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Das Phantom der Hochschule

Das Erbe des Phantoms der Oper
von

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Der Engel der Musik

Kapitel 09: Der Engel der Musik

„So lass mich dir Freiheit schenken, für einen Augenblick.“
 


 

Schmollend wegen der gestrigen Vorkommnisse, saß Takuto an seinem Platz. Er war total antriebslos und fühlte sich leer wie eine Puppe. Maora saß neben ihm und packte langsam ihre Sachen aus.

„Ist bald Wochenende?“ fragte er gelangweilt und Maora stupste ihn sogleich an.

„Die Woche hat gerade erst angefangen.“ Schmunzelte sie.

Er legte seinen Kopf auf den Tisch und verdeckte diesen mit seinen Armen. Am liebsten hätte er angefangen loszuheulen wie ein kleines Kind. Doch das verkniff er sich.

„Ich will sie nicht mehr sehen.“ Jammerte er stattdessen.

Maora hatte ihn gerade so verstanden und sie konnte seine Gefühle nachvollziehen. Trotzdem versuchte sie ihn zu ermutigen.

„Sie… hat doch gesagt, dass sie einen Freund hat. Du musst dich damit abfinden.“

Dann betrat Sarah den Raum und Maora machte ihren Freund sofort darauf aufmerksam. Er schaute auf und sah, wie sie die Stufen hoch gerannt kam und in Windeseile vor ihm stand.

„Takuto, bitte sag mir eins.“ Fing sie an und er sah sie an, ebenso wie Maora.

„Das, was du gestern zu Cinderella sagtest… oder zur Stiefschwester… wie auch immer. Galt das in Wahrheit mir?“

Takuto hielt vorerst inne. Er musste erst begreifen, was sie gerade sagte. Innerlich hoffte er von ihr eine Zusage zu bekommen und stand auf.

„Ich danke dir, Takuto. Doch ich kann deine Gefühle nicht erwidern. Bitte versteh das.“

Er sah in ihre blauen Augen und erkannte die Wahrheit. Sie liebte ihren Freund aufrichtig und hielt ihm auf Ewig die Treue. Das musste er akzeptieren. Eher er antworten konnte, sagte Sarah weiter:

„Bitte versteh das. Ich möchte euch als Freunde nicht verlieren.“ Sagte Sarah flehend und nun mischte sich Maora in das Gespräch ein.

„Wir wollen dich als Freundin auch nicht verlieren. Takuto wird das verstehen. Vielen Dank für deine Worte.“

Takuto, der gerade seine Freundin Maora ansah, blickte im nächsten Moment wieder Sarah an.

„Ja, wir bleiben Freunde.“ Sagte er dann und sie konnten Sarah die Erleichterung im Gesicht ablesen. Dann kam es zum Gruppenkuscheln und schließlich setzte sich Sarah an ihren gewohnten Platz.

„Aber… Sag bescheid, wenn du mal Ärger mit deinem Freund hast. Ich spring dann gerne in die Bresche.“ Sagte Takuto und bekam sofort eine von Maora übergebraten.

Sarah hingegen musste nur lachen. Sie war sehr erleichtert darüber, dass die Situation so einfach bereinigt werden konnte und atmete einmal befreit auf.
 

Bevor der Unterricht begann, betrat Frau Hampel den Raum und verteilte kleine Briefumschläge an sieben Leute. Sie sollten heute das Theaterstück Cinderella aufführen und zwar in seiner Originalform. In den Briefumschlägen steckten die Rollen. Maora, Takuto, Sarah, Jenny, eine Mitschülerin und zwei Mitschüler bekamen die Rollen. Als die Lehrerin Sarah den Briefumschlag auf den Tisch legte, sah sie sie fragend an.

„Wieso bekomme ich eine Rolle? Ich bin kein Schauspieler.“ Fragte Sarah irritiert.

„Das ist für dein Selbstvertrauen. Spiel die Rolle überzeugend, klar?“ antwortete Frau Hampel und ging zu Jenny. Sarah sah den Briefumschlag fragend an und steckte ihn dann weg, ohne ihn zu öffnen.

