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Unvergesslich

Obliviate
von

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Tag 3, Magie in freier Wildbahn

Phoebe hatte einen tatsächlich entspannten Morgen, was sie selbst mehr als alles andere überraschte. Sie stand auf, duschte, ihre Küche machte Frühstück. Es verlief alles nach Plan und doch konnte sie die Nervosität, die sie bei jedem Gedanken daran, was sie heute vorhatten, befiel, nicht abschütteln.
 

Beinahe erleichtert, dass das Warten vorbei war, machte sie sich schließlich auf den Weg und landete erneut in einer dunklen Ecke des Hinterhofs. Sie wollte lieber nicht riskieren, im Treppenhaus einem Muggel vor die Nase zu apparieren. Als sie schließlich vor Reece' Tür stand und er ihr aufmachte, traf sein Anblick sie völlig unvorbereitet. Und aus Überraschung wurde bald Erheiterung als sie ihn von oben bis unten betrachtete.
 

Er trug Mantel und Spitzhut, nur nicht wie der modebewusste Zauberer von heute sondern mit bunten Plastiksternen beklebt. Beide Kleidungsstücke waren ihm zu klein, sodass der Hut ihm nur locker auf dem Kopf saß und der Mantel einige Zentimeter vor dem Boden endete und seine Beine entblößte. Aus einer Manteltasche ragte ein schwarzer Zauberstab mit weißer Spitze.
 

Bevor sie in lautes Gelächter ausbrechen konnte, zog er sie schnell herein und schloss die Tür. Dann konnten sie beide nicht mehr an sich halten. Vor Lachen fiel Reece der Hut herunter und als sie schließlich nach Luft japsend wieder ins Wohnzimmer weitergingen, hob Phoebe ihn auf und setzte ihn ihm wieder auf den Kopf.
 

„Ich seh' schon, du wirst in der Winkelgasse praktisch unsichtbar sein... in deiner Verkleidung.“ Einen kurzen Moment tanzte ihr dieses Szenario im Kopf herum und sie spürte, wie ihre Mundwinkel erneut zuckten. Reece zog sie grinsend mit sich auf die Couch und streckte die langen Gliedmaßen.
 

„Ich habe das Zeug vorhin in einem alten Karton gefunden und konnte einfach nicht widerstehen. Da war auch noch das Kostüm für die hübsche Assistentin. Willst du das nicht auch mal anprobieren, Pheebs?“ Er zwinkerte ihr zu und Phoebe wurde plötzlich siedend heiß bewusst, wie nah sie sich waren. Sie sprang schnell wieder auf die Füße und tat so, als wäre sie voller Unternehmenslust.
 

„Also, wollen wir dann nicht langsam mal los? Du solltest dir nur vorher was anderes anziehen.“ Sein Lächeln wirkte ein wenig verrutscht, als er ihr zustimmte, aufstand und zu seinem Schlafzimmer lief. Sie zuckte zusammen, als er sich plötzlich noch mal umdrehte.
 

„Du hast übrigens deine Bücher hier vergessen“, teilte er ihr mit und deutete auf den Stapel der alten Schwarten, die auf seinem Tisch lagen.
 

Phoebe folgte seinem Blick und entdeckte neben ihren Büchern einen ganzen Haufen Fotos. Unschlüssig stand sie da, bis ihre Neugier schließlich siegte und sie näher herantrat. Sie erwartete beinahe, Bilder seiner Freundin – Hatte er überhaupt eine? – zu sehen und war umso überraschter, als sie nach näherem Hinsehen Bilder von sich selbst entdeckte. Sie und Reece mit kirschrot verschmierten Mündern, er fröhlich lachend und sie seltsam schuldbewusst. Sie und Reece mit Mütze, Schal und Handschuhen, mitten in einem Haufen Schnee. Sie und Reece zusammen im Schwimmbad, als er sie auf den Armen durch's Schwimmbecken trägt.
 

„Die Bilder sind schön, nicht?“ Sie schreckte auf, als Reece plötzlich hinter ihr auftauchte und ein weiteres Bild in die Höhe hielt, auf dem sie beide zu Halloween verkleidet zu sehen waren. Sie als Hexe – haha –, er als Kaiserpinguin mit Krone.
 

„Ich wünschte, ich könnte heute noch solche Bilder schießen...“
 

In Phoebes Kopf klingelte etwas. „Du bist also tatsächlich Fotograf geworden?“ Er grinste sie an.
 

