und Bibbern. Ich weiß nur, dass ich die Sterne sehen konnte, als man mich auf die Arme nahm und ich die Augen für einen Moment öffnete. Ein vertrauter Geruch stieg mir in die Nase, nach Tabak und Rauch. Zwei starke Arme hielten mich an eine warme Brust gedrückt, trugen mich davon, während ich versuchte, näher an die Wärme zu kommen. Durch ein kurzes Blinzeln sah ich schwarze Locken springen, verschleiert durch den Qualm, der in die Nacht hinaufstieg. Ich konnte dunkle Augen blitzen sehen, wie sich das Mondlicht darin spiegelte, und für einen Moment dachte ich, mein Vater wäre zurückgekommen, hätte mich gefunden und holte mich nach Hause. Für einen kurzen Moment hatte ich Angst, doch nach dem nächsten Husten schlief ich schon ein.
 

Es duftete. Es duftete herrlich, als Marius die Augen öffnete – und sofort wieder zusammenkniff, weil die Sonne ihn blendete. Schützend riss er die Hände gegen die Sonnenstrahlen nach oben und blinzelte träge den Schlaf aus den Augen. Benommen sah er zu dem kleinen Fenster, dessen Glas zwar unheimlich schmutzig war, aber dennoch so viel Licht ins Zimmer fluten ließ. Während seine Augen sich langsam an das Licht gewöhnten, strichen seine Handflächen über die weiche Daunendecke, die ihn gerade noch bis zum Kinn zugedeckt hatte. So ganz anders als daheim.

Und das war es auch, was Marius verwirrt in die Höhe schrecken ließ. Daheim! Nein dort war er nicht! Und wenn nicht dort, wo denn dann? Das Bett war viel zu einfach, die Vorhänge waren ausgebleichte Spitzentücher und der Zimmerboden war mit einem fusseligen, beigen Teppich ausgestattet. Dabei war er sich eigentlich ganz sicher, dass sein Vater ihn geholt hatte. Oder hatte er ihn nur woanders hingebracht?

Augenblicklich stiegen ihm Tränen in die Augen, wie er an die Ereignisse und an Doreas kleines, blasses Gesicht hinter dem Fenster im ersten Stock, dachte. Schniefend schlug er die tröstlich wirkende Wärme beiseite und tapste zur Zimmertür hinüber – die eine Türklinke aus einem goldenen Material hatte. Zuhause waren alle Türknäufe oder Klinken Silber - Silber und mit Schlangen verziert. Merkwürdig, nicht die Unebenheiten der Schlange zu spüren, als er seine Hand auf die Klinke legte. Die Tür öffnend, schlug ihm der unheimlich süße Duft noch deutlicher entgegen und er hörte seinen Magen vor lauter Protest grummeln. Ein kleiner, schmaler Gang, ebenso mit diesem Fusselteppich ausgelegt, ohne Fenster, mit Türen zu beiden Seiten, kleinen Bilderrahmen an den Wänden und am Ende eine Treppe die nach links unten abtauchte. Dort unten lief Musik, fröhliche, wenn auch etwas altmodisch vielleicht. Und dazu das rhythmische leise Klopfen und eine schräge Männerstimme, brachten Marius dazu, sich dem Treppenabsatz Schritt für Schritt zu nähern. Durch die kleine, nackte, brennende Glühbirne an der Decke konnte er die Bilderrahmen betrachten. Die Bilder sagten ihm nichts. Immer wieder Kindergesichter, blond, haselnussbraun, da ein schwarzer Haarschopf auf einem Gruppenbild. Ein blondes Mädchen, zwischen zwei älteren Jungen. Eine Weihnachtskarte mit einem Familienbild, wieder mit den drei Kindern, nur wirkten sie jetzt einige Jahre älter. Hinter ihnen standen Mutter, Vater und ein Mann mit schwarzen Locken. Ein Motorrad. Ein Weihnachtsbaum, so behängt, dass er seine Äste nach unten bog, sie mit den Spitzen die Stapel an Geschenke berühren ließ. Ein Hochzeitsfoto, vom glücklichen Brautpaar, das durch ein Blumenmeer ging, Hand in Hand, beide mit dem glücklichsten Lächeln auf den Lippen. Zeitungsartikel. Nicht aus dem Tagespropheten. Eine Todesanzeige, in Gedenken an Robert Hitchens, geliebter Ehemann, Vater und Bruder.

Alle Bilder bewegten sich nicht. Da hingen Abschlusshüte, drei an der Zahl, mit den bunten Kordeln, die nach unten hingen. Daneben hatte jemand immer einen Buchstaben an die Wand gemalt. M, T und S.

Ein krächzendes Lachen veranlasste Marius dazu, endlich den Blick von alldem abzuwenden. Vorsichtig stellte er sich auf die oberste Treppenstufe und versuchte, um die Ecke herum nach unten zu sehen. Cremefarbene Fliesen schlossen unten an, führten zu einer hölzernen Haustür, die mit einem Rosenkranz geschmückt war. Ein blecherner Schirm- und ein Kleiderständer standen dort. Drei Mäntel konnte er zählen. Auch hier flutete das Licht die gesamten Räume.