„Diener.“

„Stiefschwester.“

Flüsterten sich Takuto und Maora zu und sahen anschließend zu ihrer Freundin.

„Was spielst du?“

„Keine Ahnung. Hab nicht nachgesehen. Einen Baum, hoffe ich.“

Zwar waren ihre Freunde sehr neugierig, allerdings ließ sich Sarah nicht überreden den Umschlag zu öffnen und weiter nachharken konnten sie auch nicht, denn Herr Beier betrat den Raum und der Unterricht begann, als Frau Hampel sich verabschiedete.
 

Seufzen setzte sich Maora zu ihren Freunden an den Essenstisch in der Cafeteria, so wie jeden Tag. Sarah sah sie an und fragte, was los sei. Maora versicherte, dass alles in Ordnung sei. Doch Takuto wusste, was los war.

„Es geht um den Typen dort.“ Sagte Takuto und zeigte auf einen Mitschüler. Sarah sah sich zu ihm um.

„Tim? Was ist mit ihm?“ fragte sie nun.

„Maora ist heimlich in ihn verliebt.“ Erklärte Takuto, worauf Maora rot wurde und widersprach.

„So ein Unsinn! Das… das stimmt doch gar nicht.“

Natürlich glaubten die beiden ihr nicht und grinsten sie an. Maora konnte ihre Röte kaum verbergen, stand auf und ging. Sarah und Takuto sahen sich lachend an und folgten ihr schließlich. Ihre Sachen mitschleppend, ging Maora auf die Damentoilette. Sarah ging hinter her und im Affekt wollte Takuto dort auch rein, doch Sarah hielt ihn auf.

„Ich darf doch sehr bitten.“

„Ups, ja, ja! Schon klar. Ich war nur in Gedanken!“ sagte er stotternd und wartete am Fenster, gegenüber der Damentoilette.
 

„Maora?“ fragte Sarah zögernd.

„Ja, es ist so, wie Takuto gesagt hat. Ist schon gut. Es war mir nur peinlich. Aber jetzt ist es raus.“ Sagte Maora und nachdem sie sich das Gesicht gewaschen hatte, lächelte sie ihre Freundin auch schon wieder fröhlich an. Sarah machte ein etwas bedrücktes Gesicht.

„Wirklich?“

„Ja, wirklich. Mach dir keine Gedanken darum.“ erwiderte Maora lächelnd.

Dann verließen sie die Toilette auch schon wieder und gingen zu Takuto, der sichtlich überrascht war.

„Schon fertig?“

„Klar. Sag mal Saku. Welche Rolle hast du denn jetzt in dem Cinderella-Stück?“ fragte Maora nun, die eigentlich nur das Thema wechseln wollte, gleichzeitig aber wirklich neugierig war, ebenso wie Takuto.

„Ach ja. Das habe ich ja fast vergessen.“ Meinte Sarah und kramte den Briefumschlag raus. In Gegenwart ihrer Freunde, öffnete sie diesen schließlich.

„Also ich spiele…“ fing Sarah an und stockte, als sie den Namen las.

„Was denn jetzt?“ fragte Takuto ungeduldig und riss ihr den Zettel aus der Hand. Maora schaute ebenfalls drauf und kaum hatten sie den Namen gelesen, lachten sie ihre Freundin an.

Diese war jedoch entsetzt.

„Ich bin Cinderella?! Frau Hampel sagte, dass die Rolle für mein Selbstvertrauen ist und ich mir Mühe geben soll. Aber ich will nicht. Mao-chan! Lass uns die Rollen tauschen!“ flehte Sarah sie nun an, doch ihre Freundin lachte nur.

„Frau Hampel hat Recht. Gib dir Mühe und spiel die Rolle so gut du kannst. Das wird deinem Selbstvertrauen auf die Sprünge helfen.“ Ermutigte Maora sie.

„Von wegen. Jenny ist doch die Stiefmutter, wenn ich das richtig mitbekommen habe.“ Erkannte Sarah. Ihre Freunde nickten bejahend.