„Hm-hm. Freiberuflich. Momentan habe ich aber kein neues Projekt anstehen.“
 

„Ich habe mich schon gefragt, woher du überhaupt die Zeit für diese Woche nimmst. Ich habe mir freigenommen.“ Er sah augenblicklich schuldbewusst aus.
 

„Und das macht dir keine Probleme?“
 

Sie winkte ab. „Eine Woche frei zu haben ist mal ganz schön.“ Vor allem, wenn sie die Herzprobleme ignorierte, die er verursachte.
 

Einen kurzen Moment standen sie beide still da und wussten nichts zu sagen, bis Reece die Hand hob, sie wieder sinken ließ und schließlich mit beiden Händen in der Hosentasche fragte: „Wollen wir dann los?“
 

„Äh, ja klar.“ Sie streckte die Hand nach ihm aus und nahm ihn schließlich am Arm.
 

„Wir landen diesmal im Tropfenden Kessel.“
 

„Und-...“ Plopp.
 

Plopp. „...wo ist das?“ Phoebe breitete grinsend die Arme aus. „Hier“, meinte sie schlicht.
 

Er sah sich in dem Raum um, der auf den ersten Blick wie eine ganz alltägliche Kneipe wirkte. Auf den zweiten Blick bemerkte er allerdings, dass beinahe alle Gäste Umhänge trugen und einige von ihnen sehr seltsame Proportionen hatten. „Also, dieses Beamen oder Teleportieren oder was auch immer das ist... das ist schon ziemlich cool. Aber was genau machen wir hier?“
 

Bevor Phoebe ihm allerdings eine richtige Antwort geben konnte, versteckte sie sich plötzlich hinter ihm.
 

„Verflixt, ich hab' Professor Longbottom ganz vergessen. Nicht so schnell, sonst sieht er mich“, murmelte sie hinter seinem Rücken hervor. „Da lang, da lang!“
 

Sich allerdings ausgerechnet hinter Reece zu verstecken, der in seiner Muggelkleidung unter all den Zauberern auffiel wie ein Hippogreif in einem Haufen Niffler und dementsprechend ausgiebig beäugt wurde, stellte sich als keine sehr erfolgreiche Idee heraus.
 

„Und wer ist dieser Professor?“, fragte Reece, der der Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, kaum Beachtung schenkte. Stattdessen nahm er ihre Hand und zog sie in die Richtung, in die sie vorhin gedeutet hatte, während sie immer noch versuchte, hinter ihm in Deckung zu bleiben.
 

„Mein ehemaliger Lehrer in Kräuterkunde. Seiner Frau gehört der Tropfende Kessel. Ah, hier ist es.“ Sie führte ihn hinaus auf den kleinen Hinterhof und stolperte kurz über das Problem, dass ihre Zauberhand nicht frei war. Bevor sie sich allerdings entscheiden konnte, ob sie sich von ihm losmachen oder einfach die andere Hand nehmen sollte, hatte er sie bereits losgelassen und eine Entschuldigung genuschelt.
 

Sie kramte mit roten Wangen nach ihrem Zauberstab und machte sich schließlich daran, dass Tor für sie zu öffnen. Obwohl sie gestern erst hier gewesen war, brauchte sie drei Anläufe um den richtigen Stein zu finden. Reece dachte vermutlich, das müsse so ablaufen. Es war ihr trotzdem peinlich. Sie benahm sich wie ein kleines Schulmädchen.
 

Als sich das Tor dann allerdings endlich öffnete, konnte sie gar nicht anders als zu lächeln, als sie sein staundendes Gesicht sah. Beim ersten Mal war die Winkelgasse in ihrer Fülle immer beeindruckend, nicht zu vergessen, dass man, wo man ging und stand, mit Magie konfrontiert wurde.
 

Reece war von der Atmosphäre völlig gefangen, sah hierhin und dorthin und schien sich gar nicht sattsehen zu können. Phoebe schwirrte mittlerweile schon der Kopf, von seinem „Pheebs“ und seinen Fragen, die ihm nie auszugehen schienen. Aber zumindest lenkte er sie damit von ihrer Nervosität ab. Als sie an einem Laden für Rennbesen vorbeikamen, hielt er plötzlich inne.
 

„Das ist er! Darauf ist der Kerl in mein Wohnzimmer gekracht!“ Er deutete wie wild auf den neuesten Rennbesen, der im Schaufenster ausgestellt wurde.
 

„Na, kein Wunder, dass er ihn anscheinend nicht unter Kontrolle hatte...“ Phoebe sah auf ihre goldene Uhr, dann in ihren Geldbeutel und schließlich auf ihren Einkaufszettel, den sie diesmal nicht vergessen hatte.
 