Die Musik wurde lauter gedreht und das Klopfen verstummte, stattdessen klapperte es und die Männerstimme setzte nach einem kurzen Räuspern wieder an, dem Refrain des Liedes nachzueifern – begleitet von einem klingenden Lachen. Und da war immer noch dieser süße Geruch, der Marius die Treppe hinunter lockte. Dieser und die freudig, lockere Stimmung, die die Musik durch das Haus trug. Erst beim Treppensteigen fiel ihm auf, dass die Hose, die er trug, viel zu lang war. Die Hosenbeine rutschten ihm über die Zehenspitzen und der bunte Strickpullover ging ihm bis auf die Oberschenkel hinab. Daraf aufpassend, nicht über die eigenen Füße zu stolpern, bezwang er die Treppe und wandte sich unten nach rechts, dorthin, wo ein Durchgang zum nächsten Raum war. Dorthin, wo die Musik und die Stimmen herkamen. Neugierig trat er heran und blieb am Türrahmen geklammert stehen. Er erblickte eine weiß-orangene Küche mit alten Küchenfliesen über den Arbeitsbereichen, an denen noch halbe Kindersticker klebten, einen Ecktisch und unter dem Fenster einen Wagen mit Kräutern. Aber das war es nicht, was Marius Blick fesselte, er hatte nur Augen für die Frau, die sofort aufgehört hatte, durch den kleinen Raum zu tanzen, immer wieder um einen Mann herum, der am Herd stand und Pfannkuchen wendete. Ihre blonden Haare hörten auf zu wippen, fielen ihr lang und glatt über die Schultern, als sie den Jungen aus traurigen Augen musterte. Und noch jemand hatte ihn bemerkt: Die alte Frau, die am Ecktisch saß und Äpfel schnitt, in ihrer fleckigen Schürze, den Grübchen und dem zurückgesteckten, lichtem Haar. Nur kurz war sie die junge Frau, die mit 22 ihre Familie verlassen hatte, nur kurz leuchteten die dunklen Augen.

Wie sie alle den Kopf hoben und drehten, um Marius zu sehen, wurde der Junge rot und senkte sofort den Blick, klammerte sich noch mehr an den Holzrahmen des Durchganges.

„Marius! Tut mir leid, hab ich dich aufgeweckt?“, brummte die sanfte Stimme des Mannes, den Marius für seinen Vater hätte halten können. Er hatte dieselben schwarzen Locken und dieselben Gesichtszüge, ja sogar fast dasselbe Funkeln in den Augen. Nur wirkte es bei Phineas Black dem Zweiten viel wärmer. Wärmer und ehrlicher, wie er vor Marius in die Hocke ging, den Körper des verwirrten Jungen an seine Brust drückte, wie schon gestern Nacht. Und Marius wusste nicht, wem er da gegenüberstand, um wen er gerade die Arme schlang und an wen er sich ankuschelte. Aber er kannte diesen Duft von Zigarren ...

„Vielleicht schmecken sie nicht so gut, wie die von Stella, aber wenn du willst, habe ich Pfannkuchen für dich“, summte er beinahe schon in Marius´ Ohr und tätschelte ihm den Kopf, ehe er den Jungen von sich löste, um ihn zum Ecktisch hinüber zu schieben. Die blonde Frau hatte inzwischen am Rädchen eines kleinen Kastens gedreht, die Musik dudelte leise vor sich hin. Nun nahm sie aus einem Schränkchen einen Teller, stellte ihn für Marius auf den Tisch, legte eine Gabel daneben und lächelte ihn an. Sie gab ihm nicht die Hand oder umarmte ihn wie Phineas, sondern legte ihm eine Hand auf die rote Wange, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Willkommen daheim, Marry.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  EsistJuli
2012-11-28T10:49:19+00:00 28.11.2012 11:49
Was für eine wundervolle Idee! Ich bin richtig beeindruckt!
Ich mag die Familie Black ja unheimlich. Also was heißt mögen, ich finde sie interessant!
Ich komm zwar mit den ganzen Bamen total durcheinander (ich kann mir Namen gar nicht merken^^), aber trotzdem verstehe ich das wichtigste. Deine Geschichte ist total authentisch und das gefällt mir Super!
Ich hoffe, bald mehr von dir zu lesen :)
Von:  Lexion
2012-11-27T19:36:32+00:00 27.11.2012 20:36
Uff..das Kapitel muss ich erstmal sacken lassen! O.O
Kinder die mit 13 Jahren Eltern werden..hm..naja wobei...passt zu der antiquierten Denkweise der Reinblüter (also frü heiraten und so) allerdings scheint das wohl doch auch sehr unerwünscht zu sein. Aber immerhin kümmert sich jemand um das uneheliche Kind dass ist schon einmal viel Wert, wenn man bedenkt wie es Marius ergeht.
Es hat mich fast umgehauen, dass Cyngos es in Erwägung gezogen hat seinen Sohn wegzusperren. Doch wenigstens hat er sich dann gefasst und ihn "nur" ausgesetzt. Ein Glück, dass er Liebe (oder zumindest so etwas ähnliches) für seine Frau empfindet. Allerdings sagt einem das was man normalerweise mit Squibs macht..die armen Kinder!
Ich fand es trotzdem schön wie das Kap. geendet hat, weil Marius ein happy end im Prinzip hatte. Schön war auch, dass man erfahren hat was aus Isala und Phineas wurde. War es eigentlich Absicht das Phineas seinen Neffen fand? Also wenn dann scheint Cyngos nicht ganz und gar gnadenlos zu sein (schon allein wegen der Tatsache das Marius noch lebt)....
Wieder ein sehr schönes Kapitel!!!
Ich hoffe es geht bald weiter!^^

LG Lex


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