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Schattentanz

Einer von ihnen?
von

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400 Jahre später

Sie schrie. Sie schrie sich die Seele aus dem Laib in der Hoffnung, es würde aufhören. Aber es hörte nicht auf. Unter ihren Händen spürte die junge Frau nasses Laub und Erde. Sie roch das Gras, welches neben ihrem Gesicht in die Höhe spross. Voll Angst krallte sie die Finger in die feuchte Erde unter ihren Händen, rollte sich auf den Rücken und schleuderte die Erdklumpen dem Angreifer ins Gesicht. Das Biest knurrte auf und schnappte nach ihrer Hand. Wieder schrie die junge Frau auf und drückte sich weiter in den Waldboden. Tränen rannen über ihre dreckverschmierten Wangen und ihren Hals. Das Biest knurrte sie tief an und stellte sich nun über sie, verhinderte, dass sie aufspringen und fliehen könnte. Voll Panik krallte sie sich in das lange Fell und versuchte das Monster wegzudrücken. Sie zitterte vor Anstrengung und wimmerte vor Angst. Die Bestie knurrte ein weiteres mal tief, ehe es den Schlund aufriss und sie töten wollte. Geifer tropfte über die langen Hauer der Oberkiefers und seine Lippen auf ihre Haare und ihr Gesicht. Sie schrie ein letztes mal.
 

Einen Moment später tropfte Blut auf den Boden. Schwarzes Blut. Eine zähe, klebrige Masse. Das Fellmonster brach zusammen. Um genau zu sein, es zerfiel zu zwei ungleichen Teilen und sackte dann zur Seite. „Hm.“, machte der junge Mann zufrieden und wischte sein Schwert am Fell des Biestes ab. Er war zufrieden. Nur ein Hieb und das Wolfsungeheuer war dahin. Sehr gut, er wurde besser. Schade um das Mädchen, aber Opfer waren nicht immer zu vermeiden. Der Krieger schob das Schwert in die Scheide zurück und hob die Tote auf. Für sie war alle Hilfe zu spät gekommen, aber er konnte sie wenigstens zurück in ihr Dorf bringen. Dann würde sie immerhin beerdigt oder verbrannt. Nachdenklich schüttelte er den Kopf. Was auch immer eine Beerdigung bringen sollte, ihr Körper würde so oder so verrotten. Die menschlichen Gebräuche würde er nie verstehen.

Seit 492 Jahren, 3 Monaten und 17 Tagen war der Krieger hier in dieser Welt unterwegs. Er hatte sich kein bisschen verändert. Er trug die gleiche Kleidung, er benutzte die selben Gesten und er war noch immer so unglaublich stur. Nun nahm der weißhaarige die Tote auf und brachte sie davon. Er war nicht geschickt worden um sie zu retten, er war lediglich in der Nähe gewesen und hatte die Schreie gehört. Langsam wurden die Bestien echt dreist. Er verstand nicht, warum sie auf einmal so aggressiv waren. Früher – vor rund 200 Jahren – hatten die Menschen und die Schatten – wie sie hießen, bevor sie nur zu „Bestien“ wurden – friedlich nebeneinander gelebt. Und dann, mit einem Mal, hatten beide Parteien angefangen gegenseitig abzuschlachten. Zum Glück sah sich Aaron zu keiner der Beiden Gruppen zugehörig. Er schritt fast lautlos durch das Laub und in Richtung des einzigen Dorfes der Umgebung. Die tote blutete aus einigen Kratz- und Bisswunden am Hals und ihm Gesicht, dennoch schien das Blut an dem jungen Schwertkämpfer vorbei zu tropfen. Seine Kleidung war noch immer makellos und unbefleckt.

