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How I met my love

von

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Weil sich die Welt weiter dreht

*
 

Ich weiß nicht ob ich jemals so schlecht geschlafen habe in meinem Leben wie in dieser Nacht. Träume können schön sein. Manchmal sind sie aber auch nur grausam. Brote mit Puppengesichtern verfolgen mich und eine monströse Abby beschützt uns, in dem sie der Gestalt die Arme abhakt.

Ich schlafe, für eine kurze Zeit, nur um wieder aufzuschrecken. In meinem Kopf ist ein Strudel von Gedanken und Gefühlen. Er zieht mich mit in die endlose Leere und hinterlässt nur einen widerlichen Geschmack.

Was David wohl gerade tut? Wälzt er sich zusammen mit dem Jungen durch die Laken? Oder habe ich zu viel Fantasie? Und auch wenn, es sollte mich nicht stören, er kann doch machen was er will…er hat keine Verpflichtungen an mich. An einen Freund. Nur ein Freund…

Aber es tut weh, die Vorstellung. Die Bilder.

Mein Herz tut weh…

Ich will nicht. Das ist zu viel für meine Welt, die doch normal ist, normal sein sollte.

Als Kind hatte ich einen Kassettenrekorder, der bestimmt immer noch irgendwo in meinem Schrank liegt. Unsere Oma brachte uns immer tolle Hörspiele für Kinder mit. Ich habe diese Geschichten geliebt und wenn dort etwas Schreckliches passiert ist, habe ich einfach wieder zurückgespult an den Anfang, als alles noch toll war. Eine Welt ohne Probleme, ohne Sorgen.

Ich will das jetzt auch tun. Einfach so. Zurückspulen an den Anfang, als ich David in unserer Küche sitzen sah. Als die Welt noch in Ordnung war und noch nicht diese seltsamen Gefühle in meinem Herzen tobten, die ich nicht verstehen kann…
 

Den ganzen Morgen bin ich unkonzentriert, weiß nicht was ich mit mir anfangen soll. Meine Mutter wirbelt durchs Haus und ist mit putzen und kochen beschäftigt, da unsere Familie heute Besuch erwartet. Mum liebt Familienfeiern einfach, noch viel mehr, wenn sie voller Stolz vor der versammelten Familie ihren zukünftigen Schwiegersohn präsentieren kann.

Ich weiß nicht ob sie unglücklich ist, dass ich keine Freundin habe, die sie vorstellen kann. Bestimmt, aber sie lässt es sich nicht anmerken. Ich hoffe sie ist genug damit beschäftigt Sheila und Mathias zu betuddeln.
 

Leider komme ich trotzdem nicht dazu den Trauerklos im Bett zu spielen, da Mum mich dazu drängt aufzustehen. Heute ist Familienfrühstück angesagt, mit der ganzen Familie. Also muss ich. Sheila auch, die genauso verschlafen aussieht. Wir schauen uns an und tauschen vielsagende Blicke aus. Stumme Worte, die so was sagen wie: Fällt dir auch keine gute Ausrede ein um wieder ins Bett zu kriechen?

Manchmal funktioniert dieses Geschwisterding doch noch zwischen uns, auch wenn wir uns verändert haben.
 

Es ist immer noch Vormittag, ich sitze auf dem weichen Rasen in unserem Garten. Dad’s Lieblingshobby ist es den ganzen Tag über den Rasen zu schleichen und alles auszureißen was nicht dahingehört. Sogar kleine, unschuldige Gänseblümchen, die noch ihr ganzes Leben vor sich gehabt hätten.

„Weil ich das mache, ist der Rasen so gut gepflegt, merk dir das Junge. Später wirst du deinen eigenen Rasen pflegen müssen.“, hatte Dad mal in einem seiner Rasengespräche gesagt, als ich ihn bat doch wenigstens die Gänseblümchen stehen zu lassen, da ich sie mag.

Ich will gar keinen Rasen pflegen müssen. Den ganzen Tag kleine Blumen aus der Erde reißen. Viel zu anstrengend. Ich will einfach hier bleiben, bei Dad, und ihn das machen lassen, wenn er doch so viel Freude daran hat.
 