„Das heißt, sie wird mir in der Zeit als Aschenputtel die Hölle heiß machen!“

„Hm… ja stimmt. Und eine ihrer Freundinnen ist die andere Stiefschwester. Sie wird ihr bestimmt sagen, dass sie dich auch super mies behandeln soll.“ Erkannte Maora und Sarah verließ jeglicher Mut.

„… Mao-chan! Lass uns die Rollen tauschen! Dann kannst du auch mit Tim flirten!“ schlug Sarah vor, nahm Maoras Hand und legte ihr den Cinderella-Zettel in die Hand.

Takuto schüttelte den Kopf.

„Ich weiß nicht, ob das klappt. Frau Hampel kennt doch unsere Rollen.“

„Takuto hat Recht. Das wird auffallen. Da müssen wir durch.“ Meinte Maora und gab Sarah den Zettel zurück.
 

Die Drei hielten inne und sahen sich ratlos an. Dann schnappten sie sich ihre Sachen und gingen in die Cafeteria zurück. Doch auf dem Weg dorthin, machte Erik auf sich aufmerksam, was zum Glück nur Sarah bemerkte.

„Ähm… Geht schon mal vor. Ich geh noch mal für kleine Mädchen.“

„Das fällt dir aber früh ein.“ Nörgelte Takuto und ging mit Maora zurück zur Cafeteria.

Doch in Wahrheit ging sie zu Erik, der sie aus einer anderen Geheimtür heraus heran winkte.

Sie betrat einen weiteren unbekannten Gang und Erik schloss die Tür. Er hielt einen Kerzenleuchter in der Hand, sodass sich die beiden kurz sehen und unterhalten konnten.

„Was gibt es denn?“ fragte Sarah.

„Ich habe zufällig euer Gespräch mitbekommen. Was ist los?“

An das zufällig glaubte sie schon nicht mehr, aber sie hinterfragte das nicht weiter.

„Wir sollen gleich in der Aula das Theaterstück Cinderella aufführen und ich bin Aschenputtel. Aber ich will nicht. Die Lehrerin sagte, das täte meinem Selbstvertrauen gut, doch ich bin mir nicht sicher. Vielleicht hat es genau den umgekehrten Effekt.“ Erklärte sie besorgt. Erik sagte ihr nicht, dass er bereits von dem Theaterstück wusste, da er es heute Nachmittag im Unterrichtsraum schon mitbekommen hatte. Er wollte es lieber für sich behalten, dass er sie in jedem Unterricht beobachtete. Schließlich wusste er nicht, wie sie darauf reagieren würde. So wie er sie einschätzte, wäre es ihr sehr unangenehm gewesen und damit hatte er Recht.

„Ich bin sicher, dass du es gut machen wirst. Gib dir einfach Mühe. So wie bei der Musik.“

Sarah atmete einmal tief ein und bemerkte, dass er nach Jasmin roch.

„Die Sache ist, dass ich ein wenig Angst habe. Vor den Blicken der Zuschauer und auch vor Jenny. Sie wird die Schwiegermutter spielen.“

„Davor brauchst du doch keine Angst haben.“ Erwiderte er.

„Jenny ist das Mädchen, der ich eine verpasst habe und weshalb ich eine Verwarnung bekommen habe. Sie hat allen Grund mich schlecht zu behandeln. Das heißt, sie kann mich schlecht behandeln und ich muss es mir gefallen lassen. … Es ist nur ein Theaterstück, das weiß ich, aber ich habe Angst vor ihren Worten. Worte können einen sehr verletzen und prägen. Sie sind mächtiger, als manch einer denkt.“

Dem musste Erik absolut zustimmen. Doch zwischen den Zeilen hörte er heraus, dass da noch etwas vergraben war, dass ihr zu schaffen machte. Er fragte nach.

„Das klingt so, als hätte sie dich schon einmal mit Worten verletzt.“

Sarah hielt kurz inne und sagte ihm dann, was sie Maora und Takuto bereits am ersten Tag erzählte.