Ein kurzer Fußmarsch brachte Aaron schließlich über einen Waldpfad an die Stadtmauer und er betrachtete einen Moment die Dächer der Häuser, welche über die Mauer lugten. Die meisten Häuser waren alt, die Dächer oft schon mit einfachen Holzplatten ausgebessert worden, bemoost und verwittert. In neun von zwölf Monaten lag hier Schnee. Nun trat der weißhaarige durch den Torbogen und suchte mit den Augen nach einer Taverne. Nach kaum zwei Schritten allerdings, hatte ihn schon eine Frau entdeckt, die Wäsche hatte aufhängen wollen, und begann zu schreien. Nach und nach kamen immer mehr Dorfbewohner angerannt. Einige schrien, er sei ein Mörder, ein Bastard, ein Sohn der Dunkelheit. Andere warfen kleine Steine und Dreck nach ihm. Den Krieger lies es kalt. Es war fast wie eine unsichtbare Schutzblase um ihn herum. „Haltet ein!“, war eine Stimme zu vernehmen und der Priester trat durch die Reihen der Anwesenden. „Krieger, Ihr bringt uns ein totes Kind der Sonne, was ist geschehen, sprecht!“, rief er laut und die Menge verstummte. Alle waren gespannt auf die Flüchte desjenigen, der in ihren Augen der Mörder war. Nun erhob der Fremde die Stimme um brav auf die Aufforderung des Priesters zu reagieren. „Dieses Kind der Sonne ist von einem Schatten gerissen worden. Ich habe ihn erlegt, doch das Kind war schon verblutet. Meine Hilfe kam zu spät.“ Die Stimme des Kriegers war unglaublich tief und machte den meisten Zuhörern eine Gänsehaut. Sie klang rauchig und dennoch sehr angenehm. Der Priester nickte und nahm ihm die Tote ab. „Auch, wenn ihr das Mädchen nicht zu retten vermochtet, möchte ich euch im Namen dieses Dorfes danken. Gestattet mir, nach eurem Namen zu fragen?“, hob der Priester rasch an, als er sah wie sich der Fremde abwenden wollte. Dieser lächelte einen Moment nur geheimnisvoll und sagte dann leise: „Die meisten nennen mich Aaron.“ Der Priester nickte und dankte ihm ein weiteres Mal. „Darf ich Euch auf ein Met einladen, edler Krieger?“, fragte nun der Tavernenbesitzer und deutete in Richtung eines kleinen Holzhauses. Aaron nickte und wand sich zu dieser. „Gerne, mein Herr.“ er lächelte wieder dieses geheimnisvolle und seltsame lächeln, ging jedoch mit ihm zu der Taverne hinüber. Ein paar Mädchen, die den Krieger anhimmelten, folgten ihnen und auch ein paar Männer. Nur wenige blieben zurück um zu trauern und mit dem Priester hinauf zur Kirche zu ziehen. Nur die direkten Angehörigen. Andere hatten nicht das Recht zu trauern.

Aaron setzte sich an einen Tisch und einige der Mädchen zu ihm, um den Geschichten des Kriegers zu lauschen. Der junge Mann selbst hatte allerdings nicht das Bedürfnis zu erzählen. Es ging niemanden etwas an, was er erlebt, was er erlegt und was er gesehen hatte. Dennoch wirkte er anziehend auf die Frauen und die Männer gaben ihm ein Met nach dem anderen aus, wobei Aaron nicht einmal das Erste ausgetrunken hatte. Der Wirt trat an den Tisch heran und hob seine Laute und dröhnende Stimme. „Danke, dass Ihr uns das Kind zurück gebracht habt. So wird sie zumindest nicht von Bestien gerissen.“ Aaron nickte nur und trank einen Schluck von seinem Met. Es war nicht besonders gut, wohl selbst gebraut, aber was erwartete man in solch einem Dorf? Nun begann Aaron zu sprechen und sofort verstummten die Anwesenden. Des Krieges Stimme war kaum mehr als ein leises hauchen und doch war er gut zu hören. „Verschwinden oft Mädchen aus eurem Dorf?“, fragte Aaron leise und betrachtete die, die unmittelbar in seiner Nähe saßen. Der Wirt räusperte sich. „Leider liegt unsere Wasserstelle nicht direkt im Dorf, so müssen wir hinaus um Wasser zu holen und... Nun, die Konzentration der Bestien ist hier in den Wäldern bekanntlich sehr hoch.“ Der Samurai nickte. „Warum schickt ihr die Mädchen alleine?“, fragte er dann weiter und es klang fast schon wie ein Vorwurf. Niemand gab ihm eine Antwort. Aaron seufzte. „Wie weit ist die Wasserstelle entfernt?“, hob er dann an und eine der Mägde antwortete leise: „Wir brauchen ungefähr fünf Minuten hinunter zum Bach, wenn die Krüge voll und schwer sind laufen wir zehn zurück.“ Aaron nickte und überlegte. „Warum baut ihr keinen Weg hinunter den ihr mit Fackeln und einem Holzzaun schützt? Die Schatten trauen sich nicht an helle Wege heran.“ Gemurmel breitete sich in der Taverne aus. „Das ist wirklich eine gute Idee!“, rief Jemand. „Danke, Master Aar- Er ist weg...“ Tatsächlich war Aaron verschwunden. Ein paar Münzen lagen auf dem Tisch, ansonsten hatte er nichts zurück gelassen. Die Dorfleute sahen noch verwirrt auf den Stuhl hinab.
 

Aaron ging mittlerweile durch das Tor wieder hinaus und auf den Waldweg. Er hatte seine Aufgabe erledigt, ein weiteres Dorf würde mit rüsten anfangen. Er nickte zufrieden. Je weniger sich die Beiden Gruppen treffen würden, umso weniger mussten sie sich bekämpfen und töten. Nachdenklich sah Aaron sich um und ging weiter. „Und wo bleibe ich zu Nacht?“ fragte er leise und seufzte. Das war nicht ganz mitgedacht gewesen. Nun würde er wieder ein Nachtlager auf einem Baum aufschlagen müssen. Aaron seufzte tief. Mit ein paar gekonnten Bewegungen war er auf einem etwas höher liegenden Ast klettert und nahm seine Schwerter ab, hängte sie an einen Ast über sich. Dann zog er den Mantel aus und legte ihn wie ein Kissen zusammen und an den Stamm, ehe er die Schwerter wieder umlegte und sich dann im Schneidersitz auf dem Mantel nieder ließ um zu schlafen.



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