Unschlüssig sehe ich auf mein Handy. Soll ich ihn anrufen? Vorhin war ich kurz am PC, um zu sehen ob er bei Facebook online ist. Aber David war nicht online. Sowieso ist das nicht so mein Ding, da ich lieber direkt mit meinen Freunden rede.

Aber wenn ich ihn anrufe störe ich vielleicht. Was sollte ich auch fragen? Hey, sorry dass ich gestern so schnell abgehauen bin. Wie war der Abend noch, hoffe der Sex war gut? Oder, Morgen Schatz, ich glaube ich fühl doch was für dich, lass das Brot fallen, komm rüber und wir treiben es wie die Karnickel.

Oje, Kai, schalt mal wieder einen Gang runter.
 

Ich weiß doch noch nicht einmal, was ich fühle. Ich kann nicht plötzlich schwul sein. Was würden Basti und Jonas dazu sagen? So was geht nicht von einen Tag auf den anderen. Außerdem ist das vielleicht auch gar nicht so. Ich bin einfach nur verwirrt. Die Küsse, Davids komische Komplimente.

Ja, vielleicht bin ich auch einfach tief in meinem Herzen ein super brutaler Macho und finde es toll wenn andere mir Komplimente machen.

Und Schweine können fliegen.
 

Schließlich ringe ich mich doch dazu durch und wähle seine Nummer, und bin enttäuscht als seine Mailbox rangeht. Verdammt!

Eine freundliche Telefonstimme bittet mich eine Nachricht zu hinterlassen. Ich will aber keine Nachricht hinterlassen. Ich will mit ihm reden.

Verstimmt lege ich auf und verkrümel mich in mein Zimmer.
 

Leider dauert es nicht lange und ich habe wieder das Handy in der Hand und klicke mich frustriert durch meine kurze Nummernliste, bis ich bei Abbys Nummer hängen bleibe. Gestern habe ich noch mit Jan und Abby Telefonnummern ausgetauscht um in Kontakt zu bleiben.

Kurzerhand drücke ich auf wählen. Warum auch nicht?
 


 

„Sag mal kennst du eigentlich Freddy Lehma?“

„Du meinst den Schwimmer? Ja, habe mir mal ein Wettkampfvideo angesehen, wo er bei war.“

„Privat kennst du ihn nicht zufällig?“, säuselt Abbys Stimme durchs Telefon.

„Abby! Ich war nur mal in einem Verein, und das ist Jahre her! Ich kenne keine berühmten Sportler.“

„Verdammt, der ist verfickt niedlich.“

Ich muss lachen bei ihren Worten. Abby steht total auf den niedlichen Typ. Hätte ich nicht erwartet, bei ihrer robusten Art könnte man meinen sie wollte sich am liebsten einen Bodybuilder als Freund angeln. Aber so ist sie nicht. Nein, bei ihr müssen die Jungs möglichst klein, süß und unschuldig aussehen.

Bei dem Gedanken schiele ich an mir herunter und erinnere mich etwas unglücklich daran, dass sie auch mich gestern süß fand. Nicht gerade ein Kompliment, wenn man bedenkt auf welche Typen sie steht.
 

Wir telefonieren bestimmt schon fast eine Stunde, und mir geht es besser. Abbys Art zu reden ist toll und ich glaube ich habe mich noch nie so offen mit einem Mädchen unterhalten. Man braucht einfach kein Blatt vor den Mund zu nehmen und bei einigen ihrer Ausdrücke bekomme sogar ich rote Ohren.

„Hey, was machst du heute eigentlich noch so?“, frage ich sie weil mir spontan eine Idee kommt.