„Ja, ich kenne Jenny seit der Grundschule. Wir gingen zwar nicht in die gleiche Klasse, aber wir sind uns auf dem Schulhof oft begegnet. Eines Tages sagte sie in meiner Gegenwart zu einer Freundin: Sieh nur, die Hässliche. Ich glaube das hat damals als Kind dazu geführt, weshalb ich mein Selbstvertrauen verloren habe.“

Erik schwieg daraufhin. Nun wurde ihm wenigstens eine Frage beantwortet und er verstand die Person, die eingeschüchtert vor ihm stand, etwas besser. Dann nahm er seine freie, rechte Hand, fasste ihr ans Kinn und brachte sie so dazu ihn anzusehen.

„Erinnere dich an den Tag, als du die HMT betreten hast und du dich gegen die Abfuhr gewehrt hast und standhaft geblieben bist.“

„Ah! Das hast du auch mitbekommen?!“ fragte sie erschrocken und er zog seine Hand wieder zurück. Er nickte mit dem Kopf.

„… Mit dieser inneren Stärke hast du mich beeindruckt. Zeig sie wieder und lass dich nicht unterkriegen. Gehe hoch erhobenen Hauptes auf dein Ziel zu und verliere es nicht aus den Augen. Erinnere dich daran, warum du an die HMT gekommen bist.“ Beschwor er sie.

„Warum ich an die HMT gekommen bin…“ flüsterte sie und dachte nach.

[Ich wollte wissen, wie ich meine Gefühle mit Musik ausdrücken kann. … Ich bin für sie hier her gekommen.]

Dann sah sie ihn leicht lächelnd in die Augen. „Du hast recht.“ Sagte sie.

Er war froh, ihr geholfen zu haben und lächelte zurück. Doch plötzlich fiel sie ihm um den Hals, was er nicht erwartet hatte.

„Danke!“ flüsterte sie ihm zu und ließ ihn nach wenigen Sekunden wieder los. Anschließend ging sie an ihm vorbei und zurück zu ihren Freunden. Sie bemerkte nicht, dass sie ein überraschtes Phantom zurück ließ und ihre Worte bei ihm viel Gewicht hatten.
 

Schließlich war die Pause zu Ende und der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Die Studenten fanden sich in der Aula ein und Frau Hampel, die heute überpünktlich war, verteilte einige Requisiten an die Schauspieler. Beispielsweise bekam der Prinz einen Umhang und eine Krone. Mit der Darstellung der Fee war es schwierig und so wurde dem männlichen Schauspieler Gregor, der die Rolle auch nur aufgrund seiner Inaktivität bekommen hatte, eine Kutte mit Kapuze zugeteilt, die er widerwillig anzog.

„Muss das sein?“ Nörgelte Gregor, als die Lehrerin ihm die Kapuze aufzog.

„Ja, muss es. Hör auf zu meckern und geh hinter die Bühne. Da steht ein kleiner Stab. Den kannst du als Zauberstab verwenden.“

Wies sie ihn an doch er rührte sich nur widerwillig.

„Na los! Zack, zack!“ trieb sie ihn an.

Während er sich auf den Weg hinter die Bühne machte, verteilte Frau Hampel weitere Kleidungsgegenstände. Die Frauen bekamen sogar richtige Kleider, die sie sich in der Damentoilette anzogen. Für Sarah war das eine total neue Erfahrung, da es scheinbar Ewigkeiten her war, dass sie zuletzt ein Kleid getragen hat. Nur mit Widerstand kam sie umgezogen aus der Toilette heraus und heimste Gelächter von Jenny ein.

„Schlichtes Kleid, passend für die Hässliche.“ Sagte sie hochnäsig und lachte hämisch zusammen mit ihrer Freundin Linda, die die andere Zwillingsschwester spielte.

„Jetzt hör aber auf, Jenny! Sarah ist viel hübscher als du und weist du auch warum?! Das Gesicht der Aufrichtigkeit macht sie zur richtigen Cinderella. Also sei still!“ warf Maora mutig ein, was Jenny sichtbar einschüchterte. Sarah war überrascht und als Jenny und Linda die Damentoilettenräume verließen, bedankte sie sich ganz herzlich bei Maora.

„Du bist toll, Mao-chan. Vielen Dank. Ich hoffe, dass ich dir auch mal einen so großen Gefallen tun kann!“ Maora lächelte sie an.