„Ich muss nochmal zu Gringotts“, teilte sie ihm etwas mutlos mit. Sie konnte ihn schließlich nicht einfach irgendwo absetzen und mitnehmen konnte sie ihn auch nicht. Oder doch? Sie starrte ihn an, während sie überlegte. Für ihren Verlobten wäre es eigentlich ganz normal, mit in ihr Verlies zu kommen, oder nicht?

Reece wand sich währenddessen unbehaglich unter ihren Blick.
 

„Pheebs, was ist-...“
 

„Zaubererbank“, beantwortete sie seine Frage schon, bevor er sie ausgesprochen hatte. Entschlossen nahm sie seine Hand in ihre eigene, leicht verschwitzte, wie sie peinlicherweise feststellen musste.
 

„Komm mit.“
 

Gringotts war respekteinflößend wie immer. Reece betrachtete den Marmor und vor allen Dingen die Kobolde mit großen Augen, sodass es bald schon an Unhöflichkeit grenzte. Phoebe quetschte seine Hand, damit er bemerkte, was er da tat.
 

Als sie schließlich vor dem zuständigen Kobold stand, räusperte sie sich.
 

„Phoebe Peasegood mein Name, ich möchte etwas aus meinem Verlies holen.“
 

Der Kobold sah von seinem hohen Pult eindringlich auf sie herab. „Haben Sie Ihren Schlüssel?“
 

„Oh, ähm, ja.“ Sie fang an zu kramen, erst in ihren Manteltaschen, dann in ihrer Umhängetasche und fand ihn schließlich in einer Falte, ganz tief in ihrem Geldbeutel. Während sie suchte, hatte sich der Blick des Kobolds auf Reece geheftet, der immer noch alles in Blickweite bewunderte.
 

„Hier. Und das ist mein Verlobter. Er ist noch... neu hier“, versuchte sie möglichst beiläufig zu erwähnen. Stattdessen zitterte ihre Stimme, als sie bei dem Wort Verlobter angekommen war. Sie legte den Schlüssel auf den Schalter und der Kobold nahm ihn an sich, betrachtete ihn von allen Seiten und gab ihn ihr schließlich zurück. Er winkte einem Kobold und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
 

Unendlich erleichtert, mit dieser Geschichte davongekommen zu sein, erkannte sie erst, dass sie wieder eine dieser Höllenfahrten vor sich hatte, als sie schon im Wagen saß. Sie wollte ihn noch warnen, da fuhr der Wagen bereits an und zischte um die erste Ecke. Ihr wurde augenblicklich schlecht, während Reece zu schreien begann und ab und zu ein begeistertes Jauchzen hören ließ, als säßen sie in der Achterbahn. Sie hätte sich vielleicht deswegen geschämt, wenn sie nicht so schrecklich beschäftigt damit gewesen wäre, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten.
 

Als der Wagen schließlich vor ihrem Safe zum Stillstand kam, stieg sie auf wackligen Knien aus und bedeutete Reece sitzen zu bleiben, während der Kobold, der sie begleitet hatte, den Safe aufschloss und sie hereinwankte, um das Geld heraus zu holen. Ihr war so schwindlig, dass sie erst Mühe hatte, die richtige Menge an Knuts, Sickeln und Galleonen abzuzählen. Als sie schließlich fertig war, ging die wilde Fahrt wieder zurück zur Oberfläche und Phoebe war wieder einmal froh, dass ihr Verlies nicht noch weiter unten lag.
 

Als sie wieder aus Gringotts ins Sonnenlicht traten, grinste Reece breit.
 

„Das macht definitiv mehr Spaß als jeder Bankautomat!“
 

„Hm-hm“, murmelte sie, tief durchatmend... und lief prompt gegen einen hochgewachsenen Zauberer.
 

„Uff“, schnaufte sie und prallte zurück gegen Reece.
 

„Pheebs, alles okay?“
 

„Äh, ja, schon“, erwiderte sie und wollte sich dann dem Zauberer zuwenden. „Tut mir sehr...“ Der war allerdings schon längst weitergegangen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihr sein Hinterkopf irgendwie bekannt vorkam.
 

„Das war ja Treiber-Hanson! Ich saß in Zauberkunst, glaube ich... vier Jahre lang hinter ihm.“ Phoebe wusste nicht, ob sie erstaunt oder erleichtert sein sollte, dass er sie nicht erkannt hatte.
 