„Eigentlich wollte ich noch mit Tobi an seinem Auto rumschrauben, aber der hat sich heute früh auf die Fresse gelegt und den Fuß verstaucht.“

„Also hast du Zeit?“

„Jup.“

„Hast du nicht Lust vorbei zu kommen? Wir haben heute so eine ätzend langweilige Familienfeier und ich glaube alleine steh ich das nicht durch.“

„Klar komm ich.“

Und damit ist es beschlossen. Ich gebe ihr meine Adresse durch und gegen Mittag mache ich mich auf den Weg zur Straßenbahnstation, weil ich ihr versprochen habe sie abzuholen.
 


 

„Hallo Kai!“, ruft mir Abby fröhlich entgegen, als sie aus der Bahn steigt. Ihre braunen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und sie trägt heute ganz ähnliche Sachen wie gestern. Ein kariertes Hemd, Jeanshose und einen breiten Ledergürtel, der stark an ‚wild west’ erinnert.

Lachen springt sie auf mich zu und nimmt mich stürmisch in den Arm, als hätten wir uns ewig nicht gesehen.

„Du erwürgst mich Abby!“, meine ich halbernst und muss ebenfalls lachen.

„Hey, geht es wirklich klar, dass ich komme? Ist ja immerhin eine Familienfete.“ Wir machen uns auf den Weg zu mir und Abby hat sich wie selbstverständlich bei mir untergehakt.

„Ja, meine Ma hat nichts dagegen. Aber pass auf, sie ist ein wenig komisch, wenn es darum geht dass ich Mädchen mitbringe. Es Kann sein, dass sie dich deshalb anspricht.“

Ich hatte meine Eltern vorhin noch schnell gefragt und Mum hat sich, milde gesagt, total erfreut, weil ich in Eigeninitiative ein Mädchen mitbringen will. Ich hoffe sie hat verstanden, dass Abby nur eine Freundin und nicht meine feste Freundin ist.

„Ach, und es wäre toll wenn du nicht erwähnst das David…nun ja...schwul ist.“

Erstaunt sieht sie mich an und mir ist es etwas unangenehm.

„Weiß sie es nicht? David meinte, ihr macht viel zusammen.“

„Nein, ich weiß nicht wie meine Eltern reagieren würden, deshalb will ich es erstmal nicht breittreten. Du kennst das doch bestimmt, ich mein du wohnst doch in einem Männerhaushalt.“

Sie lacht. „Verfickt, mein Vater wartet mit gierigen Fingern darauf dass ich ihm eine Schwiegertochter vorstelle.“

„Nicht dein Ernst?“

„Doch.“

„Dein Dad ist cool. Ich wette meiner würde da nicht so locker drauf reagieren.“

„Ich glaube damit kann er einfach besser umgehen. Er hat’s nicht so mit dem ganzen Mädchenkram. Zu meinem letzten Geburtstag hab ich ein Dremelset bekommen.“

„Okay, aber das geht doch noch.“

„Stell dir mal vor deine Eltern schenken dir ein Schminkset.“

„Oje.“

„Genau.“
 


 

Zuhause ist inzwischen das Haus rappelvoll. Meine Großeltern sind mal wieder viel zu früh dagewesen, aber inzwischen sind auch meine zwei Tanten und mein Onkel samt Kind und Kegel da. Ich mag meinen Onkel, er ist so ein verrückter Kauz, der an Verschwörungstheorien glaubt und Star Trek für Pflichtlektüre hält. Dafür ist er nicht so verschroben und will mir seit ich acht bin einen Ohrring aufquatschen, was ich aber jedes Mal ausschlage. Einmal habe ich sogar kurz überlegt. Aber wirklich nur einen winzig kurzen Moment. Der Grund? Der Blick meiner Mutter wäre einfach göttlich gewesen!

Aber das war es dann doch nicht wert, und mit vierzehn kommt man schon mal auf so dumme Ideen. Na gut, mit sechs wollte ich mal rosa Haare haben, weil ich den rosaroten Panther so toll fand und wäre meine Mutter nicht gewesen, hätte ich wohl die Fotos meiner Schuleinweihung verbrennen müssen.
 

Lautes Fußgetrappel kommt uns entgegen, als wir durchs Wohnzimmer gehen, da von hier aus die Terrassentür nach draußen führt.

