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Die Odaliske

Das Phantom der Oper
von

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Kapitel 4

 

 

 

Es waren Stunden vergangen seit Erik diese Räume verlassen hatte. Und ich saß noch immer hier und wartete geduldig. Ich musste zugeben, dass es sehr langweilig war. Im Harem konnte ich mich wenigstens mit den anderen Mädchen unterhalten, baden und wenn wir hinausgehen durften auch ein wenig im Palastgarten spazieren. Seufzend sah ich mich im Zimmer um, ich traute mich nicht so recht irgendwas anzufassen. Normalerweise war es uns verboten. So lange wir keinen Befehl erhielten mussten wir warten und durften nichts tun. Plötzlich fielen mir seine Worte wieder ein.

 

„Du kannst hier tun und lassen was du willst. Fühl dich, als gehöre alles dir allein“, flüsterte ich seine Worte vor mich hin.

Es war alles so verwirrend.

Wie konnte er so was von mir verlangen?

Wo ich doch mein ganzes Leben lang nie Rücksicht auf meine Gefühle nehmen durfte.

 

Allen Mut zusammennehmend, stand ich auf und lief durchs Zimmer. Mein Zimmer. Es war komisch so zu denken. Ich ging durch den Gazevorhang, hinüber zum Bett. In Gedanken verloren strich ich über die weiche, reich verzierte Bettwäsche. Bilder der vergangenen Nacht erschienen vor meinem inneren Auge. Das Geschehene kam mir so irreal vor. Als hätte ich es mir eingebildet. Meine Reaktion kam mir nun, nachdem ich es in meinem Kopf stundenlang wieder erleben konnte, und drüber nachgedacht hatte, immer dümmer und kindischer vor. Er war sehr nett zu mir gewesen. Auch wenn der erste Eindruck leider nicht so ausgefallen war. Und ich behandelte ihn als wäre er ein Monster. Ein Monster. Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. Ja, ich hatte ihn angesehen wie ein Monster. Wie jeden anderen Mann. Und bei allem was ich schon gehört hatte, und auch aus eigener Erfahrung, die Männer waren alle Monster. Zwar unsere Herren, nach Gott, aber dennoch Monster. Doch Erik war nicht so, da war ich mir nun sicher. Er konnte nicht so sein wie sie, das wollte und konnte ich mir nun nicht mehr vorstellen. Leise lächelte ich in mich hinein. Was ein paar Stunden des ruhigen Nachdenkens doch einem für neue Sichtwinkel öffnen konnten. Nun wurde mir irgendwie leichter ums Herz.

 

Summend begann ich nun das Bett zu machen und legte das bereits zusammengelegte Hemd, das ich während der Nacht getragen hatte auf die Decke. Und auch die Kissen auf denen ich eben noch gesessen hatte brachte ich in Ordnung. Wieder etwas gehemmter blickte ich mich um. Alles sauber, nichts mehr zu tun. Ich schritt zum Fenster und sah hinaus. Man konnte direkt in den Hof sehen. Es war ein überwältigendes Schauspiel. Grüne Wiesen, Rosenbüsche und die schönen weißen Schwäne auf dem Wasser, und der große Brunnen mit der hübschen Statur. Ich würde gerne einmal da hinunter gehen und die Schwäne füttern. Doch war es Haremsdamen nicht erlaubt sich dort aufzuhalten. Wir hatten unseren eigenen Garten. Vom restlichen Palast abgeschirmt.

Ob Erik einmal mit mir hinuntergehen würde?

Erschrocken sog ich die Luft ein. Wie konnte ich nur so was denken?

Nie im Leben konnte ich ihn darum bitten. Traurig schaute ich den Schwänen beim schnäbeln zu. Warum musste nur alles so kompliziert sein?

Er hatte mir gesagt ich könnte offen sprechen, doch ob ich das tatsächlich konnte?