„Kein Problem. Aber jetzt komm. Das Stück kann ohne dich nicht beginnen.“

Maora nahm Sarah an die Hand und zusammen gingen sie zurück in die Aula. Dort wurden sie schon sehnsüchtig erwartet und sie nahmen sofort ihre Positionen auf der Bühne ein.
 

„Alle da? Prinz, sein Diener, die Stiefschwestern, die Stiefmutter, Aschenputtel… Hey, Herr Fee!“ schrie Frau Hampel und die Fee kam durch den linken Vorhang geschlüpft.

„Ah da bist du ja. Also da ihr den Text nicht komplett beherrscht, könnt ihr improvisieren. Die einzige Bedingung die ich stelle ist, dass ihr den Handlungsstrang einhaltet. … Gut, dann fangt an. Wir beginnen im Haus von Aschenputtel und ihrem Alltag.“

Dann begann das Schauspiel und alle Schauspieler, außer Sarah, Jenny, Maora und Linda verließen die Bühne. Der Rest der Klasse saß in der Aula und wurden aufgefordert, aufzupassen. Sie sollten die Fehler ihrer Klassenkameraden erkennen, aber auch Sachen, die ihnen sehr gut gefallen haben, notieren.
 

Die erste Szene war nicht mal beendet und Jenny ließ ihrer Rolle freien Lauf. Das heißt, sie ließ ihre ganze Wut auf Aschenputtel niederprasseln, doch gestärkt von den Worten ihrer Freunde, hielt Sarah stand. Aber Jenny konnte es nicht lassen und musste sich am Ende der ersten Szene in den Mittelpunkt des Geschehens stellen und sang voller Tatendrang ein Lied. Dies gefiel der Lehrerin tatsächlich. Takuto jedoch fand, dass sie sich nur unnötig in der Vordergrund drängte. Er versuchte mit Gregor ins Gespräch zu kommen, doch dieser antwortete nicht.

Dann begann die zweite Szene, in der Takuto und der Prinz Tim auf die Bühne treten mussten. Zuvor sagte Takuto noch zu Gregor:

„Ich bin aus dir nie schlau geworden. Doch jetzt bist du noch verschwiegener als sonst. Auch wenn es dich wie immer nicht interessiert, solltest du einmal mitspielen, okay?“

Er erhielt wie erwartet keine Antwort. Takuto betrat als Diener des Prinzen die Bühne zur zweiten Szene, in der der Prinz den Vorschlag zum Maskenball machte. Ziemlich unspektakulär ging die zweite Szene zu Ende und es folgte die dritte Szene. Sarah machte sich bereit. Sie hoffte dieses mal mehr oder weniger unbeschadet davon zu kommen, da dieser Teil des Stücks relativ wenig mit der Stiefmutter zu tun hatte.

„Was passiert in dieser Szene noch mal?“ fragte Sarah und sah Maora an.

„Aschenputtel möchte auf den Ball gehen und die Fee erscheint.“ Antwortete ihre Freundin und Sarah nickte mit dem Kopf, während Takuto ihr tröstend auf die Schulter klopfte.

„Du wirst den größten Teil übernehmen müssen. Gregor ist heute wohl nicht sehr gesprächig. Ich hoffe, er macht wenigstens mit.“

Bevor die dritte Szene beginnen konnte, stand die Lehrerin auf.

„Na los! Das ist ja langweilig. Ich will mehr sehen. Mehr Einsatz. Mehr von Euch!“ schrie sie und die Zuschauer mussten ihr Recht geben, dass das Stück ziemlich langweilig und berechenbar war.

„Na dann, Saku. Viel Spaß. Die Lehrerin hat ja bombastische Laune. Dann improvisiere mal, dass sich die Balken biegen. Auf deinen Schauspielpartner kannst du ja wohl nicht bauen.“ Sagte Maora und sah Gregor an. Dieser rührte sich nicht, hatte das aber sehr wohl gehört. Dann atmete Sarah noch einmal tief durch und ging mit den Worten „Augen zu und durch.“ auf die Bühne.