„Kaiii!“, kreischt eine kleine, mir sehr bekannte Stimme.

„Oh ihr seid aber süß.“, begrüßt Abby meinen kleinen Cousin und einen weiteren Jungen, der uns mit einem von Schokolade verschmierten Mund angrinst.

„Bist du seine Freundin? Hallo, ich heiße Maik. Und du?“, fragt mein Cousin mit dieser typischen quitschigen Stimme. Ich werde etwas verlegen.

„Das ist Abby, und jetzt hört auf meinen Besuch zu nerven.“

Doch Maik zieht sofort die Kleinkindnummer ab mit Schmollmund und bitterbösem Blick. Das ist voll unfair, wenn ich das machen würde, würden mich alle für grenzdebil halten. Kinder haben es da echt gut.

„Das ist mein kleiner Cousin.“, kläre ich Abby auf.

„Ich bin schon fünf!“, sagt er stolz.

„Trotzdem noch klein.“ Er streckt mir die Zunge raus und ich kneife ihm scherzhaft in die Nase.

„Und wer ist das?“, frage ich meinen Cousin und deute auf den anderen Jungen, der immer noch schüchtern neben uns steht und gar nichts sagt. Maik war ja schon immer ein Plappermaul, das kann schon mal etwas einschüchternd sein.

„La…Laonäl.“ In dem Moment kommt meine Tante in einem geblümten Sommerkleid herein um uns zu begrüßen und die beiden Kleinen stürmen auf sie zu. Lächelnd gibt sie uns die Hand.

„Er heißt eigentlich Lionel, aber ihm fällt es schwer den Namen auszusprechen. Die Beiden gehen in denselben Kindergarten. Oh, und du bist?“, fragt sie an Abby gewand.

„Hi, ich bin Abby, eine Freundin von Kai.“

„Freut mich, ich heiße Carola. Ach ja, Kai, weißt du wo die Kuchenteller sind?“

„Ähm, der hinterste Schrank in der Küche.“

Damit ist meine Tante auch schon verschwunden, nur die beiden Kleinen stürmen wieder zu uns zurück.

„Willst du gar nichts sagen?“, frage ich Lionel, doch er schüttelt nur schüchtern den Kopf.

„Kaii, spielst du mit uns? Du Auch!“, wendet er sich mit großen, kindlichen Augen an Abby und es dauert eine Weile eh wir uns von den Kindern loseisen können.
 

Abby schlägt sich erstaunlich gut, und versucht sogar ihren Wortschatz im Zaum zu halten aufgrund der Kinder, denn davon gibt es insgesamt drei, da meine andere Tante ebenfalls ihre kleine Tochter mitgebracht hat, die nur ein Jahr älter ist als mein Cousin.

Meine Tanten sind viel jünger als meine Mutter und haben recht spät erst selber Kinder bekommen, deshalb der große Altersunterschied. Aber mich stört es nicht, wenn meine Cousins noch so klein sind. Nur Sheila meckert manchmal, weil sie schon gerne eine Cousine in ihrem Alter gehabt hätte.
 

Irgendwann stößt Mathias dann zu uns und ich bin etwas überrascht, als mich Abby fragt wer das ist.

„Davids Bruder, kennst du ihn nicht?“

Sie schüttelt den Kopf. „Nein, also David hat glaube ich mal einen Bruder erwähnt, aber ich war noch nie bei ihm zu Hause. Wir kennen uns noch nicht so lange. Aber sag mal, er sieht ihm gar nicht ähnlich, oder?“

„Sie sind auch nur Halbbrüder.“

„Was flüstert ihr denn da? Ach die Jugend von heute, immer nur am tuscheln. Aber eine hübsche Freundin hast du da, mein Kind. Wie war noch dein Name?“, mischt sich meine Oma plötzlich ein und rückt ihre dicke Brille zurecht.

„Abigail, aber alle nennen mich Abby.“

„Wirklich eine schöne junge Dame hast du da. Und so höflich.“ Sie kennt ja auch Abbys Wortschatz noch nicht.