 

Mit gemischten Gefühlen setzte ich mich wieder auf die Kissen und wartete auf meinen Gatten. Es war komisch ihn als meinen Gatten zu bezeichnen. Eine Hochzeit konnte man es ja nicht gerade nennen, was wir hatten. Und meine Familie war nicht dabei, wie ich es mir immer gewünscht hatte. Mein Vater hatte mich nicht meinem Mann traditionsgemäß übergeben, und Erik hatte auch nichts im Tausch gegen mich bezahlt. Für ein persisches Mädchen war die Hochzeit sehr wichtig. Sie gehörte zu den wichtigsten Zielen im Leben einer Frau, noch vor dem Kinder gebären. Denn ein Bastard war nichts wert. Doch das Erstgeborene musste um jeden Preis ein Junge sein, denn sonst würde es getötet werden. Immer wieder und immer wieder, bis ein Knabe herauskommen würde. Aber es konnte auch passieren, das die Frau jahrelang keinen Sohn gebärde, und der Mann sie deshalb wieder dem Vater zurückgab, und seine Waren, mit der er ihn damals bezahlt hatte, zurückverlangte. Kein Vater würde seine Tochter zurücknehmen. Nicht bei so einer Schande. Vor allem war sie nichts mehr wert, weil sie keine Jungfrau mehr war. Ich hatte immer inständig gehofft und gebetet das ich schnell schwanger werde, wenn ich mal einen Mann habe und ich zu allererst einen Knaben bekomme. Manchmal fiel ich in Depressionen, aus Angst, ich würde es nicht schaffen. In dem Fall fand meine liebe Mutter immer die richtigen Worte. Sie sagte immer ich solle keine Angst haben, mein Körper sei sehr gebärfreudig und in unserer Familie gäbe es fast nur Söhne.

 

Stundenlang noch dachte ich über dieses und jenes nach. Und eines hatte ich mir vorgenommen. Ich würde Erik so schnell wie möglich einen männlichen Erben schenken. Er war mein Gatte und ich als seine Frau war es ihm schuldig. Er musste mich hier dulden, mich ernähren, das war das mindeste was ich tun konnte. Schließlich war er ja auch mein Herr… Ich seufzte. Nun dachte ich wieder das, was Erik versucht hatte mir auszureden. Was war denn nun richtig? Ich sollte es wohl besser mit dem Denken sein lassen. Das brachte mir nur Kopfschmerzen ein. Ich sollte über was schönes nachdenken.

 

Plötzlich sprang die Tür auf und Erik schritt herein und schmiss die Tür wieder mit aller Macht zu. Erschrocken schrie ich auf und zuckte heftig zusammen. Ich hatte nicht damit gerechnet dass er jetzt kommen würde. Und ich hatte Angst wenn er so aufgebracht war.

 

„Diese ignorante, verwöhnte Pute“, redete er vor sich immer wieder hin. Er war sehr aufgebracht, es schien als sehe er mich nicht. Er fauchte noch andere Dinge hinaus, doch waren sie in einer Sprache die ich nicht kannte und nicht verstand. Wie ein Tier im Käfig schritt er hin und her. Redete vor sich hin wie ein Verrückter. Wie ein Gefangener, der jahrelang nur sich selbst als Gefährte hatte. Es machte mir Angst, obgleich ich die Angst zu besiegen versuchte. Er hatte mir versichert, dass ich mich nicht vor ihm fürchten musste, und das wollte ich auch. Doch schien es mir nicht wirklich zu gelingen. Verbittert stellte ich fest, dass mir schon wieder die Tränen in den Augen standen.

 

Wütend auf mich selbst versuchte ich die Schluchzer zu unterdrücken, doch drangen sie anscheinend ohne mein Zutun dennoch aus meinem Mund.

 

„Es tut mir Leid“, sprach Erik plötzlich sorgenvoll. Das Tier war verschwunden und übrig blieb nur er selbst.

„Du musst dich doch nicht fürchten“, sagte er und kam näher. Mit einem gescheiterten Lächeln im Gesicht sah ich ihn an. Er war so nett, es war toll, doch noch immer sehr komisch.

„Schon gut, es ist nichts“, sagte ich und wischte mir die Tränen weg. Als ich seinen Blick sah, der mir deutlich zeigte dass er mir nicht glaubte, begann ich leicht zu lächeln.

„Ich hatte mich nur erschrocken, weil du so plötzlich hereingestürmt warst“, erzählte ich simpel.

 

Doch der Blick verschwand nicht. Ich konnte ihm nicht standhalten und sah weg.

„Ich hatte mich nur erschrocken“, sagte ich noch einmal.