Reece sah dem Mann hinterher und grummelte.

„Höflich ist er ja nicht gerade.“
 

Sie zuckte lächelnd die Schultern und winkte ihn weiter. Der Ruck schien einen positiven Einfluss auf ihr Gleichgewichtssinn gehabt zu haben.
 

„Er ist Treiber, ich kann wohl froh sein, dass er mir keinen Klatscher an den Kopf gejagt hat.“
 

Zur Abwechslung starrte er sie an und nicht die Schaufensterauslagen.
 

„Quidditch“, fügte sie erklärend hinzu. Reece Augen wanderten wieder zu Hanson, der allerdings längst in der Menge verschwunden war.
 

„Das muss irgendwie brutaler als Fußball sein.“
 

Sie überlegte. „Es ist kreativer. Und einfach... magischer.“
 

Reece ließ sich nach dieser Episode nicht mehr lange von der Winkelgasse ablenken. Während Phoebe den Rest ihrer Einkäufe erledigte, betrachtete Reece alles auf ihrem Weg mit wachsender Begeisterung und bejammerte immer wieder, dass er kein passendes Geld hätte. Seine Begleiterin erwähnte weder, dass er sein Geld bei Gringotts hätte umtauschen können, noch dass sie es ihm sowieso nicht erlaubt hätte, irgendwelche Erinnerungsstücke mitzunehmen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Als sie sich mit einer Packung Bertie Botts Bohnen in der einen und den Einkäufen in der anderen Hand langsam wieder auf den Rückweg machten und erneut am Schaufenster mit dem neuesten Rennbesen vorbeikamen, drehte Reece sich zu ihr um.
 

„Wie genau läuft so Kidditch-Spiel denn ab?“
 

„Quidditch“, korrigierte Phoebe und begann ihn langsam in die Welt der Jäger, Sucher, Treiber und Hüter einzuführen. Obwohl ein Ritt auf einem Besen für sie an Selbstmord grenzte, mochte sie Quidditch. Auf Hogwarts war sie bei jedem Spiel gewesen, selbst wenn Hufflepuff gar nicht selbst spielte. Zudem hatte ihr Vater sie, als sie klein war, immer gern auf Spiele mitgenommen, von allen möglichen Teams, je nachdem wo er Karten bekam.
 

Währenddessen wirkte Reece zunehmend verdrossen. Einerseits über das baldige Ende seiner zweiten kleinen Reise in die Zauberwelt, andererseits über seine Bohnenwahl. Sein (un)glückliches Händchen brachte weiterhin nur Geschmacksrichtungen wie Honig, Karamell, Zitrone oder Schokolade hervor.
 

Sie drängten sich gerade kurz bevor sie das Ende der Winkelgasse erreichten durch eine laute Menschenmenge hindurch und an einen lärmenden Werbezauberer vorbei, der irgendwas von Wunschshampoo proklamierte und Pröbchen verteilte, als Phoebe bei dem Geschmack einer neuen Bohne das Gesicht verzog.
 

Im nächsten Moment war da nur noch Reece' Mund auf ihrem. Sie hatte noch gar nicht verstanden, was passiert war, als das Gefühl wieder verschwand, sie aus der Menge heraus waren und Reece auf seinen Mund deutete. Auf seiner Zunge lag die Bohne, die er Phoebe aus dem Mund stibitzt hatte.
 

„Leberwurst, hah?“ Er grinste sie schief an, lief weiter und ließ sie für einen Moment wie in Trance zurück. Schließlich setzte sie sich mit brennenden Lippen wieder in Bewegung. Den letzten Rest des Weges brachten sie schweigend hinter sich, sie mit leuchtend roten Wangen und rasenden Gedanken, er mit sich und der Welt zufrieden an einer Leberwurstbohne lutschend.
 

In diesem Zustand kam Phoebe an der Wand am Ende der Winkelgasse an. In diesem Zustand öffnete sie sie und betrat durch den Hinterhof wieder den Tropfenden Kessel.
 

Und in diesem Zustand stand sie plötzlich Neville Longbottom gegenüber, der auf der anderen Seite der Theke saß.
 

„Ms. Peasegood!“ Ihr ehemaliger Professor lächelte sie fröhlich an. Er sah ganz anders aus als in der Schule, was es noch schwerer machte, das unwirkliche Gefühl loszuwerden, das sie beschlichen hatte.
 

„Oh, guten Tag, Professor Longbottom.“ Ihre Gedanken kreisten. Was war nochmal los?
 