„Ach Emma, lass doch den Jungen, er ist schon ganz verlegen.“, wirft nun Opa ein, und auch die anderen lachen schon amüsiert. Dad beugt sich plötzlich zu uns rüber und lächelt verschmitzt.

„Halt durch Junge, deine Schwester hat das auch schon durch.“

Meine Mutter lacht hell auf und ich ahne schon wieder böses.

„Ja, unser Kai ist jetzt auch schon bald ein Mann. Aber versprich mir nicht zu übertreiben, ja? Noch will ich nicht Oma werden.“

Meine Wangen glühen und auch Abby ist die Situation offensichtlich peinlich. Zumindest schenkt sie mir ein schiefes Lächeln.

„Ma, so ist das nicht, Abby ist nur eine Freundin.“

„Ach ja? Schade, aber wo nichts ist kann ja noch was werden. Unser Kai ist leider viel zu schüchtern. Ich fürchte, dass wird nie was, wenn die Mädchen nicht von selbst die Initiative ergreifen.“, seufzt meine Mutter theatralisch und zwinkert Abby zu. Ich rolle nur mit den Augen.

„Dein Kai ist anwesend, Mum. Und wir sind wirklich nur Freunde.“ Verzweifelt schaue ich zu meinem einzigen Onkel, der sofort zu verstehen scheint.

„Äh…Charlotte, hast du nicht noch ein Stück von deinem fantastischen Erdbeerkuchen?“ Onkel Klemens, der Retter in der Not.

„Ja, sicher. Ich hol dir noch ein Stück. Mit Sahne?“
 

Am Nachmittag wird es etwas entspannter, meine Tante tauscht mit meiner Mutter irgendwelche Rezepte aus, Vater und Opa führen Rasengespräche und mein Kopf schwirrt von Erklärungen durch Onkel Klemens, der uns versucht zu beweisen, dass Star Trek Vorreiter war für alle möglichen Erfindungen.

Die Kinder tanzen auf dem Rasen, weil Dad Musik angemacht hat, sein zweites, großes Hobby. Marie, meine andere kleine Cousine, versucht die ganze Zeit mit Maik zu tanzen, doch er blockt ab und sie läuft schmollend zu ihrer Mutter, während Maik nur Augen für seinen Freund hat.

Beide Jungen halten sich gegenseitig an den Schultern und stolpern etwas unbeholfen herum, wahrscheinlich in dem Versuch einen Walzer zu imitieren. Aber sie sehen glücklich dabei aus und ihre glänzenden Augen lachen.

„Du lächelst so selig.“, flüstert Abby neben mir. Erschrocken merke ich, dass sie ebenfalls Maik und Lionel beobachtet.

„Die Beiden sind aber auch süß zusammen.“

„Ja…“, flüstere ich zurück. „…in dem Alter können sie wenigstens noch so unbeschwert miteinander umgehen.“

„Später nicht mehr?“

„Nein…da ist alles so…kompliziert.“

„Das muss es aber nicht sein.“

„Aber es ist so. Und man kann es nicht ändern.“

„Verfickt, natürlich kann man das ändern. Man braucht nur Mut. “

„Hmm vielleicht hast du ja recht.“

„Klar hab ich das. Das musst du noch lernen Kai, Abby hat immer recht.“ Sie grinst mich herzlich an, und ich bin etwas traurig, weil sie noch nicht einmal weiß, worüber ich rede.
 

Aus den Augenwinkeln sehe ich Marie, wie sie am Kleid ihrer Mutter herumzupft.

„Was ist denn Schatz?“

„Mama, Maik will nicht tanzen. Er tanzt immer nur mit dem doofen Lionel.“

Sie steht auf und geht auf das tanzende Pärchen zu. „Maik? Willst du denn nicht mit Marie tanzen?“, fragt sie sanft.

„Nö.“, sagt er trotzig.

„Warum denn nicht?.“

„Ich will nicht.“

„Aber du kannst nicht immer nur mit deinem Freund tanzen.“

„Warum nicht?“, fragt Maik mit seiner kindlichen Unschuld.