Den Fußboden wischend, wurde sie von ihren Stiefschwestern und der Stiefmutter wieder zu Beginn nieder gemacht. Lediglich Maora schien sich zurück zu halten und es kam dem Publikum so vor, als sei sie eine sehr liebe Stiefschwester.

„Putz die Stelle dort noch mal. Aber gründlich!“ schrie Jenny und verließ mit pompösem Gelächter die Bühne, ebenso wie die beiden Stiefschwestern. Der Rolle gemäß seufzte Sarah einmal und legte dann ihr Putzzeug bei Seite und stand aus der Hocke auf.

Dann faltete sie die Hände ineinander.

„Ist dies das Leben, das für mich bestimmt ist? Ein Leben in Knechtschaft und ohne Aussicht, auf ein bisschen Freiheit?“

Sie hielt kurz inne und überlegte was sie als nächstes sagen sollte. Wie gesagt, war sie keine Schauspielerin und das Theaterstück war eine Herausforderung für sie. Also dachte sie an die Musik und an die vergangenen Tage an der HMT.

„Freiheit finden in Musik und Tanz. Ach könnte ich nur auf den Ball gehen. Oh Magie der Musik, führe mich und zeige mir, dass es Wunder gibt!“
 

In dem Moment betrat die Fee beschwingt die Bühne. Die Zuschauer staunten nicht schlecht, da sie einen eher lustlosen Gregor und eine wenig motivierte Fee erwartet hatten. Doch sie ahnten nicht, dass es nicht Gregor war, der sich unter der Kapuze verbarg.

Sein beschwingter Auftritt endete mit einem kurzen Kniefall vor Aschenputtel, die selbst überrascht war. Unfähig etwas zu sagen, fing die Fee schließlich an.

„Und so riefst du mich aus der Dunkelheit zu dir.“

Er machte eine kurze Pause und es war auf einmal ganz still. Wie gesagt – es war ein unerwarteter Auftritt.

„Obgleich Asche dich bedeckt, so erstrahlt dein Licht und geleitete mich durch die Finsternis. Deiner Stimme folgend, gelangte ich schließlich an diesen Ort.“

Sarah sah die Fee verdutzt an. Irgendetwas war sehr seltsam an ihm, aber Sarah musste sich auf ihre Rolle konzentrierten.

„Also…“ Sie fasste sich.

„Deine Erscheinung so sonderbar und doch ist der Klang deiner Stimme mir sonderbar vertraut. Sage mir, wer du bist.“

„Du solltest mich wohl kennen, denn du riefst mich aus der tiefe deines Herzens zu dich. Ich bin der Engel der Musik.“

Die Lehrerin war wohl interessiert an diesem Wandel der Geschichte und sah gespannt zu.
 

„Was redet er da? Das steht doch so gar nicht im Text?“ erkannte Jenny nörgelnd.

„Ach Jenny. Mach dich nicht verrückt. Du kannst nicht jeden Tag im Mittelpunkt stehen.“ Neckte Maora sie, was Jenny ein wenig ärgerte. Gebannt sahen sie wieder auf die Bühne und in manch einem kam die berechtigte Frage hoch, ob das wirklich Gregor war, der sich hinter der Kapuze versteckte.
 

„Tag für Tag sehe ich dein liebliches Licht aus der Ferne. Unfähig danach zu greifen.“

Die Fee hob die Hand und streckte sie nach Sarah aus. Diese rätselte noch immer, wer da vor ihr stand.

„Doch heute erfülle ich dir einen Wunsch. So sprich zu mir. Ein weiteres mal. Sprich zu mir. Jetzt.“

Sarah war total irritiert und trotzdem musste sie da irgendwie durch.

„Heute findet ein Maskenball im Schloss des Prinzen statt. Ich wünschte mir so sehr, ich könnte auch daran teilnehmen. Doch meine Stiefmutter und meine Stiefschwestern erlauben es nicht und zwingen mich zur Arbeit in scheinbar ewiger Gefangenschaft. Hilf mir. Ich bitte dich.“ Sagte sie und faltete die Hände ineinander.