Als sie sich gerade verabschieden und flüchten wollte, erschien plötzlich eine Hand in ihrem Blickfeld, die sich über die Theke streckte. Eine andere lag plötzlich auf ihrer Schulte, während eine Stimme nahe ihrem Ohr sagte: „Reece Flynt, Pheebs Verlobter. Schön, sie kennen zu lernen.“
 

Sichtlich überrascht nahm er seine Hand und schüttelte sie. „Herzlichen Glückwunsch. Es freut mich auch.“ Er lächelte und kam anschließend zu Poebes Entsetzen hinter der Theke hervor.
 

„Wenn ihr Zeit habt, dann setzen wir uns doch“, meinte er und deutete auf einen freien Tisch an der Wand. Sie selbst war noch unschlüssig, wie sie das Angebot abweisen sollte, als Reece sich schon längst, auf einen Stuhl hatte fallen lassen. Einen Moment wollte sie ihn wirklich verfluchen, aber er und Neville sahen sie so erwartungsvoll an, dass sie einfach nicht anders konnte, als sich neben sie zu setzen.
 

Während Neville bei seiner Frau ein paar Butterbier bestellte, haderte sie mit sich selbst. Wenn sie sich nun verplapperte? Wenn er merkte, dass sie gar nicht verlobt waren? Dass Reece gar nicht von der Existenz dieses Ortes wissen sollte? Dass sie hier eine ungeheure Pflichtverletzung begangen hatte?

Ihr brach der Angstschweiß aus und das Butterbier kam ihr gerade recht, um sich daran festzuhalten. Der zweite Halt kam von Reece, der wirkte, als hätte er Felix Felicis intus und dessen Arm immer noch auf ihren Schultern lag.
 

Wieder fragte sie sich, wie irgendwer glauben konnte, sie beide wären ein Paar. Das war doch lächerlich!
 

„Und, was machen Sie heutzutage so?“, fragte Neville neugierig und riss sie damit aus ihrer vorübergehenden Versunkenheit.
 

„Ich arbeite als Vergiss-mich im Ministerium.“ Neville strahlte.
 

„Ach, das ist interessant. Haben sie sich so kennengelernt?“ Während Phoebe heftig zusammen zuckte, schüttelte Reece den Kopf.
 

„Nein, Pheebs und ich sind alte Freunde und haben in der gleichen Nachbarschaft gelebt. Ich bin Muggel, wissen sie.“ Bei diesen Worten war Phoebe einer Ohnmacht nahe, aber Neville schien das gar nicht zu berühren. Stattdessen wurde sein Lächeln immer strahlender, je länger Reece redete.
 

Er war gerade dabei, ihre baldige Hochzeit in leuchtend bunten Farben auszumalen – Phoebe sank fast unter den Tisch bei seinen Ausführungen –, als plötzlich eine einsame Träne Nevilles Wange hinunterrollte. Sowohl Reece als auch Phoebe erstarrten in ihren Bewegungen.
 

Neville winkte ab, während er mit der anderen Hand die Träne abwischte.
 

„Entschuldigt bitte. Eine pure Freudenträne.“ Er sah Phoebe in die Augen. „Ich freue mich wirklich sehr für euch.“
 

Sie spürte, wie ein Lächeln an ihren Mundwinkeln zuckte und bemerkte gleichzeitig eine heftige Last auf ihrer Brust. Sie räusperte sich und versuchte nicht in Tränen auszubrechen.
 

„Ich, also, danke. Und es tut mir leid, aber wir-... wir müssen jetzt leider gehen. Es tut mir sehr leid.“ Sie stand mit einem Ruck auf und ihre Hand suchte ganz natürlich Reece. Als sich ihre Finger um seine schlossen, murmelte sie noch einmal: „Es tut mir sehr leid. Aufwiedersehen.“
 

Im nächsten Moment war sie disappariert.
 

Als sie in Reece' Wohnung wieder auftauchten, schnappte sie nach Luft und sank anschließend in die Knie. Reece stützte sie und führte sie zur Couch. Bestürzt tätschelte er ihre Schulter.
 

„Pheebs...?“
 

Sie schlug nach ihm.
 

Reece zuckte nicht zurück, sondern nahm stattdessen ihre Hände in seine. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. Immer wieder war da dieses Bild. Das strahlende Lächeln, der Stolz in seinen Augen und dann diese Freudenträne.
 

Eves Idee war beschissen gewesen.
 