„Weil Jungs nun mal mit Mädchen tanzen sollten. Ein Junge tanzt nicht mit einem anderen, das gehört sich nicht.“

Mir wird ganz flau im Magen.

„Mädchen sind aber doof.“

Mein Opa lacht laut auf. „Ja ja, in dem Alter finden sie noch Mädchen doof und in ein paar Jahren bekommt man sie kaum wieder von ihren Röcken los.“

Allgemeines Gelächter. Außer ich. In mir lacht nichts. Ich finde das nicht lustig. Warum muss das so sein? Maik sollte mit so vielen Jungen tanzen können, wie er will. Warum dreht sich die Welt nur immer wieder gleich?

„Lass ihn doch mit Lionel tanzen.“ Mein Mund bewegt sich, ohne dass ich vorher darüber nachgedacht habe.

„Er ist erst fünf, da ist nichts dabei.“

Abby nickt um meine Worte zu bekräftigen, und ich kann regelrecht ihre Gedanken lesen: "Da hat er, verfickt noch mal, recht."

„Nein nein, das kommt gar nicht in frage, was sollen denn die Nachbarn von deiner Familie denken? Wo kommen wir denn da hin! Knaben die mit Knaben tanzen, also wirklich.“ Mein Opa schüttelt allwissend den Kopf und in meinem Magen rutscht der Kloß noch etwas tiefer.

Meine Lippen pressen sich schmerzhaft aufeinander.

„Willst du noch etwas vom Salat?“, fragt mich meine Mutter, die anscheinend kein Problem an dem ganzen Gespräch sieht.

Ich verneine gepresst. Mir ist der Appetit vergangen.
 


 

Als es spät wird und alle sich aufbruchsfertig machen, verabschiede ich auch Abby an der Tür. Der Rest des Nachmittags ist irgendwie nur mäßig vergangen und selbst Abby hat es nicht geschafft mich wieder aus meinen trüben Gedanken zu holen, die mich schon die ganze Zeit quälen.

„Hey hast du nicht mal Lust mich zu besuchen? Ich kann dir unsere Werkstatt zeigen.“ Ich öffne ihr gerade die Haustür, während sie nach ihrem Rucksack greift.

„Ja klar.“

Ich glaube Abby merkt dass mich etwas beschäftigt, doch sie fragt nicht weiter nach.

„Gut, dann ruf mich einfach an.“

„Klar, mach ich.“ Ich versuche ein Lächeln und sie klopft mir kumpelhaft gegen die Schulter. Dann geht sie und ich höre noch wie sie zu sich selbst murmelt.

„Leck mich, endlich kann ich wieder normal reden.“

Jetzt muss ich doch grinsen. Verrückte Abby.
 

Als ich gerade die Treppe hoch in mein Zimmer gehen will höre ich Mum aus der Küche rufen und seufze frustriert.

„Was ist denn?“

Sie steht vor dem Geschirrspüler und räumt gerade die letzten Teller ein.

"Ich wollte nur wissen, wie dir die Feier gefallen hat?"

"Hmm war okay.", nurmle ich ausweichend.

„Abby scheint ein nettes Mädchen zu sein.“, kommt sie gleich auf den Punkt.

„Mum, bitte! Ich hab dir schon tausend Mal gesagt…“

„Ja, ich weiß, Spatz, aber gebe ihr wenigstens eine Chance, ja? Sie ist ein wirklich nettes Mädchen, auch wenn sie vielleicht ein wenig alt ist.“

„Sie ist erst Neunzehn, das ist nicht alt.“ Sie hat mir ihr Alter bereits heute früh am Telefon verraten, als wir die üblichen Themen durchgegangen sind wie Hobbys, Lieblingsband und so weiter.