„Lüg mich nicht an. Du kannst alles aussprechen was du denkst, doch lüg mich niemals an“, erklärte er mir ruhig. Ich spürte wie ich innerlich begann zu zittern, doch ich gab mich normal, ich wollte nicht, dass er das sah. Es fürchtete mich einfach wenn er unzufrieden war. Er hatte mir zwar mehr als einmal versichert, dass ich nie um mein Leben bangen müsste, doch war es nach jahrelanger Erziehung in Fleisch und Blut übergegangen. Ich strengte mich sehr an, schließlich wollte ich ihn zufrieden stellen. Doch war es sehr schwierig.

 

„Du warst so wütend, und bist wie ein Tier im Käfig umher geschritten. Es war als könntest du mich nicht sehen. Es machte mir Angst“, sagte ich ehrlich. „Aber ich habe mich sehr bemüht es nicht zu zeigen“, rechtfertigte ich mich, doch als ich seine traurigen Augen durch die Maske sah, war ich wieder verwirrt.

„Ich war tatsächlich einmal wie ein Tier im Käfig gefangen. Und seither ertrag ich es nicht, wenn mich Menschen für ihre Zwecke benutzen, nur haben wollen, und nicht sehen, dass auch ich ein menschliches Wesen bin. Auch ich muss ausruhen, essen und schlafen. Doch dein Schah und deine Khanum scheinen das nicht zu begreifen. Doch haben das in meinem gesamten Leben nur sehr wenige getan“, sagte er seufzend.

Sein Anblick erschütterte mich. Bei unserer ersten Begegnung strahlte er noch so eine Macht aus und nun stand er vor mir wie ein enttäuschter, missverstandener kleiner Junge der sich nach seiner Mutter sehnte. Ich wusste nicht warum, doch ich ertrug es nicht. Ich wollte wieder den anderen Erik haben. Den Mächtigen. Mit diesem konnte ich nichts anfangen, es war merkwürdig, verwirrend. Noch nie in meinem Leben habe ich einen Mann so gesehen, nicht einmal davon gehört. Und nun stand einer vor mir und ich wusste nicht was ich tun sollte.

 

Ich kam auf die Idee ihn etwas abzulenken, dann würde er sich wieder fangen. Hoffte ich.

 

„Willst du vielleicht etwas zu Essen?“, fragte ich. Zunächst reagierte er gar nicht. Ich wollte meine Frage schon wiederholen, als er plötzlich seinen Kopf ein wenig hob.

„Ach ja, ich hab ja noch gar nichts gegessen“, nuschelte er vor sich hin. Erstaunt sah ich ihn an. Er hatte den ganzen Tag nichts gegessen? Er musste doch völlig erschöpft sein, nachdem er den ganzen Tag unterwegs war. Kurz sah ich zum Fenster, und dieses bestätigte es mir. Die Sonne ging bereits unter. Wie konnte es sein das er als mächtiger Mann nichts aß?

„Was denkst du?“, fragte er mich nachdem er offensichtlich meinen geschockten Blick gesehen hatte.

„Es wundert mich dass du noch nichts gegessen hast. Den ganzen Tag über. Du musst völlig erschöpft sein, nachdem du den ganzen Tag so schwer gearbeitet hast“, sagte ich.

Und wütend fiel mir ein, das ich ihm als seine Gattin mich darum hätte kümmern müssen. Es war meine Pflicht unser kleines Reich hier sauber zu halten und ihm mit Vergnügen und Essen zu versorgen.

„Machst du dir Sorgen?“, sagte er hoffnungsvoll. Oder war es eher belustigend? Ich konnte es nicht einschätzen, vielleicht ja beides. Wahrscheinlich fand er es belustigend. Denn wie absurd war es denn, das sich eine schwache Frau, wie ich, sich Sorgen um einen so starken, mächtigen Mann machte. Der angeblich schon die ganze Welt bereist hatte. Nein, er muss es wohl lustig finden.

 

„Hast du schon was zu dir genommen?“, fragte er. „Nein… .“

„WAS?“, rief er empört, schritt aus der Tür und rief, oder eher schrie, nach einem Eunuchen. Dieser kam auch sofort angerannt.