Sie versuchte krampfhaft die Tränen zurück zu halten. Wenn jetzt auch nur einen von den Weg hinaus schaffte, würde sie sich gar nicht mehr beruhigen können.
 

„Es geht schon“, murmelte sie, aber die Tatsache, dass sie seine Handgelenke fest umklammert hielt, ließ sie wenig glaubwürdig wirken. Sie löste ihre Finger und setzte sich langsam auf.
 

„Es geht schon. Ich war nur... überrascht.“ Seine nun freie Hand fuhr durch ihr Haar und verharrte schließlich.
 

„Ich hol dir Zitronentee.“
 

„Hm-hm.“
 

Er stand auf, aber statt direkt in die Küche zu gehen, holte er erst eine Decke aus dem Schrank und gab sie ihr. Sie nahm sie dankbar an und wurde fast wieder zu Tränen gerührt. Wenn er so weitermachte, würde sie noch unter Schluchzern auf seiner Couch zusammenbrechen.
 

Sie hatte das Gefühl, als wäre diese Situation schon mal dagewesen.
 

Mit der Decke um die Schultern stand sie auf und wanderte wieder zu den Bildern auf dem Tisch. Sie sah Jahre vor sich ausgebreitet. Jahre, die erst er so unvergesslich gemacht hatte.
 

Wenn sie so weitermachte, schaffte sie nicht mal eine Woche.
 

Als er mit dem Tee zurück kam, war sie wieder die Alte. Das Kind war in den Brunnen gefallen, wie die Muggel sagten, und jetzt blieb es an ihr, dafür zu sorgen, dass das nicht nochmal passierte. Dem Gedanken an Professor Longbottom versperrte sie sich. Später.
 

Das Gleiche teilte sie Reece mit, schnappte sich Einkäufe und Bücher, verabschiedete sich und war weg.
 

Zu Hause packte sie die Einkäufe in die Küche und die Bücher per Zauberstab ins Regal, als sich mit grünen Flammen im Kamin die letzte Überraschung des Tages ankündigte.
 

Ihr Vater kletterte aus dem Kamin und klopfte sich den Staub von den Kleidern, bevor er sie in den Arm nahm.
 

„Ich habe gute Nachrichten für dich“, teilte er ihr mit. Er sah trotzdem nicht sehr glücklich aus.
 

„Deine Mutter hat mich erwischt, als ich die Nasch-und-Schwänz-Leckereien benutzt habe.“
 

Sie war verwirrt. „Warum sind das gute Nachrichten?“
 

„Sie hat mir deshalb verboten zum Spiel morgen zu gehen, wo ich mit Hawkins hinwollte, weißt du noch?“, grummelte er. „Er will sie nicht und deshalb“ - er seufzte - „gebe ich die Karten dir.“
 

Widerstrebend zog er zwei Karten hervor und reichte sie ihr. Phoebe bedankte sich und nahm sie entgegen. Ihr Vater schielte anschließend missmutig und offensichtlich nicht gewillt, noch länger fröhlichen Smalltalk zu halten zum Kamin.
 

„Es tut mir sehr Leid, Phoebe, aber deine Mutter erwartet mich zurück.“
 

Sie drückte ihn an sich. „Schon gut. Danke, Dad.“
 

„Natürlich, Liebling.“ Arnold schlurfte zum Kamin, nahm sich etwas Flohpulver und stieg wieder hinein. „Bis dann.“
 

Nachdem erneut die grünen Flammen aufgelodert waren, machte Phoebe sich bettfertig. Die Karten für das morgige Spiel legte sie auf den Nachttisch.
 

Alles was sie jetzt noch wollte, war Schlafen, obwohl es dafür eigentlich noch viel zu früh war. Sie ignorierte Uhrzeit und schlechtes Gewissen gleichermaßen und verkroch sich unter ihre Decke.
 

Sie war so müde, dass es schwer vorstellbar schien, dass sie heute eigentlich nur einen Einkaufsbummel gemacht hatte.
 

Bevor sie einschlief, kam sie gerade noch dazu zu bedauern, dass ihr erster und wohl auch einziger Kuss mit Reece ausgerechnet nach Leberwurst geschmeckt hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  whitePhobia
2012-10-10T21:04:01+00:00 10.10.2012 23:04
Reece Interpretation von der normalen Mode bei Zauberern ist einfach nur drollig. Ich vergesse immer wieder wie lustig die Kapitel teilweise sind und wie herrlich charmant du die beiden Hauptcharaktere beschreibst.
Mach weiter so! Ich freue mich über jedes neue Kapitel.


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