„Aber immerhin ist sie schon volljährig.“

„Das ist David auch.“

„Schatz, du weißt doch worauf ich hinaus will. Sie ist viel älter als du, passt einfach auf, okay?“

„Mum, wir sind nicht zusammen.“

„Schon gut, Schatz, aber falls sich das ändert, nun ja. Du weißt dass dein Vater und ich immer für dich da sind, falls du fragen hast.“ Sie lächelt mich herzlich an, und für einen Augenblick kann ich ihr schon nicht mehr böse sein, dass sie mir gerade ein Aufklärungsgespräch aufdrängt.
 

„Und sollte es wirklich nicht passen. Nun ja.“ Sie ringt etwas nervös mit den Händen und verwirrt ziehe ich die Stirn kraus.

„Weißt du, Katrin würde sich vielleicht wirklich freuen, wenn du sie mal wieder anrufst.“ Nicht schon wieder diese Sumpfkuh. Die soll sich verziehen und Heu kauen gehen.

„Wie kommst du denn darauf?“

„Nun, Gestern, als du nicht da warst, da rief sie an und…“

„Sie hat hier angerufen???“, platze ich aufgrund dieser total surrealen Information dazwischen.

„Ja, gestern. Und ich habe mit ihr geredet und ich denke, dass ihr noch was an dir liegt. Du solltest sie mal anrufen Kai. Vielleicht könnt ihr ja euren Streit beilegen.“

Mir wird wieder schlecht und ich glaube alle Farbe ist aus meinem Gesicht gewichen.

„Hat die Sumpf…äh hat Katrin dir etwas davon erzählt?“

„Nein, aber sie klang ein wenig bedrückt. Willst du mir nicht erzählen was passiert ist, Schatz?“

„Mum, also…weißt du, das ist so ein Jungending. Das verstehst du nicht.“ Sie schaut etwas gekränkt und stellt einen dreckigen Teller gedankenverloren in die Spüle, anstatt in den Geschirrspüler, wo er eigentlich hingehört.

„Willst du vielleicht mit deinem Vater darüber reden?“

„Ma, es ist nichts, okay? Ich geh jetzt ins Bett.“, meine ich verlegen und marschiere aufgewühlt die Treppe hoch.

Es verletzt mich etwas, sie so enttäuscht zu sehen, doch ich weiß nicht was ich sonst machen soll. Ihr kann ich wohl unmöglich erzählen was mich wirklich bedrückt. Meinem Vater, oder Sheila genauso wenig.
 

Ich greife gerade nach der Türklinke meiner Zimmertür als ich meine Schwester hinter mir höre.

„Kai? Kann ich kurz mit dir reden?“

Verblüfft drehe ich mich um und sie winkt mich zu sich ins Zimmer.

„Weswegen denn?“

Jetzt beginnt auch sie mir bedrückte Blicke zuzuwerfen. Was ist nur heute für ein schrecklicher Tag?

„Ich wollte mich entschuldigen.“, meint sie ernst.

„Okay. Ähm, weswegen?“ Ist ja nicht so als wäre die Liste sonderlich klein wofür ich eine Entschuldigung von ihr verdient hätte. Das reicht von meinem Schaukelpferd, welches sie mir mit vier Jahren zertrümmert hat, bis zu der Aktion von Freitag mit Mathias Drohung.

„Es tut mir wirklich leid. Ich wollte nicht, dass es so ausartet, nur…ich habe mir Sorgen gemacht, dass er dich anmacht oder so und dann habe ich Mathias gebeten mit ihm zu reden.“

„Und das nur weil er schwul ist? Du hattest wirklich keinen Grund dazu. David ist in Ordnung.“

„Ich habe vielleicht etwas überreagiert.“

„Etwas?“

„Ja okay, vielleicht nicht nur etwas. Aber ich habe mir halt Sorgen um mein kleines Brüderchen gemacht. Ich werde noch mal mit Mathias reden wegen David. Mach dir darum keine Gedanken.“ Ihr Lächeln, welches sie mir zuwirft ist etwas schief, aber ich kann sehen, dass sie es tatsächlich ehrlich meint.

„Ich bin gar nicht mehr so klein. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“, murmle ich noch etwas verstimmt.

„Ja das sehe ich.“ Sheila sieht mich skeptisch an, grinst dann aber wieder.