„Ja Herr?“

„Wie kannst du es wagen mich so unschuldig unter die Augen zu kommen?“, fragte er und schlug ihn hart ins Gesicht, „warum hast du ihr nichts zu Essen gebracht?“

„Sie hatte keinen Befehl gegeben“, antwortete der Diener ängstlich, sich die Wange reibend. „WAS? Warum sollte sie etwas sagen müssen? Es ist doch selbstverständlich das sie was zu Essen bekommt“, schrie Erik aufgebracht und drohte mit noch mehr Schlägen, was den Diener zurückwichen ließ.

 

„Erik“, sagte ich kleinlaut. Ich hätte nie gedacht das er es hören würde, doch er drehte sich plötzlich zu mir um. Von dem wütenden Mann war nichts mehr übrig.

„Ja meine Liebe?“, fragte er nur.

„Es liegt nicht an ihm…. .“

Erik knallte sofort die Tür vor der Nase des Dieners zu. Es war hier in Persien sehr gefährlich private Gespräche zu führen, wenn ein anderer dabei war. Vor allem hier in diesem Palast, in Anbetracht das Eunuchen im Tausch gegen Alkohol, Geld oder Süßigkeiten den Mund nicht mehr halten konnten.

„Ich hatte nicht nach Essen geschickt, weil ich auf dich warten wollte“, sprach ich nun lauter weiter. Erstaunt sah er mich an.

„Du hast bis jetzt nichts zu dir genommen?“, fragte er besorgt. „Warum?“

„Es gehört sich so dass die Frau nicht ohne die Erlaubnis ihres Mannes isst. Ich hab auf deine Rückkehr gewartet“, sagte ich kleinlaut. Ich wusste das ihm das nicht passen würde.

 

„Ihres Mannes“, flüsterte er geistesabwesend vor sich hin, als hätte er den Sinn des Gesagten nicht verstanden. „Ayesha, ich bin nicht dein Mann. Wir haben nie richtig geheiratet, und du bist ein freier Mensch, du kannst dir den Mann selbst auserwählen. Nur weil du mir übergeben wurdest wie ein Stück Fleisch, musst du nicht glauben, dass du mein Eigentum bist“, seufzte er. „Und bitte, hör mir gut zu. Du kannst jederzeit, wann auch immer du willst nach meinem… nein… unseren Diener rufen und dir von ihm alles holen lassen was du nur willst. Du musst keine Rücksicht auf mich nehmen. Abgesehen davon halte ich es nicht für nötig mehr als einmal am Tag zu speisen. Hast du das verstanden?“

Ich nickte traurig. Nun hatte ich wieder einen Fehler gemacht. Von allen Prinzipien, die ich in meinem Leben gelernt hatte, schienen hier alle falsch. Wie sollte das nur weiter gehen? Ich war mir sicher dass er es irgendwann satt haben wird, und mich hinauswirft.

 

„Sei nicht traurig, es ist doch nicht schlimm“, sprach er sanft. „Was willst du essen? Wird wohl Zeit das wir für heute was anständiges zu uns nehmen“, sagte er, und ich konnte hören das er lächelte. Auch ich musste nun lächeln.

„Ach, ich komm um vor Hunger. Am liebsten hätte ich etwas von allem“, sprach ich frei heraus, ohne nachgedacht zu haben was ich da sagte. Erschrocken hielt ich mir den Mund zu und sah scheu zu Erik. Doch er winkte nur ab und ging wieder zur Tür.

„Wer hat dir erlaubt wieder zu gehen?“, rief er wütend nach seinem Diener. Dieser kam sofort wieder angerannt, und ich konnte von hier aus sehen dass er zitterte. Erik sagte ihm was er uns holen sollte, und kaum hatte Erik geendet, war er auch schon weg. Er wollte sicherlich so weit weg von Erik wie möglich. Es war ihm anzusehen. Ich empfand zwar Mitleid mit dem armen jungen Eunuchen, er musste in meinem Alter sein. Doch ich fand es nett von Erik das er sich so um mich sorgte. Wenn ich daran dachte kribbelte es in meinem Bauch. Es war komisch, aber sehr schön. Ich fühlte mich gerade wie die glücklichste Frau Persiens. Die anderen konnten nur davon träumen, und gerade so ein einfaches Mädchen wie ich hatte das Glück.

 



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