„Gefangen, wie ein Vogel der fliegen will. So lass mich dir Freiheit schenken, für einen Augenblick. Und ist es dir nicht möglich auf den Ball zu gehen, so lass uns die Freiheit hier her bringen.“

Dann ging er auf sie zu und forderte sie zum Tanz, den sie widerwillig annahm. Die Zuschauer waren wohl äußerst überrascht von dieser Wendung, doch die Lehrerin schien nun gar nicht mehr so gelangweilt zu sein.

Takuto hingegen knirschte mit den Zähnen.

„Was macht er da?!“

Maora schüttelte nicht wissend den Kopf.

„Er improvisiert.“
 

Tanzend, in seinen Armen liegend, sah Sarah in sein Gesicht. Dieses war durch die Kapuze sehr verdunkelt, doch in einem kurzen Augenblick, da fiel das Licht günstig ein und aus dieser Nähe konnte Sarah nun endlich erkennen, wer dort gerade mit ihr tanzte.

„Phantom?!“ flüsterte sie überrascht. Er lächelte.

„Ich dachte, es ist endlich mal an der Zeit, dass ich auch aktiv werde.“

Sie lächelte ihn an. Es freute sie sehr, dass er mal aus seinem gewohnten Alltag heraus kam und sich in der Öffentlichkeit zeigte, obwohl diese ihn nicht direkt registrierten. Den außer Gefecht gesetzten Gregor, hatte er im Heizungsraum versteckt.

„Also, ich wünsche dir viel Erfolg. Du bist eine zauberhafte Cinderella.“ Flüsterte er und beendete den Tanz.

„So gebe ich dir dieses Kleid und Zeit bis Mitternacht, um die Freiheit zu erlangen, nach der du dich sehnst. Auf wiedersehen, Prinzessin Cinderella.“ Sagte er dann und gab ihr einen Handkuss. Dann verschwand er hinter die Bühne und somit war die zweite Szene beendet.

Sarah sah ihn verdutzt nach und kaum war er durch den Vorhang verschwunden, klatschte das Publikum und die Lehrerin erhob sich.
 

Der als Fee verkleidete Erik ging an den Schauspielern hinter der Bühne vorbei.

„Mann, das war ein wenig überzogen!“ sagte Takuto zu ihm, der offensichtlich sehr eifersüchtig war. Allen Anwesenden den Rücken zuwendend antwortete Erik darauf:

„Und dein Kuss von gestern war nicht überzogen?“

Takuto musste schlucken.

Als sie sich wieder den Geschehnissen auf der Bühne widmeten, verschwand Erik durch die Tür zum Heizungsraum, wo er die Kutte auszog und Gregor vor die Füße warf. Dieser wachte gerade auf und Erik rannte zu einer Geheimtür, durch die er verschwand.

Gregor, der noch total benommen war, stand langsam auf und schnappte sich die Kutte, die er in die Hand nahm und ging durch die Tür. Sich den Kopf haltend gesellte er sich zu den anderen Schauspielern.

„Mir brummt vielleicht der Schädel.“ Sagte er, als er die Kutte anzog, allerdings ohne sich die Kapuze aufzusetzen.
 

Die Geschichte wurde fortgesetzt und fand das allseits bekannte Happy End. Die Lehrerin applaudierte, ebenso wie die anderen Zuschauer, die es in der Tat interessanter fanden, als sie zunächst dachten. Die Schauspieler dagegen, waren nur froh, dass es zu Ende war und zogen sich wieder um. Lediglich Jenny ließ sich feiern. Die Lehrerin lobte aber vor allem Gregor für seine Improvisation in Szene drei, von der er jedoch nichts wusste. Ihm war es ganz gleich und er kümmerte sich nicht darum und so wurde das auch nicht weiter bekannt.
 

Erik kam gerade in seinem Zimmer an und schloss die Tür hinter sich. Doch anstatt zu seinem Platz oder in sein Schlafzimmer zu gehen, blieb er stumm stehen. Er hatte es tatsächlich genossen, einmal nicht in diesen Gängen herumzugeistern oder in seinen Räumen zu sein. Doch da war noch etwas anderes. Ein Gefühl regte sich in ihm, welches er bislang nicht kannte.



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