„Stehst jetzt auf Ältere, hmm?“

„Was? Nein, so ist das wirklich nicht!“, wehre ich ab, doch sie geht gar nicht darauf ein.

„Ja ja, schon klar, du willst mir nichts erzählen. Aber wehe ich werde jetzt schon Tante, klar? Dafür bin ich noch viiiieel zu jung!“, säuselt sie, indem sie die Stimme meiner Mutter imitiert.

„Blöde Kuh!“ Ich werfe ihr lachend ein Kissen zu und sie wehrt es schreiend ab.

„Selber, und werfen tust du wie ein Mädchen!“
 


 

Seufzend klicke ich mich schon wieder durch mein Handy, und das bereits seit einer Stunde. Drei weitere Male habe ich versucht David anzurufen, aber immer nur die Mailbox. Warum ist sein Handy aus? Langsam mache ich mir Sorgen ob etwas passiert ist. Aber dann hätte Mathias vorhin was erwähnt, oder? Also ist alles okay. Hoffe ich…

Vielleicht ist der Junge aus dem Club ja noch bei ihm und er hat deshalb vergessen sein Handy anzuschalten. Bestimmt sind sie vollauf miteinander beschäftigt, denke ich grimmig.
 

Schnell will ich die Bilder aussperren, doch es geht nicht. Sie sind da. Genauso die Gedanken, denen ich schon den ganzen Tag aus dem Weg gehe. Scheiße...Jetzt stelle ich es mir schon wieder vor.

David, wie er jemand anderen berührt, zärtlich und leidenschaftlich. Wie es sich wohl anfühlt? Bei dem letzten Kuss von ihm hat er mich auch berührt, doch ich war zu verwirrt, um es wirklich zu spüren. Betrübt streiche ich mir durch die Haare, so wie es sonst nur David macht.

Irgendwie vermisse ich seine Berührungen, die liebevolle Art, wenn er mir durch die Haare fährt.

Sein letzter Kuss. War er das wirklich? Der Letzte? Was ist, wenn er diesmal sein Versprechen hält und mich nie wieder streichelt, oder küsst… Will ich es denn überhaupt, von ihm geküsst werden?
 

Ich weiß immer noch nicht was ich tun soll. Es ist da, in meinem Kopf, die Gewissheit, dass nicht alles eine Lüge ist, was mein Körper mir vorspielt. Ich fühle etwas. Irgendetwas, doch ich kann es immer noch nicht definieren. Der Gedanke allein, dass David, ein Junge, jedes Mal, wenn er mich küsst, dieses Kribbeln tief in mir auslösen kann, lässt mich erschrecken.

Scheiße, was ist nur mit mir los? Warum waren nicht einfach Katrins Küsse so…intensiv und schön, wie die Seinen es sind. Das wäre um so vieles einfacher. Nicht so kompliziert. Es würde passen und niemanden stört es. Mum würde sich freuen, Opa und Oma währen stolz wie Otto und Dad könnte weiter beruhigt seine Rasengespräche mit den Nachbarn führen.
 

Doch mit David wäre es anders. Niemand würde es verstehen, nicht mal ich selbst tue das ja. Will ich es denn wirklich? Was ist, wenn ich dann doch merke, dass alles nur eine verwirrte Phase, eine verrückte Lüge ist? Ich kann ja schlecht einfach ausprobieren, ob ich schwul bin, und dann hinterher sagen: „Sorry, habe mich doch geirrt.“

Das kann ich nicht riskieren. Abby hat diesmal leider nicht recht. Es ist zu kompliziert und ich kann es nicht ändern.

Jungs tanzen nun mal nicht mit Jungs.
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-04-05T18:11:08+00:00 05.04.2015 20:11
TT^TT man,das Ende vom Kapi ist so deprimierent
Aber Abby ist wirklich cool und ihr letzter Satz beim Verabschieden war einfach klasse.
Nur ich frag was David die ganze Zeit treibt,mhm....hoffentlich finde ich das bald heraus^^
(übrigens wieder ein super Kapi ;3)


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